Aus alt mach neu! - Renaissance der Altstadt von Antalya?

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Aus alt mach neu! - Renaissance der Altstadt von Antalya?
Aktuelles Türkei magazin
Sonderausgabe der einzigen deutschsprachige Wochenzeitung für die Türkei
Gegründet 2004
seit 2006 vereinigt mit
P RIMA L EBEN
w w w. a t r - z e i t u n g . c o m
5. Jahr Nr. 208
ATR - Special 2008 / 7
Einzelpreis: 2,00 EUR
28. November 2008
Aus alt mach neu!
Renaissance für die
Altstadt von Antalya?
Großer Bericht ab Seite 5
Altstadt von Antalya
© Markus Bös
Türkei im Umbruch
ATR - Roman
Aus alt
mach neu
Sie hieß Dilara
Renaissance für die Altstadt von Antalya oder noch ein ein gescheitertes Projekt?
Prozess in Deutschland:
Betrügerin zu Haft und Schadenersatz verurteilt
Seite 5
Seite 23
Die letzten Kapitel
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ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 2
(ATR-Nr. 208)
Kommentar - Inhalt
Zu diesem
Magazin
Themen
dieser
Ausgabe
Drei Magazine
in einem Monat ändert die ATR ihr Gesicht?
Gleich drei Magazine der ATR-Redaktion
sind im November dieses Jahres erschienen.
Schon erreichten uns erste Zuschriften,
ob sich das Erscheinungsbild der Aktuellen
Türkei Rundschau in Zukunft verändern
werde. Aber wir dürfen unsere Leserinnen
und Leser beruhigen: das klassische Konzept
der Aktuellen Türkei Rundschau bleibt auch
in Zukunft erhalten.
Inhalt
Aus alt mach neu
Renaissance für die
Altstadt von Antalya - oder
noch ein gescheitertes Projekt?
5
Sie hieß Dilara
«23» Jetzt kommt auch noch
der Schwager ins Spiel
23
«24» Der Gerichtstermin naht
25
«25» Horst werden die Augen geöffnet 26
«26» Wilfried erzählt seine „ganze“
Geschichte
29
«27» Wilfried wird misstrauisch
31
Allgemeine Rubriken
Die direkte Draht
zur ATR-Redaktion:
J.P. Fuß:
+90 - 537 – 46 48 628
A. Morawe:
+90 - 537 – 46 86 236
Kleinanzeigen
Wichtige Rufnummern & Adressen
Tierschutz-Adressen & Vereine
Impressum
Welt der Christen - Termine
Bücherei
6
10
16
22
24
27
So werden Sie bereits ab nächster Woche
wieder am Freitag wie gewohnt aktuelle
Berichte,
Nachrichten
und
Hintergrundinformation zu den Entwicklungen in der
Türkei erhalten. Und genügend Stoff wird
es auch wieder geben, das ist bereits jetzt
erkennbar. Da denken wir zum Beispiel an
die ersten Reaktionen, die die Ankündigung
hervorgerufen hat, dass Marco Weiß jetzt
noch vor Weihnachten ein Buch herausgeben
wird, in dem er über seine Erfahrungen in der
türkischen Untersuchungshaft und mit dem
türkischen Gericht in Antalya berichten wird.
Ist die Empörung über Marco Weiß und
seine Entscheidung verständlich? Uns fällt
in dem Zusammenhang ein Begriff aus dem
deutschen Gerichtswesen ein, der da lautet
„Prozessverschleppung“. Doch dazu mehr in
der nächsten Woche.
Im vorliegenden Magazin finden Sie jetzt
erst einmal einen ausführlichen Bericht zu
einem anderen ebenfalls aktuellen Thema,
die Sanierung von historischen Stadtkernen.
Was unser Autor Markus Bös dabei im Laufe
mehrerer Jahre zu den Aktivitäten in Antalya
zusammengetragen hat, wirft die Frage auf,
ob das Vorhaben gelungen oder (wieder
einmal) ein Projekt in der Türkei gescheitert
ist. Lesen Sie selbst, zu welchem Resultat der
Autor kommt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine
interessante Lektüre mit der neuesten
Ausgabe des Aktuellen Türkei Magazins. ÷
Ihr
Mo. bis Fr.
10:00 Uhr bis 19:00 Uhr
Weitere Kontaktdaten Seite 12
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 3
(ATR-Nr. 208)
Jürgen P. Fuß
Produktinformationen
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 4
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Unbruch
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu! Renaissance der Altstadt von Antalya?
Nach vier Jahren stellt sich die Frage: Noch ein gescheitertes Projekt?
von Diplom-Geograph Markus Bös
Immer wieder berichtet die ATR über die Situation bei den
Immobilien an der Türkischen Riviera. Erhebliche Leerstände
und gleichzeitig völlig überhöhte Preisvorstellungen bei den
Besitzern der Immobilien, Bauträgern und nicht zuletzt
den Immobilienhändlern kennzeichnen schon seit mehreren
Jahren den Markt.
Die Gefahr, dass Ausländer durch einen vorschnellen
Kaufentschluss übervorteilt werden und dabei viele
zehntausend Euro verlieren können, ist außerordentlich
groß. Ein besonders großes Risiko ergibt sich dann, wenn
sich ein Käufer - der mit den örtlichen Verhältnissen nicht
vertraut ist - in ein altes Haus verliebt, das in einem der alten
Stadtkerne einer türkischen Großstadt liegt. Die Hoffnung
auf eine immense Wertsteigerung innerhalb weniger Jahre
verbunden mit der Illusion, dort das Leben der einheimischen
Bevölkerung hautnah erleben zu können, wird schnell
zunichte gemacht.
Im Rahmen seiner Promotionsarbeit hat der deutsche
Diplom-Geograph Markus Bös in den letzten Jahren viele
Monate in Antalya verbracht und sich im Rahmen seiner
Forschungen auch mit den Entwicklungen im Stadtkern
auseinandergesetzt.
Die ATR-Redaktion schätzt sich glücklich, heute einen Bericht
von Markus Bös veröffentlichen zu können, der mit der
notwendigen kritischen Sichtweise die Verhältnisse in Antalya
beschreibt. ÷
In den vergangenen Jahrzehnten durchlief
die Altstadt von Antalya (türk. Kaleiçi,
wörtl. innerhalb der Mauer = Altstadt) einen
beachtlichen Prozess des Wandels. Der von
Wohnbevölkerung nahezu völlig entleerte und
in Vergessenheit geratene einstige Siedlungskern
Antalyas rückt seit kurzem zunehmend in den
Fokus der Öffentlichkeit. Ausländische sowie
inländische Investoren und Stadtplaner träumen
gemeinsam von einer Renaissance und neuen
Blütezeit der Altstadt.
Ob sich diese Träume erfüllen, ist jedoch mehr
als fraglich und darf unter den derzeitigen
Bedingungen bezweifelt werden.
© Aus alt mach neu
Collage von Markus Bös /
Jürgen P. Fuß
Attaleia, so lautete einst der Name der heutigen
(Alt-) Stadt Antalya, die im Jahre 158 v. Chr. von
König Attalos II. von Pergamon gegründet wurde und
seitdem eine wechselvolle Geschichte erfahren hat.
Wie bei den zahllosen anderen Stadtneugründungen
an den Küsten des Mittelmeeres spielte auch bei
der Gründung der Hafenstadt Attaleia die günstige
Topographie eine entscheidende Rolle. Hinzu kam,
dass die Stadt mit ihrem verlandungssicheren
Naturhafen eine bedeutende verkehrsgeographische
Lage einnahm.
Sie lag am Schnittpunkt von Handelsstraßen aus
Lykien, Pisidien und Ost-Pamphylien und der
Hafen avancierte in mittelbyzantinischer Zeit
zum wichtigsten der kleinasiatischen Südküste. Er
diente als Flottenstützpunkt, Import-, Export- und
Transithafen für Güter und als Passagehafen für den
Personenverkehr nach Zypern und in die Levante.
Bis heute finden sich in der Altstadt viele bauliche
Zeugnisse
verschiedener
Herrschaftsepochen,
beginnend mit der Hellenistischen-, über die
Römische-,
Byzantinische-,
Seldschukische-,
Emirats-, Osmanische- und letztlich Türkische-Zeit.
Nicht nur die einzelnen Herrschaftsepochen haben
die Stadt in unterschiedlich hohem Maß geprägt.
Auch das Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien
mit ihren verschiedenen Religionen, vorrangig der
christlichen und muslimischen, haben deutliche
Spuren hinterlassen.
Zur Erläuterung: Ethnie [griechisch] bezeichnet eine
Gruppe von Menschen, die durch die Vorstellung
einer gemeinsamen Herkunft und Geschichte, eines
Zusammengehörigkeitsbewusstseins und einer
gemeinsamen Kultur (Sprache, Religion, Werte,
Traditionen) gekennzeichnet ist. ÷
... weiter Seite 7
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 5
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
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ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 6
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Die Entwicklung im 20. Jahrhundert
Besonders prägnant für die Altstadt von Antalya sind
eine über Jahrtausende anhaltende Ortkonstanz,
Siedlungskontinuität sowie eine persistente
Stadtstruktur. Die Siedlungskontinuität hat dazu
geführt, dass innerhalb der Stadt nur selten antike
Überreste direkt an der Oberfläche sichtbar sind.
Im Laufe der Zeit ist die Stadt weniger in die Fläche
(vertikal), als zunehmend in die Höhe (horizontal)
gewachsen. Es wurde Schicht auf Schicht gebaut
bzw. überbaut. Das ursprüngliche Niveau der Stadt
liegt mehrere Meter unterhalb des heutigen. So
bewegt sich der Besucher im wahrsten Sinne des
Wortes auf historischem Boden.
Die Entwicklung im 20. Jahrhundert
Der Sieg der Türken im griechisch-türkischen Krieg
im Jahre 1922 markiert einen ersten Wendepunkt in
der Geschichte der Altstadt.
Als Folge des Kriegsausgangs und im Zuge der
Gründung der türkischen Republik im Jahre 1923
wurde die griechischstämmige Bevölkerung an
der gesamten türkischen West- und Südküste
vertrieben.
Anmerkung: Von offizieller türkischer Seite aus
spricht man nur ungern von Vertreibung. Hier wird
der Begriff „Bevölkerungsaustausch“ vorgezogen.
Für die griechischen Bewohner Kaleiçis bedeutete
dies, dass sie ihren Grundbesitz aufgeben und
Häuser verlassen mussten. In die leerstehenden
Häuser zogen Türken.
Wie zahllose andere Städte wird auch Antalya in
den 1950er und 1960er Jahren von einem rasanten
Urbanisierungsprozess im Zuge der landesweiten
Industrialisierung erfasst. Die Folgen für das
bauliche sowie funktionale Gefüge Kaleiçis waren
erheblich.
Der sich ab der Mitte des 20. Jahrhunderts
abzeichnende Verstädterungsprozess Antalyas ist der
eigentliche Auslöser für den Transformationsprozess
der Altstadt. ÷
...
weiter Seite 9
Bild:
Die Altstadt von Antalya
aus der Vogelperspektive im Jahre 2006
© Luftaufnahme von Kara, T. (2006):
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ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 7
(ATR-Nr. 208)
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ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Ab etwa 1960:
Die Wohnbevölkerung verlässt die Altstadt
Mit Industrialisierung und Urbanisierung wanderte
in immer höherem Maß die Wohnbevölkerung der
Altstadt, darunter viele Angehörige der türkischen
Oberschicht, beispielsweise reiche Händlerfamilien,
in die Gebiete außerhalb der Mauern Kaleiçis ab.
Vor den Mauern setzte ein rasantes Wachstum der
Neustadt ein.
Verlassenes Haus
in der Altstadt
© Markus Bös
Viele Bewohner der Altstadt empfanden es als
nicht mehr zeitgemäß, in Jahrhunderte alten,
schlecht belüfteten Häusern mit Holzdecken, ohne
Klimaanlagen und auf engem Raum zu wohnen.
Langsam zeichnete ein Wandel vom traditionellen
zum modernen Lebensstil ab.
