als PDF - Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus

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IMPRESSUM
Herausgeber_in:
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
im Abgeordnetenhaus von Berlin
Niederkirchnerstraße 5, 10111 Berlin
Telefon: 030/2325-2400
Mail: [email protected]
WWW.GRUENE-FRAKTION-BERLIN.DE
Redaktion: Dirk Behrendt, Alexander Klose
Transkription: Words on Demand, Julia Gerdes
Deckblatt: hawemannundmosch GbR
Auflage: 250 Stück
Diese Publikation darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden.
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INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
S. 4
Dirk Behrendt
EINLEITUNG
S. 5
Dirk Behrendt
GRUßWORT
S. 7
Thomas Heilmann
INTERNET FOR INMATES IN NORWAY
S. 11
Bent Dahle Hansen
DER PLANTTEGEL: INTERNET AUS DER JVA
S. 17
Jörg Heger
DIE SICHT DES BERLINER VOLLZUGSBEIRATS
S. 23
Olaf Heischel
WISSENSCHAFTLICHE PERSPEKTIVEN
S. 28
Florian Knauer
DISKUSSION
S. 32
DIE REFERENTEN
S. 43
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VORWORT
Für das erste Quartal 2013 ist von der Berliner Justizverwaltung der Entwurf für
ein Strafvollzugsgesetz Berlin angekündigt. Darin wird auch der Außenkontakt
der Gefangenen zu regeln sein. Von Briefen, über Pakete, Telefonieren und Besuche.
Der Musterentwurf der 10 Bundesländer vom September 2011 verzichtet zwar
anders als das geltende Strafvollzugsgesetz auf eine ausdrückliche Regelung
von Telegrammen. Ansonsten findet sich zur elektronischen Kommunikation
oder Information aus dem Internet in § 36 nur eine ausgesprochen vage und
restriktive Regelung. Danach kann der Anstaltsleiter nach Zulassung anderer
Formen der Telekommunikation durch die Aufsichtsbehörde den Gefangenen
gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. Ein ausdrückliches Recht
der Gefangenen hierauf fehlt, obwohl beides im Leben draußen kaum noch
hinweg zu denken ist.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt sich für eine Öffnung der Knäste für
elektronische Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten ein. Um gemeinsam zu überlegen, welches die ersten Schritte sein könnten, veranstalteten wir ein Fachgespräch, welches hiermit dokumentiert wird.
Dirk Behrendt
November 2012
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EINLEITUNG
Dirk Behrendt
Meine Damen und Herren ich begrüße Sie ganz herzlich im Namen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus zu unserem heutigen
Fachgespräch. Anlass unseres Gespräches ist die im kommenden Jahr anstehende Beratung des Berliner Strafvollzugsgesetzes. Dort bestünde die Chance,
und die wollen wir dann auch nutzen, uns dem Thema „Strafvollzug und Internet“ auch gesetzgeberisch zu nähern und auszuloten, was in diesem Bereich
möglich ist. Dem soll die heutige Veranstaltung dienen.
Ich begrüße ganz herzlich auf dem Podium zunächst den Senator für Justiz des
Landes Berlin Herrn Heilmann, der sich bereit erklärt hat, ein Grußwort zu sprechen. Ein Grußwort deswegen, weil er einen Anschlusstermin hat und an der
Diskussion nicht wird teilnehmen können. Aber die Justizverwaltung ist hochkarätig vertreten mit Herrn Dr. Meinen, dem Abteilungsleiter Strafvollzug. Dass
neben mir auch sonst nur Herren sitzen, ist für die Grünen untypisch und ich
bitte das zu entschuldigen.
Olaf Heischel vertritt die Zivilgesellschaft in den Berliner Knästen, wenn man
das so sagen will. Er ist seit vielen Jahren Vorsitzender des Berliner Vollzugsbeirates und vermutlich vielen hier im Raum bekannt.
Er war auch an einem Projekt beteiligt, über das uns Jörg Heger berichten wird,
nämlich am „Planet Tegel“. Über dieses 1998 begonnene Modellprojekt wird
uns Jörg Heger detailliert berichten. Dabei ging es nicht so sehr darum, dass die
Gefangenen Internetangebote nutzen, sondern dass sie das Leben im Knast für
Außenstehende über das Internet darstellen. 14 Jahre später kann man wohl
sagen, dass Jörg Heger ein Pionier war, was diese Bemühungen angeht und er
wird uns auch erzählen, was daraus geworden ist.
Florian Knauer hat an der Humboldt-Universität zum Thema „Strafvollzug und
Internet“ promoviert. Ich glaube es gibt in der Bundesrepublik niemanden, der
sich länger und intensiver mit den Rechtsfragen, die hier auch eine große Rolle
spielen, beschäftigt hat.
Aus Norwegen begrüße ich Bent Dale Hansen, Mitarbeiter im norwegischen
Justizministerium. Er hat dort die Öffnung des Vollzuges für Internetangebote
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begleitet und wird uns darüber berichten. Wir hielten es für eine sinnvolle Idee,
einmal über den deutschen Tellerrand hinaus zu schauen und uns berichten zu
lassen, was andere europäische Länder machen, weil z.B. Holland, Großbritannien und auch Norwegen in dieser Frage zum Teil weiter sind als wir. Von Herrn
Hansen wollen wir uns berichten lassen, was in Norwegen heute schon möglich
ist und wie man dort mögliche Widerstände überwunden hat, die es natürlich
immer gibt: Bedenkenträger von allen Seiten.
Ich bin Dirk Behrendt, seit 2006 rechtspolitischer Sprecher der grünen Fraktion.
Ich übergebe das Wort an Herrn Heilmann, den Justizsenator. Bitte schön.
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GRUßWORT
Thomas Heilmann
Lieber Herr Dr. Behrendt, ich bin Ihrer Einladung sehr gerne gefolgt, weil wir
den Diskurs über diese Frage nach meiner Überzeugung in Berlin brauchen.
Weder meine Verwaltung noch ich selbst haben bereits abschließende Antworten zu der Frage, wie wir mit dem Thema Internet im Strafvollzug umgehen.
Insofern bin ich an den Ergebnissen dieser Diskussion sehr interessiert – auch
an Ihrer Präsentation, Herr Hansen. Da ich selbst aus terminlichen Gründen nur
am Beginn der Veranstaltung werde teilnehmen können, bin ich sehr froh, dass
Herr Dr. Meinen hier bleiben wird, so dass ich hinterher eine objektivierte Zusammenfassung erhalten werde. Da Herr Dr. Meinen auch den Entwurf des
neuen Strafvollzugsgesetzes verantworten wird, ist es in doppelter Hinsicht
nützlich, dass er heute teilnimmt und die Erkenntnisse mitnimmt.
Für die, die mich nicht kennen: Ich bin 20 Jahre Unternehmer gewesen, ganz
wesentlich auch im Internetbereich, so dass „IT“ für mich kein kulturell fernes
Phänomen ist. Ich würde den Umgang mit dem Internet klipp und klar als Kulturtechnik bezeichnen. Insofern stellt sich in jedem Fall die Frage, in wie weit
wir nicht gehalten sind, diese Kulturtechnik Strafgefangenen zugänglich zu machen; denn sie sollen ja hinterher ein straffreies Leben führen und mit den kulturellen Dingen des Lebens vertraut sein. Man kann sich in vielen Bereichen
schon heute ein Leben ohne Internet immer schwerer vorstellen – und das wird
in den nächsten Jahren eher zu- und nicht abnehmen. Insofern bin ich, wenn
Sie so wollen, sehr naiv in die Debatte eingestiegen, indem ich gesagt habe: Wir
müssen da irgendwie eine Lösung finden. Bei der näheren Beschäftigung habe
ich vor allen Dingen viele praktische, weniger rechtliche Probleme, Herr Dr.
Knauer, identifiziert – die rechtlichen halte ich für lösbar.
Die Frage ist: Wie kommen wir aus den Interessenskonflikten heraus? Dazu eine Vorbemerkung: Ich habe gelernt, dass Gefangene weniger die Nutzung des
Internets selbst anstreben, denn das günstige Telefonieren. Also wenn Sie über
die Interessen der Gefangenen nachdenken, dann ist das günstige Telefonieren
in der Priorität viel höher als das günstige Surfen. Ich bin mir gar nicht sicher, in
welchem Umfang Angebote, die wir machen würden, wirklich genutzt würden.
Aber das ist für mich kein entscheidender Einwand. Wir haben neben den In7
vestitionsfragen vor allen Dingen die Frage zu klären, wie wir dafür sorgen können, dass im Strafvollzug keine Straftaten begangen werden und schon gar
nicht mit Einrichtungen, die wir den Gefangenen zur Verfügung stellen – dass
also im konkreten Fall das Internet zur Nutzung von Straftaten benutzt wird.
Hier sind insbesondere zwei Dinge wichtig: Erstens das Streuen und Verbreiten
von Informationen, die außerhalb des Strafvollzuges zur Begehung von Straftaten genutzt werden. Zweitens müssen wir uns leider mit dem Phänomen der
Kinderpornographie und dem Betrachten von Kinderpornographie im Strafvollzug auseinandersetzen. Mir ist von einem offenbar sehr pfiffigen Strafgefangenen berichtet worden, der sich über Kleinteile die eingeschmuggelt worden
sind, einen Computer zusammengebaut hat und den Fernseher als Bildschirm
genutzt hat, um Kinderpornographie darauf zu betrachten. Eigentlich sollte
man diesem jungen Mann beibringen, wie er seine Energie und seine technischen Kompetenzen für etwas Nützlicheres einsetzt. Aber wir haben es da leider mit einer schwierigeren Klientel zu tun.
