Les faux amis

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Les faux amis
Heinrich-Heine Universität
Seminar: Kontrastive Linguistik
und Übersetzen
Dozentin: Nora Wirtz
Referentin: Inga Stiegemann
WS 2014/15
18.12.2014
Les faux amis
Ein Phänomen der sprachlichen Interferenz
Inhalt
1. Faux amis im Allgemeinem
1.1 Definition von faux amis
1.2 Kurzer geschichtlicher Überblick
1.3 Gründe für die Untersuchung des Phänomens
1.4 Unterscheidungen und Gliederungen der faux amis
1.5 Mario Wandruszka: Gründe der Entstehung des Phänomens
2. Faux amis speziell zwischen Deutsch und Französich
2.1 Allgemeine Informationen
2.2 Gründe für die Entstehung der faux amis zwischen Dt. und Frz.
2.3 Kategorien der faux amis
3. Wörterbücher der faux amis
4. Bibliografie
1. Faux amis im Allgemeinen:
1.1 Definition von faux amis
Synonyme:
• Frz.: mots-frères, faux frères
• Engl.: trap words, trouble-maker, false friends, false cognates,
deceptive cognates, partial cognates
• Span.: falsos gemelos
• Dt.: falsche Freunde
• Itl.: falsi amici, false corrispondenze, falso analogie, ambigue affinità,
trappole linguistische
• etc.
1.1
„[…]Wörter, die in zwei oder mehreren Sprachen die gleiche oder eine
sehr ähnliche Form aufweisen, so daß [sic] wir fälschlicherweise
annehmen, sie müßten [sic] auch dasselbe bedeuten.“ (C. Milan, 1989,
S.386)
„‘es scheint das Übersetzen zu erleichtern, erschwert es indes durch die
von der Lautgestalt ausgehende verführerische Wirkung’“ (vgl. F. Kainz,
Psychologie der Sprache, V. Ι, S.389f.)
1.1
„Wörter, die eine gemeinsame Wurzel haben (z.B. ein lateinisches oder
griechisches Etymon) und in den verschiedenen Sprachen, trotz
weitgehender Ähnlichkeiten in ihrer morphologischen und
phonologischen Struktur, erhebliche semantische Veränderungen
erfuhren.“ (E. Thiemer, 1979, S.263)
Gleiche oder ähnliche signifiants, signifiés nicht kongruent
1.1
Faux amis sind eine Interferenzerscheinung
→ Die Verwechslung kommt durch einen falschen, analogischen
Schluss zustande (vgl. C. Milan, 1989, S.387)
Insbesondere: formale Analogie
→ Interferenzerscheinungen schon auf formaler Ebene möglich
1.2 Kurzer geschichtlicher Überblick
• Latein: gemeinsame Basis für europäische Wortschätze
→ Grund für: Internationalismen & faux amis
• Latein als Basis, aber getrennte Sprachentwicklungen
• Ähnliches bei Sprachen mit anderer Basis
Beobachtung des Phänomens:
• Seit 1922: „Les Traquenards de la version anglaise“ (H. Veslot & J.