In den 1970er und 1980er Jahren beschleunigte sich
das Wachstum der Neustadt weiter. Es entstanden
zahlreiche
neue
mehrstöckige
Geschäfts-,
Appartement- und Mietshäuser, die über eine
„moderne“ Ausstattung verfügten, klimatisiert
waren und ausreichend großen Geschäfts- bzw.
Wohnraum boten. In einer Veröffentlichung aus
dem Jahre 1979 mit dem Titel: „Beobachtungen
zum innertürkischen Fremdenverkehr in der Provinz
Antalya bemerkt GÜNTHER RAUH zur Neustadt: „Um
die Altstadt hat sich eine neuere Geschäftszone
mit modernen Bauten für Versicherungen, Banken,
die öffentliche Verwaltung, Bekleidungsgeschäften
u.ä. sowie zahlreichen Fremdenverkehrshaupt- und
-nebenbetrieben gebildet.“
Viele der Handwerksbetriebe sowie andere
Gewerbetreibende seien aus den Basargassen im
Stadtzentrum verdrängt worden und ließen sich
nun in den nördlich der Stadt gelegenen neuen
Gewerbe- und Industriegebieten nieder, so RAUH
weiter.
Wer es sich leisten konnte, mietete jedoch kein
Appartement, sondern baute gleich ein neues
Eigenheim am Rande der Neustadt. Für die Altstadt
Antalyas führte die rasante Entwicklung der
Neustadt zu einem bis heute sichtbaren Wandel
der Funktion „Wohnen“. Mit dem Wegzug der
Oberschicht und gut situierten Mittelschicht in
die Neustadt, kam es zu Leerstand und daraus
resultierend zum baulichen Verfall zahlloser
Gebäude.
Die einstigen Bewohner und nicht selten auch
Besitzer der Häuser vermieteten diese an Familien,
die zum überwiegenden Teil der türkischen
Unterschicht angehörten. Das soziale Milieu
veränderte sich. Es sank stark ab.
Was RITTER und RICHTER in ihrer Veröffentlichung unter
dem Titel: „Aktuelle Urbanisierungsprozesse in der
Türkei“ aus dem Jahre 1990 bei der Untersuchung
anderer türkischer Städte festgestellt haben, lässt
sich in gewisser Weise auch auf Alt- und Neustadt
Antalyas übertragen: „(…) der Sozialgradient
[verläuft] vom Zentrum zur Peripherie“.
Das bedeutet: „Die statusniedrige Bevölkerung
belegt (…) die Restbestände sozial und baulich
abgesunkener Altstadtquartiere“, während hingegen Ober- und Mittelschicht neue Appartementwohnungen in Hochhäusern, die zum Teil an die
neuen Geschäftsviertel angrenzen, bewohnen“. ÷
... weiter Seite 11
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 9
(ATR-Nr. 208)
Wichtige Rufnummern
& Adressen
Notfall in der Türkei?
Wichtige Rufnummern und Adressen
TÜRKEI – NOTRUFNUMMERN
Erste Hilfe:
112
Ambulanz:
077
Feuer:
110
Polizei:
155
Jandarma:
156
ADAC-NOTRUF
(0212) 288 71 90
SPERRNUMMER FÜR
EC- & KREDITKARTEN
116 116
VERLUST VON
GELD ODER HANDYS?
Geldverlust
Handy - Diebstahl
(Servicenummern zur Handysperre)
Tel.-Nr./Homepage
Telefongesellschaft/Servicenummer
+49 (0)180 / 30 40 500
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Tel.: +90 (-242) 247 00 62
Funk: +90 (-542) 712 94 56
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 10
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Ende der 1980er Jahre:
Massentourismus und die Altstadt verfällt
An den Küsten
entsteht der
internationale
Massentourismus
und die Altstadt
verfällt
Während gegen Ende
der 1980er Jahre
der internationale
Massentourismus an der
türkischen Südküste,
besonders westlich
und östlich der Stadt
Antalya einsetzte,
verfiel die Bausubstanz
Kaleiçis zunehmend.
Bild oben:
Verlassenes Haus sucht neuen
Käufer
© Markus Bös
Bild unten:
Massentourismus entwickelt
sich außerhalb der Altstadt
© Jürgen P. Fuß
Die heruntergekommen
Häuser wurden, falls
überhaupt noch,
von Angehörigen
gesellschaftlicher
Randgruppen wie beispielsweise Sinti und Roma,
teils legal, teils illegal bewohnt. Trotz strengen
staatlichen Verbots gab es in den Gassen der
Altstadt Prostitution und als Pensionen getarnte
Etablissements und Stundenhotels.
Aus Angst vor Diebstahl oder Raub wagte sich
während den Abend- und Nachtstunden kaum ein
Besucher in die Altstadt. In den zahlreichen leer
stehenden und langsam verfallenden Gebäuden
traf man zuweilen auf Drogenabhängige.
Noch im Jahr 2005
gaben
Einheimische
auf die Frage, was sie
über die Altstadt und
deren Zukunft denken
würden, zur Antwort,
dass
die
Altstadt
sicherlich
erhaltenswert sei, leben wollten
sie dort aber nicht.
Alles sei doch sehr
beengt, die Gassen
schmal und schmutzig.
Zudem sei es besonders
nachts unsicher und
selbst am Tage sei man
vor Diebstahl nicht
geschützt. ÷
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 11
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch - ATR-Kontaktdaten
Collage
An den Küsten entsteht
der internationale Massentourismus
und die Altstadt verfällt
© Jürgen P. Fuß
Aktuelle Türkei
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seit 2006 vereinigt mit Prima Leben
- Europa-Ausgabe -
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Annahmeschluss für
Artikel und Annoncen:
mittwochs um 12 Uhr
Annahmeschluss nach Voranmeldung:
donnerstags um 10 Uhr
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 12
(ATR-Nr. 208)
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Funk Morawe:
Funk Fuß:
+90 - 242 – 517 34 31
+49 - (0)3212 - 100 87 53
-90 - 537 – 46 86 236
+90 - 537 – 46 48 628
Mo. bis Fr.
Sa. & So.
10:00 Uhr bis 19:00 Uhr
geschlossen
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ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Ab Mitte der 1990er Jahre:
In Kaleici wird wieder investiert
In den 1990er Jahren zeichnet sich ein erneuter
Wandel in der Altstadt ab. In die verfallene
Bausubstanz wurde wieder investiert. Großzügige
ehemalige Wohnhäuser wurden nach strengen
Vorgaben des türkischen Denkmalschutzes in kleine
bis mittelständische Beherbergungsunternehmen
umgewandelt. Dieser Prozess intensivierte sich ab
Mitte der 1990er Jahre weiter.
Es ist bemerkenswert, dass die Hotel- und
Pensionsbesitzer in nicht geringer Zahl ausgerechnet
in Kaleiçi investierten. War doch das soziale
Milieu und die bauliche Situation alles andere als
Im Zuge der Entwicklung des Massentourismus an den
Küsten kam es zur „Entdeckung“ der Altstadt durch
kulturhistorisch interessierte Individualreisende,
die abseits von „all-inklusive“ und außerhalb der
großen „Resort-Anlagen“ ihren Urlaub verbringen
wollten. So galt die Altstadt von Antalya während
der 1990er Jahre noch als „Geheimtipp“ unter
den Individualreisenden. Wenn auch oftmals nur
punktuell verhinderten die Investitionen sowie
Renovierung, Restaurierung und Nutzung der alten
Bausubstanz als Beherbergungsbetriebe zumindest
den Totalverfall der Altstadt.
Eine noch bis heute sichtbare Folge dieser
Entwicklung der 1990er Jahre zeigen
die drei, die Altstadt dominierenden
Nutzungsformen der Gebäude sowie deren
Verteilung auf dem rund 30 ha umfassenden
Areal Kaleiçis auf:
Hotel- und Pensionsbetriebe
Gastronomiebetriebe
Einzelhandel und Dienstleistung
(darunter fallen die zahllosen
Bekleidungs-, Teppich- und Souvenirgeschäfte, sowie die Autovermietungen
und Taxiunternehmen)
Die neu entstandenen Hotel- und Pensionsbetriebe dürften als Multiplikatoren für
andere Branchen, wie den Einzelhandel,
Dienstleistungen und die Gastronomie
gedient haben. Die Funktion „Wohnen“
wurde jedoch endgültig verdrängt.
Geschäftsstraße in Kaleici
© Markus Bös
investitionsfreundlich. Trotzdem wurde investiert.
Dies lag zum einen an den im Vergleich zu den
Küstengebieten niedrigen Grundstückskosten und
zum anderen daran, dass sich Grundstücke sowie
Gebäude häufig seit mehreren Generationen im
Besitz der Familie des Investors befanden.
Über die notwendigen Mittel, um am boomenden
internationalen Massentourismus außerhalb der
Altstadt partizipieren zu können und in den Bau
eines größeren Hotels zu investieren verfügten,
wenn überhaupt, nur die wenigsten.
Die räumliche Verteilung der verschiedenen
Nutzungen über das Gebiet der Altstadt ist
heterogen. Allerdings gibt es im nördlichen
Teil der Stadt, im Bereich zwischen
Uhrturm und Hafen, eine auffallende
Agglomeration von Einzelhandels- und
Gastronomiebetrieben. Diese ist dadurch zu
erklären, dass hier die Haupttouristenströme der
Tagesbesucher der Altstadt verlaufen.
Die Besucher verlassen am Atatürk-Platz ihre
Reisebusse und bewegen sich vom Uhrturm
hinunter zum Hafen. Von dort unternehmen sie
die von vielen Reiseveranstaltern der Resort-Hotel
Anlagen angebotenen oder vor Ort buchbaren,
teils mehrstündigen Touren auf den zahllosen
Ausflugsschiffen. Anschließend bewegen sich die
Touristen zurück vom Hafen zu den Reisebussen. ÷
... weiter Seite 14
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 13
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Ab Mitte der 1990er Jahre: In Kaleici wird wieder investiert
Fortsetzung von Seite 13
Es verwundert kaum, dass sich in diesem Bereich ein
Bekleidungsgeschäft an das andere reiht. Allesamt
bieten kopierte bzw. nachgemachte Markenartikel
zum Kauf an. Die Artikel treffen ganz offensichtlich
bei den Touristen auf hohe Nachfrage.
Tendenziell nehmen die Nutzungen „Einzelhandel“,
„Gastronomie“
und
„Übernachtungsbetriebe“
vom Hafengebiet in Richtung Neustadt ab, wobei
gleichzeitig eine Zunahme der Nutzung „Wohnen“
festzustellen ist. Allerdings stehen die Wohngebäude
zum weitaus überwiegenden Teil leer. ÷
Neben den Bekleidungsgeschäften gibt es
Souvenirläden, Uhrengeschäfte, in denen ebenfalls
kopierte Markenartikel angeboten werden und
einige wenige Juweliere, die teuren Schmuck in
den Auslagen ihrer Schaufenster ausstellen. Des
Weiteren gibt es eine Vielzahl von Bars, Cafés
und Restaurants. Im Hafenbereich dominieren
Restaurants mit großen Außenterrassen.
Alle Bilder ohne Namenskennzeichnung:
© Markus Bös
A ktuelle Türkei Rundschau
... nicht a ...nders , sondern b ... esser !
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 14
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
2005: umfangreiche Maßnahmen
zu Sanierung und Erhalt der Altstadt
Die Stadtverwaltung kündigt
umfangreiche Maßnahmen
zu Sanierung und Erhalt der Altstadt an
und setzt diese um
Im Jahre 1991 hatte die Stadtverwaltung Antalyas
im Zusammenhang mit der Erlassung strenger
Denkmalschutzvorschriften einen Generalplan
für die Altstadt erstellt. Erfasst wurden der
Gebäudebestand sowie der bauliche Zustand.
Bis zum Jahre 2005 diente dieser Generalplan
als Planungsgrundlage. Erst 2005 wurde die
gesamte Altstadt neu vermessen und ein aktueller
Katasterplan erstellt.