Zusammengefasst heißt das: Wie verhindern wir eigentlich Straftaten? Wie
können wir hier vernünftige Lösungen finden – auch und gerade bei Gefangenen, bei denen zu befürchten ist, dass sie mit Hilfe des Internets Straftaten oder anderen Missbrauch begehen. Schalten wir da einfach ab? Das ist einfacher
gesagt, als getan. Es gibt im Strafvollzug eine Art Handelsszene, in der dann
derjenige, der Zugang hat, genötigt wird, von demjenigen der keinen Zugang
hat, diese Informationen zu beschaffen, weiter zu geben oder Informationen
nach draußen zu tragen. Das haben wir sogar beim physischen Ein- und Ausschmuggeln von Gegenständen – also werden wir das auch bei dieser Frage haben. Das heißt, wir haben eine ganze Reihe von praktischen Fragen, die wir klären müssen. Herr Heger vielleicht haben Sie da als Softwareentwickler innovative Ideen? Man kann zum Beispiel mit einer White-List arbeiten. Diesen Ansatz
haben wir im Bereich Jugend- und Kinderschutz umfangreich debattiert und
eigentlich keine Lösung gefunden, weil durch die White-Labels – also das Eintragen in eine Liste der Seiten, die man benutzen darf – ein enormer Pflegeaufwand entsteht. Und bei einer Black-List besteht die Gefahr, dass sie von jedem, der im Internet bis drei zählen kann, sofort umgangen wird. Selbst wenn
ich eine einzelne Seite gesperrt kriege, bekomme ich den Inhalt im Internet
eben doch auf andere Weise. Das ist das ganze Problem beim Sperren von Kinderpornographie – mir ist da jedenfalls keine Lösung bekannt. Nun darf aus
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meiner Sicht die Antwort nicht sein: Na gut, dann geht`s eben nicht! Sondern
wir müssen uns auf einen Lernpfad begeben. Da gibt es zaghafteste Ansätze
auch im Berliner Strafvollzug. Es gibt ein paar Gefangene, die an der Fernuniversität Hagen zum Studium zugelassen sind und deren Webportal nutzen dürfen. Es gibt im Rahmen von schulischer und beruflicher Qualifizierung mit der
Technischen Universität Berlin ein Projekt, wo „getunnelte“ Lernsoftware genutzt wird. Im Moment diskutieren wir, ob wir in Charlottenburg einen Pilotbetrieb einführen, um uns tastend an das System heranzuführen und eine Lernkurve zu haben. Damit wir sagen können: Wo wird es eigentlich missbraucht,
wo wird es nicht missbraucht, etc. Wir sind mit dem Lernen aber nicht so
schnell, dass wir jetzt schon wissen, welche rechtliche Regelung wir hinbekommen. Nach dem heutigen Stand der Diskussion könnte ich mir eine Öffnungsklausel im Strafvollzugsgesetz vorstellen, wonach wir das im Vollzug jedenfalls ausprobieren dürfen. Wir können nach meinem Dafürhalten aber nicht
schon heute sagen, dass wir ein Recht des Strafgefangenen auf freien Internetzugang werden einführen können.
Das ist aus meiner Sicht der Stand der Debatte. Ich will in aller Offenheit zugeben, dass wir bisher keine wirklich kluge Lösung haben. Nun lernen wir heute
von Norwegen und der anschließenden Diskussion, an deren Ergebnissen ich
sehr interessiert bin.
Ich will es bei diesen einleitenden Worten belassen, weil die Diskussion wahrscheinlich spannender ist als mein Grußwort. Ich bedanke mich noch einmal
abschließend für Ihr Interesse und für Ihre Einladung.
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ZWISCHENBEMERKUNG
Dirk Behrendt
Herzlichen Dank Herr Senator Heilmann. Zwei kurze Anmerkungen: „Internet
und Strafvollzug“ war ja eines der ersten Themen, die Sie im Januar in der Öffentlichkeit als Reformidee geäußert haben. Wir wollen das aufgreifen und wir
werden das weiterhin positiv begleiten weil wir da an der gleichen Seite des
Stranges ziehen. Zum anderen haben Sie auch gesagt, dass Sie immer offen für
Gespräche sind – über Regierungs- und Oppositionsgrenzen hinweg. Deswegen
begrüße ich es außerordentlich, dass Sie heute Abend unserer Einladung gefolgt sind und hier auch als Regierungsmitglied bei einer Veranstaltung der Opposition die einführenden Worte gesprochen haben. Das ist leider im Lande
Berlin alles andere als selbstverständlich. Herzlichen Dank noch einmal und ich
übergebe – wie angekündigt – das Wort an Herrn Hansen.
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INTERNET FOR INMATES IN NORWAY
Bent Dahle Hansen
I am an Information and Communication Technology (ICT) advisor for the
School Authorities responsible for prison education in Norway, and a part of
the development team of the national ICT solution in Norwegian prisons
Norway has a centralized solution that delivers the internet. Other countries,
like Sweden, use it to deliver a learning management system. Sweden does not
have internet access, but they have a learning platform in the centre. Some nations such as Germany, Bremen, use this centralized solution to deliver programs. In a centralized solution you will actually have more control because
you can see what is happening on every computer. If you have thousands decentralized computers you have no control.
The national solution is named IFI – which is short for Internet for Inmates. Every prisoner in Norway has a right to education. There are 3.600 prisoners in 54
prisons and all prisons offer education. 40-50% of the prisoners participate in
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different educational programs. In the educational program the focus is on five
basic skills: Reading, writing, oral skills, numeracy and the use of ICT. Note that
the use of ICT is considered as important as reading. It shows the stress that is
put on ICT in schools and is why the national ICT solution IFI was developed.
The internet solution in prison education differs from the ordinary internet
without restrictions that is found outside the prison walls. Prisoners in high security prisons are not able to communicate with anyone outside the prisons
walls by using IFI. This makes the user experience of the internet solution within the prison walls quite different from what the user experience would be on
the outside.
Another important restriction is that prisoners are not allowed access to all
web sites. The filter in IFI limits the access to the web and blocks access to web
sites that are related to drugs, pornography or how to commit new crimes. The
correctional facilities control the inmates' internet use by tracing all the inmates' activity on the web. Even though everything is traced on this secure internet some prisoners are denied access to the system. Prisoners who are considered too dangerous or are not willing to change their ways, might be denied
access to the internet for inmates-solution.
In IFI every classroom computer is a part of a central domain. The computers
are connected to central servers, and the servers are controlled by the Department of Justice. There is no direct connection between prisons. The network is shaped like a big sprout with the servers in the middle. The central controls the user access to the network, what software is installed on the computers and also the internet access. This is where the filter is situated. There is no
local filter, it is all centralized.
Security is divided into two parts: a technical part and routines. The routines
are written in cooperation with the educational authorities and correctional
services. The paper divides responsibility between the school in prison and
prison staff and describes how to deal with issues such as the use of memory
sticks and digital cameras.
There is also a contract that the student has to sign before he can access IFI.
When signing the contract, the student agrees to, amongst other things, only to
store files as prescribed and not to search the internet for information on other
prisoners, prison staff or teachers. The latter is due to the fact that it is not pos12
sible to block the search for names without blocking the search function altogether.
The internet filter is based on a system of different categories. Web pages are
classified into different categories, such as education, news, social networking
or sports. Some of these categories are open, like education or news, others
are blocked, like social networking.
There are more than 100 different categories in the system, and a web page
can be classified as more than one category. A magazine such as Hunters Magazine will be classified as a web page in the hobbies and recreational category,
but since there are weapons in the magazine, it will also be classified in the
weapon category. This category is blocked, and so is the magazine web page.
When one category is blocked web pages classified to belong in this category
will also be blocked, regardless of being classified into other open categories.
In high security prisons there are about 20 categories that are opened up for
the inmates, whereas approximately the double number is opened up to prisoners in low security prisons.
It is possible to give access to particular web pages, or block unwanted web
pages, regardless of what category they fall under.
In addition to this system of categories there is a communication filter in high
security prisons that blocks communication through the internet. The prisoner
is able to see the web page without using the communication part. In order for
the communications filter to work scripts are blocked and plugins like java and
flash are not supported. This makes internet in high security prisons look like a
paper version of internet, however, it is still usable for school purposes. It is
possible to make interactive web pages function fully, when needed. Many educational web pages need their interactivity in order to be fully appreciated in a
school setting and the prisoners are therefore given full access to them.
When a prisoner wants to access a web page, such as “Die Zeit”, the request
goes down to the central, the central checks whether or not the prisoner is a
student. Since “Die Zeit” is in the new category and this category is allowed, the
central goes out, fetches the web site for him and delivers it. There will be no
direct contact with the webpage due to the use of a proxy server. If the prisoner wants to access a blocked web site like Gmail, the prisoner's request goes to
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the central as in the previous example and the central determines whether or
not that the person is a student. When the central checks the category and the
category is blocked, the central will return a blocked site message. The prisoner's request will not go out on the web at all. Underneath you can see examples
of blocked site messages.
In order to be able to trace all the searches only one search engine is given access to in the system. Since Google is the biggest, it was chosen to be the only
search engine allowed to use for the prisoners.
Prison staff reads all the logs from all the Google searches done in prisons. As
the next picture shows the logs gives information on date, time, computer, user
name and the search.
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There are many reasons for giving access to a secure internet solution in prisons. Exams are not necessarily given on paper anymore. They are more often
downloaded from the web and answered in a Word-document and then handed digitally. Most exams at upper secondary level were to be ICT-based from
spring 2012. Students are dependent on the internet and computers to be able
participate in education.
The news category has proven very popular and useful. Prisoners from all over
the world feel isolated in Norwegian prisons and they do not know the Norwegian language. But when they come to school they can find their local newspaper from anywhere in the world, and that enables them to see what is happening, what is going on in their society back home.
We have had IFI for five years now and the acceptance is growing.
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ZWISCHENBEMERKUNG
Dirk Behrendt
Ich glaube wir müssen uns nicht gegenseitig davon überzeugen, dass das Internet außerhalb des Gefängnisses eine zentrale Rolle spielt, die nicht mehr weg
zu denken ist und dass es nach dem Angleichungsgrundsatz, wünschenswert
ist, Gefangenen weitest gehende Möglichkeiten zu eröffnen, das Internet ebenfalls zur Kommunikation und zur Information zu nutzen. Interessanter sind die
Wege, die man dahin beschreitet und die Restriktionen oder die Widerstände,
die man überwinden muss. Der Senator hat ja sehr eindrücklich geschildert,
dass ihm auch schon das eine oder andere Problem klar geworden ist, nachdem
er angekündigt hat, die Gefängnisse öffnen zu wollen. Ich würde zu Jörg Heger
kommen wollen, weil er ein Projekt betreut, das weit zurück geht zu der Zeit,
als wir alle noch nicht so selbstverständlich das Internet genutzt haben, ich
selbst auch noch nicht. Damals hat er sich schon Gedanken gemacht, wie man
das Internet für Gefangene, mit Gefangenen nutzen kann. Ich würde ihn bitten
wollen, von seinen Erfahrungen zu berichten, wie er damals vorgegangen ist
und was aus dem Projekt geworden ist.
