Das Komische nach Lessing: Lachen statt Verlachen in Minna von

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Das Komische nach Lessing: Lachen statt Verlachen in Minna von
The South Carolina Modern Language Review
Volume 10, Number 1
Das Komische nach Lessing: Lachen statt Verlachen in
Minna von Barnhelm
By Mathew J. Belcher
University of Pennsylvania
Obwohl Gotthold Ephraim Lessing das Titelblatt zu Minna von Barnhelm
mit„verfertiget im Jahre 1763“ ergänzt, ist das Drama 1767 zeitlich mit dem
neunundzwanzigsten Stück seiner Hamburgischen Dramaturgie erschienen. Seinen
Komödiendiskurs legt er in diesem und auch im achtundzwanzigsten Stück dem Leser
vor und obwohl Lessing die Hamburgische Dramaturgie nicht als direkte Rechtfertigung
und Erklärung von Minna von Barnhelm bezeichnet, kann man aufgrund der
Gemeinsamkeiten zwischen Inhalten und Veröffentlichungsterminen Lessings Thesen
über die Komödie als Verdeutlichung der Minna von Barnhelm interpretieren.
In seiner Komödientheorie setzt sich Lessing mit Johann Christoph Gottscheds
sächsischer Typenkomödie auseinander. Das pädagogische gottschedsche Modell hat die
Belehrung über vermeidbare Verletzungen der Tugend und der Vernunft als höchstes
Ziel. Gottsched erschafft Figuren mit zugespitzten jedoch korrigierbaren,
gesellschaftlichen Torheiten oder Unarten, die von einem geschilderten vernünftigen
Milieu stark abweichen.1 Gottsched hat die Figuren des Dramas „auf einen
Charaktertypus reduziert, so daß Figur und Laster identisch wurden und der Zuschauer in
der Figur das Laster selbst verlachen konnte“(Kröger 12). Gottscheds Verlachkomödie
dient dazu, durch Verlachen eines dargestellten Gegenprinzips ein moralisches Prinzip zu
betonen. Seine Dramenfiguren stellen jeweils nur eine Torheit dar, damit das Prinzip,
gegen das gepredigt wird, deutlich erkennbar bleibt. Immer im Vordergrund wirkt die
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Darstellung der Unvernunft effektiv auf die Zuschauer, eine Methode, die Züge der Satire
und der Karikatur annimmt (Greiner 152).
Im Gegensatz dazu schildert Lessing in Minna von Barnhelm durch Handlung und
Figuren, die Verstand und Witz besitzen, lächerliche Vernunft. Die pädagogische
Wirkung eines Dramas spielt auch bei Lessing eine wichtige Rolle, jedoch macht er
Gebrauch von anderen Mitteln, um das Publikum zu erziehen. Wie mit der Befreiung der
Poesie in Laokoon befreit Lessing in Minna von Barnhelm die Komödie von Modellen
der Aufklärung, wie zum Beispiel Gottscheds Verlachkomödie oder Gellerts rührende
Komödie, und distanziert sich dadurch von traditionellen Komödienbegriffen. Lessing
bevorzugt entgegen dem einfaltigen gottschedschen Modell Figuren, deren Bedeutung
über die Beziehung zu ihren Fehlern hinausgeht und deren Untugenden nur einen Teil des
gesamten Charakterbilds ausmachen. In seiner Hamburgischen Dramaturgie
unterscheidet er Lachen und Verlachen in Bezug auf den erwünschten Effekt, den die
Figuren auf das Publikum ausüben sollen. „Die Komödie will durch Lachen bessern; aber
nicht eben durch Verlachen; nicht gerade diejenigen Unarten, über die sie zu lachen
macht, noch weniger bloß und allein die, an welchen sich diese lächerlichen Unarten
finden“ ((Lessing, Hamburgische Dramaturgie 151). Zum Verlachen gehören
Vernichtung und Spott, wobei die Zuschauer eines Dramas über einem Charakter stehen
und auf ihn herunterschauen. Nicht die gezeigte Untugend wird verspottet, sondern die
Figur selbst. Nach Lessing gehört Verachtung nicht zu der erzieherischen Rolle der
Komödie. Durch tugendhafte Charaktere, die wie im wirklichen Leben auch negative
Eigenschaften besitzen, will Lessing seine Zuschauer auf ihre eigenen Fehler
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aufmerksam machen und sie etwas in sich sehen lassen, das verbessert werden könnte. Er
will sie über ihre eigene Untugend zum Lachen bringen.
In den Figuren der Minna von Barnhelm wurde Lessing insbesondere von seinem
Freund Moses Mendelssohn beeinflusst. Mendelssohn nach sind die einseitigen Figuren
des gottschedschen Diskurses hässlich, weil sie nur Unvollkommenheit verkörpern.