Ab diesem Zeitpunkt rückte die Altstadt in den
Fokus der Planer. Ziel war es, unter Beachtung der
Vorschriften des Denkmalschutzes Kaleiçi umfassend
zu modernisieren und damit in wert zusetzen.
Zunächst wurde ein Projekt zur autofreien Altstadt
sowie die Schaffung eines Verkehrsleitsystems
angedacht und zügig umgesetzt.
Im Oktober 2007 folgten dann umfassende
Sanierungsarbeiten an der Infrastruktur. Diese
umfassten die Erneuerung des Frisch- und
Abwassersystems, der Stromversorgung, der
Telekommunikation sowie den Austausch des
Asphaltbelages gegen Pflaster. Die Baumaßnahmen
sollten bis zum Frühjahr 2008 abgeschlossen sein.
Der angestrebte Fertigstellungstermin konnte
jedoch nicht eingehalten werden und so zogen sich
die Maßnahmen, die geradezu gleichzeitig in der
gesamten Altstadt begonnen worden waren bis in
den Sommer 2008.
Besonders
verärgert
darüber
waren
die
Geschäftstreibenden Kaleiçis. Denn ausgerechnet
zu Beginn der Saison fanden umfangreiche
Baumaßnahmen im touristisch besonders intensiv
genutzten Bereich um den Hafen statt. Neben
den Modernisierungsmaßnahmen gab es auch
archäologische Grabungen und Sicherungen,
beispielsweise im Bereich des Kesik Minare. Diese
standen im Zusammenhang mit dem Vorhaben,
einige der kulturhistorisch besonders bedeutsamen
Plätze in der Altstadt Besuchern zukünftig
zugänglich zu machen.
Nachdem Mitte des Jahres 2008 die Arbeiten
weitestgehend abgeschlossen sind, betreibt
die Verwaltung massive Imagewerbung für
Kaleiçi. So werden beispielsweise in öffentlichen
Verkehrsmitteln wie dem Dolmuş kurze Werbespots
über die Altstadt gezeigt. Erklärtes Ziel der
Verwaltung ist es, Kaleiçi schnellstmöglich zu
modernisieren und zu „revitalisieren“ – damit
bezeichnen Fachleute eine „Wiederbelebung“.
Dafür soll die Altstadt zu einem exklusiven
und
attraktiven
WohnGeschäftsund
Beherbergungsviertel umgestaltet werden So ist
beispielsweis angedacht, im nördlichen Bereich
der Altstadt die Gassen, welche vom Uhrturm
zum Hafen hinab führen zu einer exklusiven und
hochpreisigen Nobelflaniermeile umzuwandeln.
Die derzeit ansässigen Händler sollen verdrängt
werden und exklusiven sowie hochpreisigen
Markengeschäften weichen. ÷
... weiter Seite 17
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 15
(ATR-Nr. 208)
Adressen
Tierschutz & Vereine
TIERHILFE - TIERSCHUTZ
Adressen
Antalya - Beldebi - Kemer
Kuşadası
Herztier
Tierinsel-Umut Evi
Marion Aslan
Ünsal Mah. 5151/2 Sok. No. 66
Funk1: 0090 - 543 838 00 88
Funk2: 0090 - 546 220 02 21
Fax & Voicebox:
+49 - (0)721 - 151 - 509 990
Homepage: www.herztier.com
Dalaman - Göcek
Tel.: 0256-612 99 11
vorm. Frau Miriam Rehbein
(spricht deutsch)
www.tierinsel-tuerkei.com
Sina Karada
Izmir
Halbinsel Çeşme
Tel.: 0252-645 30 03
Fax: 0252-645 30 04
Funk: 0532-212 788
Sükriye Efe Geenan yalis
Geenan mah. 6197 sk. No. 19
34140 Izmir
(Türkisch, Englisch, Deutsch)
www.tierschutz-hennef.de
Tel.: 0232-715 23 25
Tierinsel Umut Evi in Kuşadası
FLUGPATEN
FLOHMARKTTAGE in OBA
Wir suchen dringend Flugpaten
Tierinsel Umut Evi e.V.
Karin Campbell
Tel: 08671 – 92 78 58
zur Unterstützung der
Straßentiere in und um Alanya
Vermittlung Region München:
Nesli Taylan
Tel.: 0177-712 24 55
Jeden Montag in Oba
auf dem Bazar
Vermittlung Region Köln:
Familie Stoll/Dalbudak
Tel.: 02224-988 96 41
am Anfang auf der Westseite (hinter Hotel Acar)
Nähere Infos: Karin Klimm
Handy-Nr. 0535-566 71 22
Türkei-Kontakt:
siehe unten
VEREINE & ANDERES
ALANYA
ANTALYA
ADDIDA
AKDIM
Vereinstreffen im Büyük Hotel
(Atatürk Str. - Richtung Mahmutlar auf linker Seite)
jeden 1. Samstag im Monat um 14.00 Uhr
HÜR-TÜRK
(Antalya Interkulturelles Dialogzentrum)
ISTANBUL
DIE BRÜCKE e.V. (KÖPRÜ)
Dt. Kultur und Wohltätigkeitsverein
Istanbul
Tongal hafız bedesteni elmalı Mah. 19
Sok. No. 2
Telefon: + 90 242 244 58 88
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.akdim.org/de
Yeniçeriler Cad. 85, Beyazıt - Istanbul
ALANYA
IZMIR
Beyaz Saray Alışveriş Merkezi
Tel. +90 212 / 458 98 50
Deutsch - Türkischer Freundschaftsverein
(Hürriyetçi Türk-Alman Dostluk Cemiyeti)
Treffen: Jeden 1. Samstag im Monat
um 10.00 Uhr im Miray Hotel
(Atatürk Straße - Richtung Otogar)
Sprechstunde: Mittwoch 14 - 16 Uhr
Büroadresse:
Hinter ALTSO (IHK)-Gebäude
Atatürkstr., 1. Stock
Tel. 0242 - 519 23 48
Ausländer-Beirat
Sprechstunden:
Mo. & Do. 10.00-12.00 Uhr
Tel. (0242) 5194741
- App. 14 (ondört) verlangen Büro: Zentrum an der Kuyularönü-Moschee,
gegenüber Auffahrt zur Burg
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 16
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Deutsch-türkische
Vereinigung TADD
e-mail: [email protected]
Homepage: www.taddizmir.com
Tel: (0232) 464 67 10 - Fax: (0232) 464 67 11
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Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Heute: Fast jedes Gebäude renoviert,
restauriert oder originalgetreu wiedererbaut
... gleichzeitig sind
Immobilienpreise explodiert
Seit gut vier Jahren lässt sich beobachten, wie nach
und nach zuvor verfallene oder totalverfallene
Gebäude renoviert oder restauriert werden.
Baulücken, die durch den Totalverfall entstanden
waren, sind geschlossen. Die Renovierung oder
Restaurierung der Gebäude erfolgt nach den
strengen Vorgaben und Regeln des türkischen
Denkmalschutzes.
Vorgeschrieben ist beispielsweise, dass Originalbaumaterialen, wie Steine usw., soweit noch
vorhanden wieder benutzt werden müssen.
Grundsätzlich müssen die Gebäudefassaden nach
den Originalplänen renoviert oder restauriert bzw.
neu errichtet werden. Was den Umbau innerhalb
der Gebäude angeht, sind die Regelungen recht
freizügig. Verlief der Aufwertungsprozess anfangs
noch schleppend, hat er im vergangenen sowie
diesem Jahr deutlich an Dynamik gewonnen.
Heute ist fast kein unrenoviertes Gebäude mehr
zu finden. Nahezu alle Fassaden sind saniert.
Gleichzeitig jedoch sind die Immobilienpreise
geradezu explodiert. War es noch vor 10 Jahren
durchaus möglich, zu einem erschwinglichen
Preis ein großzügiges Grundstück mit Immobilie
zu erwerben, so sollte man heute davon Abstand
nehmen. Die Preise haben sich vervielfacht!
Wenn auch am Ende nicht die von den Besitzern
auf Anhieb genannten Kaufpreise für ein Gebäude
mit Garten wirklich gezahlt werden, so ist das
Preisniveau dennoch viel zu hoch. Hinzu kommt,
dass momentan nahezu alle Immobilien völlig
überbewertet sind. Wie es dazu kommen konnte sei
im Folgenden dargestellt.
Zur Erläuterung: Gentrification beschreibt einen
Prozess der Aufwertung sozial abgesunkener alter
Stadtviertel.
Mit der Aufwertung geht gleichzeitig ein Austausch
der Wohnbevölkerung unter Verdrängung von
statusniederen Bewohnern durch statushöhere
einher. Seit den 1970er Jahren ließ sich Gentrification
in vielen Großstädten der Industrieländer
nachweisen. Neuere Forschungen zeigen, dass
sich der Prozess aber ebenso in Entwicklungs- und
Schwellenländern wie beispielsweise Marokko, hier
in Marrakesch, oder in der Türkei, hier in Istanbul,
nachweisen lässt.
Beim
Transformationsprozess
der
Altstadt
von Antalya handelt es sich jedoch nicht um
Gentrification. Dies liegt unter anderem daran,
dass bis heute kein Austausch der Wohnbevölkerung
zugunsten einer statushöheren stattgefunden hat.
Ganz im Gegenteil ist momentan nahezu überhaupt
keine Wohnbevölkerung in Kaleiçi mehr vorhanden.
Ebenso sind die am Wandlungsprozess der Altstadt
beteiligten Akteursguppen viel zu heterogen, als
dies bei Gentrification der Fall sein dürfte.
Um Klarheit über die Akteure zur erlangen, wurde
im Jahre 2005 eine Befragung aller Pensions- und
Hotelbesitzer oder Betreiber durchgeführt. Die
Befragungsergebnisse haben bis heute Gültigkeit,
da sich die Akteurs/- Investorengruppen, die
in die verfallene Bausubstanz investieren oder
investierten kaum verändert haben. Neu ist nur,
dass die Investorengruppen die erworbenen und
sanierten Immobilien nicht mehr ausschließlich
in Beherbergungs-, Gastronomie oder Einzelhandelbetriebe umwandeln, sondern eben auch
vermehrt in Appartements oder Wohnungen. ÷
... weiter Seite 18
2004:
Deutsche Studiengruppe untersucht:
Wer investiert(e) in Kaleiçi?
Dieser Frage ging im Jahre 2004 eine Gruppe
von Studierenden des Geographischen Instituts
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im
Rahmen einer 14-tgigen Projektstudie nach. Aus
der Projektstudie gingen weitere Forschungen im
darauffolgenden Jahr hervor. Zentral war dabei die
Frage, ob es sich bei den rapiden Veränderungen
der Altstadt um eine Form des in der Soziologie und
Geographie unter dem Fachbegriff „Gentrification“
bekannten Wandlungsprozesses handelt oder nicht.
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 17
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Fazit: Investorengruppen äußerst heterogen
Zunächst ist festzuhalten, dass die Investorengruppen äußerst heterogen sind. Der „typische“
Investor existiert nicht in der Altstadt. Da die
Bandbreite der Investoren so hoch ist, lässt
sich zunächst danach unterscheiden, ob das
Investitionskapital aus dem Ausland oder dem
türkischen Inland stammt. Danach lassen sich die
Investoren weiter aufschlüsseln und in Kategorien
einteilen. Handelt es sich um Einzelpersonen, die als
Investor auftreten oder um Großinvestoren, hinter
denen sich Konzerne aus der Tourismusbranche
oder anderen Branchen verbergen können.
Folgende Investorenkategorien sind in der Altstadt
vertreten:
Ausländische Einzelpersonen
Hierbei handelt es sich um Investoren, die ihr
Kapital im Ausland erwirtschaftet haben und
dieses in der Altstadt von Antalya einsetzen.
Sie erwerben Grundstücke und Gebäude,
um diese entweder als Beherbergungs- oder
Gastronomiebetrieb zu führen oder als Ferien
bzw. Dauerresidenz.
