Wohnen in Aachen - Lehrstuhl für Planungstheorie und
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Wohnen in Aachen - Lehrstuhl für Planungstheorie und
Wohnen in Aachen Seminardokumentation Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung RWTH Aachen - Fakultät für Architektur März 2006 Wohnen in der Stadt Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 2 Wohnen in Aachen Seminardokumentation Dipl.-Ing. Gisela Schmitt Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung RWTH Aachen – Fakultät für Architektur redaktionelle Zusammenstellung: Kilian Schulte Aachen, März 2006 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 3 Dieser Reader wird im Rahmen des Seminars „Wohnen in der Stadt“ im Wintersemster 2005/ 2006 herausgegeben. Es sind die schriftlichen Ausarbeitungen der SeminarteilnehmerInnen zusammengestellt, die sich aus der Perspektive unterschiedlicher Zielgruppen mit der Situation auf dem Aachener Wohnungsmarkt auseinandergesetzt haben. Gisela Schmitt, Aachen im März 2006 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 4 Inhalt 5 Das Seminar 7 Entwicklungstendenzen auf dem Aachener Wohnungsmarkt 19 36 Wohnverhätnisse von Migranten in Aachen Wohnen Migranten anders? 51 72 Integration ausländischer Studierender in Aachener Wohnheimen Wohnen – Studentenverbindungen in Aachen 85 97 Wohnformen für Senioren in Aachen Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Wohnbedarf im Alter 110 Barrierefreies Wohnen in Aachen – eine Wohnqualität? 132 152 Familien Eigenheime Wir suchen ein Eigenheim 165 174 Stilvoll Leben im Herzen der Stadt – Barbarossapark Aachen Life-Style Wohnen 183 Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? 200 Kein Dach über dem Kopf – Wie leben wohnungslose Frauen in Aachen? 220 Anhang: Projektbogen – Stellwerk 60 Projektbogen – Hochbunker Köln-Nippes Projektbogen – Wohnwerft Rheinauhafen-Köln Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 5 Das Seminar Wohnen in der Stadt – wie funktioniert der Wohnungsmarkt? Inhalt Wenn sich Stadtplaner und Architekten mit dem Thema „Wohnen“ beschäftigen steht zumeist das Haus oder die Wohnung aus architektonischer, baulicher Sicht im Zentrum der Betrachtung. In diesem Seminar wurde eine erweitere Sicht auf das Wohnen eingenommen: • • unter ökonomischer Perspektive die ‚Wohnung’ als ein ‚Marktobjekt’ betrachtet, das produziert, verkauft und vermietet wird. und unter soziologischer Perspektive das ‚Wohnen’ als ‚sozialer Prozess’ in den Vordergrund gestellt. Den Studierenden sollte der Anwendungsbezug von ‚Marktmechanismen und Wohnbedürfnissen’ zum eigenen Tätigkeitsfeld – dem ‚Planen und Bauen’ vermittelt werden. Ablauf Im ersten Teil des Seminars erhielten die Studierenden Einführungen in verschiedene thematische Bereiche des Wohnens: • • • • • • Wohnen - eine Begriffsklärung Wohnungsmarkt – Preisbildung, Angebot und Nachfrage Wohnbedürfnisse und Lebensstile Wohnungsproduktion – Finanzierung und Kosten Wohnungsversorgung und Wohnungspolitik Wohnungswirtschaft und Wohnungsmarkt Diese Einführungen wurden durch Beiträge verschiedener Experten aus der Praxis ergänzt. • • • • Dipl. Ing. Tina Hörmann, BRR Forschungsprojekt, „Innovative Projekte im Wohnungsbau“ Dr. Katrin Hater, BsP Aachen, „Neue Wohnformen“ Johann Körfer, Fachbereichsleiter Stadtverwaltung Aachen, „Der Wohnungsmarkt in Aachen“ Dipl. Ing. Jörg Penner, GeWoGe Aachen, „Projektentwicklung eines innerstädtischen Wohngebiets“ Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 6 Exkursion Im Rahmen des Seminars fand eine Exkursion nach Köln statt, die Eindrücke von unterschiedlichen Wohnbauprojekten vermitteln sollte. Im Anhang dieses Readers sind die besichtigten Projekte kurz dokumentiert. Seminararbeiten In der zweiten Seminarphase wurde die Wohnsituation unterschiedlicher Zielgruppen unter dem Titel „Wohnen in Aachen“ von den SeminarteilnehmerInnen untersucht. Die Ergebnisse sind im Folgenden dokumentiert. Kilian Schulte Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 7 Entwicklungstendenzen des Aachener Wohnungsmarktes Tim Pulina, Felix Osikominu Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 8 Inhalt Entwicklungstendenzen des Aachener Wohnungsmarktes 1 Einleitung 2 Entwicklungstendenzen 3 Gegenwärtige Situation 4 Szenario 2020 5 Besonderheiten in Aachen 6 Ziele 7 Strategien 8 Quellenangaben und Bildverzeichnis Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 9 1 Der Aachener Wohnungsmarkt Die Entwicklungstendenzen des Aachener Wohnungsmarktes stehen im Zentrum unserer Arbeit. Sie werden seit Jahrzehnten beobachtet, jedoch erst seit Anfang der 90 er Jahre dokumentiert. Die Kooperation und der gegenseitiger Austausch von Wissen zwischen den Städten und den Gemeinden gehören zu den modernen, zukunftsorientierten Arbeitsweisen. Dies ist im „Informationszeitalter“ nicht nur für Städte und Gemeinden wichtig, sondern gilt für die gesamte Gesellschaft. Die Entwicklung der Gesellschaft ist für den Verlauf der Entwicklungstendenzen maßgeblich. Arbeitslosigkeit, demographischer Wandel, neue Familienstrukturen, um nur ein paar wenige gesellschaftliche Faktoren zu nennen, sind wichtige Indikatoren zur qualifizierten Bestimmung von Tendenzen des Wohnungsmarktes. Die Handlungsspielräume für den Wohnungsmarkt werden immer enger. Der Gestaltungsspielraum der kommunalen Politik und der Verwaltung wird immer kleiner. Somit bedarf es zusätzlicher, neuer Wege, bei denen vorhandene Ressourcen genutzt und Erfahrungen und Wissen ausgetauscht werden müssen. So bilden Wohnungsmarktbeobachtungen und Wohnungsmarktbarometer, Zusammenschlüsse von Institutionen zur Gestaltung zukünftiger Perspektiven, Befragungen und Statistiken das Grundgerüst für die Einschätzung einer chancenreichen Entwicklung des Wohnungsmarktes in Aachen. Abb.1 Abb.2 Die Ausarbeitung beschränkt sich auf die wichtigsten Bestandteile der aktuellen Beobachtungen und Indikatoren. Der Verlauf der Entwicklungstendenzen zeigt jedoch eine unabdingbare Integration von früheren Statistiken und Befragungen in den gegenwärtigen Prozess. Außerdem behandelt sie die gesellschaftlichen, historischen und soziologischen Grundlagen, Ziele und Auswirkungen, die für die Entwicklungstendenzen von großer Bedeutung sind. Utopien und Visionen der Vergangenheit, welche in der geschichtlichen Literatur begründet sind, haben Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Viele von ihnen scheinen fantasiereich und unrealistisch zu sein. Schleusermobil Komfort: Zugelassen für fünf Personen, serienmäßig ausgestattet mit Minibar und Klimaanlage Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 10 Abb. 3 und 4 In dem Kapitel „Szenario 2020“ möchten wir eine uns realistisch erscheinende Vision aufführen, welche aufgrund der gegenwärtigen Tendenzen realistisch zu sein scheint. 2 Entwicklungstendenzen Entwicklungstendenzen wurden in der Vergangenheit fast ausschließlich stichtagsbezogen untersucht. „So wurden z.B. im Rahmen von Flächennutzungsplanverfahren Wohnungsbedarfsprognosen erstellt, die dann Grundlage für die Wohnbauflächenauswiesung waren. In der Regel sind die Wohnungsmärkte von externen Gutachtern untersucht worden, die keine oder nur sehr geringe Kenntnisse über die örtlichen Marktverhältnisse hatten. Üblicherweise wurden die Gutachten nach Fertigstellung nicht mehr fortgeschrieben.“ (Kommunale Wohnungsmarktbeobachtung in NordrheinWestfalen (KomWoB) Beiträge aus Forschung und Praxis, Dokumentation der Starterkonferenz vom Mai 1997, Düsseldorf) Aus diesem Grund ließen sich Fehleinschätzungen nicht vermeiden. Beispielsweise wurde der Wohnungsmarkt aufgrund von Wohnungsleerständen Ende der achtziger Jahre als entspannt bezeichnet ohne eventuelle Zuwanderungen zu berücksichtigen. Demzufolge blieb der soziale- und im besonderen der Miet- Wohnungsmarkt unberücksichtigt. Schon bald wurde eine erhöhte Zuwanderung aus dem ehemaligen Ostblock verzeichnet und aus der vorzeitig entspannt eingeschätzten wurde eine äußerst angespannte Wohnungsmarktlage. Fehlenden Kenntnisse und wenig differenzierte Einschätzungen hatten falsche Entscheidungen in der Wohnungsmarktpolitik zur Folge. So gilt es gegenwärtig und zukünftig vor allem die Veränderungen in der soziodemografischen Struktur der Bevölkerung und der Haushaltsbildungsprozesse weitmöglichst mit in den Prozess der Tendenzentwicklung einzubeziehen. Die allgemeinen Entwicklungstendenzen zeigen aktuell eine negative Bevölkerungstendenz aufgrund der demographischen Entwicklung. Weiterhin sind kleinere Haushalte, alleinstehende und alleinerziehende Personen, zu erwarten. Somit wird die Zahl der Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 11 Haushalte in den nächsten Jahren zunehmen und der Trend zur Verringerung der Personenanzahlen in den Haushalten steigen. Aufgrund der Veränderung der Familien- und Haushaltsverhältnissen und der Gesellschaftsordnungen wird ein höherer individueller Raumbedarf benötigt. In Folge dessen gilt es für die Kommunen und Gemeinden sich dieser Anforderung zu stellen und sich mit dem Thema der zunehmenden Konkurrenz der Städte, beziehungsweise der Siedlungsräume um Einwohner, auseinander zu setzten. Es liegt besonders im Interesse der Kommunen Abwanderung zu verhindern und Zuwanderung beispielsweise durch soziale Anreize zu motivieren. Die Stadt Aachen, im speziellen, wird in Zukunft einen Mangel an Sozialwohnungen erleben, da durch auslaufende Bindungen in den nächsten zehn Jahren ungefähr 8000 Wohnungen wegfallen werden. Zudem spielen finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle für die Stadt Aachen, da die allgemein schlechte Einkommenssituation der privaten Haushalte zukünftig vermehrt durch Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe bestimmt wird. Somit ist eine positive Entwicklung aufgrund der genannten negativen Ausgangslage zu erwarten. Die Stadt Aachen versucht zudem durch den Verkauf und die Entwicklung von attraktiven Gewerbeflächen neue Arbeitsplatzpotentiale zu erschließen und außerdem ihre eigene Finanzlage zu verbessern. Trotz aller Versuche, auch im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich, geht die Bevölkerungsprognose für den Zeitraum bis 2020 von einem Rückgang aus. Aachen setzt sich dem europäischen Wohnungsmarkt aus, was nach den gegenwärtig, aufgeführten Tendenzen unabdingbar zu sein scheint. 3 Gegenwärtige Situation des Aachener Wohnungsmarktes Instrumente und Methoden der Wohnungsmarktbeobachtung in Aachen Die Gegenwärtige Situation des Aachener Wohnungsmarktes wird im regelmäßig erscheinenden Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen kontinuierlich beobachtet und dokumentiert. Diese kommunale Wohnungsmarktbeobachtung wurde 1998 im Rahmen der Teilnahme am Modellversuch der Wohnungsmarktförderungsanstalt Nordrhein – Westfalen (Wfa) begonnnen. Der von dem Fachbereich Wohnen erstellte Bericht dient politischen Gremien, Akteuren auf dem Aachener Wohnungsmarkt sowie überregionalen Institutionen als Entscheidungshilfe, gleichzeitig wird er auch interessierten Privatpersonen zur Verfügung gestellt. Der Bericht dokumentiert die Entwicklung des Aachener Wohnungsmarktes anhand ausgewählter Wohnungsmarktindikatoren. Die Wohnungsmarktindikatoren werden in Kommunale- und Bundesindikatoren differenziert, die im Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen dargestellten Indikatoren sind in der nachfolgenden Tabelle ersichtlich Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 12 Abb.5 Im weiteren wird auf die Wohnungsmarktsituation und Trends, Wohnungsbedarf und – nachfrage, Wohnungsangebot, Grundstücksmarkt, Mieten und Mietbelastung und zukünftige Entwicklungen eingegangen. Der Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen stellt die Situation des Aachener Wohnungsmarktes objektiv anhand der gewählten Indikatoren dar, wird jedoch von der Verwaltung der Stadt Aachen erstellt und bietet daher auch die Möglichkeit, dass Schlussfolgerungen subjektiv im Sinne der Stadt Aachen dargestellt werden. Weitere Erkenntnisse zum Aachener Wohnungsmarkt erlaubt das ebenfalls regelmäßig von der Stadt Aachen herausgegebene Wohnungsmarktbarometer. Das Wohnungsmarktbarometer ist eine Umfrage unter Expertinnen und Experten auf dem Aachener Wohnungsmarkt. Der Fragebogen des Wohnungsmarktbarometers 2004 setzt sich aus statistischen Angaben, acht standardisierten Fragen zur Situation des Aachener Wohnungsmarktes, sowie der Möglichkeit Kommentare und Anregungen frei zu treffen, zusammen. Die Befragten können ihre Einschätzungen zur aktuellen Wohnungsmarktlage, zur Wohnungsmarktlage im Vergleich zum Vorjahr, zur kurz- und -mittelfristigen Wohnungsmarktentwicklung, zum Investitionsklima, zur Entwicklung des Investitionsklimas, sowie zu Investitionshemmnissen wiedergeben. Weitere Erkenntnisse zur Situation des Aachener Wohnungsmarktes erlaubt eine im Jahr 2002 erstmals durchgeführte Zeitungsanalyse. Wesentlich für die Zeitungsanalyse ist, dass sie direkt am Markt stattfindet und so erlaubt Tendenzen, Entwicklungen und Probleme unmittelbar zu erfassen. Entwicklung des Mietwohnungsmarktes Angebotsseitig Besonders der geförderte Mietwohnungsmarkt stellt sich derzeit problematisch dar. Zusätzlich zu einem knappen Angebot, welches im Wohnungsmarktbarometer an einer seit 2000 konstant hohen Belegungsquote, sowie einer entsprechend niedrigen Leerstandsquote dokumentiert ist, wird die Zahl der geförderten Wohneinheiten in den kommenden Jahren um ein drittel abnehmen. Daher wird es zu einer weiteren Verschärfung auf diesem ohnehin schon angespannten Marktsegment kommen. Dem gegenüber steht ein sonst entspannter Wohnungsmarkt, der ein vielfältiges Angebot mittel- und hochpreisiger Mietwohnungen bietet und sich daher mehr und mehr zum Mietermarkt entwickelt. Dennoch ist die auf Basis von `Nullverbrauch´ ermittelte Leerstandsquote von 2,8 Prozent als unschädlich anzusehen. Die im Aachener Mietspiegel dokumentierte Verschiebung des Angebotportfolios ist im wesentlichen auf eine Standardanpassung durch umfangreiche Sanierungsmassnahmen im Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 13 Altbaubereich zurückzuführen. Die günstige nur einfachen ausgestattete Altbauwohnung verschwindet zusehends vom Markt. Entwicklung des Mietwohnungsmarktes Nachfragerseitig Einhergehend mit einer zur Zeit positiven Bevölkerungsentwicklung, hält auch in Aachen der Trend zur weiteren Verkleinerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße weiter an. So ist die Durchschnittshaushaltsgröße auf 2,09 Personen pro Haushalt im Jahr 2003 gesunken. Die steigende Zahl von Singlehaushalten, sowie Alleinerziehender mit Kind bedingt diese Entwicklung. Kleinere Haushalte und wachsende Bevölkerung führen zu einer Anspannung des Marktes, welche sich maßgeblich auf den ohnehin schon angespannten geförderten Mietwohnungsmarkt auswirkt. Trotz der vorhandenen Remanenzeffekte, das bedeutet, dass man nicht automatisch in eine kleinere Wohnung zieht weil sich der Haushalt verkleinert, führen diese Veränderungen auch zu einem veränderten Raumbedarf. Grundsätzlich ist auch von einer Individualisierung des Wohnungsbedarfes auszugehen, auf die der Markt mit einem breiten Angebot bedarfsgerechter Wohnformen reagieren muss. Die Bevölkerungsentwicklung weist weiterhin eine Veränderung der Alterstruktur auf. So nimmt ähnlich zum Landestrend auch in Aachen der Anteil der Bevölkerung im Rentenalter signifikant zu, woghingehend die Geburtenraten stetig sinken. Eine Aachener Besonderheit ist der durch die Hochschulen ausgelöste hohe Studentenanteil. Ausgehend von den im Landesvergleich hohen Arbeitslosenzahlen, hat der Aachener Arbeitsmarkt sich in den Jahren 1997 bis 2003 sehr positiv entwickelt. Hier scheinen Bemühungen der Stadt Aachen den Strukturwandel zum Technologiestandort zu vollziehen sich auszuzahlen. 4 Szenario 2020 Eine zutreffend Marktprognose für die Situation des Aachener Wohnungsmarktes im Jahr 2020 kann niemand allgemein treffen. Auch wenn es immer wieder möglich scheint, genaue Aussagen für die Zukunft zu treffen, so sehen wir diese eher als Glücksfall oder Zufall an, es sei denn die Prognosen beziehen sich auf einzelne Faktoren, wie die demographische Entwicklung. Diese Entwicklung lässt sich bedingt durch die Lage der Sache verhältnismäßig weit Fortschreiben – ohne Mütter und Väter gibt es nach jetzigem stand der Technik auch keine Kinder. Jedoch war Konrad Adenauer sich noch sicher: „Kinder kriegen die Leute immer.“ Doch die Welt hat sich verändert! Waren 1950 noch 30 Prozent der Bevölkerung jünger als 20 Jahre, sind es heute nur noch 20 Prozent. So wird die deutsche Gesellschaft zusehends älter und wenn weder Geburtenraten, noch Zuwanderung erheblich steigen, auch immer kleiner. Immer wieder werden Szenarien jedoch auch mit beeindruckender Genauigkeit entwickelt. So führt der jetzt gezielt begonnene Stadtrückbau in Teilen des Landes, zu genau jenen `blühenden Landschaften´, welche die Politik (Helmut Kohl in seiner Fernsehansprache zur Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1990) unmittelbar nach der Wende für unsere Heimat prognostiziert hat. Eine Grundlage für unsere Arbeit ist die Studie Deutschland 2020 vom Berlin Institut für Bevölkerung und globale Entwicklung. Die Studie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sozidemographische und ökonomische Kennzahlen für die Situation Deutschlands in einem 22 Kriterien umfassenden Benotungssystem entwickelt und diese in einer Art Kartierung graphisch lesbar aufbereitet. Die Darstellung besitzt eine Auflösung, welche es ermöglicht, Kreise und Städte differenziert zu betrachten. Dies erlaubt im Weiteren ein Kriterien – bezogenes Ranking. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 14 Abb.6 Paul Gans, Regionalforscher an der Universität Mannheim, spricht jedoch von einem „kumulativen Schrumpfungsprozess“ und relativiert damit die Bedeutung eines auf Einzelkennzahlen bezogenen Rankings. Vielmehr entsteht ein dynamischer Teufelskreis. So zieht aus ökonomisch schwachen Regionen zuerst die Jugend ab. Dieser Bevölkerungsverlust offenbart sich dann in sinkender Nachfrage nach Gütern, weniger Nachfrage führt zu einem weiteren sinken des Arbeitsplatzangebotes, da weniger Betriebe den geringeren Individualkonsum decken können, dies geht einher mit sinkenden Steuereinnahmen, welche den öffentlichen Handlungsspielraum weiter einschränken. So werden ökonomisch schwache Regionen weiter geschwächt und die einhergehenden Effekte treten potenziert auf. Diese sehr vereinfachte Darstellung soll verdeutlichen welche Dynamik sozialdemographische und ökonomische Erosionsprozesse innerhalb einer Region entwickeln können und wie in letzter Konsequenz sogar eine Grundversorgung mit Ärzten, Schulen, Verkehrseinrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten gefährdet sein können. Durch diese plakative Darstellung wird ermöglicht, das Konkurrenzstreben der Städte zu verstehen und deutlich, warum Städte, die nicht mit dieser Konkurrenz planen und arbeiten, sich der Gefahr aussetzten überholt zu werden und 2020 bereits abgehängt zu sein. Gemessen an ökologischen Kriterien, wie etwa dem Ressourcen- und Energieverbrauch könnte man derzeit in Deutschland von Überbevölkerung sprechen. Jammern wir hier also Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 15 nur auf hohem Niveau? Ist das Szenario soziodemographisch und ökonomisch erodierter Regionen nur eine Modeerscheinung? Sicher ist, dass wir in Zukunft nicht mehr so selbstverständlich von Bevölkerungswachstum ausgehen können wie es beispielsweise noch in der Regierungszeit Konrad Adenauers unzweifelhaft der Fall war. Basierend auf der Annahme, dass es in 35 Jahren bereits ein Überangebot von ungefähr 125.000 Wohnungen im Land Nordrhein – Westfalen geben soll, stellen wir die Frage, ob man eine Lösung für diese Situation finden kann. Ist es ein möglicher Ansatz die Stadt Aachen, welche über annähernd gleich viele Wohneinheiten verfügt, zurückzubauen, oder wird sich Aachen in der Konkurrenz der Städte behaupten können. Die zunehmende Konkurrenz der Städte um Einwohner, wirft die Frage auf, wie Aachen seine Position innerhalb des Konkurrenzfeldes ausbauen kann und was geschieht, wenn Aachen seine Möglichkeiten nicht nutzt. Wo steht Aachen im Jahr 2020? Welche Auswirkungen hat das beschriebene Schrumpfen auf Aachen? Die Studie „Deutschland 2020“ bewertet die Stadt Aachen mit der Gesamtnote 4,0. Die Bildung sticht einzig mit einer glatten zwei positiv heraus. Bezogen auf Familienfreundlichkeit und Flächenangebot sieht es mit den Noten 5,5 beziehungsweise 5,0 für Aachen eher düster aus. Dies verwundert jedoch nicht, wenn man zum Beispiel die Möglichkeiten untersucht, welche Aachen bietet, den Traum vom Einfamilienhaus im Grünen zu realisieren. Im Weiteren führt dies zu einer Diskrepanz zwischen Städten und ihren umgebenden Kreisen, welche nicht nur bei Stadt und Kreis Aachen deutlich wird sondern sich so auch in anderen Regionen abzeichnet. Die Stadt als Arbeits- und Wirtschaftstandort mit entsprechenden Infrastruktureinrichtungen und der umgebende Kreis als Lebensraum, wie es als Denkmodell der Suburbanisierung propagiert wurde. Dem gegenüber steht die entvölkerte und entmischte Stadt, welche nur noch den als „sozial – schwach“ gebrandmarkten Personenkreisen Lebensraum bietet, und gleichzeitig in der Konkurrenz zu größeren „Megacities“ keinen Bestand hat. Aachen als moderne und historisch bedeutsame Stadt, die Lebensraum für Familien bietet und gleichzeitig über ein differenziertes Arbeitsplatz- sowie Infrastrukturangebot verfügt, ist jedoch auch eine mögliche Vision. Die Studie „Deutschland 2020“ kann nur als Orientierungshilfe, Trendbericht mit Frühwarnfunktion und Anstoß zur Diskussion dienen Abb.7 Forderungen müssen sein, dass Aachen attraktive Angebote, wie zum Beispiel Arbeitsplätze schafft, um die große Zahl der Holschulabsolventen auch nach ihrem Studium in der Stadt zu binden, sowie in der gesamten Stadt ein Kinder- und Familienfreundliches Umfeld schafft, zielgruppenorientierte Wohn- und Gewerbeflächen in ausreichendem Maß bereithält. Ebenso ist es jedoch auch unerlässlich, dass der Wohnungsmarkt weiterhin objektiv und Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 16 vorbehaltsfrei beobachtet wird. So muss die zukünftige Wohnungspolitik bei einem starken Nachfragerückgang, auch ohne Tabus über einen gezielten Stadtrückbau in Problembereichen nachdenken können, wenn dadurch dass `Schreckenszenario´ einer Leerstandspirale abgewendet wird. Dieser Nachfragerückgang tritt ein, wenn die kleineren (mehr) Haushaltsgrößen, oder Zuwanderung, die negative Bevölkerungsentwicklung nicht mehr ausgleicht. 5 Besonderheiten des Aachener Wohnungsmarktes Ein charakteristisches Merkmal des Aachener Wohnungsmarktes ist die besondere Lage Aachens am Nordrand der Eifel. Hierbei ist Aachen nicht nur in die auslaufende Natur eingebunden, sondern gleichzeitig europäische Stadt direkt benachbart zu Belgien und den Niederlanden. Die Lage am Nordrand der Eifel bedeutet jedoch nicht nur eine verklärt wahrgenommene und dennoch nicht genutzte Nähe zur Natur, wichtig ist weiterhin die große Bedeutung Aachens für das Umland. Aachen als Kaiserstadt, Kurbad und Bischofsitz hat auch ein nicht unerhebliches historisches und kulturelles Format, das es gilt weiter zu entwickeln. Ein weiterer wichtiger Faktor in Aachen ist natürlich auch der eingangs erwähnte Rang als Hochschulstandort, mit dazugehörigem Uniklinikum und weiteren Forschungs- und Technologieeinrichtungen. Zusammenfassend bietet Aachen eine Menge einzigartiger Faktoren, welche entwickelt und genutzt, Aachen auch in Zukunft als attraktiven Wohnstandort halten. Im Ostviertel, sowie Rote Erde schlummert jedoch auch noch viel ungenutztes Potential als Lebensraum der Stadt Aachen, das es weiter zu aktivieren gilt. Hierfür ist es unerlässlich etwaige soziale Konflikte zu entschärfen und den Bewohnern eine für Aachen angemessene Wohnumfeldsqualität zu bieten. Es gilt jedoch darauf zu achten, bei einer eventuellen Gentrifizierung, nicht unnötig soziale Umschichtungen vorzunehmen, um somit den Menschen nicht den gewohnten Lebensraum zu entziehen. 6 Ziele Das steuernde Eingreifen der Städte und Gemeinden ist für eine positive Entwicklung des Wohnungsmarktes unabdingbar. So werden sie mit einer Vielzahl von neuen Aufgaben konfrontiert, bei denen es stärker als bisher mit der privaten Wohnungswirtschaft zu kooperieren gilt. Die Verknüpfung von Wohnraumversorgung und Stadtplanung ist insbesondere in Hinblick auf das Planungspotential entscheidend. Das Planungsverfahren muss den kurzfristig hohen Bedarf an geförderten Mietwohnungen beachten, um die Anzeichen stärkerer sozialer Probleme im öffentlich geförderten Wohnungsbestand einzudämmen. Der Neubedarf an Sozialwohnungen, da durch auslaufende Bindungen, wegen Ablauf der Nachwirkungsfrist und wegen planmäßiger Tilgung für die nächsten 10 Jahre, annähernd 8.000 Sozialwohnungen wegfallen werden, muss seitens der Kommune geregelt werden. Denn in Zukunft ist durch schlechtere oder wegfallende Einkommenssituationen der privaten Haushalte, beispielsweise durch Sozialhilfe oder Arbeitslosigkeit, ein großer Bedarf zu erwarten. Somit wird auch die Sicherung preiswerten Wohnraumes in den Städten und Gemeinden eine übergeordnete Rolle spielen, da der Wohnraum weiterhin bezahlbar sein muss. Demzufolge ist zu überlegen, die Betriebskosten, beispielsweise die Müllgebühren, auf ein bezahlbares Level herunterzufahren. Das Senken der Betriebskosten ist nicht nur aufgrund der sozialen Faktoren wichtig, sondern auch ein Garant für eine hohe Flexibilität des Wohnungsmarktes. Denn trotz einer in den Kernstädten oft rückläufigen Bevölkerungsentwicklung nimmt die Zahl der Haushalte, hervorgerufen durch eine Abnahme der durchschnittlichen Haushaltsgröße, in der Regel weiterhin zu. So gilt es das Verhältnis der untergebrachten Haushalte zur Gesamtzahl der Wohnungssuchenden Haushalte zu verbessern. Die zu erwartende demographische Entwicklung und damit verbundene Änderung der Haushaltsstrukturen erfordert eine Anpassung des Wohnraumangebotes. Denn in Zukunft vermehrt sich das Problem der Unterbringung problembehafteter Einzelfälle. In Großstädten wird der Trend zum Single-Haushalt durch Faktoren wie überfrequentierte Hochschulen oder die Steigerung der Anzahl verwitweter älterer Menschen weiter verstärkt. Diese Tatsache erfordert die Entwicklung neuer Wohnungsbautypen, die Förderung Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 17 zielgruppengerechten Wohnungsbaues und das Abbauen von Investitionshemmnissen für die Wohnungswirtschaft. So liegt es im Interesse der Stadt Investitionsanreize zu schaffen, um Zuwanderung zu motivieren und die Abwanderung von leistungsfähigen Haushalten zu verhindern. Die verstärkte Bereitstellung und Mobilisierung von Wohnbauflächen, insbesondere für den Eigenheimbau, die Entwicklung von städtischen Flächen, zu annehmbaren Preisen, das Aktivieren von Nachverdichtungspotenzialen, das Stärken eines intakten Wohnumfeldes, die qualitative Bestandsverbesserung einzelner Wohnungen, zur langfristigen Sicherung der Vermietbarkeit oder zur Kosten- und Energieeinsparung, und die Erschließung von Brachflächen sind dabei wichtige Aufgaben der Städte, der Gemeinden und der Wohnungsbauwirtschaft. Somit ist die Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft aller genannten Akteure, ein „Hand in Hand gehen“, ein wichtiger Faktor um Lösungen und neue Wege zu finden und um die Entwicklung des Aachener Wohnungsmarktes positiv zu beeinflussen. Leider ist diese Bereitschaft der Kommunen nicht immer uneingeschränkt nachvollziehbar, da die wohnungspolitischen Landes- und Bundesvorgaben eine erhebliche Rolle für den lokalen Wohnungsmarkt spielen. Die Kommunale Wohnungspolitik wird sich deshalb künftig verstärkt als Dienstleistungs- und Kooperationspartner von Investoren und Wirtschaft verstehen müssen. 7 Strategien Aachen besitzt Potentiale, welche in strategischen Planungen von Kommunen, Gemeinden und auch der Wirtschaft gestärkt und herausgearbeitet werden müssen. Der angesprochene Wettbewerb zwischen den Städten, vor allem Zuwanderung zu motivieren und Abwanderung zu verhindern, steigt unabdingbar. So müssen in Zukunft in erster Linie das Profil der Stadt, nach Außen und Innen, verbessert und geschärft werden. Aachen soll nicht nur in Teilbereichen stark sein, sondern im Gesamten ein zusammenhängendes Gesicht ergeben. In den letzten Jahren entstanden somit neue Aufgabenbereiche in Kommunen, das Stadtmarketing. Das Management der Städte scheint auch in der Stadt Aachen seinen Anfang gefunden zu haben. So setzen sich zunächst interessierte Bürger, Initiativen, Institutionen und Bereiche der Verwaltung zusammen, um die Basis eines Leitbildes zu definieren. „Orientierung, Ziele und letztlich auch Verantwortung stehen unter dem Motto: „Aachen, das sind wir alle.“ Das Zusammenleben aller Menschen in Aachen funktioniert nur im sozialen Konsens. Die Politik ist darauf auszurichten, das solidarische Zusammenleben zu stärken.“ (Stadt Aachen (2002): Europa. Eine Stadt macht Zukunft. Leitbild 2020, Aachen) Nicht nur der soziale Konsens, sondern auch der allgemeine Konsens, die übereinstimmende Zieldefinition, ist eine wichtige Grundlage zur Ideenfindung über die zukünftige Rolle, die Aachen spielen soll. „Der Konsens ist Richtschnur für das Handeln der Politik, der Verbände und Institutionen. Ein erfolgreiches Leitbild besteht nicht nur aus Visionen, sondern auch aus Leitlinien, die beispielhaft konkrete Handlungsschritte formulieren.“ (Stadt Aachen (2002): Europa. Eine Stadt macht Zukunft. Leitbild 2020, Aachen) Das Leitbild 2020 wurde seit dem Jahre 2000 erarbeitet und dokumentiert die Möglichkeiten, Potentiale und Ziele der Stadt Aachen unter Berücksichtigung der gegenwärtigen finanziellen Situation. „Damit aus Visionen und Plänen in Zukunft Gegenwart werden kann.“ Anfängliche Visionen aus dem 8. Jahrhundert, als Aachen die Hauptstadt des Reiches von Karl des Großen war, belegen deutlich die Fundamente eines gemeinsamen Europas der Gegenwart. Somit ist der geschichtliche Hintergrund der Stadt Aachen, mit seinen karolingischen Wurzeln und dem heutigen Dom, Anziehungsmagnet für zahlreiche Touristen und Pilger aus aller Welt. So muss Aachen dieses Potential nutzen und seine geografische Position, neben den Niederlanden und Belgien, nicht nur als Freizeitveranstalter für Touristen, sondern auch Perspektiven als wirtschaftlicher Standort für Firmen zu stärken. „Unternehmertum, Wohnortwahl, Einkauf und Freizeit, Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Schulen, Kammern und Institutionen auch über die Grenzen hinweg sind für uns Alltag und Kompetenz. Sie sind die lebendige Basis der Euregio Maas-Rhein, in der der europäische Gedanke gelehrt wird. Aachen gilt schon jetzt überregional als Erfolgsbeispiel für seinen erfolgreichen Strukturwandel.“ Länderübergreifende Arbeitsgemeinschaften, mit dem Ziel einen einheitlichen Wirtschafts-, Sozial- und Verwaltungsraum zu verwirklichen, sind für den Erfolg der nachbarschaftlichen, grenzüberschreitenden Kooperation verantwortlich. So sind bereits Anfänge gemacht Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 18 worden, indem Entwicklungsgesellschaften gegründet wurden, welche sich mit den kooperativen Aufgaben beschäftigen. Durch strategische Kooperation mit den benachbarten Ländern können somit auch Faktoren für den lokalen Wohnungsmarkt besser beeinflusst und kontrolliert werden. So ist nicht nur die überregionale Wohnungsmarktbeobachtung wichtig für eine erfolgreiche zukünftige Wohnungsmarktplanung, sondern, gegeben durch die geografische Lage, auch eine länderübergreifende Wohnungsmarktbeobachtung. Günstige Betriebskosten und Wohnungsmarktangebote, zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Vergünstigungen erleichtern geradezu die Entscheidung in Aachen zu arbeiten und beispielsweise in Belgien zu wohnen. Es gilt dieser Motivation entgegenzuwirken und das Wohnen in Aachen einem länderübergreifenden Vergleich anzupassen. Der länderübergreifende Vergleich im Bereich der Hochschulen ist ebenso ein wichtiger Aspekt für die allgemeinen Entwicklungstendenzen. Unter dem Motto „Wissen schafft Zukunft“ muss auch der Hochschulsektor mit seinen Forschungseinrichtungen gestärkt werden. Denn die Universität, mit der Funktion als Arbeitgeber, gilt als weiterer Anziehungsmagnet für Bevölkerung. Somit gilt es in Zukunft auch Hochschulabsolventen stärker an Aachen zu binden. Aachen hat gute Vorraussetzungen für eine positiven Entwicklung auch auf dem Wohnungsmarkt. Geschichte, Traditionen, Wissen und Geografische Faktoren bilden die Basis für weitere Leitbilder und Strategien. Wichtig ist nur ausdauernd und kontinuierlich an der Umsetzung dieser Leitbilder zu arbeiten und durch Kommunikation eine breite Öffentlichkeit zum mitmachen zu bewegen. 8 Quellenangaben Stadt Aachen (2002): Zeitungsanalyse 2002. Aachen Stadt Aachen (2004): Wohnungsmarktbericht 2004. Aachen Stadt Aachen (2004): Wohnungsmarktbarometer 2004. Aachen Stadt Aachen (2002): Europa. Eine Stadt macht Zukunft. Leitbild 2020. Aachen Götz Hamann (2004): Wie Schrumpft man eine Stadt? Erschienen in: Die Zeit Nr. 45 28.10.2004 Klingholz, Kröhnert, van Olst; Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hg.) (2005): Deutschland 2020 – Die demographische Zukunft der Nation. Dritte, überarbeitete Auflage Köln Kuhnert, Uhlig (Hg.) (2005): ARCH+ 173 „Shrinking Cities – Reinventing Urbanism“. Aachen Schader-Stiftung (Hg.) (2001): Wohnwandel: Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens, Kongreß der Schader-Stiftung am 21. und 22. Mai 2001 in Mannheim. Mannheim Wfa - Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen (1997): Kommunale Wohnungsmarktbeobachtung in Nordrhein-Westfalen (KomWoB) - Dokumentation der Starterkonferenz vom Mai 1997 in Düsseldorf. Düsseldorf Statistisches Bundesamt Deutschland – www.destatis.de Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen – www.lds.nrw.de Aktion Demographischer Wandel – www.aktion2050.de Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung – www.berlin-institut.org Bildquellen Deckblatt: Pieter Brueghel der Ältere; Der Turmbau zu Babel 1563, Kunsthistorisches Museum (Wien) Abbildung 1, 2, 5: Stadt Aachen (2004): Wohnungsmarktbericht Aachen 2004 Abbildung 3 und 4: Kuhnert, Uhlig (Hg.) (2005): ARCH+ 173 „Shrinking Cities – Reinventing Urbanism“. Aachen Abbildung 6: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung www.berlin-institut.org Abbildung 7: Schader-Stiftung (Hg.) (2001): Wohnwandel: Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens, Kongreß der Schader-Stiftung am 21. und 22. Mai 2001 in Mannheim. Mannheim Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 19 Wohnverhältnisse von Migranten in Aachen - der Einfluß des Wohnens auf die Lebenssituation von Migranten Frank Brühne, Christian Brühne Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 20 Inhalt Wohnverhältnisse von Migranten in Aachen 1 Einleitung 2 allgemeine Struktur- und Lagemerkmale von Migranten 3 der Wohnungsmarkt in Aachen 4 Das Quartier Aachen-Ost als Wohnungsteilmarkt 5 Fazit 6 Quellenangaben und Bildverzeichnis 7 Anhang Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 21 1 Einleitung Die Vorgabe für die Themenstellung lautet „Ausländer-Wohnen anders?“. Deshalb befassen sich die Abschnitte zwei und drei dieser Arbeit mit allgemeinen Begriffen und Merkmalen, die es im Zusammenhang mit Migration und dem entsprechenden Ausschnitt des Wohnungsmarktes zu klären gilt. Dabei werden die Zusammenhänge vom bundesdeutschen Markt auf den Aachener Wohnungsmarkt heruntergebrochen, um im Anschluss den Wohnungsteilmarkt Aachen-Ost genauer aus dieser Perspektive zu beleuchten, was dem Fokus des gewählten Themas „Wohnverhältnisse von Migranten in Aachen“ Rechnung trägt. In dieser Arbeit sollen langjährige persönliche Erfahrungen, die die Intention für die Auswahl des Wohnungsteilmarktes Aachen-Ost darstellen, mit theoretischem Basiswissen, empirischen Untersuchungen und Erfahrungsberichten weiterer Akteure miteinander derart verknüpft werden, dass positive Synergien entstehen. Als Vorbemerkung sei an dieser Stelle bereits erwähnt, dass es in dieser Arbeit aufgrund des begrenzten Umfangs nicht möglich sein wird, dieses Thema erschöpfend zu diskutieren. Dennoch stellen die ausgewählten Aspekte, die im Zusammenhang mit dem vorliegenden Marktfokus angesprochen werden, die zentralen Ergebnisse der mehrwöchigen Recherchen dar. 2 Allgemeine Struktur- und Lagemerkmale von Migranten Um die Situation von Ausländern in unserer Gesellschaft einzuschätzen bedarf es einer Analyse derjenigen Faktoren, die ihre Position in der Sozialstruktur begründen und somit maßgeblich die Lebensbedingungen bestimmen. In diesem Abschnitt werden zunächst einige grundlegende Begriffe geklärt, um im Anschluss daran maßgebliche Strukturdaten zur ausländischen Bevölkerung für Deutschland und Nordrhein-Westfalen auswerten zu können. Die Bedeutung der Ergebnisse für die Wohnsituation wird nach einer Darstellung der Wohnfunktionen genauer beleuchtet. Grundlegende Begriffe und Definitionen Für die Beschreibung der Lebenssituation von Migranten bzw. Ausländern ist zunächst eine genaue Eingrenzung des Begriffs „Ausländer“ notwendig, um unmissverständlich den Personenkreis der Untersuchung zu spezifizieren. „Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist. Dazu zählen auch Staatenlose und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit. Personen, die sowohl die deutsche als auch eine andere Staatsangehörigkeit haben, gelten als deutsche Staatangehörige.“ (Holz, 2003, S.167) Diese Definition ist für statistische Erhebungen in Deutschland grundlegend, und wird von öffentlichen Institutionen und Verwaltungen verwendet. In der Wahrnehmung der Bevölkerung kann sich allerdings ein anderes Bild ergeben und der Begriff „Ausländer“ weiter gefasst werden. Daher werden häufig auch jene Menschen als Ausländer bezeichnet, die aufgrund ihrer Hautfarbe und religiösen bzw. kulturellen Zugehörigkeit eine Andersartigkeit aufweisen. Menschen mit Migrationshintergrund, die bspw. in der zweiten Generation im Aufnahmeland leben und bereits die Staatsangehörigkeit des Aufnahmelandes angenommen haben, werden statistisch nicht mehr als Ausländer erfasst, in der Wahrnehmung der Bevölkerung gelten diese jedoch häufig weiterhin als Ausländer. Diese Situation kann dazu führen, dass Analysen statistischer Daten ein Bild erzeugen, welches der eigenen Wahrnehmung widerspricht. An dieser Stelle sei die Verwendung des Begriffs in seiner statistischen Bedeutung vereinbart. Im Zusammenhang mit Migration und gesellschaftlicher Entwicklung fallen häufig Begriffe wie Segregation, Marginalisierung und Integration, deren Inhalt für die vorliegende Arbeit im Folgenden definiert wird. Unter Segregation wird die „disproportionale Verteilung einzelner Bevölkerungsgruppen über die Teilgebiete einer Stadt verstanden.“ (Friedrichs, 2002, S.349) Integration wird als Einbinden einer Minderheit in eine größere soziale Gruppe verstanden, wobei hier verschiedene Aspekte erfasst werden können. Neben sozio-kultureller Integration kann auch ökonomische Integration als Teil der Integrationsbemühungen von Politik und Verwaltungen identifiziert werden. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 22 Entscheidend für die Integration von ausländischen Mitmenschen ist deren Integrationswille und -fähigkeit sowie die Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft (Eichener 1988, S.354). Das Ergebnis einer ungünstigen Ausprägung dieser Faktoren kann die Marginalisierung sein. Damit ist der Prozess gemeint, durch den bestimmte „Bevölkerungsschichten an den Rand (margin) der Gesellschaft gedrängt werden und dadurch deutlich weniger am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können“ (Wikipedia, 2006 ). Um die Integrationsfähigkeit der Ausländer näher zu betrachten wird im folgenden Abschnitt ein kurzer Überblick über ausgewählte Strukturdaten in Deutschland und Nordrhein-Westfalen gegeben. Strukturdaten für Deutschland und Nordrhein-Westfalen Die Zuwanderung nach Deutschland ist nicht konstant über den Zeitverlauf. Seit Anfang der 1990 Jahre ist wieder ein positiver Saldo feststellbar, also mehr Zu- als Abwanderung von Ausländern zu verzeichnen. Die Gründe für eine Einwanderung in Deutschland sind vielseitig und ebenso unterschiedlich wie die Herkunftsländer der Migranten. Häufig sind kriegerische oder andere Gewaltverhältnisse in den Herkunftsländern die Ursache, aber auch die Hoffnung auf bessere Lebensverhältnisse und ein gesichertes Erwerbseinkommen sowie ein sich entgrenzender Markt für Waren und Arbeitskräfte fördern und verschärfen die räumliche Mobilität und erzeugen letztlich Migration. Heutzutage ist nicht mehr von der reinen Arbeitsmigration auszugehen, wie sie zu Beginn der 1950´er Jahre auch rechtlich im „Abkommen über die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte“ geregelt war. Gerade diese Migranten bilden heute eine breite Schicht in unserer Bevölkerung und verfestigen ihre Position mit einer zweiten Generation. Von den rund 7,4 Mio. Ausländern in Deutschland im Jahr 2000 sind rund 58% unter 35 Jahren, und davon ca. 37,2 % in Deutschland geboren. Die Grafik zeigt ebenfalls die Zahlen für die restlichen Altersgruppen. Hier wird deutlich, dass die Gruppe der Ausländer in Deutschland nicht nur durch Zuwanderung zunimmt. Da der Anteil der ausländischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung ständig wächst (zurzeit ca. 9%) wird auch die Forderung nach einer stärker forcierten und gezielten Integration dieser Gruppe lauter. Es stellt sich die Frage, ob diese Gruppe als ausreichend homogen angesehen werden kann, um mit bestimmten Maßnahmen eine bessere Integration zu bewerkstelligen. Welche Herkunftsländer sind in Deutschland besonders stark vertreten und bedürfen einer gesonderten Behandlung? Allerdings kann dies in dieser Arbeit nicht detailliert beantwortet werden, da diese Untersuchung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Jedoch kann mit der Erkenntnis, dass mit verschiedenen ethnischen Abstammungen auch verschiedene Vorraussetzungen verbunden sind, ein Beitrag für Integrationsbemühungen geleistet werden. Dazu ein kurzer Überblick über die stärksten ethnischen Gruppen in Deutschland. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 23 Die Türken machen rund 30% der in Deutschland lebenden Ausländer aus, und bilden damit die stärkste Gruppe. Hierfür ist gerade die bereits angesprochene Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte in den 1950´er Jahren verantwortlich. Später wurden von den Gastarbeitern, anders als im Vorfeld beabsichtigt, häufig die Familien nach Deutschland nachgeholt. Wurde zunächst eine auf die Mindestanforderungen reduzierte Wohnungsausstattung akzeptiert, um möglichst viel Einkommen ins Heimatland senden zu können, erfolgte spätestens mit der Einwanderung der restlichen Familie ein Wechsel der Ansprüche an Wohnraum. Die zweitgrößte Gruppe stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien, und ist hauptsächlich während des Krieges nach Deutschland gekommen. Mit 8% und 5% folgen Italiener und Griechen. Die restlichen 47% verteilen sich auf übrige Herkunftsländer. Nicht weniger bedeutend als die ethnische und auch kulturelle Herkunft der Ausländer sind weitere Faktoren, die ihre Lebensverhältnisse prägen. Die bereits angesprochene Verweilabsicht, ihre berufliche Stellung und die Größer der Haushalte, in denen sie leben dienen hier nur als Beispiel. Die folgende Tabelle kann einen kurzen Einblick in die Thematik verschaffen (Statistisches Bundesamt 2004, S.577). Sehr deutliche Unterschiede zwischen Deutschen, Türken und anderen zeigen sich hier gerade beim Einkommen, der Haushaltsgröße, der Wohnfläche pro Person sowie der resultierenden Zufriedenheit mit der eigenen Wohnung. Damit kann, stark verallgemeinert, die These aufgestellt werden, dass Ausländer mit geringerem Einkommen ausgestattet sind, auf kleinerem Wohnraum mit mehr Menschen leben, und im Vergleich zu Deutschen weniger zufrieden mit ihrer Wohnsituation sind (s. Tabelle 1). Betrachtet man die Situation in Nordrhein-Westfalen so ergibt sich ein identisches Bild der gesonderten Stellung von Ausländern. Mit einem Ausländeranteil von knapp 12% bereits im Jahr 1998 (ILS 2005a, S. 9) besteht auch in NRW das Problem der sozialen Integration von Migranten. Eine Folge des Demografischen Wandels ist auch hier die zunehmende Polarisierung gerade der städtischen Bevölkerung und daraus resultierende soziale und ethnische Entmischung. Als Gründe werden Suburbanisierungstendenzen identifiziert, die gerade dazu beitragen, dass finanziell benachteiligte Haushalte die benachteiligten Wohnquartiere verstärkt nutzen (s. ILS 2005a, S.9f). Bei einer Arbeitslosenquote von knapp 22,8% im Juni 2004 bei den nichtdeutschen Erwerbspersonen (9,8% bei Deutschen) sind Ausländer von dieser Situation überdurchschnittlich stark betroffen (ILS 2005b, S.5). Häufig werden eine schlechtere Bildung und schlechtere Wohnverhältnisse als Ursache für eine unterdurchschnittliche berufliche Stellung angeführt (Treichler 2002, S.74-81). Die Statistik des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik von 1996 bestätigt die Aussage zur Bildungsstruktur (LDS 1996, S. 203). Auch der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei Ausländern entspricht nicht dem Ausländeranteil, sondern liegt mit 9,2% für NRW deutlich unter dem Ausländeranteil von 12%. Hinzu kommt, dass „das Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 24 durchschnittliche Nettoeinkommen eines ausländischen Haushalts mit Kindern 27% unter dem Durchschnittseinkommen der deutschen Haushalte mit Kindern liegt“ (Selle 1990). Die vorangegangenen Ausführungen deuten auf eine Benachteiligung der ausländischen Bevölkerung hin. Welche Bedeutung diese Vorraussetzungen für die Lebenssituation der Migranten haben können, kann nach einer Darstellung der Funktionen des Wohnens diskutiert werden. Wohnfunktionen und Lebenssituation von Migranten Die Lebenssituation von Migranten wird zu einem großen Teil auch von den Wohnverhältnissen bestimmt. Die Integrationsfähigkeit ausländischer Bevölkerung ist maßgeblich durch die Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten, Bildung und Freizeit sowie rechtliche und politische Stellung geprägt. Die Bedeutung der Wohnverhältnisse als Determinante und Dimension der Integration kann über die Funktionen des Wohnens anschaulich beschrieben werden. Unter Wohnfunktionen versteht man jene „Funktionen, die die Wohnung und das Wohnen für die Bewohner und ihre Lebenslage hat“ (Eichener 1988, S.28). Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die wichtigsten Wohnfunktionen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Schutzfunktion besteht im Schutz vor Witterung und Natur sowie Schutz der Privatsphäre, der auch als Grundrecht verfassungsrechtlich gesichert ist. Durch abgeschlossene Wohneinheiten ist dem Schutz der Privatsphäre bereits entsprochen. Der Schutz vor Witterung kann jedoch in anbetracht schlechter Bausubstanz und bröckelnder Fassaden sowie undichter Fenster nicht immer gewährleistet werden. Da Ausländer relativ häufig in Wohnungen mit schlechterer Wohnqualität wohnen ist bei dieser Bevölkerungsgruppe auch die Gefahr von Gesundheitsgefährdungen durch den Wohnbereich am höchsten. Überdurchschnittliche Erkrankungshäufigkeit sowie Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen scheinen dies zu bestätigen (s. Eichener 1988, S. 28). Die Reproduktionsfunktion dient der Erhaltung und Erneuerung der physischen und psychischen Arbeitskraft, die gerade bei Tätigkeiten mit hoher körperlicher Belastung und Schichtarbeit zur Erholung notwendig ist. Da Ausländer relativ häufig derartigen Tätigkeiten nachgehen, gleichzeitig mit mangelndem Wohnkomfort und wenig Platz wohnen, ist diese Funktion zumindest stark beeinträchtigt (ebd. S.29f). Die Sozialisationsfunktion betrifft das soziale Umfeld sowie Kontakt- und Erfahrungsmöglichkeiten die durch die Lage der Wohnung bestimmt sind. Einstellungen und Verhalten der Haushaltsmitglieder sowie der Nachbarschaft prägen die Kontaktfähigkeiten der Bewohner. Die soziale und ethnische Zusammensetzung der Nachbarschaft ist entscheidend für Konfliktpotentiale (ebd. S.29). Die Bildungsfunktion betrifft die Möglichkeit zu schulischer und beruflicher (Weiter-)Bildung sowie Medienkonsum. Eine zu kleine Wohnung, in der nicht jedes Haushaltsmitglied ein eigenes Zimmer hat, ist mit fehlenden Rückzugs- und Arbeitsmöglichkeiten ausgestattet. Ausländer leben relativ häufig in zu kleinen Wohnungen mit großen Haushalten, was die häusliche Bildung gefährdet (ebd. S.29). Die Zuordnungsfunktion betrifft die Zuordnung zu Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die räumliche Konzentration ausländischer Bevölkerung auf bestimmte Stadtteile trägt wesentlich zur Bildungsproblematik bei, da sie zu hohen Ausländeranteilen in anliegenden Schulen führt. Die neuere Gesetzgebung versucht dieses Problem abzuschwächen (ebd. S.29). Die Demonstrationsfunktion ist wohl eine der für Integrationswillen entscheidenden Funktionen. Durch die Wohnung und das Wohnumfeld werden sozialer Status und Zugehörigkeit geprägt. Problematisch ist hier vor allem die Übertragung von Gebietsmerkmalen auf die Bewohnerschaft. Dies ist ein Quell für Vorurteile und Diskriminierung von Ausländern (ebd. S.29). (Diskriminierungen sind auf dem Wohnungsmarkt ohnehin schon zu beobachten. Beispielsweise spricht man von einem Diskriminierungszuschlag, wenn Ausländer für Wohnraum in gleicher Ausstattung und Lage mehr pro Quadratmeter zahlen müssen.) Stark beeinträchtigt durch diese Probleme ist die Identifikationsfunktion. Mit einer schlecht ausgestatteten Wohnung in ungünstiger Wohngegend kann man sich bestenfalls als Angehöriger einer benachteiligten Minderheit identifizieren. Die Anerkennung der Wohnung als Heim oder Heimat ist demnach häufig nicht gegeben, und trägt zu Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 25 entsprechendem Wohnverhalten bei. Zusätzlich verstärkt es die traditionell ethnischen Bindungen und erschwert die Identifikation mit dem Einwanderungsland und somit die Integration. Die Wohnproblematik ist als Teil der Integrationsproblematik folglich nicht zu unterschätzen. Manche Sozialökologen bezeichnen sie sogar als „Schlüssel“ zur Integration. Deutlich dürfte nach vorangehenden Ausführungen allerdings sicherlich sein, dass die Wohnverhältnisse ausländischer Bevölkerung mehr als nur eine Dimension des Integrationsproblems sind. Als Integrationsdeterminante ist es eine zentrale Komponente der Sozialpolitik (ebd. S.30). 3 Der Wohnungsmarkt in Aachen Die Stadt Aachen verfügt auf über 16000 ha Fläche, die zu knapp 24% durch Gebäude- und Freiflächen genutzt sind, über 259 334 Einwohner am 31.12.2005 (s. Anfrage Stadt Aachen 2005). Neben der Bevölkerungsstruktur existieren weitere Faktoren, die den Wohnungsmarkt beeinflussen. Im folgenden Abschnitt werden wichtige Wohnungsmarktindikatoren für die Stadt Aachen untersucht. Anschließend können daraus resultierende soziale und gesellschaftliche Herausforderungen identifiziert werden. Bevölkerungsentwicklung in Aachen Wie bereits erwähnt können in Ballungsgebieten immer häufiger Suburbanisierungsprozesse beobachtet werden. Eine Folge ist der sogenannte „Back-wash-Effekt“, der das Ergebnis der Suburbanisierung beschreibt. Es besteht die Gefahr, dass die Potentiale eines Gebiets verloren gehen, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen in andere Bereiche wandern. Unter der Annahme, dass gerade die ausländische Bevölkerung zu den sozial Schwachen gehört, kann dieser Effekt auch in Aachen festgestellt werden. Die Ausländerquote stieg von 2002 mit 13,9% auf 14% am 31.12.2003 (Stadt Aachen 2003). Dies ist auf den positiven Wanderungssaldo der Ausländer bei negativem Saldo der Deutschen zurückzuführen. Zusätzlich übersteigt die Geburtenrate der Ausländer die der Deutschen, da mit 19,8% aller Geburten 2003 (21% in 2002) ein größerer Anteil auf Ausländer fällt als dem Bevölkerungsanteil entsprechend. Problematisch ist hier die Konzentration der ausländischen Bevölkerung auf bestimmte Stadtbezirke. Besonders hohe Ausländeranteile sind in den östlichen Stadtbezirken und der Innenstadt vorhanden. In Aachen-Ost liegt der Stadtbezirk Panneshop mit 36,5% Ausländern und Rothe Erde mit 26,6% noch vor Ponttor mit 24,3% in der Innenstadt (Anfrage Stadt Aachen 2005). Ebenfalls bedeutend für den Wohnungsmarkt sind die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. In Aachen sind am 31.12.2004 rund 11,6% der erwerbsfähigen Bevölkerung ohne Arbeit. Auffällig ist, dass die Arbeitslosenquoten in den Stadtbezirken mit hohen Ausländeranteilen besonders hoch sind. Selbst innerhalb dieser Stadtbezirke liegt bei Ausländern eine höhere Arbeitslosenquote vor als bei Deutschen (Anfrage Stadt Aachen 2005). Damit ist auch in Aachen festzustellen, dass Ausländer im Durchschnitt mit niedrigeren Einkommen auskommen müssen. Die Demografische Entwicklung und die Arbeitsmarktentwicklung sind nur ein Teil der Wohnungsmarkt beeinflussenden Faktoren. Auch die Anzahl der Sozialhilfeempfänger oder die Anzahl geförderter Wohnungen im Bestand des gemeinnützigen Wohnungsbaus spiegeln Entwicklungen des Wohnungsmarktes wider. Aufgrund der Komplexität dieses Gebietes kann dies in dieser Arbeit nicht detaillierter untersucht werden. Soziale und gesellschaftliche Herausforderungen Der Wohnungsmarktbericht 2004 der Stadt Aachen zeichnet ein klares Bild der Entwicklung des Wohnungsmarktes. Festzuhalten ist die Erkenntnis, dass eine adäquate Wohnraumversorgung leistungsfähiger Haushalte sichergestellt werden muss, um weitere Abwanderungen zu vermeiden. Gleichzeitig müssen qualitative Bestandsverbesserungen erfolgen, um angesprochene Einschränkungen der Wohnfunktionen zu reduzieren. Die prognostizierte Anspannung gerade im unteren Preissegment betrifft die ausländische Bevölkerung nicht zuletzt wegen der höheren Konsumquote bei niedrigeren Durchschnittseinkommen. Auch die steigende Anzahl wohnungssuchender Haushalte trägt hierzu bei. Dabei ist auffällig, dass sowohl die Anteile der Singlehaushalte wie auch der Haushalte mit mehr als 5 Personen stark gestiegen sind. Einem Bericht des ILS zufolge Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 26 besteht eine „deutlich verschlechterte subjektive Einschätzung der allgemeinen und der eigenen wirtschaftlichen Lage“ sowie „Sorge um den Arbeitsplatz“ und „zurückgehende Zufriedenheit bezüglich der sozioökonomischen Chancen und Voraussetzungen“ (ILS 2005c). Es resultiert eine Gefährdung bisheriger Integrationserfolge, denn „Unzufriedenheit mit sozialen und wirtschaftlichen Perspektiven macht gerade junge Menschen anfällig für radikale Ideen und Segregationsbestrebungen und kann die Integrationsbereitschaft beeinträchtigen. Erfüllen sich Integrationsund Gleichbehandlungserwartungen nicht, kann dies in generelle Ablehnung der Aufnahmegesellschaft umschlagen.“(ILS 2005c). Aus dem Wohnungsmarktbericht 2004 geht ebenfalls hervor, dass eine Wohnraumversorgungslücke entstanden ist, deren Ausmaß sich wohl vergrößern wird (Wohnungsmarktbericht 2004, S.16). Neben der Situation, dass im unteren Preissegment nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht, erschweren Diskriminierungen und relativ hohe Warmmieten aufgrund stark gestiegener Nebenkostenanteile die Wohnungssuche für Ausländer. Zusätzlich erzeugen die Hartz IV Gesetzgebung und Mietpreisobergrenzen der Sozialämter einen steigenden Konkurrenzdruck im unteren Preissegment. Die Situation wird sich dramatisch verschärfen, sobald der planmäßige Wegfall der geförderten Wohnungsbestände in 2008 seinen Höhepunkt erreicht. Um die Integration der Ausländer nicht zu gefährden, müssen sämtliche Quellen der Benachteiligung simultan bearbeitet werden. Auf den Wohnungsmarkt bezogen sind dies vornehmlich die Quellen der Segregation, die grob in drei Kategorien unterteilt werden können. Dabei liegt eine Ursache der Segregation bei den Ausländern selbst. Wurde bisher oft von einer Anspruchslosigkeit in Bezug auf Wohnqualität gepaart mit striktem Sparwillen ausgegangen, liegen heute, nachdem die Rückkehrillusion offensichtlich verworfen wurde, dennoch Mechanismen vor, die eine Versorgungslücke begünstigen. Die Wohnungssuche bei Ausländern erfolgt aufgrund eines Orientierungsdefizits auch heute noch oft auf informellem Weg. Vermehrt sich die Zahl der Makler mit Migrationshintergrund, die Verständnis für Wohnbedürfnisse haben und mit denen keine Verständigungsschwierigkeiten vorliegen, so überwiegen dennoch soziale Kontakte bei der Wohnraumvermittlung. Zusammen mit einem dringendem Wohnbedarf und niedrigem ProKopf-Einkommen kann dies unter anderem dazu führen, dass schlechte Wohnqualitäten akzeptiert werden müssen. Entscheidend ist also den Zugang zu bestimmten Marktsegmenten für Ausländer sicherzustellen. Dies kann unter anderem über multilinguale Vermittlungsstellen erfolgen. Aber auch bei den Vermietern liegen bestimmte Verhaltensweisen vor, die eine Benachteiligung der ausländischen Bevölkerung begünstigen. Neben dem Rationalkalkül der Wohnungsanbieter, welches in Kapitel 4 näher betrachtet wird, kann auch eine bestimmte Belegungs- und Sanierungsstrategie im Ergebnis Segregation fördern. Der Begriff Sanierungskarussell bezeichnet eine Belegungsstrategie, die dazu dient, höhere Erträge zu erwirtschaften. Anstelle längst fälliger Sanierungsmaßnahmen wurde der Fortzug besser gestellter Haushalte in Kauf genommen, da ausreichend Nachfrage das Angebot ausschöpfte (s. Selle 1990, S.31). Die frei gewordenen Wohnungen konnten trotz schlechter Zustände vermietet werden. Wurden schließlich Sanierungsmaßnahmen aufgrund verschlechterter Vermietbarkeit durchgeführt, so führte dies häufig wiederum zu einem Wechsel der Mieterschaft, da die Mieten im Zuge der Sanierung entsprechend erhöht werden konnten, und die Zahlungsfähigkeit der bisherigen Bewohnerschaft überstieg. Aus diesem vereinfacht dargestellten Sachverhalt leitet sich die Forderung nach gemäßigter Sanierungs- und Modernisierungstätigkeit ab. Sanierungen dürfen nicht völlig ausbleiben, um Wohnqualitäten zumindest zu sichern, aber auch nicht die Zahlungsfähigkeit der Bewohner übersteigen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 27 Die Zahlungsfähigkeit ist neben den Diskriminierungen und der Verknappung der unteren Marktsegmente, die den Konkurrenzdruck auf der Nachfragerseite erhöhen, den Marktbesonderheiten zuzuordnen. Dem steigenden Konkurrenzdruck könnte unter anderem mit einer angepassten Belegungsstrategie der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften entgegengewirkt werden. 4 Das Quartier Aachen-Ost als Wohnungsteilmarkt In Aachen sind vor allem die Stadtbezirke Panneshop mit 36,5% und Rothe-Erde mit 26,6% durch eine hohe Ausländerquote charakterisiert. Diese liegt damit deutlich über dem Aachener Durchschnitt von 13,79%. Gleichzeitig liegt die Arbeitslosenquote in diesen Bezirken bei über 15%. Beide Stadtbezirke zählen zum Quartier Aachen-Ost, dessen Image in der Bürgerschaft der Stadt Aachen denkbar schlecht zu sein scheint. In diesem Abschnitt soll deshalb zuerst anhand einer kurzen Situationsanalyse genauer betrachtet werden, wie es zu diesem Negativimage des Quartiers kommt. Im Anschluss daran wird der Wohnungsmarkt aus den Perspektiven der Anbieter- und Nachfragerseite genauer beleuchtet und einige öffentliche Projekte bzw. Aktivitäten zur Verbesserung der Situation in Aachen-Ost vorgestellt. (s. Anfrage Stadt Aachen 2005) Situationsanalyse und Image Das Stadtbild im Aachener Osten ist geprägt durch Geschoßbauten, die hauptsächlich aus den sechziger Jahren stammen. Obwohl zahlreiche Gebäude in den achtziger Jahren saniert wurden, besteht bei den meisten Gebäuden ein erhöhter Instandsetzungsbedarf. Ein für jedermann sichtbares Indiz hierfür ist der Zustand zahlreicher Außenfassaden, welche meist Risse aufweisen und häufig sogar bröckeln. Zusätzlich verfügen die Wohnungen größtenteils über eine einfache Verglasung und eine Wärmedämmung des Objektes, die dem heutigen Standard längst nicht mehr genügt. Bei der Besichtigung vieler Objekte viel zu dem auf, dass die Treppenhäuser oft Spuren von Vandalismus aufweisen und nicht nur auf der Strasse, sondern auch in den Häusern die Müllentsorgung nicht richtig funktioniert. Die Wohnungen selbst sind nicht selten völlig überbelegt, d.h. dass die Anzahl der größeren Haushalte, denen für die Personenzahl zu geringe Wohnflächen zur Verfügung stehen, signifikant größer ist. (s. Anfrage Stadt Aachen 2005) In Ergänzung zu der Situation, die bereits durch die Ausländerquote und die Arbeitslosenrate deutlich wird, fügt sich das äußere Erscheinungsbild in ein Negativimage, welches über mehrere Jahre innerhalb Aachens gewachsen ist. Dabei wird deutlich, dass dieses Negativimage, welches wie dargestellt zumindest zum Teil auf Tatsachen beruht, meist mit dem hohen Ausländeranteil in Verbindung gebracht wird und damit die Situation auf ein „Ausländerproblem“ bzw. „Integrationsproblem“ reduziert wird. In den folgenden Abschnitten soll nun versucht werden, diesen Zusammenhang näher zu beleuchten. Dabei soll ermittelt werden, welche Investitionshemmnisse auf der Anbieterseite dazu führen, dass ein derartiger Instandsetzungsrückstand entstehen konnte und welcher Zusammenhang mit der Bewohnerschaft des Quartiers besteht, um Rückschlüsse auf ein eventuell bestehendes oder sogar ursächliches Migrationsproblem ziehen zu können. Das Kalkül der Anbieter und Investitionshemmnisse Das Kalkül der Anbieter im Wohnungsmarkt ist ein Rationalkalkül, bei dem es letztlich um Renditen bzw. Renditeerwartungen geht. Dabei geht es grob darum, dass die Nettorückflüsse aus den Mietzahlungen zu einer Amortisation des investierten Kapitals oder zumindest zu einer angemessenen Verzinsung desselben führen. Lässt man dabei einmal die Kosten für eine eventuelle Finanzierung außen vor, so beschreibt der Begriff Nettorückfluss, die Kaltmieteinnahmen zuzüglich der Nebenkostenzahlungen der Mieter (Warmmiete) abzüglich der Wohngeldzahlungen des Vermieters. Diese Wohngeldzahlungen des Vermieters beinhalten die Nebenkosten des Mieters, für die der Vermieter meist in Vorleistung tritt, zuzüglich der Kosten, die er nicht auf seinen Mieter umlegen kann. Die unten stehende Tabelle zeigt exemplarisch eine Wohngeldabrechnung. Dieses Kalkulationsschema hilft, das Vorgehen eines Wohnraumanbieters nachvollziehen zu können. Die umlagefähigen Kosten des Anbieters sowie die Heizkosten sind, wie bereits erwähnt, die vom Mieter selbst zu tragenden „Wohnnebenkosten“. Dabei ist es in den Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 28 meisten Mietwohnungen derart geregelt, dass die Mieter monatlich eine sog. Nebenkostenvorauszahlung leisten, die erst einmal mit den tatsächlich anfallenden Kosten nicht viel gemeinsam hat, denn die eigentliche Abrechnung erfolgt meist erst am Ende des Jahres. Dabei kann sich zum Jahresende eine Nebenkostennachzahlung oder eine Gutschrift für den Mieter ergeben. Wohnlastabrechnungen Kostenarten I. umlagefähige Kosten II. Heizkosten 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Stand: 01.03.2006 Whg. 1 für das Wirtschaftsjahr Allgemeinstrom Müllabfuhrgebühren Straßenreinigungsgebühren Frischwasser Abwasser/Schmutz Abwasser/Regen Hausmeister/Gartenpflege Hausreinigung/Putzmittel Kabelfernsehen Gebäudeversicherung Haftpflichtversicherung 12. Zwischensumme (I) 0,00 DM 13. 14. 15. 16. siehe anliegende Abrechnung erstellt durch Unternehmen X Gasbezugskosten Strom Heizung Schornsteinfeger Abrechnungskosten 17. individuelle Ablesekosten 18. Zwischensumme (II) III. nicht umlagefähige Kosten # Summe umlagef. Kosten 20. 21. 22. 23. 24. 25. WEG-Verwaltung Wohneinheiten Versammlungskosten Geldverkehr Rundschreiben/Dokumentationen Instandsetzungen/Anschaffungen Zuführung Rücklage 0,00 DM 26. Zwischensumme (III) 0,00 DM 27. Abschlusssumme 0,00 DM Tabelle 2: exemplarische Wohngeldabrechnung Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 29 Dieses Kalkulationsschema hilft, das Vorgehen eines Wohnraumanbieters nachvollziehen zu können. Die umlagefähigen Kosten des Anbieters sowie die Heizkosten sind, wie bereits erwähnt, die vom Mieter selbst zu tragenden „Wohnnebenkosten“. Dabei ist es in den meisten Mietwohnungen derart geregelt, dass die Mieter monatlich eine sog. Nebenkostenvorauszahlung leisten, die erst einmal mit den tatsächlich anfallenden Kosten nicht viel gemeinsam hat, denn die eigentliche Abrechnung erfolgt meist erst am Ende des Jahres. Dabei kann sich zum Jahresende eine Nebenkostennachzahlung oder eine Gutschrift für den Mieter ergeben. Es ist intuitiv einsichtig, dass der Vermieter zu Jahresbeginn eine sehr genaue Kalkulation der zu erwartenden Nebenkosten erstellen muss, damit die von ihm verlangten Nebenkostenvorauszahlungen deckungsgleich mit den tatsächlichen Kosten sind. Dies ist wiederum nur sehr beschränkt möglich, da er das Verbrauchsverhalten der Mieter nur aus Erfahrungswerten ableiten kann. Jedoch sind gerade Heizungs-, Frischwasser-, Abwasserund Regenwasserkosten alleine aufgrund verschiedenster Ausprägungen der Jahreszeiten sehr wechselhaft. Damit bleibt für den Vermieter stets ein Restrisiko bezüglich eines Zahlungsausfalls am Ende der Abrechnungsperiode, das er in sein Rationalkalkül aufnehmen muss. Dies senkt tendenziell seine Erwartungen bezüglich der Nettoerlöse. Speziell in Quartieren mit einem niedrigen Pro-Kopf-Einkommen, wie es in Aachen-Ost vorliegt, steigt das Risiko derartiger Zahlungsausfälle. Hinzu kommt, dass es in Aachen-Ost einen sehr hohen Anteil an Haushalten gibt, deren Mieten und Nebenkosten vom Sozialamt der Stadt gezahlt werden (s. Anfrage Stadt Aachen 2005). Dies bedeutet für den Vermieter einen Mehraufwand, da die Zahlungen durch die Ämter mit zusätzlichen organisatorischen Prozessen verbunden sind, die den Zahlungszeitpunkt nach hinten verschieben. Somit verringert sich wiederum die erwartete Nettoeinnahme des Vermieters. Die Kosten, die der Vermieter selber tragen muss, sind die nicht-umlagefähigen Kosten. Hier ist vor allem der Punkt Instandsetzungen/Anschaffungen besonders interessant (s. Punkt 22 in Tabelle 2). Dies sind also Aufwendungen an denen die Mieter eines Objektes nicht partizipieren und somit die Nettomieteinnahmen des Vermieters verringern. In einem persönlichen Gespräch mit einer Vermieterin, die Objekte im Aachener Ostviertel anbietet, wurden die Aufwendungen für die Beseitigung von Vandalismusschäden als zweitgrößter Kostenpunkt nach den Zahlungsausfällen genannt (s. Interview mit Dorothee Lennartz). Schon diese sehr grobe Darstellung der Besonderheiten in der Kalkulation der Wohnraumanbieter im Aachener Ostviertel lässt zumindest den Schluss zu, dass die deutlich verringerten Rückfluss- und damit Renditeerwartungen zu einer verringerten Investitionstätigkeit führen. Da Investition eben nicht nur der Neuerwerb eines Objektes, sondern auch, wie oben erläutert, die Instandsetzung der Objekte betrifft, ist hier ein Erklärungsansatz für das Erscheinungsbild des Quartiers zu sehen. Die Erfahrungen verschiedener Vermieter zeigen jedoch, dass ein Rückschluss auf die in diesem Quartier lebenden Migranten eher unzulässig ist. Danach ist das Migrations- bzw. Integrationsproblem nur mittelbar für die oben dargestellten Probleme verantwortlich. Die Vermutung kann zwar nicht statistisch untermauert werden, aber die Erfahrungen zeigen, dass das Migrationsproblem über seinen Einfluss auf das Image des Quartiers dafür verantwortlich ist, dass prinzipiell nur „sozial schwache“ Haushalte oder Personen deutscher Herkunft bereit sind in diesem Quartier zu wohnen und zu leben. Erst dieser Umstand führt nach den Erfahrungen dazu, dass diese Stadtbezirke auch zu einem wirtschaftlichen Brennpunkt mit den beschriebenen Folgen werden. (s. Interview mit Dorothee Lennartz) Ob diese These überhaupt statistisch untermauert werden könnte, spielt für das individuelle Anbieterkalkül ohnehin nur eine sehr untergeordnete Rolle, da hier die persönlichen Erfahrungen einen denkbar großen Einfluss demgegenüber haben. Die Situation der Nachfrager im Ostviertel Zusätzlich zum bereits beschriebenen Mangel an Wohnraum, insbesondere bei größeren Haushalten, sind die Ausstattungen der Wohnungen ein weiterer wichtiger Aspekt auf der Nachfragerseite. Gilt generell für den deutschen Wohnungsmarkt, dass ausländische Haushalte im Gegensatz zu deutschen über eine eher einfache Wohnungsausstattung verfügen (s. Grafik 1), so lässt sich dies prinzipiell nicht auf den Stadtteil Aachen-Ost übertragen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 30 Im Laufe der Recherche zu dieser Arbeit war es möglich 16 Whg. in der Düppelstraße in Aachen Rothe-Erde zu besichtigen. Dabei ist deutlich geworden, dass es sich hier generell um eine einfache Wohnungsausstattung handelt, also kein signifikanter Unterschied zwischen deutschen und ausländischen Haushalten besteht. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine repräsentative Erhebung. Wohnungsausstattung deutscher und ausländischer Haushalte 50 45 40 35 in % 30 Deutsch 25 Ausländer 20 15 10 5 0 gut mittel einfach schlecht Grafik 1: „Wohnungsausstattung deutscher und ausländischer Haushalte“ (s. Anfrage Stadt Aachen) Alleine diese beiden Aspekte stellen drei entscheidende Funktionen des Wohnens in Frage. Zum einen kann der Wohnraum nur noch sehr beschränkt zur psychischen und physischen Erholung (Reproduktionsfunktion) dienen und zum anderen fehlen Separierungsmöglichkeiten, um eine schulische oder berufliche (Weiter-)Bildung voranzutreiben (Bildungsfunktion). Zusätzlich bietet der Wohnraum nur noch sehr eingeschränkte Möglichkeiten, soziale Kontakte zu Freunden, Bekannten und Nachbarn zu pflegen (Sozialisationsfunktion). Dies gilt zumindest für den Empfang dieser sozialen Kontakte in den eigenen „Vier Wänden“. Aber auch die anderen Funktionen des Wohnens scheinen in Anbetracht der Gesamtsituation in Aachen-Ost nicht komplett wahrnehmbar zu sein bzw. werden für die Bewohner des Quartiers zu einem weiteren Problem. So fällt die Identifikation mit dem eigenen Stadtteil als „Heimat“ allein aufgrund des Images sicher schwieriger (Identifikationsfunktion). Zuordnungsfunktion und Demonstrationsfunktion des gewählten Wohnumfeldes führen dazu, dass zum einen die sozialen und ökonomischen Probleme mit in Schulen und Kindergärten transportiert werden und damit der Segregationsgrad weiter steigt, sowie zum anderen die Bewohner häufig mit einer Art Makel belegt werden aufgrund ihres Wohnortes. Aus der wirtschaftlichen Perspektive stellt die Wohnungssituation die Nachfrager vor weitere Probleme. So hat der niedrige Ausstattungsstandard oft zur Folgen, dass der Preis für den Wohnraum weiter steigt, da die Nebenkosten, z.B. durch einfache Verglasung oder eine schlechte Isolierung der Fassade, überdurchschnittlich hoch sind. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Zweiten Miete“. Eine weitere Verschärfung der Situation droht durch die neue Sozialpolitik. Als Stichwort ist hier Hartz IV zu nennen, wodurch zwar einerseits den Sozialhilfeempfängern mehr finanzieller Spielraum zur Verfügung steht, aber andererseits die Eigenverantwortung dahingehend erhöht wurde, als das nun notwendige Anschaffungen für die Haushalte selbst erspart werden müssen. Dies führt vor allem bei den Menschen, die eine 100%ige Konsumquote haben, dazu, dass verschiedene Investitionen zur Sicherung der Wohnqualität Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 31 nicht getätigt werden können und langfristig die Gefahr der „Unterwohnung“ droht. Dies wiederum endet nicht selten in der Kündigung des Mietverhältnisses seitens des Vermieters. Außerdem zu nennen in diesem Zusammenhang ist die neue Anwendung der Mietpreisobergrenzen oder auch die Begrenzung der Quadratmeterzahl durch die Sozialämter. In der Praxis hat dies, in Verbindung mit der Problematik der „Zweiten Miete“, häufig zur Folge, dass die Möglichkeit des Bezugs angemessenen Wohnraums gar nicht besteht. Zuletzt ist noch das Auslaufen der Bindungen der geförderten Wohnungen als weiterer Unsicherheitsfaktor für die Mieter zu sehen. So bleibt also in jedem Falle festzuhalten, dass die Wohnraumversorgung gerade im unteren Preissegment des Wohnungsmarktes für das entsprechende Klientel mit immer größeren Unsicherheiten behaftet ist, die letztlich, in Analogie zum Anbieterkalkül, für den Mieter Zusatzkosten bedeuten. Alle beschriebenen Punkte betreffen selbstverständlich nicht explizit die Bevölkerungsgruppe der Ausländer. Für diese Gruppe kommt erschwerend hinzu, dass sie häufig von weiteren individuellen Marktzutrittsbarrieren behindert werden. Zu diesen zählt vor allem häufig das Sprachproblem, welches letzten Endes tendenziell für eine Zunahme an Marktintransparenz verantwortlich ist. Kulturelle Unterschiede können zusätzlich für starke Verschiebungen im Anforderungsprofil für den gesuchten Wohnraum sorgen und das Angebot für passenden Wohnraum verknappen. Für das Aachener Ostviertel gilt jedoch, dass hier eine stark ansteigende Anzahl von Maklern mit eigenem Migrationshintergtund zu verzeichnen ist, die diese Umstände tendenziell abzuschwächen vermag (s. Anfrage Stadt Aachen 2005). In der Literatur wird häufig von Vorurteilen und Ablehnung gegenüber ausländischen potentiellen Mietern berichtet. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Diskriminierungszuschlag“, was nichts anderes als eine Mieterhöhung für ausländische Mieter beschreibt (s. Kabis 2001). Öffentliche Aktivitäten und Projekte Im Rahmen des Programms „Stadtteilerneuerung Aachen-Ost“ gibt es seit mehreren Jahren Aktivitäten und Projekte zur Verbesserung des Wohnumfeldes. An erster Stelle ist die Einrichtung der Stadtteilbüros in der Elsaßstrasse und der Hüttenstraße zu nennen, deren Akteure die Aufgaben der Ideensammlung zur Verbesserung der Situation im Viertel, das Informieren über Möglichkeiten und Projekte in Aachen-Ost und der Beratung für verschiedenste Probleme sind. Die Büros sollen als Anlaufstelle für die Menschen dieses Viertel dienen und „eine Keimzelle für eine intensive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger“ sein. (s. Stadt Aachen, 2006) Exemplarisch seien zwei Projekte, die von den Stadtteilbüros begleitet bzw. durchgeführt werden, genannt und kurz beschrieben. Eines der größten Projekte, die im Zusammenhang mit der Stadtteilerneuerung Aachen-Ost durchgeführt wurden bzw. werden, ist die Neugestaltung des Kennedy-Parks in diesem Viertel. Die zur Verfügung stehenden Mittel für dieses Vorhaben belaufen sich nach Angaben der Stadt Aachen auf ca. 1 Mio. Euro. Das sogenannte „Spielband“, welches von der Düppelstraße bis in den hinteren Teil des Parks reicht, ist das Kernstück der Verbesserungsaktivitäten. Zum einen werden die Beläge der Sportplätze erneuert und die Nutzungsmöglichkeiten der Anlage deutlich erweitert und zum anderen neue Spielplätze für Kleinkinder im hinteren Bereich des Parks geschaffen. Zusätzlich werden die Parkbänke ersetzt durch Sitzgelegenheiten ohne Rückenlehnen, um den Alkoholkonsum im Park dadurch einzuschränken, dass ein dauerhaftes Sitzen auf den Bänken unbequemer wird. Letztes Element dieses Projektes ist die Schaffung eines direkten Zugangs vom angrenzenden Seniorenheim in den Park, der als Kirschblütenpark gestaltet werden soll. (s. Stadt Aachen, 2006) Ein zweites Projekt ist „Studies helfen Kids“, welches seit mehreren Jahren mit Erfolg vorangetrieben wird. Dabei unterstützen Studenten der RWTH-Aachen Schüler der Grundschule Düppelstraße und jugendliche Besucher des Josefshauses bei der Anfertigung ihrer Hausaufgaben. (s. Stadt Aachen, 2006) Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 32 5 Fazit Zum Abschluss gilt es also noch einmal allgemein festzuhalten, welche Problematiken zum einen zu Investitionshemmnissen und zum anderen zur Gefährdung der Wohnraumversorgung führt. Dies soll zusätzlich auf der Nachfragerseite aus der Perspektive der Besonderheiten für Migranten als Marktakteure erfolgen. Zentraler Punkt auf der Anbieterseite ist die reduzierte Renditeerwartung der Vermieter. Diese stellen - neben anderen Gründen, wie der Mietgesetzgebung und den Finanzierungsmöglichkeiten - den Hauptgrund für ein gehemmtes Investitionsverhalten der Anbieter da. Jedoch kann in diesem Zusammenhang nicht von einem „Ausländerproblem“ gesprochen werden, d.h. einer generellen Häufung dieses Renditeproblems in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil, sondern eher von einem nationalitätenübergreifenden Problem von Quartieren mit besonders schwacher ökonomischer Struktur. Für die Nachfragerseite gilt, dass die Wohnraumversorgung vor allem durch hohe Warmmieten im unteren Preissegment, Arbeitslosigkeit (Hatz IV), Ghettoisierung, wenig gut ausgestattete Wohnungen, Mietpreisobergrenzen der Sozialämter sowie auslaufende Bindungen der geförderten Wohnungen gefährdet ist. Neben dem niedrigen Pro-Kopf-Einkommen, spielt für Migranten das Problem der Orientierung eine entscheidende Rolle, sei es aufgrund der Sprachbarriere oder der Mangelnden Kenntnis des Wohnungsmarktes. Häufig führt auch die Dringlichkeit des Wohnungsbedarfs eine wichtige Rolle für Fehlentscheidungen. Alle diese Aspekte führen letztlich auch zur Segregation in Quartieren, wie es das Aachener Ostviertel darstellt. Zwar konnten die Ursachen für Segregation speziell für dieses Viertel nur teilweise in der Recherche für diese Arbeit Identifiziert werden, jedoch lassen die dargestellten Probleme (s. Abschnitt 4.3) zumindest die Vermutung zu, dass die in der Literatur dargestellten Segregationsgründe auch hier zutreffend sind. Als Lösungsansätze sind die Schaffung von mehr Markttransparenz, die Überprüfung von Stadterneuerungsstrategien auf Sozialverträglichkeit, die Umwandlungsund Sanierungsförderung entsprechend der Zahlungsfähigkeit der Bewohner sowie die dauerhafte Förderung der Integrationsbemühungen. (s. Selle 1990, S. 34-39) 6 Quellenangaben Eichener, Volker (1988): Ausländer im Wohnbereich – Theoretische Modelle, empirische Analysen und politisch-praktische Maßnahmenvorschläge zur Eingliederung einer gesellschaftlichen Außenseitergruppe (Kölner Schriften zur Sozial- und Wirtschaftspolitik; Bd.8) Regensburg Friedrichs, Jürgen (2002): Zuwanderung, ethnische Segregation und städtische Vergemeinschaftung In: Treichler, Andreas (Hg.)(2002): Wohlfahrtsstaat, Einwanderung und ethnische Minderheiten – Probleme, Entwicklungen, Perspektiven Wiesbaden, S.349-351 Holz, Robert (2002): Ergänzungen zum (Groß-)Städte-Ranking 2002 – Ausländer, Frauen, Bevölkerungsentwicklung, Erwerbstätigkeit und berufliche Ausbildung in den Regionen Deutschlands – Scorecards, Analyse- und Prognose-Software als Excel-Anwendung auf CD (Materialien für die betriebliche Praxis), Aachen, S. 167) Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen (2005a): Demografischer Wandel – Konsequenzen für die kulturelle Infrastruktur, (http://www.ilsshop.nrw.de/cgi-bin/ilsos/070200.html , Zugriff am 02.02.2006) Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen (2005b): ILS-Trends – Entwicklungen in NRW(http://www.ils-shop.nrw.de/cgi-bin/ilsos/070912.html , Zugriff am 02.02.2006) Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen (2005c): Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten (http://www.ils-shop.nrw.de/cgibin/ilsos/070195.html , Zugriff am 02.02.2006) Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 33 Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (1997): Ausländerinnen und Auslände in Nordrhein-Westfalen – Zahlenspiegel 1996, Düsseldorf 1997 Kabis, Tülin (2001), Fachtagung „Stadtentwicklung und Migration“ 17. - 18.5.2001, (http://www.werkstatt3.de/doku/dialog/downloads/kabis.pdf , Zugriff am 03.02.2006) Selle, Klaus (1990): Keine Wahl…Anmerkungen zu den Wohnchancen der Ausländer in deutschen Städten In: Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen (Hg.) (1990): Ausländer und Stadtentwicklung, Duisburg, S. 30-39 Stadt Aachen (2004): Statistisches Jahrbuch 2002/2003 (http://www.aachen.de/DE/stadt_buerger/aachen_profil/statistische_daten/index.html , Zugriff am 02.02.2006) Stadt Aachen (2006): Stadtteilbüro Aachen-Ost (http://www.aachen.de/DE/stadt_buerger/politik_verwaltung/stadtteilbuero/index.html , Zugriff am 01.02.2006) Statistisches Bundesamt (2006a): Bevölkerungsentwicklung (http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoe_pmtab.php , Zugriff am 03.02.2006) Statistisches Bundesamt (2006b): Bevölkerungsanteile in Bundesländern (http://www.statistik-portal.de/Statistik-Portal/de_jb01_jahrtab2.asp , Zugriff am 03.02.2006) Statistisches Bundesamt (2004): Datenreport 2004, Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland, (http://www.destatis.de/datenreport/d_datend.html , Zugriff am 04.02.2006), 2. aktualisierte Auflage, Mannheim Wikipedia (2006): Marginalisierung (http://de.wikipedia.org/wiki/Marginalisierung Zugriff am 05.02.2006) 6 Anhang Interviewleitfaden 1.) Angaben zum Vermieter a.) Staatsangehörigkeit o deutsch o türkisch o jugoslawisch o Andere _________________________ b.) Beruf c.) Erwerbsstatus o erwerbstätig o arbeitslos o Rentner d.) Selbsteinschätzung o Häufig Verständigungsprobleme mit Mietern o Selten o Nie Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 34 2.) 3.) 4.) Angaben zum Objekt a.) Anzahl der selbst genutzten Wohneinheiten b.) Anzahl vermietbarer Wohneinheiten c.) Anzahl vermieteter Wohneinheiten d.) Größe der Wohnungen Angaben über Hausbewohner a.) Wohnungsvermittlung gelang über… o Makler o Zeitung o Mund zu Mund Propaganda o Andere __________________________ b.) Ausländeranteil im Objekt c.) Belegungsstruktur d.) Einschätzung o Starke Hausgemeinschaft o Weniger Gemeinschaft im Haus o Keine Gemeinschaft im Haus e.) Anzahl Personen pro Wohnung f.) Überbelegung der Wohnung o Nicht toleriert o Zum Teil geduldet o Nicht anders regelbar Angaben über wirtschaftliche Situation a.) Vermietbarkeit der Wohnungen aktuell o Leicht möglich o Mit Zeitverzögerung o Schwerfällig o Sehr schwerfällig b.) Vermittlungswege für Wohnungen o Zeitungsanzeige o Makler o Plakat/Schild im/am Haus o Andere _______________________ c.) Modernisierung des Objekts o Gerade abgeschlossen o In Planung o Nicht notwendig o Nicht finanzierbar o Andere _______________________ Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 35 5.) d.) Instandsetzungen erfolgen o Bei Bedarf o Regelmäßig o Weniger, wegen fehlendem Nutzen o Andere _______________________ e.) Hauptgründe für Instandsetzungen/Reparaturkosten f.) Kostentreiber des Objektes Ausländer und Integration a.) Einschätzung der Integration von Ausländern o Gelingt in dieser Wohngegend o Ist konfliktreich o Gelingt nicht o Andere _______________________ b.) Gründe für Probleme bei Integration o Marktsituation o Integrationswille Deutsche o Integrationswille Ausländer o Andere _______________________ Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 36 Wohnen Migranten anders? Gülüzar Dabrock, Anna Gorski Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 37 Inhalt Wohnen Migranten anders? 1 Einleitung 2 Begriffsbestimmungen 3 Wohnsituation der Migranten 4 Ursachen für die Unterschiede in der Wohnungsversorgung 5 Aachen-Ost als typischer Wohnstandort für Migranten 6 Bewertung der Wohnsituation von Migranten 7 Quellenangaben und Bildverzeichnis Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 38 1 Einleitung Thema dieser Arbeit ist die Beschäftigung mit der Wohnsituation von Migranten und den Ursachen ihrer spezifischen Wohnsituation. Grundlage der Untersuchung ist die These, dass Migranten anders wohnen als Nicht-Migranten, dass dies allerdings in überwiegendem Maße nicht aus ihren Wohnbedürfnissen resultiert, sondern Ausdruck ihrer sozioökonomischen Situation und der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist. Zur Untersuchung der These wird in einem ersten Schritt die Wohnungssituation der Migranten dargestellt. Dabei werden sowohl die Wohnung und ihre Ausstattungsmerkmale als auch die Wohnstandortbedingungen betrachtet. In einem zweiten Schritt werden mögliche Ursachen für die Unterschiede in den Wohnverhältnissen der Migranten genannt. Hier wird zum einen auf ihre sozioökonomische Situation und zum anderen auf Diskriminierung und die Wohnbedürfnisse eingegangen Im Anschluss an die allgemeine Betrachtung wird für den Stadtteil Aachen-Ost dargestellt, wie sich diese Prozesse auf der lokalen Ebene darstellen. In einem abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst und einer Bewertung im Hinblick auf die Integrationsleistung des Wohnungsmarktes unterzogen. Methodisch werden überwiegend sekundärstatistische Angaben zu verschiedenen Bevölkerungsgruppen verwendet. Diese beziehen sich häufig nicht auf Migranten als Ganzes, sondern betrachten häufig Türken, Ausländer, also einzelne Untergruppen. Da statistische Angaben zu Migranten als Gruppe jedoch nicht vorhanden sind und auch Einzeluntersuchungen selten diese Gruppe in den Blick nehmen, muss versucht werden, aus den Daten für die Teilgruppen Schlüsse für die Gesamtgruppe zu ziehen. 2 Begriffsbestimmungen Migranten Der Begriff der Migranten umfasst eine Vielzahl von Gruppen, deren gemeinsames Kennzeichen ist, dass sie zugewandert sind bzw. von Zugewanderten abstammen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft. Daneben ist die Vorstellung einer nichtdeutschen Herkunft wichtig, sei es bei den Migranten selbst oder bei der Mehrheitsgesellschaft. Bis in die 1970er Jahre hinein hatte die Öffentlichkeit die angeworbenen Arbeitskräfte aus dem Ausland als ‚Gastarbeiter’ bezeichnet. Dieser Bezeichnung lag die Annahme zugrunde, dass die Arbeitskräfte nur vorübergehend als Gäste in deutschen Betrieben seien und nach einigen Jahren wieder in ihr Heimatland zurückkehren würden. Die Amtssprache verwendete von Anbeginn den rechtlichen Begriff ‚Ausländer’, der allerdings nur auf die Staatsangehörigkeit abzielt. Bei der Analyse von Integrationsprozessen hat der rechtliche Begriff des Ausländers entscheidende Nachteile: Angehörige nichtdeutscher Gruppen, die die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, werden als ‚Deutsche’ erfasst; ihre Integrationsprobleme mit der Einbürgerung sind jedoch in vielen Bereichen nicht gelöst. Ausländer selbst bezeichnen sich lieber als ‚Migranten’ oder ‚Zuwanderer’. Jedoch sind auch diese Begriffe nicht ganz zutreffend: das Merkmal des ‚Zuwanderns’ trifft nur auf die erste Generation zu, aber nicht mehr auf die Nachfolge-Generationen, die in Deutschland geboren wurden. Integration Grundlegend ist die Unterscheidung Lockwoods von Systemintegration und sozialer Integration. Mit ersterer ist der Zusammenhalt und die konflikthafte Beziehung der Teilsysteme Markt und Staat gemeint, die durch Recht und Geld reguliert werden. Die soziale Integration bezieht sich auf die konflikthafte Beziehung von Akteuren – sowohl Individuen als auch Gruppen – zueinander sowie zu gesellschaftlichen Teilbereichen und zur Gesellschaft insgesamt. Ein Scheitern der Systemintegration bezeichnen wir als Desintegration, ein Scheitern der sozialen Integration als Ausgrenzung (Janßen/Polat 2005: 3). Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 39 Bezüglich der sozialen Integration von Migranten bietet Esser ein differenzierteres Konzept mit der Unterscheidung von vier Formen der Integration: Kulturation, Platzierung, Interaktion und Identifikation. Kulturation bedeutet den Erwerb kognitiver Fähigkeiten, die Individuen zur gesellschaftlichen Teilhabe benötigen. Platzierung ist die Einnahme sozialer Positionen, deren Wertigkeit aus der Stellung in der Hierarchie des Arbeitsmarktes resultiert. Interaktionen bezeichnen soziale Kontakte, die Teilnahme an sozialen Netzwerken sowie die Partizipation in der Öffentlichkeit. Identifikation behandelt die subjektive Verortung innerhalb der Gesellschaft. Diese vier Dimensionen der Integration weisen vielfältige Wechselwirkungen auf. Ein Mindestmaß an Kulturation ist Voraussetzung für eine Integration auf dem Arbeitsmarkt und hinsichtlich sozialer Beziehungen. Auch sind Beziehungen zur Aufnahmegesellschaft, vor allem zum Arbeitsmarkt oder aus anderen Kontexten entstandene, zum Erwerb von kognitiven Fähigkeiten notwendig (Esser 2001: 8ff.): Dieser Arbeit wird ein Integrationsbegriff zugrunde gelegt, der auf die gleichberechtigte Teilhabe der Zuwanderer am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben unter Respektierung ihrer jeweiligen kulturellen Eigenart zielt. Dieses Integrationsverständnis fordert vor allem eine deutlichere Wahrnehmung multiethnischer Realitäten und betrifft demnach alle – Zuwanderer sowie Einheimische. Notwendige Voraussetzungen für die Integration sind nicht nur die Bereitschaft zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse sowie die Anerkennung der Grundwerte der Gesellschaft, sondern auch Akzeptanz und Aufklärung der Aufnahmegesellschaft: der Schlüsselbegriff für den deutschen Integrationsbeitrag liegt im psychologischen Bereich und heißt Zustimmung. Aufgrund des ökonomischen Strukturwandels in den letzten Jahren verliert die gewerbliche Arbeit als der zentrale Integrationsfaktor für die Systemintegration zunehmend an Bedeutung: Zuwanderer haben auch derzeit nur erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt, eine wachsende Zahl ist auf Transferleistungen angewiesen. Aus diesem Grund wird dem Wohnungsbereich von verschiedener Seite eine größere Rolle bei der Integration zugeschrieben (Schneider 2005: 12). Ethnische Segregation Segregation ist die ungleiche Verteilung von Bevölkerungsgruppen in der Stadt. Dies geschieht über den Mark, Diskriminierung oder spezielle Wohnbedürfnisse. Zu unterscheiden ist freiwillige und unfreiwillige Segregation. Ethnische Segregation ist die ungleiche Verteilung ethnischer Gruppen in der Stadt, die nicht durch die sozioökonomische Lage bestimmt ist. Hohe Wohnkonzentrationen von einzelnen Gruppen und Schichten entstehen, weil Individuen Nachbarn suchen, die ihnen hinsichtlich mehrerer Merkmale ähnlich sind. Je geringer die soziale Distanz zu einer Gruppe ist, desto geringer ist auch die räumliche Distanz zu ihr. Ethnische Kolonien können vor allem für neue Zuwanderer wichtige integrierende Funktionen erfüllen: dort ann „kulturspezifische Sozialisation“ stattfinden, dort erhalten neue Zuwanderer Orientierung nd „Neueinwandererhilfe“, aufgrund der Zugehörigkeit zur eigenkulturellen Gruppe in einer fremden Umgebung ist es dort einfacher, die Persönlichkeit zu stabilisieren und gemeinsam Altagsprobleme zu bewältigen (Heckmann 1992: 96). Dies kann auch als funktionelle Segregation bezeichnet werden. Bei allen Vorteilen für diese Handlungskompetenzen von Zuwanderern weist sozialräumliche Segregation Gefahren auf, denn Kolonienbildungen deuten auf Instabilitäten und Integrationsunfähigkeit er städtischen Gesellschaften, die zusätzlich zur sozialen Ungleichheit auch ethnisch-klturell gespalten sind: Zuwanderer haben in den großstädtischen Quartieren häufig Deutsche zu Nachbarn, die von sozialem Abstieg betroffen oder deren berufliche Existenz und Wohnsituation prekär sind. Das Aufeinandertreffen sozial und ökonomisch benachteiligter Gruppen, die sich ethnischkulturell unterscheiden, begünstigt das Entstehen von Konflikten. Eine solche Ethnisierung sozialer und ökonomischer Probleme erschwert die Integration von Zuwanderern. Bei hoher räumlicher Konzentration haben Migranten kaum Möglichkeiten zu interethnischen Kontakten und Erwerb von Fertigkeiten, die im interethnischen Wettbewerb unverzichtbar sind. Wen sich eine solche Segregation verfestigt, spricht man auch von struktureller Segregation (Häußermann/Siebel 2001: 104). Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 40 3 Wohnsituation der Migranten Die Wohnsituation der Migranten wird in zwei Kategorien untersucht. Die erste betrifft die Wohnung selbst. Hier lassen sich Größe, Ausstattung und Zustand unterscheiden. Die zweite Kategorie betrifft den Standort und umfasst materielle, soziale und symbolische Ausprägungen des Wohnungsumfeldes. Wie wohnen Migranten? – Qualität der Wohnung Die Wohnsituation von Haushalten mit ausländischem Haushaltsvorstand, insbesondere von "Gastarbeiterhaushalten", hat sich in Westdeutschland seit 1985 deutlich verbessert. Trotz der Verbesserung ist der Abstand zu den Wohnbedingungen in Haushalten von Deutschen kaum kleiner geworden. Tabelle 1 zeigt Wohnbedingungen für Haushalte mit deutschen und ausländischen Haushaltsvorständen in Westdeutschland 1985 und 1998. Man sieht in der Tabelle 1 deutlich, dass sich die Wohnsituation der Migranten von 1985 bis 1998 verbessert hat. Inzwischen verfügen fast alle Haushalte über ein Badezimmer. Die Ausstattung mit Zentralheizungen ist bei Migrantenhaushalten im Vergleich zu 1985 deutlich besser geworden, im Vergleich zu deutschen Haushalten allerdings immer noch unzureichend. Die Wohndichte, gemessen an der Wohnfläche pro Person, hat sich sowohl bei den deutschen als auch bei türkischen Haushalten verbessert. Allerdings ist sie bei den deutschen Haushalten stärker gestiegen als bei den türkischen, deren Wohnfläche pro Person sich in den Jahren 1985 bis 1998 lediglich um durchschnittliche 3 m² erhöht hat. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Anzahl der Räume pro Person. Auch hier hat sich die Wohnsituation der beiden Gruppen verbessert, während der Abstand zwischen den deutschen und den türkischen Haushalten sich vergrößert hat. Der Wohneigentümeranteil unter den Migranten ist von 8 % auf 13 % gestiegen. Dieser Zuwachs ist vor allem auf den Kauf von Eigentumswohnungen durch türkische Haushalte zurückzuführen. Der Abstand zur Eigentumsquote der Deutschen ist damit zwar kleiner geworden, beträgt aber noch 25 Prozentpunkte. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 41 Der steigende Anteil an türkischen Wohneigentümern kann jedoch nicht uneingeschränkt als Zeichen fortschreitender Integration interpretiert werden, da Bildung von Wohneigentum auch Folge von Diskriminierungserfahrungen auf dem Wohnungsmarkt sein kann und dann als einzige Möglichkeit erscheint, sich angemessen mit Wohnraum versorgen zu können (Häußermann/Siebel 2001: 22). Wo wohnen Migranten? – Wohnstandort Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern sind das bevorzugte Ziel der Zuwanderung. Fast die Hälfte aller Ausländer wohnte 1998 in Großstädten. Innerhalb der Großstädte konzentrieren sich die Ausländer auf bestimmte Stadtteile. „In Köln wohnen drei Viertel aller Ausländer in einem Drittel der Stadtteile, in Frankfurt ein knappes Drittel der Ausländer in einem Siebtel der Stadtteile. 13 % der Einwohner Hannovers sind Ausländer“ (Häußermann/Siebel 2001: 36). Es gibt vier Quartierstypen in denen sich Migranten konzentrieren: 1. innerstädtische, nicht-modernisierte Altbaugebiete: Sie sind am stärkste vertreten und haben schlechte Wohnumfeldqualität und Wohnausstattung (ohne Bad, ohne Zentralheizung). In großen Städten sind es häufig die Sanierungs-(Erwartungs-)Gebiete, z.B. alte Vorortkerne, in kleinen Städten die alten Stadtkerne. 2. alte Arbeiterquartiere: Es sind meistens Industriestandorten oder heruntergekommene Werkssiedlungen, die besonders von Emissionen belastet sind; sowie ehemalige Soldatenwohnungen auf Konversionsstandorten. 3. umweltbelasteten Standorten (Mülldeponie, Verkehrslärm) 4. Großsiedlungen der späten 60er und frühen 70er Jahre: Es sind meist Sozialwohnungen mit unattraktiven Bauformen (Hochhäuser). Hier gab es Anfang der 80er Jahre Wohnungsleerstände, die die Wohnungsbaugesellschaften durch Einweisung von Ausländern gefüllt haben. Sie liegen häufig an ungünstigen Standorten. Der Trend, dass Migranten sich auf bestimmte Gebiete konzentrieren, hat sich noch verstärkt. „Zwischen 1985 und 1992 sind die Anteile der Ausländer in den innerstädtischen Gebieten und in den verdichteten Sozialwohnungsgebieten überproportional gestiegen“ (Häußermann/Siebel 2001: 37). Unterschiede zwischen diesen Gebietstypen zeigen sich bei den unterschiedlichen Betrachtungsdimensionen. So weisen die typischen Wohngebiete der Migranten auf der sozialen Ebene allesamt Defizite auf. Auf der symbolischen Ebene sind diese Gebiete insgesamt nicht beliebt, insbesondere innenstadtnahe Altbaugebiete, z.T. auch Arbeiterquartiere bieten aber Identifikationsmöglichkeiten, die in den anderen Gebieten eher fehlen. Auf der materiellen Ebene haben die innenstadtnahen Altbauquartiere häufig eine gute Ausstattung mit sozialer Infrastruktur und Versorgungsgelegenheiten, während es an Grünflächen für die Erholung fehlt. In den Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre findet sich die umgekehrte Ausprägung, so dass insgesamt alle Strukturen Defizite aufzuweisen haben, sich lediglich der Schwerpunkt der Defizite verschiebt. Insgesamt lässt sich also sagen, dass Ausländer im Durchschnitt unter schlechteren Bedingungen wohnen als Deutsche. Diese allgemein bekannten Tatsachen werden allerdings sehr verschieden interpretiert: Zum einen werden sozioökonomische Gründe ins Feld geführt, zum anderen werden diese Benachteiligungen als Ausdruck von Diskriminierung gesehen. Es wird als drittes schließlich auch gesagt, die meisten Ausländer hätten gar keine höheren Ansprüche, weil sie zu Hause unter noch schlechteren Bedingungen gewohnt hätten (seien also nichts anderes gewohnt) bzw. weil sie gar keine besseren Wohnungen haben wollten, um Mietkosten zu sparen für die Überweisungen nach Hause. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 42 4 Ursachen für die Unterschiede in der Wohnungsversorgung Soziökonomische Gründe In der Regel wird jemand, der weniger verdient, auch schlechter wohnen. In diesem Kapitel wird dargestellt, ob Migranten weniger als Deutsche verdienen und inwieweit eine Annäherung türkischer Migranten an die Arbeitsmarktintegration von Deutschen stattgefunden hat. Der Anstieg der Erwerbsquoten in den neunziger Jahren ist ausschließlich auf die zunehmende Erwerbsbeteiligung deutscher Frauen zurückzuführen. Ihre Erwerbsquote stieg um acht Prozentpunkte auf 64 Prozent, während sie bei den türkischen Frauen auf niedrigem Niveau stagniert, so dass der ohnehin vorhandene Abstand zwischen türkischen und deutschen Frauen in den neunziger Jahren gewachsen ist. Die höchste Erwerbsbeteiligung besaßen türkische Männer 1989. Ihre Erwerbsquote ist in den neunziger Jahren um acht Prozentpunkte gesunken (von 85 auf 77). Damit ist sie im Jahr 2000 niedriger als die Erwerbsquote der deutschen Männer. Wie man aus der Abbildung sieht, ist die Arbeitslosigkeit bei den Türken im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gewachsen. Die Arbeitslosenquote liegt Anfang der achtziger Jahre bei 3,5 Prozent und erreicht 1985 mit 8,7 den höchsten Wert und sinkt bis 1991 auf 6,0 Prozent. Anfang der achtziger Jahr liegt die Arbeitslosigkeit unter den Türken bei 6,3 Prozent, wächst Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 43 innerhalb von drei Jahren auf 16,7 und sinkt dann bis 1990 auf 10,0 Prozent. Während die Arbeitslosigkeit 1991 insgesamt noch gesunken ist, stieg die Quote unter den Türken bereits wieder an. In den neunziger Jahren startet sie Arbeitslosigkeit von einem höheren Niveau als in den Achtzigern, wächst stärker an und geht nur minimal zurück. Insbesondere unter den Türken nimmt sie im Vergleich zum gesellschaftlichen Durchschnitt zu. Vom Höchststand 1997 (24 Prozent) sinkt sie bei den Türken nur noch bis auf 20,2 Prozent im Jahr 2000. 2002 betrug sie erneut 22,7 Prozent und übertraf den Durchschnitt von 10,5 Prozent um mehr als das Doppelte. Diese Grafik zeigt dass der hohe Anteil der un- und angelernten Arbeiter bei den männlichen türkischen Beschäftigten tendenziell gleich geblieben ist, während bei den türkischen Frauen ein schnellerer Wandel stattgefunden hat und die Angestelltenquote gestiegen ist. Bei den türkischen Männern haben sich die Anteile zwischen 1980 und 1999 kaum verändert. Der Abstand zu den deutschen Männern ist sogar gewachsen, da bei diesen der Anteil der Angestellten von 34 auf 44 Prozent gestiegen ist. Auch die türkischen Frauen arbeiten 1999 noch zu 70 Prozent als un- und angelernte Arbeiterin. Aber das ist gegenüber 1980 ein Rückgang von über 20 Prozentpunkten. Türkische Frauen und Männer sind in der Kategorie der un- und angelernten Arbeiter extrem überrepräsentiert, nur ein Fünftel der deutschen Frauen und ein Viertel der deutschen Männer fallen in diese Kategorie. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 44 Wie in den bisherigen Daten deutlich wird, sind Türken überdurchschnittlich häufig in den unteren Segmenten des Arbeitsmarktes beschäftigt und sind häufiger arbeitslos. Tab. 2: zeigt, dass sich der Abstand der Durchschnittseinkommen zwischen türkischen und deutschen stark vergrößert hat. Lag der Verdienst türkischer Beschäftigten 1984 noch 230 unter dem durchschnittlichen Einkommen aller abhängig beschäftigten Deutschen, verdienten sie 1997 bereits 525 weniger. Diese Entwicklung deutet auf einen Ausgrenzungsprozess der türkischen Migranten hin, da sich sowohl ihr Einkommensniveau verschlechtert hat, als auch der Abstand zu den Deutschen gewachsen ist. (Münz et al. 1997: 108). Ein weiterer Aspekt bei der Betrachtung der Einkommenssituation stellt die Sozialhilfe bzw. die Hilfe zum Lebensunterhalt dar. Die Abb. 4: stellt für die deutschen und türkischen Frauen und Männer die Anteile derjenigen dar, die ihren Lebensunterhalt 1989 bzw. 2000 überwiegend aus Sozialhilfe bestritten haben. Die wachsende Armut in der türkischen Bevölkerung und ein wachsender Abstand zu den Deutschen wird hier sichtbar, denn während die entsprechenden Anteile bei den Deutschen stagnieren, wachsen sie bei türkischen Frauen und Männern recht deutlich. Dabei muss noch berücksichtigt werden, dass aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen Migranten häufiger ihnen zustehende Sozialhilfe nicht in Anspruch nehmen. Deshalb ist die verdeckte Armut bei ihnen höher als bei Deutschen 70 (Janßen/Polat 2005: 180). Im Zusammenhang mit Integrations- und Ausgrenzungsprozessen kommt den Arbeitsmarktkarrieren von Migranten eine zentrale Bedeutung zu. Ein positiver Erwerbsverlauf bietet nicht nur materielle Ressourcen, die wiederum oftmals Voraussetzung für eine erfolgreiche Eingliederung in andere Lebensbereiche sind, er spielt auch für die soziale Positionierung und für das psychische Wohlbefinden eine zentrale Rolle. Entsprechend der Erkenntnis, dass Migrantenhaushalte ein geringeres Durchschnittseinkommen aufweisen und meist von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, sollten sie nach sozioökonomischen Betrachtungen im Vergleich zu Deutschen auf eher preiswerte Wohnungen angewiesen sein. Ausländer gehören überwiegend zur Unterschicht Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 45 und verdienen weniger als der Durchschnitt der deutschen Staatsangehörigen. Daher müssten Ausländer einen höheren Anteil ihres Einkommens für Miete aufwenden als deutsche Staatsangehörige, denn je niedriger das Einkommen, desto höher ist in der Regel die relative Mietbelastung (Engel'sches Gesetz). Ausländer wohnen deshalb angesichts ihrer niedrigeren Einkommen in kleineren Wohnungen (Janßen/Polat 2005: 77). Diskriminierung als Ursache Neben den sozioökonomischen Gründen liegt die Vermutung nahe, dass Ausländer auch durch Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden und dass sich auch daraus Unterschiede in der Wohnungsausstattung und dem Wohnstandort ergeben. So gibt es Erkenntnisse, dass Migranten Diskriminierungsaufschläge zu zahlen haben. Die Mietbelastung der Ausländer lag 1978 mit 14 % unter dem Durchschnitt der deutschen Staatsangehörigen (16 %), da die Ausländer schlechtere Wohnungen bewohnten. Betrachtet man nämlich das Verhältnis von Mietpreis zu Wohnqualität, so zeigen sich relativ deutlich sog. "Ausländeraufschläge", d.h. dass für die gleiche Wohnung Ausländer eine höhere Miete als deutsche Staatsangehörige bezahlen müssen, Ausländer zahlen durchschnittlich 7 Pfennig mehr pro Quadratmeter als deutsche Haushalte, 1998 bereits 48 Pfennig pro Quadratmeter. Nach den SOEP-Daten zahlen in Westdeutschland Deutsche im Durchschnitt 8,42 DM/m² Bruttokaltmiete, Ausländer 9,60 DM/m². 1998 zahlten annähernd 30 % der ausländischen Haushalte in den alten Bundesländern über 14 DM/m², während nur 25 % der Deutschen soviel für die Miete aufwenden mussten. So müssen Ausländer teilweise für schlechtere Wohnungen höhere Preise zahlen. Dieser Sachverhalt liegt wahrscheinlich auch dem ansonsten unlogischen Missverhältnis zugrunde, dass Ausländer durchschnittlich in schlechter ausgestatteten Wohnungen leben, aber auch noch im Jahr 1998 eine durchschnittlich höhere Bruttokaltmiete bezahlten (Häußermann/Siebel 2001:22). Um den Einfluss der Diskriminierung zu schätzen, wurden Regressionsanalysen durchgeführt, die es erlauben, den Einfluss einzelner Merkmale auf die Wohnfläche zu isolieren. Dabei zeigt sich für alle betrachteten Indikatoren, dass es neben dem Einfluss des Einkommens und weiterer Merkmale noch einen eigenständigen "Ausländer-Einfluss" gibt, der auf eine Benachteiligung am Wohnungsmarkt hindeutet. So ist die Zahl der bedarfsgewichteten Quadratmeter pro Person bei Ausländern unter sonst gleichen Umständen um 15 m² kleiner als bei Deutschen. Diese Schlechterstellung von Ausländer äußert sich auf verschiedene Art und Weise. Man unterscheidet Benachteiligung und Diskriminierung. Als Benachteiligung wird eine unbeabsichtigte Schlechterstellung bezeichnet, die sich allein aus einer unterschiedlichen Verhaltensweise einer Gruppe ergibt. Zum Beispiel wird als Benachteiligung von Ausländern häufig genannt, dass bestimmte Vermieter ihrer Wohnungen über den Kleinanzeigenteil der Lokalzeitung anbieten. Da Migranten in geringerem Maße Lokalzeitungen lesen, verfügen sie über einen Informationsrückstand, der sich auf ihre Chancen nachteilig auswirkt, ohne dass dieser beabsichtigt sei. Diskriminierung hingegen kennzeichnet eine absichtliche Schlechterstellung einer bestimmten Gruppe. Hier unterscheidet man institutionelle und individuelle Diskriminierung. Bei der institutionellen Diskriminierung wird die Schlechterstellung durch formelle Entscheidungsregeln verursacht, die sich die Institution setzt. So sind Migranten häufig negativ von Quotierungen betroffen. Diese werden eingeführt, da eine Gefährdung der ökonomischen Basis befürchtet wird, wenn ein Haus, eine Siedlung zu viele Ausländer aufweist und dann „umkippt“. Individuelle Diskriminierungen dagegen sind einfach Vorbehalte von Entscheidern, die nicht auf formellen Regeln basieren, sondern lediglich auf persönlichen Vorurteilen oder Erfahrungen. Diese Benachteiligungen und Diskriminierungen sorgen für eine Verringerung des Angebots für die Migranten und bilden einen wesentlichen Kern darin, dass über diese Angebotsverknappung auf der anderen Seite von Migranten höhere Preise verlangt werden können. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 46 Wohnbedürfnisse Untersuchungen über Wohnwünsche von Migranten sind äußerst selten. Die wenigen Untersuchungsergebnisse hierzu stützen allerdings nicht die Vermutung, die sich aus der besonderen Wohnsituation ergeben könnte, dass sie wesentlich andere Wohnwünsche als Deutsche hätten. Die Wohnwünsche, sowohl bei Migranten als auch bei Nicht-Migranten, sind stets davon geprägt, die eigene Wohnsituation um einen Schritt zu verbessern, und zwar in Richtung eines gut ausgestatteten Eigenheims. „Die Ausländer befinden sich mit ihrer Wohnrealität und dementsprechend auch mit ihren Wünschen zwar auf niedrigeren Stufen als die deutschen Staatsangehörigen, aber sie stehen auf ein und derselben Leiter, die letztlich ins großzügige, gut ausgestattete Eigenheim führen müsste“ (Häußermann/Siebel 2001: 17). Die Unterschiede in den „realistischen“ Wohnwünschen der Migranten sind somit weniger auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen, sondern beruhen auf einer anderen demographischen und sozioökonomischen Situation. Sie hängen auch mit der Aufenthaltsdauer zusammen. Unter Migranten mit sehr kurzer Aufenthaltsdauer ist der Typus des jungen, männlichen, alleinstehenden und hoch mobilen Ausländers mit niedrigem Einkommen sehr weit verbreitet. Solche Stadtbewohner messen der Wohnung im Regelfall keinen hohen Stellenwert zu, sie spielt nur die Rolle einer Durchgangsstation, und deshalb dominiert das Interesse an einer billigen, arbeitsplatz- und innenstadtnahen Unterbringung, die die eigene Mobilität nicht behindert. (Häußermann/Siebel 2001: 17). Auch die Sicherheit des Aufenthaltsrechts wirkt sich aus. Investitionen in langfristige Konsumgüter wie eine Wohnung werden im Allgemeinen nur unternommen, wenn zum mindest eine ewisse Dauer der Nutzung angenommen werden kann. Mit dem allmählichen Übergang von iner reinen 'Arbeitsbevölkerung' zu einer 'Wohnbevölkerung' ab 1973 ändert sich auch der Stellenwert der Wohnung bei den ausländischen Haushalten. Tendenzen der Angleichung an der Standards der einheimischen Bevölkerung setzen sich deshalb erst allmählich durch. Der Nachzug von Familienangehörigen macht mehr Fläche und Räume sowie die technischen und räumlichen Voraussetzungen für eine eigene Haushaltsführung notwendig (Häußermann/Siebel 2001: 17). Janßen und Polat haben in ihrer Studie (2005) in Hannover zahlreiche Migranten, vor allemTürken, zu ihren Wohnbedürfnissen bzw. zur Bewertung ihrer eigenen Wohnung bzw. ihres eigenen Stadtteils befragt. Die eine Hälfte der Befragten wohnte in einem innenstadtnahen Altbauquartier, die andere in einer Großwohnsiedlung der 60er/70erJahre. Bezogen auf die Wohnung wurden z. T. recht bescheidene Wohnwünsche formuliert, wie „…Heizung ist drinne, Fernsehkanäle kann ich Gucken, das reicht mir…“ (Janßen/Polat 2005: 117), die sich stark an der aktuellen Situation orientieren. Wenn eher Idealvorstellungen angesprochen wurden, entsprachen ginge sie zumeist in Richtung eines klassischen Einfamilienhauses: „…Wenn ich ins Haus reingehe, muss es unbedingt drei Stufen haben und dann vor dem Haus muss eine Terrasse sein…“ (Janßen/Polat 2005: 127). Bezogen auf das Wohnumfeld wurde in einem großen Maß die Nähe zur Familie als positives Element hervorgehoben: „…Wir [die Familie] sind ja alle zusammen hier…“ (Janßen/Polat 2005:117), „…Warum wohn ich hier? […] weil meine Eltern auch hier wohnen…“ (Janßen/Polat 2005: 124) oder auch die soziale Eingebundenheit thematisiert: „…Seit ich mich kenne bin hier gewesen […] wenn ich rausgehe, würde ich jedem Hallo sagen, weil ich hier jeden kenne…“ (Janßen/ Polat 2005: 156). Dies bietet auf der symbolischen Ebene auch ein hohes Potenzial zur Identifikation mit dem Viertel. Auf der materiellen Ebene wird, insbesondere im innerstädtischen Altbauquartier, die gute Versorgungsinfrastruktur hervorgehoben, mit einem Schwerpunkt auf der ethnischen Ökonomie: „…Haben wir alles was wir gebrauchen, türkischen Laden, Gemüse, Obst, Bäckerei haben wir…“ (Janßen/Polat 2005: 153), d.h. die Gebiete mit einer hohen Konzentration in einer bestimmten ethnischen Gruppe werden von einem Teil der Befragten als positiv gesehen, da zum einen die Nähe zur Familie da ist und zum anderen die nötige Kundschaft für Spezialgeschäfte zusammenkommt, kritisiert wird häufig die Ausstattung mit Grünflächen: „…ich würd auch lieber in Langenhagen wohnen, da ist es noch grüner und ruhiger…“ (Janßen/Polat 2005: 124). Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 47 In der Großwohnsiedlung werden eher andere Aspekte erwähnt: „…Der Sommer ist hier wunderschön, da gibt es so viele Parkanlagen, also da find ich‘s traumhaft…“ (Janßen/Polat 2005: 137), während verschiedene Dinge auch kritisiert werden, wie z.B. die Sauberkeit und Ordnung: „…da liegen überall Glassscherben rum und der ganze Müll liegt auf der Straße…“ (Janßen/ Polat 2005: 141). Ein Aspekt, der in mehreren Interviews zum Tragen kommt, betrifft auch die Integrationschancen, die das Quartier für die eigenen Kinder bietet: „Das Verhältnis stimmt nicht mehr, ne. Und dann sprechen die alle ihre Muttersprache, der Deutsche lernt bald Türkisch, das wird ja andersrum…“ (Janßen/Polat 2005: 156), einer der Interviewten (ein Türke) ist sogar wegen des hohen Ausländeranteils aus dem Altbauquartier in ein Viertel mit geringerem Ausländeranteil gezogen: „…Wenn mein Kind jetzt rausgeht, dann trifft er sich mit Andreas oder mit Christian […] aber nicht mit Ahmet, Mehmet. Aber in [….] trifft er sich mit Ahmet…“ (Janßen/Polat 2005: 160). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wohnbedürfnisse der Migranten bezüglich der Wohnung ähnlich sind wie bei den Deutschen, lediglich die andere sozioökonomische Situation macht sich auf der Ebene der „realistischen“ Wohnwünsche bemerkbar. Für eine massenhafte Affinität zu schlechten und billigen Wohnungen finden sich keine Hinweise, insbesondere ist auszuschließen, dass Migranten gerne in schlechten Wohnungen leben. Was den Standort betrifft, gibt es ein diffuses Bild: zum einen wird die Nähe der ethischen Kolonie gesucht, um von dem vorhandenen Spezialangebot zu profitieren und die Nähe zur Familie zu haben, zum anderen wird sie aber auch gemieden, weil insbesondere Mittelständler um die Zukunftschancen ihrer Kinder fürchten, wenn sie in einem „Ausländerviertel“ aufwachsen. Aber auch hier werden die positiven und negativen Aspekte thematisiert, wie die Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten des Wohnumfelds zeigt. 5 Aachen-Ost als typischer Wohnstandort für Migranten In Aachen findet sich auch das typische Verteilungsmuster einer westdeutschen Großstadt: Es findet sich eine Konzentration von ausländischer Bevölkerung, hauptsächlich in wenigen Statistischen Bezirken im Osten Aachens, d.h. es besteht eine starke Segregation. Der Stadtteil Aachen-Ost wird tangiert bzw. durchzogen von Verkehrsachsen und liegt eingezwängt zwischen Industriegebieten. Die Bebauung ist sehr dicht, so dass Aachen-Ost als Typus des innerstädtischen Altbauquartiers bezeichnet werden kann. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 48 Die Umweltqualität ist in Aachen-Ost nicht so gut, insbesondere besteht ein erhebliches Lärmproblem (Stadt Aachen 2005: Lärmkarte). Grünflächen sind mit den benachbarten Friedhöfen und dem Park inmitten des Quartiers vorhanden. Der Zustand der Häuser ist häufig schlecht, d.h. es besteht ein gewisses Instandhaltungs- und Modernisierungsdefizit. Das Bild zeigt Häuser in der Hüttenstraße. Detailliertere Untersuchungen über den Standort Aachen-Ost, was die Wohnbedürfnisse der Migranten und die Gründe für ihre Wohnstandortwahl anbelangt, liegen nicht vor. Daher ist davon auszugehen, dass die Verhältnisse ähnlich liegen wie im gesamt(west-)deutschen Rahmen. Migranten wohnen in schlechten Wohnungen in schlechten Vierteln, z.T. liegt es an ihrer sozioökonomischen Situation, z.T an dem Wunsch unter Migranten zu wohnen, aber zu einem großen Teil auch an Diskriminierung in Teilbereichen des Wohnungsmarktes. 6 Bewertung der Wohnsituation der Migranten Was eine Bewertung der dargestellten Wohnsituation anbelangt, sind die Bewertungsmaßstäbe zentral. Zu bewerten ist unserer Meinung nach die Wohnsituation anhand des Integrationsmaßstabs, d.h. in zwei Richtungen: einerseits die Wohnsituation als Indikator für eine Integration, andererseits die Wohnsituation bezüglich ihrer Leistung für die Integration. Dabei ist nicht einseitig der Durchmischung das Wort zu reden, sondern auch Segregation kann positive Wirkungen entfalten und ist als funktionale bzw. freiwillige Segregation nicht unbedingt schlecht. Erzwungene Segregation hingegen ist immer ein Zeichen für eine misslungene Integration. Deutlich wurde an der Analyse, dass es Segregation gibt und dass Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 49 sie sowohl freiwillige als auch erzwungene Ursachen hat. Der Anteil, den die einzelnen Ursachen an der Gesamtverteilung haben, lässt sich hier nicht präzise bestimmen. Es lassen sich lediglich die Ergebnisse im Hinblick auf die Integration bewerten. Bezüglich der Wohnsituation als Maßstab für gelungene Integration ist vor allem die Integration in den Arbeitsmarkt (als Systemintegration oder Platzierung) wichtig, da sie die finanziellen Ressourcen bereitstellt, um sich eine angemessene Wohnung leisten zu können. Hier zeigt die sozioökonomische Betrachtung die Probleme der Integration in diesem Bereich auf, der sich dann auch in räumlicher Hinsicht widerspiegelt. Dieser Prozess ist aber in erster Linie soziale Segregation und weniger ethnische. Die Wohnsituation kann aber auch ein Maßstab für die soziale Integration oder die Interaktion sein, indem die schlechtere Wohnsituation Ausdruck von Ausgrenzung und Diskriminierung ist. Dies macht sich dann insbesondere an den höheren Mieten für schlechtere Wohnungen bemerkbar. Die Integrationsleistung bzw. das Fehlen der Integrationsleistung ist vor allem bezüglich des Wohnumfeldes relevant. Hier zeigt sich, dass eine ethnische Segregation, die mit einer sozialen im gleichen Quartier einhergeht, d.h. die Viertel, in denen die Ausländer leben, wohnen auch die armen Deutschen, ein Problem für die Kulturation, aber auch für die Interaktion darstellt. Der Erwerb der kognitiven Fähigkeiten ist behindert, da in den „schlechten“ Vierteln auch die Deutschen häufig nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen, so dass die Lernmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Auch die Interaktion ist in solchen Vierteln ein Problem, da die Auseinandersetzung, die häufig auch konflikthaft ist, eher aus einer sicheren Position heraus positiv angegangen wird, als wenn man selber sich in einer prekären Lage befindet und der Migrant möglicherweise noch als Konkurrent (z.B. auf dem Arbeitsmarkt) wahrgenommen wird. Als Ansatzpunkt für eine bessere Integration im und über das Wohnumfeld bieten sich einerseits multikulturelle Wohnprojekte an, aber hier gibt es zahlreiche Erfahrungen, u.a. aus dem Projekt des Multikulturellen Wohnparks Köln,“…dass es mitunter schwierig ist, Migrantenhaushalte mit derartigen Angeboten zu erreichen….Das Interesse an dem anspruchsvollen Konzept ultikulturellen Zusammenlebens war nur schwer zu wecken…“ (Gottwald, Marc 2005: 22). Vielversprechender scheinen Ansätze, die eher an den derzeitigen Gegebenheiten ansetzen. so lässt sich zum Beispiel versuchen, über Maßnahmen zur Bildung von selbstgenutzten Wohneigentum ein Abwandern der Mittelschicht der Migranten aus den Vierteln erreichen, die in erheblichem Maße zu einer sozialen Stabilisierung der Viertel beitragen und als „erfolgreiche“ Migranten auch über entsprechende Ressourcen verfügen, die integrationsfördernd wirken. Hier ürde also ethnische Segregation als positives Mittel eingesetzt, um den Effekten der sozialen Segregation entgegen zu arbeiten. Über eine Erhöhung des Anteils selbstgenutzten Wohneigentums lässt sich häufig auch der Erhaltungszustand der Häuser verbessern, so dass sich insgesamt der Eindruck solcher Viertel verbessert Wohnungsgesellschaften mit größeren Beständen, in denen sich problematische Tendenzen zeigen, müssten aus einem gewissen Eigeninteresse heraus bemüht sein, integrationsfördernd zu wirken. Durch die häufig vorkommenden Quotierungen wird dies nicht erreicht, sondern hierdurch verknappt sich nur das Angebot mit der Folge höherer Mietpreise für Migranten. Hier müssen die Wohnungsgesellschaften ihr klassisches Rollenverständnis als reiner Anbieter einer Umhüllung zum Wohnen verlassen und mehr zum aktivierende Beteiligten werden. Hier könnten über die Bereitstellung von Räumlichkeiten etwa Kommunikationsprozesse angeregt werden und Teilhabe der Mieter an der Gestaltung des Wohnumfeldes und bei der Austragung von Konflikten organisiert werden u.ä. Dies verursacht sicherlich zunächst höhere Kosten, macht sich aber über die Identifikation mit dem Wohngebiet auch in den Kosten bemerkbar (z. B. abnehmender Vandalismus). Diese möglichen Ansatzpunkte betreffen nur Teile einer Integrationsförderung. Insbesondere die Systemintegration über die Arbeit kann der Wohnungsbereich kaum leisten. Seinen Beitrag kann er bezüglich der anderen Integrationsdimensionen leisten, d.h. indem über entsprechende Anreizsysteme versucht wird, die soziale Segregation nicht zu stark werden zu lassen, ethnische Segregation ist hier nur dann ein Problem, wenn sie sich mit der sozialen überschneidet. Des weiteren ist es möglich, über die Etablierung von Kommunikationsräumen und Foren zum Austragen von Konflikten Kulturations- und Interaktionsprozesse zu fördern und über die Teilhabe an der Wohnumfeldgestaltung auch identifikationsstiftende Wirkungen zu erzielen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 50 „Künstliche“ Projekte scheitern häufig oder bleiben isolierte Inseln ohne Breitenwirkung, sinnvoller ist hier ein Anknüpfen an den normalen Lebensverhältnissen, um Erfahrungen zu gewinnen, die generalisierbar und breit einsetzbar sind. 7 Quellenangaben DIW - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 2001: Wohnsituation von Ausländern: Trotz Verbesserung immer noch großer Abstand zu deutschen Haushalten (bearbeitet von Clark, W.A.V und Drever, A. I.). Wochenbericht des DIW Berlin 30/01. http://diw.de, 22.2.2006 Esser, Hartmut 2001: Integration und ethnische Schichtung. Gutachten im Auftrag der Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“. Gottwald, Marc 2005: Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten - Erkenntnisse aus Praxis und Forschung in: ILS (Hg.): Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten. Erfahrungen, Ansätze, Strategien, Dortmund, S. 18-23 Häußermann, Hartmut/Siebel, Walter 2001: Soziale Integration und ethnische Schichtung – Zusammenhänge zwischen räumlicher und sozialer Integration –Gutachten im Auftrag der Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“, Berlin Heckmann, Friedrich 1992: Ethnische Minderheiten, Volk und Nation: Soziologie interethnischer Beziehungen. Stuttgart Janßen, Andrea/Polat, Ayça 2005: Zwischen Integration und Ausgrenzung – Lebensverhältnisse türkischer Migranten der zweiten Generation, Oldenburg (zgl. Diss. an der Carl-von- Ossietzky-Universität Oldenburg) Münz, Rainer/Seifer, Wolfgang/Ulrich, Ralf 1997: Zuwanderung nach Deutschland: Strukturen, Wirkungen, Perspektiven. Frankfurt/M Schneider, Burghard 2005: Zukunftssicheres WohnLeben – Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten aus Sicht der Wohnungswirtschaft, in: ILS (Hg.): Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten. Erfahrungen, Ansätze, Strategien, Dortmund, S. 10-12 Seifert, Wolfgang 2001: Berufliche Integration von Zuwanderern in Deutschland. Gutachten im Auftrag der Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“. http://www.bmi.bund.de/Downloads/Seifert.pdf: 05.12.2005 Stadt Aachen 2005, , http://www.aachen.de, 12.12.2005 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Erwerbstätigenquoten, 1989 und 2000 - Anteil der Erwerbstätigen an den Erwerbsfähigen (im Alter von 15-64) Abb. 2: Arbeitslosenquote, 1980 – 2002 Abb. 3: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte deutsche und türkische Männer und Frauen nach Stellung im Beruf, 1980 und 1999 Abb. 4: Überwiegender Lebensunterhalt durch Sozialhilfe, 1989 und 2000 – Anteil an Wohnbevölkerung Abb. 5: Verteilung der Ausländischen Bevölkerung in den Aachener Statistischen Bezirken und Stadtbezirken Abb. 6: Karte von Aachen-Ost Tabellenverzeichnis Tab. 1: Wohnausstattung für Haushalte mit deutschen und ausländischem Vorstand Tab. 2: Durchschnittseinkommen von Türken und Deutschen 1984 - 1997 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 51 Integration ausländischer Studierender in Aachener Wohnheimen Josefine Beenken, Elisabeth Berner Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 52 Inhalt Integration ausländischer Studierender in Aachener Wohnheimen 1 Einleitung 2 eigene Fragestellung 3 Befragungen Hochschule 4 Wohnheim Halifaxstraße 5 Wohnheim Walter- Eilender- Haus 6 Abschließendes Ergebnis 7 Offene Fragen und Handlungsmöglichkeiten 8 Persönliche Stellungnahme 9 Quellenangaben und Bildverzeichnis 10 Anhang Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 53 1 Einleitung Was ist Integration? Allgemeine Begriffsdefinition Der Begriff „Integration“ lässt sich zunächst einmal ganz allgemein definieren. Das lateinische Wort „Integratio“ bedeutet übersetzt „Wiederherstellung eines Ganzen“. Das heißt, dass mit „Integration“ im Allgemeinen ein Prozess gemeint ist, bei dem einzelne Teile zu einer Einheit zusammengefügt werden. Soziologische Begriffsdefinition In der Soziologie spricht man von „Integration“, wenn eine ganze Bevölkerungsgruppe oder ein Individuum in das kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben einer bestehenden Gemeinschaft eingegliedert wird. Migrationssoziologische Theorien In der BRD ist der Begriff „Integration“, insbesondere die Frage, wie sie abläuft und was sie beeinflusst, spätestens seit der Gastarbeiteranwerbung der 50er Jahre ein viel diskutiertes Thema. Zahlreiche Soziologen setzen sich seitdem zum Ziel, eine Theorie zum Integrationsprozess von Migranten zu entwickeln, die der jeweils aktuellen Integrationspolitik der europäischen Industrieländer als Reflexionsrahmen dienen kann. Migrationstheorie nach Shmuel N. Eisenstadt Nach der Migrationstheorie von Shmuel N. Eisenstadt (50er Jahre, Großbritannien) gibt es 4 verschiedene Integrationsprozesse, durch die die Immigranten in die Aufnahmegesellschaft aufgenommen werden: Bei der „adaptiven Integration“ erlernen die Immigranten bestimmte Rollen in der Aufnahmegesellschaft zu übernehmen, dass heißt, sie lernen, soziale Kontakte zu knüpfen. Grundvoraussetzungen für den Erfolg dieses Prozesses sind eine entsprechende Integrationsbereitschaft der Immigranten, sowie auf der Gegenseite die Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft. Die „instrumentale Integration“ dagegen zielt darauf ab, sich in Rollen einzufügen, die dem wirtschaftlichen und beruflichen Fortkommen dienlich sind, sie ist also rein zweckorientiert und setzt nicht voraus, dass Wertvorstellungen, die mit den erlernten Rollen verbunden sind, übernommen werden. Die dritte Form der Integration ist die „solidarische“. Sie beinhaltet die vollständige Identifikation und Solidarisierung mit den zentralen Wertvorstellungen der Aufnahmegesellschaft. Die „kulturelle Integration“ steht in engem Zusammenhang zur solidarischen Integration, weil hier die Wertvorstellungen der Aufnahmegesellschaft nicht nur angenommen, sondern auch emotional zum Ausdruck gebracht werden. Laut Eisenstadt ist es nicht zwingend erforderlich, alle diese Prozesse zu durchlaufen. Tempo und Richtung können differieren, wobei ein zu deutliches Ungleichgewicht wiederum zu desintegrativen Tendenzen führen kann. Assimilationstheorie nach Milton M. Gordon Eine weitere, von Milton M. Gordon aufgestellte Theorie, ist die „Assimilationstheorie“ (60er Jahre, Großbritannien). Hier wird der Begriff „Integration“ dem der „strukturellen Angleichung“ gleichgesetzt, welche nur ein Teilprozess eines umfassenden Assimilationsprozesses sei. Die Phase der „strukturellen Angleichung“, wird laut Gordon dann erst gar nicht erreicht, wenn es nur zur Akkulturation kommt, dass heißt, dass sich die zu integrierende Gruppe nur auf einer äußeren Verhaltensebene an die Aufnahmegesellschaft anpasst. Die Bereitschaft, am sozialen Leben anderer ethnischer Gruppen teilzunehmen, was die Integrationsphase kennzeichnet, bleibt allerdings aus. Notwendige Vorraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss des Assimilationsprozesses ist aber nicht nur die Bereitschaft des einzelnen, sondern ebenso die Politik der Aufnahmegesellschaft, die Diskriminierungen verhindert und allen Bürgern gleiche Rechte Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 54 verschafft. Gleichgewichtstheorie nach Hartmut Esser In den Überlegungen von Hartmut Esser (80er Jahre, BRD), finden die oben beschrieben Ansätze breite Berücksichtigung. Nach seiner Theorie beschreibt Integration einen Zustand des Gleichgewichts, den ein Immigrant in einem angleichenden Lernprozess erreicht. Drei Dimensionen beschreiben diesen Gleichgewichtszustand: Die „personale Integration“ äußert sich als Zufriedenheit, dass heißt, dass empfundene Bedürfnisse und vorhandene Möglichkeiten spannungsfrei nebeneinander stehen. Bei der „sozialen Integration“ befinden sich die sozialen Beziehungen der Personen untereinander im Gleichgewicht. Mit „systemischer Integration“ ist gemeint, dass verschiedene Gruppen zueinander in einem gleichgewichtigen Interpendenzverhalten stehen. Genau wie Milton M. Gordon ist auch Hartmut Esser der Ansicht, dass der Integrationsphase unbedingt eine Akkulturationsphase vorausgehen muss, da ohne eine Anpassung an das äußere Verhalten auch keine strukturelle Eingliederung möglich sei. Der erfolgreichen Integrationsphase folgt schließlich die Assimilationsphase, die wiederum in verschiedene Teilphasen untergliedert wird und deren erfolgreicher Abschluss durch Erreichen einer identifikativen Teilphase initiiert wird. Fazit Allen drei Ansätzen ist gemeinsam, dass Integration als ein Prozess verstanden wird, der verschiedene Stufen erreichen kann und auf verschiedenen Ebenen abläuft. Während die Ebenen von der Struktur und den Wertvorstellungen der Aufnahmegesellschaft vorgegeben werden, sind die verschiedenen Stufen des Integrationsprozesses individuell anders, dass heißt, dass Zeitpunkt und Intensität variieren können, wobei das Auslassen oder eine ungleiche Gewichtung der Phasen zur Desintegration führen kann. Der Erfolg des Integrationsprozesses wird sowohl von der Integrationsbereitschaft der involvierten Parteien, als auch vom Ausmaß struktureller Differenzen innerhalb der Gruppen beeinflusst. 2 Eigene Fragestellung Diese allgemeinen Theorien zu migrationssoziologischen Fragen finden auf gesamtstädtischer Ebene Anwendung. Fraglich ist aber, wie das im Detail funktioniert und ob diese Thesen auf alle Teilbereiche des gesellschaftlichen Gefüges übertragbar sind. In unserer Seminararbeit wollen wir deshalb genauer beleuchten, wie sich ausländische Studierende, die in Aachener Wohnheimen leben, integriert fühlen. Zwei übergeordnete Fragestellungen gilt es deshalb zu untersuchen: a. Was verstehen die einzelnen Akteure unter Integration und woran machen sie ihren Erfolg fest? b. Inwiefern beeinflusst die Wohnform den Integrationsprozess? Um diese Fragen zu klären, haben wir die wichtigsten Akteure, die am Integrationsprozess ausländischer Studenten beteiligt sind, zu diesem Thema befragt: auf ausländischer Seite: Ausländervertretung (AV) und ausländische Studenten (Wohnheim) auf deutscher Seite: Studentenwerk (STW) und deutsche Studenten (Wohnheim) Vorgehensweise_ Methodik Für alle Akteure wurde von uns zunächst ein individueller Fragebogen ausgearbeitet. Mit einem Vertreter der Ausländervertretung und einer Mitarbeiterin des Studentenwerks machten wir einen Termin aus, um unsere Fragen zu stellen, auf studentischer Seite haben wir die Fragebögen an vier Tagen in zwei Wohnheimen an jeweils 20 Studenten verteilt und am jeweils darauf folgenden Tag wieder eingesammelt. Alle von uns Befragten sollten zum Einen angeben, was sie unter „Integration“ verstehen, zum Anderen sollten sie uns Aufschluss darüber geben, ob das Wohnen in Aachener Studentenwohnheimen diesem jeweiligen Verständnis von Integration gerecht wird bzw. ob die Vorstellungen zu diesem Thema auf Seiten der ausländischen Studenten, der deutschen Studenten sowie der Hochschule überhaupt miteinander vereinbar sind. Bei der Befragung Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 55 der ausländischen Studenten kam noch der Gesichtspunkt der „Wohnzufriedenheit“ hinzu. Probleme der Befragungen und Anregungen für weiterführende Interviews Als problematisch hat sich herausgestellt, dass wir die Fragebögen nur in deutsch an die ausländischen Studenten verteilt haben: Es kam, wenn auch nur in einigen wenigen Fällen zu Verständnisproblemen beim Durchlesen des Fragebogens. Beim nächsten Mal sollte deshalb darauf geachtet werden, dass zumindest eine englische Version vorhanden ist. Außerdem haben wir feststellen müssen, dass wir noch expliziter auf die Art und Weise der Fragestellung hätten achten müssen, da ab und zu inhaltliche Missverständnisse auftraten. Ziel der Befragungen Durch die Befragungen und Interviews der unterschiedlichen Akteure (ausländische Studenten, deutsche Studenten, Ausländervertretung und Studentenwerk) wollen wir herausfinden, ob allgemeine Theorien zur Integration (vgl. Einleitung) hier anwendbar sind und überhaupt ein Integrationsproblem in Aachener Wohnheimen besteht und wenn dies der Fall ist, wie sowohl auf studentischer Seite als auch auf Seiten der Hochschule damit umgegangen wird. Dabei ist es uns wichtig, sich aus unterschiedlichen Perspektiven diesem Thema zu nähern, da eine Untersuchung von nur einem Standpunkt aus, dass Thema zu einseitig beleuchten würde. Die Befragungen sind natürlich trotz unserer Bemühungen nicht unbedingt repräsentativ; dafür hätten noch mehr Wohnheime und Akteure befragt werden müssen, jedoch können die Ergebnisse unserer Arbeit durchaus eine Tendenz aufzeigen, die richtungweisend sein kann. 3 Befragungen Hochschule Studentenwerk (der ausführliche Fragebogen ist dem Anhang zu entnehmen) Stellvertretend für das Studentenwerk haben wir Frau Brigitte Jungheim befragt. Sie ist Sachgebietsleiterin der Wohnraumvermietung. Ergebnisse der Befragung Für Frau Jungheim bedeutet Integration das „Einbinden einer Minderheit in eine größere soziale Gruppe“. „Integration“ ist für das Studentenwerk ein wichtiges Thema. Es gibt für diesen Bereich zwar keinen speziellen Ausländerbeauftragten im Studentenwerk, jedoch ist Frau Jungheim selber im Januar 2005 für ihre außergewöhnliche Hilfestellung und hervorragende Kooperationsbereitschaft bei der Betreuung der ausländischen Studenten durch eine Organisation namens „Eurotürk“ geehrt worden. Auch gibt es in den Wohnheimen keine spezielle Anlaufstelle des Studentenwerks, jedoch betont sie, dass die studentische Selbstverwaltung der Wohnheime die meisten Probleme selber lösen kann und das für nicht lösbare Probleme das Büro in der Turmstraße tägliche Sprechzeiten anbietet. Von Seiten der Hochschule besteht daher aus ihrer Sicht weder eine mangelnde Integrationsbereitschaft noch ein fehlendes Angebot für ausländische Studierende. Nach Frau Jungheims Verständnis von „Integration“ findet in den Wohnheimen keine ausreichende Eingliederung der ausländischen Studenten in das Gemeinschaftsleben statt. Das liegt daran, dass sich die meisten Ausländer nicht integrieren lassen. Sie leben Gemeinschaft lieber mit „ihren Leuten“ aus. Die Teilnahme an Partys und Versammlungen sowohl von EU- Studenten als auch von Nicht- EU- Studenten ist sehr gering und auch angebotene Ämter in den Wohnanlagen werden nicht genutzt (Netzwerk- AG/Betreuung Kopierer/Amt des Haussprechers/Amt als Belegungsausschuss usw.). Fazit Für das Studentenwerk bzw. Frau Jungheim läuft der Prozess der Integration hauptsächlich auf sozialer Ebene ab. Den ausbleibenden Erfolg führt sie ausschließlich auf die mangelnde Bereitschaft der ausländischen Studenten, am gemeinschaftlichen Leben mit den deutschen Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 56 Studenten teilzunehmen, zurück. Auf Seiten der Hochschule und auf Seiten der deutschen Studenten sieht sie keinen Verbesserungsbedarf. Ausländervertretung (kurz „AV“) Wer oder was ist die AV? Die AV vertritt die Interessen ausländischer Studenten gegenüber der Hochschule, dem AStA und den Behörden, um ihnen die Integration in Aachen bzw. in Deutschland zu erleichtern. Aufgaben der AV: - Beratung bei der Einschreibung Wohnungssuche Krankenversicherung Behördenangelegenheiten Übersetzungen Erstellung und Bereitstellung von Infomaterialien Beistand bei rechtlichen Auseinandersetzungen Hilfe bei der Einschreibung Beratung bei ausländerrechtlichen Fragen Initiator kultureller Veranstaltungen Unterstützung der ausländischen Vereine Veranstaltung von Seminaren und Konferenzen Kooperation mit den Ausländerreferaten anderer Hochschulen Zusammensetzung der AV: Die AV besteht aus 9 ausländischen Studenten aus verschiedenen Nationen, die von ebenfalls ausländischen Studenten gewählt werden. Diese 9 Mitglieder bestimmen stellvertretend, wer das Ausländerreferat stellt. Die Stelle wird von mindestens 2 Personen besetzt. andere kooperative Einrichtungen: Che- Haus: Das Che- Haus ist ein wichtiges Kommunikationszentrum für ausländische Studenten. Es dient der Begegnung ausländischer Studenten untereinander und mit ihren deutschen Kommilitonen. Besonders für ausländische Erstsemester besteht hier die Möglichkeit, erste wichtige Kontakte zu knüpfen. Besondere Themen, die im Che- Haus Berücksichtigung finden, sind Meinungsvielfalt, Multikulturalität und Menschenrechtsrespekt. INCAS (Interkulturelles Zentrum Aachener Studierender): In diesem Zentrum arbeiten Studierende für ihre deutschen und ausländischen Kommilitonen in Zusammenarbeit mit dem AAA (Akademisches Auslandsamt). Einmal in der Woche wird ein Treffen im Che- Haus organisiert. Befragung (der ausführliche Fragebogen ist dem Anhang zu entnehmen) Stellvertretend für die Ausländervertretung haben wir Herrn Alexis Kamewe befragt. Er ist studentischer ehrenamtlicher Berater und beschäftigt sich besonders mit der Hochschulpolitik und dem Ausländerrecht. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 57 Ergebnisse der Befragung Unter „Integration“ versteht Herr Kamewe, in wie fern sich die Ausländer an die deutsche Kultur anpassen und in einem fremden Land einleben. Die Arbeit der AV ist nicht nur auf die Beratungsebene beschränkt. Sie organisieren viele Veranstaltungen, um die Studenten aus dem Ausland zu informieren und zu beraten. Es gibt zum Beispiel regelmäßige Informationsveranstaltungen über Auslandsrecht und Integrationsmöglichkeiten. Viele Probleme, mit denen sich die ausländischen Studenten an Herrn Kamewe wenden, betreffen den Bereich Wohnen. Es geht dabei meistens um Diskriminierungen oder um die Vermittlung von Wohnangeboten. Herr Kamewe bedauert, dass die AV keinen direkten Kontakt zu den Wohnheimen hat und würde es befürworten, wenn es in den Wohnheimen einen Ansprechpartner der AV gäbe. Herr Kamewe findet es sehr erfreulich, dass der Service der AV mit der Zeit immer häufiger von Studenten aus dem Ausland in Anspruch genommen wird. Die Ursache für das Ausbleiben der Integration sieht Alexis Kamewe darin, dass von Seiten der Hochschule und der Stadt noch nicht genug getan wird. Er hat sogar konkrete Verbesserungsvorschläge, was die Universität tun könnte: - Organisation von Diskussionsgruppen zum kulturellen Austausch und kennen lernen der verschiedenen Kulturen; - Probleme mit der Stadt vermeiden, damit die ausländischen Studenten sich besser fühlen und sich auf ihr Studium konzentrieren können; - Bevölkerung in Aachen sensibilisieren, so dass die ausländischen Studierenden mehr Chance haben, eine Wohnung in Aachen zu finden; - die Fakultäten auffordern, mehr ausländische Studierende als Hiwis einzustellen, damit sie Berufserfahrungen sammeln können; - die Aktivitäten von ausländischen Vereinen mehr unterstützen Fazit Für die Ausländervertretung bzw. Herrn Kamewe läuft der Integrationsprozess hauptsächlich auf kultureller Ebene ab, dass heißt, dass der Erfolg der Integration davon abhängt, wie gut dem ausländischen Studenten die Kultur und die Sitten des anderen Landes näher gebracht werden und in wie fern dieser dazu bereit ist, sich darauf einzulassen. Den ausbleibenden Erfolg führt er ausschließlich auf das beschränkte Engagement der Hochschule und der Stadt zurück. Auf Seiten der Studenten, egal ob auf ausländischer oder auf deutscher Seite, sieht er keinen Handlungsbedarf. 4 Wohnheim Halifaxstraße (Die ausführlichen Fragebögen und die prozentualen Auswertungen sind dem Anhang zu entnehmen) Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 58 Steckbrief Anschrift Baujahr Bewohnerzahl insgesamt Anteil ausländischer Studenten meist vertretene Nation Zimmer Wohnfläche Mietkosten Ausstattung Einrichtungen und Veranstaltungen Belegung besondere Belegungskriterien Bewerbungsfragen Halifaxstraße 81-85/Ahornstraße, 52074 Aachen 1993 307 18.79 % China _ 9 Einzelappartements _ 10 Zweier- WGs _ 6 Dreier- WGs _ 62 Vierer- WGs _ Zimmer in einer WG: ca. 16 m² _ Appartement: ca. 30 m² _ Zimmer in einer WG: 165 , zuzüglich Strom (Heizungskosten und Warmwasser inklusive) _ Einzelappartement: 215 , - zuzüglich Strom (Heizungskosten und Warmwasser inklusive) _ teilweise möbliert _ Balkon _ eigene Dusche/ WC, in Vierer- WGs je 1 Badezimmer für 2 Personen vorhanden _ eigene Küche _ Internet möglich _ Sat- TV _ Telefon _ Aufenthaltsraum „Cafe 18“ _ Sport- /Fitnessraum _ Kopierer _ Waschküche _ Werkstatt _ Partys _ Wohnheimsversammlungen •nutzbar für die Allgemeinheit •keine speziellen Veranstaltungen für ausländische Studenten vorhanden Die Belegung erfolgt nach Warteliste und Vorstellungsgespräch Warteliste aufgeteilt in: _ männlich EU _ männlich nicht EU _ weiblich EU _ weiblich nicht EU _ Appartements in jeder Vierer- WG muss mindestens 1 Nicht- EU- Student wohnen In den Bewerbungsunterlagen gibt es nur zwei Fragen, die an ausländische Studenten gerichtet sein könnten: Wie gut sprichst Du deutsch? _ Muttersprache _ fließend _ gebrochen Ich möchte in eine Wohngemeinschaft einziehen, weil: _ es eine preiswerte Wohnform ist _ gemeinsam leben mehr Spaß macht _ ich einen Familienersatz möchte _ mehr Leute = mehr Party _ ich in meinen Mitbewohnern auch gute Freunde finden möchte Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 59 Befragung Ausländer Der Großteil der 20 befragten ausländischen Studenten ist männlich; das Durchschnittsalter der Befragten beträgt 25 Jahre. Etwas weniger als die Hälfte stammen aus der EU, der andere Teil kommt aus Nicht- EU- Ländern, wobei dieser Anteil sich ausnahmslos auf den asiatischen Bereich bezieht. Der überwiegende Teil befindet sich in Deutschland, um hier sein Diplom zu machen; die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 3 Jahre. Der überwiegende Teil schätzt seine Sprachkenntnisse als gut oder besser ein, es ist aber auch ein Teil zu vermerken, der sich selber ungenügende Sprachkenntnisse zuschreibt. Trotz der größtenteils positiven Bewertung der eigenen Sprachkenntnisse, geben etwas weniger als die Hälfte der Befragten an, Verständigungsprobleme zu haben. Die Mehrheit hat vom Studentenwerk über das Wohnheim erfahren. Die meisten der Befragten verstehen unter dem Begriff „Integration“ die Kultur, Sitten und Traditionen der anderen kennen zu lernen und zu verstehen. Besonders wichtig ist ihnen dabei, die fremde Sprache zu erlernen. Das Wohnheim handelt für die knappe Mehrheit zwar im Sinne eines schnellen Integrationsprozesses, aber weniger als die Hälfte der Befragten fühlen sich im Sinne ihres Integrationsverständnisses wirklich integriert. Die überwiegende Mehrheit der Befragten wurde von seinen deutschen Mitbewohnern sehr herzlich empfangen, abgewiesen wurde keiner, jedoch fühlen sich auch ein Viertel eher gleichgültig empfangen. Gemeinsame Aktivitäten beschränken sich ausschließlich auf gemeinsames kochen und feiern, wobei nur ein geringer Anteil angibt, überhaupt etwas zusammen mit ihren deutschen Mitbewohnern zu unternehmen. Es geben auch nur einige der Befragten an, dass ihre Mitbewohner aufgeschlossen gegenüber ihrer Kultur und den Sitten ihres Landes sind. Diskriminiert wurde jedoch noch keiner der Befragten und der größte Teil gibt an, dass die Mitbewohner ihnen gegenüber hilfsbereit sind. Bei der Fragestellung „Wie verhalten sich die Hausbewohner dir gegenüber?“ fällt die Antwort geteilter Maßen aus: Aufgeschlossenheit und Gleichgültigkeit halten sich in etwa die Waage, ein kleiner Anteil der ausländischen Bewohner empfindet das Verhalten der Hausbewohner als abweisend. Ein etwa genau so großer Anteil wurde sogar schon einmal diskriminiert. Im Wohnheim Halifax gibt es keine speziellen Angebote für Ausländer. Die allgemeinen Freizeitangebote, die das Wohnheim anbietet, werden aber von einem Großteil der Befragten wahrgenommen, jedoch fällt die Bewertung des Angebots schlecht aus. Bei der Befragung hat sich herausgestellt, dass es keinen Ansprechpartner vom Studentenwerk oder der Ausländervertretung vor Ort für die ausländischen Studenten gibt. Der Großteil der Befragten würde sich diesen Service aber wünschen. Ausnahmslos alle Befragten wohnen freiwillig in der Wohnanlage Halifaxstraße und empfinden es als vorteilhaft. Die Miete beträgt durchschnittlich 25% des Einkommens der Befragten, womit die meisten ohne Einschränkung absolut zufrieden sind. Bei der Frage nach der Zimmergröße und der Lage des Wohnheims verteilten alle die Note „gut“ oder besser. Die Zufriedenheit bezüglich der Ausstattung lag allerdings überwiegend nur im mittleren Bereich. Bei einer Gesamtbewertung der Wohnanlage lag die Notenverteilung überwiegend im oberen Bereich. Fazit Auffällig ist, dass die meisten ihre Sprachkenntnisse zwar als gut einschätzen, aber scheinbar doch erhebliche Verständigungsprobleme haben. Das lässt die Vermutung zu, dass nicht alleine die Sprache sondern auch die kulturellen und nationalen Unterschiede hierfür ausschlaggebend sind. Bei der Betrachtung der Frage nach dem Verständnis von Integration fällt auf, dass die Begriffsdefinition der ausländischen Mieter eher in eine kulturelle Richtung geht. Sie Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 60 verstehen unter „Integration“ überwiegend das Kennen lernen der Sprache und der Kultur eines anderen Landes. Prägnant war ebenfalls, dass viele sich mehr Freizeitangebote und Service speziell auf Ausländer bezogen wünschen. Diese Antworten lassen erkennen, dass akuter Handlungsbedarf besteht. Befragung Deutsche Für die von uns befragten Deutschen bedeutet der Begriff „Integration“ im Prinzip die Eingliederung von Ausländern in die Gemeinschaft, dass heißt das Ausmaß der Integration wird in erster Linie daran festgemacht, in wie weit Ausländer soziale Kontakte zu Deutschen geknüpft haben. Ohne Ausnahme sind alle Befragten davon überzeugt, dass eine Integration in ihrem Sinne im Wohnheim Halifaxstraße stattfindet. Insgesamt geben die Deutschen an, Ausländern gegenüber aufgeschlossen und interessiert zu sein, die Mehrheit glaubt sogar, dass sie von der Anwesenheit der Ausländer profitieren kann. An erster Stelle stehen dabei das (Kennen-)lernen von Kultur und Sprache, Akzeptanz und Toleranz. Gleichgültigkeit und Aufgeschlossenheit den Ausländern gegenüber sind etwa gleich stark ausgeprägt. Die Mehrheit der Deutschen findet, dass das Engagement nicht von ihnen, sondern von Seiten der Ausländer ausgehen sollte. Sie erwarten, dass die Ausländer auf sie zugehen und nicht anders herum. Nur wenige sind davon überzeugt, dass das Engagement von beiden Seiten gleich groß sein sollte und nur eine Minderheit denkt, dass die Bemühungen von Seiten der Deutschen ausgehen sollten. Die von uns Befragten sind mehrheitlich der Meinung, dass die ausländischen Studenten zu wenig Interesse, sowohl an der deutschen Kultur, als auch an einer Gemeinschaft mit Deutschen zeigen und dass ihr Benehmen zu zurückhaltend ist. Engagement von Seiten der Hochschule wird von den Deutschen nicht verstärkt erwartet. Erasmusgruppen und Informationsveranstaltungen außerhalb des Wohnheims sind in ihren Augen Hilfestellung genug. Viele empfinden es sogar als negativ, dass die Integration der ausländischen Studenten zwanghaft erreicht werden soll (gemeint ist die Ausländerquote in den WGs). Ein Großteil der Befragten, die meinen, es müsse mehr getan werden, glauben, dass dies im Bereich der Gemeinschaft geschehen sollte. Genannt wird häufig, dass gemeinsame Sportund Kulturaktivitäten angeboten werden sollten und dass die Wohnform „gemischte WGs“ noch weiter gefördert werden sollte. In dieser Hinsicht gehen die Meinungen deutlich auseinander. Ein geringer Prozentsatz an Deutschen meint, dass es mehr Veranstaltungen speziell für Ausländer (z.B. Sprachkurse) geben sollte und eine ebenso geringe Zahl führt als Verbesserungsvorschlag an, dass die Deutschen von der Hochschule zu mehr Engagement aufgerufen werden sollten (Aufklärung über Vorurteile, Ausländertutoren). Fazit „Integration“ bedeutet für die meisten, in eine Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Ihr Ausmaß lässt sich daran festmachen, in wie fern Ausländer und Deutsche soziale Kontakte zueinander haben. Eine verstärkte Integrationsbereitschaft wird von den Ausländern selber erwartet. Die Deutschen fühlen sich selber nicht so sehr berufen, sich in den Integrationsprozess aktiv einzubringen. Offen bleibt die Frage, weshalb die Deutschen die Integration als 100- prozentig gelungen bezeichnen, wenn die Auswertung der anderen Fragen deutlich zeigt, dass sich insbesondere die Ausländer nicht im Sinne des deutschen Integrationsverständnisses verhalten. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 61 5 Wohnheim Walter- Eilender- Haus Steckbrief Anschrift Baujahr Bewohnerzahl insgesamt Anteil ausländischer Studenten meist vertretene Nation Zimmer Wohnfläche Mietkosten Ausstattung Einrichtungen und Veranstaltungen Belegung besondere Belegungskriterien Bewerbungsfragen Rütscher Straße 165, 52072 Aachen 1968 (Sanierung 1991/ 1992) 247 40,43 % China 274 Einzelappartements 12 m² 130 (Heizungskosten, Strom und Warmwasser inklusive) _ teilweise möbliert _ Dusche/ WC, Küche gemeinschaftlich _ Internet (Uni- DSL) _ Sat- TV _ Telefon _ Grillplatz _ Fahrradkeller _ Werkzeugverleih _ CIP- Pool _ Zeichenraum _ Tischtennisraum _ Kopierer _ Waschküche _ Werkstatt _ Partys _ Wohnheimsversammlungen •nutzbar für die Allgemeinheit •keine speziellen Veranstaltungen für ausländische Studenten vorhanden Die Belegung erfolgt nur nach Warteliste, die aufgeteilt ist in: _ männlich EU _ männlich Nicht- EU _ weiblich EU _ weiblich Nicht- EU 20 Appartements reserviert für Ausländer es gibt keine Fragen, die speziell an Ausländer gerichtet sind Befragungen Die gleiche Befragung wie in der Wohnanlage Halifaxstraße führten wir auch im WalterEilender- Haus durch. Um nicht den Rahmen der Seminararbeit zu sprengen, wollen wir uns hier nur auf die wichtigsten Ergebnisse beschränken. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 62 Befragung Ausländer Fast alle der von uns befragten ausländischen Studenten stammen aus asiatischen Ländern, von denen wiederum mehr als die Hälfte ihre Sprachkenntnisse als sehr schlecht einschätzen. Der Wohnraum im Walter- Eilender- Haus wurde dem Großteil der befragten Ausländer über die Ausländervertretung oder das Studentenwerk vermittelt. Genau wie die Bewohner der Halifax- Wohnanlage, verstehen auch die ausländischen Studierenden, die in der Rütscher Straße wohnen, unter dem Begriff „Integration“ das Kennen lernen von Kultur, Sprache und Traditionen des fremden Landes. Nur 20 % der Befragten fühlen sich in diesem Sinne integriert und ebenso wenige glauben, dass in der Wohnanlage integrativ gehandelt wird. Der grundlegendste Unterschied zur Wohnanlage Halifaxstraße ist, dass die Ausländer im Walter- Eilender- Haus ausschließlich in Einzelappartements untergebracht sind. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Antworten auf Fragen, die das Gemeinschaftsgefühl und gemeinsame Aktivitäten mit Deutschen betreffen, deutlich negativer ausfallen als bei den Befragten der Halifax- Wohnanlage. Das Verhalten der Deutschen den Ausländern gegenüber wird in der Rütscher Straße von den Ausländern selber als gleichgültig und unaufgeschlossen bezeichnet. Auch im Walter- Eilender- Haus gibt es keine Angebote, die sich speziell an Ausländer richten. Allerdings besteht hier, was von den Befragungen in der Halifaxwohnanlage abweicht, ein weitaus geringeres Interesse an solchen Angeboten. Eine über die studentische Selbstverwaltung hinausgehende Unterstützung ist jedoch auch hier sehr gewünscht. Zum größten Teil sind die Befragten mit dem Wohnheim Walter- Eilender- Haus aber zufrieden. Als besonders positiv werden die geringen Mietkosten angegeben. Fazit Insgesamt haben sich bei der Befragung der ausländischen Bewohner des Walter- EilenderHaus ähnliche Ergebnisse ergeben wie bei der Befragung in der Wohnanlage Halifaxstraße. Auch das Verständnis von „Integration“ ist nahezu deckungsgleich. Auffällig ist, dass die Wohnform anscheinend entscheidend dafür ist, ob es überhaupt ansatzweise zu einer Integration der ausländischen Studenten kommt. Befragung Deutsche Das Integrationsverständnis der von uns befragten deutschen Bewohner des WalterEilender- Hauses divergiert: etwa die Hälfte ist, genau wie es aus der Befragung in der Halifax- Anlage hervorgegangen ist, der Meinung, dass „Integration“ bedeutet, in eine soziale Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Bei der anderen Hälfte tendiert die Begriffsdefinition, genau wie bei den befragten Ausländern, dahin, dass Integration stattfindet, wenn man sich auf kultureller Ebene eingliedert. Einig sind sich aber alle Befragten in dem Punkt, dass die Ausländer nicht erfolgreich integriert sind. Dies führen sie aber weder auf ihr eigenes Verhalten, welches sie als gleichgültig einstufen, noch auf das Engagement durch die Hochschule zurück. Noch offensichtlicher als im Halifax- Wohnheim gehen die Deutschen davon aus, dass auf ausländischer Seite kein Interesse besteht, integriert zu werden. Keinem Ausländer wird es verwehrt, sich zu integrieren, jedoch müssen die dahingehenden Bemühungen allein von ihm ausgehen. Fazit Die Ergebnisse sind hier wieder denen der ersten Befragung sehr ähnlich. Anscheinend trägt die Wohnform sehr stark dazu bei, dass diese Ergebnisse noch stärker in Richtung Gleichgültigkeit und Desinteresse tendieren. 6 Abschließendes Ergebnis Unsere Recherche hat insgesamt ergeben, dass die Definition des Begriffes „Integration“ auf deutscher und auf ausländischer Seite divergiert. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 63 Sowohl die ausländischen Studenten als auch die Ausländervertretung sehen Integration als einen Prozess an, der auf einer kulturellen Ebene abläuft. Das Ausmaß bzw. der Erfolg der Integration hängt dabei gleichermaßen davon ab, wie groß die Bereitschaft und das Interesse auf Seiten der Ausländer sind, die Sitten des anderen Landes kennen zu lernen und in wie weit die Aufnahmegesellschaft sich dazu angehalten fühlt, dieses Interesse zu unterstützen. In diesem Sinne fühlt sich jedoch die Mehrheit der ausländischen Studenten nicht integriert. Folgende Punkte könnten die Ursache hierfür sein: Sowohl viele ausländische Studenten als auch die AV wünschen sich ein gesteigertes Engagement seitens der Hochschule. Die Studenten würden sich wohler fühlen, wenn es im Wohnheim nicht nur studentische Hilfe, sondern auch einen Ansprechpartner der AV oder des Studentenwerks gäbe. Ein weiterer Grund für das Ausbleiben von Integration könnte sein, dass die Ausländer gegenüber den Deutschen ein anderes Verständnis von Gemeinschaft haben. Sie beurteilen beispielsweise das Gemeinschaftsgefühl in einer Wohngemeinschaft zu 80 % als „gut“ bis „sehr gut“, obwohl sie angeben, dass ihre Mitbewohner sich ihnen gegenüber gleichgültig verhalten und auch kaum gemeinsame Aktivitäten unternommen werden. Herausgestellt hat sich außerdem, dass die Wahl der Wohnform einen entscheidenden Einfluss auf den Integrationserfolg hat, obwohl dieser in keinem der beiden Wohnheime eingetreten ist. Das Wohnen im Wohnheim beschreiben sie ausnahmslos als Vorteil, einmal was das PreisLeistungsverhältnis angeht, zum anderen erhoffen sie dadurch, Kultur und Sprache besser kennen zu lernen. Sie geben aber nicht an, dass es für sie im Vordergrund steht, Kontakte zu knüpfen, die darüber hinausgehen, dass sie von ihnen hinsichtlich ihres Verständnisses von Integration profitieren könnten. Auf deutscher Seite, damit sind sowohl die Studenten als auch das Studentenwerk gemeint, herrscht jedoch ein anderes Verständnis von Integration vor. Die am häufigsten genannte Definition spricht von Integration im Sinne von „Eingliederung in eine Gemeinschaft“. Vor dem Hintergrund dieser Ansicht, empfinden die Deutschen das Verhalten der Ausländer als zu passiv. Außerdem glauben sie, dass die Integrationsbereitschaft von der ausländischen Seite aus größer sein sollte als auf ihrer Seite. Der Wohnform „gemischte WG mit Ausländer- Pflichtanteil“ stehen sie mit gemischten Gefühlen gegenüber. Einerseits denken sie, dass dies eine Wohnform ist, die für den Integrationsprozess förderlich ist, andererseits glauben sie, dass gerade der Zwang, einen Ausländer aufnehmen zu müssen, desintegrative Tendenzen mit sich bringen kann. Die Unterbringung der Ausländer in Einzelappartements wird von den meisten als „genau richtig“ beurteilt, da sie den Eindruck haben, dass diese Wohnform auch von den Ausländern bevorzugt wird. Trotzdem sind sie sich im Klaren darüber sind, dass diese Wohnform sich eher desintegrativ auswirkt. 7 Offene Fragen und Handlungsmöglichkeiten Offen bleibt die Frage, ob die ausländischen Studenten überhaupt in „deutschem Sinne“ integriert werden wollen. Wir hatten nämlich eher den Eindruck, dass für sie das Studium, das Erlernen der deutschen Sprache und das Erlangen von Kenntnissen bezüglich der deutschen Kultur im Vordergrund stehen. Sie suchen eher weniger die Gemeinschaft im Sinne von einer gemeinsamen Freizeitgestaltung. Diese praktizieren sie lieber unter „Ihresgleichen“. In Bezug auf die Wohnform stellt sich somit die Frage, ob eine „Zwangsintegration“ wie sie im Halifax- Wohnheim versucht wird, zu praktizieren, überhaupt von den Ausländern gewünscht wird oder ob es nicht besser ist, sie wie im Walter- Eilender- Haus unterzubringen. Handlungsbedarf besteht, besonders als Folge der divergierenden Begriffsdefinitionen darin, die Kommunikation zwischen den einzelnen Parteien zu verbessern. Es könnten beispielsweise regelmäßig Umfragen gemacht werden, die Bedürfnisse und Erwartungen beider Seiten überprüfen und gegebenenfalls aufeinander abstimmen. Außerdem sollte in den Bewerbungsunterlagen auch speziell auf Ausländer eingegangen werden. So könnte überprüft werden, ob die von ihnen gewählte Wohnform überhaupt Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 64 ihren Wünschen gerecht wird oder ob sie sich nur aus einer Unkenntnis heraus für irgendein Wohnheim beworben haben. 8 Persönliche Stellungnahme Nach Meinung zahlreicher Soziologen besteht der Integrationsprozess aus mehreren Phasen (vgl. Einleitung). Kulturelle Integration hängt nach ihrer Auffassung unweigerlich mit sozialer Integration zusammen. In den Wohnheimen ist es offensichtlich zu dem Phänomen der „Desintegration“ gekommen, welches aus einer ungleichen Gewichtung der Integrationsphasen resultiert. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass ein Mittelweg gefunden werden muss, der die verschiedenen Schwerpunkte, die die einzelnen Akteure in ihrer Begriffsdefinition setzen, miteinander vereinbar macht. Außerdem müssen Bereitschaft und Engagement auf allen Seiten zunehmen, um die divergierenden Vorstellungen überbrücken zu können. Die Hochschule könnte sich zur Aufgabe machen, ausländische und deutsche Studenten für das Integrationsverständnis der anderen Partei zu sensibilisieren, indem es ihnen Verhaltensmöglichkeiten und daraus resultierende Vorteile aufzeigt. 9 Quellenangaben Information über das Thema Integration: „Soziologie der Migration“, Petrus Han, S. 300- 313 „Zuwanderer in der Stadt- Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik“, herausgegeben von den Verbundpartnern „Zuwanderer in der Stadt“, S. 10 http://deutsche-kultur-international.de http://www.integrationsbeauftragte.de http://de.wikipedia.org/wiki/Integration http://www.integration.nrw.de http://www.integrationsbeauftragter.nrw.de http://deutsche-kultur-international.de Informationen über das Wohnheim Halifax: Broschüre: „Information der Wohnraumvermietung des Studentenwerkes Aachen“ http://www.halifax.rwth-aachen.de Informationen über das Wohnheim Walter- Eilender- Haus: Broschüre: „Information der Wohnraumvermietung des Studentenwerkes Aachen“ http://www.weh.rwth-aachen.de Informationen über das Che Haus: http://www.avh.rwth-aachen.de Informationen über die Ausländervertretung: http://www.av.rwth-aachen.de http://www.stud.rwth-aachen.de Informationen über die Bewerbungen: https://ba.oph.rwth-aachen.de (Türme) http://www.wohnheime.rwth-aachen.de (allgemein) http://www.halifax.rwth-aachen.de (Halifax) Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 65 10 Anhang Interview mit Brigitte Jungheim, Sachgebietsleiterin Wohnraumvermietung Wohnheimfakten: Wie hoch ist der Ausländeranteil in den Wohnheimen Halifaxstr. und Walter- Eilender- Haus? „Halifax = 18.79% und WEH = 40.43%.“ Welche Nation ist am stärksten vertreten? „China.“ Nach welchen Kriterien erfolgt die Zimmervergabe, welche Voraussetzungen müssen die ausl. Studenten erfüllen, um aufgenommen zu werden? „Die ausl. Studenten müssen keine Voraussetzungen erfüllen (alle anderen Studenten auch nicht).“ Wie werden die Zimmer verteilt: Zusammenfassung der Studenten nach Nationalität oder bunt gemischt und zufällig? „Bunt gemischt, es wird natürlich darauf geachtet, dass eine Nation nicht zu stark auf der Etage bzw. im Wohnheim vertreten ist.“ Gibt es eine bestimmte Prozentzahl die für ausländische Studenten bei der Belegung reserviert ist? Ist dies von Wohnheim zu Wohnheim unterschiedlich? „Das Ziel ist nicht mehr als 25% Ausländeranteil in den Wohnanlagen zu haben. Dies ist aber nicht zu realisieren. Der Ausländeranteil beträgt z. Zt. 36.65%, in einigen Wohnanlagen bis zu 50.34%. Die ausl. Studenten bevorzugen grundsätzlich die preiswerteren Zimmer.“ Angebot und Service der Wohnheime: Gibt es besondere Angebote, die es den ausländischen Studenten erleichtern, sich in die Gemeinschaft einzubringen? „Es finden Etagenversammlungen, Hausversammlungen, Feste und Partys regelmäßig statt. Die Teilnahme sowohl von EU- Studenten als auch von Nicht- EU- Studenten ist sehr gering.“ Werden zum Beispiel Sprachkurse angeboten? „Nein.“ Ist in den Wohnheimen ein spezielles Büro vorhanden, welches den Ausländern bei Fragen zur Seite steht? „So etwas gibt es nicht. Wir haben aber täglich Sprechstunde und die Haussprecher helfen gerne bei Problemen.“ Werden gemeinschaftliche Veranstaltungen vom Studentenwerk organisiert, oder ist dies ausschließlich eine wohnheimsinterne Angelegenheit? „Es ist eine wohnheimsinterne Angelegenheit.“ Werden Konflikte, die sich in den Wohnheimen ereignen an Sie herangetragen und helfen Sie bei der Konfliktbewältigung oder fällt das nicht in Ihren Aufgabenbereich? Wenn nein, wer ist dafür zuständig bzw. gibt es überhaupt jemanden, der für dieses Problemfeld zuständig ist? „Die meisten Probleme werden intern geregelt über die Haus- und Etagensprecher. Wir haben eine starke studentische Selbstverwaltung. Probleme, die dort nicht gelöst werden können, werden an uns herangetragen und wir lösen die Probleme dann zusammen.“ Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 66 Integration: Was bedeutet für Sie „Integration“? „’Integration’ bedeutet für mich, wenn eine Minderheit in eine größere soziale Gruppe erfolgreich eingebunden wird.“ Beschreiben sie, wie auf der Basis ihres Verständnisses, die Integration in den Wohnheimen abläuft? Empfinden Sie dies als gelungen? „Die meisten ausländischen Studenten lassen sich nicht integrieren. Sie leben lieber separiert und praktizieren gemeinschaftliches Leben nur mit ihren eigenen ‚Leuten’ (s. Versammlungen, Feste usw.); auch angebotene Ämter in den Wohnanlagen werden nicht genutzt (Netzwerk- AG/ Betreuung Kopierer/ Amt des Haussprechers/ Amt als Belegungsausschuss usw.). Meiner Meinung nach findet in den Wohnheimen also gar keine Integration statt.“ Ist Integration ein besonderes Thema im Studentenwerk insbesondere bei der Wohnungsvermittlung? Gibt es für diesen Bereich einen speziellen Ausländerbeauftragten im Studentenwerk? „Einen speziellen Ausländerbeauftragten gibt es bei uns nicht, obwohl Integration natürlich ein besonderes Thema ist; wir stehen jedem bei Problemen zur Seite. Insbesondere für mich persönlich kann ich sagen, dass ich diesem Thema gegenüber sehr aufgeschlossen bin: Im Januar 2005 wurde ich durch die Organisation ‚Eurotürk’ als ‚Stille Heldin’ ausgezeichnet. Geehrt worden bin ich für die außergewöhnliche Hilfestellungen und die hervorragende Kooperationsbereitschaft bei der Betreuung insbesondere der ausländischen Studenten.“ Interview mit Alexis Kamewe, studentischer ehrenamtlicher Berater Allgemeines Tätigkeitsprofil: Was für Aufgaben hat die Ausländervertretung? „Wir haben die Aufgabe, die Interessen ausländischer Studierender gegenüber der Hochschule, dem AStA und den anderen Organen in Aachen zu vertreten, damit sie mehr Erfolg im Studium haben können und sich hier in Aachen bzw. in Deutschland besser integrieren. Wir bieten Beratungen zu allen konkreten Frage wie Wohnungssuche, Versicherung, Behördenangelegenheiten, usw. an. Mehr Informationen bekommen Sie auf unserer Webseite: www.av.rwth-aachen.de.“ Was sind speziell Ihre Aufgaben? „Ich bin der Beauftragte von der AusländerInnen- Vertretung der RWTH- Aachen kurz geschrieben ’AV’. Ich koordiniere die Arbeit bei der ’AV’ und beschäftige mich besonders mit der Hochschulpolitik und dem Ausländerrecht.“ Hat die ’AV’ nur beratende Funktion oder ist sie auch aktiv tätig, indem sie zum Bespiel Veranstaltungen organisiert? „Unsere Arbeit ist nicht nur auf die Beratungsebene begrenzt. Wir organisieren viele Veranstaltungen um die Studenten zu informieren und um zu helfen .Es gibt z.B. Infoveranstaltungen über Auslandsrecht und Integrationsmöglichkeiten. Wir nehmen an den Rektoratsitzungen, an den Sitzungen des Ausländerbeirats der Stadt Aachen und an Gesprächrunden mit dem Oberbürgermeister teil.“ Was sind die häufigsten Probleme mit denen die ausländischen Studenten in Ihr Büro kommen? „Ihre Probleme werden in drei Ebenen aufgeteilt: Rechtlich: Sie haben Probleme bei der Visumsverlängerung. Wohnen: Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 67 Es ist schwer für Ausländer eine Wohnung in Aachen zu finden, besonders auf dem privaten Wohnungsmarkt wegen der Diskriminierung. Bei den Studentenwohnheimen ist es auch etwas schwierig, da die Plätze begrenzt sind. Arbeiten: Genau wie beim Wohnen besteht auch hier für sie ein großes Problem aufgrund von Diskriminierungen.“ Werden die Angebote der ’AV’ von zahlreichen Studenten aus dem Ausland genutzt? „Damals nein, aber mit den steigenden Problemen werden wir jetzt direkt von den Studenten aus dem Ausland angesprochen.“ Tätigkeiten im Bereich Wohnen: Helfen Sie ausländischen Studierenden auch bei der Wohnungssuche? „Ja, wir vermitteln die Anlaufstelle und informieren wenn wir Angebote haben.“ Haben Sie Kontakte zu den Wohnheimen? „Leider nicht, da wir keinen Anspruch oder kein Recht haben, uns einzumischen.“ Kommen die Studenten oft wegen Problemen in den Wohnheimen zu Ihnen? „Ja und sogar sehr oft. Wir versuchen dann mit dem Studentenwerk zusammen zu helfen.“ Ist in den Wohnheimen ein spezielles Büro vorhanden, welches den ausländischen Studenten bei Fragen zur Seite steht? „Leider nicht .Es wäre wirklich schön, so ein Büro zu haben.“ Integration: Was verstehen Sie unter „Integration“? „Unter ‚Integration’ verstehe ich die Anpassung von Leuten aus verschiedenen Kulturen und Ländern. Genauer gesagt, wie die Ausländer sich in Deutschland einleben.“ Beschreiben Sie, wie auf der Basis ihres Verständnisses, die Integration in den Wohnheimen abläuft? Empfinden Sie dies als gelungen? Dazu hat Herr Kamewe sich nicht geäußert. Wer denken Sie, ist in den Integrationsprozess am meisten eingebunden? „Ich denke, dass die Verantwortung bei der Hochschule und bei der Stadt liegt.“ Was sollte ihrer Meinung nach für die Integration von Seiten der Hochschule her getan werden? „Die Universität sollte folgendes tun: Am besten Diskussionsgruppen zum Austausch zwischen den Kulturen organisieren, damit die Ausländer die deutsche Kultur kennen lernen können. Die Probleme mit der Stadt so gut es geht vermeiden, damit die Ausländer sich besser fühlen und sich besser auf das Studium konzentrieren. Die Bevölkerung in Aachen sensibilisieren, so dass die ausländischen Studierenden mehr Chancen haben, eine Wohnung in Aachen auf dem privaten Wohnungsmarkt zu finden. Die Fakultäten auffordern, mehr ausländische Studierende als Hiwis einzustellen, damit sie Berufserfahrungen sammeln können. Die Aktivitäten von ausländischen Vereinen noch mehr unterstützen.“ Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 68 Fragebogen für ausländische Studenten (Halifax) Allgemeine Daten/ Steckbrief: • Geschlecht: m 60% w 40% • Nationalität: ukrainisch 5% französisch 10% chinesisch 40% thailändisch 15% koreanisch 30% • Studienfach: Informatik 30% Biologie 30% Kraftfahrtwesen 5% Maschinenbau 35% • Aufenthaltsdauer: 5 Jahre 50% 3 Jahre 30% 1 Jahr 20% • Grund des Aufenthaltes: Auslandssemester 15% Studienarbeit 0% Diplom 70% Praktikum 0% andere 15% • Wie schätzt du deine eigenen Sprachkenntnisse ein? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) sehr gut 15% gut 55% befriedigend 0% ausreichend 10% mangelhaft 0% ungenügend 20% • Hast du Verständigungsprobleme? ja 40% nein 60% • Wodurch hast du von dem Wohnheim erfahren? Freunde 35% Hochschule 20% Studentenwerk 45% andere 0% • Wohnst du in einem Einzelappartement, mit verschiedenen Nationen zusammen oder nur mit Deutschen? Einzelappartement 0% mit Deutschen 80% mit mehreren Nationen 20% Integration: • Was bedeutet für dich der Begriff „Integration“? Die meisten der Befragten verstehen unter dem Begriff „Integration“ die Kultur und die Sitten eines anderen Landes kennen zu lernen. • Denkst du, dass in diesem Wohnheim im Sinne eines schnellen Integrationsprozesses gehandelt wird? ja 55% nein 45% • Füllst du dich nach deinem Verständnis von Integration integriert? ja 30% nein 70% Soziales Umfeld: a. direktes soziales Umfeld_ Mitbewohner: • Wie bist du von deinen Mitbewohnern empfangen worden? herzlich 75% abweisend 0% gleichgültig 25% • Unternehmt ihr gemeinsam etwas? ja 30% nein 70% • Wenn ja, was? (mehrfach Nennung möglich) Kochen 65% Party 20% Gesellschaftsspiele 0% Kino 0% Fernsehen-/ DVD- Abende 0% anderes 15% lernen 0% Kneipentour 0% Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 69 • • • Sind deine Mitbewohner aufgeschlossen gegenüber deiner Kultur (z.B. Essen, Musik, Sitten des Landes)? ja 40% nein 60% Wurdest du schon einmal aufgrund deiner Nationalität von deinen Mitbewohnern diskriminiert? ja 0% nein 100% Sind deine Mitbewohner hilfsbereit; kannst du dich, wenn du Probleme hast, an sie wenden? ja 55% nein 45% b. weiteres soziales Umfeld_ Hausgemeinschaft: • Wie verhalten sich die anderen Hausbewohner bei gemeinschaftlichen Veranstaltungen (z.B. Partys) dir gegenüber? aufgeschlossen 40% abweisend 20% gleichgültig 40% • Wurdest du schon einmal diskriminiert? ja 10% nein 90% • Wie bewertest du abschließend das Gemeinschaftsgefühl im Wohnheim in Bezug auf ausländische Studierende? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) sehr gut 20% gut 45% befriedigend 15% ausreichend 5% mangelhaft 15% ungenügend 0% Freizeitangebot: • Gibt es Angebote speziell für Ausländer? ja 10% nein 90% • Wenn ja welche? Sport 0% Partys 0% DVD- Abende 0% Informationsveranstaltungen 10% Lern- und Sprachgruppen 0% Kochabende 0% andere 0% • Wenn ja, nutzt du diese? ja 10% nein 0% • Nimmst du auch Angebote in Anspruch, die nicht speziell für Ausländer sind? ja 65% nein 35% • Hast du Verbesserungsvorschläge? mehr Angebote 25% abwechslungsreichere Angebote 20% integrativere Angebote 0% anderes 0% • Wie bewertest du das Freizeitangebot insgesamt? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) sehr gut 0% gut 10% befriedigend 20% ausreichend 45% mangelhaft 25% ungenügend 0% Ansprechpartner vor Ort (spezifische soziale Einrichtung/ Versorgung): • Gibt es vor Ort einen Ansprechpartner von der Uni ja 10% nein 90% • Wenn ja, nutzt du dieses Angebot? ja 10%nein 90% • Wie bewertest du den Service? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) Keine Nennung erfolgt • Wenn es ihn nicht gibt, hättest du gerne diesen Service? ja 65% nein 0% Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 70 Wohnzufriedenheit: • Empfindest du es als Vorteil, in einem Wohnheim zu wohnen oder war das für dich nur eine Notlösung? Vorteil 100% Notlösung 0% • Wie hoch ist die Miete im Vergleich zu deinem Einkommen? Durchschnittlich 25% • Bist du mit dem Preis- Leistungsverhältnis zufrieden? ja 75% nein 25% • Bist du mit der Zimmergröße zufrieden? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) sehr gut 35% gut 65% befriedigend 0% ausreichend 0% mangelhaft 0% ungenügend 0% • Bist du mit der Ausstattung zufrieden? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) sehr gut 0% gut 45% befriedigend 55% ausreichend 0% mangelhaft 0% ungenügend 0% • Wie findest du die Lage der Wohnung? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) sehr gut 25% gut 55% befriedigend 15% ausreichend 5% mangelhaft 0% ungenügend 0% • Welche Note würdest du der Wohnung insgesamt geben? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) sehr gut 25% gut 60% befriedigend 15% ausreichend 0% mangelhaft 0% ungenügend 0% Besondere Wohnwünsche_ Ansprüche: • Werden deine Ansprüche befriedigt? ja 80% nein 20% • Wenn deine Ansprüche nicht ausreichend befriedigt werden, in welchem dieser Bereiche würdest du dir eine Verbesserung wünschen? Veranstaltung 0% Service 35% Betreuung 0% Wohnqualität 40% Lage 0% • Welche Note würdest du deinem Wohnheim insgesamt geben? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend) sehr gut 0% gut 55% befriedigend 40% ausreichend 5% mangelhaft 0% ungenügend 0% Fragebogen für deutsche Studenten (Halifax) Integration: • Was verstehst du unter „Integration“? Die meisten verstehen darunter die Einbeziehung von Ausländern in die Gemeinschaft, Miteinander statt Nebeneinander • Auf der Basis deines Verständnisses von Integration, findest du, dass die Integration in den Wohnheimen gelungen ist? ja 100% nein 0% • Wer muss sich bei dem Prozess der Integration deiner Meinung nach mehr einbringen, die deutschen oder die ausländischen Studenten? Und warum? ausländische Studenten 65% deutsche Studenten 10% beide 25% Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 71 Eigenes Engagement: • Empfindest du die Anwesenheit von Ausländern als positiv oder negativ? positiv 35% negativ 0% egal 65% • Wie beurteilst du dein eigenes Verhalten gegenüber Ausländern? aufgeschlossen 60% gleichgültig 40% abweisend 0% • Suchst du Kontakt zu den ausländischen Studenten? ja 65% nein 35% • Hast du das Gefühl, dass du von ihnen profitierst (Sprache, Kultur, etc.)? Wenn ja inwiefern? ja 90% nein 10% Kultur und Sprache, Akzeptanz und Toleranz lernen, Neues kennen lernen und den Horizont erweitern. Verhalten der ausländischen Studenten: • Wie beurteilst du die Eigeninitiative der Ausländer was ihre Integration betrifft? zu wenig 60% genau richtig 40% zu viel 0% • Wie beurteilst du ihr Verhalten in der Gemeinschaft? Streit suchend 0% angenehm 35% zurückhaltend 65% Engagement der Hochschule: • Sollte deiner Meinung nach, mehr für die Integration von Seiten der Hochschule getan werden? Und was? ja 45% nein 55% Die Meisten haben als Verbesserungsvorschlag gemeinsame Sport- und Kulturaktivitäten genannt, ebenso sollten die gemischten WGs gefördert werden. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 72 Wohnen – Studentenverbindungen in Aachen Amelie Neusen, Sandra Bethke Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 73 Inhalt Wohnen – Studentenverbindungen in Aachen 1 Einleitung 2 Die Situation auf dem Aachener Wohnungsmarkt 3 Die Sicht der Anbieter 4 Die Sicht der Nachfrager 5 Öffentliche Aktivitäten 6 Offene Fragen 7 Innovative Ansätze 8 Fazit 9 Quellenangaben und Bildverzeichnis 10 Anhang Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 74 1 Einleitung Die Studentenverbindungen haben ihren Ursprung im Anfang des 19. Jahrhunderts und noch heute prägen ihre oft großen und schönen Häuser die deutschen Studentenstädte. In den Anfängen war das Verbindungsleben noch viel strenger und fester von studentischen Pflichten geprägt. So stellte die Verbindung zur damaligen Zeit das einzige Organ dar, das die Studenten gegenüber staatlichen Behörden und den damit verbundenen Rechten vertrat. Neben Sinn und Zweck der Verbindung gab es auch die repräsentativen Zwecke, die mit Hilfe der Studentenschaft erfüllt werden sollten. Es gibt die aktiven Verbindungsstudenten, die „Füchse“, die passiven Verbindungsstudenten, die ihren Pflichtteil schon erfüllt haben, sowie die so genannten „Alten“ Herren, die bereits fertige Akademiker sind. Im 19. Jahrhundert gab es Zeiten, in denen fast die Hälfte der Studentenschaft Mitglied in einer Verbindung war. Diese Hochkonjunktur hat aus heutiger Sicht nachgelassen und somit auch der Einfluss der Verbindungen auf das Studentenleben. Vielfach ist heutzutage sogar eine ausgesprochen negative Resonanz verbunden mit dem Thema Studentenverbindung. Um in Grundzügen ein Verständnis dafür zu bekommen, wie das Leben und damit verbunden auch das Wohnen im Verbindungshaus funktioniert, ist festzustellen, dass die studentischen Verbindungen nur durch den Zusammenhalt der aktiven Bundesbrüder mit den „Alten Herren“, den examinierten ehemaligen Verbindungsstudenten funktionieren. Der Student geht eine Art Lebensbund ein, der sowohl von sozialem, wie auch wirtschaftlichem Interesse ist. Das heißt, dass man als junger Student davon ausgehen kann, dass ein großer Teil des Lebensunterhalts und des Komforts auf der Unterstützung der „Alten Herren“ basiert. Von dieser profitierend, muss sich jeder verpflichten, ebenso einen bestimmten Beitrag sein Leben lang für die nachkommende Studentenschaft zu zahlen. Der Vorteil dieser finanziellen Regelung ist es, dass viele studentische Verbindungen im Laufe ihrer Entstehungszeit große Verbindungshäuser bauen bzw. kaufen konnten. Diese Häuser sind nicht nur als Orte des Zusammenlebens gedacht, sondern sollen auch Repräsentationszwecken dienen. Viele Veranstaltungen, die in den Kalender eines studentischen Verbindungsjahres gehören, finden dort statt. Dazu zählen Feste, Jubiläen, Versammlungen, Vortragsveranstaltungen sowie Unternehmungen allgemeiner Art. Die Studienarbeit, die im Rahmen des Seminars „Wohnen in der Stadt“ verfasst worden ist, soll sich im Speziellen mit der Wohnqualität in Verbindungshäusern auseinandersetzen. Der Schwerpunkt der Recherche und der damit verbundenen Umfrage liegt darin, dem Leser zu zeigen, wie speziell die Qualitäten im Bereich des Wohnens in Verbindungshäusern aussehen. Anhand der daraus resultierenden Schlussfolgerung ist es jedem Leser ermöglicht, persönliche Vergleiche, bezogen auf die eigene Wohnqualität, zu ziehen. Die Arbeit ist so aufgebaut, dass wir als erstes auf die jeweilige Institution im Zusammenhang mit dem Aachener Wohnungsmarkt eingehen, um dort einen Überblick über die Resonanz im Bezug auf das Wohnen in studentischen Verbindungen zu geben. Als zweites gehen wir zunächst auf die Sicht der Anbieter ein, um dann in dritter Instanz auf die Gruppe der Nachfrager schließen zu können. Zur Analyse der Anbieterseite stehen uns die Umfrageergebnisse, sowie die Internetseiten der jeweiligen Verbindungen zur Verfügung. Die Bewertung der Nachfragerseite basiert in erster Linie auf den Ergebnissen der unter den Verbindungsstudenten ausgeteilten Fragebögen. Im nächsten Schritt haben wir die öffentlichen Aktivitäten, offene Fragen sowie innovative Ansätze anhand der ausgeteilten Fragebögen und einem Gespräch mit dem Heimvereinskassierer einer Verbindung analysiert. Zu dem Zweck der Umfrage wurde von uns ein Viertel der in Aachen in Studentenverbindungen lebenden Hochschüler befragt. Im Anhang an die Studienarbeit legen wir unsere Untersuchungsergebnisse in Form von Tabellen und Diagrammen bei. In unserer Analyse legen wir ausschließlich unser Augenmerk auf die Verbindungen in Aachen, die ein eigenes Haus besitzen und somit den Studenten die Möglichkeit einer Unterkunft gewährleisten können. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 75 2 Die Situation auf dem Aachener Wohnungsmarkt Die Recherche hat gezeigt, dass es in Aachen 35 Verbindungen mit eigenen Häusern gibt. Sie sind alle stadtnah und zum größten Teil auch in Universitätsnähe gelegen. Abb. 1 Wie die Karte deutlich macht, sind die meisten Häuser in guter bis gehobener Wohnlage zu finden. So sind im Bereich des Lousbergs allein 12 Verbindungshäuser angesiedelt. Von den ca. 36000 Aachener Studenten wohnen zurzeit laut unserer Umfrageergebnisse ca. 1,1% der Studenten auf Verbindungshäusern. 3 Die Sicht der Anbieter Um ein Zimmer in einer Studentenverbindung zu mieten, sollte der Wohnungssuchende nach Aushängen auf dem sog. „Schwarzen Brett“ im Hochschulbereich, im Internet sowie nach Anzeigen im Wohnungsteil der örtlichen Presse Ausschau halten. Bei der Recherche haben wir festgestellt, dass weder anhand der Aushänge, noch den Anzeigen in der Aachener Zeitung genau festzustellen ist, dass es sich bei dem Anbieter um eine Studentenverbindung handelt. Einzig eine Abbildung eines der Verbindungshäuser lässt bei näherer Betrachtung vermuten, dass es sich dabei um eine Villa mit Fahne und damit verbunden um eine Studentenverbindung handeln könnte. Diese Tatsache könnte ein Hinweis darauf sein, dass wie schon anfangs erläutert, die Einstellung vieler Hochschüler zum Leben in und mit der studentischen Verbindung eher skeptisch betrachtet wird und sogar zu erhöhter Ablehnung geführt hat. Die Internetportale der einzelnen Verbindungen sind sehr übersichtlich aufgebaut und enthalten neben den Angaben zum Sinn und der Intention der jeweiligen Verbindung auch Angaben zum Leben in der Gemeinschaft und auf dem Verbindungshaus. Der größte Teil der Verbindungen wirbt auch über ihre Internetseiten für die Vermietung von Zimmern in ihren Häusern. Wenn sich ein Student dazu entschlossen hat in ein Verbindungshaus einzuziehen bleibt es ihm ca. 1 Jahr, während seiner „Fuchsenzeit“ freigestellt, Mitglied der Verbindung zu werden. Sollte er sich nach dieser Zeit jedoch dagegen entscheiden, muss er das Verbindungshaus selbstverständlich verlassen. Obwohl der größte Teil der studentischen Verbindungen schon aus geschichtlichen Hintergründen Frauen die Mitgliedschaft verwehrt, gibt es in Aachen vier Verbindungen, die auch Zimmer an Studentinnen vermieten. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 76 Untersucht man nun die Miete der einzelnen Verbindungen, kommt man schnell zu dem Schluss, dass man dort für relativ wenig Geld eine sehr hohe Wohnqualität findet. Durchschnittlich zahlen die Studenten auf Verbindungshäusern eine Warmmiete von 113,78 Euro bei einer durchschnittlichen Zimmergröße von 17,38 qm, das sind ca. 6,55 Euro/qm. Um einen Überblick über das Preisleistungsverhältnis zu bekommen, haben wir zunächst die Preise von Wohnungen, die ebenso in Stadt- wie in Uninähe gelegen sind verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass ein/e Student/in für eine Durchschnittswohnung von ca. 30qm im Zentrum von Aachen ca. 9,67 Euro/qm Warmmiete bezahlt. Für 17,38 qm würde dies ein Mietpreis von 168 Euro bedeuten. Hinzu kommt, dass der Student im Verbindungshaus lediglich vertraglich für das eigene Zimmer bezahlt. Alle darüber hinaus gehenden Leistungen sind in den zu Anfang erwähnten Subventionen, sowie in Anteilen in der Raummiete enthalten. Dem Student entstehen außer Telefongebühren keine zusätzlichen Kosten. Wenn man sich die Jahre der Erbauung ansieht, stellt man fest, dass die meisten Häuser um 1935 entstanden sind. Alle befinden sich noch in sehr gutem Zustand und sind oft wenn nicht ganz, dann zumindest in Teilen saniert. Fast alle Bauten verfügen über ein großes Grundstück, das entweder einen schönen Garten oder einen Hof beherbergt, der ebenso zum gemeinschaftlichen Raum gehört. Die Häuser der studentischen Verbindungen in Aachen sind durchschnittlich 550qm groß. Die allgemein zur Verfügung stehenden Quadratmeterzahlen der Häuser sind im Bezug auf die durchschnittliche Bewohnerzahl für Studenten sehr hoch. So stehen jedem Verbindungsstudenten durchschnittlich ca. 47,83qm Gesamtwohnfläche zu Verfügung. Wenn man dies auf die Raummiete umrechnet führt das zu einer effektiven Warmmiete von 2,38 Euro/qm. Da die studentischen Verbindungen großen Wert auf das gemeinschaftliche Leben legen, haben wir dieses mit Hilfe der Umfrage näher untersucht. So stehen der Studentenschaft in Verbindungshäusern durchschnittlich 272 qm zu Verfügung. Für jeden einzelnen Bewohner bedeutet das 23,65 qm an gemeinschaftlichem Raum. Zu den großräumigen Gemeinschaftsbereichen, die sich in fast allen Häusern finden, zählen Aufenthaltsräume, große Küchen, Terrassen, Gärten, Sport- und Fitnessräume, sowie Lernund Veranstaltungsräume. Zusätzliche Freizeiteinrichtungen, die in den Angeboten zwischen den Häusern variieren, sind Saunen, Billard- und Tischtennisräume, Bibliotheken, TV – Räume, Waschküchen sowie Partykeller. Das Zusammenleben wird zusätzlich gestärkt durch gemeinsame Aktivitäten Vortragsveranstaltungen, Klausurvorbereitungen, Ausflüge und Partys. wie Darüber hinaus werden den Bewohnern von Verbindungshäusern viele Dienstleistungen zur Wohnqualitätssteigerung angeboten, die bereits in den geringen Mieten von durchschnittlich 6,55 Euro pro qm inbegriffen sind. Unter der Rubrik „Sonstiges“ wurden Getränkedienste, Hausmeister, Tageszeitungs-Abos sowie Haushälterinnen aufgeführt. Es gibt zusätzliche Einrichtungsgegenstände, die im Haus vorhanden sind und ab dem Zeitpunkt des Einzugs bereits ein vorhandenes Grundmaß an Wohnqualität bieten. Dazu zählten in der Umfrage, Snack- und Getränkebars, Musikinstrumente, Grills, Computer, Kopierer sowie Beamer und TV-Geräte. Abschließend sei festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine gute Wohnqualität in Verbindungshäusern grundsätzlich eine ganz andere ist, als beispielsweise in einem eigenen Appartement oder einer einfachen WG. Durch die zusätzlichen Serviceleistungen, die jeder Bewohner nutzen darf, ist das Preisleistungsverhältnis in keiner anderen studentischen Wohnform so gut wie dort. Dabei ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass gerade zu Anfang viel Initiative von den so genannten „Füchsen“ gefordert wird. So liegt es in ihrer Hand die Aktivitäten zu organisieren und sich in ihrem Rahmen um die anfallenden Belange der jeweiligen Verbindung zu kümmern. Neben diesen allgemeinen Tätigkeiten gibt es auch Pflichten, die jedes Mitglied zu erfüllen hat. So ist es selbstverständlich, dass die jungen Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 77 Verbindungsmitglieder den Kontakt zu den „Alten Herren“ pflegen und auch die bereits existierenden Kontakte zur Wirtschaft und Untenehmen für die Nachkommenden sichern. Zu diesen Pflichten zählen die Pflege und Instandhaltung des Hauses sowie in einigen Verbindungen das Erlernen des Fechtens, sowie das Erwerben des Jagdschein. Im Folgenden werden wir eine der besuchten Verbindungen aus Aachen im Hinblick auf ihre Anbieterseite genauer beschreiben. Abb. 2 Die K.D.St.V.Kaiserpfalz zu Aachen ist eine von sechs Aachener Katholischen Studentenverbindungen im Cartellverband. Das Verbindungshaus befindet sich auf der Hörn in der Strasse Hexenberg 10. Das Haus besitzt 13 Wohneinheiten, wovon zurzeit 11 vermietet sind. Die Zimmer haben eine Größe zwischen 15 und 25 qm. Die monatliche Miete liegt zuzüglich 15 Euro Nebenkosten zwischen 80 und 100 Euro, je nach Zimmergröße. Jedem Student stehen ein Fernsehanschluss, ein Internetzugang, sowie teilweise Waschbecken und Balkon zur eigenen Verfügung. Grundsätzlich teilen sich 2 Studenten eine Toilette und auf eine Dusche kommen ca. 6-7 Bewohner. Zur weiteren Verfügung stehen den Studenten ein großer Aufenthalts-, sowie ein Veranstaltungsraum, eine Theke mit angeschlossenem Raum, ein Fernsehraum, ein Esszimmer, ein Saal, sowie eine große Terrasse, die zu Grillzwecken dienen kann. Das Haus besitzt keinen Garten, jedoch einen Hof der Parkplätze für ca. 17 Autos bietet. Als gemeinschaftliche Veranstaltungen werden von dieser Verbindung Vorträge, Rhetorikkurse, Diplomatie- und Kooperationsveranstaltungen sowie Diskussionsrunden, Partys, Ausflüge, gemeinschaftliche Essen, Lerngruppen, Sport und regelmäßige Stammtische organisiert. Die Verbindung versteht sich gerade für die neuen Studenten als Erstsemesterhilfe und Wegweiser für den neuen Lebensabschnitt. Das gemeinschaftliche Leben in der Verbindung Kaiserpfalz lässt sich in der Kernaussage: Religio, Scientia, Amicitia, Patria zusammenfassen. Diese Intention vertritt ein nach Freundschaft und wissenschaftlichem Streben orientiertes Zusammenleben unter einem Lebensbund, der auch noch nach dem Studium Bestand hat. 4 Die Sicht der Nachfrager Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 78 Nach der ausführlichen Beschreibung der Anbieterseite werden wir uns im Folgenden mit der Nachfragerseite auseinandersetzen. Um eine genauere Übersicht zu gewinnen, wer in Studentenverbindungen wohnt, sind wir so vorgegangen, dass wir ein Viertel der in Aachen auf Verbindungshäusern lebenden Studenten befragt haben. Zu dem Zweck haben wir zuvor einen Fragebogen erstellt, der sich eingangs mit den Angaben zur Person, zum Haus, zum gemeinschaftlichen Wohnen, sowie dem privaten Wohnen befasst. Im zweiten Teil der Umfrage haben wir Fragen speziell zur Wohnqualität gestellt. Dabei war es uns wichtig, zwischen der Qualität des Hauses und der Gemeinschaft zu unterscheiden. Bezogen auf das Haus fragten wir nach dem Raumprogramm sowie der Wichtigkeit der Lage für die Wahl dieser Wohnform. Hinsichtlich der Gruppe interessierte uns das allgemeine Angebot an Aktivitäten, sowie die Existenz eventueller Nutzungsgemeinschaften. Weiter befragten wir die Bewohner nach den Serviceleistungen, sowie den bereits vorhandenen Einrichtungsgegenständen, die die Wohnqualität zusätzlich sichern. Als letztes gingen wir auf die Wohnqualität jedes einzelnen ein. Das Durchschnittsalter der in der Verbindung wohnenden meist männlichen Studenten ist 22,56 Jahre. Dieses recht geringe Alter, lässt darauf schließen, dass die Fluktuation in Verbindungshäusern sehr hoch ist und immer wieder neue Studenten einziehen. Aus der Umfrage ging auch hervor, dass der Studienerfolg bei den meisten Studenten nicht ganz so groß ist, als wenn man alleine lebt und sich ausschließlich der Arbeit und dem Lernen widmen kann. Unterstützend zu dieser These lässt sich hinzufügen, dass der Semesterdurchschnitt bei 4,3 liegt. Mehr als 40% der Studenten, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind im Studiengang Maschinenbau eingeschrieben. In Anbetracht der Tatsache, dass die RWTH Aachen eine technische Universität ist, ist dies jedoch nicht verwunderlich. Jeder Wohngemeinschaft gehören durchschnittlich 11,5 Personen an. Diese zahlen bei einer durchschnittlichen Zimmergröße von 17,38 qm eine Warmmiete von 113,78 Euro. Das bedeutet für den Quadratmeter ein Grundpreis von 6,55 Euro. Über die Hälfte der befragten Personen fand die Universitäts-/ und Stadtnähe neben der guten Wohnlage ausschlaggebend für die Wahl dieser Wohnform. Die verkehrstechnischen Anbindungen spielten nur eine untergeordnete Rolle. Unter der Rubrik „Sonstiges“ wurden Einkaufsmöglichkeiten, die Nähe zu anderen Verbindungen und eine ruhige Lage genannt. Neben dem persönlichen Zimmer mit den eigenen Einrichtungsgegenständen gibt es ein großes Angebot an gemeinschaftlich genutzten Gegenständen, die die persönliche Wohnqualität bei geringen Kosten erhöht. Dazu zählen Fahrgemeinschaften, gemeinschaftlich genutzte Autos, Fahrräder, Klaviere sowie andere Musikinstrumente. Außerdem wurden genannt: Waschmaschinen, Computer, Faxgeräte, Beamer, Playstations, Kicker, Billardtische oder Premiere - Abos. Das besonders preiswerte Wohnen ( 6,55 Euro pro private qm incl. gemeinschaftliche qm ) sowie das hohe Maß an Gemeinschaftssinn sind bei fast allen Befragten ausschlaggebend für die Wahl dieser Wohnform. Hinzu kommen der große Rückhalt, die vielen Kontakte, die Studienstarthilfe sowie die vielen gemeinschaftlichen Aktionen, aber auch die Nutzungsgemeinschaften. Für fast alle Befragten bietet das Wohnen in der Verbindung genügend Freiraum für die Privatsphäre. Um die Wohnqualität noch steigern zu können kamen Vorschläge zur Aufwertung der Häuser durch notwendige Reparaturen und der Steigerung der Sauberkeit, auch unter den Bewohnern. Seltener gab es Vorschläge hinsichtlich „weniger Regeln“, „mehr Frauen“, „größere Zimmer“ oder Luxusgüter, wie Whirlpool und Sauna. Der Durchschnitt der Befragten würde der eigenen Wohnqualität eine Note zwischen sehr gut und gut geben (1,89). Betrachtet man die Änderungsvorschläge und die Benotung der Wohnqualität, so lässt sich feststellen, dass es eine Grundzufriedenheit unter den Bewohnern gibt. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 79 5 Öffentliche Aktivitäten Zu den Aktivitäten der Verbindungsbewohner gehört es vor allem das Ansehen der Verbindung und deren Anliegen in der Öffentlichkeit zu vertreten. Hierzu zählen sowohl die Darstellung und Umsetzung der unterschiedlichen Prinzipien einer jeden Verbindung (auch) in der Öffentlichkeit, als auch die Neuwerbung von überwiegend männlichen Studenten (in Aachen gibt es nur zwei Verbindungen die Frauen aufnehmen), die in die Verbindung eintreten und meistens auch auf dem Verbindungshaus wohnen wollen. Zur Umsetzung der Prinzipien ist zu sagen, dass jede Verbindung unterschiedliche Schwerpunkte in ihrem Zusammenleben setzt. Für einige sind die Freundschaft, die Verbindung zum Vaterland, die Wissenschaft oder die Religion Leitgrundsätze für ein Miteinander innerhalb der Verbindung, für andere wiederum ein gemeinsames Interesse an Sport, Musik oder Kunst. Viele Verbindungen verknüpfen diese Grundsätze auch mit öffentlichen Auftritten, zum Beispiel bei offiziellen Wettkämpfen oder in mitgestalteten Gottesdiensten, bei denen Vertreter der Verbindung „chargieren“, das heißt ihre Uniformen und ihre verbindungseigenen Farben tragen, während sie sich bei einem Gottesdienst (der von ihnen finanziell durch eine Spende unterstützt wird) im Altarbereich aufstellen. Um Abiturienten oder Studenten auf die Verbindungen aufmerksam zu machen, wird vor allem über das Internet, die Zeitung, Abiturientenmessen oder Mund zu Mund Propaganda geworben und freie Zimmer „auf dem Haus“ angeboten. Alle 35 Verbindungen in Aachen haben zusätzlich zu der Homepage ihres Verbandes, dem sie angehören auch eine eigene Homepage, auf der sie sich und ihr Verbindungshaus kurz vorstellen, einen Überblick über die Verbindungsprinzipien, Eintrittsvoraussetzungen, gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen geben. Fast jede Verbindung bietet Außenstehenden die Möglichkeit, bestimmte Veranstaltungen „auf ihrem Haus“ zu besuchen, um sich in dem Verbindungshaus umsehen und die Mitglieder kennen lernen zu können. So bekommen diese Veranstaltungen, die eigentlich private Zusammentreffen der meist aktiven Verbindungsstudenten sind, bei Besuch von Gästen einen öffentlichen Charakter. Es werden ebenso regelmäßig Partys in den Verbindungshäusern veranstaltet, für die in der Öffentlichkeit mit Plakaten und Flyern geworben wird, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Auf diesen Partys sollen Bekanntschaften geschlossen und Vorurteile gegen Verbindungen abgebaut werden. Zusätzlich werden durch die Einnahmen der Partys Anschaffungen für das Verbindungshaus oder geplante gemeinschaftliche Unternehmungen finanziert. Abb. 3 Auf Abiturientenmessen, die einmal jährlich stattfinden bauen die unterschiedlichen Verbände der Verbindungen Stände auf, die wechselnd von verschiedenen Häusern betreut werden. Dort können sich die einzelnen Verbindungen der nächsten Studentengeneration als Hauptzielgruppe vorstellen. Es wird mit Informationsmaterial der Verbindungen und deren Ansprechpartnern vor Ort versucht, Interesse der Besucher für diese Lebens-/ und Wohnform zu wecken. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 80 6 Offene Fragen Warum können Verbindungsstudenten bei einer Zimmer-Warmmiete von durchschnittlich 6,55 Euro/qm (aufs eigene Zimmer bezogen) oder einer effektiven Warmmiete von 2,38 Euro/qm (auf die pro Person verfügbaren Gesamtquadratmeter bezogen) so preiswert auf einem Verbindungshaus wohnen? Das Verbindungshaus gehört in der Mehrzahl der Fälle einem verbindungseigenem Heimverein, der die Verbindung und ihre finanziellen Aspekte, sowohl die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen der „Alten Herren“ ( Verbindungsstudenten mit einem abgeschlossenen Studium) und Mieten der Hausbewohner als auch die Kosten/Ausgaben für das Haus verwaltet. Dieser besteht aus gewählten „alten Herren“ der Verbindung, die die Ämter des Heimvereinsvorsitzenden und des Heimvereinskassierers besetzen. Aus dem Gespräch mit dem Heimvereinskassierer einer Verbindung ergaben sich folgende Antworten, die ein exemplarisches Beispiel über die finanzielle Lage und die Zusammenhänge einer Verbindung zeigen: In dieser Verbindung gab es im Jahr 2005 ca. 350 „alte Herren“, die jährlich einen Beitrag von je ca. 220 Euro bezahlten. Diese 220 Euro splitten sich dann in drei Teilbeträge, von denen ca. 146 Euro an den Heimverein gehen. 28 Euro gehen an den Verband, in dem sich die Verbindung befindet und 46 Euro gehen an den Altherrenvorstand, der das Geld der Verbindung für Feste oder anfallende Kosten zur Verfügung stellt.Dabei ist der an den Heimverein zu leistende Beitrag von 220 Euro relativ zu sehen, da diesen vollen Betrag nur „Alte Herren“ entrichten müssen, die einen festen Beruf haben und sich diesen Beitrag „leisten“ können. So werden „junge Alte Herren“ die gerade erst mit dem Studium fertig sind und vielleicht noch keinen Job haben von diesem Betrag freigestellt oder müssen je nach Anfangseinkommen einen geringeren Prozentsatz zahlen. So beliefen sich die eingegangenen Gesamtbeiträge 2005 auf ca. 50000 Euro, die mit den Gesamtkosten für das Haus annähernd übereinstimmen. Von diesen 50000 Euro stammen allerdings nur gut 8700 Euro aus Mieteinnahmen des Verbindungshauses. Vergleicht man diesen Betrag allein mit den Gaskosten, die sich 2005 auf ca. 10400 Euro beliefen, kommt man zu dem Schluss, dass die Mieteinnahmen nur rund 17,4% der Gesamtkosten decken und 82,6% über die Altherrenbeiträge finanziert werden.Werden jetzt spezielle Reparaturen oder Anschaffungen in dem Verbindungshaus nötig, bleibt nicht mehr viel Geld für diese übrig. In diesem Fall können diese Anschaffungen oder Reparaturen nur getätigt werden, wenn Spenden „Alter Herren“ geleistet oder ein Kredit aufgenommen wird. Aufgenommene Kredite müssen dann durch die eingehenden Jahresbeiträge abbezahlt werden und ziehen Kürzungen an anderen Stellen mit sich. Da der Heimverein als ein gemeinnütziger Verein eingetragen ist, kann er eingehende Spenden steuerlich absetzen, darf diese Beträge aber nicht ansparen, sondern muss sie umgehend in das Verbindungshaus investieren. Nun stellt sich aber auch die Frage, was passiert, wenn mehrere „Alte Herren“ ihre Beiträge nicht bezahlen können oder wollen? In Anbetracht der Tatsache, dass nur rund 17,4% der Gesamtkosten des Hauses durch Mieteinnahmen gedeckt sind, wäre eine Mieterhöhung nur ein Tropfen Wasser auf den heißen Stein. Bei einer deutlichen Mietpreiserhöhung würde die Attraktivität des Wohnens auf einem Verbindungshaus stark abnehmen. Nun lässt dies keine Rückschlüsse auf nachlassende Mitgliederzahlen zu, aber dennoch wäre anzunehmen, dass sich einige junge Männer dann zweimal überlegen würden, ob sie einer Verbindung beitreten sollen oder nicht, da preiswertes, gemeinschaftliches Wohnen in einer guten Wohnlage kein zu vernachlässigendes Kriterium bei der Wahl dieser Wohnform und dieses Lebensbundes ist. Würde man andererseits die Jahresbeiträge der restlichen „Alten Herren“ anheben, bleibt die Frage, ob diese bereit wären die Mehrlast auf sich zu nehmen, was ja auch einen erheblichen finanziellen Mehraufwand mit sich bringen würde. Als letzte Möglichkeit bliebe noch ein Kredit, der aber nicht abbezahlt werden könnte, da ja zu wenige Beiträge eingezahlt werden. Würde die Zahlung der Beiträge aus irgendwelchen Gründen stoppen, wäre diese Wohnform zum Scheitern verurteilt. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 81 7 Innovative Ansätze Wie im Abschnitt „Offene Fragen“ bereits erwähnt, steht und fällt diese Art der generationsübergreifenden Wohnform mit dem Pflichtbewusstsein und den finanziellen Möglichkeiten der ehemaligen Bewohner, den „Alten Herren“. Bei Verbindungen ist das Prinzip des Lebensbundes durch Freundschaften und gleiche Anliegen tief geprägt und die Mitglieder sind in großem Maße bereit noch über ihre „aktive“ Burschenzeit hinaus die neuen Generationen finanziell zu unterstützen. So besuchen viele „Alte Herren“ noch lange Zeit nach ihrem Studium die eigene Verbindung zu Festen und Feierlichkeiten. Sie sind nicht nur zu Stammtischen oder Vorträgen gern gesehene Gäste, mit denen man abends auch schon mal das ein oder andere Bierchen an der Theke trinkt. Dieses altersunabhängige Miteinander und das Lernen voneinander stärkt die Bindung innerhalb der Gemeinschaft nur zusätzlich. Abb. 4 In einigen Verbindungen gibt es Fonds, die eingerichtet werden, um in Not geratenen „Alten Herren“ finanzielle Hilfe zukommen zu lassen. Dieses Gefühl der Sicherheit innerhalb einer Gruppe verbindet die Mitglieder. Viele „Alte Herren“ sind gerne bereit ihren Beitrag zu dieser Gemeinschaft zu leisten, solange es ihnen finanziell möglich ist, mit der Gewissheit im Notfall von eben dieser Gesellschaft wieder aufgefangen zu werden. Es gibt ihnen ein gutes Gefühl eine Gruppe von jungen Verbindungsstudenten zu unterstützen, in derselben Weise, wie sie selbst während des Studiums unterstützt wurden. Im Prinzip ist der Lebensbund mit der Verbindung und die Wohnform des Verbindungshauses zu nehmen solange man studiert und zu geben sobald man eigenes Geld verdient, ein sehr innovativer Ansatz, der sich seit Generationen in Verbindungen bewährt hat und sich wahrscheinlich auch noch über viele Generationen bewähren wird. Dieser Ansatz ist schwer auf andere Wohnformen oder Gruppen übertragbar, da sich in den seltensten Fällen gemeinsame Interessen finden lassen, die auch ein Leben lang anhalten und die Personen miteinander verbinden. Warum sollten ältere Menschen für jüngere Generationen zahlen, die sie wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben gesehen haben? Dieses setzt schon ein hohes Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe voraus, die generationsübergreifend dieselben Prinzipien vertreten und nach ihnen handeln. Abb. 5 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 82 8 Fazit Zum Thema Wohnqualität in einem Verbindungshaus ist zu sagen, dass einem Verbindungsstudenten mit 47,83 qm überdurchschnittlich viel Wohnfläche zu einem Quadratmeterpreis zur Verfügung steht, der mit 2,38 Euro/Gesamtquadratmeter Warmmiete weit unter dem Durchschnitt von 9,67 Euro/Quadratmeter Warmmiete liegt. Findet ein Student eine Verbindung, die seinen Bedürfnissen und Neigungen entspricht und möchte er dem Lebensbund dieser Verbindung auf Lebenszeit beitreten, so kann er während seiner Studienzeit äußerst preiswert unter gleichgesinnten Freunden und Bekannten auf einem Verbindungshaus wohnen. Jedoch ist dieses Wohnverhältnis auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt um neuen, jüngeren Verbindungsstudenten Wohnraum „auf dem Verbindungshaus“ bieten zu können. Danach muss jeder Verbindungsstudent sich eine eigene Wohnung nehmen, oder sich zu anderen Wohnformen zusammenfinden. Es handelt sich bei dieser Wohnform also um ein zeitlich begrenztes, preiswertes Wohnen, das einem neuen Studenten den Studieneinstieg und die Kontaktaufnahme zu anderen Studenten in meist fremden Städten fernab der Heimatstadt erleichtern soll. Dem Bewohner stehen sowohl besondere Einrichtungsgegenstände wie z.B. eine Waschmaschine oder eine Sauna vom Zeitpunkt des Einzuges im Haus zur Verfügung, als auch bestimmte Dienstleistungen wie z.B. einen Putzservice, die bereits im geringen Mietpreis enthalten sind. Das Zusammenleben auf einem Verbindungshaus wird durch festgelegte Regeln und Verhaltensweisen mitbestimmt, um einen organisierten Ablauf des gemeinsamen Wohnens und der Formalitäten zu gewährleisten. Der Bewohner eines Verbindungshauses hat viele Freiheiten, muss sich aber an festgesetzte Regeln halten, sonst kann er nach mehrmaliger Verwarnung aus der Verbindung und somit auch aus dem Verbindungshaus ausgeschlossen werden. Außerdem wird er in keiner anderen Verbindung in Aachen mehr aufgenommen. Sollte ein Student sich entscheiden einer Verbindung beizutreten, so hat er ein Jahr lang Zeit, sich während seiner „Fuchsenzeit“ endgültig für oder gegen ein Verbindungsleben zu entscheiden, da er nach dieser „Probezeit“ die Verbindung noch verlassen kann. Da es sich um einen Lebensbund, mit einer Mitgliedschaft bis zum Tod handelt, sollte allein der Aspekt des (preiswerten) Wohnens auf einem Verbindungshaus nicht der ausschlaggebende Punkt für einen Beitritt in eine Verbindung sein. Um abschließend einen kurzen Vergleich zu ziehen, ist zu sagen, dass Eigentums-/ oder Mietwohnungen zwar auch einen gehobenen Standard bieten, aber bei weitem nicht an das hervorragende Preis-Leistungs-Niveau eines Verbindungshauses heran kommen. Studentenwohnheime gehören eher derselben Preiskategorie wie Verbindungshäuser an, bieten aber nicht annähernd so viel Komfort und Platz für den einzelnen Student. So liegt der Schnitt der gemeinsam genutzten Küchen, Duschen oder Toiletten durch die große Zahl der Studenten in Wohnheimen wesentlich über dem einer Studentenverbindung. Als Fazit bleibt zu sagen, dass es wohl keine andere vergleichbare Wohnform für Studenten gibt, in der diese so preiswert und doch komfortabel, in meist zentrumsnaher, gehobener Wohnlage wohnen können. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 83 9. Quellenangaben Eine Umfrage unter 396 Verbindungsstudenten in 30 von 35 Verbindungen in Aachen. Ein Gespräch mit dem Heimvereinskassierer einer Verbindung, die aus Datenschutzgründen nicht namentlich erwähnt wird, über die Finanzierung eines Verbindungshauses. www.baltia.de www.franconia-aachen.de www.marchia.de www.makaria-cv.de www.k.d.st.v.kaiserpfalz.de www.bergland-aachen.de www.ripuaria-aachen.de www.carolingia.de www.kstvwiking.de www.pruthania.de www.alania-breslau.de www.grolu.de www.corps-marko-guestphalia.de www.corps-montania.de www.corps-paleo-teutonia.de www.corpsdelta.de www.saxo-montania.de www.corps-saxonis-berlin.de www.corpsfranconia.de www.promerania.de www.db-alemannia.de www.alania-aachen.de www.burschenschaft-libertas.de www.abteutonia.de www.cheruscia-dresden.de www.unitas-reichenstein.de www.assindia.unitas.org www.rhenopalatia-aachen.de www.vdst-aachen.de www.atv-aachen.de www.westmark-aachen.de www.corps-borussia-breslau.de www.amvarion.de www.sv.org www.wingolf.org/aachen www.rheno-borussia.rwth-aachen.de www.adc-laetitia.de www.butt-verein.de www.avl.lu www.cartellverband.de Abbildung 1: Lageplan der Verbindungshäuser in Aachen Abbildung 2: Verbindungshaus „Dreizehnlinden“ der K.D.St.V.Kaiserpfalz Abbildung 3: Cocktailparty K.D.St.V.Kaiserpfalz Abbildung 4: Stammtisch Mainzer Wingolf Abbildung 5: Verbindungsprinzipien Uni-Heidelberg Studentenkarzer Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 84 10. Anhang Interview am 28.Februar 2006 mit dem Heimvereinskassierer einer aus Datenschutzgründen nicht genannten Verbindung über die Finanzierung eines Verbindungshauses Frage: Wie viele „Alte Herren gibt es, die monatlich oder jährlich Beiträge bezahlen? Und wie hoch ist dieser Beitrag? Antwort: Es gibt momentan ca.350 „Alte Herren“ die jährlich einen Beitrag von insgesamt ca.50000 Euro an den Heimverein bezahlen. “Junge Alte Herren“ die gerade ihr Studium beendet und vielleicht noch keinen Job haben, werden von diesem Betrag freigestellt, oder müssen nur einen geringeren Prozentsatz bezahlen. Frage: Auf welche Summe belaufen sich die gesamten jährlichen Unterhaltskosten für das Verbindungshaus? Antwort: Die Kosten werden in etwa durch die Mieteinnahmen aus dem Haus und den Altherrenbeiträgen gedeckt, sie liegen also ca. bei 50000Euro. Frage: Welchen Anteil am Gesamtbetrag der Einnahmen haben die Mieteinnahmen? Antwort: Die Mieteinnahmen lagen 2005 bei 8700Euro. Betrachtet man allein die Gaskosten von 10400Euro sieht man, dass die Mieteinnahmen noch nicht einmal diese abdecken. Die Mieten haben eher einen symbolischen Wert, da sie in Bezug auf die Gesamtkosten des Hauses eher ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Frage: In wie weit werden die Beiträge in das Verbindungshaus gesteckt? Gibt es Rücklagen? Antwort: Der Heimverein einer Verbindung ist als gemeinnütziger Verein eingetragen und darf somit kein Kapital ansparen. Spenden können auch steuerlich abgesetzt werden. Alles Geld, das an den Heimverein geht, wird in das Verbindungshaus investiert. Frage: Was passiert, wenn Reparaturen oder größere Anschaffungen für das Haus benötigt werden? Antwort: Bei größeren Anschaffungen oder Reparaturen ins die Verbindung auf Spenden der „Alten Herren“ angewiesen oder muss einen Kredit bei der Bank aufnehmen, der dann nach und nach von den Beiträgen abbezahlt wird. Frage: In wie weit ändern sich die Mieten, wenn die „Alten Herren“ ihre Beiträge nicht bezahlen? Antwort: Es würde nichts nützen die Mieten zu erhöhen. Die Mieten gehen im Vergleich zu den Beiträgen so wenig ins Gewicht, dass sich eine Mieterhöhung kaum bemerkbar machen würde. Frage: Wie würde dieser fehlende Betrag ersetzt werden? Würden die Jahresbeiträge der „Alten Herren“ erhöht? Antwort: Das wäre eine Möglichkeit. Es stellt sich aber die Frage in wie weit die „Alten Herren“ bereit wären, diese Erhöhung zu finanzieren. Ansonsten müsste an anderer Stelle gespart werden. Frage: Wie wurde die Finanzierung in früherer Zeit geregelt? Wurden schon immer Beiträge bezahlt? Antwort: Ja, soweit ich weiß, wurden schon immer Beiträge von den „Alten Herren“ bezahlt oder Geldspenden geleistet. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 85 Wohnformen für Senioren in Aachen Tanja Haberland, Miriam Uebber Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 86 Inhalt Wohnformen für Senioren in Aachen 1 Einleitung 2 Seniorenheime 3 Beispiele 4 Fazit 5 Quellenangaben und Bildverzeichnis Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 87 1. Einleitung Vorwort Mit diesem Referat zum Thema „Ab ins Heim – Die Seniorenresidenz“ für das Seminar ‚Wohnen in der Stadt’ wollen die Verfasser das heutige Angebot an Seniorenheimen einmal genauer untersuchen. Es stellt sich die Frage: Entsprechen die Heime ihrem schlechten Ruf oder sind sie heutzutage vielleicht mehr als nur eine unwürdige „Verwahranstalt“ für alte Menschen? Dazu definieren die Autoren zunächst, wer als Senior gilt und welche Wohnformen es allgemein für alte Menschen gibt. In einem nächsten Schritt wird untersucht, was Seniorenheime im Speziellen bieten (sollten), wie sie finanziert werden und wo und wie viele es davon in Aachen gibt. Schließlich haben die Verfasser zwei Beispiele für umfangreich ausgestattete Seniorenheime in Aachen herausgesucht und bezüglich Leitgedanken und Grundsätze, Art und Umfang der Leistungen und Angebot der einzelnen Wohnformen untersucht. Definition: Senior Der Begriff Senior umfasst im sprachlichen Sinn mehrere Bedeutungen. Zum einen beschreibt der Begriff des Seniors einen älteren Menschen jenseits des Erwerbsalters, also ab einem Alter von 65 Jahren. Mit dieser Definition wollen wir uns hier weiter beschäftigen. Der Begriff beschreibt allerdings auch noch weitere Definitionen. Denn Sportler zählen zum Beispiel schon ab einem Alter von ca. 30 Jahren zu den Senioren. Studenten in den USA nennt man ab dem 7. Semester Senior. Und in der Kaufmannssprache bezeichnet der Senior den älteren Teilhaber. Des Weiteren ist der Senior auch eine Amtsbezeichnung für leitende Geistliche im evangelischen städtischen Kirchenwesen. Wohnformen für Senioren in Aachen In Aachen gibt es viele verschiedene Wohnformen für Senioren. Die wohl bekanntesten Wohnformen sind die Alten-, Pflege- und Altersheime. In diesen Heimen werden Senioren rund um die Uhr von Fachpersonal gepflegt und betreut. Neben den Wohnformen der Heime gibt es in Aachen diverse alternative Möglichkeiten des Wohnens für alte Menschen. Darunter zählt zum Beispiel das betreute Wohnen. Diese Form des Wohnens ist den Heimen nahe. Den Bewohnern werden medizinische, pflegerische und betreuerische Leistungen geboten. Im Gegensatz zu den Heimen hat der Bewohner allerdings mehr Freiheiten, da er in einer eigenen Wohnung lebt und somit selbständiger ist. Des Weiteren gibt es für Senioren vom Sozialamt Wohnberechtigungsscheine, die den Besitzern finanzielle Unterstützung bieten. Auch der Wohnungstausch stellt eine adäquate Alternative dar. Bei diesem von der Stadt betreutem Programm können Menschen ihre Wohnungen untereinander tauschen. Zum Beispiel könnten ältere Leute, die auf dem Land leben ihre Wohnung mit einer jüngeren Familie aus der Stadt tauschen, um somit besser an die Versorgungsmöglichkeiten der Stadt angeschlossen zu sein. Wenn der Senior in seiner eigenen Wohnung/Haus leben bleiben möchte gibt es auch die Alternative der häuslichen Pflege. Hierbei wird der Patient zu Hause von mobilen Diensten medizinisch versorgt und in seinem täglichen Leben unterstützt. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 88 Des Weiteren gibt es eine ganze Reihe von alternativen Wohnformen wie zum Beispiel Senioren-Wohngemeinschaften, Telefonketten oder diverse Wohnprojekte für gemeinschaftliches Wohnen für Jung und Alt. Historischer Hintergrund Heime für Senioren sind die bekanntesten und traditionellen Einrichtungen für ältere Menschen. Nach dem 2. Weltkrieg waren sie noch nicht mehr als `Verwahranstalten´. Im Laufe der 60er und 70er Jahre wandelten sie sich in krankenhausähnliche Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige behandelt wurden. Doch viel mehr als eine medizinische Versorgung wurde den Menschen nicht geboten. Erst seit Beginn der 80er Jahre sind die Heime in erster Linie Wohnstätten, in denen die Bewohner entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse gepflegt und versorgt werden und sich wohl fühlen sollen. Es steht nicht nur die medizinische Versorgung im Mittelpunkt, sondern der Aufenthalt im Heim wird als Serviceleistung für die Bewohner angesehen. Der Gast soll zufrieden sein und sich wohl fühlen. 2 Seniorenheime Definition Altersheim und Altenheim Unter dem Begriff Altersheim versteht man grundsätzlich ein Heim, in dem ältere Menschen leben und betreut werden. Altenheime hingegen gehen noch darüber hinaus. Im Gegensatz zum Altersheim bieten sie mehr Wohnraum für alte Menschen, zumindest ein gewisses Maß an Grundpflege und zusätzlich gemeinnützige Einrichtungen zur Freizeitgestaltung der älteren Herrschaften. Unterschiede zu anderen Wohnformen Seniorenheime sind gemeinschaftliche Wohnstätten mit Pflege- und Freizeitbetreuung und zudem eine Art „autarkes System“, also eine in sich abgeschlossene Einrichtung, in der die Senioren alles bekommen, was sie benötigen (quasi ohne das Gelände zu verlassen). Der Nachteil ist, die alten Menschen müssen ihr Zuhause verlassen und sich im hohen Alter noch an neue Umstände anpassen. Alternativ dazu gibt es Wohnformen für Alte, die eine selbstständige Organisation des Alltags gewährleisten. Dadurch ist sichergestellt, dass die Senioren nicht aus ihrem gewohnten Wohnumfeld gerissen werden beziehungsweise sie ihr Milieu selbst gestalten können, also in ihre Gesellschaft integriert bleiben. Dazu gehören die private Wohnung, zu Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 89 der bei Bedarf ein mobiler Pflegedienst in Anspruch genommen werden kann und Wohngruppen und -projekte im Sinne von betreutem Wohnen. Altenheime in Aachen Im Aachener Stadtgebiet gibt es 31 Senioren- und Pflegeheime. Teilweise unterliegen sie privaten Organisationen oder wohltätigen Einrichtungen wie zum Beispiel der Caritas, dem diakonischen Hilfswerk oder der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Größtenteils konzentriert sich ihre Lage auf den Innenstadtbereich, wo eine gut ausgebaute Infrastruktur vorzufinden ist, und auch an attraktiven Grünflächen wie dem Westpark oder dem Stadtpark, wodurch den Bewohnern ein noch größerer Freiraum gesichert wird als die Einrichtung sie bieten kann. Grundleistungen eines Heimes Was genau leisten nun Heime? Da wären als erstes die Unterkunft in einem (Ein- oder Mehrbett-) Zimmer und die Verkostung der Bewohner, sowie eine gewisse Grundpflege. Je nach Anordnung eines Arztes kann auch eine spezielle Behandlungspflege beziehungsweise rehabilitative und aktivierende Maßnahmen durchgeführt werden. Außerdem gehört zu den selbstverständlichen Leistungen die soziale Betreuung der alten Menschen. Zusätzlich werden vom Heim kulturelle Veranstaltungen angeboten, wodurch die Bewohner ihre Freizeit gestalten können. Finanzierung der Betreuungs- und Pflegekosten Die monatlichen Kosten für Unterkunft, Verpflegung etc. werden von den Bewohnern selbst getragen. Hierbei unterscheiden sich die meisten Heime im Preis-Leistungs-Verhältnis. Für ein größeres Angebot an Speisen, größere Wohnräume und ähnliches verlangen die Heime selbstredend mehr Geld. Bezüglich der Pflegeleistungen bekommen die Senioren je nach Pflegestufe (1-3) Zuschüsse durch die Pflegekasse. Falls ein Bewohner nicht mehr für die Heimkosten aufkommen kann, werden seine Kinder oder Angehörigen in die Pflicht genommen. Sollten auch diese die Unkosten nicht bezahlen können, bezuschusst das Sozialamt den Heimaufenthalt. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 90 3 Beispiele Seniorenpark Carpe Diem Senioren-Park carpe diem Aachen Robenstraße 19-31 52070 Aachen Tel.: 0241/51541-0 eMail: [email protected] Die Gesellschaft Die carpe diem Gesellschaft für den Betrieb von Sozialeinrichtungen mbH wurde 1998 mit Sitz in Erfurt gegründet. Derzeit werden von der Gesellschaft fünf Einrichtungen in Aachen, Niederselters, Minden, Wermelskirchen und Meissen betrieben. Für die Zukunft sind weitere Anlagen geplant. Insgesamt verfügt carpe diem derzeit über ca. 500 Betten, 140 betreute Wohnungen, eigene Gastronomie sowie physiotherapeutische Praxen. 460 Mitarbeiter sind zurzeit bei der Gesellschaft angestellt. Betriebskonzept und Ziele Der Name der Gesellschaft ist auch Leitbild. Carpe diem… Nutze den Tag…, den Gästen soll so viel Selbständigkeit wie möglich gegeben und so viel Betreuung wie nötig entgegen gebracht werden. Selbstverständlich stehen die Fürsorge, medizinische Versorgung, Betreuung und Pflege an oberster Stelle, aber auch die Kommunikation untereinander und dem gemeinschaftlichen Leben wird eine hohe Wichtigkeit beigemessen. Es soll keine Einsamkeit und Langeweile geben. Die Angebote des Heimes werden als Dienstleistungen gesehen. Daher wird auf der Anbieterseite auch stets Wert auf gute Qualität und Leistungsfähigkeit gelegt. Die Heime werden als offene Einrichtungen verstanden. Die Einbindung in das Gemeinwesen, Kontakte zu anderen Gruppen, Vereinen, Kirchengemeinden, Schulen und Kindergärten wird stets gepflegt. Es soll damit nicht nur die Kommunikation innerhalb des Hauses unterstützt werden, sondern auch die Integration in das tägliche öffentliche Leben wird hierdurch gefördert. Niemand soll einsam und abgeschottet in dem Heim leben, sondern in den Alltag eingebunden sein. Doch nicht nur der Alltag und die Pflege stehen im Vordergrund. Auch Krankheiten und das Sterben werden als ein natürlicher Teil des Lebens angesehen. Diese Themen werden nicht als Tabu behandelt, sondern offen angesprochen. Standort Der Standort wird am jeweiligen Ort so gewählt, dass er in zentraler Lage ist. Die gute Verkehrsanbindung mit dem Auto und öffentlichen Verkehrsmitteln wird hierdurch sichergestellt. Des Weiteren sollen alle Einrichtungen des täglichen Bedarfs fußläufig erreichbar sein. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 91 Gebäudekonzeption Jeder Seniorenpark der carpe diem besteht aus ca. 90-120 Pflegeplätzen und ca. 30 betreuten Wohnungen. Der geschlossene Krankenhauscharakter soll vermieden und der Wohncharakter mehr in den Vordergrund gestellt werden. Die innere Struktur ist für die Stationäre- und Kurzzeit-Pflegeplätze sowie die betreuten Wohnungen ausgelegt. Die gewählten Gebäudekonzepte variieren dabei zwischen den Formen eines H´s, eines U´s, eines Y´s, eines I´s oder eines E´s. die verschiedenen Konzepte ermöglichen eine gute Belichtung aller Zimmer und kurze Verbindungs- und Erschließungswege. Die Aachener Anlage Lage des Aachener Hauses Die Anlage liegt in Aachen direkt am Stadtgarten in direkter Nachbarschaft zum Kongresszentrum. Es ist nahe gelegen zum Dom und der historischen Innenstadt. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 92 Aufbau der Anlage Insgesamt beherbergt die Aachener Anlage 91 Pflegeplätze und 28 betreute Wohnungen. Das Pflegeheim besteht aus dem Pflegebereich, den medizinischen und therapeutischen Einrichtungen, Serviceeinrichtungen sowie einem Café. Der Bereich ist nach dem Wohngruppenprinzip organisiert. Das bedeutet, dass jeweils 10 Appartements (10-12 Bewohner), in einer Wohngruppe zusammen leben. Die Bewohner dieser Wohngruppe leben dort in einer Art Familie zusammen, teilen sich gemeinsame Einrichtungen wie eine Tee-Küche und Wohnbereich, nehmen gemeinsam die Mahlzeiten ein usw. Der gesamte Pflegebereich ist ausgestattet mit Möbeln und diversen Pflegeeinrichtungen. Allerdings können auf Wunsch auch die eigenen Möbel mitgebracht werden. Jede Etage/Wohngruppe hat einen eigenen Schwestern-/Pflegestützpunkt. Die Betreuerinnen sind konstant einer Gruppe zugeteilt, so dass auch sie in die Gruppe integriert sind und eine familiäre Atmosphäre aufkommen kann. Betreutes Wohnen In der ganzen Anlage gibt es 28 betreute Wohnungen mit 42-61m² für 1- oder 2Personenhaushalte. Die Wohnungen sind als eigene Wohnungen mit völliger Selbständigkeit organisiert. Dennoch sind auch hier die Vollpflege und der gesellschaftliche Anschluss durch die direkte Anbindung an das Haupthaus mit dem Pflegeheim und dem Restaurant garantiert. Alle im Pflegeheim angebotenen Serviceleistungen, Einrichtungen und Angebote sind für die Bewohner der betreuten Wohnungen mit inbegriffen. Zusätzlich besteht bei Bedürfnis ein Anspruch auf die Aufnahme im Pflegeheim. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 93 Wohn- und Pflegezentrum St. Philipp Neri Lage und Geschichte Das Wohn- und Pflegezentrum Sankt Philipp Neri befindet sich im Westen der Stadt, auf der Aachener Hörn (Johannes-von-den-Driesch-Weg 4). Im Jahre 1968 wurde es zunächst lediglich als Seniorenheim gegründet und vier Jahre später wurden Seniorenwohnungen eingerichtet, in denen seither betreutes Wohnen stattfinden kann. Außerdem wurde ein Therapiebereich angelegt, der von da an physikalische Therapien ermöglicht. Etwas später, 1986, wurde die Anlage wiederum erweitert, diesmal um den Hospizbereich. Denn die Bedeutung der Sterbebegleitung nahm immer mehr zu. 1998 richtete man in dem Wohn- und Pflegezentrum dann die Tagespflege ein, um so auch eine tageweise Pflegemöglichkeit bieten zu können. Die bisher letzte Neuerung im St. Philipp Neri war dann 2002 die intensive Langzeitpflege, in der nicht nur alte Menschen, sondern auch junge, schwerstbehinderte Menschen gepflegt und betreut werden können. Wer war Philipp Neri? Der Namenspatron des Wohn- und Pflegezentrums Philipp Neri wurde 1515 in Florenz / Italien geboren. In Rom studierte er Theologie und Philosophie und kümmerte sich fortan um die Bedürfnisse der Armen und Kranken. Zudem widmete er sich der religiösen Unterweisung der einfachen Leute auf der Straße. Nachdem er sein Studium beendet hatte, wurde er Priester. Von nun an kümmerte er sich hauptsächlich um arme und kranke Menschen. 1595 starb er in Valicella / Italien. Seitdem wird er als Heiliger verehrt, als der „gute Philipp“. Philipp Neri, nach Peter-Paul Rubens Leitgedanke des Seniorenzentrums „Denn wenn Gott mit uns ist, dann haben wir nichts zu fürchten.“ Dies ist ein Zitat des Heiligen Philipp Neri und wurde zum Leitgedanken des Heims. Es drückt das Streben nach einem würdevollen Dasein für die Menschen aus. Die Beschäftigten des Seniorenzentrums setzen sich für eine optimale Betreuung und Pflege ein. Die Ziele sind, zum einen innerhalb der Pflegeanstalt eine familiäre Atmosphäre zu schaffen und zum anderen den Kontakt zu den Familien der Bewohner aufrecht zu erhalten. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 94 Katholizität und Toleranz Wie oben bereits angemerkt, gründet sich das Heim auf den Grundsätzen des Oratoriums des Heiligen Philipp Neri. Aufgrund dessen hat das Pflegezentrum einen katholischen Hintergrund. Demnach werden in der Woche drei heilige Messen und zusätzliche Andachten gehalten und ein eigener Hauspfarrer steht ständig zur Verfügung. Zusätzlich wird dieser von Ordensschwestern in seiner Arbeit unterstützt. Da nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten in dem Heim leben, wird auch einmal im Monat ein evangelischer Gottesdienst angeboten. Es werden jedoch nicht nur Christen in dem Heim aufgenommen. Mieter, Bewohner und Gäste unabhängig von Glauben, Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit finden hier eine Unterkunft und die optimale Pflege. Leistungen Welche genauen Leistungen beinhalten nun die einzelnen Einrichtungen innerhalb des Wohn- und Pflegezentrums? Als erstes wird das Seniorenheim betrachtet. Dort können alle Senioren aufgenommen werden, wobei es keine Rolle spielt, ob sie gesundheitlich fit sind, gering pflegebedürftig oder stark pflegebedürftig sind (Pflegestufen 1 bis 3). Sie wohnen in modern eingerichteten, wohnlichen Zimmern, die einiges an Komfort bieten. Im Speisesaal bekommen die Bewohner nicht nur normale, sondern auch diätetische und vegetarische Speisen. Zudem können die Bewohner aus einer großen Vielfalt an therapeutischen Angeboten wählen: Gymnastik und Bewegung (Krankengymnastik, Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage, Manuelle Therapie, Schlingentisch-Therapie, Extension), Massagen und Anwendungen (Ganzkörpermassage, Groß- u. Teilmassagen, Bindegewebs-Massage, Unterwasser-Massage, Fango-Anwendung, Iontophorese, Fußreflexzonen-Massage, Heißluft, Eisanwendung, Heiße Rolle) und Wellness- und Bewegungsbadangebote (Medizinische Fußpflege, Krankengymnastik im Wasser, Aquafitness-Kurse, Verordnetes und freies Schwimmen, Sauna). Nach Angaben der Heimleitung ist das Heimangebot zu ca. 99 Prozent der 107 Plätze ausgelastet. Die Intensive Langzeitpflege des Pflegezentrums Philipp Neri beinhaltet quasi die gleichen Angebote wie auch das Seniorenheim. Jedoch werden hier nicht hauptsächlich Alte betreut, sondern vor allem junge beziehungsweise jüngere Menschen, die durch Unfälle oder Krankheiten schwerstbehindert sind und somit Pflege und Betreuung rund um die Uhr benötigen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 95 Das Hospiz ist für alle diejenigen gedacht, deren Krankheiten und Leiden in einem Krankenhaus nicht mehr therapierbar sind und die sich in der letzten Lebensphase befinden. Da die Angehörigen den Beistand oft nicht mehr allein leisten können, bemühen sich die Angestellten und Mitarbeiter, die in sozialer und seelsorglicher Betreuung ausgebildet sind, um eine würdevolle, fürsorgliche Sterbebegleitung. Dabei wird dafür gesorgt, dass die Sterbenden anhand einer individuell ausgerichteten Schmerztherapie möglichst ohne Leiden ihre letzten Tage und Wochen verbringen. Das Hospiz ist derzeit zu ungefähr 50 Prozent belegt. In die Seniorenwohnungen können sowohl Einzelpersonen als auch Paare einziehen. Alle Wohnungen sind neben dem großzügigen Wohn- und Schlafbereich mit einer eigenen Küche, einem Bad und einem Balkon oder Terrasse mit Blick ins Grüne ausgestattet. Die meist sehr eigenständigen Bewohner können aber auch den Essensservice nutzen, wodurch die Mahlzeiten direkt im Zimmer serviert werden. Bei Bedarf wird jederzeit in der Wohnung pflegerische Hilfe angeboten. Auch besteht die Möglichkeit, die Wohnung regelmäßig reinigen zu lassen oder die Hilfe eines Hausmeisters zu beauftragen. Da sich die Seniorenwohnungen großer Beliebtheit erfreuen, sind sie zu mehr als 100 Prozent belegt und weisen eine lange Warteliste auf. Die Einrichtung der Tagespflege ist für diejenigen älteren und hilfebedürftigen Menschen vorgesehen, die noch in ihrer eigenen Wohnung leben, jedoch an einem oder an mehreren Tagen der Woche tagsüber die Pflegeangebote des Heims nutzen möchten. Dazu gehört auch der Transportdienst von und nach Hause. Ein weiteres Pflege- und Betreuungsangebot des Seniorenzentrums Philipp Neri ist die so genannte Kurzzeitpflege. Hier werden solche Senioren für einen Zeitraum von einigen Wochen aufgenommen, die in der Regel zu Hause von Verwandten gepflegt werden, jedoch in deren Abwesenheit (zum Beispiel Urlaub) auf andere Personen / Einrichtungen angewiesen sind. In der Kurzzeitpflege erhalten sie die gleichen Betreuungs-, Pflege- und Freizeitangebote wie die Bewohner des Seniorenheims. Neben oben genannten Pflege- und Betreuungseinrichtungen bietet das Wohn- und Pflegezentrum St. Philipp Neri den Bewohnern auch Freizeitangebote. Dazu gehören eine modern ausgestattete Kegelbahn, ein hauseigener Friseursalon, musikalische Animationsnachmittage und Filmvorführungen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 96 4. Fazit Die eingangs gestellte Frage, ob die Heime ihrem schlechten Ruf entsprechen oder ob sie heutzutage vielleicht mehr als nur eine unwürdige „Verwahranstalt“ für alte Menschen sind, lässt sich wie folgt beantworten: Zwar gibt es nach wie vor Heime, in denen die alten Menschen aufgrund von Personal- und Qualitätsmangel eher „dahinvegetieren“. Jedoch entwickeln sich viele Seniorenheime in eine neue, qualitäts- und serviceorientierte Richtung. Es entstehen hotelartige Residenzen (siehe Carpe Diem). Die im Heim lebenden Senioren sollen sich wohl fühlen und möglichst lange geistig und gesundheitlich fit bleiben. Durch umfangreiche Pflegeangebote können die Bedürftigen ihrer Pflegestufe entsprechend ausführlich behandelt und gefördert werden. Diese Verbesserung schließen wir unter anderem aus dem demographischen Wandel. Da es immer mehr Senioren in der Gesellschaft gibt, wird ihre Rolle in der Gemeinschaft selbstverständlich auch immer wichtiger. Der Markt hat sie daher als potentiellen Kunden längst erkannt und richtet das Angebot nach ihnen. Diesem Wandel folgt daher auch der Wohnungsmarkt, der altengerechten Wohnungen und Heimplätze nun als Produkt und Dienstleistung anbietet. Allerdings muss man auch sagen, dass die Heime immer noch ein eher schlechtes Image vermitteln. Die meisten Menschen sehen unweigerlich immer noch ausschließlich das typische Pflegeheim, die Verwahranstalt, vor sich, wenn sie an Heime denken. Sicherlich gibt es diese Typen der Heime auch immer noch, allerdings gibt es heutzutage viele Alternativen hierzu. Auf der Angebotspalette gibt es nicht nur das eine `Musterbeispiel´ des Heimes, sondern viele verschiedene Wohnformen. Das Angebot reicht von hospizartigen Sterbeheimen über krankenhausartige Pflegeheime bis hin zu hotelartigen Residenzen. Der Kunde kann also seine Wohnform seinen Bedürfnissen anpassen. Dennoch muss man auch hinzufügen, dass das Wohnen in einem residenzartigen Seniorenheim auch eine Kostenfrage ist. Durch die vielen Angebote und die noblere Ausstattung entstehen selbstverständlich höhere Kosten, die vom Bewohner, beziehungsweise dessen Angehörigen, übernommen werden müssen. Senioren mit geringer Rente und ohne Erspartes bleibt daher meist der Einzug in reguläre Heime, falls ein Leben in der eigenen Wohnung nicht mehr möglich ist. 5 Quellenangaben Informationen zu Wohnprojekten „gemeinschaftliches Wohnen“ für ältere Menschen in Aachen Leitstelle Älter werden in Aachen: Finanzielle Hilfen – Beratung und Bezuschussung Leitstelle Älter werden in Aachen: Einrichtungen der Altenarbeit in Aachen 2005/2006 http://www.wpz-aachen.de/index.html http://www.kliniken.de/pflegeheime/a-z/altenheim/Aachen-1.htm http://www.senioren-park.de/Seiten/Frames/home.html http://www.aachen.de Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 97 Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Wohnbedarf im Alter Annette Borycka, Sebastian Maußer Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 98 Inhalt Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Wohnbedarf im Alter 1 Einleitung 2 Demographische Situation in Deutschland 3 Demographische Situation in Aachen 4 Überblick über Wohnungsangebote im Alter 5 Wohnungsnachfrage älterer Menschen 6 Wohnungsangebote vs. Wohnungsnachfrage in Aachen 7 Prognose des Wohnbedarfes in Aachen im Hinblick des demographischen Wandels 8 Fazit 9 Quellenangaben und Bildverzeichnis Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 99 1 Einleitung Mit zunehmendem Alter ändern sich für viele Menschen die Wohnbedürfnisse. Besonders bedingt durch Krankheit im Alter können sich viele Menschen nicht mehr selbst versorgen und sind somit gezwungen, Dienstleistungen, welche das Wohnen erleichtern, in Anspruch zu nehmen. Natürlich gibt es auch Menschen, die aufgrund von Einsamkeit ihre ursprüngliche Wohnsituation verändern und sich auf andere Wohnformen einlassen. Eine wichtige Bedeutung bekommt das Wohnangebot für ältere Menschen dann, wenn man sich die demographische Entwicklung, die sich in Deutschland abzeichnet, vor Augen führt. Deutschland altert schneller als fast alle Länder dieser Welt und hat eine der niedrigsten Geburtenraten überhaupt. So wird das Medianalter der Deutschen, also jenes Alter, das die Bevölkerung in zwei gleiche Gruppen von älteren und jüngeren Personen teilt, bis zum Jahr 2035 auf über 50 ansteigen. Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch auf regionaler Ebene, wie zum Beispiel in Aachen (1). Aus diesem Grunde wird die Wohnsituation für ältere Menschen in den kommenden Jahren eine der wesentlichen Handlungsfelder der Stadtentwicklung sein. Das Ziel dieses Aufsatzes ist, einen Überblick über das Wohnangebot für alte Menschen in Aachen, im Hinblick auf die demographische Entwicklung zu geben. Die weitere Arbeit gliedert sich wie folgt: Abschnitt zwei beschäftigt sich mit der demographischen Situation in Deutschland. Der dritte Abschnitt zeigt die demographische Situation in Aachen. Im vierten Abschnitt wird ein allgemeiner Überblick über das Wohnungsangebot im Alter gegeben. Im fünften Abschnitt wird die Wohnungsnachfrage älterer Menschen analysiert. Der sechste Abschnitt stellt dem Wohnungsangebot die Wohnungsnachfrage in Aachen gegenüber sowohl in qualitativer, als auch in quantitativer Hinsicht. Im siebten Punkt schließt sich der Kreis. Es wird der Wohnbedarf in Aachen prognostiziert im Hinblick auf die demographische Entwicklung. Die Arbeit endet mit einem Fazit. 2 Demographische Situation in Deutschland In Deutschland findet eine extrem starke Alterung der Bevölkerung statt. Abbildung 1, in der die Entwicklung des Medianalters der Deutschen dargestellt ist, verdeutlicht dies. Man sieht, dass dieses Medianalter von heute bis zum Jahr 2035 von 40 auf 50 ansteigen wird. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland unter allen OECD-Ländern an vierter Stelle, was Quelle: Sinn, 2003, S. 21. das Medianalter betrifft. Für das Jahr 2035 sagen die Prognosen sogar, dass Deutschland vermutlich das älteste Volk der Erde sein wird. Die Ursache für diese Entwicklung liegt nicht ausschließlich in der zunehmenden Lebenserwartung, da sonst die Bevölkerungszahl stark ansteigen müsste. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 100 Quelle: Sinn, 2003, S. 22. Dies ist aber keineswegs der Fall. Abbildung 2 zeigt eine solche Projektion des Bevölkerungsstandes: Nach dieser Projektion geht die in Deutschland ansässige Bevölkerung bis zum Jahr 2050 um 12,5 Millionen Personen zurück. Nur die Zahl der Rentner wird absolut und relativ steigen. (2) „Eine Bevölkerung schrumpft, wenn die Zahl der Sterbefälle die Zahl der Geburten übersteigt.“(3) Es entsteht also ein Geburtendefizit, was auch die wesentliche Ursache dieser raschen Alterung des Deutschen Volkes ist. Seit dem Einbruch der Geburtenrate in den 60er Jahren liegt die Anzahl der Geburten pro Frau weit unter dem Bestandserhaltungsniveau (2,1 Kinder pro Frau) bei 1,4 Kindern. Bei einer Geburtenrate unter 2,1 wird die nachfolgende Generation immer kleiner sein als ihre Vorgänger.(4) Wenn die Mädchen dieser Frauen selbst im geburtenfähigen Alter sind, wird die Anzahl der Kinder weiter sinken, weil auch weniger potentielle Mütter vorhanden sind. Dieser Prozess wird die Geburtenzahlen noch weiter verringern. Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der Sterbefälle immer weiter zu. Dadurch wird das Geburtendefizit immer größer. Die Zunahme der Sterbefälle ergibt sich aus der Tatsache, dass die relativ geburtenstarken Jahrgänge der heute 30-40jährigen in die hohen Altersgruppen hineinwachsen. Wie in Abbildung 3 dargestellt, entsteht mit der Zeit eine immer weiter aufgehende Schere zwischen der Zahl der Neugeborenen und der Gestorbenen.(5) Wie dramatisch die demographische Trendwende verlief, wird durch einen Vergleich der Alterspyramiden der Jahre 1910 und 2001 deutlich. Die aktuelle Bevölkerungsstruktur kann nicht mehr mit der klassischen Bevölkerungspyramide verglichen werden, in der die stärksten Jahrgänge die Kinder sind und die Zahl mit zunehmenden Alter aufgrund der Sterblichkeit sinkt. Eine solche klassische Bevölkerungspyramide hatte das deutsche Reich von 1910 (Abbildung 4). Quelle: Statistisches Bundesamt, 2003, S. 30. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 101 Man sieht, dass im Jahre 2001 aus der Pyramide eine Art Tannenbaum geworden ist, dessen dicke untere Äste bei einem Lebensalter von knapp unter 40 Jahren liegen. Diese Gruppe wird in 30 Jahren um die 70 sein und allesamt im Rentenalter stehen, ohne dass ihr jüngere starke Altersgruppen nachfolgen. Das ist das Problem.(6) Es zeigt sich, dass Deutschland in Zukunft wegen seiner Kinderarmut schnell und nachhaltig vergreisen wird. Wie die Situation für die Stadt Aachen aussieht soll im folgenden erläutert werden. 3 Demographische Situation in Aachen Die demographische Entwicklung in Deutschland zeigt sich auch in vergleichbarer Weise in Aachen. In Aachen leben zur Zeit 257.348 Menschen. Das Durchschnittsalter in Aachen ist seit 1987 von 38,8 Jahren auf 40,2 Jahre 2002 gestiegen. Die Bevölkerung insgesamt ist innerhalb dieses Zeitraumes um 4,2% gestiegen. Das macht absolut einen Zuwachs von 10.297 Menschen (siehe Tabelle 1). Darunter ist die Altersgruppe der über 65-jährigen überproportional um 14,9% gestiegen. Waren es 1987 noch 35.839 Personen, sind es nunmehr 41.168. Die jüngste Gruppe (0-6 Jahre) dagegen ist kaum gestiegen (0,8%). Wie schon bei der demographischen Entwicklung in Deutschland zu sehen war, ist auch hier die Gruppe der 35 - 45-jährigen die dominante Altersgruppe. Mit bis zu 54% hat diese Altersgruppe in dem betreffenden Zeitraum Zuwachs erhalten. Seit 1987 wuchs sie um 8.687 Menschen und zählt nun 24.536 Personen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 102 Quelle: Stadt Aachen, 2002/2003, S. 34. Abbildung 5 bestätigt auch die Tendenz des Bevölkerungsaltersbaumes, den man in der Bundesrepublik Deutschland vorfindet. Ins Auge fällt sofort die „Tannenbaumform“ mit den dicken unteren Ästen der dominanten Altersgruppe. Das heißt, dass diese Gruppe in 30 Jahren allmählich in das Seniorenalter wechselt, welche dann zur stärksten Gruppe wird. Der schmale Stamm, der die Gruppe der 0 – 20-jährigen darstellt, wird nach dieser Zeit in die Gruppe der 35 – 45-jährigen wechseln. Es werden also der jetzigen starken Altersgruppe der 35 – 45-jährigen keine starken Jahrgänge mehr folgen, was dazu führt, dass sich die Verteilung der Altersgruppen auch in Aachen grundlegend ändert. Aachen befindet sich damit auch in einem Alterungsproblem und deswegen wird das Thema „Wohnen im Alter“ immer bedeutender. So wird zunächst ein Überblick über Wohnungsangebote und – nachfrage im allgemeinen für alte Menschen gegeben, bevor das spezielle Angebot und die Nachfrage für Aachen beschrieben wird. 4 Überblick über Wohnungsangebote im Alter Das Wohnangebot für ältere Menschen hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Zwischen den Wahlmöglichkeiten, im Alter „zu Hause“ zu bleiben oder in eine der traditionellen Sonderwohnformen, etwa der Umzug in ein Heim oder eine Altenwohnung, haben sich zahlreiche neue Wohnangebote etabliert. Hier soll nun ein Überblick gegeben werden: (7) Altenheim „Mit Altenheim bezeichnet der Volksmund (...) eine zur Unterbringung, Betreuung und Pflege alter Menschen betriebene Heimeinrichtung.“(8) Sie stellen die traditionelle Form des institutionalisierten Wohnens für ältere Menschen dar. Lange Zeit waren Altenheime mit Mehrbettzimmern ausgestattet. Das hat sich geändert. Heute sind Ein- bis höchstens Zweibettzimmer der Standard. In dieser Einrichtung wird eine Vollversorgung angeboten. Im Vordergrund steht die stationäre Pflege alter Menschen. Zubereiten der Mahlzeiten, Reinigung der Zimmer, medizinische Versorgung, Bildungs- und Unterhaltungsprogramm, Sportveranstaltungen etc. sind weitere Angebote. Die Palette an Angeboten ist sehr weitreichend und ist von Altenheim zu Altenheim verschieden. Die Größe des Heims variiert zwischen 10 und über 100 Bewohnern. Träger solcher Einrichtungen können Privatpersonen, Kommunen, Kirchen und karitative Verbände sein. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 103 In der Gesellschaft hat das Altenheim ein schlechtes Image, da man häufig an ein „Abschieben“ alter Menschen denkt. Aus diesem Grund werden häufig Euphemismen wie zum Beispiel „Seniorenresidenz“ bevorzugt. Heutzutage haben sich fast alle Altenheime in Altenwohn- und Pflegeheime oder sogar reine Pflegeheime gewandelt. Pflegeheim „Ein Pflegeheim ist eine Einrichtung, in der pflegebedürftige Menschen (meist alte, schwerstchronisch kranke, geistig und/oder körperlich, schwerstbehinderte Menschen) dauerhaft wohnen und rund um die Uhr gepflegt und versorgt werden.“(9) Hierbei steht die Pflege im absoluten Mittelpunkt. Es handelt sich um eine spezialisierte Einrichtung. Sie ist notwendig, da diese Menschen nicht über lange Zeiträume in Krankenhäusern untergebracht werden können und auf der anderen Seite die traditionellen Altenheime mit den speziellen Anforderungen der Pflege organisatorisch und personell überfordert sind. Natürlich wird auch hier wie im Altenheim die Vollversorgung angeboten. In der Regel sind diese Einrichtungen mit Zweibettzimmern ausgestattet, aufgrund organisatorischer und sozialer Gründe (Bettlägerigkeit). Durch die stetig anwachsende Zahl dauerhaft pflegebedürftiger alter Menschen kommt dieser Einrichtung eine wichtige Bedeutung zu, was allein durch den Wandel der Altenheime in Pflegeheime deutlich wird. Nicht nur alte Menschen können in einem Pflegeheim untergebracht werden. Es ist keine Seltenheit, dass jüngere Menschen, zum Beispiel nach einem schweren Unfall, dauerhaft in einem Pflegeheim untergebracht werden. Altenwohnungen (Barrierefreies Wohnen) Unter barrierefreiem Wohnen wird eine Wohnform verstanden, die neu gebaute Wohnungen so herrichtet, dass alte Menschen diese Wohnungen ohne schwere Hindernisse, in vollem Umfang nutzen können. Zu solchen Hindernissen gehören beispielsweise hohe Stufen, steile Treppen zur und innerhalb der Wohnung sowie nicht genügend breite Türen. Die Standards für solche Wohnungen sind in einer DIN-Norm festgeschrieben. Hervorzuheben ist, dass die Altenwohnungen meistens öffentlich gefördert werden. So stellt diese Form nicht nur ein Angebot für wohlhabende Personen dar. Angepasste Wohnungen Diese Form ist ähnlich dem barrierefreien Wohnen. Der Unterschied liegt darin, dass der alte Mensch nicht seine bisherige Wohnung aufgeben muss. So werden die Normen des barrierefreien Wohnens dazu genutzt, die Wohnungen der betroffenen Personen umzubauen. Die selbstständige Lebensführung kann so im Alter erhalten bleiben. Betreutes Wohnen Beim betreuten Wohnen werden in unterschiedlicher Form altersgerechte Wohnangebote und Betreuungsleistungen miteinander gekoppelt. Im Idealfall mietet ein Bewohner eine barrierefreie und altengerechte Wohnung in einer Wohnanlage. Darüber hinaus muss ein Paket von Grundleistungen des Betreuungsservices abgenommen werden, für die monatlich eine Betreuungspauschale zu entrichten ist. Zu den Grundleistungen gehören Beratung und Information der älteren Menschen und eine Notrufsicherung. Es können außerdem weitere Leistungen, wie zum Beispiel Mahlzeiten, Reinigungs- und Pflegeleistungen, zusätzlich gebucht werden. Betreutes Wohnen zu Hause Betreutes Wohnen muss nicht mit einem Umzug verbunden sein, sondern kann auch in der gewohnten Umgebung stattfinden. Normalerweise wird mit einem Unternehmen ein Dienstleistungsvertrag geschlossen. Es kann sich dabei um einen ambulanten Dienst, eine Sozialstation oder einen Betreuungsverein handeln. Zu den Dienstleistungen gehören Pflege und Betreuung, Beratung und Vermittlung, Alltagshilfen und Serviceleistungen und Unterstützung im Haushalt. Pflege und Betreuung stellt den Kernbereich dar. So sind hier Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 104 einerseits Hilfe bei Körperpflege, Baden und Duschen, aber auch Leistungen wie Medikamentenüberwachung, Spritzen geben, Wundversorgung oder Senioren-Haus-Notruf zu nennen. Zu der Beratung und Vermittlung gehört vor allem Vermittlung von Massage, Fußpflege oder Friseurhausbesuche. Die wichtigsten Alltagshilfen und Serviceleistungen sind „Essen auf Rädern“, Ausflüge oder Begleitpersonen, wie zum Beispiel für Einkäufe. Unterstützung im Haushalt wird besonders für Wäsche waschen, bügeln, kochen und putzen in Anspruch genommen. Wohnstift Das Leben in einem Wohnstift ist vergleichbar mit betreutem Wohnen. Jeder Bewohner hat eine eigene abgeschlossene Wohnung innerhalb der Wohnanlage. Die Wohngröße und – räume sind vielfältig und individuell gestaltbar. Sie reichen von 1-Zimmer-Appartements bis hin zu 3 1/2 –Zimmer-Wohnungen mit über 70 qm. Anders als beim betreutem Wohnen ist hier die Abnahme von Betreuungs- und Dienstleistungen (z.B. Reinigung) Pflicht. Bei den verschiedenen Angeboten wird darauf geachtet, dass eine hohe Qualität eingehalten wird. Vor allem die Lage, Betreuung, Versorgung und Einrichtung sollen in Bezug auf Qualität und Preis eher gehobenen Ansprüchen gerecht werden. Daher sind die Träger solcher Einrichtungen meist Privatpersonen oder kommerzielle Vereinigungen. Betreute Wohngemeinschaften Betreute Wohngemeinschaften sind kleine Gruppen älterer hilfebedürftiger Menschen, die zusammen in einer Wohnung oder einem Haus leben. Dabei hat jeder Bewohner einen eigenen Schlafbereich. Ähnlich wie in einer Studenten-WG gibt es eine gemeinsame Küche und noch weitere Gemeinschaftsräume, in denen das Gemeinschaftsleben stattfindet. Die Pflegebetreuung erfolgt durch Betreuungspersonal, das entweder stundenweise oder ganztägig zur Verfügung steht. Integriertes Wohnen (Mehrgenerationenwohnen) Bei dieser Wohnform leben verschiedene Generationen in größeren Wohnkomplexen zusammen. Das Ziel besteht darin, dass sich die verschiedenen Generationen gegenseitig helfen. So muss transparent gemacht werden, welche Unterstützung die jeweiligen Bewohner benötigen. Mit dem integrierten Wohnen soll erzielt werden, dass es nicht zur Vereinsamung kommt und dass Menschen Handicaps abbauen können. Begegnungsräume und Fachpersonal helfen dabei, diese Ziele zu erreichen. Selbstorganisierte Wohn- oder Hausgemeinschaften Auch bei dieser Wohnform leben ältere Menschen zusammen unter einem Dach. Jeder der Bewohner hat ein eigenes Zimmer oder auch Wohnung. Außerdem gibt es bei einer solchen Gemeinschaft noch Räume, die von allen Bewohnern genutzt werden können. Die Wohnund Hausgemeinschaften werden meist von privaten Personen gegründet und geführt. Das Gemeinschaftsleben organisieren die Bewohner in Eigeninitiative. Zusätzlich werden externe ambulante Dienste in Anspruch genommen, um das Wohnen zusätzlich zu erleichtern. Siedlungsgemeinschaften Ausgangspunkt dieser Wohnform ist eine schon bestehende Siedlung. Denn es zeigt sich in der Praxis, dass auch ganze Siedlungen mit der Zeit mit Alterungsproblemen konfrontiert werden. Aus diesem Grund bieten Wohnungsbaugesellschaften oder SelbsthilfeInitiativgruppen unterstützende Dienstleistungen für ältere Menschen an. Das Ziel dieser Wohnform ist die Förderung des generationsübergreifenden Zusammenlebens und der Nachbarschaftshilfe. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 105 Altendorf Das Altendorf wird auf einem separaten Gebiet errichtet. Die Wohnmöglichkeiten werden dabei speziell an die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet. Ebenso wird das Wohnumfeld, in dem auch ein altersgerechtes Freizeitangebot angeboten wird, angepasst. Auch bei Hilfe- und Pflegebedürftigkeit ist ein entsprechendes Betreuungsangebot an Ort und Stelle, so dass die betroffenen Personen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Wohnungstausch Bei dem Wohnungstausch wird durch eine Vermittlungsstelle erreicht, dass ältere Menschen ihre Wohnung mit jüngeren Menschen tauschen. Der Vorteil eines solchen Tausches liegt für alte Menschen darin, dass sie eine Wohnung finden, welche zentraler gelegen ist. Ältere Menschen benötigen auch nicht mehr eine Wohnung mit vielen Räumen. Durch den Tausch kann auch erzielt werden, dass die Wohnung altengerecht ist. Für junge Menschen liegt der Vorteil darin, dass sie zum Beispiel mehr Platz für ihre Kinder erhalten.(10) 5 Wohnungsnachfrage älterer Menschen Nachdem ein Überblick über einzelne Angebote gegeben wurde, wird jetzt gezeigt, wie die Nachfrage nach Wohnformen aussieht und sich weiter entwickeln wird. Früher sah die Nachfrage alter Menschen nach Wohnungen noch anders aus. Generationen lebten enger zusammen. Mehrgenerationenfamilien unter einem Dach waren die Regel, nicht die Ausnahme. Die heutige Lebensform ist durch eine Singularisierung und Individualisierung gekennzeichnet. Dies gilt auch für ältere Menschen. Die Praxis zeigt, dass alte Menschen grundsätzlich keine anderen Wohnbedürfnisse haben als jüngere. Die Priorität älterer Menschen liegt ebenfalls im unabhängigen und selbstbestimmten Wohnen.(11) Möglichst lang in der vertrauten Umgebung leben zu können, ist das oberste Gebot. Das Altenheim als Wohnform stößt heute auf eine sehr geringe Akzeptanz als noch vor einigen Jahren. Umfragen belegen, dass 80 Prozent der Pflegebedürftigen an ein Leben im Heim gar nicht denken mögen und häufig gegen ihren Willen im Heim sind. Studien haben gezeigt, dass es aber auch eine wachsende Zahl umzugsbereiter älterer Menschen gibt, die noch einmal etwas Neues wagen wollen. Untersuchungen der SchaderStiftung haben ergeben, dass 65% der Altershaushalte dazu bereit sind umzuziehen. Allerdings nimmt die Bereitschaft mit steigendem Alter ab.(12) Zunehmendes Interesse zeigt sich bei neueren Wohnformen, wie selbst gestalteten Wohnformen. Dabei werden vor allem sozial- und altersgemischte Hausgemeinschaften favorisiert. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität alter Menschen sollten die Angebote entsprechend angepasst werden. Das bedeutet, dass die Wohnungen barrierefrei und schwellenlos zugänglich sind und das Wohnumfeld entsprechend gestaltet wird (öffentlicher Nahverkehr und Einkaufsmöglichkeiten) mit der Möglichkeit nachbarschaftlicher Kontakte und des sozialen Austausches. Außerdem muss den langfristigen Anforderungen an Hilfe und Pflege gerecht werden.(13) Nachdem nun ein Überblick über das überregionale Angebot an Wohnungsformen für ältere Menschen gegeben wurde und die Wünsche an ein Wohnen im Alter aufgezeigt wurden, wird nun dargestellt, wie Angebot und Nachfrage in qualitativer und quantitativer Hinsicht in Aachen aussehen. 6 Wohnungsangebote vs. Wohnungsnachfrage in Aachen In der Stadt Aachen gibt es hauptsächlich neun Wohnformen für ältere Menschen. Dazu gehören die klassischen Altenheime beziehungsweise Pflegeheime, Wohnstifte, Altenwohnungen, welche barrierefrei gestaltet sind, angepasstes Wohnen, Wohnungstausch, integriertes Wohnen, selbstorganisiertes Wohnen sowie die zwei unterschiedlichen Formen des betreuten Wohnens. Das Image der Altenheime verhält sich in Aachen in ähnlicher Weise wie auf überregionaler Ebene. Ein Altenheim wird nur dann in Betracht gezogen, wenn es zur Pflegebedürftigkeit kommt. So haben sich die Altenheime in Aachen überwiegend zu reinen Pflegeheimen Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 106 gewandelt. Laut Michael Hartges von der Leitstelle „Älter werden in Aachen“ ist es überaus selten, dass Menschen, die nicht in großem Maße auf fremde Hilfe angewiesen sind, sich für ein Wohnen in einem Altenheim entscheiden. In Aachen gibt es momentan 26 Altenheime mit über 2.000 Bewohnern, darunter zwei Wohnstifte. Ein sehr großer Teil dieser Altenheime ist vollständig belegt. Es ist also dort nur möglich über eine Warteliste einen Platz zu bekommen. Einige Heime haben aber noch einzelne Plätze frei. So ist es kein Problem einen Platz zu erhalten, wenn man kein bestimmtes Heim favorisiert. Speziell auf die Bedürfnisse älterer Menschen umgebaute Wohnungen, sogenannte Altenwohnungen, spielen in Aachen eine bedeutende Rolle. So werden Altenwohnungen von der Stadt Aachen gefördert, wenn sich der Eigentümer dazu verpflichtet, diese 15 – 20 Jahre lang ausschließlich durch das Wohnungsamt der Stadt Aachen vermitteln zu lassen. Für eine Altenwohnung ist es sehr wichtig, dass das Wohnumfeld stimmt. Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs, Geschäfte für den alltäglichen Bedarf sowie Apotheken sollten in unmittelbarer Umgebung sein. In Aachen gibt es ca. 2.000 Altenwohnungen, die ein barrierefreies Wohnen ermöglichen.(14) Die Nachfrage an innenstadtnahen 2-3 Zimmerwohnungen mit guter Infrastruktur und altengerechten Kriterien ist sehr hoch. Einzimmerwohnungen dagegen sind schwer vermittelbar. Für einen großen Teil der älteren Menschen in Aachen stellt der Umzug im Alter, wie zum Beispiel in eine Altenwohnung aber ein großes Problem dar. So ist es oberste Priorität, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, so Michael Hartges von der Stadt Aachen. Wenn aber ein Wohnen dort aufgrund von Hindernissen, zum Beispiel durch Schwellen oder Stufen, unmöglich wird, hilft auch hier die Stadt Aachen weiter. So bekommen die Älteren Hilfestellung bei der Überlegung, was in der Wohnung zu ändern ist, welche Hilfsmittel den Alltag erleichtern, und es wird angeboten, mit Vermietern und Handwerkern zu verhandeln. Außerdem kann bei der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten geholfen werden. Um an eine altersgerechte Wohnung zu kommen, spielt für einen nicht unerheblichen Teil der Menschen in Aachen ein „Wohnungstausch“ eine Rolle. Die Stadt Aachen hilft bei der Organisation, der Vorbereitung und auch bei der Durchführung. Die Person, die einen Wohnungstausch vornehmen möchte, meldet der Stadt die derzeitige Wohnung und den Wohnungswunsch. Daraufhin wird dann eine entsprechende Tauschwohnung gesucht. Bei allen Anträgen und der Durchführung des Umzuges werden die Älteren durch die Stadt unterstützt. Die Nachfrage nach Wohnungstausch ist recht groß, so Michael Hartges. Seit 1997 konnte in etwa 600 Fällen ein Umzug erfolgreich abgewickelt werden. Zur Zeit sind ca. 350 Fälle aktiv suchend gemeldet. Eine noch wenig vorhandene Wohnalternative für alte Menschen in Aachen ist das gemeinschaftliche Leben und Wohnen mit verschiedenen Generationen (integriertes Wohnen). So gibt es in Aachen das Projekt „Mit Freu(n)den unter einem Dach“. Hierbei handelt es sich um eine selbstorganisierte Form integrierten Wohnens. Geplant wird das Wohnprojekt in Aachen oder Umgebung in ökologischer Bauweise mit 12-15 Einheiten in verschiedener Größe. Zur Zeit besteht die Projektgruppe noch aus einer kleinen Gruppe von Männern und Frauen zwischen 45 und 70 Jahren. Zweimal monatlich trifft sich die Gruppe und tauscht sich über ihre Vorstellungen und Wünsche über ein zukünftiges MiteinanderWohnen aus. Das Ziel der Gruppe besteht darin, „die Lebendigkeit der jungen und die Weisheit und die Lebenserfahrung der alten Menschen zusammenzubringen.“(15) Neben diesem vorgestellten Projekt, welches sich noch in Planung befindet, gibt es auch schon ein realisiertes Projekt selbstorganisierten Wohnens, „Stadthaus statt Haus“, was innerhalb des Vortrages von Frau Dr. Katrin Hater vorgestellt wurde. Die wohl höchste Nachfrage nach Wohnmöglichkeiten im Alter in Aachen besteht nach den zwei Formen des betreuten Wohnens. Das betreute Wohnen ohne Umzug in Aachen umfasst 15 Anbieter, die für ältere Menschen verschiedenste Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Neben den klassischen nachgefragten Dienstleistungen wie ein Notrufsystem oder ambulante Pflegedienste besteht auch eine hohe Nachfrage darin, sich Lebensmittel nach Hause kommen zu lassen oder eine Begleitperson für Spaziergänge zu haben. Aufgrund dieser erhöhten Nachfrage nach Hilfestellung in der eigenen Wohnung baut die Leitstelle „Älter werden in Aachen“ zusätzlich eine Datenbank auf, in der Geschäfte enthalten sind, die bereit sind, Lebensmittel nach Hause zu liefern, und Friseure, die Hausbesuche machen. Das betreute Wohnen in eigens dafür eingerichteten Häusern weist auch ein hohes Angebot in Aachen auf. Zwölf Häuser gibt es in Aachen, in denen Ältere eine Wohnung beziehen und Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 107 an dem jeweiligen Betreuungsangebot teilnehmen können. Ein Großteil der Wohnungen der Häuser für ein betreutes Wohnen wird öffentlich gefördert, so dass die Last für die älteren Menschen nicht so hoch ist. Die Nachfrage ist in Aachen nach dieser Wohnform so hoch, dass man zum Teil eine Wartezeit bis zu 2 Jahren auf sich nehmen muss, bis man einen Platz bekommt, so Michael Hartges. Nur für frei finanzierte Wohnungen, die um die 1.000 Euro Miete kosten, müsste man keine allzu große Wartezeit in Kauf nehmen. Betreute Wohngemeinschaften, Siedlungsgemeinschaften und Altendorf sind Wohnformen, die in Aachen nicht angeboten werden. Die Nachfrage nach Wohngemeinschaften ist sehr gering, weil die älteren Menschen gerne eine eigene abgeschlossene Wohnung mit einem eigenen Sanitärbereich haben möchten und sich eine studentenähnliche WG nicht vorstellen können. Laut Michael Hartges könnten Siedlungsgemeinschaften in näherer Zukunft unter Umständen zum Thema werden, wenn sich das Bundesland NRW dazu entschließen sollte, diese zu fördern. Das Altendorf hat eher einen negativen Klang und wird schon mal als „Altenghetto“ bezeichnet, in dem die alten Menschen abgeschoben werden. Nachdem nun die aktuelle Situation in Aachen dargestellt wurde, wird nun gezeigt, wie sich der Wohnbedarf in Zukunft aufgrund des demographischen Wandels entwickeln wird. 7 Prognose des Wohnbedarfes in Aachen im Hinblick auf den demographischen Wandel Angesichts des oben vorgestellten demographischen Wandels, der sich durch Geburtenrückgang bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung abzeichnet, steigt als Konsequenz auch die Pflegebedürftigkeit. Nach Statistiken liegt in Deutschland das Risiko der Pflegebedürftigkeit bei den über 80jährigen bei 25%. Damit erhöht sich natürlich die Nachfrage nach entsprechenden Wohnformen im Alter.(16) Deutschlandweit wird sich die Zahl der benötigten Pflegeplätze von 470.000 bis zum Jahre 2050 um 600.000 erhöhen. Auch für Aachen zeigt sich dieser Trend. Wie oben dargestellt wird die derzeitig starke Gruppe der 35-45jährigen in den nächsten Jahrzehnten in das kritische Alter kommen. Der verstärkte Bedarf an Pflegeplätzen zeigt sich auch anhand der Entwicklung der Anzahl der Altenheime in Aachen. So wurden seit dem Jahre 2002 drei zusätzliche Heime in Aachen errichtet. Ein weiteres Heim für Richterich ist im Gespräch. Außer der steigenden Lebenserwartung hat der Wandel der Lebensformen in Richtung Individualisierung Auswirkungen auf die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen. „Durch die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten, den zahlenmäßigen Rückgang der jüngeren Altersgruppen und die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen wird die Pflege alter Menschen innerhalb der Familie in Zukunft immer weniger zu leisten sein.“(17) Aufgrund dieser Entwicklung wird es in den nächsten Jahren zu einem erheblichen Nachfragedruck auf die Wohnungsformen für ältere Menschen kommen. Besondere Bedeutung kommt daher dem betreuten Wohnen zu. Aufgrund der hohen Nachfrage entstehen in diesem Bereich große Handlungsfelder. Es ist abzusehen, dass vor allem der Wohnungstausch in Aachen auf diese Entwicklung reagieren wird. Schon heute kommen die Hälfte aller Anfragen von alleinstehenden älteren Frauen mit einer steigenden Tendenz. Im Bereich Altenwohnungen besteht dagegen jetzt schon ein Angebotsdefizit. Vor allem rollstuhlgerechte Wohnungen sind bei weitem nicht ausreichend für die große Nachfrage. Daher müssen die Angebote dieser Wohnungen und besonders auch der innenstadtnahen Wohnungen deutlich erhöht werden.(18) Als weitere Wohnform werden generationsübergreifende Wohnprojekte zunehmend relevanter, da durch die Altersklassenverschiebung in der Bevölkerung die Menschen gezwungen sein werden, die Situation im Alter frühzeitig abzusichern. Zum Abschluss soll eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse gegeben werden. 8 Fazit Auf den letzten Seiten konnte gezeigt werden, dass sich der Wohnungsmarkt für ältere Menschen in einem starken Aufschwung befindet. So ist das Wohnungsangebot in den vergangenen Jahren deutlich breiter geworden. Besonders ältere Menschen, die nicht Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 108 vollständig pflegebedürftig sind, benötigen immer mehr Betreuungsleistungen, da es heute nicht mehr die Großfamilie unter einem Dach gibt, die solche Dienste übernehmen könnte. Neben dieser Entwicklung verstärkt insbesondere die demographische Situation in Deutschland und speziell in Aachen den immensen Nachfragedruck nach angepassten Wohnformen im Alter. Die Anforderungen der älteren Menschen liegen im unabhängigen und selbstbestimmten Wohnen. Ein Alten- beziehungsweise Pflegeheim ist für viele die letzte Alternative, wenn ein selbständiges Wohnen nicht mehr möglich ist. Die für die nähere Zukunft wohl bedeutenste Wohnform ist das betreute Wohnen ohne Umzug. Denn so kann das Bedürfnis der älteren Menschen, in der vertrauten Umgebung weiter leben zu können, erfüllt werden, indem umfangreiche Hilfsangebote durch mobile Dienste bereitgestellt werden. Interesse zeigen immer mehr ältere Menschen auch an ganz neuen Wohnformen wie das selbstorganisierte Wohnen. Die Untersuchung zeigt, dass die neue Herausforderung der Wohnungsanbieter darin bestehen wird, den Anforderungen einer älter werdenden Nachfragerschaft zu genügen. Diese Nachfrager werden in nächster Zeit zu einer immer wichtigeren Kundengruppe werden. Deswegen kann man mit Weiterentwicklungen und neuen Projekten in Zukunft rechnen. 9 Quellenangaben Börsch-Supan, A. (2002): Mehr Zuwanderung? Zur Rolle des Auslands bei der Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland, DIW Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, Heft 2, 71. Jahrgang. Hartges, M (2005): Kurzinformation Wohnungstausch in Aachen für die Veranstaltung am 21.06.05 „Alternative Wohnformen“ in Herzogenrath. Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes NRW (1995): Neue Wohnformen für ältere Menschen, MBW, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Düsseldorf. Petersen, U. (2004): Hinter dem Horizont geht´s weiter... – Über neue Perspektiven des gemeinschaftlichen Wohnens im Alter, wohnbund-informationen, Heft 2/2004. Preiß/Stolarz (2003): Neue Wohnkonzepte für das Alter und praktische Erfahrungen bei der Umsetzung, Zwischenbericht im Rahmen des Projektes „Leben und Wohnen im Alter“ der Bertelsmann Stiftung und des Kuratoriums deutscher Altershilfe. http://www.kda.de/files/wohnen/Wohnkonzepte1.pdf, Zugriff:17.01.2006 Sinn, H. (2003): Das demographische Defizit – die Fakten, die Folgen, die Ursachen und die Politikimplikationen, ifo Schnelldienst, Heft 5, 56. Jahrgang. Stadt Aachen - Sozialamt (2005): Einrichtungen der Altenarbeit in Aachen 2005/2006. Statistisches Bundesamt (2003): Bevölkerung Deutschlands bis 2050 - Ergebnisse der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2003/Bevoelkerung_2050.pdf, Zugriff: 17.06.05. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Altenheim, Zugriff:17.01.2006. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Pflegeheim, Zugriff:17.01.2006. Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1: Medianalter der deutschen 1950-2050 Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland Abbildung 3: Lebendgeborene und Gestorbene in Deutschland bis zum Jahr 2050 Abbildung 4: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland Abbildung 5: Veränderung des „Bevölkerungsbaumes“ in Aachen 2002-1987 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 109 Fußnoten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Vgl. Sinn, 2003, S. 21. Vgl. Sinn, 2003, S. 20ff. Statistisches Bundesamt, 2003, S.26. Vgl. Börsch-Supan, 2002, S. 188. Vgl. Statistisches Bundesamt, 2003, S.29. Vgl. Sinn, 2003, S. 23. Vgl. Preiß/Stolarz, 2003, S. 15ff. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Altenheim, 17.01.2006. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Pflegeheim, 17.01.2006. Vgl. Stadt Aachen, 2005, S.38. Vgl. Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes NRW, 1995, S. 2ff. Vgl. Preiß/Stolarz, 2003, S. 8. Vgl. Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes NRW, 1995, S. 2ff. Vgl. Stadt Aachen, 2005, S.40. Vgl. www.mit-freunden-unter-einem-dach.de. Vgl. Wohnbund-Informationen, 2004, S. 4ff. Vgl. Preiß/Stolarz, 2003, S. 7. Vgl. Hartges, 2005, S. 3. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 110 Barrierefreies Wohnen in Aachen – eine Wohnqualität? Philipp Tebart, Djana Tirai, Kilian Schulte Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 111 Inhalt barrierefreies Wohnen in Aachen – eine Wohnqualität? 1 Einleitung 2 Betrachtung der Rahmenbedingungen 3 planerische Grundlagen des barrierefreien Bauens 4 barrierefreies Wohnen in Aachen 5 Quellenangaben und Bildverzeichnis 6 Anhang Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 112 1 Einleitung Der Wohnungsmarkt befindet sich derzeit in einer Phase des Wandels. Früher galt es Wohnraummangel zu beseitigen, die Nachfrage nach Wohnraum war deutlich größer als das Wohnungsangebot. Viele Jahre galt daher der Erwerb von Immobilien als langfristig sichere Geldanlage. Die Wertsteigerung der erworbenen oder neu gebauten Objekte war beinahe garantiert. Heute stellt sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt grundlegend anders dar. Der Wohnraummangel ist mittlerweile behoben, Angebot und Nachfrage sind etwa gleich groß. Der Markt ist ausgeglichen. Für die Nachfrager von Wohnraum ist diese Entwicklung beinahe uneingeschränkt positiv. Sie haben große Auswahl bei der Wohnungssuche und sind folglich nicht gezwungen allzu große Zugeständnisse beim Erwerb oder Anmieten von Wohnraum zu machen. Die beschriebene Entwicklung stellt die Anbieter von Wohnungen hingegen vor neue Herausforderungen. Sie müssen ihre Immobilien nun auf einem Markt positionieren auf dem recht starke Konkurrenz herrscht. Um dies erfolgreich tun zu können, reicht es nicht länger aus einfach nur quantitativ Wohnraum zur Verfügung zu stellen, heute stehen vielmehr qualitative Aspekte von Immobilien im Fordergrund. Einige Qualitätsmerkmale von Wohnraum, wie beispielsweise ausreichende Belichtung und Belüftung des Wohnraums, das Vorhandensein von privatem Freiraum oder auch eine dem Stand der Technik angemessene Ausstattung stellen allgemeine Wohnqualitäten dar. Andere Qualitätsmerkmale sind nicht für jeden Nachfrager von gleichem Interesse, sie sind zielgruppenspezifisch. Die Ausrichtung von Wohnangeboten an den Interessen und Anforderungen spezieller Zielgruppen gewinnt auf dem Wohnungsmarkt zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung führt zu einem stärker segmentierten Markt, zu differenzierteren Angeboten. Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit einem dieser Teilsegmente, nämlich dem Thema „barrierefreies Wohnen“, einem Teilbereich des Themenfeldes „barrierefreies Bauen“. In diesem Kontext wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich Barrierefreiheit als allgemeingültige Wohnqualität verstehen lässt. Ob es also eine zusätzliche für alle Menschen nützliche und angenehme Bereicherung einer Wohnung oder eines Wohnhauses darstellt, die von einem Großteil der Bevölkerung nachgefragt wird, oder ob es sich um eine spezielle Anforderung an Wohnraum handelt, die insbesondere von älteren oder behinderten Menschen nachgefragt wird. 2 Betrachtung der Rahmenbedingungen Um die eingangs formulierte Frage beantworten zu können, muss geklärt werden welche Anforderungen an Wohnraum ältere und behinderte Menschen haben, und ob und inwiefern sich diese Anforderungen von denen der übrigen Zielgruppen unterscheiden. Dieses Kapitel setzt sich daher intensiver mit den relevanten Zielgruppen auseinander. Zielgruppen Eine Definition beschreibt den Begriff Zielgruppe wie folgt: Eine Zielgruppe ist eine mehr oder weniger genau bestimmte Menge von Marktteilnehmern, an die sich ein Angebot oder eine Maßnahme im Marketing richtet. (vgl. www.Wikipedia.org) Im Kontext dieser Arbeit sind zwei Zielgruppen von besonderer Relevanz - die Zielgruppe der älteren Menschen und die Gruppe der Behinderten. ältere Menschen Wie ist also die Gruppe der älteren Menschen definiert? Die Einordnung von Menschen in diese Zielgruppe ist sehr einfach, sie erfolgt lediglich über das Alter einer Person. Jeder Mensch mit einem Alter von mehr als 65 Jahren fällt in die Kategorie der Älteren. Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland, wird diese Zielgruppe in Zukunft enorm wachsen und somit an Bedeutung gewinnen. Warum dies so ist wird im Folgenden kurz erläutert. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 113 Seit knapp 30 Jahren ist die Bevölkerung Deutschlands rückläufig, das bedeutet, dass mehr Menschen sterben als geboren werden. Grund für diese Entwicklung ist das niedrige Geburtenniveau in Deutschland. Bis zum Jahr 2050 wird dies zu einer deutlich veränderten Alterstruktur in der Bevölkerung führen, eine Überalterung der Gesellschaft ist die Folge. Verdeutlichen lässt sich die grundlegende Veränderung der Verteilung der Altergruppen anhand von statistischen Graphiken, der so genannten Bevölkerungspyramiden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Fakt, dass es 1950 etwa doppelt so viele unter 20-Jährige wie über 60-Jährige gab, im Jahr 2050 wird es genau umgekehrt sein. (vgl. statistisches Bundesamt, 9. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung) Es ist davon auszugehen, dass diese Zielgruppe in Zukunft aufgrund ihrer Größe eine der Hauptnachfrager von Wohnraum sein wird. Ihre Anforderungen an Wohnungen sind somit von großer Relevanz. Ältere Menschen sind oft in ihrer Mobilität eingeschränkt und verbringen daher sehr viel Zeit in ihrer Wohnung und dem unmittelbaren Umfeld. Die Gestaltung dieser Räume ist somit für sie von besonders großem Interesse. Die höchste Priorität hat die Erhaltung einer möglichst großen Selbstbestimmung auch im hohen Lebensalter. Um die Selbstständigkeit von älteren Menschen, insbesondere solchen, die sich im hohen Lebensalter befinden, zu erhalten muss die Wohnung an die körperlichen Restriktionen der Menschen angepasst werden. Treppen werden beispielsweise oft als sehr mühsam empfunden oder führen zu der Angst zu stürzen. Eine ebenerdige Lage oder ein Aufzug sind notwendig. Ein weiteres Beispiel für eine solche Anpassung ist das Badezimmer. Übliche Badzuschnitte werden von älteren Menschen oft als beengend empfunden, weil sie mehr Bewegungsraum benötigen. Darüber hinaus sind Griff- und Sitzmöglichkeiten gewünscht. (vgl. Höpflinger, traditionelles und neues Wohnen; Schader Stiftung, Ergebnisbericht) Insgesamt lassen sich die Anpassungen des Wohnraums an die Bedürfnisse von älteren Menschen als Wunsch nach Barrierefreiheit zusammenfassen. Die Wohnwünsche von älteren Menschen nur unter dem Aspekt des barrierefreien Wohnens betrachten, wäre jedoch zu eng. Eine Vielzahl anderer Wünsche sind ebenfalls entscheidend für die Wohnqualität. Im Rahmen dieser Arbeit wird das Wohnungsumfeld aus den Betrachtungen ausgeklammert. behinderte Menschen Für die Gruppe der älteren Menschen gab es eine einfache Definition, die eine klare Zuordnung von Menschen in diese Zielgruppe ermöglichte. Dies ist bei der Gruppe der Behinderten nicht der Fall. Die Definitionen des Begriffs 'Behinderung', die in der Rechtslegung und von offiziellen Organisationen verwandt werden divergieren zum Teil beträchtlich. Ein Definitionsansatz ist der im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG, §3, Behinderung) verwandte: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 114 für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Auf dem europäischen Kongress "Die Stadt und die Behinderten" im März 1995 in Barcelona, wurde folgende Definition von den unterzeichnenden Städten erarbeitet: "Das Wort ‚Behinderung’ ist ein dynamischer Begriff, das Ergebnis der Interaktion zwischen individueller Begabung und umweltbedingten Einflüssen, die wiederum diese Begabung prägen. Folglich sind das Gemeinwesen und das Sozialwesen dafür verantwortlich, dass sich die Entwicklung der Bürgerinnen und Bürger zu den bestmöglichen Konditionen vollzieht, was wiederum bedeutet, dass alle Ursachen vermieden bzw. beseitigt werden, die dieser Entwicklung im Wege stehen oder sie verhindern" Zu erkennen ist, dass der erste Definitionsansatz versucht, dem Umstand der Behinderung in der notwendigen Komplexität fassbar zu machen, wohingegen der zweite Definitionsansatz einen humanistischeren Standpunkt einnimmt, und damit eine spezifische Terminologie für Behinderte, die natürlichen Teil der Bevölkerung darstellen, nicht als notwendig erachtet. (vgl. www.Berlin.de und www.Baunetz.de) Im Rahmen dieser Arbeit wird mit der Definition des Behindertengleich-Stellungsgesetztes (BBG) gearbeitet, da diese maßgeblich für die Rechts-Legung in Deutschland ist. Ähnlich wie die Gruppe der Älteren wächst auch Zielgruppe der Behinderten. Laut Statistik (vgl. www.destatis.de Pressemitteilung) sind heute etwa 10% der deutschen Bevölkerung vor dem Gesetz behindert, das entspricht einer Zahl von etwa 8,4 Millionen Behinderten in Deutschland. Der überwiegende Teil dieser Personen sind schwer behindert, das heißt sie haben einen Behinderungsgrad von mehr als 50%. In den letzten 4 Jahren stieg diese Zahl um mehr als 3%. Diese Entwicklung liegt nicht zuletzt an der demographischen Entwicklung in Deutschland. Die Bevölkerung altert, womit die Hilfs- und Pflegebedürftigkeit zunimmt. Die Anforderungen von Behinderten an die Gestaltung von Wohnraum sind sehr unterschiedlich. Zurückzuführen ist dieses breite Spektrum auf die unterschiedlichen Arten der Funktionseinschränkungen der Behinderten. Wie in der Definition des BBG bereits formuliert werden drei Arten von Fähigkeitseinschränkungen unterschieden: • • • sensorische Funktionseinschränkungen (Sinneswahrnehmung) kognitive Funktionseinschränkungen (Erkenntnis und mentale Verarbeitung) motorische Funktionseinschränkungen (Bewegung) Die ebenfalls den Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes zu entnehmen ist, nähern sich die Lebensumstände von behinderten und nicht behinderten Menschen häufig an. (vgl. Pfaff, Lebenslagen der behinderten Menschen) Die Anforderungen von Behinderten an Wohnraum ähneln ebenfalls häufig denen der Gruppe der älteren Menschen, für diese Zielgruppe ist die Barrierefreiheit von Wohnraum häufig unverzichtbar. Barrierefreiheit – eine Definition Für die Begriffe der ‚Barriere’ bzw. der ‚Barrierefreiheit’ existieren zahlreiche Definitionen, von denen sich nicht alle gleichermaßen für das Planen und Bauen eigenen. Im Kontext dieser Arbeit wird mit den folgenden Begriffsdefinitionen gearbeitet (vgl. www.baunetz.de ): Eine Barriere ist ein baulicher Umstand, der Menschen ganz oder teilweise von der eigenständigen Wohnraumnutzung ausschließt, die anderen Menschen möglicherweise zugänglich sind. Mit Barrierefreiheit wird demzufolge ein Zustand beschrieben in dem niemand von der Nutzung eines Raumes ausgeschlossen wird, bzw. niemand in seiner Nutzung behindert oder eingeschränkt wird. Der Begriff der Barrierefreiheit wird ebenfalls im Behindertengleichstellungsgesetz (BBG) und in den Rechtsvorschriften sowie Normen (DIN) verwandt. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 115 Da sich der Zustand der Barrierefreiheit in der Praxis kaum verwirklichen lässt, wird dort oft der Begriff ‚barrierearm’ gebraucht. Hierunter ist eine Annäherung an das Ziel der Barrierefreiheit zu verstehen, die möglichst wenige Menschen ausschließt. In der Architektenausbildung wird zumeist vom „normalen“, gesunden Menschen ausgegangen. Angesichts der zuvor genannten Statistiken, nach denen im Schnitt jeder Zehnte Einwohner der Bundesrepublik Deutschland einen Behinderungsgrad von 50% oder mehr besitzt, wird offenbar, dass es sich bei der Gruppe der Menschen, für die barrierefreier Wohnraum unverzichtbar ist, nicht um eine Randgruppe handelt. Es erscheint daher ratsam, sich vermehrt und dezidierter mit den Wohnraumgestaltungsanforderungen dieser Menschen auseinander-zusetzen. 3 planerische Grundlagen des barrierefreien Bauens Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den objektiven Vorgaben zum barrierefreien Wohnen, also den, durch Gesetze und Normen festgesetzten, allgemeingültigen Planungs- und Bauregeln. Ergänzt werden diese durch einen Katalog, der eine Übersicht über die notwendigen Informationen bezüglich Planung und Ausstattung von barrierefreien Wohnungen bietet. Gesetzliche Grundlagen Die grundlegende Verankerung des barrierefreien Bauens, im Sinne der Verantwortung der Gesellschaft, allen Menschen die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, findet sich im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 3, Absatz 3 (Grundrechte): „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Weitere Gesetze auf Bundes- wie Landesebene haben die Belange Behinderter zum Inhalt. Zu nennen ist im diesem Kontext besonders das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), ein Bundesgesetz, welches zum Ziel hat, die Benachteiligung behinderter Menschen zu beseitigen und diesen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wie auch eine selbst bestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Die Umsetzung der Regelungen des BGG in das Landesrecht erfolgt über spezielle Gleichstellungsgesetze der Länder. Normen und Regelungen Es existiert eine Vielzahl umfangreicher Normen, die detaillierte Aussagen zu barrierefreien Bau- und Planungsvorhaben machen. Diese Wichtigsten dieser Normen seien im Folgenden kurz aufgeführt. Die DIN 18024 (barrierefreies Bauen) macht Aussagen zur Einhaltung der Barrierefreiheit im Rahmen allgemeiner, öffentlicher Bauaufgaben. Der erste Teil dieser Norm enthält Planungsvorschriften zur Gestaltung von Straßen, Plätzen, Wegen sowie öffentlichen Grünanlagen oder Spielplätzen. Im zweiten Teil derselben DIN sind Regelungen zur Planung von öffentlichen Gebäuden und Arbeitsstätten verfasst. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist die DIN 18025 von wesentlich größerer Wichtigkeit, da sie sich speziell mit dem Thema „barrierefreie Wohnungen“ auseinandersetzt. Diese Norm gilt für die Planung und Errichtung von neuen Miet- und Genossenschaftswohnungen, sowie sinngemäß für alle Bau- und Planungsaufgaben, die die Errichtung von barrierefreiem Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 116 Wohnraum zum Ziel haben. Ebenso wie die zuvor kurz beschriebene DIN 18024 ist auch diese Norm in zwei Teile gegliedert. Sie unterscheidet zwischen rollstuhlgerechten und allgemein barrierefreien Wohnungen. Der erste Teil der DIN 18025 gilt für den Bau, die Planung und Einrichtung von rollstuhlgerechten Wohnungen. Er enthält Regeln, die Rollstuhlbenutzern, auch solchen mit Oberkörperbehinderungen, ermöglichen sollen alle zur Wohnung gehörenden Räume problemlos befahren zu können. Ziel ist der Regelungen ist die Schaffung von Raumsituationen, in denen sich Rollstuhlbenutzer möglichst selbstständig, und von fremder Hilfe weitestgehend unabhängig, bewegen können. Deshalb müssen neben der eigenen Wohnung grundsätzlich alle gemeinschaftlich nutzbaren Räumlichkeiten ebenfalls den Anforderungen dieser DIN genügen. Wird im Rahmen dieser Norm der Begriff ’Rollstuhl’ verwandt, so ist stets der Elektrorollstuhl gemeint. Teil 2 der DIN 18025 regelt die Planung, den Bau sowie die Einrichtung von allgemein barrierefreien Wohnungen. Allgemein barrierefrei bedeutet, dass der Wohnraum für alle Menschen, mit Ausnahme von Rollstuhlbenutzern, unabhängig und uneingeschränkt nutzbar sein muss. Auch wenn dieser Teil der DIN ausdrücklich nicht die besonderen Anforderungen von Rollstuhlbenutzern berücksichtigt, so müssen Wohnungen, die nach den Regeln dieser Norm errichtet werden doch von Rollstuhlbenutzern besucht werden können. Insbesondere folgende Personengruppen profitieren von den Regelungen der DIN 18025 : Teil 2 (vgl. Barrierefreie Wohnungen - Leitfaden für Architekten) 1. 2. 3. 4. 5. 6. ältere Menschen und Kinder Groß- oder Kleinwüchsige Blinde und Sehbehinderte Gehörlose und Hörgeschädigte Gehbehinderte Menschen mit sonstigen Behinderungen Spätestens hier wird deutlich, dass ein sehr großer Teil der Bevölkerung Nutzen aus barrierefreien Wohnungen ziehen kann, und dass es sich nicht, wie teilweise angenommen, um eine Randgruppe handelt. Die beiden genannten Normen, DIN 18024 und DIN 18025 sollen zukünftig in der neuen DIN 18030 zusammengefasst werden. Je nach Bundesland sind diese Normen bauordnungsrechtlich verbindlich. Katalog – Planung und Ausführung In dem folgenden Katalog werden verschiedene Bereiche des barrierefreien Wohnens und Bauens betrachtet und mögliche Lösungen für verschiedene Problemstellungen vorgestellt. Das Spektrum der behandelten Themen reicht dabei von der Erschließung bis hin zu gebäudetechnischen Anlagen. (vgl. www.nullbarriere.de, www.baunetz.de ) Zugang/Erschließung Der erste betrachtete Teilbereich des barrierefreien Bauens ist der Bereich des Zugangs oder der Erschließung. Im Kontext des barrierefreien Wohnens wird bei dem Begriff ‚Erschließung’ oft zuerst an das Verhindern von Stufen oder Treppen gedacht. Die so genannte stufenlose Erreichbarkeit einer Wohnung ist besonders für Rollstuhlbenutzer unverzichtbar. Sie kann durch den Einsatz verschiedener Mittel gewährleistet werden. Die am häufigsten verwandten sind Aufzüge oder Rampen, wobei auch etliche andere Lösungen, wie beispielsweise Senkrechte Lifte, Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 117 Hubplattformen oder Treppenlifte denkbar sind. Die stufenlose Erreichbarkeit ist jedoch nicht der einzige Aspekt der Gebäudeerschließung, den es bei der Schaffung von Barrierefreiheit zu berücksichtigen gilt. Auch die Beschaffenheit von Treppen oder Türen ist für die Zugänglichkeit von Gebäuden entscheidend. Bei der Gestaltung von Treppen ist die Anbringung entsprechender Handläufen ebenso notwendig, wie ein Schutz gegen Abrutschen oder gut sichtbare, bzw. tastbare Markierungen der Treppenstufen. Türen müssen in ihren Abmessungen so gewählt werden, dass ein bequemes Passieren, auch für Rollstuhlbenutzer, möglich ist. Zu Beachten sind auch geeignete Öffnungsmechanismen, auf die im Abschnitt Gebäudetechnik näher eingegangen wird. Ebenso wichtig wie die Zugänglichkeit ist die Nutzbarkeit von Räumen, die durch das Einhalten von Bewegungsflächen gewährleistet wird. Die Abmessungen dieser Flächen werden durch die Dreh-, bzw. Bewegungsradien einer Person bestimmt. Dabei definiert der Nutzer durch seine Anforderungen auch den notwendigen Platzbedarf. Ein auf einen Elektrorollstuhl angewiesener Mensch, benötigt somit mehr Bewegungsflächen als ein nicht gehbehinderter Mensch. Die exakten Maße der Bewegungsflächen sind in den Normen festgesetzt. Orientierungshilfen sind insbesondere für Menschen mit sensorischen Funktionsstörungen notwendig. Unter dem Begriff ‚Leitsysteme’ werden alle Arten von Hilfen zur Orientierung zusammengefasst. Darunter fallen beispielsweise Farbleitsysteme, Piktogramme oder Bodenindikatoren. Wohnen und Schlafen Die Berücksichtigung der Barrierefreiheit in Planung, Ausführung sowie Einrichtung in allen zum Wohnen genutzten Räumen eines Gebäudes ist selbstverständlich von entscheidender Bedeutung für die eigenständige und unabhängige Nutzbarkeit einer Wohnung durch ein möglichst breites Personenspektrum. Durch eine geeignete Disposition des Grundrisses lassen sich Funktionsabläufe räumlich zusammenfassen und optimieren. Besonders für behinderte Menschen ist die Vermeidung langer Wegstrecken innerhalb der Wohnung sehr wichtig. Flure sind somit bei der Grundrissplanung, insbesondere von rollstuhlgerechten Wohnungen, wenn möglich zu vermeiden. Darüber hinaus muss der notwendige, je nach Behinderung unterschiedliche, Mehrflächen-bedarf eingeplant werden. Dieser Bedarf ergibt sich aus den notwendigen Bewegungsflächen und daraus resultierenden Raumgrößen. In einigen Fällen ist Anlage weiterer Räume, wie beispielsweise Therapieräumen oder häuslichen Arbeitsräumen, erforderlich. Um den Belangen von Bewohnern mit sensorischen Funktionseinschränkungen Rechnung zu tragen, sollte bei der Grundrissgestaltung überdies eine klare Struktur zur leichteren Orientierung geschaffen werden. Wohnungen, die nach DIN 18025 Teil 1 rollstuhlgerecht sind, muss im Eingangsbereich der Wohnung oder des Wohnhauses ein Rollstuhl-wechselplatz geschaffen werden. Ein solcher Raum ermöglicht das Abstellen des auf der Straße genutzten Rollstuhls und das Umsteigen in einen anderen, zumeist kleineren und leichteren, Rollstuhl zur häuslichen Nutzung. Die Belichtung von barrierefreien Wohnung sollte immer über Fenster mit geringer Brüstungshöhe oder über raumhohe Fenster erfolgen, um Sichtbezüge für sitzende oder Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 118 kleine Personen in den Außenbereich zu ermöglichen. Diese Notwendigkeit wird verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Augenhöhe des durchschnittlichen Rollstuhlfahrers etwa 1,15m beträgt. Arbeiten Menschen mit Behinderungen sind oft in ihrer Mobilität eingeschränkt. Für sie ist daher die Einrichtung eines Arbeitsplatzes in der eigenen Wohnung oft besonders wichtig. Wie zuvor bereits angesprochen müssen die dafür notwendigen Räume bereits beim Zuschnitt der Grundrisse eingeplant werden. Das reine Vorhandensein eines Arbeitsraumes ist oft allerdings nicht ausreichend. Bei der Einrichtung und Gestaltung des Arbeitsplatzes müssen die individuellen Anforderungen des Benutzers beachtet werden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der Anpassung von Arbeitsplätzen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht alle genauer betrachtet werden können. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht dabei von der einfachen Einhaltung bestimmter Maße und Höhen bis hin zum Einsatz differenzierter, speziell angepasster Computerarbeitsplätze. Pauschal lassen sich, von der Einhaltung bestimm-ter Bewegungsflächen einmal abgesehen, keine Aussagen über geeignete Arbeitsplatzanpassungen treffen. Die individuellen Fähigkeiten des Nutzers oder der Nutzerin sind hier ausschlaggebend. Sanitär/Küche Bei der barrierefreien Gestaltung von Funktionsräumen, insbesondere Küchen und Bädern, sind neben der Einhaltung der üblichen Mindestabstände und Bewegungsradien weitere Besonderheiten zu berücksichtigen. Bei der Nutzung dieser Räume stehen die Installationen und Einbauten im Mittelpunkt. Auf eine funktionale, den Bedürfnissen der Nutzer angepasste, Ausführung ist daher zu achten. Die Anforderungen unterscheiden sich je nachdem, ob nach DIN 18025 Teil 1 (rollstuhlgerecht) oder nach Teil 2 (barrierefrei) gebaut wird. Bei der Planung von Sanitärräumen sind in beiden Fällen zahlreiche Griff- und Haltemöglichkeiten zu schaffen, Duschen schwellenfrei zu gestalten, und leicht bedienbare, das heißt einhändig nutzbare, griffige, Armaturen zu verwenden. Um Stürze zu vermeiden sollten die Bodenbeläge rutschfest sein. Bei rollstuhlgerechter Ausführung müssen darüber hinaus bestimmte Griffhöhen eingehalten werden, eine Unterfahrbarkeit des Waschtisches gegeben sein, und je nachdem, ob eine Dusche oder Badewanne genutzt werden soll, ist auch diese den speziellen Anforderungen, zum Beispiel durch den Einsatz eines Lifters, anzupassen. Wie sehr oft beim barrierefreien Bauen stehen bei der Gestaltung von Küchen die individuellen Anforderungen des Nutzers im Mittelpunkt. Die notwendigen Modifikationen an der Einrichtung der Küche hängen daher sehr stark von dessen Fähigkeiten ab. Die Möglichkeiten der Anpassung sind vielfältig und reichen von der optimierten Anordnung von Geräten über die Verwendung höhenverstellbarer und unterfahrbarer Arbeitsflächen bis zum Einbau spezieller optischer oder akustischer Signale. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 119 Gebäudetechnik Unter dem Begriff Gebäudetechnik ist eine Vielzahl unterschiedlicher technischer Anlagen zusammengefasst, durch die sich verschiedene Funktionen im Gebäude steuern lassen. Sie ist ein essenzieller Bestandteil des barrierefreien Bauens. Durch den intelligenten Einsatz geeigneter Technik lässt sich häufig auch in Gebäuden konventioneller Architektur eine weitestgehende Barrierefreiheit erreichen. Eine besondere Bedeutung kommt ihr bei Planungsaufgaben zu, bei denen bereits vorhandener, nicht den Belangen alter und behinderter Menschen angepasster, Wohnraum barrierefrei gestaltet werden soll. Während bei Neubauten schon in der Planungsphase mögliche Barrieren verhindert werden können, müssen bei Umbaumaßnahmen bereits bestehende Barrieren oft mit Hilfe technischer Mittel überwunden werden. Man denke hier nur an den Einsatz so genannter Treppenlifte, auf deren Einbau in Gebäuden ohne Treppen verzichtet werden könnte. Das Angebot technischer Mittel reicht von häufig verwendeten Elementen, wie speziell gestalteten Fenster- oder Türgriffen über automatische Bedienelemente und motorisierte Türöffner bis hin zu stark individualisierten Systemen zur Umfeldkontrolle, wie sie zum Beispiel von Menschen verwendet werden, die auf eine verbale Steuerung angewiesen sind. Außenbereich Nicht nur im Innern eines Wohnhauses ist die Einhaltung der in der DIN 18025 formulierten Regeln wichtig. Die Nutzbarkeit der Gebäudeaußenbereiche ist ebenso zu gewährleisten. Auch bei der Planung der Freibereiche sollte eine stufenlose Erschließung selbstverständlich sein. Wegeflächen müssen klar erkennbar begrenzt sein und sollten durch einen klaren Verlauf die Orientierung erleichtern. Bei der Wahl der Bodenbeläge sollte darauf geachtet werden, dass keine Rutschgefahr besteht und eine erschütterungsarme Befahrbarkeit mit dem Rollstuhl gewährleistet ist. Menschen mit Behinderungen nutzen sehr oft ihren PKW um ihre Mobilität zu erhalten. Ein ausreichendes Stellplatzangebot in unmittelbarer Wohnungsnähe ist daher unverzichtbar. Weiterhin muss bei der Anlage der Stellplätze auf die notwendigen Abstandsflächen und Bewegungsradien zwischen den Wagen geachtet werden. Ein Rollstuhlfahrer benötigt zum Beispiel etwa 1,5m Bewegungsraum zwischen seinem Fahrzeug und dem nächsten. 'Best Practices' – gebaute Beispiele Dass die zuvor ausführlich diskutierten Normen und Gestaltungsregeln kein Hemmnis für gute, moderne Architektur darstellen müssen beweisen die beiden im Folgenden dargestellten Beispiele. (vgl. www.baunetz.de ) Bei dem ersten Beispiel handelt es sich um ein im Jahr 2004 fertig gestelltes, komplett rollstuhlgerechtes und barrierefreies Einfamilienhaus welches in Niedrigenergiebauweise errichtet wurde. Den Wunsch des Bauherrn nach einem großzügigen, offenen und Licht durchfluteten Gebäude, welches darüber hinaus auch noch den Anforderungen eines Rollstuhlbenutzers genügen musste, setzte der Münchener Architekt Florian Höfer in diesem Entwurf eines zweigeschossigen Eigenheims um. In der Mitte des Ortes Gstach am Chiemsee gelegen offenbart das Gebäude die Philosophie des Architekten "sich nicht hinter geschlossenen Mauern zu verstecken". Die Erschließung des Hauses erfolgt über eine 17 m lange, zweigeteilte Rampe, die den Eingangsbereich, die Schlaf-, Kinder- und Gästezimmer im Erdgeschoss mit den offenen Arbeits- Wohn-, Koch- und Essbereichen im Obergeschoss verbindet. Neben der Rampe, die als Haupterschließung dient, gibt es einen Aufzug, der beide Obergeschosse mit dem Keller des Hauses verbindet. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 120 Die Fassade des Baus ist mit rot lasierten Lärchenholzpaneelen verkleidet und von einer großzügigen, keilförmig aus-eschnittenen Fensterfläche durchbrochen, durch welche die, das Gebäude erschließende, Rampe in Szene gesetzt wird. Die Belichtung aller Räume erfolgt über raumhohe, 1,20 m breite Fenstertüren, die gleichzeitig Zugang zu einem allseits umlaufenden Balkon gewähren. Den Anforderungen des Bauherrn in Punkto Barrierefreiheit wurde bei der Einrichtung des Hauses durch die Einhaltung einer Griff- und Arbeitsflächenhöhe von etwa 70 cm, wie auch durch eine entsprechende rollstuhlgerechte Ausführung der Küche und Arbeitsräume Rechnung getragen. Als zweites Beispiel dient ein von den Karlsruher Architekten Kränzle + Fischer-Wasels entworfenes und realisiertes Mehrgenerationenhaus in Darmstadt, bei dessen Konzeption die Flexibilität in der Nutzung im Vordergrund der Planung stand. 2003 wurde das am Stadtrand von Darmstadt gelegene Mehrfamilienhaus fertig gestellt. Zur Straßenseite hin erscheint es äußerlich zunächst als langer geschlossener Kubus aus anthrazitfarbenen Ziegeln. Zum Garten hin öffnet sich die Fassade und bietet großzügige Ausblicke in die grüne Parklandschaft. Interessant ist die Konzeption des Hauses. Was sich zuerst als konventionelles Einfamilienhaus darstellt ist eine Kombination dreier, voneinander unabhängiger MaisonetteWohnungen, in einem Haus. Verbunden und gleichzeitig voneinander getrennt werden diese Wohnungen durch geschosshohe Zwischenräume, die den Bewohnern als Kommunikationsräume oder gemeinschaftliche Flächen zu Verfügung stehen. Gemeinschaftlich genutzt wird überdies die Terrasse des Gebäudes, sowie eine im Obergeschoss des Gebäudes verlaufende Loggia. Die planerische wie architektonische Innovation des Entwurfs besteht in der Ausbildung eines "Bau-astensystems" innerhalb des Gebäudes, das die nachträgliche Modifikation der Raumkonstellation sowohl in der Horizontalen wie auch der Vertikalen ermöglicht. So kann auf sich verändernde Familienstrukturen oder körperliche Anforderungen reagiert werden. Das Gebäude ist komplett barrierefrei gestaltet, schwellenfreie Übergänge innerhalb des Gebäudes wie auch im Außenbereich erlauben die uneingeschränkte Nutzung des Hauses durch alle Bewohner unabhängig von ihrer gesundheitlichen Situation. Sogar ein nachträglicher Einbau von Aufzügen wurde in die Planung mit einbezogen und durch die Schaffung großzügiger Lufträume ermöglicht. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 121 4 barrierefreies Wohnen in Aachen In diesem Kapitel liegt der Fokus der Betrachtung auf der Situation des Wohnungsmarktes in der Stadt Aachen. In diesem Zusammenhang wird sich mit Angebot und Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum in Aachen, der Frage nach Rentabilität und Fördermöglichkeiten auseinandergesetzt. Marktsituation in Aachen Eine wissenschaftlich gesicherte Aussage über die Situation auf dem Aachener Wohnungsmarkt im Bezug auf barrierefreien Wohnraum lässt sich nicht treffen. Dies liegt an der Tatsache, dass keine Studien über den Bestand an barrierefreien Wohnungen oder Nachfrage nach solchen existiert. Im Rahmen dieser Arbeit wird versucht, aus den in Interviews (siehe Anhang) ermittelten Aussagen verschiedener Experten die Situation vor Ort abzuleiten und Entwicklungstendenzen zu beschreiben.. Zunächst einmal ist in diesem Kontext eine Besonderheit des Aachener Wohnungsmarktes zu beachten. Anders als in vergleichbaren Städten in Nordrhein-Westfalen befinden sich nur etwa 30% des gesamten Wohnungsbestandes in städtischer Hand. In vielen anderen Städten ist das Verhältnis beinahe umgekehrt. Der weitaus größte Teil der Wohnungen in Aachen (über 70%) gehört Privatpersonen oder freien Unternehmen. Bei der Betrachtung der Situation in Aachen muss daher deutlich unterschieden werden zwischen öffentlichen, städtischen Wohnungen und privat finanziertem Wohnraum. Betrachtet man die Entwicklung der Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum im Hinblick auf den öffentlich geförderten Wohnungsbau, so ist seit etwa 3 bis 5 Jahren eine Stagnation zu erkennen. Erklären lässt sich diese Stagnation nach der Einschätzung von Experten allerdings nicht mit einem Rückgang der Nachfrage sondern vielmehr mit der Angebotssituation in Aachen. Das Angebot an barrierefreiem, behinderten-, oder altengerechtem Wohnraum ist qualitativ deutlich zu gering. Auch qualitativ hochwertigere Angebote sind derzeit noch weitestgehend zu vermissen. Die Nachfrage wird daher in Aachen hauptsächlich durch privat finanzierte Projekte befriedigt. Von städtischer Seite aus wird jedoch an einer Vielzahl unterschiedlicher Angebote gearbeitet. Neue, alternative Wohnangebote für Senioren werden stark gefördert und zusätzliche speziell zugeschnittene Betreuungsangebote geschaffen. Das Spektrum solcher Bemühungen reicht von der Schaffung spezieller Wohnangebote für dementiell Erkrankte über Wohngruppenangebote wie beispielsweise "Alten-WGs" bis zu betreuten Wohneinrichtungen, die ein eigenständiges, selbstbestimmtes Wohnen bis ins hohe Alter hinein ermöglichen sollen. Im Bereich der privat finanzierten Angebote ist in Aachen ein sehr starker Nachfragezuwachs zu verzeichnen. Die Bautätigkeit im Bereich des alten- und behindertengerechten Wohnens nimmt seit Jahren drastisch zu. Den Aussagen verschiedener Experten zur Folge wird in Aachen im Bereich des Mehrfamilienhaus- bzw. Mietwohnungsbaus fast nur noch barrierefreier Wohnraum geschaffen, da dessen Vermietbarkeit gegenüber nicht barrierefreiem Wohnraum deutlich höher ist. Im Bereich der Wohnangebote für Senioren werden heute fast nur noch moderne Wohnkonzepte verfolgt, die die Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit der Bewohner in den Mittelpunkt stellen. Dem Bedürfnis älterer Menschen nach Kommunikation wird dabei ebenso Rechnung getragen wie dem Wunsch nach Serviceleistungen und ärztlicher Versorgung. Kosten - Finanzierung - Rentabilität Im Rahmen des Themas barrierefreies Bauen und Wohnen wird sehr oft die Finanzierbarkeit solcher Projekte in Frage gestellt. In der Tat ist der finanzielle Mehraufwand nicht zu unterschätzen. Je nach gewünschtem Ausstattungsgrad der Wohnungen liegt er zwischen 10 und 20% der gesamten Bausumme. Ausgesprochen teuer ist der Umbau eines bestehenden Gebäudes nach den Belangen der Barrierefreiheit. Soll eine echte Barrierefreiheit entstehen oder muss das Gebäude rollstuhlgerecht werden, so bleibt als Lösung oft nur die Entkernung desselben. Im Fall der Entkernung belaufen sich die Kosten für den Umbau auf 90-100% der Kosten für einen vergleichbaren Neubau. Dies liegt zum Teil an den gegenüber dem Neubau deutlich höheren Baunebenkosten. Die Rentabilität einer Umbaumaßnahme sollte also gründlich Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 122 geprüft werden. Grade bei Umbauten sind oft Kompromisslösungen notwendig und sinnvoll. Für Planer und Architekten ist das barrierefreie Bauen mit größerem Aufwand verbunden, lässt sich jedoch, durch andere, höhere Abrechnungsmöglichkeiten kompensieren. Die oben erwähnten 10 – 20% Mehrkosten, die der Bauherr zu tragen hat lassen sich teilweise über Förderungen auffangen. Die Rentabilität von barrierefreiem Wohnraum ist laut Aussage von Investoren durchaus gegeben, da sich für barrierefreien Wohnraum höhere Mieten verlangen lassen und die Vermietbarkeit generell deutlich höher ist. öffentliche Förderung Bei der Förderung von barrierefreiem Wohnraum in Aachen wird zwischen zwei Varianten unterschieden, der Neubauförderung und der Bestandsförderung. Die öffentliche Neubauförderung erfolgt durch die Landesbank Nordrhein-Westfalen (LB NRW) und beschränkt sich ausschließlich auf den Mietwohnungsneubau, auf bestimmte Eigentumswohnungen und Miet-Einfamilienhäuser für kinderreiche Familien. Gefördert werden Mietwohnungen, die zur Vermietung an Haushalte der so genannten Einkommensgruppe A, die eine gesetzlich festgesetzte Einkommensgrenze nicht überschreiten. Für die derart geförderten Wohnungen bestehen Belegungsbindungen von 15-20 Jahren. In dieser Zeit dürfen die Wohnungen nur an Bewohner der Einkommensgruppen A und B vergeben werden. Die Finanzierung muss darüber hinaus zu mindestens 20% in Eigenleistung erfolgen. Im Rahmen dieser Förderungen errichtete Gebäude müssen barrierefrei gestaltet sein. Nicht barrierefreier Wohnraum wird nur noch in besonderen Ausnahmefällen gefördert. (vgl. www.nrwbank.de) Bei der Bestandsförderung wird der Umbau von konventionellem Wohnraum zu barrierefreiem gefördert. In diesem Fall gibt es zusätzlich zur Förderung durch die Landesbank Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit der weiteren Förderung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Selbst bei Maximalförderung bleibt jedoch ein Eigenleistungsanteil von etwa 20-30% der Baukosten, der vom Bauherrn selbst zu tragen ist. innovative Projekte in Aachen Die Stadt Aachen fördert innovative Wohnprojekte und Experimente mit neuen Wohnformen. Zwei dieser Projekte werden im Folgenden kurz vorgestellt. Bei dem ersten, im Jahr 2002 fertig gestellten, Projekt mit dem Namen "Stadthaus statt Haus" handelt es sich um ein Wohnprojekt, das Mietwohnen mit Wohnen im Eigentum verbindet. Ursprünglich vom Frauenbüro der Stadt Aachen ins Leben gerufen, wurde die Idee später in einem Arbeitsforum weiterentwickelt. Die Ziele des Projektes sind gemeinschaftliches Leben und generationsübergreifendes, Wohnen in der Stadt als Alternative zu klassischem Altenwohnen. 15 Wohnungen und ein Gemeinschaftshaus entstanden. Letzteres entspricht weitestgehend ökologischen Kriterien. So existieren beispielsweise ein Blockheizkraftwerk und eine Photovoltaikanlage. Die Finanzierung erfolgte über Privatpersonen und Zuschüsse des Landes NRW. Unter dem Titel "Gemeinsam Wohnen von Alt und Jung" sind an der Vaalserstraße 26 öffentlich geförderte Wohneinheiten mit Gemein-schaftsräumen entstanden. Innovativ war bei diesem Projekt unter anderem die frühe Beteiligung der Bewohner am Planungsprozess, dies betraf sowohl die Gestaltung des Gebäudes, als auch der Außenbereiche. Im Zentrum dieses Wohnprojektes stand das gemeinsame generationsübergreifende Zusammenleben. Der Verein „gemeinsam Wohnen von Alt und Jung“ e.V. wurde im Rahmen dieses Vorhabens gegründet und organisiert heute die Bewirtschaftung des Gemeinschaftsraumes, besitzt ein Vorschlagsrecht bei Neuvermietungen und regt die Hilfen der Bewohner untereinander an. Fazit Der Wohnungsmarkt in Aachen ist definitiv nicht entspannt. Es existiert eine starke Nachfrage, die derzeit weder durch städtisch-öffentliche noch durch private Angebote befriedigt werden kann. Um in Zukunft gezielte Angebote schaffen zu können, sind Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 123 umfangreiche wissenschaftliche Studien zur Untersuchung der Marktsituation in Aachen unerlässlich. Obwohl die Planung, der Bau und die Ausstattung von barrierefreiem Wohnraum mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist, steht dieser Aufwand jedoch in keinem Verhältnis zur Nachfrage. Hält man sich in diesem Kontext noch einmal die zukünftigen Entwicklungen vor Augen, so ist es gesellschaftlich nicht zu verantworten in großem Umfang Wohnraum zu schaffen, der den Anforderungen der Zukunft nicht gerecht wird. Wichtig ist auch zu beachten, dass barrierefreier Wohnraum durch normale, nicht auf solchen Raum angewiesene Menschen vollständig und ohne Einschränkungen genutzt werden kann – barrierefreier Wohnraum ist somit deutlich vielseitiger nutzbar als herkömmlicher. In Anbetracht der Wohnflächenentwicklung in Deutschland, also der pro Kopf als Wohnraum genutzten Fläche, bei der ein deutlicher Trend zu immer größeren Wohnungen festzustellen ist, fällt zukünftig der Flächenmehrbedarf für Barrierefreiheit zunehmend weniger ins Gewicht. Die eingangs gestellte Frage ob Barrierefreiheit eine allgemeine Wohnqualität sei, lässt sich abschließend eindeutig bejahen. 5.0 Quellenangaben Bayerisches Staatsministerium des Inneren, Oberste Baubehörde [Hrsg.] (1992): Barrierefreie Wohnungen - Leitfaden für Architekten, Fachingenieure und Bauherrn, München, 1992 Höpflinger, François (2004):Traditionelles und neues Wohnen im Alter, Seismo-Verlag, Zürich, 2004 Österreichisches Ökologieinstitut; Kanzlei Dr. Bruck (2002): Total Quality - Planung und Bewertung, o.O., 2002 Pfaff, Heiko (2004): Lebenslagen der behinderten Menschen - Ergebnis des Mikrozensus 2003, Wiesbaden, 2004 Schader Stiftung (1999): Ergebnisbericht zu einer qualitativen Untersuchung mit Bewohnern der Nordweststadt Frankfurt zum Thema „Wohnen im Alter“, Frankfurt am Main, 1999 Stadt Aachen [Hrsg.] (2004): Statistisches Jahrbuch für die Jahre 2002/2003, Aachen, 2004 Statistisches Bundesamt (2000): 9. koordinierte Bevölkerungs-vorausberechnung Statistisches Bundesamt (2004): „Lebenslagen der behinderten Menschen“ In: Wirtschaft und Statistik, Heft 10, 2004, S.1181-1194 Links (Stand der Abfrage: Januar 2006) www.nullbarriere.de www.baunetz.de/infoline/barrierefreiesbauen/ de.wikipedia.org/wiki/Zielgruppe www.berlin.de/SenGesSozV/lfbehi/011.php www.destatis.de/presse/deutsch/pm2004/p5140085.htm www.neue-wohnformen.de/Projekte.14.0.html www.nrwbank.de Bildnachweise Alle Abbildungen wurden der Webseite www.baunetz.de entnommen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 124 6.0 Anhang Kurzinterview Fragenkatalog – Herr Körfer (Leiter des FB Wohnen der Stadt Aachen) 1. Zur Marktsituation für barrierefreie Wohnungen in Aachen. Angesichts der zunehmenden Alterung der Bevölkerung erwarten wir eine Zunahme der Nachfrage von barrierefreien (oder altengerechten) Wohnungen. Können Sie einen solchen Nachfragezuwachs in der Praxis erkennen? Die Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum in Aachen stagniert seit 3-5 Jahren. Jetzt ist es schwierig in diesem Zusammenhang die Daten der demographischen Entwick-lung mit der beobachteten Situation übereinander zu bringen. Der Fachbereich Wohnen kümmert sich primär um gefördertes Wohnen (früher hieß das Sozialwohnungsbau). Gesicherte Informationen habe ich nur über den öffentlichen, geförderten Wohnungsmarkt. In Bezug auf des Sozialwohnungsbestand nimmt die Nachfrage von alten Menschen nicht relevant zu. Ich vermute, dass dies jedoch an dem qualitativ wie quantitativ mässigen Angebot in Aachen liegt. Da wenig Angebot existiert, richtet sich die Nachfrage in Aachen diesbezüglich hauptsächlich an den privaten Wohnungsbau. Auf diese Entwicklung reagiert die Stadt Aachen dadurch, dass sie nur noch barrierefreie Wohnungen fördert. 2. In engem Zusammenhang mit der ersten Frage: Gibt es Studien (oder Daten) über die Nachfrage von barrierefreien Wohnungen in Aachen? Nein, gesicherte Studien liegen nicht vor. Es gibt in Aachen leider keine ausführlichen Daten über den Bestand an barrierefreien Sozialwohnungen. 3. Lässt sich ein Verhältnis von Angebot und Nachfrage in Aachen erkennen? Ist der Markt für barrierefreie Wohnungen entspannt, besteht an Angebots- oder Nachfrageüberhang... oder existiert vielleicht noch gar kein solcher Markt? Der Markt ist definitiv nicht entspannt. Die Nachfrage ist da, sie kann aber nicht befriedigt werden. Wir entwickeln derzeit neue Förderprogramme, durch die neue Wohnformen gefördert werden. Das neuste Projekt trägt den Arbeitstitel "neue Wohnformen". Hier wird Nachfrageforschung nach neuen Wohnformen wie z.B. dem Gruppenwohnen betrieben. In diesem Feld existiert durchaus Nachfrage, wenn auch zu Zeit noch oft "wild." Gibt es denn schon genauere Informationen über dieses Projekt? Nein, noch nicht. Bislang existiert es erst als Entwurf. 4. Gibt es in Aachen (einmal abgesehen von 'Heimplätzen') spezielle Wohnangebote für Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind? Es gibt die Projekte "Stadthaus - statt Haus" und "Freunde unter einem Dach." Die meisten Angebote sind aber, wie bereits angesprochen, sind oft privat. 5. Sind solche (oder weitere) Projekte/Angebote in Zukunft geplant? Also zum Beispiel Wohnangebote für selbstständiges Wohnen im Alter. Ja, natürlich sind solche Projekte geplant. Die Projektarbeit von der ich sprach hat zum Beispiel auch ein Förderprogramm für sozialen Wohnungsbau zum Inhalt. Ein Thema ist dort das "selbstständige Wohnen bis zur Pflegebedürftigkeit." 6. Gibt es in Aachen besondere Fördermöglichkeiten für den Bau von barrierefreien Wohnungen - oder den Umbau zur Barrierefreiheit? Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 125 Es gibt in Aachen zwei Möglichkeiten zu Förderung von barrierefreiem Wohnraum. Zum einen gibt es die Neubauförderung, für Mietwohnungsneubau, Zum anderen besteht die Möglichkeit der Förderung von Umbau - die so genannte Bestandsförderung. Letztere wird durch Landesdarlehen finanziert. 7. Eine kurze Frage zum Heimangebot in Aachen. Gibt es in Aachen genügend barrierefreien Wohnraum in Heimen, um den Bedarf decken zu können? Ja, wenn man auf das bisher klassische Heimangebot, das heißt auf Pflegekonzeptionen alter Prägung schaut. Dort existiert sogar ein Pflegeüberhang. Spezielle, flexiblere Angebote haben deutlichen Nachholbedarf. Wir arbeiten zum Beispiel derzeit an Angeboten speziell für dementiell Erkrankte. 8. Eine Frage zum Wohnberechtigungsschein. Hat jeder Mensch, der körperlich beeinträchtigt ist Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein oder ist dieser Anspruch ausschließlich von Einkommen der Person abhängig? Der Erhalt eines Wohnberechtigungsscheins ist nur einkommensabhängig - bei der Einkommensermittlung wird eine körperliche Beeinträchtigung jedoch mitberücksichtig. 9. Im Vergleich mit anderen Städten in NRW - würden Sie sagen, dass Aachen besonders innovativ mit dem Thema 'barrierefreies Wohnen' umgeht? Wenn ja, warum? Ich behaupt AC geht recht innovativ mit dem Thema "barrierefreies Wohnen" um, erdreiste mich aber nicht zu behaupten, dass wir uns besonders von vergleichbaren Städten abheben. Einige Städte haben uns gegenüber die Nase sogar ein klein wenig vorn. Das liegt daran, das in AC 70% der Wohnungen im privaten Händen sind (was sehr viel ist) - das heißt, dass die Stadt nur über 30% Wohnungen verfügen kann. Daher gibt es in Aachen öfters größere Hemmnisse bei der Anregung innovativer Projekte als in anderen Städten, da private Investoren nur selten soziale Projekte unterstützen wollen. Vielen Dank für ihre Zeit und das Interview! Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 126 Kurzinterview Fragenkatalog – Armin Plischke (Plischke Lüring Architekten) 1. Zur Marktsituation für barrierefreie Wohnungen in Aachen. Angesichts der zunehmenden Alterung der Bevölkerung erwarten wir eine Zunahme der Nachfrage von barrierefreien (oder altengerechten) Wohnungen. Können Sie einen solchen Nachfragezuwachs in der Praxis erkennen? Ja, die Nachfrage an barrierefreiem und altengerechtem Wohnen steigt drastisch an. In Aachen werden momentan einige hundert Wohneinheiten neu gebaut, viele davon auch rollstuhlgerecht. Wohnangebote wie betreutes Wohnen oder Pflegeheime werden stark nachgefragt. 2. Verändert sich ihre Auftragslage durch diese Entwicklung? Nun, wir sind in erster Linie ein Büro, das sich auf Krankenhausbau spezialisiert hat, von daher haben wir schon immer auf Barrierefreiheit achten müssen. Mittlerweile haben wir auch einige Aufträge akquirieren können, bei denen es sich um Wohnbau handelt. Bei diesen Aufträgen handelt es sich vollständig um barrierefreien Wohnraum. Wir planen momentan auch ein Pflegeheim in Aachen. 3. Werden "normale" Pflegeheime im Sinne von klassischen Altenheimen heute denn noch nachgefragt? Im Sinne klassischer Altenheime sicher nicht. Neue Planungskonzepte sind mittlerweile die Regel. Heute ist es in der Planung üblich, die Wohnungen solcher Wohnheime so zu organisieren, dass Wohngruppen entstehen. 4. "Alten-WGs"? Ja genau! Diese Alten-WGs sind sehr gefragt, und das bei den Bewohnern und Betreibern gleichermaßen. Die älteren Menschen wohnen zusammen, haben Kontakten kommunizieren viel und bleiben zusammen weitgehend selbstständig, da sie sich untereinander helfen. Der Erfahrung nach funktioniert das sehr gut, und die Zufriedenheit der Bewohner mit dieser Wohnform ist recht hoch. Die Betreiber sparen dann häufig Pflegepersonal, so dass diese Wohnformen oft finanziell günstiger sind als klassische. 5. Wo Sie grade das Thema 'Kosten' ansprachen - in Zusammenhang mit barrierefreiem Bauen werden oft die entstehenden zusätzlichen Kosten genannt. Wie hoch sind die zusätzlichen Baukosten von barrierefreiem Wohnraum gegenüber konventionellem? Der finanzielle Mehraufwand ist nicht zu unterschätzen. Er liegt je nach gewünschtem Ausstattungsgrad zwischen 10 und 20%. Ein Problem ist nicht nur der finanzielle Mehraufwand, oft ist es auch eine Frage von räumlichem Mehrbedarf. Besitzt ein Bauherr schon ein Grundstück, so möchte er auf diesem Grundstück etwas realisieren, und je nach Zuschnitt oder Größe ist der Flächenmehrbedarf schon zu bedenken. 6. Wie sehen Sie das Verhältnis von Umbaukosten zu Neubaukosten? Umbau ist unglaublich teuer. Wenn ein bestehender Bau entkernt werden muss belaufen sich die Umbaukosten auf 90-100% der Neubaukosten. Ich rate den Bauherrn meistens zum Neubau. Die Baunebenkosten sind beim Neubau deutlich geringer als bei Umbauten. So entfallen etwa die Umbauzuschläge für Architekten und Fachplaner. 7. Ist es für Sie als Architekt rentabel barrierefrei zu bauen? Erfordert das nicht viel größeren Planungsaufwand. einen Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 127 Höherer Planungsaufwand - hm, so würde ich es nicht ausdrücken. Natürlich ist barrierefreies Bauen umfangreicher und erfordert mehr Planung - ein Mehraufwand im finanziellen Sinn ist es jedoch nicht, da diese Bauaufgaben durch Honorarstufe 3 oder sogar 4 (statt Honorarstufe 2 wie beim üblichen Wohnbau) abgerechnet werden können. Für uns speziell sind die Anforderungen ohnehin nicht entscheidend, da die Komplexität barrierefreien Wohnraums in der Planung wesentlich geringer ist, als die eines Krankenhauses. Es mag für Sie interessant sein, dass heutzutage etwa 10% der Krankenhauszimmer rollstuhlgerecht sein müssen. Mussten sie das nicht immer sein? Nein, die Zimmer mussten natürlich entsprechend zugänglich sein, aber die Nasszellen mussten beispielsweise keineswegs auf die Belange von Rollstuhlfahrern zugeschnitten sein. Da heute aber die weniger schweren Fälle zunehmend schneller aus den Krankenhäusern entlassen werden, bleiben dort oft nur die schweren Fälle und für die ist eine solche Ausstattung wichtig. Vielen Dank für das Interview! Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 128 Kurzinterview Fragenkatalog – Herr Hermanns (Projektentwickler, AMW Projekte GmbH, Aachen) 1. Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland ist eine starke Zunahme der Nachfrage nach barrierefreien Wohnen zu erwarten. Wie sehen sie die Marktsituation für barrierefreie Wohnungen (behinderten/altengerecht)? Gibt es einen nennenswerten Markt? Das Angebot in diesem Bereich ist viel kleiner als der Bedarf. Heute sollte man sollte in aller Regel nur noch barrierefrei bauen. 2. Wie schätzen Sie das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage ein? Genaue Zahlen kenne ich nicht, aber Bedarf ist groß. 3. Der Wohnungsmarkt ist momentan relativ entspannt. Stellen barrierefreie Wohnungen Ihrer Meinung nach eine Marktnische dar – oder anders gefragt: Glauben Sie, dass sich barrierefreie Wohnungen leichter vermieten/verkaufen lassen als herkömmliche, nicht barrierefrei Wohnungen? Ja die Vermietbarkeit barrierefreier Wohnungen ist definitiv deutlich größer als die nicht barrierefreier Wohnungen. 4. Wenn ja, sind barrierefreie Wohnungen rentabel? Es entstehen meiner Ansicht nach keine großen Mehrkosten. Die Miete von barrierefreiem Wohnraum ist um ca. 10-20% höher als die normaler Wohnungen. 5. Gibt es besondere Voraussetzungen unter denen die Rentabilität gegeben, bzw. nicht gegeben ist? Außer örtlichen Faktoren, wie zum Beispiel die Bevölkerungs-zusammensetzung in einer Stadt, existieren keine besonderen Voraussetzungen. 6. Wie große sind Ihrer Meinung nach die Mehrkosten für barrierefreie Wohnungen / Häuser in Vergleich zu nicht barrierefreien? (prozentual) Die Mehrkosten belaufen sich auf etwa +3-5% der gesamten Baukosten. 7. Lassen sich die Mehrkosten von barrierefreiem Wohnraum über Förderungen auffangen, oder müssen sie vom Bauherrn (Mieter) getragen werden? Das weiß ich nicht. 8. Haben Sie Erfahrungen mit barrierefreiem Bauen gemacht? Welche sind das? Wir bauen seit etwa 10 Jahren nur noch barrierefrei und haben damit beste Erfahrungen gemacht. 9. Welche Entwicklungen sehen Sie dies bezüglich in der Zukunft? Werden solche Projekte zunehmen? Ja, ganz deutlich. Es wird fast nur noch solche Projekte geben. Ganz herzlichen Dank für dieses Interview! Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 129 Kurzinterview Fragenkatalog – Nachfrager Mirko, 20 Jahre Behinderung: Behinderungsgrad: Orthopädische Hilfsmittel: 1. Tetraspastik 100% E-Rollstuhl Was für einen Stellenwert hat die eigene Wohnung für Sie persönlich? Sie hat einen sehr hohen Stellenwert. Für mich ist meine Ruhe und die Möglichkeit mich zurückzuziehen sehr, sehr wichtig. Dadurch, dass ich oft auf Hilfestellung anderer angewiesen bin, ist der Raum, den ich für mich allein habe unverzichtbar. Ich kann mich bewegen wie ich will, habe meine Freiheit und störe niemanden. 2. Was ist für Sie besonders wichtig an einer Wohnung? Am wichtigsten ist die gute Lage innerhalb eines Versorgungszentrums, wo ich alles um mich herum habe was ich brauche. Das macht mich ein Stück weit unabhängiger. Wenn ich dann noch gut in meine Wohnung komme und mich in ihr schnell bewegen kann, wäre ich sehr zufrieden. Eine eigene Terrasse wäre natürlich schön, aber nicht unbedingt notwendig, wenn ich die Möglichkeit habe in der Nähe spazieren zu fahren oder im Café zu sitzen. (Welche Kriterien sollten erfüllt werden, Bewerten Sie die genannten Kriterien mit Schulnoten zwischen 1 und 6) - großzügige Grundrisse / Wohnungszuschnitte - Ausstattung der Wohnung (Gestaltung, Design…) - gute Versorgungslage (Geschäfte, etc. in der Nähe) - ruhige und sichere Wohnlage - privater Freiraum (Garten - Balkon) - Parkplatzangebot vor dem Haus - Preis 3. 2 1 1 2 3 2 3 Was für Erfahrungen haben Sie bei der Suche einer Wohnung bzw. eines Eigenheimes gemacht? - war es einfach eine Wohnung zu finden? - gab es Probleme ? wo lagen die Probleme? Es ist definitiv nicht einfach, eine behindertengerechte Wohnung zu finden. Vor allem in Innenstadtlage. Nicht nur wegen der oft alten Bauten in der Stadt. Auch neuere Gebäude werden immer wieder ohne Aufzug geplant. Und wenn es einen gibt, ist er viel zu klein. Meine Eltern haben vor circa zehn Jahren selbst gebaut, damit sie endlich einen Wohngrundriss nach eigenen Vorstellungen haben. Natürlich wegen mir. Das Haus hatte im Erdgeschoss alles was ich brauchte. Das gemeinsame Wohnzimmer, ein großes Bad, eine Wohnküche und mein Zimmer. Nach oben, die Treppen hoch brauchte ich dann nicht mehr. Leider sind wir vor zwei Jahren wieder umgezogen, weil die Kosten für meine Eltern am Ende nicht mehr zu tragen waren. Dann haben wir nach einer Mietwohnung gesucht. Aber wie schon gesagt, dass hat nicht geklappt. Zwei bis drei Stufen sind schon irgendwie okay, aber mehr geht nicht. Außerdem sind die Räume oft nicht groß genug, um sich dort einzurichten. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 130 Jetzt wohnen wir bei der Großmutter im Haus. Das geht auch. Mein Vater hat nur kleine Umbauten, wie eine Rampe und ein verändertes Bad vorgenommen. Aber eng ist es schon. Und in Randlage. - wie haben Sie versucht eine Wohnung zu finden? Zunächst haben wir in Zeitungen gesucht, dann auch mit Hilfe von öffentlichen Stellen. Aber das meiste ging letztendlich über Bekannte. 4. Wenn Sie Einfluss auf die Wohnungsmarktsituation in Aachen nehmen könnten, was würden Sie ändern? Was würden Sie bestehen lassen? Auf jeden Fall würde ich mehr Wohnungen in Innenstadt Lage anbieten. Meinetwegen mehr Geld in Umbauten stecken und die Neubauten soweit wie möglich befahrbar machen. Klar, dass man da Kompromisse machen muss, aber man muss ja auch nicht alles haben. Ich habe lieber die Stadt vor der Tür. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 131 Kurzinterview Fragenkatalog – Nachfrager Sascha, 21 Jahre Behinderung: Behinderungsgrad: Orthopädische Hilfsmittel: 1. Spina Bifida 100% E-Rollstuhl Was für einen Stellenwert hat die eigene Wohnung für Sie persönlich? Die eigene Wohnung ist für mich sehr wichtig. Es bedeutet Selbstständigkeit. Wenn man behindert ist, ist diese leider nicht immer Selbstverständlich. Außerdem ist die eigene Wohnung mein Freiraum und sie markiert einen neuen Lebensabschnitt. Ich will in jedem Fall eine eigene Wohnung haben. 2. Was ist für Sie besonders wichtig an einer Wohnung? Ich finde es wichtig, dass die Wohnung groß und hell ist und dass ich im Umkreis die Möglichkeit habe einzukaufen, zum Arzt zu gehen oder einfach und schnell den Bus zu nehmen. Kurze Wege sind eigentlich immer wichtig. Auch in der Wohnung. Außerdem wäre es schön, mal eine „stylische“ Wohnung zu haben. Aber so was habe ich eigentlich noch nicht wirklich gesehen. Das ist natürlich auch Geschmackssache. (Welche Kriterien sollten erfüllt werden, Bewerten Sie die genannten Kriterien mit Schulnoten zwischen 1 und 6) - großzügige Grundrisse / Wohnungszuschnitte - Ausstattung der Wohnung (Gestaltung, Design…) - gute Versorgungslage (Geschäfte, etc. in der Nähe) - ruhige und sichere Wohnlage - privater Freiraum (Garten - Balkon) - Parkplatzangebot vor dem Haus - Preis 3. 1 1 1 2 3 2 2 Was für Erfahrungen haben Sie bei der Suche einer Wohnung bzw. eines Eigenheimes gemacht? - war es einfach eine Wohnung zu finden? Es war auf jeden Fall immer schwer. Nach meiner Erfahrung behaupte ich, dass eine barrieren- und schwellenfreie Wohnung mit guter Lage in der Innenstadt so gut wie gar nicht zu finden ist. Von Freunden und Bekannten weiß ich, dass alle eher in Randlage wohnen. Für mich wäre das nichts. 4. Wenn Sie Einfluss auf die Wohnungsmarktsituation in Aachen nehmen könnten, was würden Sie ändern? Was würden Sie bestehen lassen? Ich würde auf jeden Fall viel, viel mehr Wohnungen oder sogar Heime in der Innenstadt anbieten. Es sollten auch viel mehr Wohnungen umgebaut werden, wenn dass geht. Klar können Altbauten schlecht verändert werden. Aber es gibt ja auch genügend neue Gebäude bei denen das kein Problem sein sollte. 5. Gibt es für Sie Alternativen zu einer eigenen Wohnung? Welche Wohnformen wären denkbar? Nein. Für mich gibt es eigentlich keine. Ich brauche meinen Freiraum wie jeder Andere auch. Wohngruppen oder Heime kommen eigentlich nicht in Frage, da ich nicht der Typ dafür bin. Mit einem guten Freund könnte eine WG beziehen, aber das müsste ein wirklich guter sein. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 132 Familien Eigenheime Eva Schiwietz Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 133 Inhalt Familien Eigenheime 1 Einleitung 2 Familie 3 Wohnen im eigenen Haus 4 Fallbeispiel „Wohnen im Anna-Park“ 5 Schlußbetrachtung und Ausblick 6 Quellenangaben und Bildverzeichnis 7 Anhang Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 134 1 Einleitung Nach wie vor steht bei der Bevölkerung das möglichst freistehende Ein- bzw. Zweifamilienhaus mit Garten als Wohnwunsch an oberster Stelle. Eine aktuelle Umfrage hat ergeben, dass zusätzlich zu den bereits erfolgreichen Eigentümern rund 60% der Mieter lieber in den eigenen vier Wänden wohnen würden, anstatt weiter zur Miete wohnen zu 1 bleiben. Überraschend scheinen diese Umfrage -ergebnisse allerdings nicht zu sein, denn auch Werbeblöcke im Fernsehen propagieren ein Eigenheim mit Leitsätzen wie bspw. „Es 2 liegt in der Natur des Menschen ein Haus zu bauen – Miete zahlen nicht.“ Empfindungen werden geweckt, die nicht nur den Wunsch nach einem eigenen Häuschen verstärken, sondern zur Miete wohnen als etwas schlechtes, unnatürliches, ausbeuterisches und ungerechtes darstellen. Besonders ausgeprägt scheint der Wunsch nach einem eigenen Häuschen im Grünen bei Familien mit Kindern zu sein. Seit Jahren bildet jedoch die Familie nicht die einzige Nachfragegruppe am gesamten Immobilienmarkt. Das bürgerliche Familienmodell ist längst nicht mehr als Norm zu sehen, denn auch dieses unterliegt einem Wandel. Beeinflusst von politischen, ökonomischen und sozialen Veränderungen verliert die traditionell vorherrschende, familienorientierte Lebensweise in der Gesellschaft an Dominanz. Neben strukturell fortschreitenden Veränderungen in den Haushalts- und Familienkonstellationen, bilden sich noch andere postmoderne Haushaltsformen und Lebensstile heraus. Die größte Nachfragegruppe stellt jedoch weiterhin die Familie dar. Unter dem Aspekt wie und wo unterschiedliche Nachfragegruppen wohnen, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit dem Thema „Familien und Eigenheime“. Vor diesem Hintergrund lassen sich folgende Fragestellungen aufstellen: Was versteht man heute noch unter dem Begriff Familie? Warum ist der Wunsch nach einem eigenen Häuschen mit Garten bei Familien so ausgeprägt? Welche Motive stecken dahinter? Verspricht nur das Leben im Umland oder auf dem Lande ein familien- und kinderfreundliches Wohnen? Welche Vorteile oder Wohnqualitäten werden jungen Familien außerstädtisch geboten? Das Ziel der Arbeit besteht darin, den Fragestellungen auf den Grund zu gehen und die Ergebnisse mit einem geeigneten Fallbeispiel abzurunden. Im Folgenden geht es im Abschnitt 2 um das Thema Familien, was man heute noch unter diesem Begriff versteht und ob Bezeichnungen wie Kern- bzw. Normalfamilie noch Gültigkeit haben. Es werden mitunter Familien- und Haushaltskonstellationen von früher und heute durchleuchtet, sowie neue Haushaltsformen vorgestellt. Das Thema Eigenheime wird in Abschnitt 3 erörtert und es werden kleine Hilfestellungen bzgl. Kauf oder Erwerb eines Hauses geleistet. Der Gedanke im eigenen Haus zu wohnen und die Kinder im eigenen sicheren Garten spielen zu lassen, wird dieser nur ein Gedanke, ein Traum bleiben. Ist ein Traum vom eigenen Haus nicht auch die Sehnsucht nach Natur, häuslichem Glück und einem intakten Familienleben. Welche Motive/ Faktoren veranlassen besonders Familien sich den Traum vom eigenen Häuschen zu verwirklichen? Warum kann dieser Wunsch meist nur in Umlandgemeinden verwirklicht werden? Aufgrund der Fragestellungen lässt sich mitunter auch der demographische Wandel in den Städten und damit die Suburbanisierung erklären, die natürlich aus dem Abwandern junger Familien ins Umland resultiert. Im Fallbeispiel „Wohnen im Anna-Park“ in Alsdorf findet die Ausarbeitung des Themas Anwendung. Das ehemalige Zechengelände lag jahrelang brach und bildet heute mit einem Park und einer familienfreundlichen Wohnanlage eine Heimat für viele Familien. Den Abschluss dieser Arbeit bildet die Schlussbetrachtung. 2 Familie Kern- bzw. Normalfamilie Unter „Familie“ verstehen wir auch heute noch eine Konstellation, die von einem Paar und 3 einem oder mehreren Kindern gebildet wird, die ein Generationen -verhältnis bilden. Die in unserem Verhältnis moderne Familie entstand erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts und verbreitete sich durch die entwickelnden Industriegesellschaften. Vor der Industrialisierung allerdings, d.h. um das 16. Jh. herum, gab es in der traditionellen Gesellschaft schon eine bunte Vielfalt an sehr unterschiedlichen Familientypen mit sich Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 135 verändernden Familienformen und Erziehungsstilen. Die Rollen innerhalb der Familie waren auch wenig separiert und ausgeprägt. Man konnte nur schwer die Rollen von Vater, Mutter, Kind, Hausfrau, Erwerbstätigen, Rentner klar voneinander unterscheiden. Auch war kaum eine zeitliche Abgrenzung der Phasen von Kindheit, Jugend, Erwachsensein und Alter deutlich. Die Aufgabe der Familie bestand darin, die wechselnden Anforderungen der Umwelt zu verarbeiten und die Lebenspläne der Einzelnen innerhalb der Familie zu organisieren. Beeinflusst von ökonomischen, sozialen und politischen Veränderungen beschleunigte die Industrialisierung die Suche nach neuen Familienmodellen. Neben modernen Lebensgemeinschaften, die auch in Opposition zu Familienmodellen alter Prägung stehen konnten, entwickelten sich zwei Hauptgruppen die die Bevölkerung teilten, nämliche die „bürgerliche (Klein-) Familie“ und die Lohnarbeiterfamilie. Die zuletzt genannte besaß keinerlei Eigentum und die Existenz der Familie war ausschließlich vom Arbeitseinkommen abhängig, d.h. Frau und Kinder mussten auch arbeiten. Es gab weder Zeit für Erziehung und Ausbildung noch Geld für eine Schulbildung. Das genaue Gegenteil dazu bildete die bürgerliche Familie, die eine ökonomische Absicherung durch Eigentum besaß. Die Frau erfüllte eine beaufsichtigende und zugleich emotionale Funktion, die ein besonderes wohliges „Familienklima“ schaffen sollte. Außerdem konnte sie sich vollkommen der Erziehung und Ausbildung der Kinder widmen und den bürgerlichen Luxus repräsentieren. Für den Haushalt zuständig waren Dienstboten. Mit der Industrialisierung und Herausbildung zweier Familien-Hauptgruppen gingen auch die Veränderung der gesellschaftlichen Umwelt und die Funktionsweise der Familie einher. Die Rollen von Kindern, Jugendlichen etc. begannen sich zu differenzieren. Mehr und mehr Funktionen wurden auf gesellschaftliche Institutionen übertragen und machten den 4 Einzelnen unabhängiger vom Management der Familie. Im 19. Jahrhundert näherten sich die zwei gegenteiligen Familienstrukturen an, aufgrund der Auflösung des Dienstbotenverhältnisses. Somit war nun auch die bürgerliche Frau dazu gezwungen allein oder mit Unterstützung von Haushaltshilfen materielle Hausarbeiten erledigen. Trotz der formalen Angleichungen waren die Inhalte familiärer Beziehungen nicht die gleichen. Bürgerliche Frauen bspw. hielten trotz nun körperlicher Arbeiten im Haushalt weiterhin an Erziehungsinhalten und Beziehungsformen fest. Dem bürgerlichen Familienmodell entspricht eine Familienform, die als Kernfamilie bezeichnet wird. Im 20. Jahrhundert wird diese sog. Kernfamilie für kurze Zeit kulturell dominierend und deshalb auch als „Normalfamilie“ betrachtet. Neben dieser Familienform bildet sich mit der Zeit eine vielgestaltige neue, experimentierende und „postmoderne“ Lebensform von Erwachsenen und Kindern, die in der heutigen Zeit immer dominierender wird. In der Politik allerdings wird immer noch die „Normalfamilie“ als normatives Leitbild gesehen, obwohl auch sie inzwischen von einigen strukturellen Veränderungen geprägt ist. Im Sinne einer vielgestaltigen neuen und „postmodernen“ Lebensform müssen einige Dinge relativiert werden, bspw. dass es nicht zwangsläufig sein muss, dass Familie und Haushalt 5 eine Einheit bilden. Familienzusammenhang kann auch bestehen, wenn Kinder aus ihrem elterlichen Haushalt ausgezogen sind. Ebenso können sich Elterngenerationen in einer Familie in verschiedenen Beziehungsformen wieder finden, wie z.B. Patchwork- Familien, Stieffamilien und Ein- Elternfamilien. Weitere Erscheinungen einer „postmodernen“ Lebensform sind das eine Familie nicht nur durch eine biologische, sondern soziale Mutterund Vaterschaft geprägt werden kann und diese nicht unbedingt in einer Ehe leben müssen, sondern als Lebensgefährten. Haushalts- und Familienkonstellationen Die „Normalfamilie“ wie man sie normalerweise mit einem männlichen Ernährer, Hausfrau und Kindern versteht (lt. bürgerlichem Familienmodel) ist in heutiger Zeit nicht mehr so 6 selbstverständlich. Die grundlegende Basis mit zwei Erwachsenen und Kindern ist geblieben. Veränderungen lassen sich eher in biographischen Abläufen vorfinden durch Verschiebung klassischer Abläufe, was mithin zu veränderten Familien- und Haushaltskonstellationen führt. Auslöser sind neben dem in den 60er und 70er Jahren beschleunigten wirtschaftlichen Wachstum, die sozialen Veränderungen in den west- und mitteleuropäischen Gesellschaften gewesen. Mädchen und Frauen boten sich auf einmal zahlreiche neue Arbeitsplätze bspw. in privaten und öffentlichen Dienstleistungsunternehmen und in der Konsumgüterindustrie. Neue Bildungs- und Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 136 Ausbildungsmöglichkeiten eröffneten sich ihnen und verbesserten einerseits nicht nur ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sondern trugen auch zur Veränderung ihrer Lebensentwürfe bei. Insgesamt stieg der Wohlstand im Sinne von Einkommen und Konsum der Bevölkerung, so dass sich auch das Ehe- und Familienleben besonders von Gruppen wie den Arbeitern, Angestellten und Beamten veränderte. Das Interesse an Freizeitmöglichkeiten, kulturellen Wahlfreiheiten und der Wunsch nach sozialer Nähe wurden zunehmend bedeutender. Der Anspruch der Menschen in Bezug auf ihre Wohnverhältnisse, ihr Essen, Kleiderauswahl und – reinigung wurde immer anspruchsvoller. Haushalte aufgrund geringerer Kinderzahl wurden immer kleiner, aber der Wunsch nach mehr Wohnraum wuchs. Auf der anderen Seite stieg natürliche auch die durchschnittliche Belastung durch Hausarbeit aufgrund größeren Wohnraums. Andererseits wurde die Hausarbeit durch Waschmaschinen, Staubsauger, Gas, Strom, etc. erleichtert. So konnten verheiratete Frauen aufgrund weiterer Entlastungen, wie geringere Kinderzahl, kürzere Stillzeiten, ausreichend Kindergartenplätze und Horte, erwerbstätig sein bzw. ihre Erwerbstätigkeit nach einer Geburt wieder schnell aufnehmen. Natürlich konnte man sich dadurch als Familie mehr bzw. einen gewissen Luxus leisten, den eine frühere Familie und vor allen Dingen Hausfrau nicht im Entferntesten haben konnte. Schönere Möbel, größeren Wohnraum, reisen in entfernte Länder, auf einmal war alles möglich geworden. Besonders Frauen erlebten ihre Erwerbstätigkeit als sinnstiftend und konnten sich entfalten, ihre Wünsche und Träume realisieren. Immer mehr ging der Wunsch dahingehend sich im Beruf zu profilieren, mehr Kontakt mit Kollegen oder Kunden zu pflegen und weniger Abhängigkeit vom eigenen Ehemann und weniger Isolation im Haushalt. Immer mehr Frauen wählten den Weg der Erwerbstätigkeit und Unabhängigkeit, begleitet von wachsender Gleichberechtigung in der Ehe. In der heutigen Zeit ist die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung berufstätig, manchmal sogar besser verdienend als der Partner/ Ehemann. Aufgrund der Veränderungen der Lebensentwürfe durch bessere Bildungsmöglichkeiten, Erwerbstätigkeit bis hin zu hohen einflussreichen Positionen in der Berufswelt, erfolgen heutzutage Heirat und die Geburt der Kinder viel später. Die Phase der Elternschaft verkürzt sich durch eine geringere Anzahl an Kindern und die Erwerbstätigkeit 7 von Müttern. Das „Klischee von der glücklichen kinderreichen Familie“ hat somit an Gültigkeit verloren, denn immer mehr Paare stellen sich ein glückliches Familienleben mit ein oder zwei Kindern vor. Nebenbei häufen sich natürlich auch Fälle, wo sich höher qualifizierte Frauen zwischen Kind (somit Familie) und beruflicher Karriere entscheiden müssen. Auch sollte man auf der anderen Seite Familien nicht aus den Augen verlieren, die sozial schlechter gestellt sind und sich durch eine hohe Kinderzahl kennzeichnen lassen. Stellt nicht gerade diese neue Entwicklung der Familienverhältnisse und die immer stärker werdende Rolle der Frau einen Gegensatz zum bürgerlichen Familienmodell dar. Wie es 8 scheint, gerät das bürgerliche Modell unter „Legitimationsdruck“ . Die Konstellation in der Familie und hauptsächlich zwischen Mann und Frau unterliegt mit der Zeit immer stärker erkennbaren strukturellen Veränderungen. Mit wachsender Selbständigkeit der Frau steigt die Angst des Mannes seine Privilegien und Autorität in der Familie als Oberhaupt zu verlieren. Im Berufsleben geht es ebenso vor, denn die Konkurrenz von weiblicher Seite wird zunehmend größer, auch im Bezug auf hohe Positionen. Viele Männer sind dahingehend auch verunsichert, wenn eine Frau beruflich über ihnen steht und Anweisungen gibt. In heutiger Zeit ist es soweit fortgeschritten, dass die Frau als gleichberechtigter Partner sowohl im Privatleben, als auch im Berufsleben überwiegend akzeptiert wird. Auf der anderen Seite sollte man natürlich auch nicht vergessen, dass es noch Bevölkerungsteile gibt, die an einem bürgerlichen Modell festhalten und somit der Mann noch das Oberhaupt der Familie darstellt. Meist zu verzeichnen ist dies bei älteren Ehepaaren, sowie bei ausländischen Familien, die an ihrer Kultur festhalten. Neue Haushaltsformen Faktoren wie eine steigendes Wohlstandsniveau, technisch und strukturell sich weiter entwickelte Produktions- und Arbeitsverhältnisse, eine erweiterte Frauenrolle und eine zunehmende Bedeutung von Freizeit und kulturellen Wahlfreiheiten führen zu einer „Enttraditionalisierung“. Dies bedeutet nichts anderes als das die traditionell orientierte Lebensweise bei Einzelnen den verpflichtenden Charakter verliert. Zunehmender wird dagegen die Wahlfreiheit in den persönlichen Lebensverhältnissen. Der Trend führt weg von Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 137 der Normalfamilie im Sinne des bürgerlichen Modells und hin zu Kleinfamilien (2 Erwachsene und Kind/er) und sich neu bildenden postmodernen Lebensformen. Seit den 70er Jahren ist in Deutschland ein Anstieg der Personen zu verzeichnen, die nicht in Kleinfamilien zusammenleben. Unterschieden werden kann zwischen „alternativen Familienformen“ und 9 „nichtfamilialen Lebensformen“ . Zu den „alternativen Familienformen“ zählen alle Haushalte, die als Ein-Eltern-Familien und Alleinerzieher-Familien, Stieffamilien, Adoptivfamilien, Pendler-Familien, Lebensgemeinschaften (ohne Trauschein) mit Kind/ern und Wohngemeinschaften mit Kind/ern leben. Diese Form der Familie bildet eine Differenz zur Normalfamilie und ist kennzeichnend für Haushalte, in denen zumindest ein leibliches oder soziales Elternteil mit mindestens einem Kind dauerhaft sorgend zusammenlebt. Die „nichtfamiliale Lebensform“ zählt Singles, kinderlose Ehen, Lebensgemeinschaften ohne Kinder, Paarbeziehungen bei getrennten Haushalten ohne Kinder, sukzessive Ehen nach Scheidung und ohne Kinder, gleich-geschlechtliche Paare in Haushaltsgemeinschaften und Wohngemeinschaften ohne Kinder. Insgesamt kann festgehalten werden, dass aufgrund der neuen Alternativen zur Normalfamilie auch dementsprechend die Heiratsneigung einen Rückgang zu verzeichnen hat. Als Ursache dafür zu nennen wäre einmal der Drang nach Unabhängigkeit von der Versorgung durch Ehemänner durch die erhöhte Erwerbstätigkeit der Frauen und die erhöhte Legitimität alternativer Familienformen und nicht familialer Lebensformen, wie der Lebensgemeinschaft ohne Trauschein. Weitere Ursachen lassen sich in dem verbesserten rechtlichen und sozialen Status außerehelich geborener Kinder und deren Mütter finden und dem Drang nach Individualisierung. Das Streben nach Individualisierung ist in dem Sinne zu verstehen, dass bspw. eine Ehe, die mit einer sozialen, materiellen und psychischen Bindung einher geht als ein (Mobilitäts-) Hindernis in der Berufskarriere zu verstehen ist. Die Individualisierungstendenzen in der Gesellschaft haben sich nicht nur auf Einzelpersonen und Familien ausgewirkt, sondern tragen auch zu einer stärkeren 10 Individualisierung der Wohnung bei. Bedürfnisse nach Rückzug, Entfaltung und Selbstdarstellung durch die Art der Wohnungseinrichtung, sowie die Arbeitsmöglichkeiten innerhalb der Wohnung werden zunehmend wichtiger. Allerdings resultiert durch die immer noch veraltete Wohnungspolitik ein großer Nachteil hauptsächlich für die neuen Haushaltsformen. Das Problem besteht darin, dass der Wohnungsbestand nicht entsprechend den Veränderungen in der Gesellschaft angepasst, 11 sondern weiterhin von einem „Leitbild des familiengerechten Wohnens“ geprägt wird. 3 Wohnen im eigenen Haus „Aufwachsen im suburbanen Einfamilienhaus mit Garten,…als Jugendlicher in Untermiete in die Innenstadt, wechselt nach der Heirat in eine innerstädtische Altbauwohnung und nach der ersten Geburt des Kindes in eine Mietwohnung am Stadtrand, baut oder kauft mit dem beruflichen Aufstieg ein suburbanes Einfamilienhaus, um nach Auszug der Kinder wieder in 12 ein Appartement in der Innenstadt zu ziehen.