Alfred Neubauer „Der Mann der Tausend Tricks“
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Alfred Neubauer „Der Mann der Tausend Tricks“
Alfred Neubauer „Der Mann der Tausend Tricks“ Die Neutitscheiner Region und auch die Stadt Neutitschein (heute Nový Jičín) ist durch die große Zahl hier geborener Persönlichkeiten bekannt, die in den letzen drei Jahrhunderten in vielen Bereichen menschlichen Wirkens ihre Spuren hinterlassen haben. Der Historiker „Vater der Nation“ Franz Palacky, der Begründer der Genetik Johann Gregor Mendel, der Psychoanalytiker Sigismund Freud, der Sportler Emil Zatopek oder der Maler Zdenek Burian sind nur die Spitze des Eisberges einer großen Reihe von Persönlichkeiten, die hier geboren wurden. Unter die weltberühmten Größen des Automobil‑Renn sportes in der Welt und Formel 1 können wir zurecht den Rennleiter des Mercedes‑Teams Alfred Neubauer nennen. Er wurde am Ostersonntag, den 29. März 1891, als erster und einziger Sohn der Eheleute Karl und Marie Neubauer geboren und am 9. April im katholischen Ritus getauft. Seine Taufpaten waren Franz Wiesthal und Marie Subal aus Neutitschein. Vater Karl Neubauer war von Beruf Tischler und übte sein Handwerk im Jahre 1904 im Hause am Sophienring 4 aus (heute Štefanikova ulice). Mutter Marie war die Tochter des Tuchmachers Johann Wiesthal, in dessen Haus Alfred geboren wurde. Das Geburtshaus 725/5 besteht heute nicht mehr. Ursprünglich stand es in der Kobergasse (heute Ztracená ulice) in der nördlichen Häuserfront. Es wurde bei der Sanierung der Nieder‑Vorstadt von Neutitschein am Ende des 20. Jahrhunderts abgetragen. In der Wagenfabrik von Ignaz Schustala in Nesselsdorf (heute Kopřivnice), wohin sein Vater Tischlerprodukte lie‑ ferte, gewann der kleine Alfred Neubauer erste Erkenntnisse über bewegliche Maschinen. Die Herstellung von Pferde‑ droschken, Kutschen und Güterwagen in Schustalas Fabrik wurde im Jahre 1897, um ein neues Produkt erweitert. In diesem Jahr verließ das erste Personenauto Mitteleuropas, der „Präsident“ die Tore der Fabrik; ein Jahr später das erste Lastauto. Ihre Herstellung und Fahreigenschaften haben den jungen Neubauer direkt fasziniert. Er selbst verbrachte viel Zeit mit dem Beobachten der Entwicklung der Kraftwagen‑Konstruktionen, die im zwanzigsten Jahrhundert unter der Marke TATRA bekannt waren. Seine ersten Kontakte mit einem Automobil hatte Alfred Neubauer bei der Familie Hückel. Die Neutitscheiner Familie Hückel besaß am Ende des 19. Jh. die größte Hutfabrik in Mitteleuropa und hatte in ihrem Fuhrpark einige Automobile. In den Garagen der Familie standen nicht nur zwei Dampfwagen – sondern auch das älteste Automobil der Marke Daimler‑Benz. Fritz Hückel (22. 6. 1885 Neutitschein – 12. 1. 1973 München) war ein leidenschaftlicher Rennfahrer und lebenslang ein Freund Alfred Neubauers. Nach Beendigung der Bürger‑ und Höheren Real‑ schule in Neutitschein rückte Alfred Neubauer zur Österreich‑Ungarischen Armee als Kadett der K.u.K. Kavallerie‑Kadettenschule in Weißkirchen ein (heute Hranice na Moravě). Seine Kenntnisse erweiterte er auf der Kadetten‑Artillerieschule im niederösterreichi‑ schen Traiskirchen. Seine Armeeausbildung beendete er im Jahre 1911 als Fähnrich der Festungsartillerie beim Artillerieregiment Nr. 1 Franz Josef. Im Verlauf des ersten Jahrzehntes des 20. Jh. wurde die österreichische Artillerie schrittweise motorisiert. Alfred Neubauer nutzte die Gelegenheit, um zu seinen lebens‑ langen Lieblingen, den Automobilen zu gelangen und mel‑ dete sich freiwillig zur Ausbildung als Fahrer der Artillerie. Ab dem Jahre 1912 wurde er in den österreichischen 2| Geburtshaus von Alfred Neubauer, Foto aus dem Jahre 1965 Eintrag im Geburtsbuch von Neutitschein Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS Alfred Neubauer jako důstojník rakousko-uherské armády NEPŘELOŽENO Automobilwerken Austro‑Daimler ausgebildet, die in Wiener‑Neustadt Aufträge der Armee abwickelte. Hier lernte er Ferdinand Porsche, den Autokonstrukteur und Landsmann aus dem nordböhmischen Maffersdorf ken‑ nen (heute Vratislavice, Stadtteil von Reichenberg). Ihre Freundschaft dauerte Jahrzehnte lang. 1914 wurde durch das Attentat auf den Österreich‑ ‑Ungarischen Thronfolger der erste Weltkrieg entfesselt. Gleich am Anfang war Alfred Neubauer als Offizier‑Fahrer der erste, welcher eine österreichische Batterie überschwe‑ rer motorisierter Haubitzen – 30,5 cm Mörser Modell 11, DER MANN DER TAUSEND TRICKS | Alfred Neubauer die in den Škoda‑Werken in Pilsen (heute Plzeň) produziert wurden, befehligte. Diese Waffen wurden mittels Schlepper transportiert, an deren Fertigung Ferdinand Porsche betei‑ ligt war. Im Jahre 1917 wurde Oberleutnant Alfred Neubauer nach zweieinhalb‑jährigem Fronteinsatz in die „Kommission zur Übernahme von Artillerie‑Spezialfahrzeugen“ berufen. Diese hatte zur Aufgabe, die Artillerie mit Zugfahrzeugen nachzurüsten. Nach dem Kriege 1919 wurde Alfred Neubauer Abteilungsleiter in den Austro‑Daimler Automobilwerken, in denen Ferdinand Porsche als Chefkonstrukteur beschäf‑ tigt war. Im Jahre 1923 begab sich Ferdinand Porsche in die Daimler‑Motorengesellschaft Untertürkheim, um dort eine ähnliche Position wie in Wien zu beziehen. Mit ihm ging auch Alfred Neubauer. In das Werk Untertürkheim bei Stuttgart trat er am 1. Juli 1923 als Leiter der Wagenabteilung ein. Mit der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik erwarb Alfred Neubauer die Tschechoslowakische Staats‑ bürgerschaft. Nur schwer konnte er sich mit der tsche‑ chischen Bürokratie identifizieren. Seine fortwährenden Probleme mit dem Reisen endeten 1928 mit der Beendigung der Tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft. In der Nachkriegszeit versuchte Neubauer als Rennfahrer mit dem kleinen Fahrzeug von Austro‑Daimler „Sascha“ Fuß zufassen. Im Rennen Targa Florio auf Sizilien am 2. April 1922 erreichte er den 19. Platz inmitten des Startfeldes. Gemeinsam mit ihm fuhren Enzo Ferrari, Ugo Sivoci oder der Sieger Graf Giulio Masetti. Das war kein schlechter Erfolg, denn „Sascha“, benannt nach Porsches altem Freund Graf Alexander „Sascha“ Kolowrat‑ Krakowski, war ein klei‑ ner Wagen mit einem Gewicht von 598 kg und war kein Konkurrent der großen Sportwagen. Trotzdem blieb er mit nur 8 km/h unter der Durchschnittsgeschwindigkeit hinter den viermal stärkeren Wagen dieser Klasse. Von 42 startenden Wagen erreichten das Ziel der Targa Florio nur 26 Wagen, wobei Alexander Kolowrat, der die Tschechoslowakische Republik vertrat, durch eigenes Verschulden aus dem Rennen schied. |3 Zwei Jahre später, am 27. April 1924 besetzte Alfred Neubauer im selben Rennen in einem Mercedeswagen mit Zweiliter‑Kompressor‑Motor den 15 Platz in der Gesamtwertung, wobei Mercedes mit dem Fahrer Christian Werner sogar diese Strecke gewann. Für Neubauer war es in der Gesamtwertung seiner Kategorie der dritte Platz. Weitere Renn‑Versuche Neubauers wurden auf dem Semmering‑Rennen in Österreich fortgesetzt. Am 3. Mai 1925 nahm am Rennen Targa Florio in Italien ein