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DER PLANTTEGEL: INTERNET AUS DEM KNAST
Jörg Heger
Schönen Dank für die Lorbeeren mit der Vorstellung. Ich will aber versuchen,
den objektiven Rahmen darzustellen: Nicht ich habe diese Initiative ergriffen,
sondern zwei Künstler, die sich im Frühjahr 1998 im Schloss Solitude bei Stuttgart kennen gelernt haben. Dort waren der Webdesigner Michael Henning und
der Theaterregisseur Roland Brus und viele andere für ein halbes Jahr mit einem Stipendium eingeladen, ihre Kunst zu leben. Die beiden haben miteinander verabredet, die Unfreiheit des Gefängnisses in der totalen Freiheit des Internet zu präsentieren. Diese Idee, diese Keimzelle, haben sie nach Berlin getragen. Roland Brus hatte zu dieser Zeit schon einige sehr positive Erfahrungen
mit Theaterprojekten gemacht, die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel gelaufen sind, und insofern war der Gesprächsansatz mit der Anstaltsleitung relativ unproblematisch.
Ich hatte zu der Zeit, also vor ziemlich genau 14 Jahren, schon fünf Jahre als
Ehrenamtlicher in Tegel gearbeitet. Da die Computer darüber hinaus meine
Welt sind, in der ich meine Brötchen verdiene, war es für mich ganz selbstverständlich, den Künstlern meine Hilfe als Transmissionsriemen anzubieten: Wie
kriegt man die Denke in Bewegung? Der damalige Anstaltsleiter, Herr LangeLehngut, hatte nach eigener Aussage noch nie einen Computer benutzt. Die
Schreibtechnik im Gefängnis war zu jener Zeit auch keineswegs auf Computerstandard, sondern auf Schreibmaschinen gestützt. Meine Hilfe bestand eigentlich nur darin, den Gedankenaustausch in Bewegung zu bringen.
Die Diskussion war letztlich sehr erfolgreich. Herr Lange-Lehngut hatte sich zunächst zwar noch mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass Gefangene
selbst am Computer sitzen. Aber der Gedanke, dass die Inhalte aus den Köpfen
der Gefangenen transportiert werden – über natürlich irgendwie kontrollierte
Bilder –, hat ihn überzeugt. So ist schon im Dezember 1998 die Website „Planet
Tegel“ veröffentlicht worden, und das Ereignis hat uns völlig umgehauen:
Im Kultursaal der JVA Tegel gibt es nominell 341 Sitzplätze. Plötzlich standen da
27 selbständige Zeitungs-, Rundfunk- und Fernsehredaktionen. Ich hab noch nie
eine Veranstaltung gesehen, die so überlaufen war und so heiß begehrt. Die
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einzigen, denen wir vorher das Drehen von Schnittbildern ermöglicht haben,
war das Fernsehen der Deutschen Welle. Die hatten sich nämlich schriftlich bereit erklärt, eine Erklärung zu unterschreiben, nichts vor der Freigabe um 20
Uhr zu veröffentlichen. Die Veranstaltung war von 18 bis 20 Uhr vorgesehen.
Da gab’s ein Wahnsinnsrauschen im Blätterwald, nicht nur Ende des Jahres ’98:
Das hat uns die nächsten Jahre sehr heftig begleitet, und zwar ganz überwiegend positiv. In den Medien gab es nur sehr wenige negative Kommentare.
Ein Jahr später haben wir es dann erneut versucht und letztlich Herrn LangeLehngut davon überzeugen können, dass man sehr wohl differenzieren kann
zwischen dem Nutzen eines Browsers im World Wide Web und dem Einsatz
eines Programms ausschließlich für E-Mails. In der Diskussion im Januar 2000
hat uns der Anstaltsleiter seine eigenen Erfahrungen dargestellt: Er sei durch
uns veranlasst worden, im Jahre ’99 selbst einen Computer zu benutzen, selbst
im Internet zu surfen, selbst ’mal eine Mail zu schreiben. Das war für uns ein
tolles Erfolgserlebnis, weil damit eine Differenzierung möglich wurde.
Seit dem Januar 2000 hat es also die Möglichkeit gegeben, dass wir der so genannten „Internetgruppe“, die aus maximal 15 Gefangenen bestand, einen
Rechner hinstellen durften, der nur über ein E-Mail-Programm verfügt. Seitdem
hatten diese 15 Gefangenen die Genehmigung, dass sie selbst – ohne Zensur! –
ihre Mails empfangen und beantworten konnten.
Im Rückblick sage ich: Das war ein bisschen blauäugig. Die Gefangenen waren
klüger als wir. Die Differenzierung, die wir damals ganz strikt umzusetzen versucht haben, ist letztlich doch ausgehebelt worden. In kleinen, illustren Kreisen
war dann doch irgendwie ein Surfen möglich. Darüber habe ich keine Details
erfahren, die Sicherheits-Abteilung der Anstalt hat uns darüber natürlich nie
berichtet.
Aber es gab keinen Eklat. Dieser Vorfall ist nie ein Drama gewesen, es hat auch
die Gruppe nicht gefährdet. Die Anstaltsleitung hat sich sehr fair verhalten. Wir
haben Jahre lang völlig problemlos dieses Projekt entwickeln können:
o Im Dezember 2000 haben wir eine Ergänzung um einen etwas interaktiveren Teil der Website, den „Trabanten“, möglich gemacht mit einer
ganz anderen künstlerischen Schiene. Das hat nicht mehr Michael Henning, sondern eine andere Webdesign-Gruppe gemacht, die „Garderobe23“ – ebenfalls auf der Basis von Selbstausbeutung.
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o Im Jahre 2003 wurde die englische Übersetzung des ganzen Projekts ermöglicht. Das war ein tolles Erlebnis, denn das Internet ist natürlich keine
deutschsprachige Veranstaltung.
Während dieser Entwicklung habe ich mich immer als Koordinator verstanden
zwischen den Interessen der Gefangenen, der Anstalt, der Öffentlichkeit und
der beteiligten Künstlern. Ich konnte natürlich nicht immer allen gleichzeitig
gerecht werden. Und ich muss leider zugeben, dass ich auch dem einen oder
anderen, der mit mir dieses Ehrenamt ausgeübt hat, schon ’mal auf die Zehen
getreten habe. Nicht immer waren alle internen Diskussionen komplett im
Kammerton „A“ gehalten, aber letztlich war der „Planet Tegel“ eine immense
Erfolgsstory.
Weil die Erwartungshaltung von den Gefangenen – aber auch von der Anstaltsleitung – immer wieder war, dass wir eine Art Fortbildung anbieten (Was bringt
Ihr denn den Gefangenen bei? Könnt Ihr ihnen vermitteln, wie man mit diesem
Gerät umgeht?), haben wir parallel dazu ein neues Projekt entwickelt. Genau
genommen heißt das: Ich habe eine Idee ins Leben gerufen, die unter dem
Kurzwort „Computer im Knast“ mit der Anstaltsleitung verhandelt wurde. Das
sollte vorerst ein Ausbildungsprogramm sein mit dem kurzfristigen Ziel, den
europäischen Computerführerschein zu erreichen, quasi als „Einstiegsdroge“.
Vorab hat die Anstalt sehr fair eine Art „Kundenbefragung“ organisiert: Wer
unter den Gefangenen könnte sich denn vorstellen, sich einer solchen Ausbildung zu unterziehen? Das hat erstaunlich gut funktioniert. Alle Gruppenleiter
haben die entsprechenden Interessensbekundungen der Gefangenen nach bestimmten Kriterien dokumentiert. Schließlich gab es eine Liste von 41 Gefangenen, die mit einem relativ konkreten Fragenkontext die relevanten Kriterien
erfüllt hatten. Und selbst wenn die Kriterien ganz eng ausgelegt worden wären:
13 wären auf jeden Fall, auch nach den Kriterien des Arbeitsamts, förderungswürdig gewesen.
Auf dieser Basis haben wir dann einen Bildungsträger gesucht und mit diesem
sowie einem leitenden Beamten der Anstaltsleitung ein Curriculum auf die Beine gestellt, das ein halbes Jahr sozusagen Gehirntraining in Sachen „europäischer Computerführerschein“ als Basis und als Testphase für die Gefangenen
vorgesehen hat. Danach haben wir dann entscheiden wollen: Wie geht es weiter? Schicken wir die Leute direkt sozusagen in die Produktion (Karteikarten
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abtippen oder ähnliches)? Oder lassen wir sie sich weiterhin in einem Lernkontext entwickeln?
Dieser Gedanke war schon in sehr konkreter Form vorhanden, und wir haben
sogar Finanzierungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene gesehen. Die Anstalt
hat angeboten, Räume zur Verfügung zu stellen, die Umbaukosten zu übernehmen und Aufsichtspersonal zur Verfügung zu stellen. Diese Planung war mit
konkreten Zahlen unterlegt. Das hätten wir also als Eigenmittel in die Projektfinanzierung einbringen können.
Leider ist letztlich aus dieser Planung nichts geworden. Die genauen Gründe für
das Scheitern möchte ich hier nicht ausbreiten, aber ich glaube, die Idee ist so
gut, dass man sie heute sofort wiederbeleben könnte. Die Vision war da und
hat die Anstaltsleitung erreicht und – ich glaube – die Senatsverwaltung für Justiz auch. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem damaligen Staatssekretär
Flügge, der mir sinngemäß sagte: „Wir haben für Sie in Europa den Finger gehoben, nun machen Sie ’mal!“
In dieser Situation sind wir leider in einen Sumpf geraten. Ich schäme mich
noch heute dafür, dass es so war, aber es war ein guter Gedanke. Ich glaube,
wir könnten ihn ohne große Probleme sofort wieder in Bewegung bringen.
