Darlehensvertrag Teil I: Darlehensnehmer in Insolvenz

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Darlehensvertrag Teil I: Darlehensnehmer in Insolvenz
Prof. Dr. von Wilmowsky
Insolvenzrecht II: Vertiefung
Darlehensvertrag
Teil I: Darlehensnehmer in Insolvenz
I.
Vor Valutierung (= nicht valutiertes Darlehen)
3
1. Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (vor Valutierung)
3
a)
Vertragliches Recht des Darlehensgebers zur außerordentlichen, fristlosen
Kündigung
3
b)
Einwirkung des Anfechtungsrechts
4
c)
Gesetzliches Recht des Darlehensgebers zur außerordentlichen, fristlosen
Kündigung (§ 490 Abs. 1 BGB)
8
2. Verwertung des Insolvenzvermögens: Die vertraglichen Rechte des insolventen
Darlehensnehmers (vor Valutierung)
9
3. Verteilung des Insolvenzvermögens: Die Befriedigung der vertraglichen
Ansprüche des Darlehensgebers (vor Valutierung)
10
a)
Verteilung nach Geltendmachungsentscheidung
10
b)
Verteilung nach Nichtgeltendmachungsentscheidung
10
4. Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensnehmers: Darlehensvertrag vor
Valutierung
II.
13
Nach Valutierung (= valutiertes Darlehen)
15
1. Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (nach Valutierung)
15
a)
Sofortige Fälligkeit gemäß § 41 InsO
15
b)
Vertragliches Recht des Darlehensgebers zur außerordentlichen, fristlosen
Kündigung
17
c)
Einwirkung des Anfechtungsrechts: Grundsätze
18
d)
Ausnahme durch § 41 InsO für verzinsliche Darlehen
20
e)
Ziff. 19 Abs. 3 AGB-Banken (2014)
21
f)
Gesetzliches Recht des Darlehensgebers zur außerordentlichen, fristlosen
Kündigung (§ 490 Abs. 1 BGB)
22
2. Verwertung: Die vertraglichen Rechte des insolventen Darlehensnehmers (nach
Valutierung)
23
3. Verteilung: Die Befriedigung der vertraglichen Ansprüche des Darlehensgebers
(nach Valutierung)
25
a)
Keine außerordentliche Kündigung des Darlehensgebers
26
b)
Außerordentliche Kündigung des Darlehensgebers
26
4. Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensnehmers: Darlehensvertrag nach
Valutierung
27
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
2
Einleitung
--
Regelungsprobleme, wenn der Darlehensnehmer in Insolvenz fällt und
über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird:
(1)
Vorzeitige
Beendigung:
Voraussetzungen
das
Frage,
ob
Darlehensverhältnis
und
ohne
unter
welchen
Mitwirkung
der
Insolvenzverwaltung des Darlehensnehmers vorzeitig endet oder (vom
Darlehensgeber) vorzeitig beendet werden kann. (Erhebliche Bedeutung
haben hierbei die Grenzen, die sich aus dem Anfechtungsrecht ergeben.)
(Diese Frage wirkt sich sowohl auf die Verwertung als auch die Verteilung
aus und ist daher vorzuziehen.)
(2)
Verwertung:
Frage, wie die Rechte verwertet werden, die der
Darlehensvertrag dem (insolventen) Darlehensnehmer vermittelt.
(3)
Verteilung: Frage, wie die Forderungen befriedigt werden, die der
Darlehensgeber gegen den (insolventen) Darlehensnehmer hat. (In diesem
Bereich sollte man rechtspolitisch einige Änderungen – etwa: Abzinsung
auch bei verzinslichen Darlehen; Beseitigung des Rangrücktritts für
Zinsansprüche -- in Betracht ziehen.)
--
Gesetzlicher Rahmen:
Insolvenz Darlehensnehmer: keine spezielle Regelung in der InsO; mithin
gilt das allgemeine Insolvenzvertragsrecht (§ 103 InsO)
aber:
spezielle Regelungen in der InsO zu Zinsansprüchen sowie zur
Abzinsung von Ansprüchen;
dadurch einige Abweichungen von den
Grundsätzen des Insolvenzvertragsrechts
--
Differenzierung
nach
dem
sich
der
Darlehensvertrag bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand:
vor
Valutierung / nach Valutierung
Erfüllungsstadium,
in
dem
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
I.
