8. Enantioselektive Reaktionen an prochiralen Doppelbindungen
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8. Enantioselektive Reaktionen an prochiralen Doppelbindungen
8. Enantioselektive Reaktionen an prochiralen Doppelbindungen 8.1 . Enantioselektive Hydroborierungen Eine der leistungsfähigsten Methoden zur Erzeugung chiraler sekundärer Alkohole ist heute die enantioselektive Hydroborierung mit nachfolgender Oxidation. Die Hydroborierung läuft in der Regel als reine syn-Addition an die Doppelbindung mit hoher Regiospezifität für das sterisch weniger gehinderte C-Atom. Die Regioselektivitäten sind hierbei bis zu 80-100%. Die syn:anti-Selektivitäten ca. 87:13 bis 97:3. Eines der gebräuchlichsten Reagentien ist das Diisopinocampheylboran (Ipc)2BH. Es reagiert sehr gut mit ungehinderten Z-Olefinen. Die E-Olefine reagieren langsamer und geben schlechtere Selektivitäten. Trisubstituierte Olefine reagieren auch mit schlechten Selektivitäten. B H B2H6 2 R1 = R2 = Me, 98%ee 2 R1 = R2 = Et, 95%ee R1 = iPr R2 = Me, 82%ee 1 2 R R R1 1) (-)-Ipc2BH 2) H2O2, NaOH 1) (-)-Ipc2BH 2) H2O2, NaOH R1 OH R2 R1 OH Das Monoisopinocampheylboran ist wesentlich reaktiver und natürlich daher auch schlechtern handzuhaben. Es zeigt auch moderate Selektivitäten bei E-Olefinen. Mit tribubstituierten Olefinen ergeben sich aus den E-Olefinen die syn Produkte und aus den Z-Olefinen die anti Produkte BH2 E-Alkene trisubstituierte Alkene 70 - 90 % ee 70 - 90 % ee In dem vorliegenden Beispiel ist das Edukt erneut eine prochirale Substanz, die zwei enantiotope Halbräume besitzt. Damit existieren, wenn ein chirales Reagenz angreift zwei diastereomorphe ÜZ. Die Reaktion über den energetisch niedrigsten ÜZ ist wieder die schnellere. Ein gutes Hydroborierungsreagenz ist das S,S-2,5-Dimethylborolan B + OH B H Hier liegt im Fall der Hydroborierung erneut eine starke Reagenzkontrolle der Stereoselektivität vor. Diese Hydroborierungen können auch katalytisch gestaltet werden. Als Hydroborierungsreagenz setzt man dann meistens Catecholboran ein. Katalysiert wird mit RhDiphosphin Komplexen, wie z.B. mit BINAP. Die erreichten ee-Werte liegen bei um die 95% ee. PCy2 Josiphos Cl O + HB O Me Fe PPh2 Cl Rh, Chiraler Kat. H2O2 / NaOH HO Ph 1) Catecholboran 2) H2O2 / NaOH Ph OH OH Katalysator = Rh-BINAP 8.2. Enantioselektive Hydrosilylierungen Hydrosilylierungen können wie Hydroborierungen zur Synthese chiraler Alkohole verwendet werden. Die Methode ist jedoch längst nicht so gut ausgearbeitet. Als Katalysatoren für Hydrosilylierungen fungieren Rh, Pt und Pd-Katalysatoren. Grundsätzlich verlaufen Hydrosilylierungen wie in den unteren Beispielen, in denen diastereoselektiv hydrosilyliert wird. OH Tetramethylsilazan OH (Me2HSi)2NH (Ph3P)3RhCl OH Tetramethylsilazan (Me2HSi)2NH Ph Ph H2PtCl6 HO HO OH Für eine enantioselektive Reaktionsführung müssen erneut chirale Katalysatoren eingesetzt werden. Katalysator H 1) HSiCl3, PdCl2, Katalysator 2) H2O/EtOH, Et3N, H2O2 OH PPh2 Fe "Tamao Oxidation" NMeR H CH3 1) HSiCl3, PdCl2, Katalysator 2) H2O/EtOH, Et3N, H2O2 OH "Tamao Oxidation" Deratige Reaktionen lassen sich vorteilhaft auch mit Pd-Katalysatoren durchführen PPh2 HO O OMe PdCl2 O Interessant die kürzlich ausgearbeiteten intramolekularen Möglichkeiten dieser Reaktion: (-)-DIOP RhC2H4Cl/2 (2mol%) OSiHAr2 H2O2, KF, KHCO3 Rh-Chiraphos H2O2 H Si Ph Ph homo-Allylsilan OH OSiHAr2 Me OH OH 66% Ausbeute, 93%ee Die Regioselektivität bei der Addition von Trichlorsilan an eine Doppelbindung ist (verzweigt:linear) zwischen 80:20 und 93:7. Bei 1-Aryl-1-alkenen kann die Regioselektivität auch 99:1 betragen. Die Enantioselektivitäten beragen ca. 71-85% ee. Si-H Pd.MOP Ar H Ar R * H2O2 R H Ar * R OH Si MOP PPh2 Eine interessante Anwendung der Reaktion: HSiCl3 Pd-Katalysator HO Ph-CHO DMF SiCl 3 Ph H 8.3 Enantioselektive Hydrierungen Der 1966 von Wilkinson entwickelte Hydrierkatalysator [RhCl(PPh3)3] ermöglicht die homogene Hydrierung aktivierter Doppelbindungen. Werden die PPh3-Gruppen durch chirale Gruppen ersetzt so gelingt die enantioselektive homogene Hydrierung. Heute gibt es eine vielzahl von chiralen Hydrierkatalysatoren mit denen aktivierte Doppelbindungen, Carbonylgruppen und auch Imin enantioselektiv hydriert werden können. Eine schnelle Hydrierung gelingt vor allem von α -(Acylaminoacrylsäuren). Diese Verbindungen besitzen eine Acyl-geschützte Enamin-Substruktur, die für das Gelingen der Hydrierung von entscheidender Bedeutung ist. Die enantioselektive Hydrierung dieser Substanzen ermöglich die Synthese enantiomerenreiner α -Aminosäuren, was heute zu einer Standardmethode geworden ist. Auf dieser Methode beruht z. B. die erste industrielle assymetrische Synthese von (S)-DOPA. O O COOH NHAc H2 L*RhI O O COOH NHAc HO HO H COOH NH2 Ein weiteres Beispiel: O Ph Ph O Ph Ru (S)-BINAP N H H2, 3 bar COOH Ph N H COOH Die enantioselektive Hydrierung von derartigen Doppelbindungen gelingt unter Verwendung von Katalysatoren mit Bisphosphin Liganden und Rh, Ru als Metall. Die chirale Information befindet sich hierbei nicht am Phosphor Atom. Bsp. der DIOP-Ligand. O PAr2 O PAr2 (-)-DIOP Allerdings ist mit dem obigen Katalysator das Substratspektrum der umsetzbaren Substanzen sehr eng. So sind lediglich die