als Heilmittel - Dr. Beatrice Wagner

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als Heilmittel - Dr. Beatrice Wagner
u
Von Beatrice Wagner u
Sex
als
Heilmittel
So wirkt die schönste
Sache der Welt auf unsere
Gesundheit.
Ein Rausch. Ein paar Sekunden, dann
ist es wieder vorbei. Nur wenige haben das
Glück, das Erlebnis direkt wiederholen zu
können. Für die meisten Menschen vergeht
dagegen eine Weile – bis sie einen erneuten
Orgasmus erleben können.
Beim Liebesspiel bevorzugt jeder eine eigene
Choreografie – und Topografie. Doch es gibt auch
Gemeinsamkeiten: Mehr als 50 Botenstoffe versetzen den Körper dabei in lustvolle Hochstimmung.
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Foto: iStockphotos.com/XXXXXXXXXXX
Tanz der Hormone entfacht
Aber warum dann der ganze Wirbel
um Sex? „Lustvolle Sexualität entfacht einen Tanz der Hormone. Mehr als 50 verschiedene Botenstoffe sind an den Orgasmusempfindungen beteiligt. Und deren
Wirkungen halten teilweise weit über die
Dauer des Geschlechtsverkehrs hinaus an“,
erklärt der Sexualmediziner und Männerarzt Dr. Georg Pfau aus Linz das Phänomen
der Wichtigkeit von Sexualität in unserem
Leben. Dass ein gelungener Sexualakt das
Zusammengehörigkeitsgefühl der Partner
stärkt, wissen die meisten Menschen aus
eigener Erfahrung. Oder auch, dass man
sich anschließend begehrenswerter und
jünger fühlt. Für Frauen ist dieser Effekt
sogar bereits wissenschaftlich belegt. Doch
auch abgesehen von diesen positiven Wirkungen der gelebten Sexualität auf Psyche
und Partnerschaft gibt es eine ganze Reihe
von physischen Effekten auf die Gesundheit – sodass man durchaus von Sexualität
als Therapie oder Heilmittel reden kann.
„Die gesundheitsfördernde Wirkung
von Sexualität setzt nicht erst mit dem Orgasmus ein. Schon beim ersten Streicheln
beginnt das Gehirn, Glückshormone auszuschütten, nämlich zunächst Endorphine
und daraufhin auch Dopamin. Diese Stoffe sorgen dafür, dass man sich entspannt
und wohlfühlt“, sagt Sexualmediziner Pfau.
Dopamin ist das Hormon, das auch für das
High-Gefühl beim Sport oder auch bei Er-
folgserlebnissen verantwortlich gemacht
wird. Ein Mangel des Hormons Dopamin
hingegen kann sogar Depressionen auslösen. Georg Pfau erklärt: „Sex wirkt antidepressiv. Die durch Sex aktivierten Endorphine vermitteln ein Stimmungshoch
und lindern sogar akute und chronische
Schmerzen.“
Optimales Kreislauf-Training
Steigt die sexuelle Erregung, führt das
zu einem Anstieg des Hormons Vasopressin. Diese blutdrucksteigernde Substanz
bringt den Kreislauf auf Touren. „Das Herz
beginnt, immer schneller zu schlagen. Der
Puls kann auf um 120 Schläge pro Minute
steigen und der Blutdruck für kurze Zeit
deutlich in die Höhe schnellen.
Man atmet dann bis zu 40-mal pro Minute ein und aus“, so Georg Pfau. Der sportliche Nebeneffekt: Die Leistungsfähigkeit
des Herzens wird trainiert und das Blut in
alle Blutgefäße bis in die kleinsten Verästelungen hineingepumpt. Sich regelmäßig
einmal am Tag körperlich zu verausgaben –
dabei muss es sich übrigens nicht nur um
sexuelle Aktivitäten handeln – beugt Herzinfarkt und Arteriosklerose vor. „Eine Studie mit 3000 Probanden belegt, dass sexuell
aktive Menschen um 50 Prozent weniger
tödlich verlaufende Herzerkrankungen erleiden“, zitiert Georg Pfau.