Blanchet ; „mots-sosies“)
1.2
Prägung des Begriffs faux amis:
1928: „Les Faux Amis ou les trahisons du vocabulaire anglais“ (Maxime
Koessler & Jules Derocquigny, 1928)
Weitere Werke:
„Autres mots anglais perfides“ (J. Derocquigny; 1931)
„Vrai ami du traducteur, anglais-français et français-anglais“ (Félix
Boillot; 1956)
„Les faux amis espagnols“ „Les pièges du vocabulaire italien“ (Louis
Dupont; 1961, 1965)
1.2
Große Entlehnungsepochen:
• lateinisches Mittelalter (Mittellatein)
• Humanismus (klass. Latein und Griechisch)
• 17. & 18 Jh. (kultureller Austausch mit Frankreich; Französisch)
• nach 1945 (Englisch)
1.3 Gründe für die Untersuchung des Phänomens
• Lateinischer, europäischer Wortschatzkern: sehr fallenreich
• Lexikalische Fehler: ca. 16% (von 85% Fehler in der mündl. Sprachausübung)
• Faux amis: „Gelehrtenwörter“ (= Fremd- oder Fachwörter)
→ höhere Häufigkeit beim Lesen und Schreiben als beim Sprechen
• Gefahr von semantisch leeren Sätzen (vgl. E.Thiemer, 1979, S.263)
• Integration & Korrektur der zwei- bzw. mehrsprachigen Wörterbücher
• Liefert gezielte Übungen zur Vermeidung dieser Fehler im Sprach- und
Translationsunterricht
• Daraus resultierendes Wörterbuch: zuverlässiges Instrument für Übersetzer und
Dolmetscher
1.3
„lautähnliche Wörter [lassen] sich wegen ihres Kontrastmangels viel
schwerer dem Gedächtnis einprägen als solche, die sich lautlich
deutlich unterscheiden.“ (C.Milan, 1989, S.387f)
→ große Interferenzgefahr für „strukturell-formale(n) falsche(n)
Freunde“ (C.Milan, 1989, S.388)
1.4 Unterscheidungen und Gliederungen der faux
amis
• Intralinguale faux amis: innerhalb einer Sprache
• Interlinguale faux amis: zwischen zwei oder mehreren Sprachen
• Synchronisch
• Diachronisch (→ Bedeutungsentwicklungen & -veränderungen im
Laufe der Zeit)
1.4
• Diachronisch, intralinguale faux amis:
zwischen verschiedenen Sprachstufen einer Sprache
• Diachronisch, interlinguale faux amis:
verwandte Sprachen entfernen sich
→ Entwicklung semantischer Kongruenzen zu faux amis
• Synchronische, intralinguale faux amis:
Paronymie-Phänomene bzw. Homonymie-Phänomene
(z.B.: dt.: real – reel)
• Synchronische, interlinguale faux amis:
zwischen modernen, relativ verwandten europäischen Sprachen
1.4
Faux amis de forme/strukturelle/strukturell-formale:
• formale Scheinentsprechungen
• weitgehend gleiche Bedeutung
• Unterschiede in: der Morphologie, Orthografie, Betonung,
Aussprache oder des Genus, der Syntax oder der Stilistik (oder
allgemein Pragmatik)
→ Kommunikationsstörung in unterschiedlichem Grad
1.4
Gruppen der faux amis de forme: (nach C.Milan)
• Abweichende Orthografie
• Abweichende Aussprache
• Abweichende Betonung
• Abweichendes Genus
• Abweichender Numerus
• Abweichende Endung
• Abweichende (Verb-)Rektion
1.4
• Abweichendes Auxiliarverb
• Unzulässige Lehnübersetzung von Zusammensetzungen
• Unzulässige Lehnübersetzung von idiomatischen Ausdrücken
• Bildung nichtexistierender Wörter bzw. Pseudowörter in der
Zielsprache aufgrund bestimmter formaler Gegebenheit in der
Ausgangssprache (fiktive formale Analogie (vgl. E.Thiemer))
• Bildung falscher Floskeln (pragmatische Abweichung)
Können kombiniert auftreten → höhere Interferenzgefahr
1.4
Faux amis de sens/semantische: Wörter die:
• große formale Ähnlichkeit (wichtigste Bedingung für faux amis)
• Etymologisch miteinander verwandt (Bedingung zur Abgrenzung von
zufälliger Homonymien)
• Im Laufe der Entwicklung in verschiedenen Sprachen verschieden
Bedeutungen angenommen
Entlehnungssprache: dritte Sprache oder eine der Vergleichssprachen
1.4
Drei Typen von faux amis:
• Exklusion: keine gemeinsame Bedeutung → immer Interferenzgefahr
• Inklusion: eines enthält Bedeutungen des anderen und weitere
darüber hinaus → Ausgangspunkt: Wort mit den weiteren
Anwendungsbedingungen → Interferenzgefahr
• Überlappung: eine oder mehrere gemeinsame Bedeutung →