erwähnten Substanzen und Zimtsäure-Derivate problemlos umsetzbar. Das untenstehende Beispiel verdeutlich die Regioselektivitäten COOCH3 COOCH3 NHCOCH3 NHCOCH3 Das untenstehende Beispiel erläutert die erreichbaren Selektivitäten mit den Rh-Katalysatoren R2 CO2H [Rh]-Katalysator R2 CO2H R1 Ph H2, MeOH R1 Ph Fe PPh2 Me N Ph2P Me N R1 Ph CD3 Et Me R2 Me Me Me Et % ee 92 98 97 >94 Für eine brauchbare Synthese braucht man einem Enantiomerenüberschuß von mindestens 80% ee und eine anschließende Kristallisation um eine Steigerung auf > 98% ee zu erreichen. Das ist mit der Hydrierung in der Regel zu erfüllen. Die Katalysatoren selber sind sehr effizient. Man ereicht Substrat/Katalysator Verhältnisse von ca. 50.000. Die Reaktionen lassen sich auch in überkritischem CO2 und in ionischen Flüssigkeiten durchführen. Die Katalysatoren lassen sich auch an festen Trägern, wie z.B. Polystyrole, immobilisieren um eine Rückgewinnung zu ermöglichen. Die untenstehende Abbildung zeigt einige typische heute industriell angewendeten Katalysatoren. Der immer noch erfolgreichste Katalysatortyp fusst auf dem BINAP-Liganden, der von Noyori entwickelt wurde. Die untenstehende Abbildung zeigt drei typische BINAPbasierende Katalysatoren und die Substrate, die mit Ihnen und Wasserstoff zu den entsprechenden chiralen Produkten umgesetzt wurden. Das im ursprünglichen Wilkinson Katalysator verwendetet Rh wurde durch Ru ersetzt. Diese Ru-Katalysatoren zählen heute zu den erfolgreichsten Katalysator Systemen. 1995 wurde entdeckt, dass Ru-BINAP-Diamin Komplexe bevorzugt die Carbonylgruppe in α , β -ungesättigten Carbonylgruppen reduzieren, was eine Plethora neuer chiraler Bausteine für die Synthese zugänglich machte. Verwendet man unterschiedliche Metalle, so kann es passieren, dass man die Konfiguration des Liganden ändern muss um zu dem einen, gewollten Enantiomeren zu gelangen. Die Acylaminogruppe ist hierbei für die Koordination an das Metallzentrum entscheidend. COOR R1 NHAc R1 COOR COOR (S)-BINAP-Rh R1 COOR (S)-BINAP-Ru R1 NHAc NHAc NHAc R1 = Aryl Die BINAP Katalysatoren können allerdings Doppelbindungsisomerisierungen einleiten, wie das untenstehende Beispiel zeigt. So reagieren die Z-Substrate schnell und mit hoher Enantioselektivität. Die E-Olfine reagieren hingegen langsam und geben significante E/Z Isomerisierung während der Reaktion. COOR R1 (S)-BINAP-Rh+ NHAc COOR R1 NHAc R1 COOR (R)-BINAP-Rh+ R1 COOR (S)-BINAP-Rh+ NHAc NHAc 1 R = Aryl Ein Katalysator, der sowohl E als auch die Z-Enamide zuverlässig ohne Isomerisierung reduziert ist DuPhos (auch in alkoholischen Lösungsmittel). Hiermit reagieren auch die β , β -disubstituierten Substrate glatt zu den β -verzweigten α -Aminosäuren. Wie man oben sieht, lässt sich die Stereochemie am β -Zentrum durch die Konfiguration der Doppelbindung im Substrat kontrollieren. P DuPhos-Ligand P Heute werden sehr viele Ruthenium-Katalysatoren verwendet. Vor allem werden diese Katalysatoren für die enantioselektive Keton Reduktion eingesetzt. Neue Katalysatoren verwenden auch Iridium! Weniger aktivierte Doppelbindungen benötigen sehr viel drastischere Hydrierbedingungen (S)-BINAP-Ru H2, 100 atm O O O O (S)-BINAP-Ru H2, 100 atm O O O O R3 COOH R2 R1 (S)-BINAP-Ru H2, 100 atm COOH R3 COOH R R1 ** 2 (S)-BINAP-Ru H2, 40 atm O COOH O (S)-Naproxen Einfache β, γ - oder α, β -ungesättigte Carbonsäuren sind ebenso wie Allylalkohole, homoAllylalkohole oder nicht-aktivierte Doppelbindungen sehr schwierig zu reduzieren. Hier fehlen die für die Koordination an das Metall nötigen funktionelle Gruppen. Dieses kann erneut für regioselektive Hydrierungen ausgenutzt werden. (S)-BINAP-Ru COOH COOH (S)-BINAP-Ru OH OH *R R Zr O O 65% ee mit R = H Noyori synthetisierte später Katalysatoren mit Ruthenium, welche für Reaktionen mit Carbonylgruppen sehr geeignet sind. Z.B. Ru-BINAP Biscarboxylatkomplex: Ph Ph O P Ru P O Ph Ph Me O O R Ru-BINAP O HO COOCH3 O `R O COOCH3 OH OH R`` `R R`` Auch Imine lassen sich enantioselektiv hydrieren. Man erhält chirale Amine. N R1 NHCOPh R2 [Rh], H2 iPrOH, 0°C HN R1 NHCOPh NH2 SmI2 R2 R1 R1 Ph CO2Et CO2Et CHex R2 Me Me Ph Me % ee 92 89 91 72 R2 Allgemein haben die auf BINAP basierenden chiralen Katalysator bei der enantioselektiven Hydrierung von Doppelbindungen den Vorteil relativ grosser Substratbreite. Dieser Katalysator kann zur Hydrierung von Allylalkoholen, α -(Acylamin)-Acrylsäuren oder der Carbonylgruppe eines β -Ketoesters verwendet werden. Ph Ph P Ru Cl P Ph Ph Ru-BINAP Neuerdings werden auch Iridiumkatalysatoren für die enantioselektive Hydrierung vor allem von nicht-aktivierten Doppelbindungen entwickelt: Angew. Chem. Int. Ed. 1998, 37, 2897 R1 R2 R1 H2 R2 HetAr HetAr O R2P N Ir 8.4. R Weitere interessante Reaktionen an aktivierten Doppelbindungen 1. Michael Addition Die Michael Reaktion ist von unschätzbarem Wert in der organischen Synthese. Besonders weil das zunächst enstehende Addukt ein Enolat ist, welches weiterreagieren kann. Ist der erste Schritt enantioselektiv kann auch der zweite diastereoselektiv verlaufen. So werden gleich zwei neue Chiralitätszentren kreiert. Heute wird die selektive 1,4-Addition so erklärt, dass Lithium oder Magnesium an den Sauerstoff des Michael-Akzeptors koordinieren. Cu aber bildete