Einzelpersonen türkischer Herkunft
umfasst die Personen, deren Kapital ebenfalls
im Ausland erwirtschaftet wurde. Allerdings sind
sie türkischer Herkunft. Darunter fallen zum
Beispiel Gastarbeiter, die etwa in 1980er Jahren
aus dem Ausland in die Türkei zurückgekehrt
sind und mit dem im Ausland erwirtschafteten
Kapital einen Beherbergungsbetrieb in Kaleiçi
gegründet haben. Ebenso umfasst die Gruppe
türkischstämmige Deutsche, die als Investoren
auftreten.
Ausländische Großinvestoren
sind ebenfalls vertreten. Dabei handelt es
sich beispielsweise um weltweit agierende
Hotelketten, also Konzerne, die ihr Kapital
weltweit erwirtschaften und in Kaleiçi in Form
von Hotelleriebetrieben investieren.
Türkische Großinvestoren, wie türkeiweit
agierende Hotelketten, sind ebenfalls mit
einem Dependance-Betrieb in Kaleiçi vertreten.
Zu den türkischen Großinvestoren zählt auch
die öffentliche Hand, sprich die Stadt, die als
Investor auftritt
Des Weiteren gibt es Türkische Einzelpersonen
ohne Grundbesitz in Kaleiçi, die in die Altstadt
investieren und welche im Gegensatz zu den
Türkischen Einzelpersonen mit Grundbesitz in
Kaleiçi, zuvor nie ein Gebäude oder Grundstück
in der Altstadt besessen haben. Einige der Grundstücke und Gebäude, die im Zuge der Entstehung
des Massentourismus in Übernachtungsbetriebe
umgewandelt wurden, befanden sich zuvor
teilweise über mehrere Generationen im Besitz der
Familie des heutigen Eigentümers.
Die türkischen Einzelpersonen ohne vorherigen
Grundbesitz in Kaleiçi stammen häufig nicht aus
der Altstadt, sondern aus anderen Großstädten,
wie beispielsweise Istanbul. Sie hatten vor der
Investition keinen direkten Bezug zur Altstadt. Meist
handelt es sich um türkische Geschäftsleute, die in
anderen Branchen tätig sind. Im Gegensatz dazu
haben türkische Einzelpersonen mit Familienbesitz
eine bereits lang bestehende Bindung zur Altstadt.
Aus den Untersuchungsergebnissen geht hervor,
dass der überwiegende Teil der Investoren sowie
deren Kapital aus dem Inland stammen. Es sind vor
allem türkische Einzelpersonen oder Familien, die
zuvor über keinerlei Grundbesitz in der Altstadt
verfügten, die derzeit einen Beherbergungs- oder
Gastronomiebetrieb betreiben. Gefolgt werden sie
von türkischen Einzelpersonen oder Familien, die
bereits zuvor über Grundbesitz verfügten.
An dritter Stelle sind
die Investoren zu
nennen, die aus dem
Ausland stammen
oder aber im Ausland
ihr Investitionskapital
akkumuliert haben,
aber türkischer
Herkunft sind,
beispielsweise
Gastarbeiter oder
türkischstämmige
EU-Bürger. Die
letzte Gruppe bilden
die ausländischen
sowie türkischen
Großinvestoren.
Dass diese mit nur
wenigen Betrieben in
der Altstadt vertreten
sind, verwundert
kaum. Sie tätigen
ihre Investitionen
vor allem außerhalb
der Altstadt in den
massentouristischen
Destinationen an den
Küsten westlich und
östlich der Stadt. ÷
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 18
(ATR-Nr. 208)
... weiter Seite 19
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Dringender Ratschlag:
Hände weg von Miete oder Kauf in der Altstadt!
Besucht man die Altstadt, so wird zweifelsohne
deutlich, dass es sich im Vergleich zur Neustadt
mit ihren uniformen, am Reißbrett entworfenen
mehrstöckigen Hochhausfassaden, dem hektischen
und lauten Treiben, Verkehrslärm und hohen
Abgasbelastungen, um ein pittoreskes Kleinod
handelt.
Scheinbar
natürlich
gewachsene
Strukturen, reich an Kulturgeschichte, zentrumsnah
und doch eine ruhige Wohnlage, Innen wie Außen
von Grund auf sanierte Gebäude mit Gärten,
farbenprächtige Pflanzen, scheinbar nicht enden
wollender Sonnenschein und das ganze Jahr kaum
ein Tag mit Temperaturen unter 20 Grad. Kaleiçi
scheint genau der in Europa weitverbreiteten
Vorstellung mediterranen städtischen Wohnens zu
entsprechen.
Eine Handvoll europäischer Residenten gibt
es bereits in der Altstadt. Entweder haben sie
Eigentum erworben oder langfristig gemietet. Man
habe sich auf Anhieb in die Altstadt verliebt und
könne sich nur schwer einen anderen Ort vorstellen,
um den verdienten Ruhestand fernab der Heimat
zu verbringen. Diese oder ähnliche Aussagen
begegnen einem immer wieder. Befragt man die
Residenten oder Mieter nach ihren Erfahrungen
oder den Umständen des Immobilienerwerbs,
dann wollen die Aussagen so gar nicht mehr zur
der scheinbaren Idylle der Altstadt passen. Nicht
wenige der Residenten oder langfristigen Mieter
haben die Altstadt wieder verlassen, oftmals mit
hohen Schulden.
Die Altstadt Antalya bald UNESCO-Weltkulturerbe?
„Die Altstadt wird bald Weltkulturerbe werden“.
Diesem Hinweis begegnete man gerade in den
vergangenen Jahren im Zuge der rasanten
städtebaulichen
Veränderungen
Kaleiçis
immer wieder. Besonders häufig wurde das
UNESCO-Weltkulturerbe bei Gesprächen mit
Geschäftstreibenden aus der Immobilienbranche
erwähnt. Dabei handelt es sich jedoch nur um
ein Gerücht. Auf der sogenannten „Tentative
List“ (Vorschlagsliste) der UNESCO finden sich
eine ganze Reihe kulturhistorisch besonders
wertvoller Stätten in der Türkei, die Altstadt von
Antalya ist jedoch nicht darunter.
An den frisch renovierten und sanierten
Gebäudefassaden Kaleiçis hängen zahllose Schilder
mit der Aufschrift „Kıralık“ (zu vermieten) oder
„Satılık“ (zu verkaufen). Es ist nicht etwa so,
als gebe es einen Mangel an leerstehenden
Immobilien. Doch jedem, der mit dem Gedanken
spielt, Eigentum in der Altstadt zu erwerben oder
längerfristig zu mieten, sei aus vielerlei Gründen,
von denen hier nur einige genannt werden können,
gewarnt.
Momentan ist der Immobilienmarkt der Altstadt
völlig überteuert und die Objekte sind überbewertet. Dies hat zur Folge, dass geradezu
aberwitzige Kaufsummen oder Monatsmieten verlangt werden. Die Preisexplosion der vergangenen
zwei Jahre hängt unter anderem damit
zusammen, dass es überwiegend türkische oder
türkischstämmige Einzelpersonen waren oder sind,
die sich mit dem Erwerb einer Immobilie und deren
Sanierung finanziell deutlich übernommen haben.
Sie leben nun am Existenzminimum und sind kaum
liquide. Hört man den Satz „Bende para yok“ oder
„Param yok“ (= Ich habe kein Geld) schon oft genug
in der Türkei, trifft es die Lage der Einzelinvestoren
in der Altstadt auf den Punkt. Sie haben ihre
Finanzmittel in Steine gepumpt. Nun hoffen sie
darauf, mit dem Verkauf der Immobilie das schnelle
Geld und große Geschäft zu machen, um sich damit
auf einen Schlag von der Schuldenlast befreien zu
können. ÷
... weiter Seite 20
Auf Nachfrage erklärte die UNESCO, dass der
Organisation keinerlei Bestrebungen seitens
der türkischen Behörden bekannt seien, die
Altstadt von Antalya als Weltkulturerbestätte
vorzuschlagen. Nach den zahllosen baulichen
Veränderungen dürfte sich die Frage stellen,
ob Kaleiçi überhaupt eine Chance hätte, die
Anerkennung als Welterbe zu erlangen. Selbst
wenn die Altstadt vorgeschlagen würde, so
würde alleine der Prüfungsprozess mehrere Jahre
in Anspruch nehmen. Einen Effekt hatte jedoch
das „Weltkulturerbe-Gerücht“. Es hat mit zum
explosionsartigen Anstieg der Immobilienpreise
beigetragen.
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 19
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Dringender Ratschlag:
Hände weg von Miete oder Kauf in der Altstadt!
Fortsetzung von Seite 19
Krasses Missverhältnis:
Europäische Preise
für türkischen Standard
Wer ein Objekt in Kaleiçi mietet oder
kauft, der sollte daran denken, dass
er europäische Preise für türkischen
Standard zahlt. Die Qualität der Sanierung
lässt häufig zu wünschen übrig und ist
nur bedingt mit europäischen Standards
vergleichbar. Dabei gibt es außerhalb
der Altstadt und am Rande der Neustadt
eine Vielzahl von abgeschlossenen und
bewachten Wohnanlagen, sog. gated
communities. Hier leben die gehobenen
türkischen Schichten und die Mieten sind
im Vergleich zu denen in der Altstadt
um ein vielfaches geringer – Meerblick
inklusive.
Neben
dem
derzeit
überteuerten
Immobilienmarkt gibt es aber noch
andere Gründe, von Kauf oder Miete
Abstand zu nehmen. Dabei handelt
es sich um die Sprachbarriere und die
Rechtsunsicherheit. Kaum ein Ausländer
spricht türkisch. Erstaunlicherweise hört
man jedoch oft genug, dass man sich
gerade für Kaleiçi als Wohnort entschieden
habe oder entscheiden wolle, da man dort
leben wolle, wo Einheimische lebten
- ganz im Gegensatz zu den deutschen
„Residentenghettos“ Alanyas.
Bei solchen Aussagen wird allerdings
übersehen, dass es in der Altstadt bis
heute kaum Wohnbevölkerung gibt. Schon
gar nicht türkische Wohnbevölkerung,
denn gerade Türken können es sich kaum
vorstellen, in der Altstadt zu wohnen.
Abgesehen davon, dass viele die stark
überhöhten Mieten nicht zahlen können
oder gar im Stande wäre die nötigen
Mittel für den Kauf der überbewerteten
Immobilen
aufzubringen,
betrachten
viele Türken Wohnen und Leben in einer
Altstadt als rückständig und unvereinbar
mit der Vorstellung vom modernen
türkischen städtischen Lebensstil.
Vorsicht! Trotz Beteuerungen
der Regierung immer wieder
Rechtsunsicherheit
In regelmäßigen Abständen verbietet
die türkische Regierung den Verkauf von
Immobilien an Ausländer. Dieses Problem
lässt sich zwar scheinbar leicht mittels
der Hilfe türkischer Staatsangehöriger, die
als Strohmänner auftreten und zum Schein
zunächst das Objekt auf ihren Namen
erwerben, umgehen. Hierbei jedoch
ist die Rechtslage mehr als unsicher.
Gerade beim Kauf einer Immobilie kommt
hinzu, dass oftmals sowohl der Verlauf
von Grundstückgrenzen als auch die
eigentliche Eigentümerfrage rechtlich
ungeklärt sind.
Je nach Zustand des erworbenen Objekts
muss mit teils hohem finanziellem
Aufwand im Sinne der strengen Denkmalschutzvorschriften renoviert und saniert
werden. Ist einmal ein Unternehmer
(meist handelt es sich um ein Ein-MannBetriebe) gefunden, der sich bereit
erklärt, die gewünschten bautechnischen
Veränderungen
auszuführen,
folgen
weitere Probleme. Meist erscheinen
Jetzt abonnieren:
Aktuelle Türkei
Rundschau
die bestellten Handwerker nicht zum
vereinbarten Termin.
In der Regel werden zudem keine
Stundelöhne gezahlt, sondern Komplettpreise vereinbart. Doch auch hier ist
Vorsicht geboten. Nicht selten muss
bereits im Voraus ein Abschlag gezahlt
werden.