Wenn ich hier höre, das Land Berlin diskutiere über die Weiterentwicklung des
Strafvollzugsgesetzes, kann ich nur sagen: Super! Aber nicht nur das Gesetz ist
zu entwickeln, sondern auch Eure Denke! Wenn ich höre, Sie haben Kriterien
entwickelt und immer wieder haben technische und Sicherheitsbefürchtungen
den zentralen Begriff gebildet, dann fehlt mir der soziale Aspekt:
Wir haben damals in der Gruppe, die sich um die Inhalte des Projekts „Planet
Tegel“ bemüht hat, ein Statut beschlossen. Darin haben die Gefangenen sich
verpflichtet, die Mails nicht für die „Verlustierung“ mit den Freundinnen und
sonstigen persönlichen Kontakten zu nutzen, sondern ausschließlich für das
Projekt. Sie wollten sich verantwortlich fühlen. Die soziale Kontrolle in dieser
Gruppe hat wunderbar funktioniert.
Warum kann man denn nach Ihrer Vorstellung nur durch Regeln, Einschränkungen und Befürchtungen Sicherheit herstellen? Nach meinem Dafürhalten ist
es notwendig, die Leute in sozialer Verantwortung zu trainieren. Niemand würde auf die Idee kommen, jemanden zum Tauchkurs zu schicken und das Wasser
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’rauszusperren. Das geht nicht. Man muss soziale Verantwortung im Gefängnis
lernen, damit man sie anschließend leben kann. Das ist mein Petitum und meine Vision: Schafft Internetzugang für alle! In sozialer Verantwortung kriegt Ihr
die Gefangenen viel besser in sichere Bereiche als durch jede Technik.
Alle Hilfsmittel von McAfee, Microsoft oder anderen sind Krücken, die soziale
Kontrolle ist besser!
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ZWISCHENBEMERKUNG
Dirk Behrendt
Herzlichen Dank für diese Beschreibung und auch für die deutliche Warnung,
dass man es mit der Sicherheit nicht übertreiben sollte. Jemand, der nun überhaupt nicht in dem Ruf steht, es mir der Sicherheit zu übertreiben, ist Olaf Heischel. Ich würde Sie bitten, die Sicht des Berliner Vollzugsbeirates und auch die
Sicht, sofern Sie das stellvertretend machen wollen und können, der Gefangenen vorzustellen. Was sind deren Wünsche, was wäre das Vordringliche? Ist es
richtig, was Senator Heilmann gesagt hat, dass es vor allen Dingen darum geht,
skypen zu können, damit sie von Telio wegkommen oder gibt es andere Aspekte?
22
DIE SICHT DES BERLINER VOLLZUGSBEIRATS
Olaf Heischel
Der Berliner Vollzugsbeirat ist ja eher das Überfliegergremium und hat keinen
unmittelbaren Kontakt mit Gefangenen. Ich werde zwar oft angeschrieben,
aber wegen solcher Fragen eher selten. Ich bin, wie vorhin schon mitgeteilt
wurde, auf dem Gebiet seit Jörg Hegers Projekt trotzdem relativ engagiert. Der
Berliner Vollzugsbeirat hat im letzten November ebenfalls eine Veranstaltung
zu dieser Thematik durchgeführt zu der alle möglichen Leute eingeladen worden sind. Was ich mitkriege, mittelbar und unmittelbar von Gefangenen, ist,
dass sie schlicht und einfach auf der Höhe der Zeit sein wollen. Sie wissen von
ihren Verwandten, von ihren Bekannten und von ihren Zeiten, in denen sie
nicht inhaftiert waren, dass es Internet gibt. Dass heutzutage schon manche
Kinder ein Mobiltelefon mit Internetzugang haben, dass es dort soziale Netzwerke gibt, dass sehr viel Kommunikation darüber läuft. Dass man sich bei Wikipedia oder Google oder sonst wo zu den Dingen auf der ganzen Welt sachkundig machen kann. Und das ist etwas, was die Gefangenen auf jeden Fall
sehr interessiert. Mir ist bekannt, dass es zurzeit über internetfähige Mobiltelefone läuft, die ja nach wie vor, verboten sind. Aber das ist, denke ich auch nur
eine Frage der Zeit. Was da eigentlich im Hintergrund steht, ist meines Erachtens auch ganz viel Informationsbedürfnis.
Deswegen möchte ich an das anknüpfen, was Jörg Heger zuletzt gesagt hat und
da sind wir uns mit der Senatsverwaltung auch einig: Man muss nicht immer
nur darauf fokussieren, was an Unsinn mittels Internetzugang oder ähnlichem
getrieben werden kann, sondern darauf, was Sinnvolles damit veranstaltet
werden kann. Insofern fand ich auch den Vortrag von Herrn Hansen über die
Verhältnisse oder die Handhabe in Norwegen sehr interessant. Ich hatte dabei
allerdings den Eindruck, dass die Ausrichtung des Strafvollzugs in Norwegen
sich von unserer leicht unterscheidet. Vielleicht ist es auch nur ein Vorurteil von
mir, dass in Skandinavien relativ viel nach außen hin fortschrittlich gehandhabt
wird, es dann aber sehr viel Lenkung durch den Staat gibt. In diesem Fall hatte
ich den Eindruck, dass es einen sehr starken pädagogischen Impetus im norwegischen Strafvollzugssystem gibt, der sich auch in Leitideen wie „Jeder Gefangene hat Anspruch auf Ausbildung, auf Erziehung“ und praktisch in Zahlen aus23
drückt. Auch unser Strafvollzug soll Defizite der Gefangenen beseitigen helfen
und Defizite der Gefangenen bestehen sehr oft im Ausbildungsbereich, z.B. im
Bereich der nicht vorhandenen schulischen Bildung. Aber ich hatte den Eindruck, dass dieses Ziel in Norwegen mit wesentlich moralischeren Vorgaben
verknüpft ist als hier. Hier dürfen sich Gefangene auch bilden, auch Bücher lesen, Filme sehen usw. die nicht so ganz der beliebten gesellschaftlichen Wertung entsprechen. Wenn es in einem gewissen Rahmen bleibt, darf man sich
hier eben auch über rechtsradikale Inhalte informieren.
Zu der Frage: Ein Informationsbedürfnis gibt es bei den Gefangenen in erheblichem Umfang. Ich glaube das Internet würde zu 98% zu diesen Zwecken genutzt werden und vielleicht zu 2% zu anderen Zwecken; und unter diesen 2%
vielleicht noch mal 10% zu kriminellen. Das ist draußen auch so und man kann
dieses Problem sicher lösen, offensichtlich auch technisch lösen, was ich auch
sehr interessant an diesem Vortrag fand. Und man sollte, der Senator hat es
selbst gesagt, deswegen nicht generell einen Riegel vorschieben.
Was ich noch in Vorbereitung dieser Veranstaltung eruiert habe, war, ob es
denn überhaupt gesetzliche Restriktionen gibt, die der Internetnutzung zur Information entgegenstehen könnten. Ich habe dann natürlich erst einmal unser
Grundgesetz zu Rate gezogen – jeder hat das Recht sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Das steht in Artikel 5 des Grundgesetzes. Allgemein zugänglich ist das Internet mittlerweile, davon kann man ausgehen. Es gibt natürlich in unserem noch geltenden Strafvollzugsgesetz, dass
der Bund 1976 verabschiedet hat und das ’77 in Kraft getreten ist, keine Norm,
die sich mit dem Internet oder diesen Medien beschäftigt. Das Internet kam ja
erst ungefähr 1993 ins Gespräch und weiter verbreitet, würde ich sagen, ist es
erst seit Ende des letzten Jahrtausends. Des Weiteren ist im Strafvollzugsgesetz
ja bislang die Informationsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz eher im Bereich
Freizeitgestaltung angesiedelt. Es gibt keine ausdrückliche Norm dafür. Restriktionen der Informationsfreiheit, die dann unter die Gestaltungsfreiheit der Freizeit in Haftanstalten gehört, findet man dann in den Möglichkeiten zur Überwachung von Kontakten nach draußen, allerdings gibt es nur wenige Möglichkeiten, den Bezug von Zeitschriften und Zeitungen zu beschränken. Das ist etwas, was doch recht weitgehend ist, worauf man rechtlich aufbauen kann. Weil
unser Strafvollzuggesetz so alt ist – nicht nur deswegen wird es jetzt neu gefasst –, aber weil es so alt ist, hatte es ja ursprünglich noch nicht einmal die
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Möglichkeit vorgesehen, dass man sich über das Einzelfernsehen informieren
konnte: Das Public Viewing war 1976 die progressivste Art und Weise fernzusehen. Einzelfernseher wurden 1998 erlaubt. Immerhin auch schon eine ganze
Weile. Was mir auch aufgefallen ist: Wir haben einerseits Artikel 5 des Grundgesetzes, wonach man sich überall frei zugängig informieren darf. Will man dieses Grundrecht begrenzen, dann muss es dazu ein allgemeines Gesetz geben.
Im Strafvollzugsgesetz findet sich natürlich keine Begrenzung dergestalt „das
Internet gehört aber nicht dazu“. Wenn man die Informationsfreiheit, die
grundgesetzlich garantiert ist, begrenzen will, dann muss das Gesetz, mit dem
man das möchte, einerseits eine gute Begründung haben, andererseits muss es
die Informationsfreiheit nennen. Obwohl im Strafvollzug diese Informationsfreiheit insofern begrenzt wird, dass sie nicht über das Internet stattfinden soll,
steht das im Strafvollzugsgesetz an keiner Stelle.
Das heißt, dass nach der bestehenden Rechtslage jeder Gefangene schon jetzt
einen Antrag darauf stellen könnte, einen Computer zu erhalten und sich durch
das Internet informieren zu können. Man könnte den Zugang auf Informationen beschränken, wobei wir uns dann vielleicht noch drüber streiten können,
was Information und was sonstige Freizeitbeschäftigung ist. Aber ansonsten
wäre es eigentlich klar. Wenn der Strafvollzug dann sagt: Wir müssen es aber
kontrollieren können, wir haben ja einen Resozialisierungsauftrag, mag das ein
Argument sein. Aber dann muss er eigentlich, und diese Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts gilt seit mindestens 1975, auch die erforderlichen
Mittel dafür bereitstellen. Das heißt, wenn klar ist, dass die Informationsfreiheit
auch über das Internet gewährleistet werden muss, dann muss der Strafvollzug
die sachlichen und personellen Mittel dafür zur Verfügung stellen, dass das
funktionieren kann.