als sehr weiches Metall zunächst einen d, π ∗ -Komplex mit dem π -System aus und überträgt dann das „Carbanion“ auf die 4-Position. Während Organokupfer Reagentien in der Regel effizient eine Michael-Addition eingehen, sind Organozink-Verbindungen hierzu auf Grund der geringeren Reaktivität nicht in der Lage. In Gegenwart kleiner Mengen an Cu oder Ni, sowie HMPA oder TMSCl findet aber eine Reaktion statt. Angenehm ist, dass diese Zn-Verbindungen entweder aus Alkenen nach Hydroborierung und Bor Zn Austausch oder aus den Grignard-Verbindungen leicht zugänglich gemacht werden können. Ein gut funktionierender Katalysator, der exzellente enantioselektive Michael-Reaktionen ermöglicht ist das von Feringa entwickelte Phosphoramidit. Es konnte gezeigt werden, dass der matched-Fall Eintritt wenn (R,R)-Bis(1-phenylethyl)amin und (S)-2,2’-Binaphthol kombiniert werden. Mit diesem Katalysator und Cyclohexenonen lassen sich ee-Werte von 93-98% realisieren. Addiert werden enantioselektiv Dialkylzink-Verbindungen in Gegenwart kleiner Mengen an Cu(OTf)2. Phosphoramidite O O Ph Katalysator R2Zn + Toluol, -30°C, 3-12h R1 R1 R1 R1 O P N O R 4mol% Ph 93-98%ee + Cu(OTf)2 2mol% Das intermediär gebildete Zn-Enolat kann durch Aldehyde abgefangen werden, wodurch dann ein zweites Stereozentrum entsteht. trans-cis O R2Zn + OZnR Katalysator Toluol, -30°C, 3-12h O R1-CHO H trans-trans O OH H OH + R R R trans-erythro trans-threo PCC O H O >91%ee R Die direkte Michael Addition von stabilisierten Kohlenstoffnukleophilen wie Malonate oder Nitroalkane ist möglich, wenn der Katalysator zwei Eigenschaften besitzt. Zum Einen muss er eine hohe Brønsted Basizität besitzen, damit das Enolat gebildet werden kann. Gleichzeitig muss der Katalysator Lewis-sauer sein damit er die Carbonylkomponente aktivieren kann und damit sich eine fester Komplex bilden kann aus dem heraus das Kohlenstoffnukleophil enanatioselektiv übertragen werden kann. Katalysatoren, die diese Anforderungen erfüllen sind die von Shibasaki eingeführten bimetallischen Substanzen (bifunctional catalysis). Die untenstehende Tabelle gibt einen Einblick in Reaktionsdauern und erzielte ee-Werte. Der vorgeschlagene Katalysezyklus ist unten dargestellt. Die zwei unten aufgeführen Beispiele sollen die Einsatzmöglichkeiten dieser Katalysatoren verdeutlichen 2. Hydroformylierung: Me O H2 / CO 180 atü H z. B. 70% ee chiraler Rh-Katalysator Der Mechanismus der Hydroformylierung: H H L2 Rh L2 Rh CO CO CO R CO R L2 Rh CO CO CO L2 Rh + O R L2 Rh O H H L2 Rh R R L2 H Rh CO O H R 3. Die katalytische enantioselektive Cyclopropanierung Elektronenreiche Alkene und Diene wie z.B. Vinylether lassen sich gut enantioselektiv cyclopropanieren. Nicht sehr effizient verläuft die Reaktion mit elektronenarmen Alkenen wie z. B. α , β -ungesättigten Nitrilen oder Ketonen etc. Die Cyclopropanierung leitet sich im Prinzip von der Simmons-Smith Reaktion her, bei der Alkene mit Methyliodid und Zn/Cu umgesetzt werden. Hier werden eben sehr elektrophile Carbenspezies eingesetzt und der Übergangszustand ist früh. CH3-I Zn/Cu R2 R1 R1 R2 In der enantioselektiven Variante fungieren Cu-Bisoxazoline als Katalysatoren und Verbindungen wie N2=CHCOOMe (Methyldiazoacetat) als Carbenquelle (allgemein: Diazocarbonylverbindungen wie Diazoketone oder Diazoester). Intermediär scheinen sich Metallcarbenkomplexe zu bilden, die als metallstabilisierte Carbokationen verstanden werden können. LnM C N2 C Z MLn, -N2 Z R D D D CZR R Diazoverbindung MLn C Z LnM R R Als Katalysatoren fungieren z.B. C2-symmerische Cu-Bisoxazolin Komplexe O A R' R A N O N Cu L R' R A = H oder Me R' = H oder tBu oder Phenyl R = Me, Ph, tBu, iPr L Betont werden muss, dass in dieser Reaktion die Diastereoselektivität nicht wirklich gut kontrolliert werden kann. In der Regel liegen die trans:cis Verhältnisse der Produkte zwischen 60:40 und 85:15. Die Wahl der Substituenten R hat auf dieses Verhältnis nur einen kleinen Einfluss. Oft erhält man das trans-Produkt mit höherem Enantiomerenüberschuss. Z cis N2=CHCOOMe Kat* Ph trans H H Ph R COOMe Ph R H R COOMe H 60% 40% 24% ee >99% ee Industrielle Anwendung der Cyclopropanierung 8.5. Jacobsen-Katsuki Epoxidierung Asymmetrische Epoxidierungen können prinzipiell mit chiralen Persäuren durchgeführt werden. Allerdings sind die erzielten Enantiomerenüberschüsse in der Regel < 20% ee. Die chirale Information ist scheinbar zu weit entfernt um in den diastereomorphen Übergangszustand signifikante Energieunterschiede erzeugen zu können. Bessere Ergebniss erzielt man mit chiralen Dioxiranen und Oxaziridinen. Hiermit sind ee-Werte von bis zu 73% ee realisiert worden. R2 R4 R1 R3 R1 R2 O R2 [O] R4 R1 R3 O O R1 2 R O NR Chirale Oxaziridinium-Salze und chirale Dioxirane lassen sich auch vorteilhaft in situ herstellen. O R2 1 R R2* [O] 3 O * O O N R1 R3 R O O BPh4 + Oxone = Kaliumhydrogenpersulfat KOOSO2OH Sehr interessante Enantioselektivitäten erhält man mit dem aus der Fructose zugänglichen Reagenz das unten gezeigt ist. Hier konkurriert allerdings die Epoxidierung der Doppelbindung mit der Bayer-Villiger Oxidation des Reagenzes. Man muss deshalb basisch arbeiten, um diese konkurrierende Reaktion zu unterdrücken. O O + Ph O O O Oxone, pH > 8 H2O, MeCN, -15-0°C