Während
der
Ausführung
der Arbeiten stellt der Handwerker
- selbstverständlich völlig unerwartet
und fast immer nach etwa der Hälfte
der getanen Arbeit - fest, dass er sich
mit dem ursprünglich vereinbarten Preis
verkalkuliert habe und die Ausführung nun
doppelt so teuer werde.
Auch hier ist der Immobilienbesitzer
recht machtlos, es sei denn, er gibt
sich mit einer beispielsweise nur halb
verputzenden Fassade zufrieden.
Wer eine Wohnung längerfristig mieten
will, erhält in den meisten Fällen keinen
Mietvertrag. Alles wird „per Handschlag“
vereinbart. Damit jedoch hat der Mieter
in einem Land dessen Sprache er nicht
spricht und Gesetze nicht kennt keinerlei
Rechtssicherheit.
Kurzum, jeder, der sich doch mit dem
Gedanke herumschlägt in der Altstadt zu
mieten oder zu kaufen, sollte sich vorab
der vielschichtigen Probleme bewusst
werden. Es gilt der Satz, der einem immer
wieder im Gespräch mit einheimischen
Geschäftstreibenden begegnet: „Wenn ihr
Ausländer, sei es als Tourist oder Resident,
das Land längst wieder verlassen habt, so
bleibt letztlich doch immer eines von euch
hier - EUER GELD“. ÷
Lesen Sie unzensierte, kritische
und objektive Berichte über
die Türkei in der einzigen
Wochenzeitung für die Türkei wann immer, wo immer Sie wollen!
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 20
(ATR-Nr. 208)
AATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Die Altstadt ist tot –
aber: eine Renaissance nicht in Sicht
Renaissance ist nicht in Sicht
Während der Sanierungsarbeiten in den Jahren 2007
und 2008 war auf Plakaten in der Altstadt zu lesen:
„Kaleiçi Değişiyor Güzelleşiyor“ (= Die Altstadt
verändert sich, sie wird schön) und schön ist es
geworden. Zweifelsohne wurden viele Probleme
der vergangenen Jahre wie erhöhte Kriminalität,
schlechte Beleuchtung, mangelnde Infrastruktur
durch die umfassenden Sanierungsarbeiten gelöst.
Immerhin ist es auch durch die massive Bewerbung
der Altstadt gelungen, wieder einheimische
Besucher nach Kaleiçi zu ziehen.
Vor allem an den Wochenenden besuchen wieder
mehr Einheimische die Altstadt. Allerdings nehmen
sie nur selten die vorhandene Gastronomie
in Anspruch. Der Grund hierfür liegt in stark
überhöhten Preisen der Restaurants und Cafés
der Altstadt. Im Vergleich zu Betrieben außerhalb
Kaleiçis werden hier Touristenpreise verlangt
und kaum ein Türke ist gewillt diese zu zahlen.
Ebenso ist auch eine Verbesserung bei Qualität
und Ausstattung der Beherbergungsbetriebe
unübersehbar.
Am Ende bleibt Ernüchterung wie bei vielen türkischen Projekten
Solange sich die Immobilienpreise auf dem
derzeitigen
hohen
Niveau
bewegen
und
Rechtunsicherheiten nicht beseitigt werden, dürfte
es schwer sein, wieder Wohnbevölkerung, sei
diese nun europäischer oder türkischer Herkunft,
in die Altstadt zu ziehen und damit Kaleiçi zu
revitalisieren. Die Pläne der Stadtverwaltung die
Altstadt in ein attraktives und exklusives Wohn- und
Geschäftsviertel umzuwandeln klingen gut.
Allerdings wäre sie gut beraten, zuvor von
unabhängigen (!) Sachverständigen prüfen zu
lassen, inwieweit das hierfür notwenige Klientel
überhaupt vorhanden ist. Zweifelsohne verfügt
auch Antalya über eine wohlhabende Oberschicht.
Doch es dürfte schwer werden, diese davon zu
überzeugen in die Altstadt zu ziehen oder nicht
mehr in den bereits vorhandenen Edelboutiquen
in der Neustadt ihre Einkäufe zu tätigen, sondern
dafür die Altstadt zu besuchen.
... weiter Seite 22
Mittlerweile gibt es mehrere große Hotels, die
der deutschen 4- Sterne Kategorie entsprechen
dürften und „all-inklusive“ mit Flug über
große Reiseveranstalter buchbar sind. Doch
Beherbergungsbetriebe allein können ebenso
wenig wie die zahlreichen Tagestouristen nur
bedingt zu einer umfassenden Revitalisierung der
Altstadt beitragen. Wer den Versprechungen in den
Reisekatalogen der großen Reiseveranstalter glaubt
und die Altstadt besucht, wird bitter enttäuscht
werden.
Parallel zur massentouristischen Inwertsetzung
der Küsten haben die großen Reiseveranstalter
vermehrt die Altstadt als Werbeträger entdeckt
und nutzen diese mit Slogans wie: „Besuchen Sie
die Altstadt von Antalya und spüren sie den Hauch
von Tausend und einer Nacht!“ – „Erleben Sie das
pulsierende Treiben einer orientalischen Altstadt!“
Doch die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: Der
Besucher Kaleiçis wird weder den Hauch von
Tausend und einer Nacht verspüren, noch dem
pulsierenden Treiben einer orientalischen Altstadt
begegnen. Stattdessen erwartet ihn nicht mehr
als eine tote Altstadt mit viel Gebäudeleerstand,
deren Stille zu den vorgeschriebenen Zeiten einzig
vom Ruf des Muezzins unterbrochen wird.
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 21
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch - Impressum
Aus alt mach neu!
Renaissance der Altstadt von Antalya?
Am Ende bleibt Ernüchterung wie bei vielen türkischen Projekten
Ohnehin stellt sich die Frage, ob nicht der, der
es sich leisten kann, seine Einkäufe überhaupt in
Antalya tätigt oder nicht gleich mit „Sun Express“
zum Wochenend-Shopping in die „Stadt der Städte“
nach Istanbul reist. Hinzu kommt eine sich aufgrund
des „Kommissionssystems“ weiter verschärfende
wirtschaftliche Situation für die Händler der
Altstadt.
Die Tourguides halten die Reisegruppen oft dazu
an, nicht in der Altstadt einzukaufen. Der Grund
hierfür liegt darin, dass die Händler der Altstadt
im Gegensatz zu den großen Teppich- Leder und
Bekleidungsshops außerhalb der Altstadt, entweder
nicht gewillt oder finanziell nicht in der Lage
sind, für jeden von einem Reiseleiter in ihren
Laden „geführten“ Touristen, gleich ob dieser
etwas kauft oder nicht, Kommission zu zahlen. So
verwundert es kaum, dass mittlerweile auch große
antalyanische Tageszeitungen mit der Schlagzeile
titeln: „Kaleici´nde Iş yok“ (= in der Altstadt gibt
es keine Arbeit).
Ohne den Zuzug von Wohnbevölkerung und
ausreichende Einkaufsmöglichkeiten zur Deckung
der täglichen Grundbedürfnisse in der Altstadt,
ist eine Wiederbelebung nicht in Sicht. Ob dies
zukünftig gelingt, bleibt abzuwarten und so muss
die Frage: „Kaleiçi nereye gidiyor“ (= Wohin geht
die Altstadt? im Sinne von: Wie wird sich die Altstadt
entwickeln?) zunächst unbeantwortet bleiben.
Eines ist jedoch sicher: Von einer Renaissance ist
die Altstadt momentan weit entfernt. ÷
Impressum
Aktuelle
Türkei
Rundschau
Erste deutsche Wochenzeitung
der Türkei
Seit 2004 Print-Version
Seit 2007 auch als e-paper
Seit 2008 ausschließlich im
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Im Mai 2006 hat die einzige
überregionalen deutschsprachigen Wochenzeitung
für die Türkei die alle
14 Tage erscheinende
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LEBEN übernommen.
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Ul. Grzymalitow 7
2603-141 Warszawa, Polen
Chefredakteur:
Jürgen P. Fuß
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diverse Autoren (ATRRed.)
fachanwalte-hotline.de
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der Türkischen
Regierung
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Internet-Magazin
Jürgen P. Fuß
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Zu unserem Autor
Dipl. Geogr. Markus Bös studierte Geographie mit den Nebenfächern
Soziologie und Ethnologie an den Universitäten Trier und Mainz. 2005 / 2006
verfasste er seine Diplomarbeit über die Altstadt von Antalya. Momentan
promoviert er mit dem Themenschwerpunkt: „Migration“ und dem
Länderschwerpunkt: „Türkei“ bei Prof. Dr. A. Escher am Geographischen
Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. ÷
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ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 22
(ATR-Nr. 208)
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zum
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Weder die ATR-PL, deren
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dass sich jemand allein
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ATR-Roman
Sie hieß Dilara
Kapitel 23
Jetzt kommt auch noch der Schwager ins Spiel
Dilara bekommt Post
von der Staatsanwaltschaft
Horst trifft sich ein paar Mal
mit Dilara in seiner Wohnung
Dilara bekommt Post von der Staatsanwaltschaft
Hannover. Darin wird ihr mitgeteilt, dass eine
Anzeige und die zugehörigen Ermittlungen nun dazu
geführt haben, dass ihr mehrfacher Betrug zur Last
gelegt wird. Es geht dabei um mehrere Zahlungen,
die sie von Horst erhalten hat. Gleichzeitig wird ihr
mitgeteilt, dass sie ansonsten bisher unbescholten
sei – wie das im Amtsdeutsch heißt. Mit anderen
Worten: Keine Einträge über sie im Strafregister
oder an anderer Stelle.
In den nächsten Tagen trifft sich Horst auch
ein paar Mal mit Dilara in seiner Wohnung.
Gemeinsam recherchieren sie im Internet wegen
des Kindesentzugs. Horst hat auch noch immer die
Telefonnummer einer Rechtsanwältin in Istanbul,
welche ihm der Detektiv damals empfohlen hatte.
Dilara ruft im Beisein von Horst an und informiert
sich über die Möglichkeiten ihr Kind zurück zu holen
und die Scheidung von Deniz zu betreiben.
Dann erhält Dilara Post vom Gericht in Hannover.
Der Termin zur Hauptverhandlung in der Strafsache
gegen sie ist für Anfang Januar anberaumt. Dilara
wirkt zerknirscht. Plötzlich ist sie bereit, mit Horst
wieder mehr zu reden, und das nicht nur einmal.
Unermüdlich spricht sie mit ihm und beichtet dabei
so allerlei aus ihrem Leben.
Dabei ergibt sich immer das gleiche Bild. Natürlich
ist sie (!) unschuldig, es ist Deniz und seine Familie,
die allein die Schuld daran tragen, dass sie Horst
um Geld bitten musste. Dilara ist nicht die Böse,
sondern nur ein Opfer. So jedenfalls möchte sie von
Horst gesehen werden.
Ehebruch mit dem Schwager?
Binnen zehn Tagen soll sie einen Verteidiger
benennen, denn die Hauptverhandlung soll
vorbereitet werden. Als Dilara diese Post bekommt,
beginnt Horst sich ernste Gedanken um seine
Liebe zu machen, denn Dilara soll nun vor Gericht
stehen - und auf der anderen Seite Deniz spielt den
Frauenschwarm.
In seinem ganzen Leben habe Deniz noch nie
gearbeitet, hatte Dilara kürzlich Horst erzählt,
habe immer nur alle um sich herum ausgenutzt
und sich so ein bequemes Leben verschafft. Ob es
stimmt, weiß Horst nicht. Aber das alles was jetzt
geschieht, gefällt Horst überhaupt nicht. Er kann
seine Dilara nicht leiden sehen und er kann auch
nicht den Gedanken ertragen, dass sie nun vor
Gericht gestellt werden soll.
© Bild:
„Wahrer Unschuldsengel“
nafas / PIXELIO
Für Horst stellt sich Alles, was sich zwischen ihm,
Dilara und deren Familie abgespielt so dar, dass
Dilara zwar Fehler gemacht hat, aber der wirklich
Schuldige ist für ihn Deniz und sonst niemand.