Abschließend: der Musterentwurf des neuen Strafvollzugsgesetzes, den verschiedene Länder, die „Nordstaaten“, nun verabschieden wollen, bzw. mit dem
sie sich befassen, wagt sich an dieses Thema kaum heran. Das einzige, was darauf passt, ist § 36 des Entwurfs, wonach der Anstaltsleiter den Gefangenen
gestatten kann, anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes nach Zulassung durch die Aufsichtsbehörde zu nutzen. Das ist sehr verschämt. Ich meine, man sollte trotz der soeben geschilderten und meiner Ansicht nach eindeutigen Gesetzeslage nicht zu optimistisch
sein. Es gibt ja im Strafvollzug immer noch Kniffe und Hinweise in der Recht25
sprechung, wie man fast jedes Recht aushebeln kann. Da findet sich z.B. in einer Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 20. Juli
2011 der Satz: Die Stahlseiten einer Gitarre können leicht zweckentfremdet
und zu einer Waffe umfunktioniert werden und dadurch grundsätzlich die Sicherheit in der Anstalt gefährden. Das wird man dann sicher auch auf das Internet anwenden können. Auf die eine oder andere Weise. Andererseits ist
auch kein Raum für grenzenlosen Pessimismus, zum einen weil die politische
Seite jetzt relativ klar in die richtige Richtung geht und weil man dem Bundesverfassungsgericht in einer anderen Entscheidung auch zustimmen kann: Es hat
einmal gesagt: „Diese Auffassung“, damit ist gemeint die Grundrechtseinschränkung für Gefangene, „ist rückblickend nur damit zu erklären, dass die
traditionelle Ausgestaltung des Strafvollzuges als eines besonderen Gewaltverhältnisses es zuließ, die Grundrechte des Strafgefangenen in einer unerträglichen Unbestimmtheit zu relativieren“. Dieser Satz ist 40 Jahre alt.
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ZWISCHENBEMERKUNG
Dirk Behrendt
Danke Olaf Heischel auch für den optimistischen Ausblick ganz am Ende. Dass
wir es mit dem Bohren dicker Bretter zu tun haben, wissen wir und auch eingedenk dessen, dass nirgendwo Gesetzeslage und Realität so weit auseinander
klaffen wie im Vollzug, sollten wir uns mit den rechtlichen Fragen beschäftigen,
darum bin ich froh, dass Florian Knauer hier ist. Sie beschäftigen sich ja – die
Promotion ist von 2006 – seit wahrscheinlich schon zehn Jahren mit dieser
Thematik. Vielleicht können Sie uns auch sagen, wie lange wir noch darüber
reden werden, bis es zufriedenstellend in den Knästen möglich ist, sich über
das Internet zu informieren und Emails zu schreiben.
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WISSENSCHAFTLICHE PERSPEKTIVEN
Florian Knauer
In der Tat ist es an die 10 Jahre her, dass ich mit dem Thema begonnen habe.
Eigentlich wollte ich Ihnen zwei Teile vorstellen: Zum einen das geltende Recht,
aber ich merke natürlich, dass das hier eine rechtspolitische Ausrichtung
nimmt, so dass wir wohl lieber über das kommende Recht reden und diskutieren wollen. Deswegen halte ich mich vielleicht zum geltenden Recht kürzer als
gedacht, aber manche Grundlagen werden wir sicher mitnehmen können. Ich
selber habe damals in der Arbeit 10 Internetdienste untersucht, von Email bis
Internetseiten wie beispielsweise von Zeitungen und Zeitschriften, und habe
versucht, aus der Systematik und dem Verfassungsrecht Grundsätze abzuleiten,
die die Auslegung leiten müssen. Der heute bereits mehrfach genannte Angleichungsgrundsatz ist dabei ganz zentral. Er ist in dem vorliegenden Musterentwurf, um den Blick in die Zukunft zu wenden, eher stärker gemacht worden.
Früher hieß es: das Leben im Vollzug soll dem Leben draußen angeglichen werden, jetzt heißt es: „ist anzugleichen“, so ungefähr die Formulierung. 76% der
Deutschen haben im letzten Jahr das Internet genutzt und wenn ich selber darüber nachdenke: Man fühlt sich wie bei einem Stromausfall in meiner Kindheit,
wenn der Server nicht funktioniert. Jeder kennt dieses Gefühl, dass man eigentlich alles, was man an diesem Tag zu erledigen hat, nicht erledigen kann. Das
macht auch deutlich, dass das Internet nicht nebenher genutzt wird, sondern
den Alltag stark prägt.
Ich hab mir dann die Regelungen des Strafvollzuggesetzes angeguckt: Eine spezielle Regelung zum Internet gibt es nicht, wie Olaf Heischel zutreffend sagte. §
3 Absatz 1 Strafvollzugsgesetz, den Angleichungsgrundsatz, würde ich als systematisches Argument bezeichnen. Bei den teleologischen Erwägungen gibt es
starke Pro-Argumente. Was sollen die Vorschriften über den Schriftwechsel
oder über Zeitung und Zeitschriften, die ja in Betracht kommen, bewirken? Wie
sollen sie ausgelegt werden? Man muss zunächst sagen: sie sind dazu da, um
die Außenkontakte von Gefangenen zu fördern. Das ist natürlich gut. Aus der
Sanktionsforschung weiß man, dass ein bestehendes soziales Netz günstig für
die Legalbewährung ist, wenn eine Person aus dem Strafvollzug in die Freiheit
entlassen wird. Wie erhält man ein solches Netz? Durch die Förderung von Au28
ßenkontakten: Besuche, Telefonate, Schriftwechsel und eben – so würde ich
sagen – auch das Internet. Auch die Wahrung der Grundrechte, darüber hat
Olaf Heischel schon gesprochen, ist sicher ein ganz wichtiges Ziel der §§ 28 ff.
Strafvollzugsgesetz und auch des § 68 Strafvollzugsgesetz.
Natürlich, Herr Heilmann hat es angesprochen, muss man auch die Gefahren
abwenden, die durch eine Internetnutzung drohen. Er selber hat die Begehung
von Straftaten genannt. Ich habe weitere Fallgruppen entwickelt: Die Fluchtvorbereitung; sie wird in der Rechtsprechung und Literatur zu den anderen
Kommunikationsformen, Schriftwechsel, Fernsehen und Besuchen, als Gefahr
genannt. Die Aufwiegelung gegen das Rechtssystem; hier werden Ideologien
angesprochen, die nicht vollzugsförderlich sein könnten. Kontakte zu ehemaligen Mittätern, die weitere Straftaten nach der Entlassung befürchten lassen.
Dann die bereits angesprochenen Straftaten aus dem Vollzug heraus. Zugang zu
verbotenen pornographischen Inhalten. Der Zugang zu rechtsextremistischen
Inhalten.
Und eine weitere Gefahr, zu der mich später auch die Ansicht von Herrn Hansen interessieren würde: Der große Kontrollaufwand in den Anstalten, der entstehen könnte. Es ist doch eine ganz praktische Sorge und ich war beeindruckt,
dass in Norwegen doch offensichtlich einige Ressourcen investiert werden
konnten in diesem Bereich.
Vor diesen Gefahren darf man die Augen nicht verschließen, keine Frage, das
wäre naiv. Ich glaube nur, ähnlich wie Herr Heischel das in der Tendenz sagte,
dass man diese Gefahren auch nicht zu groß reden sollte. Der Gewinn ist aus
den genannten Gründen aus meiner Sicht ungleich größer: Wir wollen die Gefangenen resozialisieren, wir wollen sie in einen sozialen Empfangsraum, wie
ich es jetzt häufig gehört habe im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung, in einen solchen Empfangsraum entlassen, und wie möchte man das tun
wenn man ihnen nicht moderne Kommunikationsmittel zur Verfügung stellt?
Von daher halte ich es auch für einen möglichen Einstieg, dass man zunächst
den Zugang zu Informationen aus dem Internet gewährt, aber ich würde weitergehen und auch Emails zulassen. Ich hätte nicht einmal etwas gegen Facebook und ähnliches. So halten heute viele Leute Kontakt miteinander. Die Gefahren lassen sich durch technische Überwachungshilfen reduzieren, wie wir
vorhin aus Norwegen berichtet bekommen haben. Auch das Sperren gefährli29
cher Internetseiten hilft sicher, die Gefahren zu reduzieren. Auch haben wir
gehört, dass manche Gefangene zum Internet zugelassen werden, andere
nicht. Auch ich würde so differenzieren. Wer wegen Kinderpornographie im
Internet einsitzt oder wegen Betrügereien im Internet, bei dem wäre ich natürlich deutlich vorsichtiger als jemandem gegenüber, der wegen Trunkenheit im
Verkehr oder wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr inhaftiert ist. Und
dann stelle ich mir vor, dass in einem Klassenraum, wie es auch in Norwegen
beschrieben wurde, auch Vollzugsbedienstete im Raum die Bildschirme und die
Speichermedien kontrollieren können. Mit einem zentralen Server, wie wir es
aus Norwegen gehört haben, würde sogar das Speichern vor Ort entfallen.
Ich bin mir im Klaren darüber, dass ein Zugang zum Internet früher oder später
zu Missbrauch führen würde, wahrscheinlich durch alle Gefahrengruppen, die
ich genannt habe. Ich betone nochmals: ich halte die Vorteile für deutlich größer als die Nachteile und möchte diese Chancen ins rechte Licht rücken im Vergleich zu den Gefahren. Meine Ergebnisse, wonach ich Emails unter §§ 28 ff.
Strafvollzugsgesetz und Internetzeitungen und Zeitschrift unter § 68 Strafvollzugsgesetz subsumieren würde, das ist hoffentlich bald Rechtsgeschichte. Aber
derzeit würde es – aus meiner Sicht – dem geltenden Recht entsprechen. Zur
praktischen Umsetzung hatte ich dereinst eine Art Internetpool vorgeschlagen
– und ich bin froh, dass die Praxis mich ein- oder überholt hat. Mit den Klassenräumen scheint das in Norwegen ganz ähnlich zu sein, also das Internet nicht in
einem Haftraum zu öffnen, sondern in einem Raum, wo auch eine Betreuung
stattfindet. Die Bezahlung der Internetnutzung kann aus meiner Sicht mit Telefonkarten erfolgen. Es gibt ja diese Tests auch, Herr Heilmann hat es angesprochen, mit Haftraummediensystemen, auch da wird die Bezahlung wohl ähnlich
laufen wie mit Telefonkarten, wenn man nicht einfach am Monatsende sogar
eine Rechnung bekommt.