“ Man sollte sich fragen, ob ein solches idealtypisches Muster heute noch Gültigkeit besitzt. Sicher gibt es heutzutage Familien, die nach einem ähnlichen Muster vorgehen, jedoch wird dieser Anteil immer geringer aufgrund vielfältiger Handlungsmöglichkeiten. Mit der Entstehung und Verbreitung neuer Haushaltsformen und –typen verändern sich auch Verhaltensmuster. Während die Familie eher ein Häuschen im Grünen anstrebt und damit einen Wechsel von der Stadt ins Umland unternimmt, bevorzugen Paare ohne Kinder oder Alleinerziehende eher die Stadt. Neben vielfältiger Infrastruktur bietet die Innenstadt zahlreiche Angeboten an Freizeitaktivitäten, Ausgehmöglichkeiten, verschiedene Kulturen, u. v. m. Trotz neuer Verhaltensmuster und den sich neu bildenden Haushaltsformen träumt immer noch ein Großteil der Deutschen von einem freistehenden Einfamilienhaus. Eine Minderheit dagegen strebt ein Doppel- oder Reihenhaus an. Die Realität sieht allerdings anders aus. Laut einer Marktuntersuchung von Infratest im Auftrag verschiedener Institute, bspw. der LBS Bausparkasse, stellte sich heraus, dass mittlerweile Eigentumserwerber häufiger als erwartet eine kostengünstigere Alternative zum freistehenden Einfamilienhaus wählen. (siehe dazu Abb.1 im Anhang) Etwa 20% aller Erwerber 1998 und 2000 entschieden sich für ein Doppeloder Reihenhaus und 34% dagegen für ein klassisches Einfamilienhaus. Für ein 13 Zweifamilienhaus bzw. ein Haus mit einer Anliegerwohnung entschieden sich etwa 18%. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 138 Die Entscheidung für eine kostengünstigere Alternative zum klassischen Einfamilienhaus hat allerdings nichts mit Freiwilligkeit zu tun. Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen möchten sich auch den Traum vom eigenen Häuschen mit Garten ermöglichen. Da reicht es in finanzieller Hinsicht nicht immer für ein freistehendes Haus mit Garten aus. Der Erwerb eines Hauses Mehr als die Hälfte des deutschen Vermögens ist in Immobilien angelegt, das sind etwa 2 14 Billionen Euro . Im Jahre 2003, lag der Anteil der in Deutschland lebenden Bürger mit Wohneigentum bei 52 Prozent (siehe Abb. 2 im Anhang). Verwundernswert ist dieser 15 Prozentsatz keinesfalls, denn „Miete ist Luxus, jeder Euro verloren“ . Im Laufe der Jahre summieren sich die Zahlungen als Mieter, so dass man sich für das praktisch „aus dem Fenster geworfene Geld“ leicht ein Häuschen hätte finanzieren können. Die folgende Tabelle verdeutlicht bei einer 2,5% Preissteigerung der Miete pro Jahr, welche Summe an Mietzahlungen langfristig betrachtet entsteht. (siehe zusätzlich Abb. 3 im Anhang) Tab.1 mtl. Kaltmie 10 Jahre te 20 Jahre 30 Jahre 200,- 26.888,- 60.312,- 105.366,- 300,- 40.332,- 91.961,- 158.050,- 400,- 53.776,- 122.614,- 210.733,- 500,- 67.220,- 153.268,- 263.416,- 600,- 80.664,- 183.921,- 316.099,- 700,- 94.108,- 214.545,- 368.783,- Quelle: http://www.baufi-nrw.de/mietpreisentwicklung. Die Investition in ein Einfamilienhaus erfolgt nicht nur mit dem Hintergrund keine Miete mehr zu zahlen und damit Kapital anzulegen. Weitere wesentliche Faktoren sind eine sichere und kinderfreundliche Umgebung für die Kinder, mehr Wohnfläche als üblicherweise in Mietswohnungen, Altersvorsorge und endlich sein eigener Bauherr zu sein. Beim Erwerb eines Eigentums gibt es Unterschiede in der Hinsicht, ob ein privater Haushalt als Bauherr tätig ist oder ein Bauträger baut. Der vertraute Regelfall sieht vor, dass ein privater Bauherr ein Grundstück erbt oder kauft und für sich ein freistehendes Einfamilienhaus durch das örtliche Bauhandwerk im Eigenbau oder als Fertighaus errichtet. Dabei spielen noch Aspekte eine Rolle wie, ob ein Architekt hinzugezogen wird oder nicht und ob man Gebrauch von Selbst-, Verwandten- und Nachbarschaftshilfe macht. Der Beitrag von Architekten variiert jedoch, da viele Haushalte Geld sparen möchten und sich lieber Hilfe aus dem Freundeskreis besorgen, wie bspw. Maurer. Mit Nachbarschafts- und Verwandtenhilfe lässt sich auch eine Menge sparen, denn so ist eine Beauftragung von teuren Baufirmen nicht nötig. Allerdings sollte man Vorsicht walten lassen, da so etwas auch zur Schwarzarbeit ausarten kann und man in dem Fall mit hohen Strafgeldern rechnen muss. Relevant beim Hausbau sind auch städtebauliche Vorgaben der Erschließung und Gestaltung. Diese sind aber auf das Nötigste beschränkt und erfolgen ohne langfristig verfolgtes Konzept. Der weniger vertraute Regelfall sieht die Möglichkeit vor, ein Eigenheim von einem Bauträger oder Generalübernehmer zu erwerben, was auch seine Vor- und Nachteile haben kann. Oftmals sind die Angebote dieser günstiger, da sie dies durch Produktivitätsvorteile erreichen, in dem bestimmte Haustypen mit geringen Modifikationen angeboten werden. Der Kauf von einem seriösen Bauträger bietet dem Käufer stressfrei in ein meist schlüsselfertiges Haus einzuziehen und erspart Ärger mit Behörden, Architekten oder Handwerkern. Allerdings muss man vorab einen Vertrauensvorschuss leisten. Für jede weitere vollbrachte Arbeit, wie Erdarbeiten, Rohbau etc., werden Raten der Gesamtsumme Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 139 des Kaufpreises fällig. Im schlimmsten Fall kann es natürlich sein, dass der Bauträger Konkurs geht und nicht mehr leisen kann. Problematisch wird es da besonders bei Bauträgerfirmen die als GmbH arbeiten, also als Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In dem Fall richtet sich ein Anspruch im Konkursfall an eine Firma die nicht mehr existent ist und nicht an eine Person. Bauträger leben in erster Linie nicht vom Verkauf ihrer Grundstücke, sondern vom 16 Erbringen der Bauleistungen. Die meisten Grundstücke werden deshalb mit einer Baubindung angeboten und beim Verkauf verpflichtet man sich im Kaufvertrag, sofort oder später von ihm ein Haus bauen zu lassen. Jedem Vertrag sollte dann eine ausführliche Baubeschreibung zugrunde liegen, damit man auch weiß, welche Kosten im Preis enthalten sind und welche nicht. Hat der Bau erst einmal begonnen, haben die Käufer praktisch nichts auf der Baustelle verloren und dürfen dementsprechend den Handwerkern auch keine Anweisungen geben. Wünsche bezüglich Gestaltung des Hauses, d.h. Raumaufteilung und Innenausstattung, können immer beim Bauträger geäußert werden, der sie dann ohne Probleme ausführen lässt. Sonderwünsche kosten beim Bauträger extra. Am Ende der Bauphase einschließlich des Anschlusses aller nötigen Hausanschlüsse und Geräte, kann der Käufer Eigenleistungen im Hinblick auf Malerarbeiten und ähnliches erbringen, natürlich nur in vorheriger Absprache mit dem Bauträger. Bevor jedoch der Käufer die Schlüssel in die Hand bekommt, erfolgt die Abnahme. Dabei wird ein Rundgang durchs Haus meist mit einer bevollmächtigten Person des Bauträgers wie einem Architekten oder dem Bauträger selbst durchgeführt. Es wird ein Protokoll erstellt und sämtliche Mängel werden aufgenommen. Falls am Übergabetermin dem Käufer Mängel auffallen, vermerkt der Bauträger dies und lässt es in den nächsten Tagen und Wochen noch beheben. Mit einem Abnahmeprotokoll erkennt der Käufer verbindlich an, dass der Auftragnehmer das Objekt im 17 wesentlichen vertragsgemäß hergestellt hat. Garantiegewährleistungen haben Gültigkeit für einen Zeitraum von drei Jahren. Bevor man den Schritt wagt Eigenheimbesitzer zu werden, sollte man sich mit der Kalkulation befassen. Es kann leicht passieren, dass man den Überblick verliert. Auch in Bezug auf die Höhe des Kredites ist es ratsam über die Höhe der zukünftig auftretenden Kosten Bescheid zu wissen, denn so lässt sich auch die Summe der Kreditaufnahme besser einschätzen. Wie sich die jeweiligen Kosten prozentual verteilen lassen, wird in der folgenden Grafik deutlich. Abb.4 Quelle: ifs, Bonn (Bundesbauministerium, Broschüre: “Kostensenkung und Verringerung von Vorschriften im Wohnungsbau.“) Zur Vereinfachung sollte man auch eine Checkliste der anfallenden Kosten erstellen, die sich unterscheiden lassen zwischen den Kosten die entstehen, wenn man ein Haus kauft oder selbst baut. (siehe Abb.5 im Anhang) Wohn- vs. Wunschhaus Jeder dritte Mieter würde laut einer Emnid- Umfrage der BHW aus dem Jahre 2004 am 18 liebsten in den eigenen vier Wänden wohnen. Ein Großteil träumt von einem Häuschen mit Giebeldach, Garage und Gartenzaun, doch für viele bleibt es ein Leben lang nur ein „Wunschhaus“. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 140 Wohnen im eigenen Haus wird mit „häuslichem Glück, intaktem Familienleben, der 19 Sehnsucht nach Natur“ , Sicherheit, Unabhängigkeit, Freiheit und damit einer insgesamt verbesserten Lebensqualität assoziiert. Eine solche Verbesserung der Lebensqualität bedeutet gleichzeitig auch Gesamtzufriedenheit aller Familienmitglieder. Fern ab von städtischem Lärm, Smog und der Hektik stellt ein Häuschen im Grünen den idealen Ausgleich für Berufs- und Alltagsstress dar. Allein die verbesserte Wohnqualität durch entsprechend größere Wohnverhältnisse, die geringen Lebenshaltungskosten, größere Privatheit durch größere Distanz zur Nachbarschaft, die Nähe zu Grünflächen und dementsprechend auch geeignete Wohn- und Spielverhältnisse für Kinder gehören zu den Hauptgründen weswegen sich junge Familien für ein Häuschen entscheiden. Allerdings verspricht ein Häuschen nicht nur eine schöne heile Welt, hinzukommen auch Besorgnisse, wie eine langjährige Bindung und Verpflichtungen. Neben der Aufnahme eines hohen Kredits bei einer Entscheidung für den Bau oder Kauf eines Eigenheims, muss damit gerechnet werden für einen längeren Zeitraum „auf teure Konsumgüter und 20. Freizeitaktivitäten zu verzichten“ Nicht alle Häuselbauer verfügen meist über größere finanzielle Ressourcen. Da aber der Traum vom eigenen Haus so enorm ist, entschließen sie sich zu einer sparsamen Lebensweise zugunsten einer verbesserten Wohnsituation. Ein Eigenheim bedarf somit Sparsamkeit, Disziplin, Arbeitseinsatz und einer langfristigen Planung. Natürlich gibt es auf der anderen Seite auch Haushalte, die sich beim Hauskauf nicht einschränken und Verzicht üben müssen, um die Raten für ein Haus abzuzahlen. Sie gehören dann entweder zum besser verdienenden Anteil der Bevölkerung oder wohnen bereits in einem geerbten Häuschen. Wer beim Hausbau mit anpacken kann, spart wiederum einiges an Geld. Mit dem Einzug ist dann allerdings nicht direkt gesagt, dass man sich auf die faule Haut legen kann. Es müssen an einem Neubau zwar keine Renovierungsarbeiten verrichten werden, dennoch fällt immer etwas Arbeit im oder ums Haus an, ob es Gartenarbeit ist oder der Dachboden ausgebaut werden muss. Vielleicht ist auch dies einer der Gründe wieso sich einige Menschen doch eher für eine Mietswohnung entscheiden, denn bei Ausfällen wird jegliches auf den Vermieter abgewälzt und man hat den Kopf frei. Es lassen sich noch einige Gründe finden, weshalb ein Wohnhaus nur ein Wunschhaus bleibt. Diese wären einmal die Angst einen Kredit aufzunehmen, seinen Arbeitsplatz zu verlieren aber hauptsächlich aufgrund der hohen Grundstückspreise. Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn, liegt Deutschland auf einem der hinteren Plätze, wenn es um die Quote der Eigenheimbesitzer geht. Der deutsche Staat bemüht sich daher seit Jahren den Anteil der Eigentumsbesitzer zu erhöhen, in dem er aufgrund seiner familien -orientierten Politik, Immobilienerwerber durch Steuervergünstigungen und Eigenheimzulagen (bis Ende 2005) finanziell unterstützt. Familien profitieren dementsprechend mehr als Verheiratete ohne Kinder. Familien, die sich nun ihr Häuschen im Grünen ermöglicht haben, bezeichnen es auch nicht immer als ihr Wunschhaus. Gründe mögen in der Architektur oder beim Standort liegen. Vielleicht wollte man nicht noch einen höheren Kredit aufnehmen, um sich bspw. einen Keller, einen größeren Garten oder einfach nur einen Kamin im Wohnzimmer leisten zu können oder man hat einfach nicht das Grundstück bekommen was den eigenen Präferenzen entsprochen hätte. Bedürfnisse und Wünsche Es gibt eine Vielzahl an Motiven und Bedürfnissen, die jungen Familien die Entscheidung für ein suburbanes Einfamilienhaus mit Garten erleichtern. Besonders wichtig dabei sind eine kinderfreundliche Umgebung und somit geeignete Wohn- und Spielverhältnisse für den Nachwuchs. Dazu gehören neben Spielstraßen- und plätzen auch Wiesen vor der Haustür und dementsprechend die Nähe zur Natur. Das eigene Häuschen mit Garten bietet einen Ort der Ruhe und des Rückzugs. Man kann dem Staub, Lärm, Dreck, Berufsverkehr und der alltäglichen Hektik, sowie abends dunklen Straßen und Gestalten entfliehen. Besonders nach einem stressigen Arbeitsalltag in der Innenstadt stellt das Häuschen im Grünen bzw. im Umland einen guten Ausgleich dar. Für manche kann so ein Garten mit seinen vielfältigen Möglichkeiten auch den Jahresurlaub ersetzen. Familien verbinden mit einem Eigenheim nicht nur eine gewisse Privatheit, sondern auch Freiheiten in Bezug auf Gestaltung von Haus und Garten. Man ist sozusagen Herr im eigenen Haus, denn niemand kann einem Vorschriften machen in Bezug darauf, wie man seine Wand streicht, den Garten bepflanzt und ähnliches. Es ist wie ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit, dass ein Haus mit seinen Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 141 vielfältigen Möglichkeiten bietet. Allein durch mehr Wohnraum entsteht bessere Wohnqualität und Gesamtzufriedenheit aller Familienmitglieder, da auch jedes Kind sein eigenes Zimmer hat. Es steht jedem genug Raum zur Verfügung, so dass man sich auch mal ganz gut aus dem Weg gehen kann und jeder seinen privaten Rückzugsort hat. Daneben können sich die Kleinen mal so richtig raufen oder austoben ohne dass es jemanden stört oder ständig ein Nachbar vor der Tür steht um sich zu beschweren. Man hat eine gewisse Distanz zum Nachbarn, die sich durch einen großen Garten oder Hecken zum Nachbarshaus kennzeichnen lässt. Familien sehen einen Garten auch als Mittel zur Steigerung der 21 Lebensqualität , der unter anderem ein Stück Natur ganz nah bringt. Man kann sich endlich einen eigenen Basketballkorb oder eine Tischtennisplatte aufbauen, den Grill anwerfen wann man möchte, aber auch Hobbygärtner können leicht auf ihre Kosten kommen. Ein Eigenheim bietet vor allen Dingen Sicherheit in Bezug darauf, dass man nicht mit einer Mieterhöhung oder Kündigung rechnen muss. Einen Kredit auf zu nehmen mag manchem Sorge bereiten, da es sich um eine Belastung und langfristige Verpflichtung handelt. Jedoch erfahren Familien finanzielle Unterstützung, indem sie bspw. vom Staat Kredite mit günstigen Zinskonditionen erhalten. Bis Ende 2005 hatten Familien auch die Möglichkeit, eine Eigenheim -zulage zu erhalten, die sich darin ergab, dass gewisse Pauschalbeträge auf Ehegatten und pro Kind einmal jährlich ausgezahlt wurden. Eine Familie mit zwei Kindern 22 hätte so in acht Jahren bis zu 32.720 Euro erhalten können. Um noch einmal auf Kredite ein zu gehen, sollte man bedenken, dass diese langfristig eine geringere Belastung darstellen als Stadtmieten. Nach Abzahlen der Schulden bleibt mehr Geld zur Verfügung und man kann sich zusätzliche Wünsche erfüllen. Das eigene Häuschen stellt für Familien somit nicht nur eine Kapitalanlage bzw. Altersvorsorge dar, sondern auch eine gute Investition. Alles was man in sein Häuschen investiert, egal ob eine Einbauküche oder Eckbadewanne, alles gehört einem selbst und später als Nachlass den Kindern. Mit dem Erwerb eines Hauses ist nicht automatisch gesagt, dass man sesshaft werden möchte. Mit dem Wandel der Zeit wird auch das Heim bei vielen nur noch zu einer Investition mit begrenzter Dauer. Laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 25.11.2005, sieht knapp über die Hälfte der Deutschen den Kauf einer Immobilie als kurzoder mittelfristige Anlage. Vorbei sind die Zeiten, wo man ein Haus als ein „bis zum Tod 23 genutztes Domizil“ sah. Heutzutage erfordert vor allen Dingen die Berufswelt Mobilität. Auch kann es vorkommen, dass man den Job wechselt und somit auch den Wohnort. Jedoch besonders im Alter trennen sich über 60% der Menschen von ihrem Haus, da sie befürchten 24 „den Haushalt nicht mehr allein bewältigen zu können“ . Der Weg führt sie dann wieder in die Großstadt zurück. Aufgrund der Tatsache, dass ein Häuschen nicht mehr nur eine Investition für ein Leben lang ist, baut man auch nicht mehr nur mit dem Gedanken ein Haus für ein Leben lang zu schaffen, d.h. mit Keller und allen erdenklichen Ansprüchen. Vor einigen Jahren noch hat das sog. „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ dazu geführt, dass Deutsche im Durchschnitt erst mit 38 25 Jahren Hauseigentümer wurden . Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr spät. Neben den Wünschen für und ums Haus gibt es noch relevante Motive hinsichtlich der Lage und des Standortes, denn beide bestimmen auch entscheidend den Wert des Projektes mit. Relevante Faktoren sind die Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, Kindergartenplätze, Schulen, ein familien- und kinderfreundliches Wohnumfeld, die regionale Umgebung und die Entfernung zu öffentlichen Mitteln. Ein Wohnort sollte zwar auf der einen Seite Ruhe und Erholung gewährleisten können, aber auf der anderen Seite auch nicht so weit von der nächsten Stadt bzw. der Arbeitsstelle liegen. Abwandern ins Umland Seit Jahren zieht es junge Familien aus den hochpreisigen Kernstädten in Vororte oder umliegende Dörfer. Gründe für die Suburbanisierung sind nicht in der Ablehnung der Stadt als solche zu sehen, sondern eher in der Unmöglichkeit von Städten, die Wohnwünsche in Bezug auf Wohngröße, Lage, Wohnumwelt, und Eigentum zu erträglichen Preisen zu 26 verwirklichen . Nach Aussagen des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin ist die Akzeptanz der Stadt 27 weit höher, als die Umlandwanderung erscheinen lässt. Viele Umlandwanderer wären in der Stadt geblieben, wenn sie bspw. ihren Wohnflächenbedarf bei gleichen Kosten in der Stadt hätten realisieren können oder die Städte einfach kinderfreundlicher gestaltet wären. Daneben ist noch nicht einmal die Auswahl der Grundstücke in den Städten besonders groß. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 142 Für ein Grundstück in der Stadt muss man üblicherweise mit dem doppelten Preis rechnen als außerorts. Da ist es nur einleuchtend, wenn Familien sich für das größere Grundstück im Umland entscheiden und trotzdem denselben Preis bezahlen. Neben dem Kostenfaktor und der Wohngröße führen noch weitere Aspekte zu einem Abwandern ins Umland. Wohnungen in den Städten werden vor allem von gut verdienenden jungen Singles nachgefragt und Vermieter bevorzugen eher diese Gruppe als Familien mit Kindern. Hinzu kommt, dass 28 Familien die Vorzüge der Städte weniger nutzen können als Singles und Paare ohne Kinder. Für Eltern ist ein spontaner Kinobesuch, der Weg in ein Restaurant oder Fitness-Center meist nicht möglich, da sich immer die Frage stellt, wer auf die Kinder aufpasst. Familien finden oftmals mit Kindern am Stadtrand oder auf dem Lande passendere Bedingungen für ihre Lebensbedürfnisse. Der Wunsch von einem eigenen Haus mit Garten lässt sich hier für Familien besser erfüllen. Die Kinder wachsen behütet im Grünen auf. Es steht eine ausreichend große Wohnfläche zur Verfügung und die Lebenshaltungskosten sind günstiger. Dabei muss man natürlich auch bedenken, dass für das Mehr an Lebens- und Wohnqualität einige andere Dinge in Kauf genommen werden müssen, wie bspw. der längere Weg zur Arbeit und damit die höheren Fahrkosten. Nachdem die eigenen Kinder nun ausgezogen sind, genießen viele die Ruhe und angenehme Luft ihrer Umgebung. Vergehen einige Jahre und man merkt, dass es mit dem Auto fahren nicht mehr so klappt, zieht es viele wieder in die Innenstädte zurück. Somit werden neben einer guten Infrastruktur im Alter, ein zu Fuß gut erreichbarer Arzt oder Einkaufsmöglichkeiten zunehmend wichtiger. Auch möchte man im Alter wieder stärker am kulturellen Leben teilnehmen. Das Häuschen im Grünen wird somit verkauft und mit dem Geld eine Eigentumswohnung in der Stadt erworben oder alternativ seinen Hausbesitz an die Kinder vererbt und ein kleines Appartement zur Miete genommen. Insgesamt betrachtet reagiert die Bevölkerungsentwicklung der Städte auf den Effekt der Suburbanisierung mit einer Stagnation und Rückläufigkeit. Es ist ein demographischer Wandel zu verzeichnen, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt. Eine der Komponenten ist die zunehmend rückläufige Bevölkerungszahl, wie bereits erwähnt auch aufgrund einer Abwanderung bestimmter Einkommensgruppen ins Umland. Weitere sind die Alterung der Bevölkerung, die Internationalisierung durch hohe internationale 29 Zuwanderung und die Bildung kleinerer Haushalte . Mit der Abwanderung bestimmter Einkommensgruppen (v. a. junger Familien) gehen den Städten nicht nur Steuerzahler verloren. Es wird mit der Zeit in vielen Stadtvierteln eine negative Dynamik zunehmend 30 sozialer Monostrukturen heraufbeschworen , weswegen die abwandernden Gruppen für einen sozialen Ausgleich von Bedeutung sind. Solange die Stadt nicht entsprechende Maßnahmen gegen die Stadtflucht unternimmt, indem sie auf Bedürfnisse junger Familien eingeht, wird die Stadt-Umland-Wanderung weiter fortbestehen. 4 Fallbeispiel: „Wohnen im Anna-Park“ Die Stadt Alsdorf, mit ihren rund 48.000 Einwohnern, lässt sich als Mittelstadt bezeichnen und liegt im Mittelpunkt der Region Aachen – Lüttich – Maastricht und ist ein Teil des Kreises Aachen. Alsdorf ist über zahlreiche tragende Verkehrs -achsen in die Region und darüber hinaus eingebunden. Neben einer guten Anbindung an die Bundesautobahn, verfügt die Stadt über Busverbindungen in die Großstadt Aachen und die Nachbarkommunen Aldenhoven, Eschweiler, Baesweiler, Herzogenrath, Jülich, Stolberg, Übach-Palenberg, Würselen, sowie die Nachbarländer Belgien und die Niederlande. Mit den Buslinien sind auch Zugverbindungen im Nah- und Fernverkehr zu erreichen und seit dem 11. Dezember 2005 gibt es in Alsdorf Anna-Park einen Anschluss an die Euregiobahn, die zwischen Stolberg, Eschweiler, Aachen, Herzogenrath, Alsdorf und Heerlen pendelt. Die Stadt selbst wurde jahrzehntelang vom Steinkohlebergbau geprägt. EBV (=Eschweiler Bergwerks- Verein) war der größte Arbeitgeber der Stadt. Die letzte Schachtanlage im Revier Emil Mayrisch wurde am 18.12.1992 geschlossen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 143 Abb.6 Quelle: http://www.alsdorf.de Wohnanlage „Anna-Park“ Nach der Schließung der Zeche „Anna“ (1992), lag eine bedeutende Fläche von etwa 50 ha in 31 32 der Innenstadt brach. Unter der Devise die Innenstadt aufzuwerten und das Gelände in die Stadtstruktur einzugliedern, beschloss man das ehemalige Zechengelände zu sanieren. Die EBV AG von der Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) entwickelte in Zusammenarbeit mit der Stadt Alsdorf das Anna Areal. Im Jahre 1995, erfolgte der Aufkauf der Fläche durch Grundstückfonds NRW. Nach dem Beschluss des städtebaulichen Rahmenplans 1996, wurde ein landschafts-planerischer Realisierungs- Wettbewerb eröffnet. Es wurden Vorschläge zur Gestaltung, zur Einbindung ins Stadtgefüge, zum Umgang mit der komplexen Altlastenproblematik und mit der bergbaulichen Geschichte ermittelt. 2001/02 wurde eine Parkanlage mit etwa 11ha Fläche an der Stelle der ehemaligen Kokerei „Anna“ und ihrer Nebenanlagen realisiert. Sie ist als eine Erinnerung der Geschichte des Ortes bewusst künstlich gestaltet worden, wobei als zentrales Element die erhöhte Rasenfläche (7ha) mit einem Spielplatz zu nennen ist. Mittlerweile bietet der Park neben einem großen Spielbereich auch Sportmöglichkeiten und eine hohe Aufenthaltsqualität. Dort wo früher das ökonomische Herz einer ganzen Stadt schlug, stehen heute ein Einkaufszentrum, das sog. Anna-Park-Center, sanierte ehemalige Bergbaugebäude, ein Wohngebiet und der Anna-Park. Der Park unterteilt das Gelände und sorgt so für eine grüne Note mitten in der neuen Siedlung. Das Neubaugebiet sieht eine aus Gewerbegebiet und 33 Wohnbebauung zusammengesetzte Mischbebauung vor. Gegenüber dem Wohngebiet und getrennt durch den Park, soll zukünftig auf über 45.000 qm ein moderner Gewerbe- und Dienstleistungspark entstehen. Der Park trennt beide Gebiete und bildet so das „Herz“ des Anna-Geländes. Abb.7 Quelle: http://www.gquadflieg.de Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 144 Bislang wurde eine Wohnbebauung durch den Investor und Generalübernehmer G. Quadflieg GmbH realisiert, unter der Bauleitung eines Architekten. Das Projekt „Wohnen auf dem Anna-Gelände“ verzeichnet bisher eine gute Entwicklung, da der Verkauf der Häuser schnell voran schreitet und es weiterhin genügend Nachfrage gibt. Viele Neubürger finden auf dem Anna-Gelände ihre neue Heimat, wobei ein Großteil aus Aachen kommt. Eine Spezialausgabe der Super Sonntag vom 12. Februar 2006 beschreibt in dem Artikel „Eine Erfolgsstory wird fortgesetzt“ die Entwicklung des neuen Wohngebietes Anna-Park seit nunmehr drei Jahren als äußerst positiv. Weiterhin wird davon berichtet, dass nicht nur die Lage im Stadtgefüge stimmt, sondern auch das Angebot der aktuellen Nachfrage nach kleineren, preiswerten Grundstücken entspricht. (s. Abb.8 im Anhang) Das Projekt „Wohnen im Anna-Park“ in Alsdorf ist insgesamt betrachtet ein geeignetes Exemplar für familiengerechtes und kostengünstiges Wohnen zu sehen, wie man nachfolgend sehen wird. Typ Einfamilienhaus Im Anna-Park gibt es eine Unterteilung des Wohngebietes in vier Bauabschnitte. Jeder Bauabschnitt enthält einen anderen Typ an Einfamilienhäusern, von freistehenden Häusern, über Doppelhaushälften bis hin zu Reihenhäusern. Daneben sind zusätzlich, zwischen den Bauabschnitten und dem Park, Stadthäuser mit je acht Eigentumswohnungen und Wohngrößen von 69 bis 147qm geplant. Aufgrund der geringen Nachfrage nach Eigentumswohnungen wurde vorerst ein Stadthaus realisiert. Abb.9 Quelle: http://www.gquadflieg.de Der erste Bauabschnitt (Abb.9) der Einfamilienhäuser wurde am 16.05.2003 mit einer Grundsteinlegung begonnen und enthielt eine Planung von 27 moderne Einfamilienhäuser als Doppelhaushälften und einer freistehenden Haushälfte mit Dachterrasse und Solartechnik. Anfang September 2004 wurde die erste Doppelhaushälfte nach Stattfinden einer Abnahme mit dem Kunden abgegeben. Die Wohnfläche der Häuser beträgt etwa 130qm und die Grundstücke variieren zwischen 137 und 225qm. Der Kaufpreis beträgt hier 145.000 incl. Grundstück zzgl. Sonderwünsche. (Grundrisse im Anhang Abb.10-12) Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 145 Abb.13 Quelle: http://www.gquadflieg.de Am 30.09.2003 fand der Spatenstich zum 2. Bauabschnitt statt, mit dem Vorhaben 21 Einfamilienhäuser als Doppelhaushälften (Abb.13) mit Brennwert- und Solartechnik zu errichten. Neben moderner Architektur und ökologischer Haustechnik, bieten die Häuser eine Wohnfläche von etwa 130 qm. Je nach Wunsch und finanziellen Möglichkeiten kann zwischen einer Grundstücksfläche von 211 bis 337qm gewählt werden. Der Preis für ein Haus incl. Grundstück beträgt ab 159.797 zuzüglich jeglicher Extrawünsche. Die Fertigstellung erfolgte bereits 2004. Währenddessen wurde im Juni desselben Jahres der Verkauf des 100sten Hauses gefeiert. (s. Abb.14 im Anhang) Abb.15 Quelle: http://www.gquadflieg.de Baubeginn des 3. Bauabschnittes erfolgte 2004, wonach 30 Einfamilienhäuser als Reihenhäuser (Abb.15) gebaut werden sollten. Mittlerweile sind einige Häuser bereits verkauft und bewohnt. Andere dagegen befinden sich noch in der Fertigstellung oder werden bereits von den Käufern zum Einzug vorbereitet. Ausgestattet sind die 130qm großen Energiesparhäuser mit Brennwert- und Solartechnik. Auch hier sind die Grundstücksgrößen wählbar zwischen 153 bis 228qm. Die Reihenhäuser betragen incl. Grundstück und Garage ab 147.908 . Mit dem Bau des vierten Bauabschnittes wurde Anfang diesen Jahres begonnen. Geplant sind freistehende Einfamilienhäuser mit einer Wohnfläche von 160qm und einem Grundstück in Südlage von 375qm. Das Motto lautet „Wohnen zur Sonne mit Blick auf den Park“. Aufgrund der großzügigen und gut belichteten Raumaufteilung sind die über vier Ebenen 34 großen Häuser für Familien mit 2-3 Kindern geeignet. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 146 Wohnqualitäten vs. Wohnpräferenzen Die hohen Grundstückspreise der Großstadt Aachen veranlassen viele junge Familien ins Umland zu ziehen. Das Wohngebiet „Anna-Park“ lässt sich da als ein gutes Beispiel heranziehen, da es auf der einen Seite zum Umland einer Großstadt gehört, auf der anderen Seite aber keineswegs benachteiligt wird, da sich dieses in der Innenstadt einer Mittelstadt befindet. Viele ehemalige Aachener finden hier ihre neue Heimat. Es gibt natürlich Vor- und Nachteile, die das Neubaugebiet mit sich bringt. Bedeutend für jeden zukünftigen Hausbesitzer sind Faktoren bzgl. Lage und Standort, wie eine gute Verkehrsanbindung, das Wohnumfeld, die regionale Umgebung, Entfernung zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten. Inwiefern diese auf das Anna-Gelände zu treffen wird im Weiteren erörtert. Nachteilig kann es sein, dass der überwiegende Teil der Bewohner seinen Arbeitsplatz in der Großstadt hat und pendeln muss. Auf der anderen Seite kann man über die Infrastruktur nicht klagen, denn es gibt gute Anbindungen ob mit dem Auto, den Buslinien oder der Euregiobahn. Die Aachener Innenstadt lässt sich in 20 Minuten mit dem Auto und etwa 30 Minuten mit Bus und Bahn erreichen. Vom Anna-Park selbst lassen sich alle wichtigen Einrichtungen gut zu Fuß erreichen. Der Kindergarten grenzt direkt an das Wohngebiet an. Grund- und Weiterführende Schulen befinden sich etwa 1-3 km entfernt. Zum Einkaufen kann man in das auf der ehemaligen Zeche befindliche Einkaufszentrum Anna-Park-Center, wo es vom Bäcker bis zum Schuhgeschäft alles nötige zu kaufen gibt. Ein paar Meter weiter befindet sich die Bahnhofstraße, die eine Einkaufsstraße mit weiteren Geschäften darstellt. Neben den wichtigen Infrastruktureinrichtungen bietet die Innenstadt noch Highlights wie den bekannten Cinetower mit zwei Kneipen und einem Club, auch buchbar für private Events. Darüber hinaus gibt es in Alsdorf eine Vielzahl an Kultur- und Freizeitangeboten. Die Stadthalle als kulturelles Zentrum lockt mit Aufführungen von Musicals, Theaterveranstaltung, Auftritten von bekannten Comedy-Stars und diversen Messen. Ein Bergbaumuseum bietet Gruben-Geschichte zum Anfassen und ein Stück weiter gibt es schon die nächste Erholungsanlage mit kostenfreiem Tierpark-Besuch. Auch gibt es diverse Vereine denen man sich anschließen kann, wobei besonders wert auf Sportvereine gelegt wird. Bekannt ist in der Region vor allem das Sport-Forum, in dem bereits ein wichtiges Tennisturnier stattfand. Außerdem gibt es in der Nähe des Anna-Geländes auch ein Hallenbad zur sportlichen Betätigung oder zum Relaxen. Aus einer Kommune, die einst vom Bergbau dominiert wurde, entwickelt sich ein moderner 35 Standort. Weitere Pläne umfassen eine Neugestaltung des Innenzentrums, d.h. des ehemaligen Bahnhofs, der bald in die Nähe des Anna-Geländes verlagert wird. Auch wird Alsdorf als Wirtschaftsstandort immer interessanter und neue Arbeitsplätze entstehen. Neue Bürger können sich auch gern bei ihrer Arbeitsplatzsuche auf diesen Standort beschränken, denn neben der Arzneimittelindustrie, CD-Herstellung und Automobilindustrie gibt zahlreiche andere Unternehmen. Die neuen Bewohner der Anna Park Siedlung können wie schon gesehen von zahlreichen Angeboten und Einrichtungen der Stadt profitieren. Neben den Vorzügen der Innenstadt hat auch das Anna-Gelände seinen Bewohnern einiges 36 zu bieten. Der Anna-Park als „grüne Oase“ lädt zum Spaziergang ein und ist der ideale Ort zum Erholen fern ab von städtischem Lärm, Smog und der Hektik. Besonders vorteilhaft bietet sich der Ausblick auf den Anna-Park für die Fronthäuser, deren Gärten und Terrassen zum Park liegen. Außerdem wird jährlich ein Feuerwerk vom Park aus gestartet was ein weiteres Highlight für die Bewohner darstellt. Im Grunde genommen bietet Alsdorf seinen alten und neuen Bürgern attraktive Lebensräume im Sinne aller genannten Vorzüge. Besonders für junge Familien mit Kindern ist das Wohnumfeld optimal. Der Park mit seinen Wiesen vor der Tür, einem Spielplatz und einem Fußball- und Basketballplatz bietet eine kinderfreundliche Umgebung. Hinzu kommen noch bereits realisierte oder geplante Spielstraßen und ein großer zusätzlicher Spielplatz in mitten des Wohngebietes. Neben der Lage und dem Standort gibt es noch weitere Motive für die Entscheidung ein Haus im Anna-Park zu erwerben, wie eine verbesserte Wohnqualität durch entsprechende größere Wohnräume (130-160qm). Da die Häuser für 2-3 Kinder konzipiert sind, ist es auch kein Problem, dass jedes Kind sein eigenes kleines „Reich“ bekommt. Familien haben eine gewisse Privatheit durch größere Distanz zum Nachbarn. Zwar sind die Häuser als Doppelhaushälften konzipiert, aber eine Terrassentrennwand, ein Zaun und Hecken bieten Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 147 genug Privatsphäre. Freiheiten bietet auch ein schlüsselfertiges Haus, denn es bleiben noch genügend Freiräume, um die Innenräume und den Garten frei zu gestalten. Je nach Wunsch kann man sich ein Saunahäuschen, einen Geräteschuppen in den Garten stellen oder einen kleinen Teich anlegen. In der Gestaltung des Gartens gibt es natürlich auch kleine Vorgaben der Stadt Alsdorf. In der Hinsicht dürfen die Gärten nur mit einer bestimmten Zaun-Höhe umzäunt werden, um doch einigermaßen einheitlich zu wirken. Bei einem freistehenden Haus hat man diesen Nachteil nicht und kann sich bei der Gartengestaltung frei entfalten. Ein weiteres Motiv für Familien ist die Tatsache, dass die Kinder auch viel Freiraum haben und sich so richtig austoben können, ohne das mal ein Nachbar von unten oder oben ständig vor der Tür steht, um sich zu beschweren. Auch Sicherheit und Altersvorsorge spielen eine große Rolle. Sicherheit in Bezug darauf, dass man weder mit einer Kündigung oder Mieterhöhung rechnen muss. Einen Kredit aufzunehmen bereitet manch einem vielleicht Sorgen, aber genauso muss man auch Miete zahlen. Den Menschen wird begreiflich wie viel sie sonst an Miete zahlen müssten und legen das Geld dann lieber in Immobilien an. Raten für einen Kredit unterliegen keiner Erhöhung, sondern bleiben langfristig konstant. Auch die Eigenheimzulage, die ab dem 01.01.2006 abgeschafft worden ist, hat wahrscheinlich auch viele bewogen, sich diese noch in letzter Minute zu sichern und den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Ein weiteres Motiv bildet der derzeit niedrige Hypothekenzins. Abb.16 Quelle: Bundesverband Deutscher Banken, Hausfoto OKAL Die Immobilie bietet aufgrund dieser Tatsachen auch eine Altersvorsorge. Ist der Kredit erstmal abbezahlt, kann man genauso gut auch das Haus wieder verkaufen und es wird sicher auch aufgrund der guten Lage eine Wertsteigerung erfahren. Im Alter lässt es sich hier aber auch ganz gut leben, denn alle Einrichtungen sind gut zu Fuß erreichbar und so ist man auch nicht auf das Auto angewiesen. So ist es nicht gesagt, dass man ein Haus für ein Leben lang kaufen und sesshaft werden muss. Einige der Eigentümer erwerben ein Doppel- oder Reihenhaus auch mit dem Bewusstsein sich später vielleicht doch noch den Traum von einem freistehenden Haus zu erfüllen. Insgesamt betrachtet bietet die Wohnanlage Anna-Park seinen neuen Bewohnern eine sehr gute Wohnsituation im Hinblick auf familienfreundliches Wohnen, die Nähe zur Natur, Lage und Standort und genug Wohnraum für alle Familienmitglieder. Besonders entscheidend ist jedoch das Argument ein kostengünstiges und schlüsselfertiges Energiesparhaus als Eigenheim zu erwerben. 5 Schlussbetrachtung und Ausblick Das Ziel dieser Ausarbeitung lag darin, zu erörtern weshalb der Wunsch nach einem Eigenheim besonders bei Familien so ausgeprägt ist, welche Motive sich dahinter verstecken und warum sie den Weg ins Umland wählen. Deutlich wurde, dass mit dem wirtschaftlichen Wachstum der Industriestaaten und steigendem Wohlstand der Bürger, sich auch Familien und Haushalts- Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 148 Konstellationen verändern. Diese zeigen sich in veränderten biographischen Abläufen. Somit ist das bürgerliche Familienmodell nicht mehr als Norm zu sehen. Frauen streben mehr nach Unabhängigkeit und Selbständigkeit, möchten sich im Beruf profilieren und mehr soziale Nähe erfahren. Der Mann als das sog. Oberhaupt der Familie verliert aufgrund der erweiterten Frauenrolle nach und nach seine Privilegien und Autorität als Oberhaupt. Mit Veränderung der Konstellationen in Bezug auf Haushalt und Familie steigt gleichzeitig der Wunsch nach mehr Lebensqualität in Bezug auf Leben und Wohnen. Abläufe wie Heirat und Geburt der Kinder erfolgen später. Haushalte aufgrund der geringen Kinderzahl werden immer kleiner. Der Wunsch nach mehr Wohnraum steigt, denn mehr Wohnfläche bedeutet auch mehr Lebensqualität. Junge Familien ziehen aus den hochpreisigen und umweltbelasteten Großstädten ins Umland, weil sie neben mehr Wohnraum, geringeren Lebenshaltungskosten auch ein kinder – und familienfreundliches Wohnen erwarten. Mit dem Besitz eines Eigenheims verbindet man Freiheit, Sicherheit und Privatheit. Weiter Motive sind eine gute Verkehrsanbindung, gut erreichbare Einrichtungen, sowie geeignete Wohn-und Spielverhältnisse. Allerdings ist ein Trend zu verzeichnen in Hinblick auf die Wohndauer. Früher war es üblich, dass Familien beim Hausbau oder Kauf besonders auf Annehmlichkeiten wie einen Keller gelegt haben. Im Hinterkopf hatte man das Ziel, sich ein Haus für ein Leben lang zu schaffen. Heute legen Familien mehr Wert auf Mobilität und erwerben ein Haus für einen bestimmten Lebensabschnitt. Es muss sich dabei nicht immer um ein freistehendes Einfamilienhaus mit Garten handeln. Genauso gut kann es auch eine kostengünstigere Alternative sein, wie eine Doppelhaushälfte oder ein Reihenhaus. Warum den überhaupt noch Miete zahlen, wenn das gezahlte Geld doch nur in einen „Topf ohne Boden“ fließt? Genauso gut kann man das Geld auch anlegen und in Bezug auf das Alter vorsorgen, indem man sich für ein Eigenheim entscheidet. Besonders jetzt lohnt es sich noch einen Kredit aufzunehmen, da der Hypothekenzins ein geringes Niveau zu verzeichnen hat. Wer schnell war, konnte sich noch bis Ende des Jahres 2004 die Eigenheimzulage sichern und so wiederum Geld sparen. Momentan lässt sich noch an günstige Kredite vom Vater Staat gelangen, denn dieser vergibt Kredite an Familien mit geringerem Einkommen zu einem Prozentsatz von 0,5. Neben den Vorteilen für ein Eigenheim gibt es natürliche auch Nachteile, wie die Angst einen Kredit aufzunehmen oder die langfristige Bindung. Nicht immer bringt ein Eigenheim Idylle und heile Welt mit sich. Natürlich muss man sich auch einschränken, auch schon vor dem Erwerb, da erstmal eine bestimmte Höhe an Eigenkapital angespart werden muss. Hat man dann endlich seinen Wunsch realisiert, kommen immer wieder Kosten hinzu. Man muss auf der anderen Seite bedenken, dass das Sparen und sich Zurückhalten in Bezug auf Konsum auch Gutes für sich hat. Denn endlich besitzt man etwas eigenes, dass mit noch mehr Investitionen an Wert gewinnt. Ist erstmal der Kredit abbezahlt, kann man sich zurücklehnen mit dem Bewusstsein etwas erreicht zu haben und nie mehr Miete zahlen zu müssen. Auch Städte leiden unter dem Wunsch junger Familie ein Haus mit Garten zu erwerben, denn damit ist automatisch das Abwandern ins Umland verbunden. Dennoch wird die Stadt als solche nicht abgelehnt. Gründe für die Suburbanisierung liegen eher in der Unmöglichkeit der Städte, Wohnwünsche in Bezug auf Wohngröße, Lage, Wohnumwelt und Eigentum zu erträglichen Preisen zu verwirklichen. Folglich hat die Bevölkerungsentwicklung der Städte eine Stagnation und Rückläufigkeit, aber auch zunehmende Alterung zu verzeichnen. Mit Abwanderung bestimmter Einkommensgruppen gehen nicht nur Steuerzahler verloren, sondern auch Gruppen, die für einen sozialen Ausgleich von Bedeutung sind. In Zukunft wird es jedoch tendenziell Haushalte verstärkt wieder in die Städte ziehen. Mag es aus dem Grund sein, dass sich von städtischer Seite mehr bemüht wird jungen Familien bessere Lebensverhältnisse zu bieten. Auch wird sich vieles aufgrund der immer weiter verändernden Haushalts- und Familienkonstellationen in Bezug auf Lebensverhältnisse und Wünsche ändern. Der Anteil alternativer postmoderner Lebensgemeinschaften wird noch weiter ansteigen und somit auch die Kernstädte füllen, denn gerade diese Haushaltsformen werden bzgl. ihrer Wünsche und Präferenzen die Innenstädte weiterhin bevorzugen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 149 6 Quellenangaben Achenbach-Wünnenberg, Dorothee (1988): Zur Kritik der neuen Familienideologie. (PahlRugenstein Hochschulschriften 248). Köln. Avisdirekt: Hinauf auf’s Land oder ab in die Stadt? Wohntrends. (http://www.avisdirekt.de/immoredakt/index.php?id=79. Zugriff am 24.01.2006). Bucher, Dr. Hansjörg; Schlömer, Claus (2005): Wohnungsmärkte im demographischen Wandel. Das Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen und Deutschland. In: Stadtentwicklung. Wohnungsmärkte im demographischen Wandel. „vhw FW3“/ Mai-Juni 2005. 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Abbildung 4: Verteilung der Kosten für ein Einfamilienhaus Abbildung 5: Checkliste Kaufvorhaben Abbildung 6: Alsdorf in der Euregio-Maas-Rhein Abbildung 7: Lageplan „Anna-Gelände“ Abbildung 8: Zeitungsanzeige: „Eine Erfolgsstory wird fortgesetzt“ Abbildung 9: Foto „Doppelhaus im Anna-Park“ – 1. Bauabschnitt Abbildung 10: Grundriss Erdgeschoss Abbildung 11: Grundriss Obergeschoss Abbildung 12: Grundriss Dachgeschoss Abbildung 13: Skizze „Doppelhaus“ – 2. Bauabschnitt Abbildung 14: Lageplan – 2. Bauabschnitt Abbildung 15: Skizze „Reihenhäuser“ – 3. Bauabschnitt Abbildung 16: Effektivzins für Hypothekendarlehen bei fünfjähriger Zinsfestschreibung (Durchschnittswerte jeweils am Jahresende) Fußnoten 1 TNS Emnid Umfrage (siehe auch LBS-Research). Werbespot der LBS Bausparkasse; Produkt: Bausparvertrag. 3 Macha, 2 4 Häußermann; Siebel (1991), 81 5 Macha, 2 6 Schneider; Spellerberg 1999, 50 7 Sieder 1985, 243 8 Sieder 1985, 241 9 Sieder 1985, 243 10 Schneider; Spellerberg 1999, 25 11 Schneider; Spellerberg 1999, 24 2 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 151 12 Schneider; Spellerberg 1999, 24 Umzugsratgeber.net 14 Haak 2000, 20 15 Haus & Markt, 1 16 Haak 2000, 68 17 Ruh 2000, 67 18 Haus & Markt 19 Harlander (2001), 11 20 Schneider; Spellerberg 1999, 131 21 Familie.de (2005), 1 22 Haus & Markt 23 Hoch (2005) 24 Hoch (2005) 25 Planet Wissen, 1 26 Herlyn; Herlyn 1979 27 Difu, 2 28 Avisdirekt, 1 29 Bucher; Schlömer 2005, 122 30 Herlyn; Herlyn 1979 31 Werkstatt Stadt, 1 32 Stadt Alsdorf 33 Capture-mm.de 34 G.Quadflieg GmbH 35 Stadt Alsdorf 36 Stadt Alsdorf 13 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 152 Wir suchen ein Eigenheim Juliana Karoff, Jan in der Beek Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 153 Inhalt Wir suchen ein Eigenheim 1 Einleitung 2 Strukturierungsmöglichkeiten der Nachfrager 3 Eigenheim 4 Eigenheimsuche auf dem Aachener Immobilienmarkt 5 Fazit und Ausblick 6 Quellenangaben und Bildverzeichnis Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 154 1 Einleitung Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Angebote von Eigenheimen auf dem Aachener Immobilienmarkt für eine bestimmte Nachfragergruppe zu finden. Wir analysieren in Kapitel 2 zunächst die möglichen Nachfragergruppen anhand bekannter Studien, um uns auf eine Gruppe zu konzentrieren. Dafür ist es notwendig, die Nachfrager mit Hilfe einer Typologisierung in homogene Cluster aufzuteilen. Ferner befassen wir uns mit dem Begriff (Kapitel 3.1) und den Motiven für den Erwerb (Kapitel 3.2) des Eigenheims. Letztlich untersuchen wir, ob eine derartige Gruppe problemlos als Nachfrager eines Eigenheims auf dem Immobilienmarkt auftreten kann und ob ein entsprechendes Angebot existiert. Dafür filtern wir Suchkriterien heraus. Bei der Suche beschränken wir uns zudem auf die Angebote in der Zeitung, im Internet und auf Angebote von Immobilienmaklern. 2 Strukturierungsmöglichkeiten der Nachfrager Die Aufteilung von Nachfragern in bestimmte Cluster und die herkömmliche Aufspaltung der Bevölkerung in Klassen und soziale Schichten ist nicht geeignet, da sich die heutige Gesellschaft weitaus vielschichtiger darstellt und diese Betrachtungsweise dementsprechend nicht mehr ausreichend ist. Folglich befassen wir uns mit alternativen Strukturierungsmöglichkeiten. Nachfrager strukturiert nach Spellerberg’s Lebensstilgruppen Eine Möglichkeit der Gruppenbildung stellt die Abgrenzung nach Lebensstilen dar. Der theoretische Kerngedanke des Lebensstilkonzeptes nach Zapf ist: „Lebensstile lassen sich als begrenzte Anzahl sichtbarer Verhaltensarrangements ausmachen, in denen in einer mobilen Wohlfahrtsgesellschaft die Trends der Individualisierung, Egalisierung, Kompetenzsteigerung usw. zu neuen Ordnungsmustern aufeinander abgestimmt werden. Lebensstile sind transitorische Ordnungsmuster bei abnehmenden Zumutungen und steigenden Wahlmöglichkeiten“ . In weiterführenden Untersuchungen kamen Schneider und Spellerberg zu den, hier dargestellten, Ergebnissen für die Typologisierung von Nachfragern. Bei der Untersuchung wurden für Westdeutschland mit Hilfe einer Clusteranalyse neun Lebensstilgruppen festgelegt. In Tabelle 1 werden die Lebensstilgruppen in Westdeutschland mit den jeweiligen Anteilen der Gruppe an der Gesamtbevölkerung abgebildet. Tab. 1: Lebensstilgruppen in Westdeutschland (1996) Quelle: Schneider, Spellerberg (1999). S.104 In Tabelle 2 und 3 sind die wesentlichen Charakteristika der neun Lebensstiltypen zusammengefasst. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 155 Tab. 2: Spellerberg-Lebensstilgruppen nach ausgewählten Kategorien Quelle: Studienarbeit „Zukunft Wohnen“ am Borgschenhof in Duisburg-Friemersheim, Architekturconsulting, Altbaumodernisierung, Strategische Bestandsentwicklung. (2005) Abb.22 Schneider und Spellerberg haben zudem die Wohnungsnachfrage unterschiedlicher Lebensstilgruppen im Hinblick auf Wohnstandort, Wohnumfeld, Haustyp, Eigentum und Größe der Wohnungen untersucht, was für unsere spätere Suche von Vorteil ist. Nachfrager strukturiert nach der SINUS-Milieu Studie Aus der Sinus Milieu Studie lässt sich eine weitere Möglichkeit ableiten, heterogene Nachfrager in möglichst homogene Cluster aufzuteilen. Dabei werden klassische soziale Indikatoren wie Beruf oder Einkommen durch qualitative Daten der Werteorientierung und Grundeinstellung erweitert. Das Ergebnis der Kombination von sozialer Lage, die von der Unterschicht bis zur Oberschicht reicht, und der Grundorientierung, von traditionell bis modern, wird in zehn unterschiedlichen Milieus beschrieben: Konservative, Traditionsverwurzelte, DDR-Nostalgische, Etablierte, Bürgerliche Mitte, Konsum-Materialisten, Postmaterielle, Moderne Performer, Experimentalisten und Hedonisten. Diese werden in der Abbildung 1 noch einmal veranschaulicht. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 156 Abb. 1: Sinus-Milieus in Deutschland Quelle: Studienarbeit „Zukunft Wohnen“ am Borgschenhof in Duisburg-Friemersheim, Architekturconsulting, Altbaumodernisierung, Strategische Bestandsentwicklung. (2005) Abb.21 Vergleich beider Studien Beide Studien bieten die Möglichkeit sich von dem traditionellen Klassen- und Schichtenmodell abzuwenden, und die Nachfrager anhand anderer Kriterien als der jeweiligen Klassenzugehörigkeit in Cluster einzuteilen. Die SINUS – Studie gliedert die heutige Gesellschaft nach sozialer Lage und Grundorientierung. Diese führt zu einer strukturierten und verständigen Typologisierung und zu Gestaltungsmöglichkeiten für das zielgruppenspezifische Marketing. Spellerberg’s Einteilung in Lebensstilgruppen hingegen erlaubt die Schlussfolgerung auf bestimmte Wohnformen, Wohnwünsche und Umzugspläne, welche sich für unsere Suche nach einem Eigenheim als geeigneter herausstellt. Unsere weiteren Untersuchungen stützen sich daher auf den Ansatz von Spellerberg. Konzentration auf eine Nachfragergruppe Wie bereits erwähnt, konzentrieren wir uns im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf die Lebensstilgruppen Studie von Spellerberg. Für die Suche nach einem Eigenheim auf dem Aachener Immobilienmarkt konzentrieren wir uns nachfolgend auf eine einzige Lebensstilgruppe, um nachfragerspezifisch Angebote zu finden. Zur Ermittlung dieser Nachfragergruppe haben wir 3 Auswahlkriterien subjektiv herausgefiltert, um die Menge an Lebensstilgruppen zu reduzieren. Diese sind das Einkommen, das Wunschumfeld und der prozentuale Anteil an Mietern bzw. Eigentümern. Das Auswahlkriterium des Einkommens wählten wir, um eventuelle Finanzierungsprobleme der Nachfrager von vornherein auszuschließen. Tabelle 2 zeigt, dass dem zu Folge die Gruppen 7, 8 und 9 aus unserer Auswahl herausfallen. Die Suche in Aachen bezieht sich auf das Kerngebiet, da wir Alternativen zum klassischen Eigenheim im Grünen suchen wollen. Das Wunschumfeld muss somit zeigen, für welche Lebensstilgruppe die Stadt als Wohngegend interessant ist. In den Ausführungen von Schneider/Spellerberg präferieren die Gruppen 2 und 5 ein Leben in der Stadt. Somit fallen die restlichen Gruppen 1, 3, 4 und 6 aus der engeren Betrachtung heraus. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 157 Der Eigentümer- und Mieteranteil gibt uns nun die Möglichkeit, aus den verbleibenden Gruppen diejenige heraus zu wählen, die nach Schneider/Spellerberg den größten Eigentümeranteil und den geringsten Mieteranteil besitzt. Der Eigentümeranteil bei der Lebensstilgruppe 2 ist im Vergleich zur Gruppe 5 um 18% höher und der Mieteranteil ist um 18% niedriger. Somit fällt bei diesem Kriterium die Lebensstilgruppe 5 heraus. Nach diesen subjektiv ausgesuchten Kriterien konzentrieren wir uns im Folgenden auf die Lebensstilgruppe ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig aktive’ als Nachfrager. Bei umgekehrter Reihenfolge der Kriterien würde sich eine andere Lebensstilgruppe ergeben. Die ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig aktive’ Lebensstilgruppe ist eine der auffälligsten Gruppen. Es handelt sich um junge Großstadtmenschen, die ein hoch über dem Durchschnitt liegendes Bildungsniveau und Einkommen besitzen. 75% dieser Menschen sind ledig, nur 8% leben mit Kindern zusammen. In der Freizeit stehen Theaterbesuche, Weiterbildung, Beschäftigung mit dem Computer, eigene künstlerische Aktivitäten und Freunde, mehr im Vordergrund als bei anderen Gruppen. Der persönliche Alltag wird als vergleichsweise genussvoll und zwanglos beschrieben, wenig geprägt durch Familienleben oder materielle Einschränkungen. Abwechselung spielt eine wichtige Rolle. 3 Eigenheim Zur Erläuterung des Begriffs Eigenheim wollen wir die Formen sowie die Motive für den Erwerb eines Eigenheims herausstellen. Formen des Eigenheims Als typische Form des Eigenheims wird in der Bundesrepublik Deutschland fast immer das Einfamilienhaus genannt. Es ist im Bewusstsein der überwiegenden Mehrheit wie in der Realität identisch mit dem Eigenheim. „Ein Einfamilienwohnhaus, kurz auch Einfamilienhaus ist ein Gebäude welches als Wohnhaus für eine einzelne Familie dient und daher nur eine Wohnung enthält, jedoch trotzdem mehrstöckig konstruiert sein kann. Man unterscheidet zwischen dem freistehenden Einfamilienwohnhaus, der Doppelhaus-Hälfte und dem Reihenhaus. Einfamilienhäuser können hinsichtlich der Qualität von unterschiedlicher Ausgestaltung sein (z.B. Siedlungshaus, Villa, Landhaus).“ Das Einfamilienhaus ist sehr stark mit gewissen Grundthemen, wie Familie, Kinder, eigene Kindheit und der Verwirklichung eines Lebenstraums verbunden. Besondere Qualitäten des Einfamilienhauses sind die große Wohnung mit vielen Zimmern, Freiflächen und Spielmöglichkeiten, die schöne Umgebung und das Gefühl von Intimität. Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung, die Einflussnahme auf Grundriss und Gestaltung, Eigenleistungen beim Bau/Umbau, Unabhängigkeit, Freiheit, materielle Sicherheit, volle Verfügbarkeit über das Wohnobjekt und Prestige führen dann zu dem Wohnstatus Eigenheim. Die Darstellung dieser mit dem Einfamilienhaus assoziierten Qualitäten zeigt deutlich, dass diese nicht zwangsläufig nur das Einfamilienhaus bieten kann. Ferner können auch andere Haustypen und Wohnformen die Qualitäten eines Einfamilienhauses als Eigenheim besitzen. Folglich stellt eine Wohnung, verstanden als „eine Anzahl von Räumen innerhalb eines festen Gebäudes die zu Wohnzwecken dienen und die selbständige Lebensführung ermöglichen“, eine weitere Form des Eigenheims dar. Eine spezielle Form der Eigentumswohnung ist beispielsweise ein Loft, welches als umfunktionierter Lager- oder Industrieraum durch aufwendige Renovierung und Modernisierung entsteht. Letztlich sind abgeleitet von den Grundformen des Einfamilienhauses und der Eigentumswohnung zahlreiche Varianten des Eigenheims denkbar. Motive für den Erwerb von Eigenheimen „In den Wortbestandteilen ´eigen´ und ´Heim´ fließen Assoziationen zusammen, die offensichtlich tiefe Sehnsüchte berühren und eine große Attraktivität auf die meisten Menschen ausüben.“ Oft spielt der Bau oder der Erwerb eines Eigenheims eine große Rolle in der Lebensplanung vieler Menschen. Hierfür werden unter Umständen große Einschränkungen, sei es im Konsumverhalten oder in der Freizeitgestaltung, freiwillig in Kauf genommen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 158 Das Eigenheim bietet in erster Linie die Möglichkeiten sich aus den Abhängigkeiten einer Mietwohnung zu lösen. Der Eigentümer ist unkündbar und frei in der Gestaltung seiner Wohnräume. Im Gegensatz zur Mietwohnung wird kein Eigentümer oder Verwalter Einfluss auf etwaige Entscheidungen nehmen. Beispielsweise ist er nach Verlassen der Wohnung nicht gezwungen, diese auch in den ursprünglichen Zustand zurück zu versetzen. Das eigene Haus ist somit für viele ein Symbol der persönlichen Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit. Andere wiederum sehen in einem Eigenheim in erster Linie eine Kapitalanlage Mit den damit verbundenen Ratenzahlungen vermehrt man nun sein eigenes Vermögen und nicht mehr das fremder Personen. Der Erwerb des Eigentums ist auch ein Schritt des wirtschaftlichen Handelns, indem man aus dem Mieterstatus in den des Eigentümers aufsteigt. Hierbei sei angemerkt, dass das selbst genutzte Eigentum nicht unbedingt eine wirtschaftliche Anlage sein muss. Im Vergleich der Investitionskosten mit anderen Anlageformen bzw. einer Lebensversicherung können diese durchaus rentabeler sein als die selbst genutzte Immobilie. In einer in den 60er Jahren durchgeführten empirischen Untersuchung sind Motive und Bedeutung von Hauseigentum untersucht worden. „Dabei zeigten sich verschiedene Einflüsse auf die Motivation, selbst Hauseigentümer zu werden: die Erfahrung der Kindheit, die schlechten Erfahrungen mit Vermietern, Unzufriedenheit mit der Mietwohnung bzw. mit der eingehenden Rücksichtnahme auf andere Mieter, die symbolische Identität von Familie und Eigenheim, das immer wieder geäußerte Verlangen nach Unabhängigkeit und Sicherheit, und schließlich der Wunsch nach ´vitalerem Wohnen´, d. h. nach mehr Freifläche und Abstand zu Nachbarn, damit man sich ungenierter Ausleben kann.“ Zudem können Motive und Einstellungen zum Erwerb eines Eigenheims je nach Nachfragergruppe bzw. nach dem Einkommen durchaus unterschiedlich sein. Für die Menschen mit geringerem Einkommen ist es von besonderer Bedeutung, aus dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter herauszukommen. Das Unabhängigkeitsmotiv ist hier ausschlaggebend. Prestigegründe spielen bei dieser Nachfragergruppe eine untergeordnete Rolle. 4 Eigenheimsuche auf dem Aachener Immobilienmarkt Im folgenden Kapitel suchen wir für die Lebensstilgruppe ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig Aktive’ ein Eigenheim im Aachener Kerngebiet. Auch wollen wir herausfinden, ob und wenn ja, welche Angebote an Eigenheimen auf dem Aachener Immobilienmarkt speziell für diese Nachfrager bestehen. Kriterien für die Suche nach einem Eigenheim Um strukturiert die Suche nach einem Eigenheim für unsere Nachfragergruppe beginnen zu können, wollen wir einige Suchkriterien aufstellen. Außerdem stellt sich die Frage, ob diese Gruppe überhaupt ein Eigenheim erwerben möchte oder ob die Miete einer Wohnung interessant ist. In Kapitel 3.2. wurden die wesentlichen Motive für den Erwerb eines Eigenheims herausgestellt. Für die Nachfragergruppe ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig Aktive’ kommen wir zu folgenden Ergebnissen: Aus Sicherheitsgründen wird diese Nachfragergruppe kein Eigenheim erwerben. Vielmehr spielen bei dieser Gruppe Prestigegründe und der Wunsch nach Freiheit in der Gestaltung der eigenen vier Wände eine wichtige Rolle. Der Erwerb eines Eigenheims als Kapitalanlage in Form eines Mehrfamilienhauses ist für diese Nachfragergruppe von keiner Bedeutung. Die Miete einer Wohnung ist nicht vollkommen ausgeschlossen, wenn diese Wohnform bestimmte Kriterien erfüllt, die auch für den Erwerb eines Eigenheims relevant sind. Wir werden jedoch verstärkt den Immobilienmarkt und Mietobjekte nur am Rande betrachten. Aufstellung der Suchkriterien Primär werden wir nach einer Wohnform suchen, die bestimmte Charakteristika der Nachfragergruppe unter Zuhilfenahme von Suchkriterien berücksichtigt. Diese Suchkriterien haben wir anhand der Beschreibungen der Lebensstilgruppen von Schneider und Spellerberg und den verschiedenen empirischen Untersuchungen subjektiv abgeleitet. Wie in Kapitel 2.4. deutlich geworden ist, strebt diese Gruppe ein Leben in der Innenstadt bzw. in kurzer Distanz zum Zentrum an. Kennzeichnend für diese Nachfragergruppe sind ein Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 159 über dem Durchschnitt liegendes Einkommen, ein hohes Bildungsniveau, das Streben nach Abwechslung, das politische Engagement und Freizeitaktivitäten wie z. B. Theaterbesuche. Nur acht Prozent dieser Gruppe haben Kinder oder leben mit Kindern zusammen. Das erste Kriterium bei der Suche nach einem passenden Eigenheim, ist die Lage des Eigenheims. Freizeitaktivitäten wie Theaterbesuche, Freunde und auch das hohe Abwechslungsbedürfnis dieser Nachfragergruppe zeigen, dass durch ein Leben in der Stadt diese Aktivitäten sehr gut durchgeführt werden können. Aachen stellt zudem mit 247.740 Einwohnern, zahlreichen kulturellen Angeboten und Bildungsmöglichkeiten eine attraktive Stadt für diese Gruppe dar. Nun stellt sich die Frage, welcher Haustyp dieser Nachfragergruppe zusagt. Schneider und Spellerberg haben in empirischen Untersuchungen herausgefunden, dass das Wunschhaus ein Ein- oder Zweifamilienhaus ist. Zwar ist auch das Mehrfamilienhaus als Wohnform denkbar, „allerdings ist zu erwarten, dass diese Gruppe Aktivitäten entwickelt, um ihren Wohnwunsch zu erfüllen.“ Folglich konzentrieren wir uns bei der Suche nach einem Eigenheim auf diesen Haustyp. Das dritte Suchkriterium ist die Wohnfläche. Da es sich bei der arbeits- und erlebnisorientierten vielseitig aktiven Lebensstilgruppe „um eine junge, moderne und finanziell besser gestellte Gruppe handelt und die Kosten der Einrichtung nur von untergeordneter Bedeutung sind, ist zu vermuten, dass Trendorientierung und Selbstdarstellung wichtig sind.“ Mit einer großen Wohnfläche und einer großzügigen Einrichtung kann dies erreicht werden. Bei der Suche nach einem Eigenheim können wir selbstverständlich nur das Kriterium Wohnfläche mit einbeziehen. Anhand dieser Kriterien suchen wir im nächsten Kapitel ein Eigenheim für diese Lebensstilgruppe auf dem Aachener Immobilienmarkt. Angebote auf dem Aachener Immobilienmarkt Auf dem Aachener Immobilienmarkt treten verschiedene Anbieter von Eigenheimen auf. Bei der Eigenheimsuche werden im Wesentlichen die Medien Zeitung und Internet sowie der direkte Kontakt zu Immobilienmaklern genutzt. Diese drei Möglichkeiten werden wir hinsichtlich ihrer Angebote mit Hilfe der im Kapitel 4.1. dargestellten Kriterien Lage, Haustyp und Wohnfläche untersuchen. Hinsichtlich des Kriteriums der Lage im Stadtraum haben wir den inneren Bereich des äußeren Stadtringes als optimale Wohnlage für unsere Lebensstilsgruppe festgelegt. Dieses Kriterium steht bei unserer Suche an erster Stelle. Die bevorzugte Wohnform, 1-2 Familienhaus, ist zunächst einmal zweitrangig. Das letzte Kriterium, eine ausreichend vorhandene Wohnfläche (über 100m2), hat eine selektierende Funktion der untersuchten Immobilienangebote. Angebote in der Zeitung Wir beschränken uns bei der Suche auf die Samstagsausgabe der Tageszeitung ‚Aachener Nachrichten’. Die Ergebnisse beziehen sich nur auf eine Samstagsausgabe der Zeitung und würden bei längerfristiger Untersuchung möglicherweise geringfühig abweichend. Die Betrachtung der Mittwochsausgabe ist zu vernachlässigen, da die Anzahl der Angebote zu gering ist. Im Folgenden wird das Immobilienangebot der Stadt Aachen mit Hilfe der einzelnen Suchkriterien kurz dargestellt. Die genaue Auswertung der Zeitungsannoncen in Tabelle 4 vom 22.01.2006 zeigt, dass es kein Angebot für ein Ein-/Zweifamilienhaus auf dem Aachener Immobilienmarkt für unsere Nachfragergruppe im Kerngebiet gibt. Auffallend bei der Suche war jedoch, dass es unzählige Angebote an Einfamilienhäusern im Umland Aachens gibt. Diese sind aber für unsere Betrachtung nicht von Bedeutung. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 160 Tab. 4: Angebote an Eigenheimen Auswertung der Immobilienanzeigen aus der Samstagsausgabe der Aachener Nachrichten am 21.01.2006 Um nicht frühzeitig unseren Horizont zu schließen, wollen wir nun die Suchkriterien verändern, um überhaupt Angebote finden zu können. Dazu weisen wir den Suchkriterien unterschiedliche Prioritäten zu. Alternative 1: Die Lage im Kerngebiet der Stadt hat oberste Priorität, jedoch muss auf alternative Wohnformen (im Vergleich zum Ein-/Zweifamilienhaus) zurückgegriffen werden. Unter Beachtung dieser Einschränkung haben wir verschiedene Eigentumswohnungen (über 100m2) finden können, jedoch beschränkte sich diese Angebotszahl ebenfalls auf nur wenige Möglichkeiten in der Innenstadt (siehe Tabelle 4) Ein konkretes Beispiel sei in Abbildung 2 gegeben. Abb. 2: Immobilienangebote in der Aachener Zeitung Quelle: Aachener Nachrichten, 22.01.2006 Eine weitere Möglichkeit wäre das Ausweichen auf den Aachener Wohnungsmarkt, um weitere Angebote im Kerngebiet ausfindig machen zu können. Hierbei ist wieder wichtig, dass alle Suchkriterien (Lage, Haustyp und Wohnfläche) erfüllt sein müssen. Der Wohnungsmarkt wird hier jedoch nicht näher betrachtet. Alternative 2: Der gewünschte Haustyp hat oberste Priorität und die Lage im Stadtraum wird auf bestimmte Bereiche ausgedehnt. Hierzu erweitern wir den bevorzugten Kernbereich auf umliegende Stadtbereiche, wie Abb. 3 zeigt. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 161 Abb. 3: Karte mit eingeteilten Stadtbereichen Bei dieser Erweiterung kommen wir schnell zu zahlreichen Angeboten für unsere Nachfragergruppe. Letztlich wird deutlich, dass die zweite Kompromisslösung die Auswahlmöglichkeiten enorm vergrößert und für die Nachfragergruppe keine wesentlichen Nachteile entstehen. Alle Ausweichmöglichkeiten befinden sich nämlich in direkter Stadtnähe, so dass alle Aktivitäten und Anforderungen der Lebensstilgruppe dennoch gewährleistet sind. Angebote im Internet Der schnelle und unkomplizierte Zugang zu zahlreichen Homepages von Haus-/Wohnungsangeboten (sowohl zum Kauf als auch zur Miete) war für die Suche im Internet kennzeichnend. Die vielfältigsten Angebote fanden wir auf der Website www.immobilienscout24.de. Nicht überraschend ist die fast identische Verteilung der Eigenheimanzahl bzgl. Haustyp und Lage (wie bei der Suche in der Zeitung). Tabelle 5 verdeutlicht dies: Tab. 5: Angebote an Eigenheimen Auswertung der Immobilienanzeigen von der Internetseite: http://www.immobilienscout.de am 21.01.2006 Somit kommen wir bei der Untersuchung der Internetangebote zu den gleichen Ergebnissen wie bei den Zeitungsangeboten. Angebote eines Immobilienmaklers Ebenfalls wollten wir die Angebote eines Immobilienmaklers in die Suche unserer Nachfragergruppe einfließen lassen. Im Internet konnten wir zahlreiche Immobilienmakler festmachen, jedoch waren die Angebote untereinander nahezu identisch. Zudem haben wir in der Zeitung zahlreiche Angebote von Immobilienmaklern gefunden und verweisen hier auf die Ergebnisse der Zeitungsauswertung. Angebote der Stadt Aachen Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 162 Auch die Stadt Aachen tritt als Anbieter auf, jedoch bezieht sich dies nur auf den reinen Grundstücksmarkt. Zudem bevorzugt die Stadt bei der Vergabe der Grundstücke Familien, welche in einem speziellen Auswahlverfahren ausgesucht werden. Da nur 8% unserer Lebensstilgruppe Kinder haben, können wir diese Möglichkeit in unserer Arbeit vernachlässigen. Ergebnisse Der Vergleich der Angebote zeigt, dass es viele Eigenheimangebote im Aachener Umland gibt. Je näher man bei der Suche im Stadtzentrum nach Angeboten forscht, desto stärker reduziert sich die Anzahl passabler Möglichkeiten für die von uns betrachtete Lebensstilgruppe. Die Nutzung der Suchkriterien Innenstadtlage, Haustyp und Wohnfläche schränkte die Anzahl an Angeboten erheblich ein. Zwar haben wir letztlich ein paar Angebote in der Aachener Innenstadt gefunden, jedoch wollten wir nach nur so wenigen möglichen potenziellen Objekten unsere Suche noch nicht beenden. Durch leichte Ausweitung der Suchkriterien ließen sich sofort mehrere Angebote in die Betrachtung mit einschließen, die vorher durch zu eng gesetzte Kriterien eliminiert worden waren. Entweder befanden sich diese Angebote dann in Gegenden der Nähe des InnenstadtBereichs oder es waren andere Haustypen, die dann aber wieder in der Innenstadt zu finden waren. Der Artikel ‚Triumph der City’ stellt den Trend dar, dass mehr und mehr Leute ein Eigenheim in der Stadt zu suchen. Er unterstützt unsere Ergebnisse dahingehend, dass immer noch deutlich mehr Angebote an Einfamilienhäusern in Randgebieten existieren als dass es alternative Wohnformen in den Zentren gibt. Zudem macht der Artikel auf einen interessanten Aspekt aufmerksam. Stadtplaner waren jahrzehntelang davon überzeugt, dass Familien lieber in Vorstädten leben und dementsprechend quasi in Vororte verbannt worden sind. Nun sollen Mittelständler durch ambitionierte Wohnprojekte im Zentrum gehalten werden. Daneben weist der Artikel darauf hin, dass sich Wohnungsunternehmen darauf einstellen, innerstädtische Areale, die brachliegen, in Wohngebiete zu verwandeln. Hiermit wird deutlich, dass Stadtplanungsexperten sich den neuen Trends stellen wollen und eine Erweiterung des Angebotsspektrums zu erwarten sein kann. Bei der Suche nach einem Eigenheim ist es absolut notwendig, die auf dem ‚Papier’ ausgesuchten Objekte zu besichtigen, da bekannterweise viele Objekte bei der näheren Betrachtung trotz der vorherigen Erfüllung bestimmter Suchkriterien aus der weiteren Untersuchung herausfallen. Bei unserer Suche haben wir letztlich 2 in Frage kommende Eigenheime im Kerngebiet Aachens ausführlicher betrachtet. Unter Bezugnahme unserer subjektiv ausgesuchten Kriterien (Lage, Haustyp und Wonhfläche) für die Lebensstilgruppe ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig Aktive’, stellt das Wohnbauprojekt Barbarossapark in der Pontstraße ein sehr gutes Angebot dar. Es liegt mitten in der Aachener Altstadt, einkaufen oder Theaterbesuche sind problemlos zu Fuß möglich, es gibt Eigentumswohnungen, die den Standard eines Einfamilienhauses besitzen und die Wohnflächen sind gigantisch. Da unsere Lebensstilgruppe über ein sehr hohes Einkommen verfügt (Tab. 2) ist die Finanzierungsfrage in diesem Fall nicht von Bedeutung. Folglich wäre dies ein passendes Wohnungsangebot für die von uns ausgewählte Gruppe. Abb. 4: Barbarossapark in der Pontstraße, Aachen Quelle: URL: http://www.immobilienscout24.de Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 163 5 Fazit und Ausblick Die Angebote auf dem Aachener Immobilienmarkt sind durchaus zahlreich, jedoch konnten wir speziell für unsere Nachfragergruppe zuerst sehr wenige Angebote ausfindig machen. Wir stellten fest, dass auffallend viele Einfamilienhäuser im Aachener Umland angeboten werden. Dies bestätigt zum einen das oben bereits erwähnte Verständnis von Eigenheim und Einfamilienhaus im Grünen sowie Häußermann’s Aussage über die „überwältigende Präferenz für das Einfamilienhaus“ . Zum anderen unterstreicht der Artikel im Spiegel dieses Untersuchungsergebnis dahingehend, dass sehr lange Zeit Familien quasi in die Vorstädte verbannt wurden und sich erst langsam wieder ein Trend für urbanes Wohnen entwickelt. Obwohl auch andere Wohnformen ähnliche oder auch dieselben Qualitäten aufweisen, scheint die Mehrheit der Deutschen in der Form des Einfamilienhauses das Synonym für das Eigenheim zusehen. Für den Aachener Immobilienmark gilt: Um für unsere Nachfragergruppe aus einem Pool von Angeboten ein passendes Eigenheim zu suchen, haben wir durch Ausweitung der von uns vorab gesetzten Suchkriterien sehr viel mehr Angebote an Eigenheimen im Kreis Aachen ausfindig gemacht. Die Ausweitung bezog sich zum einen auf die Lage des Eigenheims und zum anderen auf alternative Formen des Eigenheims, wie zum Beispiel der Eigentumswohnung, im Gegensatz zum klassischen Einfamilienhaus. Angebote sind nach Ausweitung der Suchkriterien reichlich vorzufinden, jedoch ist die Mehrzahl der Angebote doch vorzugsweise das Haus am Stadtrand. Letztlich haben wir ein Objekt inmitten der Altstadt Aachens, welches nur hinsichtlich des Kriteriums Haustyp leicht verändert wurde, gefunden. Als Argument für die geringere Anzahl an Eigenheimen in den Stadtzentren, im Vergleich zum Umland, kann nicht die bereits abgeschlossene Bebauung in den Städten oder das nicht vorhandene Bauland genannt werden. Großstädte wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt machen es vor – Stadtplaner entwickeln neue Projekte auf brachliegendem Land oder führen aufwändige Renovierungsaktionen durch, um die Menschen wieder in die Städte zu locken und ihr Bedürfnis nach Urbanität zu befriedigen. Für den Immobilien-Markt der Zukunft bedeute dies: Es müssen innovative Wohnmodelle für die einzelnen Gruppen entwickelt werden, um auch für ein breites Spektrum an Nachfragern attraktive, zielgruppenspezifische und individuelle Angebote zu schaffen. 6 Quellenangaben Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (1996): Soziologie des Wohnens- Eine Einführung in Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens. Weinheim und München: Verlag Juventa Klein, Hans-Joachim (1970): Wohneigentum in der Stadtregion. Eine soziologische Analyse eigentumsbezogener Wohnerfahrungen und Wohnerwartungen. Karlsruhe Schneider, Nicole; Spellerberg, Annette (1999): Lebensstile Wohnbedürfnisse und räumliche Mobilität. Opladen: Verlag Leske + Budrich Studienarbeit (2005): „Zukunft Wohnen“ am Borgschenhof in Duisburg-Friemersheim, Architekturconsulting, Altbaumodernisierung, Strategische Bestandsentwicklung. Aachen: Herausgeber Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtplanung URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Einfamilienwohnhaus URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wohnung Zapf, Wolfgang u.a. (1987): Individualisierung und Sicherheit. Untersuchungen zur Lebensqualität in der Bundesrepublik Deutschland (Schriftenreihe des Bundeskanzleramtes, Heft 4). München: Verlag C.H. Beck Zeitschrift: Der Spiegel (2006): Artikel: ‚Triumph der City’. Ausgabe Nr.2 am 09.01.2006 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 164 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Sinus-Milieus in Deutschland Abb. 2: Immobilienangebot in der Aachener Zeitung Abb. 3: Barbarossapark in der Pontstraße, Aachen Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 165 Stilvoll leben im Herzen der Stadt – Barbarossapark Aachen Heidi Kesselhut, Volker Wohlfahrt Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 166 Inhalt Stilvoll leben im Herzen der Stadt – Barbarossapark Aachen 1 Einleitung 2 Definition Life-Style 3 Einordnung 4 Projektbeschreibung 5 Akteure 6 Fazit 7 Quellenangaben und Bildverzeichnis Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 167 1 Einleitung In dem Seminar „Wohnen in der Stadt“ setzten wir uns mit der Wohnungsmarktsituation in Deutschland auseinander. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Situation des Wohnungsmarktes in der Stadt Aachen. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Anbieter und Nachfrager wurden klar herausgearbeitet und auch durch verschiedene Gastdozenten herausgestellt. Unsere Ausarbeitung befasst sich mit dem sehr weit gefassten Begriff Life_Style_Wohnen. Das Feld mit dem wir uns hierbei beschäftigten war zunächst sehr schwer zu fassen, denn es war schwierig eine eindeutige Definition dieser Wohnform zu formulieren. Da wir uns für die Ausarbeitung dieses Themas auf den näheren Umkreis Aachens beschränkten, gab es nur wenig Auswahl an adäquaten Projekten. Unsere Wahl fiel auf das wohl auffälligste Projekt, welches sich unserer Meinung nach in die Kategorie des Life_Style_Wohnens einordnen lässt. Den BarbarossaPark im Zentrum Aachens. Ein weiterer Grund für die Wahl dieses Projektes stellte die vorbildliche Hilfsbereitschaft der Verantwortlichen dar. Es war uns daher möglich alle an der Realisierung beteiligten Akteure zu interviewen. Des Weiteren wurden wir mit sämtlichen Informationen und Broschüren über den BarbarossaPark versorgt. Darüber hinaus konnten wir mit einigen der zukünftigen Bewohner als auch mit einem Mitglied des Architektenbeirats der Stadt Aachen Gespräche führen. Neben dem persönlichen Kontakt nutzten wir das Internet für weitere Recherchen. Weiterführende Literatur war weder für unser Projekt, noch für unsere Vorbereitungen von Nutzen. Mit diesen Informationen als Grundlage wollen wir anhand des Beispiels BarbarossaPark versuchen den Begriff des Life_Style_Wohnens etwas klarer zu definieren. 2 Definition Lifestyle Der Ausdruck Lebensstil oder Lifestyle bezeichnet umgangssprachlich die Art und Weise der Lebensführung. In der Soziologie sind verschiedene Lebensstilbegriffe entwickelt worden. In der Medizin geht es um die gesundheitlichen Aspekte des jeweiligen Lebensstils. Der umgangssprachliche Begriff Lebensstil oder Lifestyle erscheint als eine Bezeichnung für spezifisch widererkennbare Kombinationen von Freizeit-präferenzen, wie zum Beispiel welche Musik man hört oder welche Kleidung man trägt. Er steht aber auch beruflich und/oder familiär für einen Stil, der die soziale Distanz zwischen den jeweiligen diesen Stil pflegenden verringert oder gegenüber anderen vergrößert und somit so genannte „unsichtbare Schranken“ errichtet. Das bezieht sich auf Merkmale wie Wohnstil, Kleidung, Sprachgestus, Aufenthaltsorte, musikalische Vorlieben etc… Mit der Lebensart sind Attribute verbunden, die einen Menschen von Anderen abgrenzen oder mit Anderen verbinden. So kann eine Lebensart Teil einer Kulturbewegung und sogar Ausdruck einer politischen Sichtweise sein. Sie kann aber auch den Genuss und die Lebensfreude verkörpern und dabei unpolitisch sein. Typische Lebensarten können Subkulturen zugeordnet werden, wie zum Beispiel die der Hippies, Punks oder Rocker. Eine weniger als Subkultur bezeichnete Lebensart ist die der Dandys und Playboys. Auch „Simple living“ ist ein Beispiel für einen Lebensstil. Lebensart wird insbesondere von der Werbung angesprochen oder sogar geschaffen. Die Lebensart ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor, und zwar indem sie für Konsum und damit für Wachstum sorgt. Lebensart ändert sich zum Beispiel mit der Mode und bringt deswegen nachhaltige Bewegung in die Volkswirtschaft. Abb. 1 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 168 Mit dem aus dem englischen entlehnten Ausdruck Lifestyle werden besonders Lebensstile im jugendkulturellen Spektrum bezeichnet, sowie Lebensstile, die stark auf Genuss und Konsum ausgerichtet sind oder mit Assoziationen von „cool“ oder „stylish“ verbunden werden. Der Begriff Lifestyle bezeichnet in sehr umfassender Art die „stylishe“ Erscheinung eines Menschen und schließt seine Verhaltensweisen und seine Freizeitgewohnheiten mit ein. Damit ist er ein über das Styling von Kleidung und Körper hinaus weisender Begriff. 3 Einordnung Im folgenden soll aufgezeigt werden, wie der BarbarossaPark in die Kategorie des Life_Style_Wohnens eingeordnet werden kann. Unter Berücksichtigung der Definition aus dem vorangegangenen Kapitel kann der BarbarossaPark sicherlich als Wohnform angesehen werden, die einen besonderen Lebensstil widerspiegelt. Laut Sinus-Milieu Studie kann man sowohl die Anbieter, als auch die Nachfrager, in die dort zur oberen Mittelschicht gehörenden Gruppen der Konservativen und der Etablierten einordnen. Abb. 2 Die Gruppe der Konservativen bildet ca. 5% der gesamtdeutschen Bevölkerung und umfasst das alte Bildungsbürgertum. Für diese Gruppe sind besondere Dinge, wie ein schönes Wohnumfeld, ein teures Auto, Kulturreisen, Theaterbesuche und Ähnliches von großer Bedeutung. Da sie sich diese Dinge in der Regel leisten können, nutzen sie diese Möglichkeit auch. Der Altersschwerpunkt liegt bei ca. 60 Jahren. Die Etablierten setzen sich aus der gebildeten und gut situierten Elite, bestehend aus Professoren, Politikern, Unternehmern und hohen Beamten zusammen. Sie stellen ca. 10% der deutschen Bevölkerung. Sie genießen den Luxus, den sie sich auf Grund ihrer privilegierten finanziellen Situation leisten können. Ihre hohen Exklusivitätsansprüche, mit denen sie sich bewusst von anderen abgrenzen möchten, machen sie zur Hauptklientel für das Projekt BarbarossaPark. Der Altersdurchschnitt dieser Gruppe liegt bei ca. 50 Jahren. Aus diesen Ausführungen wird ein besonderer Lebensstil erkennbar. Abb. 3 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 169 Der BarbarossaPark ist des Weiteren eine Projektion einer vorstädtischen und gehobenen Lebensweise auf einen dafür untypischen, innerstädtischen Bereich. Durch geräumige Wohnungen und großzügige Freiflächen soll der gewohnte Lebensstil erhalten bleiben, und durch die zentrale und urbane Lage sogar noch verbessert werden. Da der BarbarossaPark auf Grund seiner Lage, Gestaltung und Ausstattung den Wünschen und dem Lebensstil der beschriebenen Bevölkerungsgruppen entspricht, kann man ihn ohne Zweifel in die Kategorie des Life_Style_Wohnens einordnen. 4 Projektbeschreibung Das untersuchte Projekt, der BarbarossaPark, liegt in der Pontstraße 52-58 in Aachen. Es zeigt sich eine optimale Lage in der Innenstadt. Man benötigt zu Fuß lediglich zwei Minuten zu Marktplatz und Hochschule. Es besteht eine hervorragende Anbindung an die städtische Infrastruktur. Die angrenzende Busanbindung, der nahegelegene Bahnhof und die ca. 5 Minuten entfernte Autobahnzufahrt, ermöglichen dem Bewohner eine gute Anbindung an andere Regionen. Geschäfte, Gastronomie, Theater und Restaurants im Umkreis von wenigen Minuten lassen jede Art der abendlichen Freizeitaktivitäten zu. Schulen und Kindergärten bilden weitere der multiplen Einrichtungen die das Wohnen in der Stadt so attraktiv machen. Neben der oftmals auch hektischen Umgebung findet der Käufer durch die ruhige und introvertierte Lage der Wohnungen seine Ruhe. Ein weitläufiger Park von etwa 2000 m² steht zur gemeinsamen Nutzung der hier ansässigen Bewohner zur Verfügung. Insgesamt handelt es sich um ein Grundstück von 3300 m². Der Innenhof, abgegrenzt durch ein großes Tor, wird umseitig vom Aachener Pontviertel umschlossen. Im hinteren Bereich verläuft ein Teil der historischen und unter Denkmalschutz stehenden Barbarossamauer, welche für die Öffentlichkeit nun nicht mehr zugänglich ist. Abb. 4 Abb. 5 Es handelt sich um eine klassisch-moderne Architektur, welche im Zeitablauf nicht der Mode zum Opfer fallen, sondern zeitlos und attraktiv sein soll. Abgerundet wird das Gebäude mit Mansardendächern aus Falzblech. Man soll beim Blick aus den französischen Fenstern an die Stadt Paris erinnert werden. Man schaut von einer Seite direkt auf die gegenüber liegenden schmalen Häuser mit ihren kleinen Balkonen und alten Gemäuern. Ob dies tatsächlich der Fall ist, liegt jedoch im Auge des Betrachters. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 170 Abb. 6 Insgesamt bietet der BarbarossaPark 29 komfortable Eigentumswohnungen. Es gibt drei verschiedene Wohnungstypen: 2-Zimmer-, 3-Zimmer- und Penthousewohnungen. Mit 80220 m² Wohnfläche bilden diese recht großzügig geschnittene Einheiten. Dies zeigt sich ebenso in der lichten Raumhöhe von 2,75m. Aktuell sind 28 Wohnungen verkauft, und die meisten bereits bezogen. Lediglich eine der Penthousewohnungen steht noch zum Verkauf frei. Die Ausstattung läßt keinen Wunsch offen. Wichtigster Aspekt ist die Umsetzung des barrierefreien Wohnens. Das Außengelände weist keine Treppen auf. Im Innenbereich ermöglichen Aufzüge das Erreichen der eigenen Wohnung ohne Treppen steigen zu müssen. Die Türen sind groß genug, um Menschen mit Behinderungen das Leben zu erleichtern. Es soll damit des Weiteren erreicht werden, dass die Käufer bis ins hohe Alter dort wohnen bleiben können. Die Penthousewohnungen sind mit einem direkten Zugang mittels Aufzug ausgestattet. Weiterhin besteht die Möglichkeit der Nutzung der eigenen Tiefgarage. Die Inneneinrichtung besteht aus Parkettböden und Naturstein in Küche und Bädern. Die Zimmer verfügen über Fußbodenheizung. Teilweise ist im Wohnzimmer ein Kamin integriert. Solarenergieversorgung soll den ökologischen Wert der Anlage erhöhen. Alle Wohnungen verfügen über geräumige Südbalkone. Das Grundstück ist vollständig Videoüberwacht, und die Bewohner können Ihre Gäste am Eingang mittels Bildtelefon erreichen. Die Wohnungspreise liegen bei 3000 /m². Somit ergeben sich Kaufpreise der Wohnungen von rund 300.000-700.000 . Insgesamt trägt das Objekt einen Verkaufswert von ca. 9,5 Millionen . Projekthistorie Mitte der 1990er Jahre erwarb die DVG Delius/III Gewerbe GbR das Grundstück, auf dem heute der BarbarossaPark steht. Ursprünglich hatte man eine gewerbliche Nutzung vorgesehen. Nachdem der Architekt Dipl.-Ing. Kayser vom Archtekturbüro Ziegelmayer & Kayser und gleichermaßen Mitglied der DVG den letztlich umgesetzten Bau vorgeschlagen hatte, entschied man sich rasch für den privaten Wohnungsbau. Ende 2000 wurde mit der Planung begonnen und der Bauantrag gestellt. Im Jahr 2003 wurde die Baugenehmigung ausgestellt. Der BarbarossaPark wurde Ende 2004 fertig gestellt. 28 von 29 Wohnungen waren im Februar 2006 verkauft. Davon sind einige, für eine absehbare Zeit, untervermietet. Die Käufer haben alle die Absicht früher oder später im BarbarossaPark zu leben, und auch dort wohnen zu bleiben. Es handelt sich um ein stark anbieterorientiertes Projekt. Der Immobilienmakler Erich Stier versuchte durch gezielte Marketingmaßnahmen die Käufer für sich zu gewinnen. Werbeplakate in unmittelbarer Nähe zum Grundstück, eine Büroanmietung in einer der Nebenstrassen, Direktmarketing durch persönliche Gespräche mit den potentiellen Käufern und eine Zusammenstellung sämtlicher Prospekte und einem mehrseitigen, persönlichen Anschreiben sollten seine Wirkung zeigen. In der Tatsache, dass fast alle Wohnungen verkauft wurden, zeigt sich das gute und erfolgreiche Ergebnis der Werbemaßnahmen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 171 Penthousewohnung Die 218,57 m² große Penthousewohnung ist die Letzte der noch zum Verkauf stehenden Wohnungen. Ihr gilt besonderes Interesse, weil sie die Größe eines freistehenden Hauses aufweist, und idealerweise von einer Familie bezogen werden könnte. Denn eine solche ist bis jetzt im gesamten Komplex nicht vorhanden. Vom Balkon und den Fenstern eröffnet sich ein weitläufiger Blick auf das Rathaus der Stadt Aachen. Nicht zuletzt durch die wertvolle Ausstattung spiegelt die Wohnung den Ausdruck eines besonderen Lebensstils wider. Das Wohnzimmer mit 75,25 m² und einem Kamin, ist bereits fast so groß wie die 2-ZimmerWohnungen im Haus. Es gibt drei Schlafräume zwischen 17 und 22 m². Ein Ankleidezimmer, ein Arbeitszimmer, eine relativ kleine Küche mit Dachschrägen, 2 Bäder, ein Gäste-WC, ein großes Foyer mit Flur, ein kleiner Abstellraum und 3 Balkone. Der Aufzug fährt direkt in die Wohnung. Neben den großzügigen eigenen Räumlichkeiten steht dem Bewohner weiterhin die Nutzung des Gemeinschaftskellers, der gemeinsamen Waschküche, sowie des Gartens zur Verfügung. Die Tiefgarage im Untergeschoss bietet ein ausreichendes Platzangebot zum Abstellen von Autos und Fahrrädern. Abb. 7 5 Akteure Die gesamte Durchführung des Projektes lag in der Hand der DVG, einem Zusammenschluss mehrerer Aachener Mittelständler aus dem Baugewerbe. Die architektonische Planung hat das Büro Ziegelmayer & Kayser übernommen, welches selbst Mitglied der DVG ist. Für die Planung und Realisierung der Landschaftsarchiktur war Hans Wirtz mit seinem Unternehmen Grünräume aus Würselen zuständig. Marketing und Vertrieb lagen in der Hand des Immobilienmaklers der Firma EuregioImmobilien e.K., Erich Stier. Die bauliche Umsetzung des Gesamtprojektes BarbarossaPark erfolgte durch eine Tochterfirma von HOCHTIEF, das Bauunternehmen ARGE, das eigens für dieses Projekt ins Leben gerufen wurde. Die Käufergruppe kann in die Klasse des gehobenen Mittelstandes eingestuft werden. Die Bewohner sind 35-70 Jahre alt. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der Altersdurchschnitt bei über 50 Jahren liegt. Es handelt sich oft um aktive Ruheständler. Lehrer, Professoren und der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Aachen zählen ebenfalls zu den Käufern. Unter anderem profitiert hier eine jüngere Frau von der barrierefreien Gestaltung der Wohnungen, da sie an den Rollstuhl gefesselt ist. Es leben wenig Alleinstehende im BarbarossaPark, aber auch ebenso wenig Kinder, trotz eines eigenen Spielplatzes auf dem Gelände. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 172 6 Fazit Wir konnten uns selbst ein Bild von den Akteuren, sowie von der gesamten Umsetzung des Projektes machen. Es scheint daher wichtig, nicht nur die Anbieter- und Nachfragerseite zu betrachten, sondern ebenso, die eigene Meinung zu diesem Projekt einfließen zu lassen. In den folgenden Ausführungen soll deutlich werden, dass gerade aus architektonischer Sicht Zweifel an der Umsetzung des Gebäudes entstehen können. Das Für und Wider soll klar herausgestellt werden. Man wird feststellen, dass sich der BarbarossaPark aus ökonomischer Sicht als durchaus rentabel erwiesen hat. Dies zeigen nicht zuletzt die positiven Bewertungen des Immobilienmaklers. Der Architekt scheint mit seinem Projekt ebenso zufrieden zu sein. Aber wir haben in den Recherchen auch eine komplette Gegendarstellung erhalten, indem wir ein Gespräch mit Herrn Rolf Westerheide geführt haben. Dieser ist Mitglied des Architektenbeirats in Aachen, und er hat dazu beigetragen, unseren Blickwinkel zu erweitern. Pro-Argumente Insgesamt handelt es sich um ein wirtschaftlich gelungenes Projekt. 28 der insgesamt 29 Wohnungen sind für 3000 /m² verkauft worden. Die Bewohner haben sich bewusst für das Leben in der Stadt entschieden. In der Regel waren sie zuvor Besitzer eines Grundstückes in der Aachener Vorstadt oder einer kleineren Stadt in der näheren Umgebung Aachens. Jetzt profitieren sie von der optimalen Innenstadtlage, und geniessen doch die Ruhe, die sich durch die Innenhoflage ergibt. Sie konnten ihren Lebensstil beibehalten und sogar verbessern. Die Käufer konnten zudem an der Innenausstattung mitbestimmen. Es wurde ein gehobenes Umfeld geschaffen. Die Anbieter waren erfolgreich in ihrer Bemühung, die Bewohner zu einem Zuzug in die Innenstadt zu motivieren. Der Kauf dieser Immobilie wird als zukunftssicher eingestuft. Die Grundstückspreise in der „City“ werden vermutlich nicht abflachen, sondern eher noch zunehmen. Für die Bewohner zeigt sich eine angemessene Nutzung der gesamten Fläche des BarbarossaParks. Sie können sich in ihre eigenen Räumen zurückziehen, allerdings auch die Gemeinschaft im weitläufigen Park suchen. Zudem ermöglicht das barrierefreie Wohnen eine auf Langfristigkeit angelegte Wohnsituation. Auch wenn die Planung und das Projekt auf gehobene Lohnempfänger abzielt, so handelt es sich doch um eine faire Preisgestaltung. Laut Aussage von Herrn Stier musste man bereits vor 10 Jahren in der Nizzaallee, am Rande der Aachener Innenstadt, 5000-6000 DM/m² bezahlen. Die Exklusivität des Gebäudes zeichnet sich dadurch aus, dass es in Aachen keinerlei vergleichbare Projekte gibt, noch in näherer Zukunft geben wird. Kontra-Argumente Die architektonische Gestaltung des BarbarossaParks ist fraglich. Der gesamte Komplex bildet keine Einheit mit der historischen Umgebung Aachens. Die offensichtliche Trennung durch das große Eingangstor, wird auch in Zukunft diese Einheit nicht erschaffen können. Es handelt sich um einen sehr uniformen Bau, der letztendlich „antiurbane“ Züge deutlich werden lässt. Es entsteht möglicherweise auch neben der architektonischen Handschrift, durch den ursprünglich genutzten Werbeslogan daß es „bettenfähige Aufzüge“ gebe, der Eindruck, es würde sich um eine Seniorenresidenz handeln. Was für die Bewohner schön sein mag, stellt für den Architekten und Städtebauer die Frage, ob es sich um eine wirklich angebrachte und ausreichend effiziente Nutzung des Grundstücks handelt. Sind 2000 m² freie Fläche wirklich notwendig, oder hätte man die einmalige Lage nicht doch effizienter, urbaner und verdichteter Nutzen können? Die Geschosszahl wäre nach oben ausdehnbar gewesen, während man die lichte Raumhöhe gut etwas geringer hätte halten können. Die Öffentlichkeit kann das Grundstück nicht betreten, und somit wird auch der Teil des Denkmals, der Barbarossamauer, der Öffentlichkeit entzogen. Fraglich ist weiterhin, ob eine Mischnutzung, in Form von Wohnen, Arbeiten und Einzelhandel sowie Gastronomie unter Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 173 einem Dach, nicht rentabler und angebrachter gewesen wäre. So hätte man auch die Barbarossamauer dem Publikumsverkehr wieder zugänglich machen können. Eine Ausschreibung in Form eines Wettbewerbs, wie beispielsweise beim „Bauhaus Europa“ hätte möglicherweise zu einem, für die meisten Beteiligten, befriedigerendem Ergebnis führen können. Abschließende Bemerkung Der Titel „Stilvoll leben im Herzen der Stadt“ scheint sich für die Käufer bewahrheitet zu haben. Sie sind zufrieden mit der Umsetzung, und waren sogar erstaunt, dass es so schön geworden sei. Fraglich ist nur, ob sie auch in Zukunft noch zu ihrer Entscheidung stehen, oder ob es die Bewohner nicht irgendwann wieder in die Vorstadt zurückzieht. Für angehende Architekten und Stadtplaner stellt sich die Frage, ob man das Grundstück nicht effizienter hätte nutzen können. Ebenso stellt der architektonische Stil eine fragwürdige Komponente dar. Eine, vielleicht sogar moderne Architektur, die sich dem Umfeld trotzdem besser anpassen würde wäre eine mögliche Alternative gewesen. 7 Quellenangaben persönliche Gespräche mit: Hr. Erich Stier, EUREGIO Immobilien e. K. Hr. Dipl. Ing. Kayser, Ziegelmayer-Kayser Architekten Hr. Dipl. Ing. Rolf Westerheide, Mitglied Architektenbeirat Broschüren über den BarbarossaPark von 1. 2. 3. EUREGIO Immobilien e. K. / mohr & more, Werbeagentur POWER + RADACH, Werbeagentur de.wikipedia.org www.sinus-sociovision.de Abbildungen Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Handywerbung Sinus-Milieu Studie Tiefgarage BarbarossaPark Eingang BarbarossaPar Barbarossamauer Rendering BarbarossaPark Grundriss Penthousewohnung www.lifestyle-handys.com www.sinus-sociovision.de Eigene Bilder Eigene Bilder Eigene Bilder Ziegelmayer-Kayser Ziegelmayer-Kayser Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 174 Life-Style Wohnen Matthias Belke, Marc Schmidt Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 175 Inhalt Life-Style Wohnen 1 Einleitung 2 Definition Life-Style Wohnen 3 Akteure 4 Aachener Wohnungsmarkt 5 Innovationen 6 Fazit 7 Quellenangaben und Bildverzeichnis Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 176 1 Einleitung In der folgenden Ausarbeitung wird der Aachener Wohnungsmarkt auf das Life-StyleWohnen untersucht. Neben der Definition dieses Begriffes, werden u.a. Fragen nach seiner Existenz und Größe sowie seine Fluktuation beantwortet. Untersucht wird das Life-Style-Wohnen mit dem Schwerpunkt auf Mietwohnungen der gehobenen Preisklasse in der Aachener Innenstadt. Um eine konkrete und vergleichende Aussage zu erhalten, lag der gewählte Schwerpunkt zunächst auf der Aachener Innenstadt. Im Laufe der Zeit konnte dieser mit Hilfe von diversen Immobilienmaklern weiter konkretisiert werden. 2 Definition Life-Style-Wohnen Der Begriff des Life-Style-Wohnens existiert in dieser Form nicht in der Bau- und Immobilienbranche, so dass er nach diversen Medieneinflüssen und unseren eigenen Vorstellungen definiert wird. Lifestyle ins Deutsche übersetzt bedeutet Lebensstil oder Lebensart. Hiermit verbindet man eine Kombination aus spezifischen Freizeitaktivitäten und dem beruflichem/familiärem Stil. Der Begriff Lifestyle aber prägt heutzutage vor allem die Lebensstile im jugendkulturellen Bereich, die auf Genuss und Konsum ausgerichtet sind und mit Assoziationen von cool oder stylisch verbunden werden. Der individuelle Geschmack/Stil wird in der Psychologie mit dem Streben nach Selbstverwirklichung in Verbindung gesetzt, die das oberste Bedürfnis jedes Menschen ist. Ein weiteres Bedürfnis ist die Sicherheit. In Zeiten großer Arbeitslosigkeit ist vor allem die finanzielle Sicherheit entscheidend. Auch die Medien haben dieses Wort für sich entdeckt und nach ihren Vorstellungen definiert. Grundsätzlich wird es mit dem Teuren, Luxuriösen und qualitativ Hochwertigen, oft aber auch Einzigartigen, in Verbindung gesetzt. Prominenz und Geldadel dürfen hierbei natürlich nicht fehlen. Zudem entwickelte das Fernsehen in den letzten Jahren zahlreiche Sendungen, die den individuellen Lebensstil mit Hilfe der Innenarchitektur bzw. Einrichtung in Szene setzen. Als Beispiele wären hier „Avenzio“ (Pro Sieben), „SOS - Do-it-your-Self“ (Pro Sieben), „Einsatz in vier Wänden“ (RTL) oder „Ricks Wohnwelten“ (ZDF) zu nennen. Aufgrund dieser Erkenntnisse verbindet, nach unserer Definition, das Life-Style-Wohnen den individuellen Geschmack mit der qualitativ hochwertigen und ansprechenden Architektur im gehobenen Preissegment. 3 Akteure Bei den Akteuren muss man zunächst zwischen den Anbietern und den Nachfragern (Angebot und Nachfrage) unterscheiden. Aber wer sind die Anbieter, wie präsentieren sie sich und mit welchen Hilfsmitteln versuchen sie ihre Produkte zu vermitteln? Wie sehen sie den zukünftigen Wohnungsmarkt? Ähnliches gilt für die Nachfrager. Wer steckt dahinter, auch in Bezug zu der o.g. Definition des Life-Style-Wohnens? Und, wie wird ihr Wohnverhalten sich entwickeln oder verändern? Anbieter Zu den Anbietern zählen Architekten, Immobilienmakler und Eigentümer. Sie versuchen mit dem geringst möglichen Aufwand ihre Objekte zu vermitteln. Überwiegend geschieht dies heutzutage noch über Zeitungsannoncen, aber das Internet hat in den letzten Jahren stark an Reiz gewonnen, zumal es noch weitere Vorteile bereithält. Auf speziellen ImmobilienWebseiten können Analysen zu den betreffenden Objekten direkt mit angefertigt werden. Sie zeigen anhand von Suchanfragen und Seitenaufrufen das Interesse am Objekt an. Eine weitere Möglichkeit ist der Aushang im (Schau-)Fenster der Makler. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 177 Der Wohnungsmarkt, und hier sind sich erstaunlicher Weise alle befragten Makler einig, wird sich mehr zum Mietobjekt hin entwickeln. Als Grund wird die schlechte und ungewisse Wirtschaftslage in Deutschland genannt. Ebenso der Wegfall der Eigenheimzulage. Dies führt zu einem stark reduzierten Interesse an Investitionen ins Eigenheim. Zudem ist schon jetzt eine höhere Fluktuation bei Mietobjekten zu beobachten. Nachfrager Anhand der Sinus-Milieu-Studie werden die Nachfrager, nach o.g. Definition des Life-StyleWohnens, ermittelt. Die Studie teilt die Bevölkerung nach sozialer Lage und Grundorientierung in 10 Zielgruppen auf (s. Abb.). Laut Definition und Studie ergeben sich vier in Frage kommende Zielgruppen: Die Konservativen, Etablierten, Postmateriellen und die Moderne Performer. Nachfrager nach Sinus- Milieu - Studie Konservative Die Konservativen repräsentieren das alte deutsche Bildungsbürgertum. Der Altersschwerpunkt liegt ab 60 Jahren. In der Regel bilden sie Zwei-Personen-Haushalte und verfügen über ein mittleres bis gehobenes Einkommensniveau bzw. größeres Vermögen. Sie haben eine humanistisch geprägte Pflichtauffassung und pflegen die gehobenen Umgangsformen. Viele von ihnen sind nach einer erfolgreichen Berufskarriere bereits im Ruhestand und üben ehrenamtliche Tätigkeiten aus. Sie genießen die immateriellen Werte und kümmern sich um die Familie sowie ihr Wohlbefinden und Gesundheit. Etablierte Die Etablierten gehören zum gebildeten, gutsituierten und selbstbewussten Establishment. Der Altersschwerpunkt liegt bei 40-60 Jahren, wobei aber auch schon jüngere Altersgruppen (ab 30 Jahre) dazu gehören. Häufig sind es Drei- und Mehr-Personenhaushalte, die über ein sehr hohes Einkommen verfügen. Sie verfolgen klare Karrierestrategien und sind sich sicher, ihre gesetzten Ziele zu erreichen. Kunst, Kultur und Reisen gehören ebenso zum Lebensgenuss, wie der ausgeprägte Sinn für Luxus. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 178 Postmaterielle Die Postmateriellen gehören zum aufgeklärten Nach-68-Milieu. Meist sind es größere Haushalte mit Kindern mit einem breiten Altersspektrum (ab 20 Jahre bis zu den „Jungen Alten“). Beruflicher Erfolg steht an zweiter Stelle. Ihr höchster Wert ist die Lebensqualität und die Entfaltung der individuellen Bedürfnisse. Sie schätzen die immateriellen Werte und definieren sich über Intellekt und Kreativität. Ihr Lebensstil ist umwelt- und gesundheitsbewusst. Moderne Performer Die Moderne Performer bilden die junge, unkonventionelle Elite. Der Altersschwerpunkt liegt bei unter 30 Jahren. Viele von ihnen sind Schüler oder Studenten, teilweise schon mit Jobs. Sie genießen ihr sehr intensives Leben und gehen gerne an ihre beruflichen und sportlichen Leistungsgrenzen. Neben dem materiellen Erfolg, zeigen sie großes Interesse an Multimedia und Outdoor-Aktivitäten (Kino, Kneipe, Kunst). 4 Aachener Wohnungsmarkt Der Aufbau der Aachener Innenstadt mit seiner radialen Form um den Dom bietet eigentlich eine sehr gute Grundvoraussetzung für gehobene Wohnatmosphäre. Im Kernbereich gibt es sehr gute Grundstücke die Urbanes Wohnen mit kurzen Wegen zulassen. Der mittelalterliche Charakter und das auf und ab gehende Terrain bieten ein interessantes und abwechslungsreiches Umfeld. In der weiteren Umgebung liegen viele weitere Dörfer mit eigenem Flair und Charme. Hier hebt sich der südlich, kurz vor Aachen liegende Ort Ronheide, mit seinem hohem Villen Anteil hervor. Doch im finanziell höheren Bereich des Stadtkerns wird die Nachfrage der Einwohner geringer. Im Stadtraum Aachen leben 259.000 Menschen (Stand: 31.12.04). Davon liegt der Anteil der Studenten mit knapp 38.000 am höchsten. Da diese Gruppe naturgemäß meistens nicht über ein eigenes, größeres Einkommen verfügt, ist hier der Anteil, der für höherklassiges Wohnen in Frage kommt, gering. Hinzu kommt die begrenzte Aufenthaltsdauer (ca. 5 Jahre) und der danach meist verbundene Wegzug zum Arbeitsplatz, der meistens nicht in Aachen liegt. Der größte Arbeitgeber ist die RWTH (ca. 10.0000 Arbeitsplätze), gefolgt von der Stadtverwaltung Aachen (ca. 3250) und der AMB Generali Gruppe und der Sparkasse Aachen (ca. 2360). Insgesamt gibt es rund 107.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Aachen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 179 Wir versuchen nun die Sinus-Milieu Studie auf die Aachener Arbeitnehmer anzuwenden, um einen ungefähren Wert im Bereich der oberen Mittelschicht zu erhalten. So würde die Gruppe der Konservativen, die laut Studie mit 5% vertreten sind, auf rund 5.350 potenzielle Kunden kommen. Die Gruppen der Etablierten und Postmateriellen, die jeweils mit ca. 10% in der gesamt Bevölkerung vertreten sind, würden jeweils auf 10.000 Interessenten kommen. Der Anteil der Modern Performer, die im Bundesdurchschnitt mit 9% vertreten sind, müsste wohl in Aachen, durch den hohen Studentenanteil, über 10.000 liegen. Da sich die SinusMilieu Studie auf ganz Deutschland bezieht, sind die genannten Zahlen, von uns errechnete, nicht belegte Zahlen. Des Weiteren liegt keine Studie vor (auch nicht im Immobilien Bericht der Stadt Aachen), die eine Aussage über die Wohnsituation, in Qualität und Größe, der oberen Mittelschicht trifft. In Interviews mit lokalen Maklern wurden uns Zahlen genannt, die durch Angebote im Internet eine gewisse Marktübersicht bieten. So wurde uns berichtet, dass eine Suchanfrage für eine Mietwohnung im Innenstadtbereich ab 800 in einem Zeitraum von zwei Monaten 16000mal getätigt wurde. Der Anteil an doppelten Aufrufen und nicht ernsthaften Anfragen ist uns nicht bekannt. Den tatsächlichen Aufruf eines Angebotes, ein Penthouse in der Nähe des Busbahnhofes, tätigten nur noch ca. 1% (160). Den Kontakt mit dem Makler suchten dann letztendlich nur noch 5 Interessenten. Ein anderer Makler berichtete uns von seiner Erfahrung mit Maisonett-Wohnungen, die Ideal für Junge Paare geeignet wären. Er würde pro Jahr ca. 25 Wohnungen vermieten, die sich durch gewisse Extras wie Dachterrassen und besonderer zentraler Lage hervorheben. Die Nachfrage nach solchen Angebote sei in den letzten Jahren zunehmend gestiegen. Als ausdrücklich exklusiveres Wohnobjekt wurde vor allen das Wohnprojekt Barbarossapark gepriesen. Mit Verweis auf die hervorragende zentrale Lage (nähe Marktplatz, Pontstraße), der qualitativ hochwertigen Materialen und der ausgewählten Nachbarschaft, wurde hier versucht ein „innovatives“ Angebot zu schaffen. In unserer Suche nach Life-Style-Wohnungen stießen wir meist auf ähnliche Angebote. Ab einer Preisklasse von 800 /Monat wird ein gewisses Extra geboten. Die Lage war meistens der dominierende Faktor, vor der Architektur des Hauses und Ausstattung. Im Angebot vieler Makler befanden sich oft auch restaurierte Altbauten, die auch im preislich höheren Bereich Kunden suchten. Insgesamt schätzten die Aachener Makler den Anteil der Mietwohnungen der gehobeneren Klasse auf ca. 5% des Gesamtangebotes. Die Erklärung darin fanden die Makler an dem, wie oben beschrieben, geringen Anteil an besser bezahlten Berufen in großen Unternehmen und der allgemein angespannten finanziellen Situation in Deutschland. Allerdings wäre eine höhere Fluktuation zu beobachten, also ein anpassen der Wohnform auf die aktuelle persönliche finanzielle Lage. In unserer Recherche trafen wir im Kerngebiet Aachens hauptsächlich auf Mietwohnungen. Es herrsche wohl eine Nachfrage nach Eigentumswohnungen, doch könnte die Angebotsseite diese durch zu hohe Preise nicht befriedigen. Weitere Umbaukosten für die persönliche Gestaltung würden viele Eigenheimwillige weiter verschrecken und würden somit weiter in Mietabhängigkeit bleiben. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 180 5 Innovationen Innovationen sind auf dem Aachener Wohnungsmarkt derzeit keine vorhanden oder geplant. Aus diesem Grund werden hier zwei Projekte aus Köln und Malmö vorgestellt, die als gute Beispiele vorangehen. Köln – Wohnwer[f]t Die Wohnwer[f]t wurde von den Architekten Oxen + Römer im Kölner Rheinauhafen, dem neuen attraktiven Viertel im Herzen der Domstadt, geplant und umgesetzt. Die Wohnwer[f]t umfasst rund 100 Eigentumswohnungen in einem in fünf Trakte gegliederten sechsgeschossigen Bau. Der Komplex präsentiert sich der Wasser zugewandten Seite als Ensemble aus vor- und zurückspringenden Baukörpern. Neben den Wohnungen in den oberen Geschossen, sind im Erdgeschoss diverse exklusive Geschäfte geplant. Das Architekturbüro Oxen + Römer zeichnet sich durch sein kosten- und flächensparendes Bauen im Wohnungs- und Gewerbebau aus. Das o.g. Beispiel zeigt deutlich das gute Architektur nicht teuer sein muss. Ein konzeptioneller Entwurf und ein ansprechender Standort können in ein annehmbares Preis-/Leistungsverhältnis gebracht werden. Malmö – „Drehender Torso“ Der „Drehende Torso“ wurde von dem spanischen Star-Architekten Santiago Calatrava entworfen. Der 200 Meter hohe Wolkenkratzer dominiert zeit kurzer Zeit das Bild von Malmö, der drittgrößten Stadt Schwedens. Er umfasst 147 Wohnungen, die auf 51 Stockwerke verteilt sind. Zum Baubeginn 2001 von der Öffentlichkeit als Spinnerei, Schandfleck an der sehr flach bebauten Küste und finanzieller Wahnsinn abgelehnt, ist er inzwischen eine architektonische Perle geworden. Jedoch mussten die Eigentümer einige konzeptionelle Veränderungen vornehmen. Die zunächst als Eigentumswohnungen angebotenen Appartements erwiesen sich bei einem Quadratmeterpreis von 5.700 Euro als unverkäuflich. Schließlich musste der Eigentümer auf das Mietmodell umsteigen. Die höheren Mieten ziehen zwar nur gut betuchte Singles oder Paare ohne Kinder in den Turm, allerdings gibt die Warteliste auf ein freies Apartment dem Eigentümer Recht. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 181 Ein kleiner Makel aber bleibt. In Malmö herrscht weiterhin Wohnungsmangel für die „Bürgerliche Mitte“ (s. Sinus-Milieu-Studie). Dies liegt vor allem daran, dass die Baukosten für den „Drehenden Torso“ um fast das doppelte explodiert sind. 6 Fazit Unsere Untersuchungen des Aachener Wohnungsmarktes im Bereich des so genannten LifeStyle-Wohnen fielen ernüchternd aus. Der fehlende Mut zu innovativen Projekten lahmt die Entwicklung des Wohnungsmarktes. Individuelle Nachfragegruppen werden von der Angebotsseite kaum ausgemacht. Dem größten Anteil der Makler war die Sinus-Mileu-Studie gänzlich unbekannt. Sie ordneten die Nachfrage meistens in „handelsüblicheren“ Kategorien ein, wie z.B. kinderloses Anwaltspaar, junges Paar mit Anspruch oder „Neu-Reiche“. Über allem stand immer der Druck den besten Gewinn zu erzielen. Viele Makler berichteten auch, dass die Schere zwischen billig und teuer in den letzten Jahren immer weiter auseinander ginge. Eine Zwischenzone sei immer weniger auszumachen. Differenziertere Wünsche zwischen dem perfekten Neubau des Eigenheims und der 08/15 Mietwohnung werden kaum bedient. Sicherlich sind die wirtschaftlich schlechten Rahmenbedingungen für Investitionen ein großes Hindernis. Besitzer von Mietshäusern sind nur bereit ihre Häuser zu sanieren, um einen Wertverlust vorzubeugen. Trends wie ökologisches Bauen, Seniorenwohngemeinschaften, Wohnungen mit flexiblen Grundrissen werden bisher nicht aufgegriffen. Somit präsentierte sich der Aachener Wohnungsmarkt sehr konservativ. Konfrontiert mit diesen neuen Wohnformen wurden wir von den Maklern immer auf die geringe Nachfrage der großen Masse und den zu hohen Kosten für einen Umbau hingewiesen. Wie ist es nun also zu erklären, dass die finanzstärkere Oberschicht nicht diese neuen Wohnformen fordert? Gerade hier müsste der Wohnungsmarkt eigentlich einen Schritt voraus seien und so eine Vorreiterrolle einnehmen. Wie bei allen anderen Produkten, wie z.B. Autos, waren es erst teure Innovationen, die dann Jahre später zum Standart wurden. Müsste dann nicht auch auf dem Wohnungsmarkt die Regel gelten, wer nicht mit der Zeit geht, wird in der Zukunft auf dem Markt als Verlierer dastehen? Die Strategien der Mietshausbesitzer sind langfristig. Mit einer geschätzten Bestandzeit eines Hauses von über 30 Jahren ist nachzuvollziehen, dass womöglich kurzfristige Trends kritisch betrachtet werden. Mietwohnungen müssen auch zukünftigen Nutzern gefallen und deren Ansprüchen gerecht werden. Gute Architektur kann das leisten und innovative Projekte haben das bewiesen. Einige Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen, dass sich der Wohnungsmarkt wandeln muss. Die Sinus-Mileu Studie zeigt die unterschiedlichen Eigenschaften und Vorlieben der Bevölkerung. Die Gruppe der Modern Performer, die 9% der Einwohner ausmacht, hat heute noch einen Altersschwerpunkt von unter 30 Jahren. Sie wird in den nächsten Jahren wachsen und einen großen Anteil an der Arbeitenden und damit finanzstarken Bevölkerung ausmachen. Dies beweist die steigende Zahl der Nachfragen nach Wohnungen „mit dem gewissen Extra“. Hier sind Wachstumsraten zu erwarten. Auch die hohe Zahl der Internet-User, die nach einer Wohnung suchen, zeigt, dass der Wunsch nach der geeigneten neuen Wohnung vorhanden ist. Wie viele Menschen mit ihrer eigenen Wohnung unzufrieden sind, und bei dem entsprechenden Angebot umziehen würden, ist schwer zu sagen. Allerdings zeigen uns diese Zahlen, dass das Angebot nicht der Nachfrage gerecht wird. Innovative Projekte, die den Lebensstil der heutigen und zukünftigen Zeit gerecht werden, können auch in Aachen funktionieren. Die großen Metropolen Deutschlands machen es vor und es ist, nach unserer Einschätzung, auch in kleineren Städten möglich. Innovative Projekte entsprechen den Wünschen der modernen Stadtgesellschaft. Durch sie gewinnen die Städte an Lebensqualität und sichern den Verbleib der Bürger in der Stadt. Let´s live stylisch! Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 182 7 Quellenangabe Immobilienmakler Reitz & Tümmler Immobilien Home Company Aachen Lifestyle City Makler M. Reinhardt Ernst Stier Hermsen Immobilen Immobilenkontor Aachen City Immobilien Aachen GmbH Emhofen von Immobilien RDM Sparkassen Immobilien Internet Allgemeine Recherche www.immobilienscout24.de www.Oxen + Römer.de www.sinus-milieus.de Zeitung NRZ Aachener Nachrichten Aachener Zeitung Rheinische Post Annonce Allgemein Immobilien Bericht der Stadt Aachen 2004 Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 183 Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? Carolin Schmitz-Remberg, Sebastian Lieser Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 184 Inhalt Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? 1 Einleitung 2 Demographische Entwicklung 3 Mietsituation für Familien 4 Experten berichten 5 Familien berichten 6 Fazit 7 Quellenangaben und Bildverzeichnis 8 Anhang Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 185 1 Einleitung Thema dieser Seminararbeit ist die Situation von Familien auf dem Wohnungsmarkt. Dabei soll besonderes Augenmerk gelegt werden auf die Lage bei Mietwohnungen. Die zentrale Fragestellung lautet denn auch wie folgt: Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? Um eine Antwort auf diese Frage unter statistischen Gesichtspunkten zu finden, wird erst einmal als Einstieg ins Thema die heutige Lage von Familien in Deutschland betrachtet. Der demographische n Entwicklung gilt dabei das Hauptaugenmerk vom nationalen Maßstab bis hin zum kommunalen Blickwinkel mit Aachen als Beispiel. Danach wird anhand von Statistiken untersucht und aufgezeigt, wie die momentane Wohnsituation von Familien aussieht. Hierfür werden statistische Ergebnisse zu Mietwohnungsbestand und der Entwicklung der Miete dargestellt. Den Abschluß bildet wiederum beispielhaft Aachen mit einer Analyse, wo denn eigentlich Familien hier wohnen. Nach dieser theoretischen Betrachtung sind bereits einige Ergebnisse und Tendenzen erkennbar. Diese sollen nun in einem praxisorientierten Teil auf ihre Richtigkeit untersucht werden. Zu diesem Zweck suchten wir das Gespräch mit „Experten“ zum Thema Familien und Mietwohnung. Mitarbeiter der Stadtverwaltung Aachen, insbesondere Beschäftigte des Fachbereichs Wohnen standen uns hierbei Rede und Antwort. Ein Fragenkatalog wurde entwickelt, um unter anderem auf durch den theoretischen Teil aufgekommen Fragen einzugehen. Wichtig waren uns neben all diesen theoretischen Abhandlungen und Äußerungen Dritter über das Thema Familie aber vor allem die Meinung von Familien selber. Schließlich können diese ihre eigene Situation und Meinung, Chancen und Probleme am besten selbst darstellen. Deshalb erarbeiteten wir einen weiteren Fragenbogen, in dem wir gezielt Familien zu ihrer Meinung zum Thema Mietwohnung befragten. Dabei gingen wir besonders auf die in der vorangehenden Untersuchung bereits aufgekommen ersten Ergebnisse und Tendenzen ein, und konnten so überprüfen, ob unsere theoretische Antworten auch wirklich so von Familien selber bestätigt werden können. 2 Demografische Entwicklung In Deutschland, ebenso wie auch in den meisten europäischen Nachbarstaaten, wächst die Bevölkerung nicht mehr. Prognosen gehen sogar von einer stark schrumpfenden Bevölkerungszahl in den nächsten Jahrzehnten aus. Situation in Deutschland Wichtigster Hauptgrund für die negative demografische Entwicklung ist der Rückgang von Geburten. Erblickten nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer mehr Kinder das Licht der Welt, so sank die Anzahl der Babys in den 1960er Jahren drastisch ab. Diese Entwicklung wird auch als „Pillenknick“ bezeichnet. Die Entdeckung der Antibabypille machte erstmal eine wirksame Verhütung auf einfache Weise möglich. Außerdem führten zahlreiche andere Faktoren - unter anderem längere Ausbildungszeiten, verstärkte Berufstätigkeit der Frau oder die wegfallende Bedeutung einer hohen Kinderzahl als Altersvorsorge - insgesamt zu einer stetig abnehmenden Anzahl von Neugeborenen. Mittlerweile sind die ersten geburtenschwachen Jahrgänge selbst Familiengründer geworden, das heißt das Absenken der Geburtenrate verstärkt sich noch schneller. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 186 Nur zur Beibehaltung der heutigen Bevölkerungszahl wäre es notwendig, daß jede Frau statistisch 2,1 Kinder gebärt. Diese Zahl liegt allerdings heute in Deutschland bei 1,4; damit ist Deutschland auch bei der demografischen Entwicklung eines der Schlußlichter in Europa. Der Sterbeüberschuß, das heißt der Saldo aus Sterbefällen und Geburten, wird aber momentan noch durch den stetigen Zuzug von Ausländern gebremst oder sogar noch umgekehrt. Ohne die Einwanderung allerdings hätte Deutschland schon heute wesentlich weniger Einwohner als noch vor einigen Jahren. Wichtiger Aspekt der regionalen demografischen Entwicklung ist neben der lokalen Geburtenrate auch der Binnenwanderungssaldo der Familien, d.h. die Anzahl der Familien mit Kindern (oder der Paare im gebärfähigen Alter), die aus einer Stadt weg- oder in eine bestimmte Region zuziehen. Zusammen betrachtet ergibt sich dabei das in Abbildung 2 dargestellte Bild. Je dunkler in der Farbe hierbei die Felder sind, desto besser ist die Situation (also stärkerer Bevölkerungszuwachs bzw. bei Abbildung 3 bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf). Der Osten Deutschland ist dabei als historischer Sonderfall mit besonderen Gegebenheiten zu sehen und kann deshalb nicht als typisch für die Entwicklung betrachtet werden. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 187 Im Westen zeigt sich dagegen ein symptomatisches Bild: In den Städten und Ballungsräumen ist die demografische Entwicklung klar negativ, der Geburtenrückgang wird durch den Wegzug von Familien noch verstärkt. Davon profitieren besonders die ländlichen Regionen. Dort kann momentan noch die sinkende Geburtenzahl durch große Wanderungsgewinne kompensiert werden. Familien scheint es also, gemäß dem gängigen Klischee des Eigenheims im Grünen als Vollendung des Familienidylls, aufs Land zu ziehen, sie kehren den Städten den Rücken. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man Abbildung 3 betrachtet. Sie zeigt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ausschlaggebende Merkmale bei der Untersuchung waren hierbei die vorhandene Anzahl von Krippenplätzen, Möglichkeiten zur Ganztagsbetreuung von Kindern sowie Teilzeitquote Berufstätiger und Zahl beschäftigte Frauen. Vereinbarkeit von Familien und Beruf gilt der Politik als zentraler Aspekt bei ihrem Bestreben, die Geburtenrate und damit die Zahl der Kinder wieder steigen zu lassen. Ganz klar ist hier zu erkennen, daß die Situation für Familien in der Regel bis auf Ausnahmen wie den Großraum München oder die Region Hamburg, die sich durch durchgehend gute Perspektiven für Familien auszeichnen, in den Städten eigentlich besser zu sein scheint. Betreuungsangebote, schulische, kulturelle, sportliche oder auch verkehrliche Infrastruktur sind wesentlich ausgeprägter als auf dem Land. Trotzdem zieht es Familien eben genau dorthin. Situation in Aachen Auch in Aachen stellt sich die Entwicklung ähnlich dem deutschlandweiten Trend dar. Die Geburtenzahlen sind auch hier stark rückläufig, zwischen 1991 und 2004 ging die Anzahl geborener Kinder um knapp zwanzig Prozent zurück. Bei den Binnenwanderungen ist die Lage in Aachen noch drastischer als generell in Deutschland. Aachen verliert knapp 13% der Familienwanderer, ein Großteil davon läßt sich in der Region rundherum nieder. Auch hier läßt sich ein Trend weg von der Mietwohnung in der Stadt hin zum Eigenheim auf der grünen Wiese vermuten. Als Besonderheit in Aachen ist natürlich der Aspekt des Universitätsstandortes zu berücksichtigen. So nimmt die Bevölkerung im Alter von ungefähr zwanzig Jahren sprunghaft zu, wie in der Bevölkerungspyramide Aachen (siehe Abbildung 6) deutlich zu sehen. Dies sind die nach Aachen ziehenden Studienanfänger. Nach Abschluß ihrer Ausbildung verläßt ein Großteil der Neuzugezogenen die Stadt allerdings wieder, oft wegen eines Jobangebotes an anderen Orten. Diese Tatsache erklärt zumindest teilweise den überdurchschnittlichen Binnenwanderungsverlust der Familiengründer, also der Menschen um die dreißig. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 188 Prognose NRW Der in den heutigen Zeiten bereits in Aachen und Deutschland beobachtete Trend von Geburtenrückgang sowie Abwanderung von Familien wird sich auch für die nahe Zukunft aller Voraussicht nach fortsetzen. In Nordrhein-Westfalen wird damit gerechnet, daß Ballungsräume wie das Ruhgebiet oder auch Städte wie Aachen weiter an Bevölkerungsrückgang leiden werden (siehe Abbildung 7). Davon profitieren werden erst einmal die umliegenden Regionen, die in der Regel sogar noch von einer leichten Zunahme der Bevölkerung ausgehen können. 3 Mietsituation von Familien Die negative demographische Entwicklung sowie der vermehrte Wegzug von Familien aufs Land beeinflussen natürlich auch den städtischen Mietwohnungsmarkt stark. Im folgenden Abschnitt soll die Situation der Familie auf dem Wohnungsmarkt kurz beleuchtet werden Wohnungsbestand Der Großteil des heute verfügbaren Wohnraumes hat seinen Ursprung in der Nachkriegszeit. Bedingt durch die schweren Zerstörungen deutscher Städte und die große Zahl von Flüchtlingen war Wohnraum nach dem Krieg äußerst knapp, deshalb wurden noch bis weit in die nachfolgenden Jahrzehnte massiv im Wohnungsbau Projekte verwirklicht. Ein kleinerer Anteil des Wohnraumes wird durch Altbauten abgedeckt. Der Rest besteht aus jüngeren Einheiten. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 189 Mietbelastung Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die finanzielle Belastung durch die Mietkosten kontinuierlich gestiegen (siehe Abbildung 9). Wendete 1960 noch rund die Hälfte aller Mieter höchstens zehn Prozent seines Haushaltsnettoeinkommens zum Bezahlen der Wohnung auf, so sind es heute gerade einmal zweieinhalb Prozent, die damit auskommen. Der Großteil muß bis zu vierzig Prozent seines Geldes für die Miete bezahlen; die Zahl derjenigen, die sogar die Hälfte oder mehr abgeben, nimmt stetig zu. Anders formuliert: Von 1978 bis 1998 stieg die durchschnittliche Mietbelastung der Deutschen von rund achtzehn Prozent auf knapp ein Viertel. Besonders betroffen durch diesen Anstieg der Mietkosten sind Familien. Aufgrund der höheren Personenanzahl benötigen sie natürlich auch größere Wohnung als Alleinwohnende und müssen deshalb sowieso schon höhere Mieten zahlen. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb Familien die Städte verlassen und sich in der oft preiswerteren ländlichen Umgebung niederlassen. Betrachtet man die Situation auf dem Wohnungssektor in Bezug auf Eigentums- und Mietverhältnisse differenzierter, erhält man ein klares Bild (Abbildung 10). Haushaltsgröße, Alter und Einkommen sind wichtige Faktoren für Wohnen im Eigentum. Wie zuvor kurz angesprochen wird die Miete wegen der steigenden Wohnungsgröße für Familien wesentlich teurer. Sie versuchen daher, durch Eigentumsbildung die Mietkosten zu sparen. Größere Haushalte sind also häufiger Eigentümer. Zunehmendes Alter der Bezugspersonen geht in der Regel auch einher mit steigendem Einkommen, weshalb diese beiden Aspekte zusammen betrachtet werden können. Beide sind Hinweise auf eine höhere Eigentumsquote. Kurz gesagt läßt sich festhalten: Wer die finaziellen Möglichkeiten hat, vermeidet Mietverhältnisse. Für große Familien wird Mietwohnung teuer. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 190 Verteilung Familien in Aachen Abbildung 10 zeigt die Anteile der Familien mit Kindern an den Gesamthaushalten aufgesplittet in Bezirke. Deutlich ist hier zu sehen, daß die gesamte Innenstadt innerhalb des äußeren Ringes eine äußerst geringe Kinderdichte aufweist. Erst mit zunehmender Entfernung vom Kern nimmt auch die Zahl der Kinder zu. Ländlich geprägte Teile wie Richterich oder Wahlheim weisen hierbei mit einem Prozentsatz von fast 75% den größten Kinderreichtum auf. Klar erkennbar ist hierbei auch der schon im vorigen aufgezeigte Trend der Stadtflucht von Familien mit Kindern. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 191 4 Experten berichten Mietwohnungsbestand und Anforderungen Die im vorangehenden Teil gewonnenen Erkenntnisse scheinen eines klar zu zeigen: Familien zieht es aus der Stadt weg ins Umland. Das Leben in Mietwohnungen im urbanen Gefüge scheint für einen Großteil von Familien heutzutage nicht mehr wünschenswert oder bezahlbar zu sein. Das Eigenheim im Grünen, gängiges Klischee vom Familienidyll, ist augenscheinlich immer noch Ziel der meisten Familien. Natürlich drängt sich bei der Betrachtung dieser Tatsachen die Frage auf, warum das so ist. Zentraler Punkt hierbei scheint dabei die Untersuchung zu sein, ob und inwiefern Mietwohnungen den Bedürfnissen von Familien eben nicht entgegenkommen. Anhand von Fallbeispielen soll dies nun noch näher untersucht werden. Die Fragestellung hierbei lautet: Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? Fachbereich Wohnen bei der Stadtverwaltung Aachen Als Expertenmeinung zum Thema Wohnen und Familie befragten wir Mitarbeiter des Fachbereichs Wohnen zur generellen Situation und besonders der Lage in Aachen. Frau Bongard vom Aachener Bündnis für Familien und Frau Conraads, die sich mit dem Wohnungsmarkt und speziell den geförderten Wohnungen beschäftigt, standen uns freundlicherweise Rede und Antwort. Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß Familien - ebenso wie Wohnungssuchende generell Anforderungen an ihre Wohnung haben, die sich in drei Kategorien einteilen lassen: Die Wohnung an sich, das direkte Umfeld und schließlich der Standort. Frau Bongard und Frau Conraads beschäftigen sich hauptsächlich mit dem gefördeten Wohnungsmakrt und haben deshalb natürlich auch mit einer besonderen Situation und Klientel zu tun. Sie schilderten uns, was ihrer Erfahrung nach wichtiige Kriterien sind bei der Wohnungsfindung für die von ihnen betreuten Menschen. Mietwohnung Bei der Wohnung selbst sind wichtigste Punkte zum einen der Mietpreis und zum anderen die Wohnungsgröße. Ebenso wird nach der Mieterstruktur gefragt. Familien bevorzugen in der Regel Erdgeschoßwohnungen. Bei geförderten Wohnungen sind aufgrund der staatlichen Lenkung und Verteilung solche Wünsche allerdings nur bedingt realisierbar. Direkte Umgebung Viele sozial Schwächere besitzen kein Auto. Deshalb ist die räumliche Nähe zum Arbeitsplatz für sie wichtig. Ebenso sollen Einkaufsmöglichkeiten oder Schulen und Kindergarten gut zu erreichen sein. Die Nachbarschaft zu Familie oder Betreuung ist weiterhin wichtiges Kriterium bei der Wohnungswahl. Lage/Standort Das Wohnumfeld schließlich soll auch stimmen. Menschen suchen in der Regel wenn möglich eine für sie sozial passende Umgebung. Generell stellten die Mitarbeiter des Fachbereichs Wohnens fest, daß „der Mietwohnungsbestand den Anforderungen kleiner Familien entspricht.“ Familien mit Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 192 mehreren Kindern benötigen in der Regel auch geräumigere Wohnungen. Diese sind allerdings auf dem Mietwohnungsmarkt nicht ausreichend verfügbar: „Für größere Familien wird es schwierig etwas passendes zu finden. Hier gibt es leider viel mehr Nachfrager als freie Angebote.“ Schwierig ist die Situation für sogenannten Randgruppen: Ausländer oder sozial Schwache haben oft Probleme, eine Wohnung zu finden, da „viele Hausbesitzer sich gegen den Einzug von Ausländern und Empfängern von Sozialhilfe wehren.“ Kinderreiche Familien in diesen Gesellschaftsschichten haben es da natürlich umso schwerer, Fuß zu fassen. 5 Familien berichten Ausgehend von unseren theoretischen und statistischen Erkenntnissen entwickelten wir einen Fragebogen (siehe Anhang), mit dem wir praxisorientiert direkt von Familien ihre Meinung zum Thema ‚Familien_Miet_Wohnung‘ erfragen wollten, um unsere Thesen zu überprüfen. 1. Fallbeispiel Familie A Nachfragekriterien und Anforderungen Die von uns zu diesem Thema befragte Familie A wohnt in der Welkenrather Straße in Aachen West. Sie lebt in einer Vierzimmer-Wohnung, die 112m² umfaßt. Die Familie besteht aus dem 37jährigen Vater sowie seiner 36 Jahre alten Frau und ihren drei gemeinsamen Kindern im Alter von elf, sieben und zwei Jahren. Sie werden allerdings bald ihre jetzige Wohnung verlassen: „ Ein Garten ist besonders ein Traum unserer Kinder – aber in Innenstadtlage kaum zu bezahlen. Deshalb bauen wir gerade in Belgien unser kleines Häuschen. Natürlich ist die Infrastruktur schlechter, aber Natur ist uns für das Aufwachsen unserer Kinder wichtiger.“ Mietwohnung Familie A setzt sehr viel Wert auf ein gepflegtes Haus und spricht dabei wahrscheinlich für einen Großteil der Wohnungssuchenden. Als wichtiger Kommunikationsort ist für sie eine große und freundliche Küche von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig muß die Wohnung geräumig genug sein, um jedem Familienmitglied Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Wie schon angedeutet ist ein nutzbarer Außenraum wichtig, die Kinder wünschen sich einen großen Garten zum Spielen. Gleichzeitig kann Familie A nicht jede Miete zahlen, sondern ist auf einen günstigen Mietpreis angewiesen. Ein kinderfreundliches Umfeld im Haus, der direkte Kontakt zu anderen Familien sowie offene Nachbarn machen für Familie A wichtige Qualitäten des Wohnens aus. Direkte Umgebung Familie A begreift ihre Wohnung und deren Umgebung als Zufluchtsort, als Ruhepol in einem lauten und stressigen Alltag. Ruhe und Stressfreiheit nennt die Mutter deshalb ebenso als wichtige Gründe wie auch Grünflächen in schnell erreichbarer Nähe. Eine gute Anbindung Arbeitsplazes ist für den Vater gleichzeitig auch von hoher Bedeutung. Familie A ist sehr engagiert in der Gemeinde, sie will deshalb auch in deren Nähe wohnen, um auf Angebote wie Kinderhort oder Jugendgruppen zurückgreifen zu können. Die Nähe zu ihrer Schwester war der Mutter auch sehr wichtig, man hilft sich gegenseitig. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 193 Lage/Standort Die schon angesprochenen Forderungen setzen sich auch im gewünschten Standort, also hier dem Stadtteil, fort: Nähe zu ländlichen Gebieten spiegelt den Wunsch nach Natur wider. Verfügbare soziale Einrichtungen, Schule und Kindertagesstätte spielen ebenso eine wichtige Rolle wie Kinderspielplätze und Freiflächen oder die günstige Verkehrsanbindung. Resumee Familie A sieht ihre Anforderungen an Wohnqualität generell erfüllt - bis auf zwei Ausnahmen, die dann aber den Ausschlag gegeben haben, umzuziehen: Der Garten sowie der Mietpreis. Größtes Manko bei ihrer jetzigen Situation ist der fehlende Garten. Gerade die Kinder brauchen nutzbaren Außenraum, wo sie gefahrlos spielen und sich austoben können. Dies ist allerdings in guter Innenstadtlage für Familie A nicht zu finanzieren. Deshalb haben sie sich entschlossen, Nachteile wie schlechtere Verkehrsanbindung oder Infrastruktur in Kauf zu nehmen und ihren lang gehegten Traum eines Gartens zu verwirklichen. Sie bauen in ländlicher Umgebung ein Haus im Grünen. Dies entspricht - ihrer Meinung nach - besser den Anforderungen, die eine Familie im Alltag an ihre Unterkunft hat. Der Vater moniert die generelle Situation in Aachen: „Wir haben zum Glück den Westpark in der Nähe, aber ansonsten gibt es in Aachen eigentlich nicht genug Freiraum für spielende Kinder.“ Ihrer Meinung nach könnte die Stadt an Kinderfreundlichkeit noch zulegen. Die Wohnungssuche war ihrer Auskunft nach sehr mühsam, das Angebot ist anscheinend nicht ausreichend. „Es müsste mehr große, nicht so teure Mietwohnungen geben“, erklärt die Familienmutter im Gespräch. Oft sind Wohnungen nicht auf die Bedürfnisse vielköpfiger Familien zugeschnitten, stimmen Grundrisse nicht mit den Wünschen der Bewohner überein. „Unsere Küche ist zwar sehr groß, dafür die Zimmer der Kinder leider viel zu klein“, wird diese Vermutung bestätigt. Oft erschweren Kleinigkeiten den Alltag der Familien. „In unserem Haus gibt es keinen Platz für Kinderwagen oder Kinderfahrräder“, erzählt die Mutter. Schon durch kleine bauliche Änderungen oder kindergerechtere Planung bei Neubauten ließe sich also für Familien einiges verbessern. 2. Fallbeispiel Familie B Nachfragekriterien und Anforderungen Als zweites Beispiel dient uns eine vierköpfige Familie, die in der Aachener Innenstadt An den Frauenbrüdern wohnt. Der 34jährige Vater und die 30jährige Mutter bewohnen zusammen mit ihren beiden Kindern im Alter von sieben und einem Jahr eine Vierzimmer-Wohnung. Auch für sie ist die jetzige Wohnung keine Dauerstation, sondern dient dem Übergang bis etwas anderes finanzierbar ist: „Nach der Promotion geht´s ein wenig raus aus der Stadt und ein Garten muss her. Dann ist finanziell mehr drin …“ Mietwohnung Wie auch schon Familie A legt Familie B großen Wert auf eine großzügige, helle und freundliche Wohnung. Wichtig ist ihr hierbei auch besonders für die Kinder ein Außenraum, sei es als Balkon oder optimlaerweise als Terrasse mit Garten. Ein angebrachter Mietpreis ist aber auch ein wichtiges Kriterium. Viele Familien scheinen auf ein angenehmes, kinderfreundliches Klima im Haus Wert zu legen. So ist eine gute Hausgemeinschaft für diese Familie ebenso ein Ziel wie der direkt Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 194 Kontakt zu anderen Familien. So können gemeinsame Aktionen oder Unternehmungen geplant werden. Direkte Umgebung Um den Kindern ungefährliches Leben zu ermöglichen, meidet die Familie die Nähe von Hauptverkehrsstraßen mit starkem Verkehrsaufkommen. Vielmehr sollen Grünflächen schnell errreichbar sein. Nähe zum Arbeitsplatz spielt wiederum eine gewichtige Rolle, ebenso wie gute Infrastruktur und Kinderbetreuung im näheren Umfeld. Lage/Standort Eine zentrale Lage ist Familie B wichtig. Sie will so viel wie möglich auf das Auto verzichten und sucht deshalb auch die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten im, um dort zu Fuß oder mit dem Fahrrad einzukaufen. Soziale Einrichtungen und kulturelle Angebote, Kinderspielplätze und Freiflächen sind den Eltern besonders für die Kinder von Bedeutung. Resumee Wiederum ähnlich wie auch bei der ersten Familie sieht Familie B ihre Wünsche zum großen Teil schon verwirklicht; bis auf zwei wichtige Bereiche, die die Familie in Bezug auf ihre Wohnsituation schon ein wenig ins Grübeln bringen: Zum einen schreckt der oftmals hohe Mietpreis in guten Innenstadtlagen besonders Familien ab, da diese in der Regel mit dem Einkommen schon mehrere Personen ernähren müssen. Deshalb bleibt nicht mehr allzu viel für Miete übrig. „Wohnraum für Familien muss definitiv günstiger werden“, bestätigt uns die Mutter und spricht von einer „sehr angespannte Wohnungssituation im Bereich 4-Zimmer-Wohnungen“, also genau der Größe, die für Familien angemessen ist. Es scheint für Familien überhaupt sehr schwierig zu sein, Wohnungen nach ihren Vorstellungen zu finden. „Man sucht fast zwei Jahre, wie wir, und hat trotzdem nicht seine ‚Traumwohnung‘“, erzählt uns der Familienvater. Kinder sind dabei wohl oft ein Hindernis: Viele Vermieter haben lieber ruhige Rentner in der Wohnung als laute Kinder. „‚Kinder unerwünscht‘ darf es bei der Wohnungssuche nicht geben“, unterstreicht die Mutter deshalb. Zweiter wichtiger Punkt ist auch hier der Außenraum. Die zweite Familie benötigt ihrer Aussage nach noch nicht einmal einen eigenen Garten für die Kinder. Aber sie will zumindest gepflegte Grünflächen und Kinderspielplätze, wo der Nachwuchs gefahrlos spielen kann. „Die nächsten Grünanlagen sind mind. 20 Gehminuten entfernt (mit Kindern noch länger)“. Das ist natürlich für den Alltag viel zu weit und umständlich. Spielflächen direkt nebenan ist nicht nutzbar: „Der Spielplatz um die Ecke ist Drogenumschlagplatz und Sauftreff“, berichtet die Mutter angewidert. Hier sieht sie Handlungsbedarf bei der Stadt. Durch gezielte Verbesserung und Pflege der bereits bestehenden Anlagen könnte auch die Innenstadt für Familien mit Kindern wieder attraktiver werden. Kurz und knapp beschreibt der Vater abschließend aus eigener Erfahrung die momentane Situation in Aachen von Familien: „Aachen ist absolut sehr familienfreundlich, abgesehen vom Wohnungsmarkt.“ Trotz dieser Nachteile und Probleme sind die Eltern begeistert von den Möglichkeiten, die ihnen das Wohnen in der Stadt bietet. Kulturelles Angebot, gute Infrastruktur oder Nähe zum Arbeitsplatz sind wichtige Gründe, die für einen Verbleib in der Innenstadt sprechen. Allerdings liegt das auch daran, daß die Familie finanziell unabhängig ist und sich eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung in guter Lage ohne Probleme leisten kann. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 195 6 Fazit Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? So lautete die generelle zu untersuchende Fragestellung. Nach einer genaueren statistischen Betrachtung und Anhörung von Experten sowie der Auswertung der Aussagen zweier Familien als Fallbeispiele scheint sich folgender Schluß aufzudrängen: Mietwohnungen im Bereich der Innenstadt können nicht allen Anforderungen an Wohnqualität gerecht werden. Dies hat zahlreiche Gründe: 1. Es gibt kein ausreichendes Angebot auf dem Wohnungsmarkt für Familien. Der Bestand ist unzureichend besonders für große Familien mit drei oder mehr Kindern, die geräumigere Wohnungen benötigen. 2. Wohnraum ist für Familien insgesamt zu teuer. Familien habe mehr Personen und benötigen deshalb auch in der Regel größere Wohnung als beispielsweise der alleinlebende Single. Deshalb rentiert sich hier für Familien auf die Dauer eher Wohneigentum. Für kleinere Familien findet sich allerdings ein recht gutes Angebot, zahlreiche Varianten von gutem Bestand sind auf dem Markt. 3. Die direkte Umgebung bietet zuwenig Grün- und Freizeitflächen. Manche Familien haben das starke Bedürfnis nach einem eigenem Garten, was sich natürlich im Mietwohnungsbau in der Innenstadt nur schwer realisieren läßt. Andere, wie bei Familie 2 gesehen, sind schon mit einem attraktiven Angebot öffentlichen Grüns zufrieden. Dies ist allerdings scheinbar oftmals in der Stadt sehr heruntergekommen und ungepflegt oder erst gar nicht vorhanden. Gleichzeitig haben manche Eltern in der Stadt Angst um ihre Kinder. Das hohe Verkehrsaufkommen verstärkt natürlich die Unfallgefahr für den Nachwuchs. 4. Städte mit ihren vielen Menschen wirken anonymer als überschaubare Nachbarschaften in kleinen Dörfern. Dort, wo sich jeder kennt, ist es auch einfacher tiefergehende soziale Kontakte aufzubauen. Besonders für Familien ist zum Beispiel der Aufbau eines Netzwerkes von Kontakten zur gemeinsamen Kinderbetreuung wichtig. Viele sehen dies vielleicht im überschaubaren Dort einfacher umzusetzen 5. Aufgrund all dieser Kriterien aber auch wegen des gängigen Bildes in der Gesellschaft gilt vielen die Mietwohnung nur als „Durchgangsstation“ auf dem Weg zum Eigentum in der urbanen Peripherie. Wer finanziell besser dasteht und die Möglichkeiten hat, bildet wenn möglich Wohneigentum, im Normalfall ist das wohl das Eigenheim im Grünen. Städte wie Aachen haben mittlerweile diesen Trend erkannt und versuchen gegenzusteuern. Durch eine Steigerung der Kinder- und Familienfreundlichkeit oder der Förderung attraktiven Mietwohnungsbaus sollen Familien wieder vermehrt in die Stadt gezogen werden. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 196 7 Quellenangaben Broschüren des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2005 Prognos Familienatlas 2005, Berlin 2005 Statistisches Jahrbuch 2005 Stadt Aachen, Aachen 2006 Jürgen Friedrichs (Hrsg.), Die Städte in den 90er Jahren, Opladen 1997 Heinz Zohren, Jugendamt Stadt Aachen Gerd Salemink, Sozialamt Stadt Aachen Gerd Wagner, Fachbereich Wohnen Stadt Aachen Abbildungen Abbildungen Titelblatt Quelle: www.gettyimages.de, Januar 2006 Abb. 1 Entwicklung Geburtenanzahl der BRD nach dem 2. Weltkrieg Familienatlas 2005 Abb. 2 Demografische Entwicklung Familienatlas 2005 Abb. 3 Vereinbarkeit Familie und Beruf Familienatlas 2005 Abb. 4 Geburtenzahlen Aachen Statistisches Bundesamt Abb. 5 Binnenwanderung Region Aachen Statistisches Bundesamt Abb. 6 Bevölkerungsstruktur Stadt Aachen Statistisches Bundesamt Abb. 7 Prognose Bevölkerungsentwicklung in NRW 2002 bis 2020 Statistisches Landesamt NRW Abb. 8 Wohnungsbestand Statistisches Bundesamt Abb. 9 Hauptmieterhaushalte nach Mietbelastung im Zeitvergleich Statistisches Bundesamt Abb. 10 Mietverhältnisse Statistisches Bundesamt Abb. 11 Anteil Haushalte mit Kindern an Gesamthaushalten in Aachen Stadverwaltung Aachen Abb. 12 Kriterien bei Wohnungssuche eigene Darstellung nach Fragenkatalog Experten Abb. 13 Familie A privates Bildmaterial Abb. 14 Familie A: Kriterien bei Wohnungssuche eigene Darstellung nach Fragebogen A Abb. 15 Familie B privates Bildmaterial Abb. 16 Familie A: Kriterien bei Wohnungssuche eigene Darstellung nach Fragebogen B 8 Anhang Fragebogen Experten Mietwohnungen für Familien – Analyse am Beispiel Aachen Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? Gesprächspartner: Mitarbeiter des Fachbereichs Wohnen der Stadt Aachen: Frau Bongard (Aachener Bündnis für Familien) Frau Conraads (Geförderter Wohnungsmarkt) 1.) Wie gestaltet sich die Nachfrage dieser Zielgruppe? Für kleine Familien ist die Situation ganz gut. Wir haben in etwa gleich viel Nachfrage wie wir auch durch Angebote decken können. Bei größeren Wohnungen haben wir jeden wesentlich mehr Nachfrager. Für vielköpfige Familien ist die Situation momentan zum Teil etwas schwierig. 2.) Welche Anforderungen stellen junge Familien bei ihrer Wohnungssuche? Für viele ist die Nähe von Schule oder Kindertagesstätten sehr wichtig. Dadurch ist der Alltag für die Eltern, besonders wenn beide berufstätig sind, wesentlich einfacher zu organisieren. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 197 Wichtig ist dabei auch die Nähe zu Aufsichtspersonen. Wenn Großeltern oder Verwandte in der Nachbarschaft wohnen, können sie die Eltern entlasten. 3.) Was gibt es für einen Bestand an Mietwohnungen – Wie sieht die aktuelle Situation aus? Unserer Erfahrung nach ist Vieles vorhanden. Es gibt zahlreiche Altbauten, aber auch viele Neubauten. Wie eben schon angesprochen entstehen allerdings auch manchmal Probleme, zum Bespiel große preisgünstige Wohnungen zu finden. 4.) Entspricht der Bestand den Anforderungen an die Wohnqualität? Im Prinzip schon. Manchmal muß man natürlich etwas länger suchen bis man eine Wohnung gefunden hat, die wirklich den eigenen Vorstellungen entspricht. 5.) Wird ein bestimmtes Stadtviertel besonders bevorzugt? Wieso? Viele Familien, die auch eher über ein gehobeneres Bildungs- und Einkommensniveau verfügen, wollen sich gerne im westlichen Teil Aachens niederlassen. Dort herrscht eine angenehme Atmosphäre, es gibt Schulen, Sporthallen und Schwimmbäder. Und ganz wichtig: Der Westpark bietet Spielmöglichkeiten, außerdem ist die Natur direkt nebenan und schnell zu erreichen. Sozialschwache bleiben in der Regel im Ostviertel unter ihresgleichen oder wollen in die Innenstadt. Oftmals haben sie kein Auto und sind deshalb darauf angewiesen, alles fußläufig erreichen zu können beziehungsweise Bus und Bahn zu benutzen. 6.) Wo liegt Handlungsbedarf? Verbesserungsvorschläge? Die Situation für Familien ist auf jeden Fall noch zu verbessern. Das betrifft nicht nur direkt den Wohnungsmarkt mit seinem Angebot für Familien, sondern auch Infrastruktur für Familien: Schulen, Kindergärten, Betreuungsangebote, Spielplätze, Sporthallen etc. Deshalb gibt es in Aachen das „Bündnis für Familien“, das sich eben genau mit diesen Problemen beschäftigt. Im Leitbild 2020 für Aachen nimmt der Aspekt der Familienpolitik einen ganz großen Stellenwert ein. Kinder- und Familienfreundlichkeit heißt eines der Ziele. Aachen soll gerade für Familien attraktiver werden. Durch den Neubau von Mietwohnungen oder auch die Schaffung neuer innovativer Wohnformen sollen junge Familien wieder in die Stadt gezogen werden. Fragebogen Familie A Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? Familien in Aachener Mietwohnungen - Familien auf dem Wohnungsmarkt Adresse: Welkenrather Straße Familiengröße: 5 Alter der Familienmitglieder: 37, 37, 9, 7, 2 Wohnen mit WBS-Schein: ja Wohnungsgröße: 130 m² x nein 1.) Standort, direkte Umgebung, Stadtviertel: a) Was war euch wichtig bei der Wohnungssuche? Nähe zum Grünen, Nähe zu kirchlicher Gemeinde (Kinderhort, Jugendgruppen, Jugendheim,…), Ruhe b) Nach welchen Kriterien habt ihr schließlich die Mietwohnung ausgewählt? z.B. Standort, Kosten, Infrastruktur, Nähe zu Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz, etc. Kosten, allerdings nur in Bezug zum Standort. Wir hätten nicht jede Wohnung genommen. Außerdem wollten wir in die Nähe meiner Schwester ziehen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 198 c) Gab es einen individuellen Grund genau dorthin zu ziehen? Ja, sportliche Aktivitäten sind in der Nähe möglich. Außerdem ist der Arbeitgeber meines Mannes unmittelbar daneben. 2.) Wohnung a) Welche Anforderungen stellt ihr an eure Wohnung? Ruhe (für uns, aber auch für die anderen vor uns), angenehme Atmosphäre (gepflegtes Haus), großer Wohn-/Kochbereich als zentraler Treffpunkt für die Familien b) Sind Qualitäten von Eigenheimen auch in Mietwohnungen zu erreichen? Nein. Für mich (und unsere Kinder) wäre ein Garten sehr wünschenswert. Wir haben uns erkundigt, das ist aber für uns in Innenstadtlage nicht zu bezahlen. Deshalb bauen wir in der Nähe Aachens ein Eigenheim. Natürlich ist die Infrastruktur schlechter, aber Natur ist uns für das Aufwachsen unserer Kinder wichtiger. 3.) soziales Umfeld a) Habt ihr Kontakt zu euren Nachbarn? Ja, wir haben viele Bekannte aus der katholischen Gemeinde. Aus dem Haus treffen wir uns regelmäßig mit einem befreundeten Pärchen. b) Wie würdet ihr eure Umgebung beschreiben. Ist sie kinderfreundlich? Ja, für die Stadtlage sehr. Der Westpark ist direkt nebenan, dort können die Kinder sich austoben. Am Wochenende fahren wir aber lieber aus der Stadt heraus zu meinen Schwiegereltern. c) Wie wichtig war das soziale Umfeld bei der Wohnungswahl? Sehr wichtig. d) Habt ihr euch vor dem Einzug über die Mieterstruktur im Haus informiert? Ja, meine Schwester wohnt im selben Haus, deshalb kannten wir sowohl Haus als auch Bewohner. 4.) Zukunftsvisionen a) Was stellt ihr euch wohnungsmäßig für die Zukunft vor? Eigenheim im Grünen b) Wo seht ihr Handlungsbedarf zum Thema Familien in Mietwohnungen? Es müsste mehr große, nicht zu teure Wohnungen geben. Außerdem mehr Freiflächen draußen aber auch Abstellmöglichkeiten für Kinderwagen/Fahrrad… c) Was könnte allgemein in Aachen für Familien verbessert werden? Mehr Grünflächen, Familienangebot für Freizeitgestaltung (Schwimmen,…) Fragebogen Familie B Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität? Familien in Aachener Mietwohnungen - Familien auf dem Wohnungsmarkt Adresse: Rosstraße Familiengröße: 4 Alter der Familienmitglieder: 29, 28, 7, 1 Wohnen mit WBS-Schein: ja Wohnungsgröße: 75 m² x nein Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 199 1.) Standort, direkte Umgebung, Stadtviertel: a) Was war euch wichtig bei der Wohnungssuche? Nähe zum Kinderhort, Nähe zum Grünen (Westpark) und trotzdem noch Innenstadt, gute Einkaufsmöglichkeiten fußläufig zu erreichen, Kulturangebot vorhanden b) Nach welchen Kriterien habt ihr schließlich die Mietwohnung ausgewählt? z.B. Standort, Kosten, Infrastruktur, Nähe zu Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz, etc. Standort, soziales Umfeld, Kosten eher zweitrangig, sonst wären wir wohl nach außerhalb gezogen c) Gab es einen individuellen Grund genau dorthin zu ziehen? War eher Zufall, genau diese Wohnung zu finden. Aber sie passte. 2.) Wohnung a) Welche Anforderungen stellt ihr an eure Wohnung? Mindestens einen Außenraum (Terrasse, Balkon, am besten zum Spielen für die Kinder ein Garten), Badewanne, Ruhe (nach hinten raus, keine Verkehrsbelastung) b) Sind Qualitäten von Eigenheimen auch in Mietwohnungen zu erreichen? Bedingt ja. Flexibilität ist gewährleistet, trotzdem hat man schönes Heim. Andererseits kann man natürlich in Eigenheimen besser so leben, wie man selber will. 3.) soziales Umfeld a) Habt ihr Kontakt zu euren Nachbarn? Ja. Wir passen gegenseitig auf die Kinder auf, helfen uns wo es geht. Den Älteren im Haus zum Beispiel helfen wir beim Einkaufen, Arztbesuchen, sie kümmern sich um die Kinder, wenn mein Mann und ich beruflich stark eingespannt sind. b) Wie würdet ihr eure Umgebung beschreiben. Ist sie kinderfreundlich? Ja. Wir wohnen im verkehrsberuhigten Bereich. So können die Kinder relativ sicher draußen spielen. Spielplätze könnten allerdings mehr vorhanden sein bzw. verschönert werden c) Wie wichtig war das soziale Umfeld bei der Wohnungswahl? Sehr wichtig. Wir wollten schon ein angenehmes Umfeld haben, in dem wir uns wohlfühlen. Also Menschen in ähnlichen Lebenssituationen, aus ähnlichen Bevölkerungsgruppen. d) Habt ihr euch vor dem Einzug über die Mieterstruktur im Haus informiert? Ja, wir haben uns die Nachbarn, Flur, Hof, Garten angeguckt. 4.) Zukunftsvisionen a) Was stellt ihr euch wohnungsmäßig für die Zukunft vor? Wir wollen in der Stadt wohnen bleiben, da wir die Vorteile nicht missen wollen. Da wir finanziell unabhängig sind, können wir uns das Stadtleben in angenehmem Viertel/Umfeld und in schöner Wohnung gut leisten. b) Wo seht ihr Handlungsbedarf zum Thema Familien in Mietwohnungen? Sozial schwächere Gegenden sollten aufgewertet werden, um Brennpunkte zu vermeiden und den dortigen ärmeren Familien auch günstige Lebensmöglichkeiten zu geben. c) Was könnte allgemein in Aachen für Familien verbessert werden? Es gibt zu wenig Spielplätze, sehr wenig Grün innerhalb der Stadt (außenherum OK). Außerdem könnte die Stadt fahrrad- und fußgängerfreundlicher werden. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 200 Kein Dach über dem Kopf – Wie leben wohnungslose Frauen in Aachen? Janine Hausmann, Verena Knetschowsky Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 201 Inhalt Kein Dach über dem Kopf – Wie leben wohnungslose Frauen in Aachen? 1 Einleitung 2 Obdachlosigkeit 3 Betrachtung Aachen 4 Fazit und persönliche Stellungnahme 5 Quellenangaben und Bildverzeichnis Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 202 1 Einleitung Geht man durch die Stadt, so sieht man sie mal hier mal da, an der Hauskante sitzend, mit einem kleinen Döschen, in das der ein oder andere Passant ein paar Cent rein wirft: Obdachlose. Hört man den Begriff Obdachlosigkeit, fällt einem zuerst der bettelnde „Penner“ auf der Straße ein, meist allein, männlich und mittleren Alters. Er lebt auf der Straße und schnorrt sich durch sein Leben; um dieses besser zu ertragen kauft er sich von dem wenigen gesammelten Geld Alkohol. Doch spiegelt dieses Bild, das Leben aller Obdachlosen wieder? Leben so, die rund 400 Personen in Aachen, die nicht im Besitz einer eigenen Wohnung sind? Wie kommt es überhaupt dazu, dass Menschen so leben? Welche Möglichkeiten stehen ihnen zur Verfügung und wo können sie in kalten Nächten Unterschlupf finden? Dieses doch für viele sehr unbekannte Thema, haben wir in unserer Seminararbeit einmal genauer untersucht und sind dabei besonders auf den Schwerpunkt „wohnungslose Frauen“ eingegangen. Ein Gruppe, die man nur äußerst selten auf der Straße sieht, aber bedeutet dies auch, dass es sie nicht gibt? Und wenn doch, wie leben diese und was für Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung? Diese und noch viele andere Fragen haben wir versucht in einer umfangreichen Untersuchung zu beantworten. Dabei haben wir in Fachliteratur und im Internet recherchiert und statistische Materialien ausgewertet. Durch Interviews mit Mitarbeitern des Sozialamtes, der Caritas und des Fachbereich Wohnens haben wir viel über die Situation der Obdachlosen in Aachen erfahren. Anschließend haben wir ausgewählte Einrichtungen besucht und weitere Interviews mit den entsprechenden Mitarbeitern geführt. In unserer Seminararbeit werden wir zuerst einen allgemeinen Überblick schaffen, indem wir auf die Entstehung von Obdachlosigkeit und die Besonderheiten bei obdachlosen Frauen eingehen. Außerdem werden wir aktuelle Statistiken erläutern. Anschließend beleuchten wir die Situation in Aachen genauer, wobei wir auch hier auf Statistiken eingehen, so wie einen Überblick über das Angebot für Obdachlose in Aachen geben werden. Zum Schluss beurteilen wir die aktuelle Lage, leiten daraus für unser Fazit Verbesserungsvorschläge ab und werden des Weiteren auf ein positives Fallbeispiel aus NRW eingehen. 2 Obdachlosigkeit Begriffsbestimmung Als obdachlos werden die Personen bezeichnet, die ohne Unterkunft sind oder denen der Verlust ihrer Wohnung bevorsteht. Des Weiteren zählen zu den Obdachlosen die Personen, die in menschenunwürdigen Lebensbedingungen wohnen oder in einer Notunterkunft untergebracht sind und sich nicht aus eigener Kraft eine Unterkunft beschaffen können. Dagegen werden Personen nicht als obdachlos bezeichnet, die nicht sesshaft sind, die sich um politisches Asyl bewerben oder als Aussiedler vorübergehend untergebracht sind. (Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen) Entwicklung zur Obdachlosigkeit Wohnungslosigkeit kann vielfältige Ursachen haben, es gibt sowohl individuelle Gründe, wie auch strukturelle Versorgungsdefizite. Führen die strukturellen Ursachen (Wohnungsmarktlage, Demographische Faktoren u. sozioökonomische Faktoren) zu einem Mangel an bezahlbaren, angemessenen Wohnraum, so können die individuellen Probleme zur Wohnungslosigkeit führen. Diese Probleme können u.a. sein: Arbeitslosigkeit, Schulden, soziale Schwierigkeiten Suchtprobleme oder psychische Erkrankungen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 203 Häufige Ursachen der Wohnungslosigkeit sind: • Kündigung und Räumungsklage, die meist auf Grund von Mietschulden dazu zwingen die Wohnung zu verlassen (bei Frauen seltener) • „ungesicherte Entlassung“: Patienten, Klienten und Haftentlassene, wenn sie bei ihrer Entlassung in keinen bestehenden Haushalt zurückkehren und keinen Wohnung mehr haben • Frauen und Männer die nach einer Trennung vom Partner ausziehen/vertrieben bzw. verlassen werden und die Wohnung allein finanziell nicht getragen werden kann • Junge Erwachsenen, die aus dem elterlichen Haushalt ausziehen und keine andere Unterkunft zur Verfügung haben, dies tritt besonders häufig bei konflikthaltigen Familienverhältnissen auf Zuwanderung, Flucht und Vertreibung Einen großen Teil der Wohnungsnotfälle bilden die Aussiedler, die zumeist in Überganswohnheimen und anderen Notunterkünften aufgenommen werden. Dagegen gelten ausländische Flüchtlinge erst als Wohnungsnotfälle, wenn sie längerfristig aufgenommen werden und in der Bundesrepublik einen Wohnsitz begründen dürfen. Situation der obdachlosen Frauen – Ursachen, Unterschiede, Hilfsbedarf Neben den soeben genannten Ursachen der Wohnungslosigkeit, spielen bei Frauen noch andere entscheidende Faktoren und Risiken eine wichtige Rolle. Armut Frauen sind besonderen Armutsrisiken ausgesetzt: • • • • • • • Strukturelle und wirtschaftliche Benachteiligung geringeres Einkommen als Männer (30%) Die Erwerbsquote von 60% bei Frauen liegt deutlich unter der von Männern 90% aller Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten sind Frauen Ihre Renten sind durchschnittlich um die Hälfte niedriger als die von Männern Traditionelle Geschlechterrolle zu Lasten einer eigenständigen Existenzsicherung Alleinstehende u. -erziehende bilden die größte Gruppe, die Lebensunterhalt beziehen Diese Armutsrisiken können zu einer finanziellen Abhängigkeit vom Partner führen und im Falle einer Trennung zu einer wirtschaftlich schwierigen Notlage. Häusliche Gewalt und Beziehungsprobleme Kommt es zu häuslicher Gewalt sind in der Regel Frauen und Kinder die Opfer. Durch finanzielle Abhängigkeit und aus Angst vor dem Täter wird die Loslösung aus einer Gewaltbeziehung erschwert. Über die Hälfte der Frauen gerät durch Probleme in der Partnerschaft in eine Notsituation, bei Männern ist es jedoch nur ein Drittel. Frauen sind einem höheren Armuts- und Gewaltrisiko ausgesetzt als Männer, dies bedeutet jedoch nicht, dass sie auch häufiger wohnungslos werden. Sie verfügen über ein größeres soziales Netz und sind eher in der Lage ungünstige Bedingungen zu kompensieren. Außerdem sind sie oftmals stärker motiviert ihren Lebensraum zu erhalten, da für sie das Wohnumfeld und die Familie eine stärkere Bedeutung haben. Unterschiede im Umgang mit der Wohnungslosigkeit Wohnungslose Frauen lassen sich in drei Gruppen einteilen: • • • Verdeckte Wohnungslosigkeit: Frauen, die ohne Wohnung sind, jedoch in Frauenhäuser, Anstalten, bei Freunden usw. leben (größte Gruppe) Drohende bzw. latente Wohnungslosigkeit: Frauen, die in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben und unmittelbar von Wohnungsnot bedroht sind Sichtbare Wohnungslosigkeit: Frauen, die auf der Straße leben (kleinste Gruppe) Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 204 Frauen schämen sich in ihrer Notlage oftmals mehr als Männer und bemühen sich ihre Wohnungslosigkeit so lange wie möglich verdeckt zu halten. Die Dunkelziffer der alleinstehenden wohnungslosen Frauen ist dementsprechend höher als die der alleinstehenden wohnungslosen Männer. Bevor Frauen den Verlust ihrer Wohnung öffentlich machen und Hilfe einfordern, versuchen sie lange Zeit nach außen den Schein von Normalität zu wahren. Sie sind zunächst bemüht wirtschaftliche, soziale, gesundheitliche oder durch familiäre/ partnerschaftliche Gewalt ausgelöste Probleme selbst zu bewältigen. Sie bleiben auf Grund materieller sowie sozialer Abhängigkeit in prekären Wohnsituationen und Lebensverhältnissen. Aus Angst vor Diskriminierung oder bei Müttern aus Angst das Sorgerecht zu verlieren, suche sie erst spät Hilfseinrichtungen auf. Dieses Bedürfnis, eigene Problemlösungen zu finden, verstärkt die vorhandenen Probleme und kann zu neuen führen. Anders als bei Männern, wird für Frauen der Verlust des privaten Schutzraumes zu einer stärkeren Belastung, die psychosomatische und psychische Krankheiten, sowie den Missbrauch von Drogen, Medikamenten und Alkohol zur Folge haben kann. Dieser Verlust ist für sie von größerer Bedeutung, da sie im Vergleich zu Männern, unmittelbar von Gewalt bedroht sind, weniger sozial akzeptiert sind und stärker auf ihr Äußeres und ihre Kleidung reduziert werden. Um nicht als wohnungslos „enttarnt“ zu werden, begeben sich Frauen in neue Abhängigkeiten, dies kann das Unterschlüpfen bei Freunden sein oder sie kehren in ehemalige Gewaltbeziehungen zurück oder landen schlimmstenfalls in der Wohnungsprostitution. Hilfsbedarf Das momentane Hilfsangebot ist traditionell auf Männer zugeschnitten und wird überwiegend von ihnen genutzt, wodurch viele Frauen davon abgehalten werden überhaupt Hilfe in Anspruch zu nehmen. Frauen verzichten aus Angst vor Diskriminierung und Gewalt auf diese, meist geschlechtergemischten Einrichtungen was zur Folge hat, dass sie bei den gemischten Hilfseinrichtungen nur schwach vertreten sind und nicht die gleichen Chancen wie Männer zum Hilfesystem haben. Auch die Problemfelder bei Frauen unterscheiden sich von denen der Männer und daher benötigen sie speziell auf Frauen zugeschnittene Hilfsprogramme. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass dort wo es spezielle Angebote für Frauen gibt, diese auch genutzt werden. Das Hilfsangebot für Frauen muss an ihre individuellen Lebenssituationen ansetzen und den Hilfe- und Veränderungsprozess unter Einbeziehung ihrer sozialen Kompetenzen und Ressourcen fördern. Hierfür benötigen sie einen geschützten, männerfreien Raum und die Beratung durch weibliche Fachkräfte. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 205 Statistische Betrachtung der Obdachlosigkeit NRW Obdachlosenzahlen allgemein Das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen führt jeweils zum 30. Juni jährlich eine Erhebung über die Obdachlosigkeit durch. Ziel dieser Erhebung ist es, einen Überblick über die Anzahl der obdachlosen Personen in NRW zu bekommen. Außerdem werden bei dieser Erhebung die Unterbringung und die Gründe ihrer Obdachlosigkeit untersucht. Erfasst werden können daher auch nur die Personen, die im Sinne der in 2.1 aufgeführten Begriffsbestimmung offiziell obdachlos gemeldet sind. 40000 35000 30000 25000 Haushalte 20000 davon Einpers.haushalte Personen 15000 fristlose Kündigung 10000 5000 0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 In der Grafik wurden die Obdachlosenzahlen NRWs von 1998 bis 2005 aufgeführt. Unterschieden wurden sowohl die Gesamtzahl der Haushalte gegenüber den Einzelhaushalten, als auch die Personen allgemein und die Anzahl, die aus dieser Gruppe auf Grund Zahlungsverzugs oder eines unzumutbaren Mietverhältnisses fristlos gekündigt wurden. Grundsätzlich lässt sich erkennen, dass die Zahl der Personen und somit auch die der Haushalte seit 1998 deutlich abgenommen haben. Insgesamt ist eine Reduzierung um 53 % bei den obdachlosen Personen in NRW zu verzeichnen. Bei der Betrachtung bezüglich der Haushalte kann fest gestellt werden, dass eine Gewichtung zu Gunsten der Einzelhaushalte erfolgt ist. 1998 wurden 50% der Personen obdachlos, die aus Einpersonenhaushalten stammten. 2005 war diese Gruppe schon auf 67% angestiegen. Obdachlosenzahlen bei Frauen Auf Grund der schon erwähnten hohen Dunkelziffer ließen sich keine statistisch erfassten Zahlen finden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG) schätzt in einer Informationsschrift von 1997 den Frauenanteil der Alleinstehenden Frauen auf 21%, den in Familien lebenden Teil der Frauen auf 34%. Der in Familien geschätzte Prozentsatz in Hinblick auf die Männer und Jugendlichen liegt dagegen bei 19% und 47%. Insgesamt lässt sich somit ein Gesamtwert von 30% obdachlose Frauen schätzen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 206 3 Betrachtung Aachen Obdachlosenstatistiken (Obdachlosenzahlen allgemein) 450 400 350 300 Haushalte 250 davon Einpers.haushalte 200 Personen 150 fristlose Kündigung 100 50 0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Ebenfalls vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik wurden die Obdachlosenzahlen der Städte innerhalb NRWs erfasst. Auch hier ist eine Abnahme bezüglich der Zahl der in Aachen lebenden Obdachlosen erkennbar, allerdings nur bis 2003. Im folgenden Jahr steigt die Kurve wieder. 2005 konnten in Aachen insgesamt 400 obdachlose Menschen statistisch erfasst werden. Bezüglich der Entwicklung der Einzelpersonenhaushalte ist auch hier eine Zunahme von 50 auf 75% innerhalb einer Zeitspanne von 8 Jahren feststellbar. Obdachlosenzahlen bei Frauen Über die obdachlosen Frauen in Aachen sind ebenso wie für NRW-Gesamt keine Statistiken erstellt worden. Daher lässt sich auf der Basis eines Zitates von Herr Knops (Caritas) „Die Zahl der obdachlosen Frauen in Aachen ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken“, vermuten, dass diese Aussage auf Aachen bezogen werden kann. Dennoch liegt die Zahl der Frauen in der Wärmestube deutlich höher als auf der Straße. Vermutlich ist es das Schutzbedürfnis, dass die Frauen eher im Tagestreff als auf der Straße erhalten können. Aus dem Jahresbericht 2004 der Caritas konnten wir bezüglich konkreter Zahlen nur entnehmen, dass 156 Frauen im Jahr 2004 die ambulante Hilfe der Frauenfachberatungsstelle in Anspruch nahmen. Jede Einrichtung hat uns wieder gespiegelt, dass dies ein sehr schwieriges Thema sei. Die hohe Dunkelziffer lässt keine qualifizierte Aussage darüber zu, wie viele Frauen nun wirklich von der Obdachlosigkeit betroffen sind, denn sie treten kaum aus den vorher genannten Gründen in die Öffentlichkeit. Aachen im Vergleich zu NRW In der Gegenüberstellung der beiden Grafiken lässt sich zusammenfassend sagen dass Aachen innerhalb NRWs eine Ausnahmeposition darstellt. Denn für NRW sind die Obdachlosenzahlen deutlich abnehmend (ca. 10%), im Gegensatz zu Aachen, denn hier ist seit 2004 wieder ein positiver Verlauf zu vermerken. Aus dieser Auffälligkeit lässt sich folgende Vermutung ableiten. Denn bedingt durch das ausgeprägte Netzsystem der Aachener Einrichtungen äußerte Herr Kuckelkorn als Mitarbeiter des Sozialamtes, dass in den letzten Jahren ungewöhnlich viele obdachlose Personen von außerhalb nach Aachen gekommen seien. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 207 Angebote für Obdachlose in Aachen – Auch für Frauen geeignet? Thesen aus den Interviews (Sozialamt, Caritas, Fachbereich Wohnen) Bezüglich der Hauptproblematik der Obdachlosigkeit sieht Herr Kuckelkorn vom Sozialamt folgende Ursache: Die hohe Anzahl der alleinstehenden Obdachlosen sehen immer weniger Perspektiven, sie sind am untersten Stand angelangt, dies hat zur Folge, dass die jeweiligen Ansprüche an ihr Leben sinken. Durch die in den Obdachlosenheimen vorherrschenden Annehmlichkeiten wird oft – seitens der Betroffenen – die Einrichtung als Ziel ihres Lebens verstanden. Frau Zadel, arbeitet als Dipl. Sozialpädagogin im Don Bosco Haus und erklärte uns die Ursachen dieser Perspektivlosigkeit wie folgt: Im Vergleich zu vergangen Jahren sind heutzutage die Obdachlosen stärker durch Arbeitsplatzverlust und Trennungen geprägt. Die Ressourcen auf die zurück geblickt werden können, sind deutlich geringer als früher. Früher konnten die Betroffenen bei einer entstanden Obdachlosigkeit auf einen erfolgreichen beruflichen Werdegang o.ä. zurück blicken. Diese Ressourcen fehlen heutzutage besonders den Jugendlichen, die obdachlos werden, sie kennen kaum ein anderes Leben, haben es oftmals von den Eltern nicht anders vorgelebt bekommen und blicken daher ohne jegliche Perspektive und Lebenssinn in die Zukunft. Diesem Personenkreis eine Motivation entgegen zu bringen, welche einer erfolgreichen Resozialisierung entgegen strebt, stellt sich zunehmend als schwierig heraus. Durch ihre privaten Probleme haben sich innerhalb ihres Lebens andere Prioritäten entwickelt, das saufen und fixen steht vor einem gesellschaftlichen Miteinander. Außerdem betonte Herr Kuckelkorn, dass die zunehmende Gewalt- und Vandalismusbereitschaft, ein aktuelleres Thema als je zuvor darstellt, besonders in den städtischen Einrichtungen, wird besonders von außerhalb ein hohes Gewaltpotential eingetragen. Herr Knops, Mitarbeiter der Caritas, sieht ein anderen Schwerpunkt als Hauptproblematik der Obdachlosigkeit und zwar die entstandene Doppeldiagnose vieler Obdachloser. Doppeldiagnose bedeutet, dass die schon seit Jahren bestehende Suchtproblematik von der fast alle Obdachlose betroffen sind zunehmend in Kombination mit psychischen Erkrankungen auftritt. Herr Goltz von der Wohnungsvermittlung der Stadt Aachen sieht ein gravierendes Problem bezüglich unseres Themas in der notwendigen Wohnungsvermittlung. Denn es gibt ein hohes Angebot an 2 Zimmer-Wohnungen in Aachen, daher sind Familien und Einzelpersonen schwer zu vermitteln. Denn neben dem oft auftretenden äußerlichen Erscheinungsbild und der Tatsache, dass diese Personen obdachlos sind, sind viele Vermieter ihnen gegenüber abgeneigt. Hinzu kommt die gesetzliche Grundlage, der Wohnberechtigungsschein lässt max. 45m²/Person zu und 2-Zimmer-Wohnungen, liegen in ihrer Grundfläche meist über diesem Richtwert. Die in 2.3 aufgestellten Thesen und Vermutungen, bezüglich obdachloser Frauen, wurden von allen Interview-Partnern bestätigt. Als Prognose ließen sich zwei markante Aussagen heraus stellen. Herr Knops fasste zusammen und äußerte sich über die Entwicklung folgendermaßen. Es wird eine Zunahme der Obdachlosigkeit und der Verarmung erfolgen, da die Anzahl der Vollbeschäftigten abnehmen und die der Scheidungsraten zunehmen wird. Von dieser Entwicklung sind seiner Meinung nach überproportional Frauen betroffen. Zusätzlich sagte Herr Kuckelkorn das die Zahl der Alleinstehenden (zur Zeit 42% in Aachen) und die der Ausländer (zur Zeit 25% in Aachen) steigen wird. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 208 Übersicht der Einrichtungen Netzsystem der Einrichtungen Aachen verfügt über ein ausgeprägtes Netzsystem an Obdachloseneinrichtungen. Alle Arten von Institutionen, die im Folgenden näher erläutert werden, stehen im engen Kontakt zueinander und vermitteln die Betroffenen bei Bedarf weiter. Städtische Einrichtungen Die Stadt Aachen unterhält 10 Einrichtungen für Obdachlose Aretzstr. 39-45 Bahnhofstr. 30-32 Heinrichsallee 46 Hüttenstr. 140 und 146 Kongreßstr. 18-20 • • •+• •+• Robert-Koch-Str. 5-15 Vaalser-Str. 149-153 Weißwasserstr. 1,3-6, 8 Lintertstr. Wirichsbongardstr. 16 •+• •+• •+• •+• •+• Die städtischen Einrichtungen haben im Vergleich zu den privaten, keinen Regelkatalog und dürfen daher weder Personen ablehnen noch ihnen Hausverbot erteilen. Aufgrund dessen gelten diese Häuser zunehmend als Problemhäuser, da Gewalt, Vandalismus und Drogenkonsum an der Tagesordnung sind. Auch die zuständigen Sozialarbeiter sprechen von steigender Annäherungsproblematik, denn auch sie werden zunehmend Bedrohungen und Gewalt ausgesetzt. Spezielle Angebote für Frauen Nur in der Lintertstraße ist eine separate Etage für Frauen vorhanden, in den übrigen Einrichtungen haben Frauen nur selten eigene Bereiche. Für die Benutzung der Obdachlosenunterkünfte der Stadt Aachen sind Gebühren zu erheben. Als Berechnungsgrundlage für die Höhe der Gebühr gilt für diese Einrichtungen die Wohnfläche in m². Für Unterkunftseinheiten mit Bad/Dusche und Heizung werden zusätzlich 0,52 monatlich je Quadratmeter Wohnfläche erhoben. Gebührenpflichtig sind die Benutzer, die durch Einweisungsverfügung des Oberbürgermeisters in eine Obdachlosenunterkunft eingewiesen werden. Diese finanziellen Leistungen für die Betroffenen werden von der ARGE getragen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 209 Miete Nebenkosten Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 210 Einrichtungen der Caritas Die Wohnungslosenhilfe des Caritasverbandes für die Regionen Aachen Stadt und Land e.V. wird in 3 Bereiche unterteilt. Es gibt sowohl ambulante, als auch stationäre und teilstationäre Hilfseinrichtungen. Ambulante Projekte beruhen darauf, den Wohnungslosen tagsüber eine Unterkunft und Gesprächsmöglichkeiten zu bieten. Im Gegensatz dazu ist bei der stationären Einrichtung ein permanenter Aufenthalt in der Einrichtung erforderlich. Die Bewohner haben sich an Regeln zu halten und eine Mitarbeit hinsichtlich ihres Rückweges in eine soziale Integration ist unabdinglich für einen bestehende Unterkunft. Dem stationären folgt der teilstationäre Bereich, bei dieser Hilfsform werden die Bewohner stärker in ihrer Eigenständigkeit gefördert. Ambulante Hilfen: (Finanzierung über die ARGE) 1. Streetwork (Herrmannstr. 14, Aachen) 2. Café Plattform (Herrmannstr. 14, Aachen) 3. Übernachtung (Herrmannstr. 14, Aachen) s. 3.2.3.1 s. 3.2.3.1 Art der Hilfe: - niedrigschwelliges Angebot für Langzeit-Wohnungslose - Akzeptanz und Beziehungsaufbau - Befriedigung primärer Bedürfnisse - Medizinisch-pflegerische Hilfe - Vorbereitung zur stationären Hilfe - Hilfe für Personen, die stat. Hilfe ablehnen - Auffangen von Personen, die aus stat. Hilfe herausfallen 4. Fachberatungsstelle (Herrmannstr. 14, Aachen) Art der Hilfe: - Angebot für Wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten Beratung, Entschuldungshilfe, Wohnungs- und Arbeitssuche, Durchsetzung von Rechtsansprüchen, Vermittlung in andere Einrichtungen Stationäre Hilfen: (Finanzierung über den Pflegesatz des Landschaftsverbands) 1. Don-Bosco-Haus (Robert-Koch-Str. 1-3) s. 3.2.3.2 2. Impuls (Martin-Str. 1, Alsdorf) Art der Hilfe: - Angebote für Personen mit vielschichtiger sozialer Problematik Soziale Einzelfall- und Gruppenarbeit Durchsetzung von Rechtsansprüchen Entschuldungshilfe Freizeit- und Sportangebot Selbstständigkeitstraining Vorbereitung auf andere Hilfen Nachbetreuung Bearbeitung von Suchtproblematik (im DBH: Alkohol- und Drogenfreie WG; Impuls: sozialtherapeutische Trainingseinrichtung für Suchtkranke) Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 211 Teilstationäre Hilfe: (Finanzierung über die ARGE) 1. Betreutes Wohnen in der WG Aretzstraße (Aretzstr.3, Aachen) Art der Hilfe: - junge Erwachsene zw. 18 und 27 Jahren Aufarbeitung von Persönlichkeitsdefiziten Befähigung zur eigenständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung Einzelfall und Gruppenarbeit Verhaltenstraining Freizeitgestaltung Entschuldungshilfe Durchsetzung rechtlicher Ansprüche Vermittlung in: Schule, Ausbildung, Arbeit, Wohnung Nachbetreuung Spezielle Angebote für Frauen Wenige der o.g. Einrichtungen bieten Frauen ein spezifisches Angebot; nur im Don Bosco Haus wird die Möglichkeit geboten, Frauen-WGs zu bilden. Sonstige Einrichtungen Private und kirchliche Hilfsangebote unterstützen zusätzlich die Obdachlosenhilfe Beispiele: • • • WABe e.V. (Diakonisches Werk) - Wärmestube und Notunterkunft, Ottostr. 80 - Fachberatungsstelle und Café für Frauen, Warmweiherstr. 28 Kloster - Franziskanerkloster /Schervier-Stube: Frühstück, Kleinmaschierstr. 47 - Kloster der Elisabethinnen : Mittagessen, Preusweg 2 Arbeitskreis Straffälligen Hilfe e.V. - Betreutes Wohnen für ehem. Straffällige und Suchtkranke, Königstr. •+• • •+• •+• •+• Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 212 Ausgewählte Einrichtungen Café Plattform, Herrmannstr. 14 (Gespräch mit Frau Holzapfel, Sozialarbeiterin) Das Café Plattform ist die Wärmestube und Notschlafstelle der Caritas. Es gilt als ambulante Einrichtungen und ist auf Grund der Zugehörigkeit zur Caritas nicht regelfrei. Verboten sind Dinge wie Äußerung zur Fremdenfeindlichkeit, bis hin zur Gewaltausübung und Drogenkonsum. Das integrierte Café ist ab 16:30h geöffnet und bietet neben einer warmen Malzeit einige Getränke zu günstigen Preise. Die Notschlafstelle hat eine Kapazität von 20 Schlafmöglichkeiten. Zusätzlich sind 4 Notbetten vorhanden, die abends im Café aufgestellt werden können. Die wohnungslosen Personen, die die Notunterkunft nutzen, müssen diese um 07.30h verlassen und dürfen dann erst um 15h zurück kehren. Das Café und die Notschlafstelle stehen in enger Verbindung, denn nur eine Einrichtung für „Übernachtungsgäste“ – ohne Wärmestube – würden anhand der Erfahrungen der Sozialarbeiter von den Obdachlosen nicht angenommen werden. Im Vordergrund, sagte Frau Holzapfel, steht für die Betreuer der Einrichtung der persönliche Kontakt mit den hier hin kommenden bindungslosen und einsamen Menschen. Sie schaffen für sie ein Stück „Zuhause“ und versuchen die Wohnungslosen auf einen Weg zu bringen, der sie eigenständig, aber auch mit Hilfe von speziellen Projekten ins soziale Leben integriert. Jedoch als Unterstützung zur völligen Resozialisierung sehen sich die Sozialarbeiter in dieser Einrichtung nicht an, denn meist fehlt es den Obdachlosen überhaupt an den Grundlagen wie Erstsozialisierung, Wohnfähigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein und letztendlich an dem notwendigen Willen, wieder in den Alltag zurück zu kehren. Das Café Plattform besuchen meist 40-50 Personen pro Tag, 600 verschiedene Personen pro Jahr, zeigen eine hohe Fluktuation in dieser Einrichtung auf. Nur selten kommen Personen in die Wärmestube, die so engagiert sind, dass sie an das Don Bosco Haus als stationäre Einrichtung vermittelt werden können (ca. 1 Person/Monat). 3-4 Personen verweilen über einen längeren Zeitraum in dieser Unterkunft. Meist sind dies psychisch Kranke oder starke Alkoholiker, doch ein dauerhafter Aufenthalt sollte eigentlich eine Ausnahme bilden. Der Anteil der Frauen, die diese Einrichtung besuchen ist besonders gering (5% Frauenanteil im Café und 0,8% in der Notschlafstelle), da das Café Plattform ursprünglich eine Männereinrichtung war. Die nächtliche Anwesenheit von Frauen wird als sehr schwierig angesehen, da die Räumlichkeiten keinen separaten Schlafraum hergeben. Kinder dürfen seitens des Gesetzes nicht dort schlafen und auch ein Besuch im Café wird nur ungern gesehen, aber geduldet. Frau Holzapfel sieht den Grund für den geringen Frauenanteil darin, dass sie anders sozialisiert sind, vorrausschauender und in Netzwerken denken und auch willensstärker als Männer sind. Auch ist es so, dass Frauen, wie schon erwähnt eher in den Bereich der Wohnschlafprostitution gelangen, bevor sie freiwillig Hilfe annehmen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 213 Neben der Wärmestube und der Notschlafstelle bietet die Caritas in der Herrmannstraße auch einen Kleiderladen und mittwochs auch eine Wundpflege an. Die Wundpflege wird von einem Zivi oder einer Krankenschwester betreut, jedoch entgegen ersten Vermutungen nur wenig angenommen. Dies lässt sich aber auf Grund der veränderten Strukturen innerhalb der Obdachlosigkeit erklären, denn durch das gute Netzsystem in Aachen kommt es kaum noch zu diesen extremen Verwahrlosungen, die oft mit offenen Wunden etc. verbunden sind. Zusätzlich ist es das Ziel der Sozialarbeiter, die Wohnungslosen in ärztliche Praxen weiter zu verweisen, denn separate Einrichtungen würden entgegen einer Integration und einer notwendigen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft wirken, denn umso mehr Serviceleistungen für Obdachlose geboten werden, desto weniger herrscht der Anreiz vor, wieder in ein möglichst normales Leben zurück zu kehren. Frau Holzapfel prognostiziert, dass besonders die Zahl der psychisch Erkrankten und die der Jugendlichen zunehmen wird. Don Bosco Haus, Robert-Koch-Straße 1-3 (Gespräch mit Frau Zadel, Dipl. Sozialpädagogin) Das Don Bosco Haus ist die stationäre und die ehemalige „nicht sesshaften“ Einrichtung der Caritas und liegt südlich hinter dem Bahnhof Rothe Erde. Die vorhandene Struktur des 3teiligen ehemaligen Mietshauses ist ideal für diese Form der Einrichtung geeignet. Sie bietet 47 Wohnplätze in individuell eingerichteten Wohnungen an, von denen auch zwei als suchtfreie WGs gegründet wurden. Denn die Drogenproblematik war schon immer ein Hauptthema der Obdachlosigkeit und somit werden den cleanen Bewohnern möglichst wenig Versuchungen geliefert, die zu einem Rückfall führen könnten. Im Haus können Einzelpersonen und Paare aufgenommen werden, leider aber keine Kinder und Familien. Die Bewohner müssen motiviert sein, ihr Leben zu ändern und sich mit 89,70 /Monat Taschengeld zufrieden geben (die Bewohner, die selbstständig Kochen bekommen zusätzlich einen Verpflegungszuschlag). Vorrausetzung für die Aufnahme im Don Bosco Haus ist der Ausschluss von Drogenkonsum und Gewalt im Haus. Veranschlagt wird ein Wohnzeitraum von bis zu 18 Monaten, innerhalb dieser Zeit werden Sozialberichte geschrieben, die über den medizinischen Status urteilen. Sollte eine Verlängerung aus diesen Gründen notwendig sein, kann auch eine Bewilligung über 18 Monate hinaus genehmigt werden. Das Ziel des Don Bosco Hauses und den zuständigen Sozialarbeitern ist es im Gegensatz zum Café Plattform, dass ein Beziehungs- und Vertrauensaufbau zwischen den Bewohnern und den Sozialarbeitern statt findet, ebenso wie die Förderung der gesellschaftlichen Gemeinschaft. Neuorientierung und Perspektiven sollen in gemeinsamen Gesprächen erarbeitet werden und abschließend zur Resozialisierung führen. Die Sozialarbeiter fungieren somit als Wegbegleiter für die hier lebenden Personen mit sozialen Schwierigkeiten. Frauen gibt es seit 8 Jahren im Don Bosco Haus, ihr Anteil beträgt 15-20%. Hinsichtlich ihrer Betreuung werden keine Unterschiede zu Männern gemacht, gegenseitige Rücksichtnahme und der Wille zur Veränderung und entsprechenden ernsthaften Arbeit wird von jedem Bewohner erwartet. Frau Zadel betonte aber für die Zukunft, dass der Anteil der Frauen zunehme, denn die Annahme der „Hilfsmaschinerie“ ist in den letzten Jahren deutlich stärker geworden, Hilfe anzunehmen gilt mittlerweile als etabliert und auch die Hemmschwelle der Frauen ist deutlich gesunken. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 214 Außerdem sieht sie wie viele ihrer Kollegen die Tatsache zunehmen, dass immer mehr Jugendliche von der Obdachlosigkeit betroffen sind, das Einstiegsalter in den betroffenen Kreis wird immer jünger. Und als zusätzlich sehr interessanten Aspekt nannte sie: Die Obdachlosigkeit wird sich in immer höhere Bevölkerungsschichten hinein ziehen, das Grundgefühl der Perspektivlosigkeit ist nicht mehr nur ein Privileg der Unterschichten. Es ist ein schleichender Prozess, die Zunahme von Krankheitsbilder, fehlende Orientierungshilfen und mangelnde Aufmerksamkeit wird sich in der Zukunft auch in höhere Schichten hineinziehen, die durch diese Problematiken entstehenden Auswirkungen sind noch gar nicht absehbar. Problematisch ist abschließend die Tatsache, dass die in der stationären Einrichtung lebenden Obdachlosen, keine ARGE-Leistung beziehen, da sie über den Pflegesatz des Landschaftsverbandes finanziert werden und somit aus dem Vermittlungsprozess der ARGE raus fallen. WABe e.V.(Frauenfachberatungsstelle), Warmweiherstr. 28 (Gespräch mit Frau Schiffers, Dipl. Sozialarbeiterin) Seit dem Jahr 1997 gibt es das Gesamthilfeprojekt für Frauen bei dem drei Mitarbeiterinnen beschäftigt sind. Die Dipl. Sozialarbeiterin Frau Schiffers, die für das betreute Wohnen zuständig ist, in der Fachberatung Frau Schulte, Dipl. Sozialarbeiterin und im Tagestreff eine hauswirtschaftliche Mitarbeiterin. Die Fachberatungsstelle für Frauen ist Teil eines Hilfsprojektes mit unterschiedlichen Angeboten für Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten. Beratung, betreutes Wohnen und ein Tagestreff befinden sich in einem Haus. Die ausschließlich weiblichen Mitarbeiterinnen arbeiten hier eng zusammen, so dass bei Bedarf neben der Beratung Soforthilfe (Essen, Duschen, Kleidung usw.) auch eine Weitervermittlung ins betreute Wohnen möglich ist. Das Gesamtprojekt verfügt über zwei Büroräume, einen Tagestreff und Warteraum, eine Küche mit Duschmöglichkeit, Waschmaschine und Trockner und eine WG für das Betreute Wohnen. Die Räumlichkeiten liegen zentrumsnah und sind mit Bus und Bahn gut erreichbar. Ebenso die Stadtverwaltung und andere wichtige Behörden können zu Fuß aufgesucht werden. Die Beratungsstelle liegt nicht in unmittelbarer Nähe zu den Treffpunkten der Nichtsesshaftenund Drogenszene, was für die meisten Frauen als angenehm empfunden wird. Der Tagestreff „Cafe FIBIS“ bietet die Möglichkeit andere Frauen zu treffen und mit ihnen Gespräche zu führen, wie auch gemeinsam zu essen oder an organisierten Tagesausflügen teilzunehmen. Die Fachberatung bietet vielfältige Hilfe bei Problemen, z.B. bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie bei der Einkommenssicherung. Schuldenberatung und freiwillige Geldverwaltung gehören ebenfalls zum Angebot. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 215 Zum Betreuten Wohnen gehört zum einen eine Wohngemeinschaft die Platz für drei Frauen bietet, sowie die Beratung außerhalb der Einrichtung, wo zur Zeit 7 Frauen betreut werden. Um dieses Hilfsangebot anzunehmen, müssen die Frauen folgende Vorraussetzungen erfüllen: sie müssen den Willen haben aktiv an ihrer Lebenssituation etwas verändern zu wollen, dürfen nicht unter psychischen Krankheiten leiden sowie auch nicht abhängig von Drogen, Alkohol oder Medikamenten sein. Erfüllen sie diese Vorraussetzungen nicht, so werden sie an entsprechende Fachbetreuungen weitervermittelt. Inhalt und Ziel der Betreuung ist die Unterstützung und Begleitung bei der Entwicklung einer Lebensperspektive in den Bereichen: Wohnen, Arbeit, Existenzsicherung, Freizeitgestaltung und bei persönlichen Problemen. Die Dauer der Betreuung geht maximal 1 ½ Jahre, es wird jedoch versucht die Betreuung nach einem Jahr abzuschließen. Frau Schiffers arbeitet in Kooperation mit verschiedenen Ämtern, so z.B. mit dem Jugendamt wenn sie Frauen mit Kindern betreut. Zudem kommt noch, dass viele der Frauen Erfahrungen mit Misshandlungen gemacht haben, sowie unter Essstörungen leiden und mit Krankheiten wie Hepatitis und HIV infiziert sind. Viele Frauen wissen nicht über ihre Rechte bescheid und was ihnen gesetzlich zusteht. Es ist ein langer Weg, so Frau Schiffers, bis die Frauen wieder völlig selbstständig leben können. Beim Resozialisierungsprozess liegt die Schwierigkeit u.a. darin, dass viele der Frauen nie ein normales Leben und Sozialverhalten kennen gelernt haben. Viele müssen grundlegende Dinge wie das selbstständige Verwalten von Geld lernen. Und so kommen Frauen immer wieder zur Beratungsstelle zurück um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Frau Schiffers bezeichnet das Hilfsangebot für Frauen in Aachen als ausreichend, jedoch, so sagt sie, sind die Bedingungen in den meisten städtischen Notunterkünften unlebenswürdig. Franziskanerkloster, Schervier Stube, Kleinmaschierstr. 47 (Gespräch mit Schwester Veronika) Bei der Franziska-Schevier Stube handelt es sich um eine Einrichtung, die Menschen in Not ein Frühstück bereitstellt. Hier haben bedürftige Personen die Möglichkeit von Montag bis Samstag zwischen 8:15 Uhr und 11:30 Uhr ein Frühstück, bestehend aus Brot, Brötchen, Aufschnitt, Marmelade, Tee, Kaffee und Milch, zu bekommen. Ab 11:00 Uhr gibt es außerdem eine warme Suppe. Das aus Spenden bestehende Essen kostet 0,50 pro Person, womit die Eigenverantwortung der Besucher angesprochen werden soll. Bei den Besuchern handelt es sich um Personen ohne festen Wohnsitz, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Alleinstehende und Suchtkranke. Jeden Tag kommen ca. 60 bis 70, teilweise wechselnde Personen, um das Frühstücksangebot des Klosters zu nutzen, wobei der Hauptteil der Besucher Männer sind. Der Frauenanteil liegt laut Schwester Veronika bei ca. 10% und ist überwiegend alleinstehend. Kinder werden in der Einrichtung nicht gerne gesehen. Neben Schwester Veronika, gibt es einen weiteren Mitarbeiter, so wie 2 bis 3 Ehrenamtliche, die neben der Essensausgabe auch bemüht sind, durch Gespräche Beziehungen zu den Besuchern herzustellen. Die Gäste werden in ihrer Art und Lebensweise akzeptiert, nicht aber analysiert und diagnostiziert und somit auch nicht bewertet. Des Weiteren stehen den Besuchern Sanitäranlagen zur Verfügung, sowie Wasch-, Duschund Rasierzubehör. Eine Kleiderkammer bietet die Möglichkeit die Kleidung zu wechseln. Es wird Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen, bei der Arbeitssuche und bei der Wohnungssuche Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 216 geleistet, dabei kann die Stube als Postadresse angegeben und Telefonate können geführt werden. Das Kloster steht in engem Kontakt zu anderen Einrichtungen, die Wohnungslosenhilfe anbieten und so findet einmal wöchentlich ein Dienstgespräch im Cafe Plattform statt (Teilnehmer: Café Plattform, Streetworker der WABE e.V., Franziska-Schevier-Stube, Frauenfachberatung der WABe, Bahnhofsmission, Wärmestube der WABe, Cafe Relax/Drogenhilfe). Außerdem bieten 8 Gemeinden abwechselnd sonntags in der Zeit von 9 bis 11 Uhr ein Frühstück für Obdachlose und Menschen in Not in ihren Pfarrheimen an. In unserem Gespräch wurde deutlich, dass viele der Besucher, zwar gerne das Frühstücksangebot annehmen, das Beratungs- und Hilfsangebot jedoch nur teilweise in Anspruch nehmen bzw. abbrechen, was Schwester Veronika sehr bedauert. Beurteilung und Vergleich der Einrichtungen In Hinblick auf obdachlose Frauen Aachen bietet auf Grund des in 3.2.2.1 erwähnten Netzsystems den Obdachlosen 24h/Tag eine Anlaufstelle, die gute Absprache der Mitarbeiter der verschiedenen Einrichtungen untereinander kommen eindeutig den Aachener Obdachlosen zu Gute. Sollte eine Person in einer Einrichtung Hausverbot erhalten ist damit nicht ausgeschlossen, dass sie die weiteren Einrichtungen besuchen können. Außerdem werden die Betroffenen bei Bedarf unter den Einrichtungen vermittelt. Wird beispielsweise die Betreuung einer bestimmten Person in einer anderen Einrichtung als sinnvoller und dem Bedarf entsprechender angesehen, werden sie dorthin empfohlen. In Hinblick auf die obdachlosen Frauen in Aachen stellt die weibliche Bevölkerungsgruppe immer noch eine Außenseiterposition dar, da die Angebote in Aachen hautsächlich auf Männer ausgerichtet sind. Es ist nur ein geringes Angebot speziell für Frauen vorhanden. Doch die vorhandenen Angebote können als qualitativ gut bezeichnet werden, nur die Quantität ist eben nicht ausreichend. Allgemein haben wir feststellen können, dass Frauen mit Kindern deutlich schlechtere Vorraussetzungen haben, besonders ist dies im nicht vorhandenen Angebot bezüglich der Übernachtungsmöglichkeiten aufgefallen. In Hinblick auf Ihre Wohn- und Lebensqualität Frauen meiden oft die typischen Männereinrichtungen, auf Grund der dortigen Verhältnisse. Positivere Umfelde werden von ihnen ausnahmslos bevorzugt. Die Einrichtungen die speziell auf Frauen ausgerichtet sind, haben wir als auffallend hell und freundlich empfunden. Wenn die Frauen ihre Scheu überwinden, sind gute Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten vorhanden. Als Ausbaufähig halten wir die Resozialisierungsmaßnahmen und für absolut notwendig sehen wir, dass den Frauen mehr Angebote zur eigenen Perspektive und Lebensaufgabe aufgezeichnet werden und somit mehr theoretische Grundsätze in die Praxis umgesetzt werden könnten und sollten. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 217 Verbesserungsvorschlag: Positives Fallbeispiel aus NRW Bei der Recherche für unsere Arbeit sind wir auf ein Projekt aus Espelkamp gestoßen und möchten dies gern abschließend als positives Beispiel vorstellen, um darzulegen, dass es nicht irreal ist ein funktionierendes frauenspezifisch Projekt zu organisieren. Es handelt sich um das Projekt „FrauenWohnen im Atrium – dauerhafte Wohnungsversorgung für wohnungslose Frauen in Espelkamp“. Dieses Hilfsprogramm wird vom „Landesprogramm Wohnungslosigkeit vermeiden – dauerhaftes Wohnen sichern“ gefördert und ist in erster Linie auf alleinstehende und alleinerziehende Frauen ausgerichtet. Oberstes Ziel der verantwortlichen Personen war es in Zusammenhang mit der lokalen Wohnungswirtschaft bedarfsgerechten und finanzierbaren Wohnraum bereit zu stellen. Die Konzeption dieses Projekts orientiert sich an den alltäglichen Bedürfnissen von Frauen, es entstand das Atrium, ein Gebäudekomplex im Innenstadtbereich von Espelkamp mit 13 Wohnungen für die o.g. Zielgruppe. Zusätzlich wurde ein Café integriert, welches sowohl als Ort der Begegnung als auch als sozialer Wirtschaftsbereich fungiert, außerdem wurden hier 6 Arbeitsplätze für die ehemals wohnungslosen Frauen geschaffen. Neben dem Café, den Wohnungen und einem Gemeinschaftsraum gibt es aber auch Ladelokale und Eigentumswohnungen. Das markante und außergewöhnliche an diesem Projekt ist, dass auch 42 betreute Wohnungen für Senioren integriert wurden. Durch diese Mischung der verschiedensten Wohn- und Dienstleistungssektoren entstand ein abwechslungsreicher Komplex. Um die erreichten Wohnverhältnisse auf Dauer zu erhalten und zu stabilisieren bietet der Träger den im Atrium eingezogenen Frauen eine nachgehende Begleitung und Beratung. Die oft entstandene Perspektivlosigkeit bei obdachlosen Personen wird demnach hier vorgebeugt. Die Frauen sind entweder im Café beschäftigt oder betreuen und pflegen die Senioren. Bedingt durch ihre neuen Lebensaufgaben entwickeln sie neuen Lebensmut und den starken Willen nie wieder ohne Wohnung zu sein. Somit lassen sich die Ziele dieses Projekts klar zusammen fassen, zunächst die dauerhafte Absicherung der Wohnraumversorgung und die Entwicklung und Festigkeit ihrer Lebensperspektiven, aber eben auch der Aufbau sozialer Kontakte und die gegenseitige Hilfe und Unterstützung der Bewohner. 4 Fazit und persönliche Stellungnahme In unserer Untersuchung haben wir festgestellt, dass nur wenige der wohnungslosen Personen auch wirklich auf der Straße leben. Das anfänglich beschriebene Bild entspricht nur einem geringen Anteil an Wohnungslosen. Des Weiteren haben wir festgestellt, dass die allgemeine Wohnungsmarktlage nur einen geringen Einfluss auf die Wohnungslosigkeit hat. Vielmehr sind es die individuellen Gründe des Einzelnen, die zur Obdachlosigkeit führen. Die Obdachlosenangebote in Aachen, ob Beratung, Unterkünfte oder Tagestreffs, sind gut strukturiert und verteilt, so dass jeder die Möglichkeit hat Hilfsangebote anzunehmen. Jedoch sind diese hauptsächlich auf Männer ausgerichtet. Der Anteil an Einrichtungen, die speziell auf die Bedürfnisse von Frauen eingehen ist gering. Insbesondere Frauen mit Kindern fällt es daher schwer, eine passende Einrichtung und Zufluchtsstätte zu finden. Aber Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 218 auch Frauen ohne Kinder meiden viele der vorhandenen Einrichtungen, da sie Angst haben auf gewalttätige Männer zu treffen. Es ist daher notwendig gerade für diesen Personenkreis mehr Angebote zu schaffen, die zum einen auch Frauen mit Kindern die Möglichkeit des betreuten Wohnens anbietet, zum anderen den Frauen die Rückzugsmöglichkeiten und angenehmere Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. In aufgewerteten Einrichtungen (Notunterkünfte) könnten sie nach jahrelangem Überlebenskampf neue Kräfte sammeln, sowie Perspektiven und Aufgaben finden. In Folge dessen könnte die so genannte Wohnraumsprostitution reduziert werden und die hohe Dunkelziffer sinken. Anmerkung: 5 Abzuwägen ist, inwieweit die Einrichtungen einer „normalen“ Wohnung gleich gestellt werden sollte, denn Ziel ist es nicht, dass die Betroffenen diese nicht mehr verlassen. Quellenangaben Bücher Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (1993): Landessozialbericht Wohnungsnot und Obdachlosigkeit, Düsseldorf Broschüren Ministerium für Generationen, Familien, Frauen und Integration des Landes NordrheinWestfalen (2005): Initiativen für wohnungslose Frauen, Geschlechtergerechte Hilfen in NordrheinWestfalen, Düsseldorf; 2. Auflage Internet http://www.aachen.de/DE/stadt_buerger/politik_verwaltung/stadtrecht/pdfs_stadtrecht/55. pdf; Zugriff am 16.01.2006 http://www.caritas-aachen.de/wlh/Jahresbericht2004.pdf; Zugriff am 16.01.2006 http://www.tossnet.de/smkat/Wohnungslosigkeit. cfm; Zugriff am 16.01.2006 http://pressearchiv.nrw.de/01_textdienst/11_pm/2004/q3/20040824_03.html; 16.01.2006 Zugriff am http://www.wohnungsnotfallhilfe.nrw.de/de/das_thema/wohnungsnot.html; 16.01.2006 Zugriff am http://www.wohnungsnotfallhilfe.nrw.de/de/download/wohnungsnot-frauen.pdf; am 16.01.2006 Zugriff Statistik Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein Westfalen (2005): Obdachlosigkeit in Nordrhein Westfalen 1998-2005, Düsseldorf Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 219 Interviewverzeichnis Schwester Veronika; 24.01.2006 von 09.30-10.30h Herr Kuckelkorn, Abteilungsleiter Asylbewerber, Wohnungssicherung, Sozialdienste und Objektverwaltung des Sozialamtes der Stadt Aachen; 27.01.2006 von 08.00-09.30h Herr Knops, Soziale Einrichtung und Integration des Caritasverbands für die Regionen Aachen Stadt und Land e.V.; 27.01.2006 von 10.30-12.00h Frau Zadel, Dipl. Sozialpädagogin im Don Bosco Haus; 27.01.2006 von 13.30-15.00h Frau Holzapfel, Sozialarbeiterin im Café Plattform; 31.01.2006 von 11.00-11.45h Frau Schiffers, Dipl. Sozialarbeiterin in der Frauenfachberatungsstelle der Caritas, 03.02.2006 von 11.00-12.00h Herr Goltz, Wohnungsvermittlung im Fachbereich Wohnen der Stadt Aachen; 07.02.2006 von 10.00-10.30h Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 220 Anhang Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 221 Stellwerk 60 – autofreie Siedlung in Köln Projektbogen Bauherr/Investor Treuhandgesellschaft Kontrola GmbH&Co KG Projektbeschreibung Auf dem ehemaligen Bahngelände ‚Stellwerk 60’ in Köln-Nippes realisiert der Investor etwa 400 Wohneinheiten für etwa 1000 Menschen, die autofrei wohnen möchten. Die zentrale Lage der Siedlung in Köln ermöglicht den Verzicht auf ein eigenes Auto, ohne gleichzeitig auch auf Mobilität verzichten zu müssen. Die mehrheitlich als Eigentumswohnungen bzw. Einfamilienhäuser ausgelegten Wohneinheiten bieten Grundrissgrößen von 45m² bis etwa 180m². Ein Teil der Gebäude sind als Solarpassivhäuser konzipiert. Das Projekt ist derzeit das größte autofreie Wohnprojekt in Deutschland. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 222 Hochbunker Köln-Nippes Projektbogen Bauherr Hohr Immobilien Architekten Luczak Architekten, Köln Projektbeschreibung In einem aus dem zweiten Weltkrieg stammenden Hochbunker in Köln-Nippes wurden im Jahr 2004 17 Wohnungen realisiert. Möglich wurde die Umgestaltung des Bunkers zu einem Wohnhaus erst durch den Einsatz diamantbesetzter Seilsägen, die erstmals eine bezahlbare Möglichkeit boten die meterdicken Betondecken zu durchschneiden. Das mit einer Anerkennung beim Innovationspreis Wohnungsbau des Landes NRW ausgezeichnete Gebäude vereint trotz hoher Verdichtung die Vorzüge des Geschosswohnungsbaus in zentraler Lage mit denen eines Einfamilienhauses: Gärten, Terrassen und flexible Grundrisse lassen attraktive Wohnräume entstehen. Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 223 Wohnwerft Rheinauhafen-Köln Projektbogen Architekten Oxen + Römer und Partner, Architekten Projektbeschreibung Am Rheinauhafen in Köln entstehen die Gebäude der sogenannten Wohnwer[f]t 18.20 als ein, in Anlehnung an die historischen Speicherhäuser gestaltetes, Ensemble aus unterschiedlichen, vor- und zurückspringenden Quadern Die Gebäude sind zur Stadtseite geschlossen und öffnen sich vollflächig zur Rheinseite hin. Durch unterschiedliche Ausschnitte und Lufträume entstehen vielfältige Räume, die individuelle Wohnlösungen erzeugen. Im Erdgeschoss der Gebäude befinden sich Büro- und Gewerbeeinheiten.