O Ph 93% Ausbeute, 92% ee In der Natur werden derartige Epoxidierungen enantioselektiv von Enzymen, sogenannten Monooxidasen ausgeführt. Hier sind vor allem die Cyctochrom P450 Enzyme zu nennen, die innerhalb eines Porphyrin-artigen Liganden ein Eisenatom komplexieren. Aus diesem Eisen wird durch Sausterstoff eine Oxometall-Spezies erzeugt, die hervorragend Doppelbindungen epoxidiert. Abgeleitet von den Enzymen wurden daher chirale Porphyrinliganden entworfen und für Epoxidierungen genutzt. Als Metall wurde sowohl mit Fe eines als auch mit Mn und einer externen Sauerstoffquelle, bei der es sich oft um das Iodosylbenzol oder -mesitylen handelt gearbeitet. So lassen sich in der Tat enentioselektive Epoxidierungen mit moderaten ee-Werten von 10-60% erzielen. R* O O NH N *R R* N HN I O + O O O O Iodosylmesitylen N Cl Mn N ON N O *R R* wurde und wird verändert! P450 Modelle! O O Überbrücktes Porphyrin als P450 Modell von Collman Sehr effiziente Katalysatoren sind die von Jacobsen und Katsuki entwickelten SalenKomplexe die vor allem als Mn(III)-Komplex effiziente Katalysatoren sind. R A N 1 N Mn A R2 R O O A Cl R3 + B NaOCl R R2 B O * 1 R (0.5 - 8 mol%) * R3 bis zu 97% Ausbeute und 98+% ee Ein sehr guter Katalysator zusammen mit der katalysierten Reaktion ist unten dargestellt. H H * * N N Mn O O Cl Ph COOEt NaOCl 8% Kat. O Ph COOEt er 98 : 2 JACS 1991, 113, 7063 Dieser Katalysator ist vor allem für die Epoxidierung von cis-di und trisubstituierte Olefine zu empfehlen. Für tetrasubstituierte Olefine muss der Katalysator auf die vorhandenen Reste abgestimmt werden. Katalysator A mit A = Me, B = Isobutyl, und R = Ph ist hier empfehlenswert. Mechanistisch verläuft die Epoxidierung im Fall konjugiert stabilisierter Olefine möglicherweise radikalisch, was es dem Intermediat erlauben würde, durch eine Bindungsrotation zu isomerisieren. Tatsächlich beobachtet man das. So enstehen aus den ZOlefinen oft Gemische. Bei niedriger Temperatur lässt sich die Rotation unterdrücken. In Gegenwart von Ammoniumsalzen hingegen wird die Rotation beschleunigt und es entstehen ausschliesslich die aus den E-Olefinen erwarteten Produkten. Diese Methode erlaubt daher den selektiven Zugang zu enantiomerenreinen trans-Stilbenoxiden! R Ph R Mn(V)=O O Mn(IV) Ph R Ph O R = Me oder H R Ph R O Mn(IV) Ph O Beispiele für enantioselektive Epoxidierungen mit diesen Katalysatoren finden sich in der untenstehenden Tabelle Wohin geht die Reise bei der Epoxidierung? Neben dem Erreichen höherer ee-Werte und dem Finden allgemein anwendbarer Katalysatoren werden Verfahren entwickelt, in denen umweltfreundliche Oxidationsreagentien wie O2 oder H2O2 eingesetzt werden können. Jacobsen und Que haben Katalysatoren entwickelt, die nun sogar mit harmlosem Eisen operieren das ja auch von der Natur verwendet wird. Diese Komplexe sind wahre P450 Modelle. Als Oxidationsmittel konnte H2O2 eingesetzt werden. Beide Systeme sind aber noch in der Entwicklung. So sind die ee’s im Fall des Que Katalysators gut, aber die Ausbeuten noch schlecht (35%). Der gezeigte Jacobsen Katalysator ist noch achiral. (C&EN, 23. Juli 2001, Seite 9). JACS 2001, 123, 7194 JACS 2001, 123, 6722 H2O2 C8H17 H3C N O C8H17 Fe C5H11 OH H2O2 HO 85% Ausbeute kein ee CH3 N N H3C H3C N N N Jacobsen Katalysator CH3 N Fe C5H11 CH3 82% ee aber nur 38% Ausbeute N H3C CH3 Que Katalysator 8.6. Enantioselektive cis-Hydroxylierung (B. Sharpless) Die enantioselektive cis-Dihydroxylierung gehört heute zu den leistungsfähigsten Methoden zur Funktionalisierung von nicht-aktivierten Doppelbindungen. Zwei Reaktionen, die Sharpless-cis-Dihydroxylierung und die cis-Aminhydroxylierung erlauben es mit Hilfe chiraler Hilfsstoffe, Doppelbindungen enantioselektiv zu funktionalisieren. Grundsätzlich handelt es sich um die schon aus dem Grundstudium bekannte cis-Dihydroxylierung mit Osmiumtetroxid. Schon Criegee beobachtete, dass die Reaktion in Gegenwart von Aminen sehr stark beschleunigt wird. Diese Beobachtung nutzt das Sharpless-Verfahren aus. Die cisDihydroxylierung wir in Gegenwart chiraler Amine durchgeführt. Die Reaktion wird mit dem schon in groben Zügen von Criegee vorgeschlagenen Mechanismus erklärt: Mechanismus: [3+2] Cycloaddition R O O Os O O + NR3 O O R O Os R O NR3 O O Os O O NR3 OH Hydrolyse R NMO oder Kaliumferricyanid R R OH + OsO2 Criegee-Mechanismus, Liebigs Ann. Chem. 1936, 522, 75. Frenking und Mitarbeiter konnten durch Quantenmechanische Berechnungen zeigen, dass ein konzertierter [3+2] Mechanismus, statt des ebenfalls möglichen [2+2] Mechanismus wahrscheinlich ist (Veldkamp. Frenking, J. Am. Chem. Soc. 1994, 116, 4937). Im Liganden NR3 wird die chirale Information untergebracht. Das OsO4 sehr teuer und auch giftig ist wird die Reaktion heute vorteilhaft katalytisch durchgeführt. Der Katalysator OsO4 wird durch entweder durch Zugabe von NMO (N-Methyl-morpholin-N-oxid) oder von Kaliumferricyanid regeneriert Die NR3 Ligandenoptimierung ist eine sehr wichtige Arbeit, die auch im Fall der cisDihydroxylierung eine Reihe von Liganden ergeben hat, die je nach Olefin Anwendung finden. Alle chiralen Amine lassen sich jedoch im Fall dieser Reaktion auf die Pseudoenantiomeren Dihydrochinidin (DHQD) und Dihydrochinin (DHQ) zurückführen. Die