Das sind die Argumente zum geltenden Recht. Nun zum Ausblick, und vielleicht
ist das ein guter Einstieg in die Diskussion, ohne ihr vorgreifen zu wollen: Die
Föderalismusreform vom 2006 hat dazu geführt, dass jetzt die Länder für den
Strafvollzug zuständig sind. Was ich eben beschrieben habe, war auf der Grundlage des Bundesstrafvollzugsgesetzes, das in Berlin auch immer noch gilt. Aber
wir werden in Zukunft Strafvollzugsgesetze in den Ländern haben. Bisher ist das
nur in fünf Bundesländern der Fall: in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg,
Hessen, Niedersachsen. Wenn ich mir die in Kraft getretenen Gesetze ansehe,
30
so finde ich in Niedersachsen und Hessen Regelungen, die sich ausdrücklich mit
dem Internet befassen, und die sind ausnehmend restriktiv. Sie geben dem Gefangenen keinen Anspruch auf Internetnutzung, auch nicht unter Einschränkungen, sondern sind sehr zurückhaltend. Und in die gleiche Richtung geht der
§ 36 des Musterentwurfs, den auch Olaf Heischel schon angesprochen hat und
an dem Berlin beteiligt ist. Er sieht ein zweistufiges Verfahren vor, mit dem entsprechende Wünsche der Gefangenen abgeblockt werden können: Schritt 1,
die Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde, Schritt 2, die Gestattung
durch den Anstaltsleiter. Also eine bloße Ermessensentscheidung, kein Anspruch des Gefangenen.
In den Worten von Herr Heilmann klingt das wie eine positive Versuchsklausel.
Ich halte es auch für glaubwürdig, dass er es so sieht, aber einer zeitgemäßen
Entwicklung der Internetnutzung wird das aus meiner Sicht nicht gerecht. Ich
glaube, man muss einen Schritt weiter gehen. Ich selber habe einen Gesetzesvorschlag gemacht, der in seinem Absatz 1 dem Gefangenen das Recht gibt, in
angemessenen Umfang über das Internet mit der Außenwelt zu kommunizieren. Absatz 2 sieht ein abgestuftes Verfahren der Begrenzung z.B. für gefährliche Personen vor, wie ich es beschrieben habe. In bestimmten Fällen darf
überwacht werden. Ich würde wohl nicht ganz so weit gehen wie in Norwegen
und alles überwachen wollen, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Vielleicht muss man diesen Weg zunächst gehen, um die Ängste abzubauen. Ich
würde also ein solches abgestuftes Verfahren empfehlen, aber grundsätzlich
eben den Gefangenen den Anspruch geben wollen, in angemessenem Umfang,
über das Internet zu kommunizieren. Vielen Dank.
31
DISKUSSION
Dirk Behrendt
Herzlichen Dank, Herr Knauer, für diese rechtlichen und rechtspolitischen Ergänzungen und Ausführungen. Jetzt, wie angekündigt, öffne ich die Runde für
Sie und bitte um Wortmeldungen. Ich nutze noch die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Frage in unserer Einladung „Wann kommt die erste Email
aus dem Knast?“ eine rhetorische war. Es gibt schon Emails aus dem Knast. Ich
habe auch selbst schon welche empfangen, weil nämlich die „LichtblickRedaktion“, der neue „Lichtblick“ liegt hier, die Gefangenenzeitung in Tegel,
wer sie nicht kennen sollte, die Möglichkeit hat, Emails zu schreiben. Es gab
auch aus dem Bereich „Planet Tegel“ Versuche, mit uns Kontakt aufzunehmen.
Das wurde nicht so wohl gelitten.
Jörg Heger
Für das Projekt „Planet Tegel“ wurde im Januar 2000 eine globale Freigabe für
das Mailen durch Gefangene erteilt, die dann Ende 2004 noch einmal neu diskutiert wurde, als die erste Mail aus dem Projekt beim Staatssekretär eingegangen ist. Der fand das gar nicht witzig und hat den Daumen darauf gedrückt.
Aber ich würde von hier aus gerne ’mal eine Frage ins Publikum stellen: Herr
Blank, könnten Sie vielleicht noch einmal beschreiben, wie sich derzeit die Situation für die Gefangenen in Tegel darstellt – einerseits bezüglich der Fernuniversität Hagen und andererseits bezüglich der nach meinem Kenntnisstand
zahlreich vorhandenen Computer, die zu Lehrzwecken angeschafft wurden.
Wie werden die praktisch eingesetzt?
Klaus-Dieter Blank
Es gibt in der Schule der JVA Tegel Möglichkeiten, mit Computern zu arbeiten,
da gibt es inzwischen ein richtiges Computerkabinett. Darüber hinaus gibt es in
einzelnen Arbeitsbetrieben PCs, die für Ausbildungszwecke genutzt werden
und zu begrenzten Zeiten auch die Möglichkeit haben, ins Internet zu gehen,
weil es zu Ausbildungszwecken erforderlich ist. Wer z.B. Mediendesigner wer32
den möchte, der muss auch mal ins Internet und das wird möglich gemacht;
allerdings nur unter Aufsicht von Berufsschullehrern oder Bediensteten. Das
sind die Möglichkeiten, die wir im Moment in Tegel anbieten und die auch genutzt werden, wenn es aus bestimmten Gründen – Ausbildung oder Schule –
notwendig ist, PCs zu nutzen.
Jörg Heger
Als ich Ende 2004 aus dem Projekt ausgeschieden bin, gab es ein Projekt namens ELIS1, das damals in den Nordländern diskutiert wurde und über Landesgrenzen hinweg eine Struktur schaffen sollte, die für Lernzwecke zur Verfügung
gestellt werden sollte. Was ist daraus geworden? Kann man daraus vielleicht
für die Veränderung der Rechtslage Honig saugen?
Klaus-Dieter Blank
Diese elis-Lernplattform wird vorwiegend im Bereich des Frauenstrafvollzugs
und im Bereich des Jugendstrafvollzugs eingesetzt. In der Schule der JVA Tegel
wird die Plattform seit 2006 eingesetzt und im Unterricht von allen ca. 100
Schülern genutzt.
Prof. Dr. Wilfried Hendricks
Wir betreiben die Plattform elis und zwar in neun Bundesländern und in der
Republik Österreich. Die Plattform wird genutzt in allen Bildungsbereichen des
Strafvollzugs und wir nutzen noch vornehmlich offline Produkte. D.h. wir greifen auf online Produkte zu und „verofflinen“ die sozusagen. Also wir machen
z.B. Wikipedia zu einem offline Produkt. Allein der Computerführerschein ist
online, aber nur unter Aufsicht und alles andere, was man zu Lern- und Informationszwecken zur Verfügung stellen kann, ist eine reine offline-Lösung. Wir
selber würden da sehr viel couragierter zu Werke gehen, aber es gibt sehr starke Vorbehalte bei den für Technik und Sicherheit Verantwortlichen. Wir sind da
im Gespräch und denken, mit etwas mehr Courage und mehr Risikobereitschaft
könnte man weiterkommen, wenn man die Restriktionen von denen Sie ge1
Elis = ELearning im Strafvollzug
33
sprochen haben auch realisieren kann. Es gibt ein großes Interesse bei den Lehrenden, sich mit diesen Systemen zu beschäftigen. Nach meinem Dafürhalten,
kann man sagen, dass dieses System – in den einzelnen Ländern in unterschiedlicher Tiefe – etabliert ist. Da gibt es keine Diskussion über die Frage, ob man
das macht, sondern nur über die Frage, in welcher Tiefe man das macht und ob
man jetzt auch den Weg dahin geht, dass man aus dem Klassenraum heraus in
den Haftraum gehen kann. Pädagogen würden das begrüßen. Aber da sind in
der Tat eine ganze Reihe von Sicherheitsfragen zu klären, das gebe ich zu. Und
ich bin auch nicht so optimistisch, dass es genügt, Verträge mit den Häftlingen
abzuschließen und an den Goodwill aller Beteiligten zu appellieren. Nach allem,
was ich weiß, ist eine intensive Aufsicht erforderlich.
Arnd Martens-Großmann
Ich wollte noch ein paar Kleinigkeiten aus technischer Sicht ergänzen. Wir offlinen nicht alles. Auch wir haben eine Proxy-Infrastruktur – es ist in diesem Fall
nicht McAfee sondern Open Source – und schalten bestimmte Seiten durch. In
Brandenburg sind wir pilotmäßig mittlerweile schon so weit, dass wir einzelne
Rechner haben, wir nennen das Lerninseln, die nicht nur auf die Lernplattform
zugreifen können, sondern auch auf bestimmte Web-Angebote. Hier kann selbständig recherchiert werden. Internetzugriff ist auch aus den angeschlossenen
Schulungsräumen im Rahmen des Unterrichts möglich. Der Proxy-Server ist
Whitelist-basiert. Auf dieser Whitelist sind zum Teil auch die Verkehrsbetriebe,
für diejenigen, die in einem Brandenburger Gefängnis im offenen Vollzug sind,
und sich von dort wegbewegen wollen. Das sind bestimmte Seiten, die freigeschaltet werden, die auch immer wieder geprüft werden müssen, was wir im
Institut dann auch tun.
Die Infrastruktur, um bestimmte Seiten frei zu schalten ist also da. Das Problem
ist die Übernahme der Verantwortung in den einzelnen Häusern und die Bereitschaft der Justiz zu sagen, ich nehme das Risiko auf mich, auch nur Wikipedia
frei zu schalten unter Sperrung der Seiten, wo ich editieren kann. Wir machen
da die Erfahrung, dass man sich an diesen Gedanken noch nicht gewöhnt hat,
dass die Offenheit noch nicht ausgeprägt genug ist, dass vielleicht auch nicht in
jedem Fall bekannt ist, was die möglichen Folgen sein können. Da ist noch viel
Informationsarbeit zu leisten, um mehr freies Internet in der Justiz zu haben.
34
Das technische Problem ist dabei das Geringste. Wir machen die meisten Angebote offline, weil das effizient ist und weil es der einfachste Weg ist, bestimmte Funktionen zu verhindern und dabei auf wenig Aktualität zu verzichten. Das ist aber auch den Bedürfnissen unserer Auftraggeber geschuldet. Wir
könnten mit einem überschaubaren Aufwand auch Seiten freischalten und in
den Lerninseln ist das bereits für eine zweistellige Zahl von Websites der Fall.