Dann bringt Dilara ein anderes Thema auf den
Tisch, worauf Horst allein nicht gekommen wäre.
Es geht um ihren Schwager, also den Bruder
ihres Ehemannes. Deniz’ Familie hatte vor dem
türkischen Gericht behauptet, dass sie, Dilara, mit
ihm Ehebruch begangen habe. Horst fällt ein, dass
er Dilara mehrfach mit dem Mann gesehen hatte.
Er sah ihn auch mehrfach in Dilaras Wohnung gehen
und auch den Motorroller in der Garage abstellen.
Horsts Weg zu seinem Fitnees Studio führt ihn
mehrmals in der Woche an Dilaras Wohnung vorbei.
In langatmigen „Auftritten“ erklärt Dilara
Horst, dass das überhaupt nicht sein könne,
denn sie kenne den Schwager seit ihrem fünften
Lebensjahr. Aber kann das als Beweis gelten, dass
die Beschuldigungen falsch sind? Dilara jedenfalls
besteht darauf, dass die Beschuldigungen der
Familie nur ein vorgeschobener Grund, um ihr Kind
in der Türkei festhalten zu können.
Doch Dilaras – fast schon theatralische Redeweise
- wirkt so übertrieben, dass Horst große Bedenken
kommen. Zunächst lässt er die Sache deshalb auf
sich beruhen und äußert sich auch Dilara gegenüber
nicht weiter. ...
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 23
(ATR-Nr. 208)
ATR-Roman
Sie hieß Dilara - Christliche Infos
Kapitel 23
Jetzt kommt auch noch der Schwager ins Spiel
Kommissar Zufall hilft Horst
Der Zufall kommt einige Tage später wieder
einmal zu Hilfe. Diesmal in Form von Dilaras
jüngerem Bruder. Der Junge von 15 Jahren äußert
sich einmal in Horst‘s Auto im Beisein von Dilara
völlig ahnungslos darüber, dass der Schwager bei
Dilara in der Wohnung lebe. Dilara rastet fast aus
dabei und schreit wie von Sinnen herum. «Der
wohnt doch nicht bei mir, was redest du denn
da», fährt sie ihren Bruder an.
Bei einer anderen Gelegenheit kommt das Thema
erneut zum Tragen. Auch diesmal ist es die
jugendliche Naivität des Jungen, die das Thema
auf den Punkt bringt. Es geht um das Aufräumen
von Dilaras Wohnung, wo sich ihr Bruder nun
zeitweise aufhält. Der Junge sagt, das kann
„DER“ ja wegräumen und meint den Schwager.
Das geschieht, als Horst mit Dilara telefoniert.
Horst sagt dazu nichts und denkt sich seinen Teil.
Dilara nimmt Horst am nächsten Tag mit zum
Einkaufen bzw. möchte von Horst gefahren
werden. Sie kauft so große Mengen Lebensmittel,
insbesondere Fleisch ein, das kann sie unmöglich
alleine alles essen und so fragt Horst danach.
Sie möchte weiter zunehmen, hat sie sofort als
Antwort parat. Zehn Kilo hat sie bereits zugelegt,
es sollen aber noch mehr werden, sagt sie.
Horst hat in dieser Sekunde keine Zweifel mehr,
der Schwager lebt mit Dilara in deren Wohnung,
auch wenn sie es seit Tagen noch so energisch
Gottesdienste
abstreitet. Der Schwager macht Kraftsport und
für ihn wird das viele Essen wohl auch sein.
An Dilaras Haustür endet für Horst auch die
Gastfreundschaft, denn in ihre Wohnung wollte
und will sie Horst nicht lassen, die Nachbarn
seien so seltsam, kommt als Erklärung. Horst
stellt wortlos die vielen Einkaufstüten an der
Haustür ab, verabschiedet sich mit «Tschüss» und
steigt in sein Auto. Dilara
ruft ihm hinterher: «Wir
telefonieren später», Horst
antwortet nicht und tut es
auch nicht.
Am
übernächsten
Tag
möchte Dilara von Horst
mit dem Auto zum Friseur
gefahren werden und ruft
Horst dazu an. Horst tut
es, redet aber nur noch
sehr wenig mit Dilara - er
ist sehr nachdenklich und
bedrückt, denn zuviel hat
er in den letzten Tagen
wieder erfahren müssen.
Ein Thema kommt auf
und Dilara meint, dass
sie seit damals mit Horst
im Februar keinen Sex mehr hatte. Ihr sei auch
überhaupt nicht danach, sie habe auch dazu keine
Laune. Horst gibt auch dazu kaum einen
Kommentar. ÷
weitere Informationen finden Sie
im Internet auf unserer Homepage
in deutscher Sprache
ALANYA / ANTALYA / BELEK
Gottesdienste in der
Advents- und Weihnachtszeit
Antalya für Sie zuständig:
Msr. Rainer Korten, kath.
Tel. 0242-323 98 48
Mobil: 0544-316 26 22
30.11.2008 - 1. Advent um 11.30 Uhr
Predigt: Engel
Alanya für Sie zuständig:
Pfr. Rainer Wutzkowsky, ev.
Tel. 0242-522 57 95
Mobil: 0546-786 15 55
Email: [email protected]
07.12.2008 - 2. Advent um 11.30 Uhr
Predigt: Zacharias und Elisabeth,
die Eltern von Johannes dem Täufer
14.12.2008 - 3. Advent um 11.30 Uhr
Predigt: Maria, die Mutter Jesu
21.12.2008 - 4. Advent um 11.30 Uhr
Hl. Messe Pfarrer Korten (Pfr. Wutzk. in
Antalya)
24.12.2008 - HEILIGABEND um 18.00 Uhr
Christvesper - Weihnachtsgottesdienst
mit alten Weihnachtsliedern
26.12.2008 - 2. Weihnachtstag um 11.00 Uhr
Gottesdienst in Belek
Bild:
„Kommissar Zufall“
Polizeihund
IZMIR
Izmir St.Polikarp - Tel. (0232) 484 84 36
Kath. Sonntags-Gottesdienste um 11.30 Uhr
ISTANBUL
Katholische deutschsprachige
Gemeinde St. Paul
Pfarrer Peter Wehr
Büyük Çiftlik Sokak 14 - Istanbul-Nişantaşı
Tel. +90 (212) 219 11 91
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 24
(ATR-Nr. 208)
ISTANBUL
Österreichische St. Georgs-Gemeinde
(Sen Jorj Kilisesi)
Tel. +90-212-313 49 70
Sonntags-Gottesdienste um 10.00 Uhr
Evangelische Gemeinde Kreuzkirche
Emin Camii Sok. 40 - Beyoglu
Tel. 0212-250 30 40
Pfarrer Holger Nollman
& Diakonin Sabrina Tesch
Wichtiger Sicherheitshinweis
Aufgrund der weiterhin schwierigen
Sicherheitslage weisen wir darauf
hin, dass bei Gottesdiensten und
anderen Veranstaltungen ca. 5
Minuten nach Beginn die Türen
geschlossen werden.
Wir bitten um Ihr Verständnis!
ATR-Roman
Sie hieß Dilara
Kapitel 24
Der Gerichtstermin naht
Telefonanruf von
Dilaras’ Ehemann
Völlig unerwartet erreicht Horst mitten in der Nacht
ein Telefonanruf von Dilaras‘ Ehemann aus Istanbul.
Deniz entschuldigt sich tausendfach bei Horst für
alles, was in den letzten Monaten geschehen ist und
schwört beim Leben des Sohnes, dass alles was er
nun sage, die Wahrheit sei.
Dilara sei eine Schlampe, habe ihn oft betrogen,
sogar mit seinen Freunden in Deutschland und in
der Türkei, beschreibt er die Ereignisse. Er nennt
Horst auch einige Namen. Dilara habe auch schon
lange ein Verhältnis mit seinem Bruder und seine
Mutter habe die beiden dabei erwischt.
Ja, sogar der kleine Sohn habe die beiden im Bett
gesehen und ihm und der Großmutter dies erzählt. Das
alles sei auch Gegenstand der türkischen Akten
beim Familiengericht in Istanbul, wo auch das Kind
von einer Psychologin befragt wurde und dies so
bestätigte.
Wohnung an drei verschiedenen Tagen, an denen
die Disco geöffnet hat. Der Schwager kommt an
den Tagen auch jeweils mit dem Taxi an Dilaras
Wohnung an.
Heiligabend sogar gemeinsam mit Dilara um
5 Uhr 40. Bei dieser Gelegenheit steht das Fenster
von Dilaras Wohnung auf Kipp und so kann Horst
das Gespräch „belauschen“. Auch Dilaras jüngerer
Bruder ist mit in der Wohnung.
Dilara beschreibt den beiden sehr eindringlich ihre
Angst vor dem Gerichtstermin und meint, dass
sie in der ganzen Stadt von Deniz und auch Horst
schlecht gemacht worden sei. Die Polizei habe
einen Hass auf sie und auch die Sache mit dem Kind
werde deshalb hier in der Stadt nicht richtig weiter
betrieben.
Schwager mit rüdem Umgangston
Horst fällt sofort auf, dass der Schwager in recht
rüdem Umgangston mit Dilara redet, genau so,
wie Dilara in jüngster Zeit oft mit Horst geredet
hatte. Und sie lässt es mit sich machen, antwortet
kleinlaut, fast unterwürfig, wenn überhaupt.
Bei Horst hingegen schreit sie oft herum und will
immer dominant sein. Er schließt daraus, dass
„seine“ Dilara, wohl ein psychologisches Problem
haben muss. Das Verhältnis zu Deniz war sicher
auch so belastet, denn nur so konnte der sie „zum
Anschaffen“ schicken, versucht sich Horst die Dinge
zu erklären.
Der Gerichtstermin naht
Horst stellt Dilara zur Rede
Horst stellt Dilara zur Rede, aber die streitet
wieder in völlig übertriebener Redeweise
alles ab. Stattdessen legt Dilara Wert auf die
Feststellung, dass Horst und sie sich wieder viel
besser verstehen. Dann kommt so ganz nebenbei
von Dilara der dezente Hinweis, das solle „man“
- gemeint ist damit offensichtlich Horst - auch der
Staatsanwaltschaft auch so mitteilen.
Bild: „Dilaras` Ehemann“
Horst sagt dazu nichts. Er beschließt sich auf
andere Weise Klarheit zu verschaffen, denn Dilara
mag er nicht mehr so recht trauen. Horst weiß,
dass Dilaras Schwager als Türsteher in einer Disco
arbeitet. So wartet Horst in der Nähe von Dilaras
Horst beschließt nun Ruhe zu bewahren und den
Gerichtstermin, der in wenigen Tagen stattfindet,
abzuwarten und erst dort das Thema aufzugreifen.
Er ist nicht nur als Zeuge geladen, sondern auch
Kläger im angehängten Schadenersatzprozeß, wo es
um ca. 50 Tausend Euro geht. Das Geld ist ihm zwar
nicht wichtig, aber so einfach sollen sie nun auch
wieder nicht davon kommen.
In der Nacht vor dem Gerichtstermin telefoniert
Horst sehr lange mit Dilara. Sie mache sich Sorgen
und habe ihrem Anwalt berichtet, sie gehe davon
aus, dass Horst bei Gericht nicht schlecht über sie
reden wolle, erklärt sie Horst.
Dann will Dilara von Horst wissen, was sie denn
bei Gericht anziehen soll. Ihr selbst fällt dazu ein,
dass sie ihre Brille tragen will, obwohl sie die sonst
fast nie trägt, nur manchmal zum Lesen. Horst
beschließt, die Dilara keine weiteren Ratschläge
für ihre Kleidung bei Gericht zu geben.
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 25
(ATR-Nr. 208)
ATR - Reportage
Türkei im Umbruch
Kapitel 25
Horst werden die Augen geöffnet
Horst schaut sich
das Gerichtsgebäude an
Ein Kaffee und ein nicht
mehr frisches Brötchen
Mittlerweile ist der Termin für die Gerichtsverhandlung festgesetzt worden und dieser
Termin rückt immer näher. Wenige Tage vor der
Verhandlung beschließt Horst, sich schon einmal
das Gerichtsgebäude anzuschauen. Er will sich mit
den räumlichen Gegebenheiten einmal ein wenig
vertraut machen.