Interferenzgefahr: nur bei Anwendung der nicht gemeinsamen
Bedeutungen
Exklusionen: „echte/wahre“ falsche Freunde
1.5 Mario Wandruszka: Gründe der Entstehung
des Phänomens
„Die Existenz so vieler falscher Freunde zwischen allen unseren
Sprachen läßt [sic] sich nämlich mit keiner der heute herrschenden
linguistischen Theorien vereinbaren. Die spielerische Leichtigkeit, mit
der unsere Wörter bald da, bald dort zu neuen Bedeutungen und
Verwendungen ‘wandern‘, ‘gleiten‘, ’springen‘, beruht auf einer der
erstaunlichsten Eigenschaften unserer natürlichen Sprachen, auf ihrer
Fähigkeit zur Polysemie.“ (M. Wandruszka, 1976, S. 55)
• „spielerischer Zufall“ (eda. S.55) von Bedeutung
1.5
• kultursoziologische oder nationalpsychologische Interpretation:
nur für wenige denkbar
• Unterschiede: nur zu faux amis geringem Teil aus Unterschieden der Natur,
Kultur, kollektiven Charakters, der Mentalität oder Sensibilität erklärbar
• Spielerische Leichtigkeit des Hinübergleitens in eine neue Bedeutung,
teilweise ohne erkennbarem Grund
• sprachgeschichtlichen Erklärungen meistens nur halbe Erklärungen
• Bedeutungsentwicklungen: vergleichbar mit Würfelspiel
• Gesetze der Symmetrie: für natürliche Sprachen keine zwingende Geltung
1.5
„Die Kombinatorik der Formen in ihrem Mikrokontext, dem
Makrokontext, der Situation, ist die Voraussetzung für die semantische
Mobilität unserer Wörter, für die alle Formen und Strukturen unserer
Sprachen durchziehende Polysemie, für die spielerische Beweglichkeit
unserer Sprachen.“ (S.71)
„Unsere Sprachen sind Gebilde, die durch das Spiel des Zufalls und der
Notwendigkeit geprägt sind.“ (S.77)
2. Faux amis speziell zwischen Deutsch und
Französisch:
2.1 Allgemeine Informationen
Deutsch: lat. Wörter nur als Entlehnungen
Folge:
• Bedeutungsverschiebung
• Bedeutungsverengung (am Häufigsten)
Zahl der faux amis hängt ab von:
• Perspektive (dt.-frz. oder frz.-dt.)
• Lernpublikum und dessen Grad der Zielsprachenbeherrschung
• Den verglichenen Sprachen und den ein- oder ausgeschlossenen Sprachregistern
→ Grenzen des Begriffs faux amis diffus (wie alle anderen Beschreibungstermini)
2.1
• Ein Kontingent von frz. Fremdwörtern
→ mittlerweile fester Bestandteil des dt. Wortschatzes
• Gemeinsamer Kern (lat. Etyma); differierender Bedeutungsspielraum
• Ca. 1700 geläufige faux amis (dt. Ausgangs-, frz. Zielsprache) (Klein;
Hinübersetzungswörterbuch)
• Inklusive niederfrequente Scheinentsprechungen (semantisch oder
formal): = ca. 3000 oder 4000 (oder mehr)
• Ursprünge: häufig im Mittelalter und Renaissance
(→Bildungsstrukturen und allgemein Kulturen und Gesellschaften
noch enger zusammen)
2.1
„Häufigster Grund ist, daß [sic] mit Übernahme eines bis dato
unbekannten Gegenstandes oder Begriffs gleichzeitig seine
Bezeichnung mit übernommen wird.“ (B. Müller, 1981, S.250)
„Das Heimtückische dieser französischen Lehnwörter besteht darin,
daß [sic] sie nicht nur orthographisch [sic], sondern vielfach auch
aussprachemäßig mit dem ursprünglichen französischen Mutterwort
übereinstimmen, jedoch oftmals eine teilweise oder sogar vollständige
Sinneswandelung erfahren haben.“ (B.Müller, 1981, S.250f)
2.2 Gründe für die Entstehung der faux amis
zwischen Deutsch und Französisch:
„Wie die Schriftbilder heutiger französischer Wörter, so enthalten auch
ihre Bedeutungen und, allgemeiner bzw. onomasiologisch gesagt, viele
heute Bezeichnungen mittelalterliche Elemente.“ (E.U.Große, 1989,
S.370)
2.2
• Grund für Nichtübereinstimmung der Wortinhalte:
„sozialen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, historischen
Hintergründen des Sprachgebrauchs“ (Koller, 1983, S.57)
• Pejorativisierung: Abwertung des Fremden (Lehnwörter werden negativkonnotiert) (recht häufig) (Bsp.: raisonner – räsonieren)
• Französische Sprachnormierung durch den vornehmen usage des 17. Jh.