Mendelssohn betrachtet das Lächerliche aber als die Vermischung von
Unvollkommenheiten mit Vollkommenheiten (Lessing, Laokoon 168). Hiermit stimmt
Lessing überein, und nach diesem Prinzip entwickelt er die mannigfaltigen Figuren der
Minna von Barnhelm. Um diese These auf seine Theorie des Lachens und Verlachens
genauer anzuwenden, verweist Lessing im achtundzwanzigsten Stück der
Hamburgischen Dramaturgie auf Rousseaus Aussage gegen Molière. Molière habe sich
als Feind der Tugend bewiesen, in dem er den ehrlichen Misanthrop zum Verachteten
gemacht habe (Lessing, Hamburgische Dramaturgie 150). Lessings Meinung nach
vereinfacht Rousseau den Zweck der Komödie zu sehr. Lessing erklärt anhand eines
Beispiels mit Bezug auf Molières Charaktere, worin der Unterschied zwischen Lachen
und Verlachen liegt:
Der Misanthrop wird nicht verächtlich, er bleibt, wer er ist, und das
Lachen, welches aus den Situationen entspringt, in die ihn der Dichter
setzt, benimmt ihm von unserer Hochachtung nicht das geringste. Der
Zerstreute gleichfalls; wir lachen über ihn, aber verachten wir ihn
darum? Wir schätzen seine übrigen guten Eigenschaften, wie wir sie
schätzen sollen; ja ohne sie würden wir nicht einmal über seine
Zerstreuung lachen können. Man gebe diese Zerstreuung einem
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boshaften, nichtswürdigen Manne, und sehe, ob sie noch lächerlich sein wird?
Widrig, ekel, häßlich wird sie sein; nicht lächerlich. (Lessing, Hamburgische
Dramaturgie 151)
Weil die Figuren in Minna von Barnhelm sonstige positiv angesehene Eigenschaften und
nicht nur Schwächen oder sogar Laster vertreten, bleiben ihnen die Verspottung und
Missachtung der Zuschauer erspart. Sie sind nach dem oben erklärten Modell von
Lessings Komödie gestaltet. Alle haben gewisse negative Eigenschaften, die das
Komische an dem Lustspiel darstellen; sie bringen die Zuschauer zum Lachen. Diese
Züge als Laster zu kennzeichnen ist vielleicht ungerecht, weil kein übler Bösewicht in
dem Lustspiel vorkommt. Stattdessen sind bei Minna von Barnhelm die unerwünschten
Eigenschaften eher Schwächen und Widersprüche, die zu vermeiden sind, die aber keine
wirklich bösen Laster darstellen. Um jedoch bei Lessings eigenen Worten zu bleiben,
belassen wir es bei den gegensätzlichen Begriffen, „Tugend" und „Laster" (Seidel16).2
Die eindeutigen Widersprüche, besonders bei Major von Tellheim, erwirken
Lachen ohne Spott. Weil die Tugenden der Figuren ihre Laster weit überwiegen,
erkennen die Zuschauer die Tugenden als beispielhaft, während die Laster nicht
übersehen werden. Auch bei Lessing ist der Zweck der Komödie die Erziehung des
Menschen und durch seine Figuren kritisiert Lessing die Gesellschaft und die
Untugenden, welche die Figuren vertreten, ohne dabei die Figuren zu verachten. Lessing
möchte bewirken, dass die Zuschauer seine Gesellschaftskritik verinnerlichen, und selbst
die dargestellten Untugenden als solche erkennen, die im eigenen Leben zu vermeiden
sind.
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Major von Tellheim
Trotz des eigentlichen Titels des Dramas bleibt die bedeutendste Figur Major von
Tellheim. Den Auswahlprozess eines Titels erklärt Lessing im einundzwanzigsten Stück
der Hamburgischen Dramaturgie. Seiner Meinung nach soll ein Titel so wenig von dem
Inhalt verraten wie möglich. Er verweist auf die Griechen, die den Hauptcharakter im
Titel kaum erwähnten (Lessing, Hamburgische Dramaturgie 112). Trotz--oder gerade
aufgrund--seiner negativen Eigenschaften wäre Tellheim, nach der Theorie Lessings, die
perfekte Lustspielfigur, weil er auf die Zuschauer wirkt. Er erregt in den Zuschauern
sowohl Lachen als auch Mitleid und nimmt durch Widersprüche den Zuschauern
gegenüber eine erzieherische Rolle an.