Als Horst das Gerichtsgebäude wieder verlässt,
sieht er auf der gegenüberliegenden Seite ein
Cafe. Bestimmt werden dort häufig Leute sitzen,
die auf ihren Prozess warten oder nach einer
Verhandlung über deren Verlauf nachdenken und
– wenn sie einen Gesprächspartner finden – mit
diesem darüber diskutieren. Noch ehe Horst richtig
entschieden hat, ob auch er dort einen Kaffee
trinken soll, findet er sich an einem Tisch in einer
Ecke wieder.
Er ist er zwar nur Nebenkläger in dem Strafverfahren
gegen Dilara, aber eine spannende Sache ist ein
solches Gerichtsverfahren in jedem Fall. Zumal,
wenn man bisher in seinem Leben noch niemals mit
einem Gericht zu tun hatte.
Nach der Kontrolle am Eingang darf Horst das
Gebäude betreten und sucht als erstes den
Er bestellt sich einen Kaffee und ein belegtes
Brötchen. Doch so rechter Appetit mag nicht
aufkommen. Zugegeben, das Brötchen hat wohl
schon einige Stunden in einer Vitrine verbracht
und seine beste Zeit hinter sich. Aber vielleicht
hat Horst ja auch keinen Appetit, weil er an den
bevorstehenden Prozess denkt.
Während Horst lustlos an seinem Brötchen
herumnagt und dabei den Kaffee trinkt, schaut
er in die Runde. An einem Nachbartisch sitzt ein
Mann. Er dürfte wohl im gleichen Alter wie Horst
sein und schaut ziemlich nachdenklich vor sich hin.
Trotzdem kreuzen sich zwei oder drei Mal die Blicke
der beiden Männer. Horst hat das Gefühl, dass sich
dieser Mann gerne mit ihm unterhalten würde.
Warum, das ist ihm nicht so recht klar.
Verhandlungssaal, in dem der Prozess gegen die
Dilara stattfinden wird. Dabei erfährt er auch, dass
er heute schon den Verhandlungssaal betreten darf,
jedenfalls solange die Verhandlung öffentlich ist.
Also geht er herein. Gerade wurde jemand zu zwei
Jahren Gefängnis verurteilt, bekommt er noch das
Ende einer Verhandlung mit und die Zeit wird der
Verurteilte nun absetzen müssen.
Für einen kurzen Augenblick wird Horst klar, welche
Konsequenzen ein solcher Prozess für „seine“ Dilara
haben könnte. Und wieder einmal kommen ihm
Zweifel: Wollte er das wirklich mit seiner Anzeige
erreichen? Seine Dilara im Gefängnis!
© Bild:
„Augen geöffnet“
berwis / PIXELIO
Doch diese Frage stellt sich jetzt nicht mehr. Die
Staatsanwaltschaft hat ermittelt, Klage erhoben
und jetzt wird das Gericht über Dilaras Schuld oder
Unschuld entscheiden.
Eigentlich ist Horst nicht der Typ, der auf fremde
Menschen gut zugehen kann. Doch - warum auch
immer – überwindet er diesmal seine Hemmungen.
Wenige Minuten später sitzen die beiden Männer
an einem Tisch zusammen. „Er komme gerade von
einem Prozess. Im Grunde sei es nicht sein Prozess
gewesen. Er habe nur als Nebenkläger versucht, für
sich das Beste herauszuholen,“ stellt er sich vor.
Horst wird neugierig und fragt, ob er denn sein
Ziel erreicht habe. „Naja,“ antwortet der andere,
„wie man’s nimmt. Ein bisschen Recht habe ich
wohl schon bekommen, aber das meiste Geld ist
weg. Ich konnte eben nicht beweisen, wie sehr ich
reingelegt worden bin.“
Der Fremde erzählt
seine Geschichte
Obwohl Horst eigentlich mit seinem eigenen Fall
genug zu tun hat, ist er mittlerweile noch ein Stück
neugieriger geworden. Ob er denn fragen dürfe, um
was es gegangen sei, erkundigt er sich vorsichtig
bei seinem Gegenüber. „War eine Frau im Spiel und
auf die bin ich mächtig reingefallen. Letztlich war
ich das Ganze wohl selber schuld, weil ich einfach
zu gutgläubig war oder … „
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 26
(ATR-Nr. 208)
ATR-Roman
Sie hieß Dilara
Kapitel 25
Horst werden die Augen geöffnet
Noch ehe der Gegenüber seinen Satz fertig machen
kann, hackt Horst nach. „Reingefallen, auf eine
Frau?“ „Ja, es war eine Mexikanerin, zumindest
hat sie das von sich selbst gesagt. Sah verdammt
gut aus und war wesentlich jünger als ich. Und als
sie mir dann das erste Mal in die Augen sah, war ich
wie vom Blitz getroffen! In den Tagen und Wochen
danach habe ich Dinge getan, ohne groß darüber
nachzudenken. Ich wollte sie unbedingt immer
wieder sehen und habe sie ein paar Mal zum Essen
eingeladen.“
Schon wenige Wochen später habe sie ihm dann von
ihrer kranken Mutter erzählt, die in Mexiko lebe und
dringend eine ärztliche Behandlung benötige. Doch
ihre Familie in Mexiko habe kein Geld dafür und sie
selbst könne das auch nicht bezahlen. Drei– oder
viertausend Euro sollte diese Behandlung kosten.
Eigentlich sei das noch sehr preiswert, denn in
Europa müsse man für eine solche Operation wohl
um die zehntausend Euro bezahlen. Aber sie habe
weder den einen noch den anderen Betrag und so
werde ihre Mutter wohl bald sterben müssen.
„Als ich dann die Tränen in ihren Augen gesehen
habe, wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich aber
nur kurze Zeit gezögert, und ihr das Geld dann
gegeben. Ich erinnere mich noch genau, wie sie
mich umklammert und geküsst hat, aus Dank für
meine Hilfe. Doch dann hat sie mich schnell wieder
los gelassen und sich entschuldigt. Die Gefühle
seien eben mit ihr durchgegangen.“
Sorry, ich habe
Sie gerade Geduzt
Bild: „Immer wieder gezahlt“
Horst hört voller Spannung den Sätzen zu und glaubt
sich an seine ersten Tage mit Dilara zurückversetzt.
„Fragen Sie mich nicht nach Einzelheiten, wie es
dazu kommen konnte“, setzt der Gegenüber seine
Schilderungen fort. „Jedenfalls hatte ich den
Eindruck, dass diese junge faszinierende Frau sehr
schnell zu mir Vertrauen gefunden hatte. Und sie
vermittelte mir das Gefühl, dass ich für sie sehr
wichtig sei.“
Horst ist ganz still geworden. Jetzt will er seinen
Gegenüber nicht noch einmal unterbrechen.
„Weißt du, wie das ist, wenn du jahrelang keine
Zärtlichkeiten mehr bekommen hast von deiner
eigenen Frau? Und dann kommt ein so junges
unschuldiges Geschöpf, dem du ganz spontan
geholfen hast, umarmt dich und küsst dich! Gibt
dir auf einen Schlag das Gefühl, dass du ein lieber
Mensch bist. Dass raubt dir die Sinne, kann ich dir
sagen!“
Doch schlagartig stoppt sein Gesprächsfluss.
„Sorry, ich habe Sie gerade geduzt. Das war
nicht meine Absicht!“ Horst ist das gar nicht
aufgefallen, so gespannt hat er den Worten
seines Gegenübers gelauscht.
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© Bild: S. Hofschläger / PIXELIO
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 27
(ATR-Nr. 208)
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ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 28
(ATR-Nr. 208)
ATR-Roman
Sie hieß Dilara
Kapitel 26
Wilfried erzählt seine „ganze“ Geschichte
Wilfried erzählt
seine „ganze” Geschichte
Mit klarem Verstand erzählt Wilfried seine
Geschichte und Horst glaubt immer mehr, in einen
Spiegel zu schauen. Die Sache mit der Mutter sei
nur der Anfang gewesen. Er habe sogar von seiner
„Mexi“ - so hatte Wilfried seine Mexikanerin wegen
ihrer Herkunft immer genannt - ein Schreiben
bekommen, in dem sich die Mutter bedankt hatte.
© Bild „Markt in Mexiko“:
Helmut Wegmann/ PIXELIO
Besser
gesagt: Sie
soll sich
in dem
Schreiben
bedankt
haben, denn
lesen konnte
er es selbst
nicht, weil
es nicht in
Deutsch war.
Einmal sei er
mit „seiner“
Mexi in ihrer
Heimat
gewesen,
weil sie ihm
unbedingt
ihre Familie vorstellen wollte. Angeblich habe
Mexi auch ein kleines Kind, das sie aber nicht mit
nach Deutschland gebracht habe, weil sie es hier
nicht aufziehen könnte. Das Kind sollte aus einer
Beziehung stammen, die Mexi für kurze Zeit mit
einem älteren wohlhabenden Mann in Mexiko
gehabt habe. Doch als das Kind auf die Welt kam,
habe sich das „verheiratete Schwein“ – so Wilfrieds
Bewertung - aus dem Staub gemacht.
Dabei bezieht er sich auf das, was Mexi ihm über
dieses Verhältnis gesagt hatte. Es sei nicht selten in
Mexiko, dass ältere Männer sich ein junges Mädchen
angeln und ihm eine goldene Zukunft versprechen
würden. Wenn die Mädchen dann schwanger
würden, bleibe von den Versprechungen nichts
übrig und die Mädchen stünden auf der Straße.
Jeden Monat wollte Mexi zwei- oder dreihundert
Euro nach Mexiko schicken, damit ihre Familie dort
ihrem Kind durch Kindergarten und Schule eine
gute Zukunft ermöglichen könnten. Da aber „seine“
Mexi in Deutschland keine regelmäßige Arbeit fand
und deshalb sehr wenig verdiente, habe er nahezu
jeden Monat Mexi das notwendige Geld gegeben,
um es nach Hause zu schicken.
„War sozusagen eine private Entwicklungshilfe von
mir für ein armes Kind in einem armen Land dieser
Welt,“ schiebt Wilfried als Erklärung hinterher.
„Hast du eigentlich ihr Kind und ihre Mutter mal
persönlich kennen gelernt,“ möchte Horst wissen.
„Ja und nein, denn einmal bin ich mit Mexi nach
Mexiko geflogen, weil sie mich unbedingt ihrer
Familie vorstellen wollte“, antwortet Wilfried.
„Aber irgendwie ist bei dem ganzen Aufenthalt
alles schief gelaufen.“
Besuch in Mexico Eltern und Kind sind nicht da
„Zuerst hieß es, dass wir bei den Eltern übernachten
würden. Doch schon auf dem Flug nach Mexiko
machte mir Mexi klar, dass sie sich das Alles noch
einmal habe durch den Kopf gehen lassen.
Sie schäme sich das mir sagen zu müssen, aber
ihre Eltern würden in außerordentlich ärmlichen
Verhältnissen leben und sie könne „ihrem Mann“
nicht zumuten, eine Woche lang in einer Hütte auf
dem Boden zu schlafen.
Horst stutzt für einen Augenblick. „Hast du gerade
gesagt ‚mein Mann’?“ „Na ja, so hat sie mich immer
genannt. Ihr größter Wunsch war es ja, dass ich sie
heiraten würde,“ erklärt Wilfried die Bezeichnung.
„Aber zu der Zeit ging das noch nicht, denn ich lebte
in Scheidung und die war noch nicht vollzogen.“
Einmal mehr glaubt Haus in einen Spiegel zu
schauen. War das nicht bei ihm und seiner Dilara
fast alles genauso gewesen? „Und ihr habt dann bei
ihren Eltern gewohnt,“ möchte Horst wissen.