weiterer Landsmann aus Neutitschein, Alfred Neubauers Freund Fritz Hückel, teil. Mit dem Wagen TATRA 12 besetzte er in der Klasse bis 1100 ccm den ersten Platz. Im Jahre 1926 entstand die deutsche Gesellschaft Daimler‑Benz AG durch den Zusammenschluß der Automobilwerke Daimler‑Motoren‑Gesellschaft und Benz & Cie. Die Ergebnisse ließen nicht lange auf sich warten. Beim Solitude‑Rennen auf der 22,3 km langen Strecke, un‑ weit des Schlosses Solitude bei Stuttgart am 12. September 1926 erscheint Alfred Neubauer das erste Mal als Rennleiter. Das war für ihn eine neue Herausforderung nach einer nicht allzu schwindelerregenden Kariere als Rennfahrer. Sie wurde ihm Ende des Jahres 1925 angeboten. Das Solitude‑Rennen brachte eine Wende. Neubauer hat hier mit Hilfe von Flaggen und Tafeln ein sinnreiches System ein‑ geführt, mit dem er seinen Fahrern im Laufe des Rennens taktische Informationen signalisierte. Die Rennleitung be‑ schwerte sich und verlangte die Beendigung seines selt‑ samen Treibens an der Rennstrecke, aber Neubauer blieb unbeugsam. Diese seine Neuerung, womit er die Fahrer über das Geschehen auf der Strecke informierte, wird bis heute bei den Formel 1 Rennen angewendet. Auf der AVUS‑Rennstrecke in Berlin 1926, beim von Deutschland vergebenen Preis, siegte Rudolf Caracciola mit einem Mercedes‑Wagen unter der Leitung des Rennleiters Alfred Neubauer. Das für Sportwagen ausgeschriebene Rennen war von Regen und einigen Unfällen begleitet, hatte den Tod von drei Kommissären zur Folge und be‑ wirkte die Verlegung des Rennens im folgenden Jahr auf den Nürburgring. Auch in den folgenden zwei Großen Preisen von Deutschland, dominierte der Mercedes‑Rennstall 4| Alfred Neubauer im Jahre 1922 als Fahrer des Automobils „Sascha“ beim Rennen Targa Florio“ mit seinen Fahrern. Caracciola, Otto Merz und Christian Werner belegten die ersten Plätze. Ein phantastischer Erfolg für Neubauer kam im Jahr 1931. In diesem Jahr siegte beim italienischen Straßenrennen Mille Miglia (Tausend Meilen) am 11. und 12. April erneut ein deutscher Fahrer aus dem Rennstall Mercedes‑Benz, Rudolf Caracciola, mit dem Wagen Mercedes‑Benz SSKL unter der taktischen Leitung von Alfred Neubauer. Um jeden Kontrollpunkt vor dem Eintreffen Caracciolas zu erreichen, absolvierte Neubauer mit seinem Team eine Fahrt kreuz und quer durch Italien. Das Rennen dauerte über 16 Stunden und die italienischen Fahrer, welche hier immer dominierten, gerieten wegen ihrer Niederlage in Verlegenheit. Caracciolas Renn‑Aktivität wurde 1933 wegen eines schweren Unfalls unterbrochen. Seine Rekonvaleszenz in der Schweiz wurde durch den tragischen Tod seiner Frau, die von einer Lawine verschüttet worden war, beeinträch‑ tigt. Der Rennfahrer Lous Chiron und Rennleiter Alfred Neubauer haben entscheidend zu seiner Genesung und Rückkehr zum Rennfahren beigetragen. Neubauers Neuerungen bei Sportwagen‑Rennen brach‑ ten auch einem weiteren bekannten Rennfahrer Lorbeeren: Manfred von Brauchitsch, der dem Sportteam Mercedes‑Benz eine Reihe weitere Erfolge errang. Insgesamt siegte er in drei Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS Grand Prix Rennen – 1934, 1937 und 1938, wobei er mit dem Sieg beim Grand Prix Rennen in Monaco einen Streckenrekord einfuhr, der 18 Jahre nicht überboten wurde. Beim ADAC‑Eifelrennen 1934 kam Neubauer mit der genialen Idee das vorgeschriebene Gewicht des Wagens dadurch zu verringern, indem man die weiße Lackierung der Karosserie bis auf das blanke Aluminium abkratzte. Die Entwicklung