Dirk Behrendt
In diesem Zusammenhang noch eine Frage, die ich bereits in der Einleitung aufgeworfen hatte: Sind eigentlich die Mitarbeiter des Vollzugs hinreichend qualifiziert, um technisch auch zu verstehen, was da passiert? Häufig entsteht eine
Abwehrhaltung ja auch bei Dingen, die man nicht so genau überblickt. Wobei
die Gefangenen vermutlich schon technisch im Vorteil sind – vom Altersdurchschnitt her klaffen Mitarbeiter und Gefangene ja weit auseinander – und die
Mitarbeiter vielleicht nicht den Mut haben zu sagen, ja das kann man mal machen.
Jörg Heger
Im Rückblick hat der Aufwand für das Projekt „Computer im Knast“ zum einen
darin bestanden, prophylaktisch Ängste abzubauen, zum anderen herauszufinden, wie man Missbrauch verhindern kann, z.B. das Surfen auf Websites mit
rechtsradikalen Inhalten oder Waffenseiten. Mit der letzteren Fragestellung bin
ich seinerzeit nach Hannover gefahren und habe auf der Computermesse CeBit
die Router-Hersteller gefragt: Wie kriegen wir „White Lists“ ins Leben? Deren
Antwort war klipp und klar: Dafür übernehmen wir keine Verantwortung, der
Aufwand ist nicht leistbar. Wenn ich heute höre, dass Norwegen das kann, bin
ich darüber erstaunt, wie viel Ressourcen dafür offenbar zur Verfügung stehen.
Das ist die technische Ebene. Es scheint mir immer eine Krücke zu bleiben, ein
Sicherungssystem herzustellen. Es gibt gute Erfahrungen damit, dass Technik,
die alltagsfähig geworden ist, sich im Bewusstsein der Gesellschaft so sehr zum
Selbstverständnis entwickelt hat, dass die Restriktionen im Strafvollzug gefallen
sind:
35
Ich kann mich gut daran erinnern, in den 1960er Jahren davon gelesen zu haben, dass es im Strafvollzug verboten war, ein Radio zu besitzen. Ein Radio! Das
wäre angeblich in der Lage, Ausbruchspläne und Widerstandsleistung zu organisieren!
In den 1970er Jahren wurden die ersten Genehmigungen für Einzelfernseher
erteilt. Die allgemeine Freigabe erfolgte dann in den 1980er Jahren. Wenn ich
es richtig in Erinnerung habe, kam 1963 der erste Farbfernseher auf den Markt.
Der Einzug der Fernseher in die Zellen hat also etwa 20 Jahre gedauert. Das Internet ist aber zu schnell, als dass wir 20 Jahre warten dürften. Zudem haben
wir die Zeit auch schon fast ’rum. Es wird nun langsam Zeit, dass da etwas passiert!
Und es ist ja auch schon etwas passiert! Herr Blank, wie viele Mails beantworten Sie pro Tag? Sie wissen es nicht mehr? Das ist selbstverständlich geworden.
Herr Lange-Lehngut hat uns im Januar 2000 in einer erfrischenden Offenheit
gesagt, „Ja klar, ich musste lernen. Ich musste Angst abbauen durch den täglichen Umgang mit der Technik.“
Hier würde ich gern noch eine schöne Anekdote einfließen lassen, die Herr
Lange-Lehngut immer wieder in die Diskussion eingebracht hat: Nachdem er
die Freigabe des „Planeten Tegel“ genehmigt hatte, habe er am Jahreswechsel
1998/99 während eines Urlaubs in Asien auf einem Flughafen gesessen und in
einer Ausgabe von „Le Monde diplomatique“ von dem Projekt „Planet Tegel“ in
seiner Anstalt gelesen. Dies habe ihn davon überzeugt, dass er ja wohl etwas
richtig gemacht haben müsse.
Lassen Sie uns diesen Mut stärken und Alltagstechnik in Gesetzesform kleiden!
Alexander Klose
Ich hatte heute Vormittag ein längeres Telefonat mit einem Sicherungsverwahrten in der JVA Tegel, der sehr an dieser Veranstaltung interessiert war.
Das führt mich, gewissermaßen fast in seinem Auftrag, zu der Frage: Welche
Aspekte im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung für diese Gruppe sind eigentlich bei dem Vorenthalten von Internet- und auch EmailKommunikation für Sicherungsverwahrte zu berücksichtigen?
36
Dr. Olaf Heischel
Die Frage zielte implizit in meine Richtung. Ich hab darüber auch schon nachgedacht, nicht so intensiv, aber es liegt natürlich nicht fern, das Abstandsgebot
des Verfassungsgerichts, wenn man das ernst nehmen will, und wenn man die
sehr lange Zeit der Inhaftierung von Sicherungsverwahrten mit einbezieht, dahingehend zu interpretieren, dass diese einen noch stärkeren Anspruch an einem noch weitergehenden Internetzugang haben. Der Gesetzgeber wird sich
auch das überlegen müssen. Wir hören ja im Vollzugsbeirat, dass es Diskussionen gibt, wie groß eine Haftzelle für Sicherungsverwahrte sein muss. Wie viel
größer muss sie sein? Und das Abstandsgebot ist da sicherlich ein ganz wesentlicher Aspekt: Haftraumgröße, aber auch so etwas wie Mediennutzung. Besuchszeiten, Ausführung sind natürlich weitere Rädchen, an denen man drehen
kann, um den Vollzug der Sicherungsverwahrung dem Abstandsgebot Rechnung tragend vom Strafvollzug zu entfernen.
Einen Gedanken muss ich noch weiter spinnen: Ich hab vor dieser Veranstaltung immer gesagt: Ich bin für jedes kleine Loch, das in die Wand gebohrt wird,
zunächst einmal dankbar. Ich hab es vorhin schon einmal gesagt: zur Not frisst
der Teufel auch Fliegen und ich würde auch eine Komplettüberwachung wie in
Norwegen zunächst notgedrungen wohl schlucken. Das Abstandsgebot sollte
dann aus meiner Sicht aber nicht dazu dienen, dass man den Internetzugang im
Strafvollzug gering hält. Daher würde ich sagen: Ja, für die Sicherungsverwahrung ist die gegenwärtige Lage mit dem Rückenwind vom Verfassungsgericht
besonders günstig, zumal die Gruppe recht klein ist. Wir hören von einer besseren Betreuungssituation, die dort gewährleistet werden soll, was dann auch
bessere Kontrollmöglichkeiten beinhaltet. Aber daraus dann perspektivisch die
Konsequenz zu ziehen, wir müssen den Abstand zum Regelvollzug auch künftig
aufrechterhalten – nein, das wäre wiederum nicht das, was ich als Ziel für die
nächsten 10 bis 15 Jahre, vielleicht sogar früher, formulieren würde. Ich möchte eigentlich, dass auf allen Ebenen des Vollzugs, Sicherungsverwahrung wie
normaler Strafvollzug und auch Jugendstrafvollzug, das Internet vielleicht nicht
komplett freigegen wird, aber doch in nennenswertem Maße über diese „Inselprojekte“ hinaus.
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Dirk Behrendt
Da höre ich schon taktische Tipps für den Gesetzgeber heraus, nicht zu viel bei
der Sicherungsverwahrung zu machen, damit über das Abstandsgebot dann für
die anderen Strafgefangenen das vorenthalten werden kann
Dr. Wilfried Hendricks
Ein Gedanke müsste berücksichtigt werden, der wahrscheinlich nicht ins Gesetz
geschrieben wird, aber man muss darüber nachdenken, wie man das Personal
in den Haftanstalten in die Lage versetzt, mit der Situation, die sich abzeichnet,
besser umzugehen. Wir sehen das bei den Lehrerinnen und Lehrern in den Bildungseinrichtungen. Die sind weit davon entfernt, die Nutzung dieser technischen Möglichkeiten zum Normalzustand zu erheben und wenn HaftraumMediensysteme kämen, dann kommen auf das Personal in den Haftanstalten
noch mehr Herausforderungen zu und darauf muss man rechtzeitig durch Fortbildung vorbereiten.
Dirk Behrendt
Ein überhaupt nicht zu unterschätzender Aspekt. Ich hatte ihn ja vorhin schon
einmal anklingen lassen, in wie weit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Strafvollzuges in der Lage sind, das zu überblicken, was man auch an Missbrauch machen kann. Das spielt, glaube ich, eine große Rolle und das sollte zumindest in der Ausbildung eine viel größere Rolle spielen – wir bilden ja tatsächlich wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Justizvollzug aus, das
gab es ja einige Jahre nicht – und in Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon im Dienst sind.
So langsam kommen wir dem angepeilten Ende entgegen. Wenn es noch
Wortmeldungen gibt, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt dafür oder danach
im Einzelgespräch. Ich würde dem Podium noch einmal die Möglichkeit geben
für ein Abschluss-Statement, vielleicht mit einem Zukunftsblick. Das ist ja vorhin schon zum Teil schon angeklungen, bei Herrn Heischel durchwachsener.
Herr Heger fordert engagiert alle auf: „Macht was! Dann klappt das auch!“
Dann können wir gemeinsam die Barrieren einreißen. Und Herr Knauer eher
mit einem optimistischen Blick. Aber vielleicht können Sie auch uns als Gesetz38
geber sagen, worauf wir besonders achten sollten, vielleicht auch zu Details
von Überwachungstechnologie. Erst mal nur Internet oder Email oder erst einmal nur Email-Kontakt mit Überwachung und Internet in den Hintergrund stellen. Das wäre für mich jedenfalls für das nächste Jahr noch mal ganz interessant. Ich würde sagen, wir fangen ganz einfach mal an bei Herrn Heischel und
gehen die Reihe durch.
Olaf Heischel
Ja, dass ich optimistisch bin, weil die Senatsverwaltung und der Senator offen
sind, das hatte ich vorhin schon gesagt und ich hoffe, dass dieser Optimismus
auch in näherer Zukunft, also innerhalb der nächsten zwei Jahre Früchte trägt.