„Nein, natürlich nicht. Mit Mexis Hilfe haben wir
etwa zehn Kilometer von der Gegend entfernt,
in der Mexis Eltern wohnten, ein schickes
Touristenhotel gefunden. War eine verdammt
teure Angelegenheit und wenn ich das Hotel in
Deutschland mit Flug gebucht hätte, wäre die
Sache sicherlich viel preiswerter gekommen.
Aber in Deutschland hatte mir Mexi immer erklärt,
dass wir unbedingt bei den Eltern wohnen müssten,
weil die sonst beleidigt wären.
Um es kurz zu machen, es war eine Woche, in der
wir nahezu die gesamte Zeit am Strand und im
Hotel zu gebracht haben. Nur an einziges Mal sind
wir in die Wohnanlage gefahren, wo die Familie von
Mexi leben sollte,“ schildert Wilfried den Besuch
in Mexiko.
Wohnanlage sei allerdings ein völlig unpassen-der
Ausdruck für die Wellblechhütten, zu denen Mexi
mit ihm in einem Taxi hingefahren sei. Wilfried:
„Sie hat mir dann eine ganze Menge Leute
vorgestellt. Das sollten angeblich alles Verwandte
von ihr sein.”
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(ATR-Nr. 208)
ATR-Roman
Sie hieß Dilara
Kapitel 26
Wilfred erzählt seine ganze Geschichte
Ohnehin habe er die ganze Zeit nicht gewusst,
was Mexi mit den Leuten geredet habe, beschreibt
Wilfried dieses Treffen. In Mexiko spreche man
zwar Spanisch, aber die Leute dort hätten einen
eigenartigen Dialekt gesprochen, und so habe er
kein Wort verstanden, obwohl er etwas Spanisch
sprechen könne.
„Wie haben dich denn eigentlich die Eltern
empfangen,“ möchte Horst wissen, denn auch
er war ja den Familienangehörigen von Dilara
seinerzeit vorgestellt worden. „Ach weißt du, wenn
ich damals so viel gewusst hätte wie heute, hätte
mir das alles sehr seltsam vorkommen müssen,“
beginnt Wilfried seine weitere Schilderung. Fast
klingt es so, als wolle er sich für seine Naivität
entschuldigen. Auch bei Horst ist das eigentlich
unnötig, denn er selbst ist ja einer solchen Frau auf
den Leim gegangen.
„Die Eltern habe ich überhaupt nicht kennen
gelernt und das Kind von Mexi habe ich auch niemals
gesehen. Kurz bevor wir in Mexiko angekommen
sind, soll es krank geworden sein. Und weil der
örtliche Arzt nicht helfen konnte, hatten sich
Mexis Eltern auf den Weg in die nächste größere
Stadt aufgemacht, um dort in einem staatlichen
Krankenhaus die dringend notwendige ärztliche und
medizinische Hilfe zu bekommen. Ja, so hat mir das
Mexi alles erklärt.“
Mexi hat eine Menge Geld
von Wilfried bekommen
Wilfried: „Zwei- oder dreimal hat sie dann in der
Woche noch zu Hause angerufen, um zu hören,
ob ihre Eltern wieder aus der Stadt zurück sind.
Doch vergeblich. Schließlich sind wir wieder nach
Deutschland zurück geflogen, ohne dass ich die
Eltern und das Kind kennen gelernt habe. „Und ich
Trottel habe das damals auch alles geglaubt. Heute
bin ich sicher, dass von der ganzen Sache überhaupt
nichts gestimmt hat. Dieses kleine unschuldige
Geschöpf war in Wirklichkeit ein ganz raffiniertes
Luder,“ zieht Wilfried Bilanz zu Mexi.
In den folgenden Monaten habe er dann Mexi
eine Menge Geld zukommen lassen. Mal in bar,
mal indem er ihr Sachen gekauft habe. Sogar
eine kleine Wohnung habe er hier fast vollständig
eingerichtet. „Den Mietvertrag habe ich aber zum
Glück nicht auf meinen Namen gemacht, obwohl
Mexi das immer haben wollte. Ich glaube, da würde
ich heute noch jeden Monat die Miete bezahlen“,
fügt Wilfried hinzu und fast klingt es so, als wolle
er deutlich machen, dass der doch nicht so ein ganz
großer Trottel gewesen sei.
Horst wissen, denn er hat vor Augen, wie lange
der von „seiner“ Dilara reingelegt worden ist. „Da
gab es mehrere Punkte, die mich eigentlich schon
viel früher hätten wach rütteln müssen,“ beginnt
Wilfried. „Eigentlich
hatte Mexi immer
sehr wenig Zeit
für mich, und das,
obwohl sie doch
keine feste Arbeit
hatte. Obwohl ich
ihre Handynummer
hatte, konnte ich
oft nicht erreichen,
weil sie Gespräche
nicht angenommen
hat oder das Handy
ausgeschaltet war.
Erst viel später ist
mir klar geworden,
warum sie meine
Gespräche
nicht
angenommen hat.“
Natürlich würde Horst auch eine andere Sache
brennend interessieren, aber er zögert, die
entscheidende Frage zu stellen. In einer
Gesprächspause überwindet er schließlich doch
seine Hemmungen und vorsichtig beginnt er: „Äh,
Wilfried, ich weiß natürlich, dass man so etwas
nicht fragt. AAAAAber ich müsste ja doch zu
gerne … ,“ Horst bleibt der Rest der Frage im Hals
stecken. „Du meinst, du möchtest wissen, wie sie
im Bett gewesen ist?“ „Äh, jaaa,“, kommt es von
Horst zurück.
Einerseits ist er erleichtert, dass Wilfried ihm die
schwierige Frage abgenommen hat. Andererseits
ist aber auch überrascht, dass ein Mann, den der
erst vor wenigen Stunden kennen gelernt hat, so
unkompliziert auf ein so heikles Thema reagiert.
„Weißt du Horst, in den Momenten, wo ich mit
ihr geschlafen habe, war von dem unschuldigen
Geschöpf eigentlich nur sehr wenig zu spüren.
Wenn ich ehrlich bin, sie wirkte verdammt
professionell. Ich muss ehrlich zugeben, sie wusste,
wie man einen Mann in diesem Punkt glücklich
machen kann.“
„Äh, du sagst «professionell»,“ platzt es
neugierig aus Horst heraus. „Ja, ich sagte
professionell und das meine ich auch so!“ und
dann beginnt Wilfried den Rest der Geschichte
zu erzählen. Wie er seiner Mexi auf die Schliche
gekommen
ist
und
welche
ernüchternde
Wirklichkeit er dann hat kennen lernen müssen.
„Wieso bist du denn überhaupt darauf gekommen,
dass diese Frau dich hinters Licht führt,“ möchte
ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 30
(ATR-Nr. 208)
Symbolbild:
„Professioneller Sex“
ATR-Roman
Sie hieß Dilara
Kapitel 27
Wilfried wird misstrauisch
«Mein Verhältnis zu Mexi war zwei gespalten.
Einerseits war ich total verfallen. Ich bin halt auch
„nur“ ein Mann und konnte mich zeitweilig ihren
sexuellen Reizen kaum entziehen. Andererseits
machte mich ihr Verhalten immer wieder
nachdenklich. Zu sehr achtete sie mit Argusaugen
darüber, dass ich ihren persönlichen Sachen nicht
zu nahe kann. Besonders ihre Handtasche hütete
sie, als würde sie ein wichtiges Geheimnis in sich
bergen.
Später habe ich dann lernen müssen, dass es
tatsächlich ein solches Geheimnis gab und dass
Mexi alles tun musste, damit ich dieses niemals
entdecken würde. Wenn ich es im Nachhinein
betrachte, hätte ich eigentlich schon sehr früh
misstrauisch werden müssen.»
Keine Arbeit trotzdem oft nicht erreichbar
Horst spürt, wie er immer wieder seine Sitzposition
verändert. Auch er war ja manchmal etwas
misstrauisch gewesen, hatte dann aber seine
Bedenken immer wieder beiseite geschoben und so
sich selbst eine trügerische Sicherheit verschafft.
Schließlich gibt er gegenüber Wilfried zu, dass
auch er öfter hin und her geschwankt habe. «Aber
eigentlich hatte ich nie so recht Anlass, meiner
Dilara zu misstrauen,»
beschreibt Horst sein
eigenes Verhalten.
Natürlich
weiß
er
genau, dass das nicht
stimmt. Ob Wilfried
ihm
diesen
Satz
abnimmt, weiß er
selbst nicht. Aber er
möchte sich darüber
auch keine Gedanken
machen, denn eigene
Fehler einzugestehen,
fällt im Grunde fast
jedem
Menschen
schwer.
© Bild „Wirklich Sieger?“:
S. Hofschläger / PIXELIO
Wilfried hat offensichtlich die Recht-fertigung von Horst überhaupt
nicht zur Kenntnis genommen, denn ohne überhaupt
etwas dazu zu sagen, setzt er seine Erzählung fort.
«Merkwürdig war das alles schon. Obwohl Mexi
keine Arbeit hatte, war sie auf ihrem Handy oft
nicht erreichbar. Entweder war es ausgeschaltet
oder sie nahm das Gespräch nicht an. Und dann
gab es da noch eine Reaktion, die mich besonders
ärgerte und schließlich auch skeptisch gemacht
hat.
Manches Mal drückte sie meine Anrufe einfach
weg. Nicht nur einmal, sondern zwei- oder
dreimal hintereinander und danach war das Handy
ausgeschaltet. Und wenn ich sie bei unserem
nächsten Treffen darauf ansprach, hatte sie immer
eine andere Begründung.
Mal hatte sie mit einer Freundin zusammen
gesessen und über deren Probleme diskutiert. Da
wollte sie nicht gestört werden. Ein anderes Mal
war sie gerade beim Einkaufen gewesen und musste
sich darauf konzentrieren. Für ein Telefongespräch
hätte sie deshalb den Kopf nicht frei gehabt.
Wieder ein anders Mal behauptete sie, gerade auf
der Toilette gesessen zu haben und wenigstens da
wolle sie ihre Ruhe haben.
Ich bin doch nicht dein Sklave!
Als sie dann eines Tages, als ich sie fast 24
Stunden nicht hatte erreichen können, auf meine
Bemerkung, ich würde mich langsam fragen, warum
sie nicht zu erreichen sei, äußerst heftig reagierte,
war meine Geduld am Ende. „Ich bin doch nicht
dein Sklave und muss über jede Minute meines
Lebens Rechenschaft ablegen,“ hatte sie mir
ziemlich lautstark erklärt.
Ich beendete das Gespräch und entschloss mich,
etwas zu tun, was ich früher niemals für möglich
gehalten hätte.» «Sag bloß, du hast deiner Freundin
aufgelauert,» meint Horst und denkt dabei an
seine eigenen Aktionen in den letzten Wochen und
Monaten.
«Nein, nein,» kommt es zurück. «Für so etwas hätte
ich wirklich keine Zeit und das wäre mir ehrlich
gesagt auch zu dumm gewesen! Da gibt es Leute,
die das besser können und dafür Zeit haben. das
kostet zwar ein bisschen Geld, aber dafür hast du
danach auch völlige Klarheit.»
«Sag bloß, du hast dir einen Privatdetektiv
engagiert,» fragt Horst ungläubig. «Jawohl, genau
das habe ich gemacht,» kommt es von Wilfried
zurück. «Hat mich rund 2.000 Euro gekostet,
aber die haben sich gelohnt. Danach wusste ich
Bescheid, mit wem ich es bei Mexi zu tun habe. Das
war zwar schmerzhaft, aber hat mich zumindest
davon abgehalten, weiteres Geld an diese Frau zu
verlieren.»
Während Wilfried dies erzählt, hat Horst den
Eindruck, dass sich Wilfried auf seinem Stuhl etwas
aufrechter hin gesetzt hat. Und in seinen Augen
scheint ein gewisses Funkeln zu sein, so als wollten
sie sagten: „Anfangs haben wir ja verloren, aber
jetzt sind wir doch die Sieger.“
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(ATR-Nr. 208)
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ATM 08 / 7 - November 2008 - Seite 32
(ATR-Nr. 208)