(Absolutismus)
• Deutsche Sprachnormierung: nicht so starke Ausmaße und viele
Folgeerscheinungen
• Faux amis: (zweisprachige) Untergruppe der „mot de civilisation“
(einsprachig)
• Frankreichs „Wörter und Sachen“ sind traditionsverhafteter und -geprägter
2.2
Erklärung für Unterschiede:
• Sprach- und Kulturgeschichte
• Lebensbereiche
• Sprachinterne und sprachexterne Faktoren
• Nicht möglich: primär aus historisch-gesellschaftlichen
Hintergründen, aus landeskundlich-kulturellen Unterschieden zu
erklären
• Landeskundliche Unterschiede
2.3 Kategorien der faux amis:
• Gleiche/ähnliche Form, unterschiedliche Bedeutung:
die Parole/la parole, die Regie/la régie, luxuriös/luxurieux
• Gleiche Form, unterschiedliche Artikel und unterschiedliche Bedeutung (intralingual):
le voile/la voile, le manche/la manche, le vapeur/la vapeur
• Verben mit unterschiedlicher Rektion:
abonnieren/s’abonner à, wegfliegen/s’envoler, sich aufhalten/ séjourner
• Abweichende Endungen:
katastrophal/catastrophique, Anonymität/anonymat, emotional/émotif
• Unterschiede im Genus:
die Vase/le vase, der Planet/la planète, der Likör/la liqueur, die Gage/les gages (pl.)
• Sinngleiche Bedeutung, unterschiedlicher, teilweise sehr ähnlicher Orthografie:
der Komfort/le confort, der Waggon/le wagon, die Etappe/l’étape
2.3
• Gleiche Form, gemeinsame Inhaltsmerkmale, sonst verschiedene
Bedeutungen (interlinguale Polysemie):
impotent/impotent
• Lautliche ähnlich, Teilentsprechungen:
Divergenz (engere Bedeutung in Ausganssprache):
dt.: Tee – frz.: thé, infusion, tisane
Konvergenz (weitere Bedeutungen in Ausganssprache):
dt.: Prinz, Fürst, Herrscher – frz.: prince
• Pseudonyme:
dt. Die Blamage (nie existent in frz. gewesen);
dt. Friseur (früher im frz., heute ersetzt)
3. Wörterbücher der faux amis:
Wörterbücher:
• Klein, Hans-Wilhelm, 1987: Schwierigkeiten des deutsch-französischen
Wortschatzes. Germanismen – Faux amis
• Vanderperren, Francois, 1994: Dictionnaire des/Wörterbuch der faux amis
Aufbau:
Klein: auf Deutsch → Deutsche Muttersprachler
• Suche nach französischen Begriffen: siehe Register
Vanderperren: auf Französisch und Deutsch (s. Vorwort/Avant-Propos)
• Kurze Erläuterung: Geschichtlicher Überblick, Faux Amis
• Vorbemerkung: Begrifferläuterung, Besonderheiten (Bsp. Zusammengesetzte
Wörter)
4. Bibliografie:
• Grosse, Ernst Ulrich. 1998. „zwischen Linguistik und Landeskunde: die ‚faux amis culturels‘“. In:
Französisch heute 29, 359-378. http://www.freidok.unifreiburg.de/volltexte/3161/pdf/Faux_amis.pdf
• Klein, Hans-Wilhelm (1987): Schwierigkeiten des deutsch-französischen Wortschatzes.
Germanismen – Faux amis. Stuttgart: Ernst Klett Verlag.
• Milan, Carlo (1989): „Falsche Freunde – ein besonderes Problem der kontrastiven Lexikologie“. In:
Sprachwissenschaften, 384-404.
• Müller, Bernhard (1981): „Faux amis und mots-pièges – eine kritische Zusammenstellung“. In:
Französisch heute 12, 250-258.
• Thiemer, Eberhard (1979): „Die ‘falschen Freunde’ als Erscheinung zwischensprachlicher und
innersprachlicher Interferenz“. In: Fremdsprachen 23/4, 263-271.
• Vanderperren, Francois (1994): Dictionnaire des/Wörterbuch der faux amis. Louvain-la-Neuve:
Duculot.
• Wandruszka, Mario (1977): „Falsche Freunde: ein linguistisches Problem und seine Lösung“. In:
Lattenberger, H. (Hg.). Festgabe für Julius Wilhelm, Zeitschrift für französische Sprache und
Literatur, 53-77.