Auch hinsichtlich des neuen Gesetzesvorhabens. Was ich nur ganz kurz noch
sagen möchte, vielleicht werde ich damit Empörung ernten: ich lese weder im
Strafvollzugsgesetz, noch in irgendeinem anderen Gesetz, dass der Staat verpflichtet ist, Gefangene deutlich heftiger als andere Bürger oder mit allen Mitteln daran zu hindern, wieder straffällig zu werden. Das ist natürlich ein öffentliches Thema. Die Öffentlichkeit möchte das nicht. Es gibt aber keine gesetzliche Grundlage dafür. § 2 des Strafvollzugsgesetzes, so wie es jetzt besteht, hat
als Nebenzweck des Strafvollzuges die Sicherung der Gesellschaft vor Straftaten. Das ist aber ein ganz selbstverständliches Ziel, dafür ist die Polizei auch außerhalb der Haftanstalten zuständig. Dann kann man aus dem Grundgesetz, aus
dem Freiheitsgrundrecht, noch herauslesen: Jeder hat die Freiheit sich zu entfalten, sofern er nicht gegen Gesetze verstößt. Aber auch das gilt für Gefangene
nicht mehr als für uns draußen. Das heißt, wenn der Staat uns beschränken
möchte in unserer Freiheit, dann muss er das mit angemessenen Mitteln tun.
Wenn er Gefangene an der Freiheit hindern will – und die Freiheit besteht in
diesem Fall ja darin, dass sie eigentlich vernünftig handeln dürfen aber damit
eben auch Unsinn machen können – dann muss er das auch mit angemessenen
Mitteln tun. Meines Erachtens geht es nicht, dieses Recht auf Internetzugang
auszuschließen. Das ist in unserer Verfassung nicht drin. Man muss das schon
ein bisschen freiheitlicher sehen.
39
Dr. Florian Knauer
Ich glaube, ich habe im Wesentlichen gesagt, was meine Grundhaltung ist. Ich
fand es interessant, was Herr Hansen aus Norwegen berichtet hat, die Kritiker
einmal an einen gesicherten Internetzugang, wie er den Gefangenen zur Verfügung steht, zu setzen. Ein Akteur auf diesem Feld ist heute am Rande angesprochen worden, aber vermutlich noch nicht in gebotenem Maße: die Berliner
Medienlandschaft ist aggressiv bei Themen wie selbstgebauten Computern in
Hafträumen, Kinderpornographie auf Handys. Möglicherweise wäre das eine
Möglichkeit, um Ressentiments auch auf Seiten von Medienvertretern abzubauen, sich einen solchen gesicherten Internetzugang einmal anzusehen, um zu
sehen, wie gering die Risiken sind. Ich habe gehört, dass es in der Praxis gut
funktioniert und wenig Sicherheitsbedenken aufwirft. Das nehme ich so mit
nach Hause. Der gesetzliche Vorschlag in § 36 des Musterentwurfs klingt in der
Lesart von Herrn Heilmann gut. Aber Herr Heilmann muss möglicherweise taktisch agieren und er wird auch nicht die nächsten 40 Jahre Justizsenator sein;
und dann sitzt man da mit einer solchen Experimentierklausel, die auch ein
Rückdrehen fast auf Null erlaubt. Deswegen mein Plädoyer, wie ich es vorhin
schon sagte: für einen Anspruch der Gefangenen auf Internetnutzung in angemessenem Umfang.
Jörg Heger
Eine m.E. ganz zentrale Aussage ist (nicht nur in der Entwicklung des Strafvollzugs!): Der halbe Schritt verhindert den ganzen! Das haben wir ganz konkret im
Strafvollzugsgesetz erlebt. 1976 hatte der Bundesgesetzgeber eine schrittweise
Anpassung der Gefangenen-Entlohnung beschlossen. Diese Schritte hat es nie
gegeben. Der Gesetzgeber selbst hat seine eigenen Vorgaben nicht eingehalten
und sie später wieder aus dem Gesetz herausgestrichen. Bessere Beispiele
muss man suchen.
Ein halber Schritt verhindert den ganzen. Hätte der Gesetzgeber damals gesagt:
Wir haben in dem und dem Jahr die und die Prozentzahlen, dann wäre das,
möglicherweise, gelungen. Das ist die eine Geschichte.
Die andere: Mir graust vor der Idee der Totalkontrolle. Was Sie in Norwegen
organisieren, ist die perfekte Orwell’sche Überwachung. Konzerne wie Intel,
wozu ja McAfee seit kurzem gehört, üben weltumspannende Macht aus.
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Microsoft als Bündnispartner wird mit Sicherheit die chinesische Regierung beraten, wie sie so etwas organisieren kann.
Diese Technologie einmal in der Welt durchexerziert zu haben, bis in jedes Gefängnis hinein, von zentraler Stelle in die Köpfe hinein zu regieren, das ist hoch
gefährlich. Das darf man nicht machen!
Ich würde sehr dafür plädieren, nicht die technische, sondern die soziale Komponente in den Vordergrund zu rücken. Die Bediensteten im Strafvollzug, die
heute Ängste haben, haben sie zu einem guten Teil, weil sie keine Ahnung haben von dem, worüber geredet wird. Diese Ängste abzubauen, das ist das Mittel der Wahl. Was ich aus eigener Erfahrung mit Herrn Lange-Lehngut erlebt
habe, das kann man übertragen und in der Breite organisieren. Sie können Ihre
Bediensteten zur Schulung schicken. Sie alle nach Norwegen zu schicken, ist
meines Erachtens nicht der richtige Weg!
Darf ich noch eine Bemerkung hinterher schieben? Ich erinnere mich an einen
Gefangenen, der mir glaubhaft versichert hat, er sei verurteilt worden wegen
sexueller Straftaten und Gewalt gegen Kinder. Der hat 15 Jahre Freiheitsstrafe
gekriegt, ist inhaftiert worden im Haus III in Tegel und hat keinerlei psychologische Betreuung bekommen, jedenfalls nicht auf Dauer und nicht mit Effizienz.
Der Mensch ist nach 15 Jahren Freiheitsstrafe ohne irgendeine Behandlungsmaßnahme auf freien Fuß gesetzt worden und hat ein halbes Jahr später wieder gesessen, weil er erneut ein Kind umgebracht hat. Er wird vermutlich nie
wieder in Freiheit kommen.
Wie können Sie verhindern, dass Menschen nach ihrer Haftentlassung neue
Straftaten begehen? Wenn Sie ausschließlich darauf achten, neue Straftaten
während der Haft zu verhindern, ist das zu kurz gedacht! Sie müssen dafür sorgen, dass die Leute während der Haft Kompetenzen erwerben, die sie nachher
brauchen. Niemand kann das Schwimmen lernen ohne Wasser, niemand Kompetenz und Verantwortung im Umgang mit dem Internet – ohne Zugang dazu.
Diese Möglichkeit muss geschaffen werden!
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Abschluss
Dirk Behrendt
Ich danke allen, die zu unserem Fachgespräch gekommen sind. Dem Publikum
und auch den Podiumsteilnehmern. Ganz herzlichen Dank, dass Sie uns ihre
doch sehr umfangreiche Kompetenz zu diesem Themenbereich für unsere weitere politische Arbeit zur Verfügung gestellt haben. Ein ganz besonderer Dank
an Sie Herr Hansen, der den weiten Weg aus Norwegen nicht gescheut hat, um
uns teilhaben zu lassen an den norwegischen Erfahrungen und uns einen Einblick gegeben hat in die norwegische Praxis. Ich glaube das war für alle sehr
interessant. Dafür herzlichen Dank und ich wünsche Ihnen allen einen schönen
Abend.
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DIE REFERENTEN
Dr. Dirk Behrendt
Rechtspolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im
Berliner Abgeordnetenhaus
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Geboren im August 1971 in Berlin.
Jura-Studium an der Freien Universität, Promotion zum Haushaltsrecht
seit 2000 Richter in Berlin, von Sommer 2005 bis Sommer 2006
beim Verwaltungsgericht
von 2003 bis 2005 Landessprecher der linksliberalen Neuen Richtervereinigung Berlin/Brandenburg
seit 2006 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, Mitglied in
den Ausschüssen für Recht und Inneres
Thomas Heilmann
Senator für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin
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Am 16. Juli 1964 in Dortmund geboren.
1993 legte er sein 2. juristisches Staatsexamen ab.
Bereits 1990 gründete er die Werbeagentur Delta-Design, die 1991
in „Scholz & Friends“ aufging.
Bis 2001 war Thomas Heilmann deren geschäftsführender Gesellschafter in der Niederlassung Berlin, anschließend bis 2008 Vorstandsvorsitzender von „Scholz & Friends“.
1998 lehrte er als Honorarprofessor an der Universität der Künste
Berlin.
Seit 1980 ist Thomas Heilmann Mitglied der CDU, seit 2009 stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Berlin.
Am 12. Januar 2012 ernannte der Regierende Bürgermeister von
Berlin ihn zum Senator für Justiz und Verbraucherschutz.
Bent Dahle Hansen
Berater des norwegischen Justiziminsteriums
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Teil des Teams, das die Informations- und Kommunikationstechnologie für die norwegischen Gefängnisse entwickelt hat
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Jörg Heger
EDV-Berater/Administrator
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Jahrgang 1952
freier Mitarbeiter in der JVA Tegel 1993 bis 2004
Dr. Olaf Heischel
Rechtsanwalt
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geb. 1955
Rechtsanwalt seit 1984
Mitglied des Berliner Vollzugsbeirats seit 1989
dessen Vorsitzender seit 1999
von 1996 bis 2000 Mitglied des Gnadenausschusses des Berliner
Abgeordnetenhauses
Dr. Florian Knauer
Vertretung eines strafrechtlichen Lehrstuhls an der Leibniz Universität
Hannover (2012/2013)
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Geboren 1975 in Berlin
Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu
Berlin (1994-1999). Referendariat beim Kammergericht in Berlin
(1999-2001).
Promotion bei Prof. Marxen an der Humboldt-Universität zu Berlin
zu dem Thema „Strafvollzug und Internet – Rechtsprobleme der
Nutzung elektronischer Kommunikationsmedien durch Strafgefangene“ (2005).
Abgabe der von Prof. Marxen betreuten Habilitationsschrift zu einem Thema aus dem materiellen Strafrecht an der HumboldtUniversität zu Berlin (Juli 2012).
Privatrepetitor in Berlin und Hamburg für die Fächer Kriminologie,
Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht sowie Strafprozessrecht
(1999-2004).
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Juristischen Fakultät an der
Humboldt-Universität zu Berlin (2004-2012)
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