Liganden unterscheiden sich durch die Art des Substituenten an der sekundären OH-Gruppe. Die heute gebräuchlichsten Liganden sind die Dimeren [(DHQD)2-PHAL] und [(DHQ)2PHAL], oder seit neuestem auch die Anthrachinon (AQN)-verbrückten Liganden. Die AQNDimere eignen sich insbesondere für terminale Olefine und einige verzweigte aliphatische Olefine. R O N H O O N R H H O H N N Dihydrochinidin (DHQD) quinidine Dihydrochinin (DHQ) quinine N N R N N ODHQD R ODHQ R ODHQ PHAL-Liganden R ODHQD O O AQN-Liganden O O Insgesamt wurden mehr als 250 Derivate der Alkaloide getestet. Die Reaktion ist sehr leicht durchzuführen. Sie ist nicht sauerstoffenpfindlich und man benötigt sogar etwas Wasser um die sonst ratenbestimmende Hydrolyse des Os(VI)monoglycolatesters zu beschleunigen. Tatsächlich scheint bei 1,2-disubstituierten Olefinen und bei trisubstituierten Olefinen -nicht jedoch bei ungehinderten endständigen Olefinen- die Hydrolyse des OsO4-Adduktes ratenbestimmend zu werden. In diesen Fällen ann man 1 Eq. Methansulfonamid zur Reaktion zusetzen, was die Reaktion beschleunigt und die ee’s verbessert. Bei Verwendung der oben aufgeführten Katalysatoren müssen die zum Beispiel die folgenden Reaktionsbedingungen eingehalten werden: 1 mmol Olefin in Aceton/H2O oder in t-Butanol/H2O lösen. 3 mmol Kaliumferricyanid (Hiermit ist auch eine Elektrokatalyse möglich) oder 2 mmol NMO, sowie 3 mmol K2CO3 zugeben. 0.01 mmol Katalysator (DHQD)2-PHAL oder (DHQ)2-PHAL und Osmiumtetraoxid als H4K2OsO6 (0.002 mmol) bei 0°C zugeben. OH HO OK Os KO OH OH Kaliumosmat-(VI)-dihydrat Heute sind fertige Reagenzmischung käuflich erhältlich. Sie werden unter dem Namen ADMix- β bzw. AD-Mix- α verkauft. Mit (DHQD)2-PHAL ≡ AD-mix- β Der Angriff erfolgt von der β -Seite Mit (DHQ)2-PHAL ≡ AD-mix- α Der Angriff erfolgt von der α -Seite Das Originalrezept für diese Mischungen (1 kg) lautet: 699.96g K3Fe(CN)6, 294g K2CO3, 5.22g (DHQD)2-PHAL oder (DHQ)2-PHAL, 0.52g K2OsO2(OH)4. Will man etwas reaktivere Mischungen, so kann die Menge an K2OsO2(OH)4 auf 2.6 g um den Faktor 5 hochgesetzt werden. Entscheidend bei der cis-Dihydroxylierung ist erneut die enorme Ligandenbeschleunigung, die das Amin verursacht. Die Beschleunigung ist so gross, dass die nicht-enantioselektive Reaktion des Olefins mit nicht-komplexiertem K2OsO2(OH)4 vernachlässigt werden kann. Unter den Origonal Reaktionsbedingungen werden von 10.000 Molekülen trans-Stilben mit Hilfe von 20 Molekülen OsO4 bei 96%ee ca. 9600 vom Aminkomplex cis-dihydroxyliert. Nur 400 werden direkt vom OsO4 angegriffen. Mit dem unten stehenden Mnemonik ist es meist möglich die Seite von der das Reagenz das Olefin angreift vorherzusagen. Bei der cis-Dihydroxylierung gilt jedoch, dass das je nach Substitutionsmuster und nach der aktuellen Raumerfüllung der Reste durchaus auch abweichende Selektivitäten beobachtet werden. An der exakten Bestimmung der Produktkonfiguration geht also kein Weg vorbei. Das Olefin wird wie unten angegeben in dem Schema plaziert. Et OR N H O HO H RS N RL OH H RM K2OsO2(OH)4 K3Fe(CN)6, K2CO3 t-BuOH/H2O 1:1 v/v Et N RS RM H HO OH RL OR H H O N Die Enantioselektivitäten sind rein empirisch abgeleitet, daher müssen Vorhersagen mit Vorsicht genossen werden. Hier nur suggestiv. Cis-Dihydroxylierung von Olefinklassen: • Monosubstituierte Olefine reagieren gut mit guten ~70-90% Enantiomerenüberschüssen O 50-80% ee O 50-80% ee • trans-disubstituierte Olefine, sind die besten Substrate. Es werden sehr gute Enantiomerenüberschüsse erzielt und die Reaktionen verlaufen schnell. ´R R`` O O COOEt >90% ee • 1,1`-Disubstituierte Olefine sind bislang eher sporadisch als Substrate verwendet worden. Die erreichten Enantiomerenüberschüsse sind ordentlich, wenn sich die Substituenten räumlich starlk voneinander unterscheiden. • Trisubstituierte Olefine werden ebenfalls zum Teil mit sehr guten Enantiomerenüberschüssen Dihydroxyliert • cis-disubstituierte Olefine sind mit die am schwierigsten einsetzbaren Substrate. Die errecihten Enantiomerenüberschüsse sind oftmals nur mässig (60-80% ee) • Tetrasubstituierte Olefine, z.B. Silylenolether geben sehr gute Enantiomerenüberschüsse von bis zu 97% ee. Die Reaktionsgeschwindigkeiten können niedrig sein, was die Verwendung von Rezepten mit bis zu 1% K2OsO2(OH)4, 5 mol% Ligand und bis zu 3 Eq. Methansulfonamid verlangt. OTMS R OTMS OH HO O R HO R Interessant sind heute auch die polymergebundenen Liganden, die sich leicht durch Filtartion abtrennen lassen. 8.6.1 Doppelte Diastereoselektivität Setzt man die die enantioselektive cis-Dihydroxylierung bereits ein chirales Olefin ein, so wird aus der enantioselektiven Reaktion eine diastereoselektive Reaktion. Man erhält nun jenachdem welchen chiralen Liganden man für die Reaktion wählt entweder den matched Fall, in dem der dirigierende Einfluss des Substrates und der des chiralen Additivs gemeinsam in die gleiche Richtung wirken und den mismatched Fall in dem entgegensteuernde Effekte auftreten. Oft, aber nicht immer wird der dirigierende Einfluss des Substrates durch den chiralen Liganden überschrieben (Reagenz- oder hier Ligandenkontrolle). Allerdings wird im mismatched Fall die Ligandenkontrolle abgeschwächt, was zu schlechteren Selektivitäten führt. Um die Substratkontrolle abschätzen zu können setzt man das Substrat am besten zunächst ohne die Zugabe des chiralen Amins um. MeOOC MeOOC HO BnO BnO O BnO BnO BnO O BnO MeO OsO4 DHQD-CLB DHQ-CLB MeOOC HO OH 10.3 1.3 20.5 OH O BnO BnO BnO OMe : : : OMe 1 1 1 OH S O OH Ph OH 2.5 40 1 OsO4 DHQD-CLB DHQ-CLB : : : OH 1 1 16 In allen solchen Fällen erhält man im matched Fall sehr viel höhere Diaseteroselektivitäten. 