der Sportwagen am Anfang der dreißiger Jahre hatte zur Erhöhung ihres Gewichtes, das bis zu zwei Tonnen erreichte, geführt. Die Begrenzung kam gerade im Jahr 1934: das Leergewicht der Wagen durfte nur noch 750 kg betragen. Neubauers Wagen hatten aber 751 kg; durch das Entfernen der Farbe erreichte er das vorgeschriebene Gewicht. Die Fahreigenschaften des silbergrauen Wagens sicher‑ ten Brauchitsch einen berühmten Sieg und so entstand später auch die Benennung die „Silbernen Pfeile“. Die da‑ maligen Fahrer waren: Rudolf Caracciola, Manfred von Brauchitsch, Hanns Geier und der Italiener Luigi Fagioli. Neubauer war bei seiner Arbeit unbeugsam, fast perfek‑ tionistisch. Seine harten Forderungen gegenüber seinem Team brachten ihnen aber oft einen Zeitvorsprung vor den Konkurrenten. In den Jahren 1937–1939 siegten beim Großen Preis von Deutschland nur Wagen von Mercedes‑Benz unter der Leitung von Alfred Neubauer. Mercedes‑Benz war in den Jahren 1934–1939 das erfolgreichste Rennteam. Es errang 32 Siege und Rudolf Caracciola wurde 1935, 1937 und 1938 Europameister. Den vierten Titel fügte 1939 Hermann Lang hinzu. Daimler – Benz, gemeinsam mit Alfred Neubauer, be‑ faßte sich nicht nur mit Sportleistungen, sondern auch mit Geschwindigkeitsrekorden. Die Wagen der Konkurrenz AUTO‑UNION, konstruiert von Ferdinand Porsche, stell‑ ten in der Mitte der dreißiger Jahre eine Reihe von Geschwindigkeitsrekorden auf. Daimler‑Benz baute für ei‑ nen neuen Rekord einen revolutionären Wagen, bei dem die Bodenfreiheit so klein war, sodaß bei der Fahrt ein Unterdruck entstand und dadurch eine höhere Beherrschbarkeit er‑ reicht wurde. Auf einem abgesperrten Teil der Autobahn Frankfurt – Darmstadt überbot Rudolf Caracciola am DER MANN DER TAUSEND TRICKS | Alfred Neubauer 28. Januar 1938 zwei Geschwindigkeitsrekorde der Klasse B auf einen Kilometer und eine Meile und fliegendem Start mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 432,7 km/h. Neubauers Erfolge hatten auch Schattenseiten. Die Rivalität von Caracciola und Fagioli erreichte so ein Ausmaß, daß der italienische Fahrer offen die erfolgreiche Strategie von Neubauer kritisierte. Der Rennleiter Alfred Neubauer veranlaßte 1936 beim Grand Prix von Spanien und Belgien, daß er seine Geschwindigkeit herabsetzen und den ersten Platz an Carcciola überlassen mußte. Ende des Jahres ging Luigi Fagioli zur Konkurrenz. 1937 kam der hervorragende britische Fahrer Richard Seaman zum Team. Seine Kariere endete zwei Jahre später mit einem tödlichen Unfall in der 22. Runde beim Grand Prix von Belgien in Spa Francorchamps. Im Jahre 1937 siegte Alfred Neubauer zum ersten Mal mit seiner Mannschaft im Masaryk‑Grand‑Prix Rennen (VII. Jahrgang des Autorennens auf dem Masarykring) auf dem 29,1 km langen Autodrom in Brünn (heute Brno). Caracciola war am 26. September nach mehr als 437 km Erster; von Brauchitsch Zweiter. Die Kenntnis der tsche‑ chischen Sprache erleichterte Neubauer die Teilnahme an tschechischen Rennen und den Kontakt mit tschechischen Rennfahrern und ihren Teams. Den letzten Titel bei den europäischen Meisterschaften zwischen den Kriegen gewann im Jahre 1939 der junge deutsche Fahrer bei Mercedes‑Benz, Hermann Lang. Die Saison wurde jedoch durch den Ausbruch des Krieges vor‑ zeitig beendet. In diesen ruhmreichen Jahren 1934–1939 siegte das Mercedes‑Benz Team in 32 großen Rennen und wurde das erfolgreichste Team seiner Zeit. Der zweite Weltkrieg unterbrach die aktive Sport‑ arbeit von Alfred Neubauer und die Mercedes‑Benz