Nach Rousseaus Interpretation des Misanthrops wäre von Tellheim wegen seiner
Schwächen auch zu Verlachen. Als abgedankter Offizier nach dem Siebenjährigen Krieg
ist sein übertriebenes Ehrenkonzept lächerlich. Er hält sich an seinem militärischen Rang
fest und obwohl sein Dienst vorbei ist, lässt er diesen Ehrenkodex sein Leben und seine
künftige Ehe mit Minna beinahe zerstören. Durch den Wechselskandal glaubt Tellheim
seine Ehre verloren zu haben. Als ehrenloser Mann sieht er sich selbst als unwürdig an,
die Ehe mit einem hochgeachteten adligen Mädchen wie Minna zu schließen. Er
rechtfertigt seine Stellung: ,,Wenn man mir das Meinige so schimpflich vorenthält, wenn
meiner Ehre nicht die vollkommenste Genugtuung geschieht, so kann ich, mein Fräulein,
der Ihrige nicht sein. Denn ich bin es in den Augen der Welt nicht wert zu sein. Das
Fräulein von Barnhelm verdienet einen unbescholtenen Mann" (79). Er befürchtet die
Verspottung und Verachtung, die Minna als Frau eines abgedankten Offiziers ertragen
müsste. Trotz vieler Versuche Minnas, Tellheim zu überreden, sie zu lieben und zu
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heiraten bleibt Tellheim der veraltete Ehrenbegriff wichtiger als die Liebe. Mehrmals im
Lauf der Handlung werden die Zuschauer durch seine verkehrten Prioritäten frustriert,
weil sie bis zur Konfliktlösung das Glück aller Figuren bedrohen.
Durch Tellheim will Lessing den höfischen, soldatischen Ehrenkodex kritisieren.
Aufgrund seiner Sekretärstelle bei Generalleutnant von Tauentzien in Breslau ist Lessing
aus erster Hand mit dem Krieg vertraut gewesen. Um Tellheim zu erschaffen, scheint er
Züge von vielen Bekannten und von sich selbst aufgearbeitet zu haben. Dies gilt
insbesondere für Ewald Christian von Kleist, preußischen Offizier, Dichter, Verehrer von
Friedrich II und engen Freund Lessings. Kleist wurde in einem Duell am Arm verwundet,
genau wie Tellheim, dessen rechter Arm durch eine Schusswunde gelähmt ist. Stärker
noch verbindet die Beiden jedoch ihr ähnlicher Ehrenbegriff. In einem Brief an Johann
Wilhelm Ludwig Gleim von November 1757 schrieb Kleist über sein verletztes
Selbstbewusstsein. „Ich habe so viel Ehre, wie alle die, die besser geachtet werden, als
ich,und muß hinter der Mauer sitzen!“ (Schwab-Felisch 129). Genau diese Hochachtung
der Ehre empfindet Tellheim ebenfalls, und die Leben beider wurden von Ehren- und
Stolzgefühlen geleitet.
Kleists Tod im Krieg hat Lessing stark beeinflusst und hat insbesondere seinen
Hass gegen den übertriebenen Ehrenbegriff verstärkt, welchen er als Ursache für Kleists
Tod ansah. Im September 1759 in einem Brief an Gleim schrieb Lessing:
Meine Traurigkeit über diesen Fall ist eine sehr wilde Traurigkeit....
Sehen Sie; manchmal verleitet mich der Schmerz, auf den Mann selbst zu
zürnen, den er angeht. Er hatte schon drey, vier Wunden; warum ging er
nicht? Es haben sich Generale mit wenigern und kleinern Wunden
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unschimpflich bey Seite gemacht. Er hat sterben wollen. (Schwab-Felisch 136)
Wegen dieses tiefbegründeten Hasses will Lessing sein Publikum diesem Kodex
gegenüber sensibilisieren und ihn so in Frage stellen. Um dieses Ziel zu erreichen, treibt
er Tellheims Ehrvorstellungen bis ins Lächerliche.
In Wirklichkeit aber wird Tellheim weniger von wahrhaftiger Ehre getrieben als
er vortäuscht. Wahre Ehre besteht vom Anschein unabhängig auch ohne die Bekräftigung
Anderer. Solange Tellheim tatsächlich unschuldig ist, bleibt seine Ehre intakt. Durch die
Probleme mit dem Geldwechsel ist nicht seine Ehre beschädigt, sondern lediglich sein
Ehrgefühl verletzt worden (Seeba 72).Die Zuschauer sollen hier den willkürlich durch die
Gesellschaft bestimmten falschen Schein der Ehre kritisieren. Weil Tellheim sich so viele
Sorgen um die Gedanken der Gesellschaft macht, erkennt man Eitelkeit und Selbstliebe
statt Respekt vor der Ehre. Lessing will, dass die Zuschauer die übertriebene Ehre, die zu
einem falsch begründeten Heroismus und Stoizismus führt und aus einem nicht mehr
funktionierenden System stammt, als Ursprung des Konflikts erkennen.