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Und welche Rolle spielt
das Hormon Testosteron?
Sexualität ist ohne Testosteron nicht denkbar,
denn es sorgt für sexuelle Lust. Es gibt eine gewisse Menge von freiem
Testosteron, das im Blut
zirkuliert. Diese Menge
entscheidet, wie schnell Mann – und auch Frau – erregbar ist.
Gleichzeitig unterliegt Testosteron einer interessanten Rückkoppelungsschleife: Ist viel von dem Lusthormon vorhanden, entsteht
schnell eine Erregung. Dadurch wird – über den Umweg Hirnanhangsdrüse und deren Steuerhormone – die weitere Testosteronproduktion angekurbelt. Sie findet in den Leydigzellen der
Hoden statt bzw. in den Theka-Zellen um die weiblichen ovariellen
Follikel, sprich Eibläschen. Der Gegenspieler von Testosteron ist
übrigens das Stresshormon Kortisol, weshalb man – also wieder
sowohl Mann als auch Frau – im Stress auch schwer erregbar ist.
Ocytocin – so heißt einer der Zauberstoffe
Im Körper der Frau wird ein Großteil des Testosterons in
Östrogen umgewandelt. Dadurch wird die Scheide feucht, die Gebärmutter richtet sich auf und der Beckenbodenbereich wird besser
durchblutet. Und generell sorgt das auf natürlichem Wege produzierte Östrogen bzw. Testosteron dafür, dass Frauen weiblicher und
Männer männlicher wirken. „Es sind ja alles Regelkreisläufe, man
kann nicht eine Wirkung auf nur eine Ursache zurückführen. Aber
die Menge der Geschlechtshormone steigt, wenn viel lustvoller Sex
erlebt wird. Und damit ändert sich auch die Ausstrahlung und die
Wirkung auf mögliche Partner“, so Georg Pfau.
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Und danach – hat das hormonelle Feuerwerk seine glücklich
machenden Spuren im Körper
hinterlassen.
Nach diesem langen
hormonellen Vorspiel
kommt es nun endlich
zum sexuellen Akt. Jetzt
tritt ein Hormon auf den
Plan, dass dazu da ist,
Sexualität zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis
zu machen, bei dem sich
Verbundenheit einstellt. Wenn also ein Stoff dafür verantwortlich
ist, dass Liebe blind macht, dann dieser: Oxytocin. Gebildet wird
das Hormon im Hypothalamus, einer wichtigen Schaltzentrale des
Gehirns. Der Hypophysen-Hinterlappen dient als Speicher.
Genau genommen profitiert der Mensch schon sehr früh von
den Wirkungen dieses Hormons – es löst nämlich den Geburtsvorgang aus, indem es die Gebärmutter-Muskulatur aktiviert. Danach stellt dieser Power-Stoff sicher, dass sich eine Mutter auch
um ihr Baby kümmern und für es sorgen will. Für die Sexualität
sind gleich beide Effekte förderlich. Denn: „Je mehr Oxytocin zum
Zeitpunkt X in unserem Blut kreist, umso intensiver erleben wir
die Gefühle beim Orgasmus“, schreibt der Chemiker Dr. Marco
Rauland in seinem Buch „Feuerwerk der Hormone“. Um etwa das
Dreifache ist der Oxytocinspiegel im Blut während des Orgasmus
im Vergleich zum Normalwert erhöht. Durch das Hormon fallen
die Zuckungen im Unterleib stärker aus. Bei der Frau ist es die
Gebärmutter, deren Muskelkontraktionen die Orgasmusgefühle
verstärken, beim Mann das rhythmische Pulsieren der Prostata.
Und damit nicht genug: Das Hormon puscht auch emotional!