8.6.2 Folgereaktionen Interessant sind die nach der cis-Dihydroxylierung möglichen Folgereaktionen. So lassen sich die Diole sehr effizient in cyclische Sulfite umwandeln. Diese können -nach anfänglichen Schwierigkeiten- heute effizient mit RuO4, oder RuO4/NaIO3 (Periodat) zu den cyclischen Sulfaten aufoxisiert werden. Die cyclischen Sulfate verhalten sich wie Epoxide, d.h. die können leicht durch viele Nukleophile unter Inversion der Konfiguration am betroffenen CAtom geöffnet werden OH R1 R2 OH SOCl2 CCl4 O S R1 { RuO4 O R2 O Cyclische Sulfite NaIO3 RuCl3 CH3CN H2O O R1 O S O R2 O Cyclische Sulfate O O S R1 O R2 O Nu: H-, F-, N3-, PhCOO- O Cycl. Sulfat 1 R SCN-, PhCH2-, RNH2 R C CI- SO3R2 OH H2O R2 R1 Nu Nu Interessant ist die folgende Variante: Bei Umsetzung eines cyclischen Sulfates mit Benzamidin entsteht zunächst unter Inversion der Konfiguration an beiden C-Atomen ein Imidazolin, welches zum Diamin hydrolysiert werden kann. O O O S O Ph Ph H2N Ph HN NH Ph Benzamidin N NH2 AcOH HBr Ph Ph Imidazolin Ph NH2 Ph Die Synthese chiraler Epoxide aus den Diolen lässt ist auf zwei Wegen möglich. 2,3Dihydroxyester lassen sich selektiv an der 2-Position monosulfonylieren. In Gegenwart von Base wird dann das Oxiran gebildet. OH COOMe Ph OH ClSO2Ar OH COOMe Ph (OTs)OSO2Ar K2CO3, MeOH O COOMe Ph Alternativ können die 1,2-Diole auch mit Trimethylorthoacetat in 1,3-Dioxolan-2yliumkationen überführt werden, aus denen durch einen nukleophilen Angriff mit Chlorid Acetoxychloride gewonnen werden können. Diese reagieren in Anwesenheit von Base zu den Epoxiden. Der nukleophile Angriff erfolgt im Fall von Arylolefinen an der benzylischen Position. Im Fall aliphatischer Diole wird das Halogenatom an der stersich weniger gehinderten Seite eingeführt. OMe OMe OMe Ph OH HO + Me Cl Me3SiCl OAc Ph O K2CO3 MeOH Ph Trimethylorthoacetat K2CO3 MeOH MeCOBr Ph O Br Ph Nu O OAc 8.6.3. Sharpless Aminhydroxylierung Die Aminhydroxylierung ist längst nicht so gut ausgearbeitet wir die cis-Dihydroxylierung. Neben der Enantioselektivität gilt es nun auch noch die Regioselektivität in den Griff zu bekommen. Grundsätzlich gilt. Das Amin wird an der β -Position eingeführt an der eine negative Ladung am besten stabilisiert ist. β zum elektronenziehendsten Substituenten. Unten ist eine Aminhydroxylierung gezeigt. Ts Ph 4% OsO4, 5% L* TsNClNa, t-BuOCl CO2Me Ph Angew. Chem. 1996, 108, 449 NH O OMe OH er 94.5 : 5.5 Die Abbildung unten verdeutlicht den Mechanismus. O Os O O O O + ClN-X O O Os L* N-X O O Os N-X O L* R R R O O Os N O L* X R R -L* + ClN-X O O Os N O N X X OH Hydrolyse R R R OH 1 Die Hydrolyse des Intermediates 1 ist erneut ratenbestimmend, weshalb die Reaktion in wässrigem Medium durchgeführt wird. Die Selektivitäten werden durch denselben Sachzusammenhang wie bei der cis-Dihydroxylierung beschrieben. Es kann das gleiche mnemotechnische Hilfsmittel verwendet werden. Problematisch ist auch die Tatsache, das Intermediat 1 mit einem Alken zu einem Bisaddukt reagieren kann. Intermediat 1 verfügt aber nicht mehr über den chiralen Amin-Liganden, weshalb die Weiterreaktion dann ohne bemerkenswerte Induktion ablaufen würde. Die Hydrolyse von 1 in 50%-Wasser ist aber so weit beschleunigt, dass dieser Nebenweg nicht beschritten wird. Die Aminhydroxylierung konkurriert auch mit der cis-Dihydroxylierung. Die Aminquelle wird deshalb in grossem Überschuss eingesetzt. Als Quelle für den Stickstoff fungiert meistens ein Nitren aus einem Sulfonamid, Carbamat oder Amid. Besonders beliebt ist das Chloramin-T oder Chloramin-M. R O S O O BnO NClNa R = p-Tol, Chloramin-T R = Me, Chloramin-M O NClNa H3C NBrLi O TMS O NClNa Eine Anwendung: Die Synthese von cis und trans α, β -Diaminocarbonsäuren (K. Janda, J. Org. Chem. 1998, 63, 2045). (DHQ)2PHAL (5mol%) K2Os2(OH)4 (4mol%) CbzNHCl (300mol%) O O CbzHN MeCN, H2O, 90%ee O CbzHN O O O OH OMs NaN3 Reduktion Hydrolyse mit H+ Me3SiN3 t-BuOK, THF Reduktion Cbz O N Hydrolyse mit H+ H2N O O OH OH NH2 cis Ein weiteres Beispiel: H2N O NH2 trans 1 2 (DHQ)2PHAL (5mol%) K2Os2(OH)4 (4mol%) BnOCONHCl (310mol%) NHCbz OH MeCN, H2O, 90%ee OH NHCbz 1:1 RuCl3, H5IO6 oder TEMPO, NaOCl 1 : 2 = 55 : 45, 1: 93%ee NH2 O O NHCbz OH 8.7. Die Sharpless Epoxidierung Die Sharpless Epoxidierung von Allyl- und homo-Allylalkoholen ist eine der verlässlichsten asymmetrischen Synthesen. Benötigt wird ein Allyl- oder homo-Allylalkohole (die letzteren geben schlechtere (Diethyltartrat Ergebnisse), DET Alkylhydroperoxid oder (meist ein Ti(IV)-alkoxid, Diisopropyltartrat DIPT) tert-Butylhydroperoxid, einer und selten chiraler als Weinsäureester Sauerstoffquelle Cumylhydroperoxid ein oder Tritylhydroperoxid). Setzt man Molekularsieb zu, so kann die Reaktion katalytisch bezüglich des Ti-Weinsäurekomplexes gefahren werden, was die direkte Weiterfunktionalisierung der Produkte sehr