Nicht nur das Konzept der Ehre missfällt Lessing an dem von König Friedrich II
geförderten Soldatendasein. Durch Tellheims Figur greift er auch den preußischen
Nationalismus und Patriotismus an. Mitten im Siebenjährigen Krieg sagt Lessing, dass er
„von der Liebe des Vaterlandes“ überhaupt „keinen Begriff“ habe (Seeba 11). Obwohl
Tellheim für Preußen kämpft, ist er kurländischer Freiwilliger. Im siebten Auftritt des
dritten Aufzugs unterhält sich Tellheim mit Werner über die Rechtfertigung des
Kämpfens. Tellheim spricht sich gegen Werners Plan aus, wegzuziehen, um für ein
anderes Heer gegen die Türken zu kämpfen: „Man muß Soldat sein für sein Land oder
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aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da
dienen, heißt wie ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts“ (54). Er kritisiert das
Kämpfen, welches nur von Geld motiviert ist. Dennoch hat Tellheim keine besseren
Absichten oder Gründe, wegen derer er Preußen dient. Er spricht von der Liebe zu der
Sache, ohne eine klare Erklärung, was die Sache ist. In Wirklichkeit ist die Sache für
Tellheim dieselbe wie für Werner: er kämpft für das Geld. Er ist kein Preuße, sondern
Söldner. Wie mit der Ehre zeigt Tellheim hier seine Eitelkeit, indem er angibt, dass edle
Gründe hinter seinen Taten stehen. Dementsprechend widerspricht sich Tellheim am
Anfang des fünften Aufzugs selbst, indem er Werner verspricht, bald mit ihm in einen
anderen Krieg zu ziehen. Schließlich gibt Tellheim zu, dass er selbst nicht wusste, für
welche politischen Grundsätze er gekämpft hat.
Als verwirrter, sich selbst widersprechender Soldat ohne feste Meinungen wird
Tellheim zum perfekten Mittel für Lessing, seine antipatriotische Meinung zu äußern. Es
ist für die Zuschauer leicht zu erkennen, dass Tellheim vieles übertreibt und nicht der
Mensch ist, für den er sich ausgibt und als der er sich selbst sieht. Wie Franziska am
Anfang des zweiten Aufzugs sagt: „Man spricht selten von der Tugend, die man hat; aber
desto öfter von der, die uns fehlt“ (23). Tellheim spricht oft von der Ehre und auch über
die Liebe zur Sache. Diese bei Tellheim abwesenden Eigenschaften werden wegen des
Mangels lächerlich und werden benutzt, um das Publikum zu sensibilisieren. Wichtig
daran ist aber, dass, obwohl die negativen Eigenschaften Tellheims zum Lachen
bewegen, Tellheim nicht verlacht wird. Trotz seiner Laster ist Tellheim sympathisch. Er
hat viele Tugenden, die ihn zu einem vortrefflichen Menschen machen. Genau wie den
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Misanthrop und den Zerstreuten schätzen wir Tellheim wegen seiner gefälligen
Eigenschaften und verachten ihn nicht.
Tellheim ist kein rachsüchtiger Mensch. Obwohl der König ihn entlassen hat und
der Wirt seine Zimmer ausräumt, zeigt von Tellheim keine Feindlichkeit ihnen
gegenüber. Gleichermaßen erlässt er der Witwe die Schulden ihres verstorbenen Mannes
trotz seines eigenen Geldmangels und zeigt während dieser Begegnung echte
Großzügigkeit und Einfühlungsvermögen. Tellheim tritt noch sympathischer auf, als er
glaubt, dass Minna enterbt sei. Das Mitleid, welches er hier äußert, macht ihn beim
Publikum beliebt. Obwohl er kein Geld für sich selbst annehmen will, borgt er von
Werner aus Mitleid für Minna. Die Mitleidsgefühle sind ihm plötzlich wichtiger als die
Ehre. Nach Lessing ist Mitleid beziehungsweise die Erregung von Mitleid beim
Zuschauer das höchste Ziel des Dramas. Tellheims Mitleid und Großherzigkeit lösen
Mitleid beim Publikum aus. Dies macht ihn, obwohl er nicht der perfekte Mensch ist,
nach Lessings Theorien zur perfekten Komödienfigur. Lessing erklärt, „das Possenspiel
will nur zum Lachen bewegen; das weinerliche Lustspiel will nur rühren; die wahre
Komödie will beides“(Seidel 22). Durch Tellheim hat Lessing in Minna von Barnhelm
seine wahre Komödie geschaffen. Über seine Untugenden wird gelacht und davon wird
gelernt. Am wichtigsten für Lessing bleibt, dass das Publikum Tellheim bemitleidet und
deshalb nicht verlacht. Der gutherzige, abgedankte, verkrüppelte Soldat erweckt in den
Zuschauern Mitleid und ist die perfekte Figur, weil er der erzieherischste und mitleidigste
Charakter ist, indem er voller Widerspruch und Schwächen den Zuschauern
Gegenbeispiele vorhält.