Automobilwerke gingen zur Rüstungsproduktion über. Eine Wende kam erst nach dem Kriegsende. Vor Kriegsende, im Jahre 1944, führten die Luftangriffe der Alliierten zu der Vernichtung der Werke in Stuttgart; zwei Zweigniederlassungen wurden vollständig zerstört. Eine von ihnen war Untertürkheim, wo Alfred Neubauer 1944 als Werkmeister arbeitete. Nach dem Kriegsende kehrte |5 Rennfahrer Alfred Neubauer Neuheit von Alfred Neubauer – Signale bei Rennen 6| Alfred Neubauer mit seinem beliebten Fahrer Rudolf Caracciola Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS Die Geburt der „Silberpfeile“ 1934 Von rechts: Alfred Neubauer und Ferdinand Porsche mit ihren Fahrern und Freunden auf dem Nürburgring 1928 DER MANN DER TAUSEND TRICKS | Alfred Neubauer |7 Neubauers Körperhaltung an der Rennstrecke beim Rennen auf dem Nürburgring 1935 8| Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS VII. Großer Preis auf dem Masarykring in Brünn, 26. September 1937 Von links: Manfred von Brauchitsch, Alfred Neubauer, Richard Rudolf Caracciola und Alfred Neubauer Seaman, Herrmann Lang und Rudolf Caracciola, 1938 unterhalten sich beim Boxenstop 1934 DER MANN DER TAUSEND TRICKS | Alfred Neubauer |9 Start beim Grand Prix 1935 Von links: Herrmann Lang, Alfred Neubauer und Rudolf Caracciola beim Rennen auf dem Nürburgring am 26. Juli 1939 10 | Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS Vernichtetes Werk in Stuttgart nach Luftangriffen der Alliierten 1944 Geschwindigkeitsrekordversuche auf der Autobahn in Deutschland III. Carrera Panamericana Rennen in Mexiko 1952 DER MANN DER TAUSEND TRICKS | Alfred Neubauer Zwei Sieger: Alfred Neubauer und Juan Manuel Fangio | 11 Diskussion in den Boxen beim Großen Preis von Europa im Formel 1 Rennen auf dem Nürburgring, 1. August1954 Alfred Neubauer beim Rennen um den Großen Preis von Frankreich in der Formel 1 in Reims 4. Juli 1954 12 | Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS Die Spannung wächst – Karl Kling und Juan Manuel Fangio in führender Position beim Großen Preis von Frankreich der Formel 1 auf der Rennstrecke in Reims. 4. Juli 1954 DER MANN DER TAUSEND TRICKS | Alfred Neubauer | 13 Alfred Neubauer mit seinen Fahrern H. Lang, J.M.Fangio, K.Kling und H. Herrmann auf der Rennstrecke in Monza 1954 14 | Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS Juan Manual Fangio führt 26 Sekunden vor dem Argentinier Gonzales. Großer Preis der Schweiz in der Formel 1 auf der Rennstrecke in Bremgarten 22. August 1954 Alfred Neubauer mit seiner berühmten Stoppuhr – Nürburgring 1. August 1954 Großer Preis von Argentinien der Formel 1 auf der Rennstrecke in Buenos Aires 16. Jänner 1955 DER MANN DER TAUSEND TRICKS | Alfred Neubauer | 15 Symbolischer Ausstieg aus der Rennbeteiligung von Mercedes-Benz 24. Oktober 1955 Ehefrau Josefa Romana „Hansi“ Neubauer, geborene Ortbauer (*18.9.1893 – 24.5.1963) Alfred Neubauers Haus in der Martin-Luther Straße 8 in Aldingen Beim Besuch bei Neubauer am 12.7.1978 – von links Alfred Neubauer, Henriette Zemene, Anna Mayer, Elisabeth Junek (Eliška Junková) 16 | Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS Beerdigung von Alfred Neubauer auf dem Friedhof in Aldingen, August 1980 Alfred Neubauer bei der Arbeit im Museum Mercedes-Benz Museum in Stuttgart, Dezember 2008 DER MANN DER TAUSEND TRICKS | Alfred Neubauer Grab von Alfred Neubauer und seiner Gattin in Aldingen Dezember 2008 | 17 er zurück, um zu helfen, die Produktion wieder aufzuneh‑ men. Man muß noch das Verhältnis