erleichtert. In der Reaktion werden ausschliesslich die Allylalkohol-Funktionen epoxidiert. Alle anderen im Substrat vorhandenen Doppelbindungen incl. Allylether werden in der Reaktion nicht! umgesetzt. tert-BuOOH Ti(OiPr)4, 3Å Molekularsieb OH HO COOEt HO COOEt O OH L-(+)-DET (6-12 mol%) Die Selektivitäten in der Reaktion folgen meistens dem unten stehenden Schema. Ausnahmen bilden Allylakohole mit chiralen Substituenten an C-1, C-2 und/oder C-3. In diesen Fällen können unter Umständen andere Seitenpräferenzen auftreten. Wir der Allylalkohol wie im unteren Schema in die Papierebene gelegt, so erfolgt die Sauerstoffübertragung mit D-(-)DET von oben mit L-(+)-DET von unten. Die chirale Information, die sich möglicherweise im Substrat befindet, wird in der Sharpless Epoxidierung durch das DET in der Regel überschrieben. Es gilt eine strenge Additivkontrolle der Stereoselektivität. Verwendet amn Substrate mit einem weiteren Substituenten an C-1, so erfolgt die Sauerstoffübertragung wie oben beschrieben. Allerdings befindet sich in einem Fall (mismatched) der Substituent in Richtung O-Übertrageung, was die Geschwindigkeit der Reaktion stark beeinträchtigt. Im matched Fall ist der Substituent auf der anderen Seite. In diesem Fall wird mit der normalen Rate der Sauerstoff übertragen. Statt einer geändertern Stereoselektivität beobachtet man also sehr stark unterschiedliche Raten. Dieser Ratenunterschied kann so stark werden, dass das mismatched Substrat quasi gar nicht umgesetzt werden kann. Dieses ermöglicht hervorragende kinetische Razematspaltungen wie im unteren Beispiel verdeutlicht wird. O OH OH R R tert-BuOOH Ti(OiPr)4, 3Å Molekularsieb L-(+)-DET (6-12 mol%) OH OH R R tert-BuOOH Ti(OiPr)4, 3Å Molekularsieb OH R D-(-)-DET (6-12 mol%) O OH R Eine erfolgreiche kinetische Razematspaltung hängt demnach in erster Linien von den Ratenunterschieden ab mit denen die enantiomeren Allylalkohole reagieren. Diese Ratenunterschiede werden durch die Art des Weinsäureestern massgeblich mitbestimmt. So steigen die Ratenunterschiede in der Regel stark an wenn man vom Dimethyltartrat über das Diethyltartrat zum Diisopropyltratrat geht, wie die tabellierten Beispiele zeigen. Das Verhältnis der Raten kfast/kslow mit denen die beiden Enantiomeren reagieren nennt man auch die relative Rate krel. Diese relative Rate hängt vom Umsatz und von der Enantiomerenreinheit des verbliebenen Allylalkohols ab. Diese drei Parameter a) krel, b) Umsatz und %ee des verbliebenen Allylalkohols hängen mathematisch voneinander ab. Eine grafische Darstellung des Zusammenhanges gibt das untenstehende Diagramm. Deutlich zu sehen ist, das relative Raten ab ca. 25 für eine gute kinetische Razematspaltung (50% Umsatz) ausreichend sind. S − Faktor = k rel = k fast > 25 k slow relative Raten bei 0°C DMT DET OH DIPT %ee relative Rate bei -20°C 60 83 83 C6H13 OH 15 28 74 >96 104 38 60 96 >96 83 13 82 16 C6H9 OH CH3 OH C2H5 Die Sharpless Epoxidierung ist kompatibel mit einer grossen Zahl funktioneller Gruppen, was ihren Wert als Methode in komplexen Naturstoffsynthesen enorm steigert. Sie kann durchgeführt werden in Gegenwart von: Acetalen, Ketalen, Acetylenen, entfernt liegenden Alkoholen und Phenole, Aldehyden, Amiden, Aziden, Estern und Carbonsäuren, Epoxiden, Ethern, Mercaptanen und Thioether, Hydraziden, Ketonen, Nitrilen, Nitrogruppen, Olefinen, Silylethern, Sulfonen, Sulfoxiden, Tetrazolen, Harnstoffen, Urethanen, Aminen, Phosphinen. Allylalkohole selber sind gut zugängliche Ausgangsmaterialien. Sie lassen sich durch z.B. Carbonylolefinierungen oder auch aus Propargylalkoholen gut aufbauen. R (COCl)2, DMSO NEt3 OH R Horner-Emmons (trans-selektiv) O R R DIBAL-H H COOR' OH E-Allylakohol Still-Gennari (cis-Selektiv) R R DIBAL-H COOR' OH Z-Allylakohol R-X + Lindlar H2, Pd/C, Chinolin CH2OR R R + H2CO R OH Z-Allylakohol CH2OH Birch, e- in NH3 Hydrozirkonierung Hydroaluminierung R OH E-Allylakohol Anwendung der Sharpless Epoxidierung. Hier soll exemplarisch nur auf die Synthese von Zuckern mit ihren vielen stereogenen Zentren aufmerksam gemacht werden. In der Tat wurden mit dem dargestellten Synthesecyclus alle 8 möglichen L-Hexosen synthetisiert. Die Synthese beginnt mit Benzyloxyacetaldehyd 1, welcher durch eine Wittig Reaktion und nachfolgende Reduktion mit DIBAL-H in den Allylakohol 2 überführt wird. Es folgt eine katalytische Sharpless Epoxidierung. Durch eine basenkatalysierte Payne-Umlagerung wird ein Gleichgewicht zwischen den Epoxiden 3 und 4 eingestellt. Das primäre Epoxid wird nun selektiv mit Phenylthiolat aus dem Gleichgewicht zu 5 entfernt. Das Thiophenolat reagiert hierbei regioselektiv nur mit dem primären C-Atom des primären Epoxids. Das Diol 5 wird nun nachfolgend als Acetonit zu 6 geschützt. Es folgt die Oxidation des Sulfids zum Sulfoxid und eine Pummerer Umlagerung zum Acetoxythioacetal 7. Reduktive Hydrolyse zum Aldehyd 8 ermöglicht die Wiederholung des ganzen Synthesezyclus bis zu den Hexosen. CH3OP(O)CH2COOCH3 DIBAL-H OBn CHO (+)-DET, Ti(OiPr)4, tert-BuOOH OBn Wittig 1 2 O Sharpless OH S Abfangen des primären Epoxides OBn S-Ph O 8.7. Schützen S-Ph 6 4 Payne Umlagerung Pummerer Umlagerung O O S-Ph O Methyl-Sulfoxid OBn H O O O O HO OBn 1) mCPBA 2) Ac2O + 5 OBn O O H