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Die Volksfiguren
Genauso sind auch Just, Werner und Franziska nach Lessings Lachens- und
Verlachenstheorie geschaffen. Wie Tellheim besitzt jede Figur Untugenden, die
bemerkenswert und komisch sind. Die Figuren stellen aber auch weit mehr positive
Eigenschaften als negative dar und sind daher sympathisch. Lessing versucht mittels der
bürgerlichen Ideen und Gedanken, die seine Figuren verkörpern, erzieherisch auf das
Publikum zu wirken (Seidel 70). Zuschauer sollen sich mit den Charakteren identifizieren
können, um die Lektion für ihre eigenen Leben zu begreifen. So eine Selbstbeobachtung
funktioniert am besten mit diesen bürgerlichen Figuren, weil sie dem Publikum ähnlich
sind.
Um bei den Zuschauern den Prozess der Selbstreflektion zu bewirken, stellt
Lessing die bürgerlichen Figuren gegenüber Minna und Tellheim fast gleich. In seinem
Buch Lessing: Biographie einer Emanzipation argumentiert Dieter Hildebrandt, Lessing
habe alle Personen mit dialektischem Witz ausgestattet, und dadurch das
Komödienpersonal demokratisiert und die Standesvorschriften verletzt (Kröger 15).
Genau wie in seinem bürgerlichen Trauerspiel, schreibt hier Lessing gegen den Einfluss
der Standesordnung auf das Drama. Indem Lessing die bürgerlichen Figuren klüger und
vernünftiger als den Adel gestaltet, sind sie das anzustrebende Musterbeispiel.
Bürgerliche Zuschauer sehen gerne zu, wie die Dienerin Franziska sich mit Minna
unterhält, als ob es keinen Klassenunterschied gäbe. Sie lieben die Charaktere desto
mehr, weil sie sich auf eine Art und Weise äußern und ihre Meinungen kundtun, die
aufgrund der Standesvorschriften im wirklichen Leben unmöglich wären. Weil Lessing
hierdurch Figur und Zuschauer einander nah bringt, funktioniert die Mitlachenstheorie
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wie bei Tellheim. Die Fehler werden erkannt, und es wird aus ihnen gelernt, ohne den
Charakter selbst zu verspotten oder zu verachten.
Just ist vielleicht die komischste Figur des Lustspiels. Schon in der
Einführungsszene bringt er die Zuschauer mit seinem sich im Traum abspielenden Kampf
mit dem Wirt zum Lachen. Seine witzigen Sprüche und Beleidigungen dem Wirt
gegenüber sind als negative Eigenschaft zu interpretieren, aber gleichzeitig sind sie
komisch. Die Rache, die sich Just gegen den Wirt wünscht, ist übertrieben. „Wie wär's,
wenn wir ihm des Abends, wenn er aus der Tabagie kömmt, aufpaßten und ihn brav
durchprügelten?... Oder wenn wir ihm das Haus über dem Kopf ansteckten?... Oder wenn
wir ihm seine Tochter zur Hure machten? Sie ist zwar verdammt häßlich-" (21). Dem
Wirt das Haus abzubrennen oder seine Tochter zur Prostituierten zu machen, wäre eine
wahre Boshaftigkeit. Davon zu sprechen wirkt komisch, aber die Pläne wirklich
durchzuziehen würde nicht in eine Komödie passen. Obwohl es schwierig ist
festzustellen, ob er es wirklich ernst meint, erkennen die Zuschauer Justs lustige
Rachsucht gegen den Wirt als Laster.
Tellheim listet Justs Untugenden im achten Auftritt des ersten Aufzugs auf:
Hartnäckigkeit, Trotz, Schadenfreude, und Rachsucht (16). Trotz dieser Eigenschaften
wird Just wegen seiner Treue nicht verlacht. Seine Feindlichkeit gegen den Wirt wird
akzeptiert, weil der Wirt die einzige Figur ohne mannigfaltige Persönlichkeit ist. Es gibt
keine guten Tugenden an ihm, nur Geldgier und Geiz, aber selbst ihn verlachen die
Zuschauer nicht. Sie bemitleiden einen so traurigen, verdorbenen Mann und obwohl der
Wortaustausch mit Just im zweiten Auftritt des ersten Aufzugs witzig ist, ist es der
Kommentar von Just, der zum Lachen bewegt.
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Die Treue ist die überwiegende Tugend, die Just vor dem Verlachen rettet. In der
Begegnung mit seinem Herrn, Tellheim, beweist sich Just als loyal. Er ersehnt keine
Rache aufgrund eigener persönlicher Umstände, sondern fordert Revanche für das, was
der Wirt Tellheim angetan hat. Durch Justs Gespräch mit Franziska über die alten Diener
von Tellheim vermittelt Lessing seine Hochachtung vor Treue und Ehrlichkeit gegenüber
anderen praktischen Eigenschaften, die in der Kriegszeit als wichtig angesehen wurden.