von Alfred Neubauer zu den Nationalsozialisten erwähnen, die ihn notgedrun‑ gen respektieren mußten. Dank seiner Position war er für sie „unantastbar“ und konnte sich Privat erlauben, man‑ che Schritte von Adolf Hitler zu kommentieren und bei Banketten in Deutschland bissige Parodien vorzutragen. Die Rückkehr zum Sport war bei weitem nicht einfach. Deutschland wurde nach dem Kriegsende geteilt und die Rückkehr der Marke Mercedes‑Benz ins Renngeschehen erfolgte erst Anfang der fünfziger Jahre. Der Einstieg in den internationalen Motorsport begann im Jahre 1951. 1952 gewann Karl Kling mit dem Wagen Mercedes‑Benz 300Sl unter der Leitung von Alfred Neubauer das letzte Rennen des Jahres, die Carrera Panamericana in Mexiko. Seit dem wurde Alfred Neubauer auch „Don Alfredo“ genannt. Einen wesentlichen Anteil an diesem Siege hatte die Erkundung der Landschaft und der Eigenschaften der Strecke noch vor dem Beginn des Rennens. Ein weiteres bedeutendes Rennen war das 24‑Studen Rennen in Le Mans. Auch hier gelang es Neubauer, den Sieg zu erringen. Der Fahrer Herrmann Lang mit dem Wagen Mercedes‑Benz 300SL gewann hier zum ersten Mal in der Geschichte des Rennens, welches mit kleinen Unterbrechungen schon seit 1923 ausgetragen worden war, mit einem deutschen Wagen. Vor dem Rennen kam Neubauer wiederum mit einer Neuheit: der Plan, bei un‑ vorhergesehenen Situationen wie abgefahrenen Reifen oder bei Ölmangel anzuhalten, was schließlich Herrmann Lang den Sieg brachte. 1950 tauchte im Automobilsport ein neues Phänomen auf – die Formel 1. Sie hatte ihren Ursprung im Wettbewerb Grand Prix Motor Racing der Zwischenkriegszeit und trat 1950 ins Sportgeschehen ein. Die neuen Formel 1 Rennen waren eine Herausforderung für Alfred Neubauer und Mercedes Benz mit seinem neuen Team, zu dem ab der zweiten Jahreshälfte der von der Konkurrenz Maserati ge‑ kommene Argentinier, Juan Manuel Fangio, gehörte. Noch in dieser Saison gewann er vier von den sechs restlichen Großen Preisen und wurde so zum zweiten Mal in seiner 18 | Kariere Weltmeister. Zu den zwei letzten Rennen wurde er von Neubauer sogar gezwungen, obwohl er den Titel schon sicher hatte. Weitere Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Die Saison 1955 war von Anfang an für Fangio und Neubauer, mit dem hervorragenden Mercedes‑Benz Wagen W196, vielversprechend. Argentinien und Belgien mußten sich ihrer Strategie und ihrem Können beugen. In vielen Wettbewerben, aber auch in weiteren sport‑ lichen Aktivitäten setzten sich die großartigen Einfälle Neubauers auf die Dauer durch. Nicht umsonst nannte man ihn „Der Mann der Tausend Tricks“. Für den Transport der Rennwagen kam er sogar mit dem Einfall eines schnel‑ len Lastwagens, der 1955 als Einzelexemplar gebaut wurde. Er war zur Demoralisierung der Konkurrenz bestimmt. Mit geladenem Rennwagen erreichte dieser Transportwagen eine Geschwindigkeit von 175 km/h. Im Verlauf der Saison 1955 kam der „Schwarze Tag“ des 11. Juni, an dem Neubauers Team mit dem neuen Wagen Mercedes‑Benz 300 SLR am 24‑Stunden Rennen in Le Mans teilnahm. Die Mannschaft bestand aus drei Fahrern: J. M. Fangio, Karl Kling und Pierre Levegh. Im Laufe des Rennens entschied sich einer der Fahrer, Mike Hawthorn, im letzten Moment an die Boxen zu fahren und kreuzte die Bahn des folgenden Fahrers. Dieser mußte jählings ab‑ bremsen, was dem ihm folgenden Mercedes Wagen von Pierre Levegh zum Verhängnis wurde. Dieser konnte nicht mehr angemessen reagieren, nur warnend mit der Hand J. M. Fangio winken. Levegh