So berichtet Marco Rauland über eine Untersuchung, bei der freiwilige Versuchspersonen Oxytocin mit einem Nasenspray inhalierten. Anschließend stimulierten sie sich selbst. „Die Wirkung
Sex aktiviert auch das Immunsystem
Wer zweimal pro Woche sexuell aktiv ist,
erhöht die Konzentration von Immunglobulin A, also speziellen Eiweißstoffen, im
Speichel um 30 Prozent. Dieses Immunglobulin steht beim körperlichen Abwehrkampf des Organismus an vorderster Front.
Dies könnte erklären, dass sexuell aktive
Menschen seltener Schnupfen haben. Mög-
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licherweise hat dies auch etwas mit der Beobachtung zu tun, dass sexuell aktive Männer ein etwas geringeres Risiko haben, an
Prostatakrebs zu erkranken.
Allerdings gilt hierbei in Bezug auf das Immunsystem: Die Dosis macht’s. Wer mehr
als dreimal pro Woche heißen Sex hat, bei
dem könnte die gegenteilige Wirkung auf-
treten. So wiesen die niedrigsten IgA-Spiegel jene Zeitgenossen auf, die mindestens
dreimal pro Woche sexuell ausgiebig ihren
Spaß hatten. „Generell gilt: Allzuviel ist ungesund“, davon ist auch Georg Pfau überzeugt. Denn ab einer gewissen Obergrenze
artet Sex in Stress aus. Und der schwächt
das Immunsystem.
war verblüffend: Die Testpersonen berichteten ausnahmslos über
sehr gefühlvolle Orgasmen und manch einer sogar vom Orgasmus seines Lebens.“ Blockierte man hingegen die Wirkung von
Oxytocin durch ein Medikament, so hatten die Versuchsteilnehmer zwar einen Orgasmus, empfanden allerdings kein Gefühl der
Befriedigung oder Freude beim Höhepunkt. „Oxytocingesteuerte
Menschen sind besser fähig, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen, sich auf den Partner einzulassen“, erklärt auch Georg
Pfau. Eine glückliche Beziehung ohne Stress und ohne viel Streit
wiederum hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität
und damit wiederum auf die Gesundheit.
Aber auch das Hormon Prolaktin darf nicht unterschätzt werden. Vor dem Beginn der Erregungskurve wird es noch durch Dopamin unterdrückt, damit es nicht zum Spielverderber wird: Denn
Prolaktin vermittelt das Gefühl von Befriedigung, Ruhe, Zuneigung
und Zufriedenheit – also sozusagen den Zustand des Hinterher.
Bei einigen Männern sorgt Prolaktin für den häufig zitierten Ef-
fekt, sich direkt aus den Armen der Partnerin in Morpheus Arme
begeben zu wollen. Bei anderen Männern kann die Prolaktinkurve
nach dem Orgasmus aber auch steil nach unten sinken. Dann hat
das Dopamin eine neue Chance, eine Erregungskurve zu starten.
Doch das Phänomen, sofort nach dem erfüllten Liebesspiel wieder
„startklar“ zu sein, ist recht selten. Viel Prolaktin hat auch etwas
Gutes: „Wir dürfen Prolaktin für unsere grauen Zellen nicht verachten“, erklärt der Sexualtherapeut Pfau. „Denn Prolaktin aktiviert
das endogene Stammzellenwachstum des Gehirns. Somit macht
Sex auch schlau und kreativ.“
Und übrigens: Eine „mechanische Aktion“, die nur durchgeführt wird, um die Gesundheit zu fördern, hat nur wenig Heilwirkung. Beim Sex zählt nun mal das Feeling ... u
Die Autorin Dr. Beatrice Wagner ist Humanbiologin und Journalistin
für Wissenschaft und Medizin.
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Wissenschaftlich
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Kaugummikauen
zusätzlich zum zweimal
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hilft, das Kariesrisiko
um bis zu 40 %
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