Seine Treue beweist Just insbesondere, als er Tellheim die Rechnung für seinen Dienst
übergibt. Es hat eine rührende Wirkung, Just weinen zu sehen. In seiner Erzählung von
seinem Pudel, der nicht wegzubekommen ist und der unter allen Umständen bei seinem
Herrn bleibt, spricht Just über sich selbst. Die Zuschauer erkennen leicht Justs
Ähnlichkeit mit dem kleinen liebevollen Pudel. Just bewegt die Zuschauer, wie Lessings
wahre Komödie bewegen soll. Sie erkennen die Liebe und Treue, die Just Tellheim
gegenüber empfindet, und wünschen sich, selbst solche Eigenschaften zu besitzen. Sie
konzentrieren sich nicht auf Justs Laster, und sie verweigern ihm auch nicht ihre
Hochachtung, weil diese in wahren ehrenvollen Tugenden begründet ist. Sie lachen über
seine Laster und erkennen die Laster als Untugend, ohne Just selbst zu verlachen.
Insbesondere wirkt Just auf die bürgerlichen Zuschauer, als er im achten Auftritt des
ersten Aufzugs kurz Ebenbürtigkeit mit von Tellheim schafft, indem er sich über von
Tellheims Unfähigkeit, als Verkrüppelter ohne Bediensteten leben zu können, lustig
macht (16).
Lessings zweite bürgerliche Figur, Werner, hat wie Just gewisse Untugenden,
aber auch er passt seiner Ehrlichkeit und Treue wegen in Lessings Komödientheorie.
Werner kämpft wie Tellheim als Söldner. Der Unterschied zwischen den Beiden besteht
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darin, dass Werner seine Absichten nicht leugnet. Er redet nicht von einer falschen Liebe
zur Sache wie Tellheim, sondern gibt zu, dass ihm das Soldatenleben gefällt, und dass er
dahin ziehen will, wo Krieg herrscht. Zuschauer erkennen ihn als einen ehrlichen
Menschen und finden seine verkehrten Absichten lustig, weil er sie nicht für Unrecht
hält. Wie Just ist Werner Tellheim gegenüber treu. Er macht sich ernsthafte Sorgen um
Tellheims angespannte finanzielle Lage und versucht, Tellheim zur Vernunft zu bringen
und von ihm Geld zu leihen. Seine große Sorge um Tellheim führt Werner sogar dazu,
Tellheim anzulügen, indem er ihm erzählt, dass er Geld von der verschuldeten Witwe
angenommen hat, um es Tellheim zu übergeben. Wir erkennen an Werner sowohl
Vernunft als auch Treue. Im Vergleich zu Tellheim ist ihm das übertriebene
Ehrenkonzept fremd. Dafür genießt er den Respekt der Zuschauer trotz seiner Kriegslust
und wird nicht wegen seiner Laster verlacht.
Am nächsten bringt Lessing die Figuren den Zuschauern aber mittels Franziska.
Sie äußert ihre Meinung in der Anwesenheit Minnas und anderer Charaktere auf eine Art,
die Bewunderung im Publikum bewirkt. Sie erzählt dem Wirt, wie sie zusammen mit
Minna aufgewachsen ist, und dass sie alles gelernt hat, was Minna gelernt hat. Mit dieser
unverschämten Aussage stellt Lessing wieder die Standesordnung in Frage und
schmeichelt den bürgerlichen Zuschauern, um sie mit Hilfe des Gefühls der
Ebenbürtigkeit besser erziehen zu können. Auch Franziska ist vernünftiger als Minna und
Tellheim. Sie ist nicht gefühlsmäßig am Konflikt beteiligt und wird nicht wie die anderen
durch Verärgerung verwirrt. Obwohl sie beim Spiel mitmacht und Tellheim anlügt,
verdient Franziska dafür keine Verachtung. Stattdessen wird die Tat als Loyalität ihrer
Dame gegenüber interpretiert. Franziskas freie, sarkastische Sprache ist keine Untugend,
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aber trotzdem dient sie als Ungereimtheit, die zum Lachen bewegt. Dies führt dazu, dass
die Zuschauer diese Frau keinesfalls verachten, sondern im Gegenteil ihren Mut schätzen
und bewundern.