fuhr auf den vor ihm fahrenden Wagen auf, welcher ihn auf die voll mit Zuschauern besetz‑ ten Tribünen katapultierte. Der Motor trennte sich vom Wagen und bereitete wie ein glühender Meteorit Unheil. Gleich hinterher flog auch der Wagen mit dem Fahrer in die Tribünen, tötete an die achtzig Zuschauer und ver‑ letzte mehr als Hundert weitere. Die beiden übrigen Fahrer mußten aus Respekt vor den Opfern, von den zwei ersten Plätzen aus dem Rennen ausscheiden. Das Unglück wurde durch nicht ausreichende Sicherheitsvorkehrungen für die Zuschauer bei Rennen verursacht, was zum Beispiel bei der Schweizer Assoziation mit dem Verbot von Rennen endete, welches erst 2007 aufgehoben wurde. Alfred Neubauer | DER MANN DER TAUSEND TRICKS Nach dem tragischen Unglück gewann Mercedes‑Benz noch zwei weitere Grand Prix – die von Holland und Italien. Am 16. Oktober 1955 besetzten im Rennen Targa Florio Neubauers Wagen Mercedes‑Benz 300 SLR den ers‑ ten, zweiten und vierten Platz. Die Großen Preise auf dem Nürburgring und in Reims wurden für dieses Jahr abgesagt. Der tragische Unfall hatte ein Nachspiel in der Untersuchung von Neubauers Team in der Stuttgarter Zentrale. Trotz nicht festgestellten Verschuldens wurde das Team aufgelöst und Mercedes Benz zog sich für drei‑ ßig Jahre aus dem Hochleistungs‑Motorsport zurück. Das Zeremonial der Auflösung des Teams spielte sich am 24. Oktober 1955 in Stuttgart ab, wobei die Rennwagen mit einer weißen Plane abgedeckt wurden. Neubauer konnte sich der Tränen nicht erwehren. 1957 ging Alfred Neubauer in den verdienten Ruhestand und widmete sich einem ruhigen Familienleben gemeinsam mit seiner Frau Josefa Romana Neubauer, auch Hansi genannt. Sie stammte aus dem niederösterreichischen Retz, wo sie am 18. September 1893 in der Familie Ortbauer geboren wurde. Sie erlebte mit Alfred viele Siege und Niederlagen. Gemeinsam erbauten sie ein Haus in Aldingen, einer Gemeinde bei Stuttgart, in der Martin‑Luther Straße Nr. 8. Frau Hansi starb im Krankenhaus in Stuttgart im Mai 1963. Die Liebe zum Automobil begleitete Alfred Neubauer auch im Ruhestand. In den Jahren 1957‑1965 arbeitet er für die historische Abteilung der Daimler‑Benz AG, wo er sich an der Dokumentierung der Renn‑Geschichte des Werkes beteiligte. Der Lebensweg von Don Alfredo Neubauer nahm in der Nacht vom 21. zum 22. August 1980 im Hause in Aldingen sein Ende. Neubauers Gebeine sind auf dem dortigen Friedhof beerdigt. Auf der Grabplatte ist auch sein Geburtsort erwähnt – Neutitschein. Ein Teil sei‑ nes Lebenswerkes ist die Teilnahme an mehr als 160 Rennen, in denen er mit seinem Team viele Siege errang. Außergewöhnlich aber wurde Neubauers ganz originel‑ ler Beitrag zur Organisation und Leitung eines Teams bei Auto‑Rennen. Ein Teil seiner Neuerungen wurden sofort übernommen und werden bis in die heutigen Tage bei allen bedeutenden Wettbewerben im Motorsport verwendet. Radek Polách Alfred Neubauer „Muž tisíce triků“ Text © Radek Polách, 2010 Foto © Muzeum Novojičínska, příspěvková organizace, 2010 Spolupráce Stan Peschel, Daimler AG Vydalo © Muzeum Novojičínska, příspěvková organizace za finančního přispění Moravskoslezského kraje, 2010 Grafická úprava Repronis s.r.o., Ostrava Jazykové korektury Irena Jašíková Tisk Repronis s.r.o., Teslova 873/2, 702 00 Ostrava – Přívoz Vydání první Neprodejné Nový Jičín, 2010 Deutsche Version mit Unterstützung des Vereins ALTE HEIMAT Verein heimattreuer Kuhländler e.V. Übersetzung: Karl Gold 3/2011 ISBN 978‑80‑87359‑02‑0 www.muzeum.novy‑jicin.cz