MeO HO HO OH 3 OBn OBn OBn H S-Ph OAc OAc O O OBn H O S-Ph O O O OAc 1eq. DIBAL-H H2O S-Ph 7 OBn O O CHO 8 Desymmetrisierungen Alle oben genannten Reaktionen und Katalysatoren können auch verwendet werden um symmetrische Verbindungen so zu desymmetrisieren, dass am Ende eine chirale Verbindung gebildet wird. Hierbei geht man oft von meso-Verbindungen aus (haben eine Spiegelebene im Molekül), die dann in das eine oder andere Enantiomere überführt werden. So kann eine symmetrische Verbindung mit einer chiralen Substanz umgesetzt werden, wobei zum Teil erhebliche Diastereoselektivitäten beobachtet werden. OH OTBS TBSO HOOC + O O O O O 15:1 dr, 75% Ausbeute 1) Ar*NH2 O O 1) LiBH4 2) CH2N2 O O O CONHR* 2) H+, H2O O O NH2 NHC5H11 Ar*NH2 = Auch der Einsatz der oben beschriebenen Katalysatoren kann zum Erfolg führen. Unten sind zwei Beispiele gezeigt, wie symmetrische Epoxide zu asymmetrsichen Verbindungen geöffnet werden können. R TMS-N3 O Kat. R R t-Bu-SH O Kat. R R N3 HO N R OH O R OH Cr O Cl O O S-tBu R OH N O Ga O Li Lewis-Säure Broensted-Base Eine Anwendung dieser Reaktion: O O HO Shibasaki O S-tBu S-tBu O 1) SO3, Pyridin, DMSO 2) NaIO4 TBSO TBSO TBSO TBSO 90% Ausbeute, 98%ee Weitere Möglichkeiten bieten die Epoxidierung und die cis-Dihydroxylierung von Sharpless (-)DIPT Ti(OiPr)4 tert-BuOOH OH OH O OTES OTES K2OsO2(OH)4, K2CO3 K3Fe(CN)6, tBuOH/H2O OH OH Zur Desymmetrisierung haben sich vor allem enzymatische Reaktionen wie z.B. Veresterungen oder Esterspaltungen sehr bewährt. HO Candida antarctica Lipase OH HO OAc Ac2O, Et3N COOMe 90% Ausbeute, >99%ee COOMe PLE, 93%ee NHX NHX COOMe COOH OAc OH PLE, 93%ee R R OAc OAc pro-S HO OH HO HO PLE OH AcO OH OAc 78% Ausbeute, 100%ee pro-R Eine Anwendung der enzymatischen Desymmetrisierung AcO OAc HO Enzym, PPL OAc 87% Ausbeute, 92% ee N HO HO HO HO NH2 O OsO4 N OH HO HO N N Aristeromycin OAc OH Die besten Enzyme, sind billig, einsetzbar ohne besonderes biochemisches Equipment und zeigen eine hohe Substratbbreite bei gleichbleibend hohem ee-Wert der Produkte. Heute werden die Eigenschaften von Enzymen u.a. durch evolutive Methoden bzg. Der Substratspezifität und dem erzielbaren ee-Wert optimiert. Enzyme werden heute als zellfreie Pulver feilgeboten und so auch eingesetzt. Einige Enzyme können hingegen nur in der Zelle funktionieren. Dann setzt man der Reaktion ganze Zellen zu. Nun muss das Substrat durch die Zellmembran diffundieren können. Viele Enzyme benötigen zusätzliche Cofaktoren für die chemische Tranformation. Setzt man der Reaktion ganze Zellen zu, so sind die Cofaktoren in der Regel vorhanden. Bei Verwendung zellfreier Enyzme müssen die Cofaktoren oft zugesetzt werden. In diesem Fall bereitet die Cofaktoregenerierung manchmal Schwierigkeiten. Durch gekoppelte Enzymreaktionen lässt sich der Cofaktoreinsatz dann vorteilhaft katalytisch gestalten. Problematisch ist oft auch die mangelnde Löslichkeit der Substrate in Wasser. Hieraus erklärt sich warum in der Chemie hauptsächlich Lipasen zum Einsatz kommen. Diese arbeiten auch im Organismus an der Öl/Wasser Grenzschicht und sind daher in Gegenwart organischer Lösungsmittel recht stabil. Müssen andere Enzyme eingesetzt werden, so können diese an festen Trägern immobilisiert werden. Enantioselektive Hydrolysen lassen sich auch mit organischen Katalysatoren durchführen, wie sie z.B von G. Fu entwickelt werden. Katalysator, chirales DMAP MeN OH HO OH Ac2O, NEt3, 0°C AcO N Fe Katalysator 8.8. Enantioselektive Protonierungen und Deprotonierungen Mit Hilfe von chiralen Lithiumbasen lassen sich auch prochirale acide H-Atome stereoselektiv entfernen. So können mit Hilfe chiraler Basen symmetrische Epoxide in Allylalkohole umgewandelt werden. Das Prinzip ist das Gleiche wie bei der Unterscheidung von enantiotopen Seiten in einem Molekül. Durch Assoziation mit einem chiralen Reagenz z.B. einer chiralen Base werden die enantiotopen Gruppen im Übergangszustand zu diastereotopen Atomen und Gruppen. H N N H BuLi O OH 97% Auseute ee > 90% In tetradeuteriertem Cyclopentanon lassen sich selektiv die pro-S D-Atome durch H-Atome austauschen NMe2 O D D D D O NH2 D H H D Auch n-BuLi kann durch Zugabe der chiralen Base Spartein zu einer chiralen Base werden. H H H N H Boc Retention der Konfiguration n-BuLi (-)Spartein E+ Li(Spartein) N Boc n-BuLi (-)Spartein N Boc Me Me N Boc E = MeI, Spartein MeI Me N Li(Spartein) N Boc Me Me N Boc N H Mit Hilfe dieser chiralen Basen lässt sich selektiv der pro-R oder pro-S Wasserstoff an einer Methylengruppe abstrahieren. Cl n-BuLi (-)Spartein O H H OH Cl H O Cl MeI OH Li(Spartein) O OH H Me Retention Auch die beiden prochiralen H-Atome von cis-2,6-Dimethylcyclohexanon lassen sich mit einer chiralen Base differenzieren. Die beiden H-Atome werden also mit unterschiedlicher Geschwindigkeit abstrahiert. Allerdings kann das Enolat von beiden Seiten durch das Allylbromid angegriffen werden. Das führt zur Razemisierung. H O Ha Ph N Li Ha' O Ph 65% Ausbeute, 25%ee Br H Ph N Li O Ph Br Man kann das Enolat auch mit Trimethylsilylchorid abfangen. Dann erhält man bessere eeWerte. N O Ph N H N Li OSiMe3 Ph 73% Ausbeute, 96%ee Me3SiCl Nocheinmal zur Verdeutlichung: Enantiotope und Diastereotope Protonen H Enantiotop H H O Enantiotop H Diastereotop