Minna von Barnhelm
Minna wirkt auf das Publikum hauptsächlich als positives Beispiel. Sie zeigt sich
anfangs als liebevoll, mitfühlend und großzügig, erweist sich aber zugleich als klug, listig
und erfahren. Als sie von Tellheims Geldmangel erfährt, will sie sofort seine Schulden
bezahlen. Aus Freude darüber, Tellheim wiedergefunden zu haben, will sie Franziska
beschenken, und aus Mitleid mit dem abgedankten Riccaut spendet sie ebenfalls. Minna
widerspiegelt Lessings Gedanken aus dem fünfundzwanzigsten Stück der
Hamburgischen Dramaturgie. Obwohl er hier eigentlich über das Trauerspiel schreibt,
trifft seine Gedankenführung auch auf die Komödie zu. Eine Figur soll in ihren
Gesinnungen steigen, nicht fallen. „Es ist schicklicher, daß ein zärtlicher Charakter
Augenblicke des Stolzes hat, als daß ein stolzer von der Zärtlichkeit sich fortreißen
läßt“(Lessing, Hamburgische Dramaturgie 135). Minna präsentiert sich als schuldlose
zarte Jungfrau bis sie Tellheims übertriebener Ehre begegnet. Danach zeigt sie sich als
klug und fähig, ein kompliziertes und gut durchdachtes Spiel zu entwickeln, um Tellheim
zur Erkenntnis über sein überspitztes, widersprüchliches Verhalten zu bringen. So
verwandelt sie sich von einem liebevollen Fräulein zu einer mächtigen Frau. Die
Zuschauer bewundern ihren Fleiß und ihre Überwindungskraft und sollen diese Werte
auch in ihren eigenen Leben anstreben.
Durch das Gespräch zwischen Minna und Tellheim im neunten Auftritt des
fünften Aufzugs bringt Lessing die bürgerlichen Zuschauer nochmals seinem Lustspiel
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nah, indem er die gesellschaftliche Standesordnung kritisiert. Über die Enterbung von
Minna sagt Tellheim: „Was nennen Sie Ihren Verlust? Alles, was Minna verlieren
konnte, ist nicht Minna“ (93). Minnas vorgetäuschte, übertriebene Unvernunft bringt
Tellheim zum Verstand. Obwohl Tellheim seine eigene widersprüchliche Stellung nicht
als solche erkennt, sieht er trotzdem die Unvernünftigkeit in Minnas Verhalten, welches
eben diese Stellung widerspiegelt.
Minnas Spiel wird als notwendig gegen die unvernünftige Meinung Tellheims
aber auch als hinterhältig und unehrlich angesehen. Minna musste Tellheims Irrationalität
entgegentreten, um ihre Ehe zu retten, aber trotzdem wird deutlich, daß ihr Verhalten
nicht erstrebenswert ist. Sie nutzt Tellheims Gutherzigkeit zu einem Zeitpunkt aus, in
dem er zwischen Liebe und Ehre hin- und hergerissen ist. Im Gespräch mit Franziska
erklärt Minna, „Nein, aber ein Streich ist mir beigefallen, ihn wegen dieses Stolzes mit
ähnlichem Stolze ein wenig zu martern“ (60). Ihre überwiegenden Tugenden allein retten
Minna vor der Verachtung der Zuschauer und bewahren ihr Ansehen trotz Lügen und
gemeiner Sprüche. Dass Minna den Schein der Tugendhaftigkeit behält, ist eine Kritik
Lessings an der Legitimität der von der Gesellschaft akzeptierten Bedeutung von Tugend,
welche die Zuschauer zum Nachdenken herausfordern soll. Die Lehre für das Publikum
über die Ehrlichkeit wird deutlich, als Just mit der Wahrheit über den Ring ankommt und
Tellheim die Betrügerei von Minna endlich erkennt. Minna hätte schon mit dem Spiel
aufhören sollen, nachdem sie sich Tellheims Liebe wieder versichert hatte. Ihre
Übertreibung lässt sie das Spiel beinahe verlieren. Dass sie diesen Fehler begeht ist
schlimmer als Tellheims Übertreibung zu deuten, weil sie das Laster an ihm erkennt und
trotzdem auf die eigenen Erfahrung und Worte nicht achtet. „Und ist es meine
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Einrichtung, daß alle Übertreibungen des Lächerlichen so fähig sind?“ (75) Genau wie
bei Tellheim und seiner Ehre spricht Lessing hier nicht gegen Minnas Gescheitheit,
sondern gegen die Übertreibung davon, die unvernünftig und lasterhaft wird.
Lessing in den Figuren
Siegfried Seidel fasst Lessings Trauerspielmotive zusammen, die sich aber auch
auf die Komödie beziehen, weil die Komödie nach Lessings Einsicht eine ebenso
rührende Wirkung beim Publikum erzielen soll:
Lessing hingegen meinte, daß die Wirkung auf den Menschen vom Mitleid
ausgehen müßte, das ihn moralisch reifer und gefühlsstärker werden ließe. Der
Zuschauer sollte sich mit dem tugendhaften, moralisch überlegenen, bürgerlich
denkenden und fühlenden Helden identifizieren können, und er sollte auch die
Urheber seines Untergangs zu erkennen vermögen. (Seidel 46)
Um sich mit den Charakteren identifizieren zu können, müssen die Zuschauer ihr eigenes
Leben im Lustspiel wiedererkennen. In seiner Schrift „Von dem weinerlichen oder
rührenden Lustspiele“ glaubt Lessing dem menschlichen Leben nahe zu kommen, indem
er „sowohl Tugenden als Laster, sowohl Anständigkeit als Ungereimtheit“ schildert, weil
das wirkliche Leben auch voller Widersprüche sei (Schwab-Felisch 165). Um ans
menschliche Leben heranzukommen, bedient sich Lessing auch solcher Eigenschaften
aus dem eigenen Leben und setzt sie in seine Figuren ein.
In Tellheim erkennen wir den Lessing aus der Breslauer Zeit, der ohne festen
Wohnsitz auch in einem Wirtshaus wohnte (Schwab-Felisch 12). Lessing war andauernd
auf Reisen und zog von Stadt zu Stadt. Er ging dahin, wo er Arbeit fand und hat sich sein
Leben lang, wie Tellheim, um Geld gesorgt. Ebenso war Lessing, wie Tellheim, kein
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Preuße, hat aber trotzdem und wahrscheinlich aus finanziellen Gründen am Krieg
teilgenommen. Lessing hatte auch einen übertriebenen Ehrenkodex gebilligt und sich
diesem unterworfen. Statt Geld von seinen Freunden anzunehmen, verkaufte er seine
Bibliothek, als er finanzielle Schwierigkeiten hatte. Helmut Göbel schreibt sogar, dass
Lessing vielleicht des gleichen Betrugs schuldig war, dessen Tellheim verdächtigt wird,
weil Lessings Generalleutnant von Tauentzien die Breslauer Münzen anvertraut wurden.
Göbel stellt sich die Frage,woher ein fast armer Mann wie Lessing sonst die Mittel für
eine teuere Bibliothek gehabt haben könnte (Göbel 56). Auch im Spieler Riccaut sind
Züge von Lessing, der bis zu seinem Tod Lotto spielte, erkennbar. Durch Tellheim will
Lessing den Zuschauer auf viele seiner eigenen Laster aber auch auf andere Untugenden
aufmerksam machen. Tellheim verkörpert teilweise Lessings negative Eigenschaften im
Gegensatz zu Minna, die seine eher vernünftige Seite personifiziert.
Lessing wollte den Zuschauern mit der Komödie seine eigenen Erfahrungen
vermitteln. 1749 in einem Brief an seine Mutter schrieb er über das Lustspiel und dessen
lehrreiche Wirkung auf das eigene Leben. „Ich lernte wahre und falsche Tugenden daraus
kennen, und die Laster ebensosehr wegen ihres Lächerlichen als wegen ihrer
Schändlichkeit fliehen.... Ich lernte mich selbst kennen, und seit der Zeit habe ich gewiß
über niemanden mehr gelacht und gespottet als über mich selbst“ (Seidel 16). Die
lehrreiche Selbstbeobachtung, die Lessing aus der Komödie zieht, vermittelt er in Minna
von Barnhelm weiter. Damit die Zuschauer über die eigenen Untugenden lachen und aus
ihnen lernen können, ohne die Figuren zu verspotten und zu vernichten, hat Lessing
glaubhafte Figuren mit positiven und negativen Eigenschaften--sowohl Mitleid, Liebe
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und Loyalität als auch Eitelkeit und Geiz--aus seinem Umfeld, aus dem eigenen Leben
geschaffen.
Endnotenverzeichnis
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Als Beispiel für die sächsische Typenkomödie beziehen wir uns auf Luise Gottscheds Die
Pietisterey im Fischbein-Rocke, 1736, die als ursprünglicher Typus für das Genre dient. Wie ihr Ehemann
schrieb "Die Gottschedin" nach französischen Vorbildern, u.a. Moliére. In dieser Komödie verkörpert die
einfältige Mutterfigur gänzlich den Pietismus und wird nur durch ihre damit verbundene Unvernünftigkeit
gekennzeichnet.
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Bei einer breiten Lessing-Lektüre stößt man wiederholt auf dieselben Anspielungen und Begriffe. Die
Ausdrücke "Tugend" und "Laster" kommen in verschiedenen Schriften von Lessing vor. Er verwendet die
Begriffe in einem Brief an seine Mutter in Bezug auf das Lustspiel. Auch sind sie in "Rettungen des Horaz"
(in Gotthold Ephraim Lessing: Werke in drei Bänden, Bd. II, München: Deutscher Taschenbuch Verlag,
2003. 575-614.) vorhanden. Lessing scheint dieses Begriffspaar zu bevorzugen. Folglich werden sie weiter
in dieser Untersuchung eingesetzt, auch wenn sie in manchen Fällen den beschriebenen Eigenschaften
gegenüber unangemessen sind.
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