Vor Valutierung (= nicht valutiertes Darlehen)
--
„Valutierung“
=
3
Auszahlung des Darlehensbetrags durch den
Darlehensgeber an den Darlehensnehmer
--
in diesem Abschnitt (I) betrachtetes Erfüllungsstadium: vor Valutierung
Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens war dem (nunmehr insolventen)
Darlehensnehmer der Darlehensbetrag noch nicht ausgezahlt worden.
1.
Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (vor Valutierung)
--
Vorzeitige Beendigung:
Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Darlehensverhältnis
ohne
Mitwirkung
der
Insolvenzverwaltung
des
Darlehensnehmers
vorzeitig endet oder (vom Darlehensgeber) vorzeitig beendet werden kann.
--
bei Erfüllungsstadium „vor Valutierung“: nur ein Mittel zur vorzeitigen
Beendigung durch den Darlehensgeber:
außerordentliche fristlose
Kündigung durch den Darlehensgeber
--
Ausübung im Insolvenzverfahren: Da es sich bei Kündigungsrechten um
Gestaltungsrechte und nicht um Forderungen handelt, können sie auch
während des Insolvenzverfahrens gegen den Darlehensnehmer ausgeübt
werden.
a)
Vertragliches
Recht
des
Darlehensgebers
zur
außerordentlichen,
fristlosen Kündigung
--
außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensgebers wegen Insolvenz
des Darlehensnehmers: in den meisten Darlehensverträge vereinbart
Bsp.: Ziff. 19 Abs. 3 AGB-Banken (2014)
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
4
„Eine fristlose Kündigung . . . ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund
vorliegt, der der Bank [die] Fortsetzung [der Geschäftsbeziehung]
unzumutbar werden lässt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor,
wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des
Kunden . . . eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung
des Darlehens . . . gefährdet ist.“
--
Wirksamkeit solcher Klauseln: (m.E.) kein Problem
--
Problem: Anfechtbarkeit
b)
Einwirkung des Anfechtungsrechts
--
in Betracht kommt:
Anfechtung (insolvenzbezogener vertraglicher
Kündigungsrechte des Darlehensgebers) wegen eines Tatbestands des
Schuldnerfehlverhaltens 1
--
anfechtbare
Handlung:
Darlehensnehmers
in
möglicherweise:
das
insolvenzbedingte
die
Einwilligung
des
Kündigungsrecht
des
Darlehensgebers
aa)
Auswirkung der außerordentlichen Kündigung auf das Vermögen des
Darlehensnehmers
--
Auswirkungen der außerordentlichen Kündigung auf das Vermögen des
Darlehensnehmers und damit auf die Aussichten der Gläubiger, ihre
Forderungen aus dem Vermögen befriedigt zu erhalten
--
denkbar:
Verschlechterung
der
Vermögensverhältnisse
des
Darlehensnehmers und damit (bei Insolvenz des Darlehensnehmers) der
Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger (des Darlehensnehmers)
1
Zu den Tatbeständen der Anfechtung wegen Schuldnerfehlverhaltens gehören: §§ 3
AnfG, 133 InsO; §§ 4 AnfG, 134 InsO; § 132 InsO. (Mit Fehlverhalten eines Gläubigers
gegenüber den übrigen Gläubigern, „Gläubigerfehlverhalten“, befassen sich:
und 131 InsO; §§ 6 AnfG, 135 InsO; § 136 InsO.)
§§ 130
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--
5
Wirkung der außerordentlichen Kündigung durch den Darlehensgeber:
Der insolvente Darlehensnehmer verliert seinen Anspruch aus § 488 Abs. 1
Satz 1 BGB auf Auszahlung des Darlehensbetrags
--
Schmälerung des Vermögens (des Darlehensnehmers), wenn der Nutzen,
den das Darlehen stiftet, die Kosten übersteigt, die eine vollständige
Befriedigung des Zinsanspruchs des Darlehensgebers bereitet.
wenn mithin: Vertragszinssatz < Marktzinssatz
bb)
Geltungsbereich des Anfechtungsrechts
--
Zurechnungsproblem:
Die vertragliche Kündigungsklausel ist für den
Verlust des Auszahlungsanspruchs des Darlehensnehmers nur dann
verantwortlich, wenn der Darlehensvertrag auch ohne diese Klausel
abgeschlossen worden wäre.
siehe Vorlesungs-Übersicht zu „Insolvenzbezogenen Lösungsklauseln“
--
maßgeblich: Bedeutung, die die insolvenzbezogene Kündigungsregelung
innerhalb des Vertragsverhältnisses besitzt.
kein
wesentliches
Gestaltungsinteresse
(sondern
lediglich
untergeordnetes): nur dann lässt sich der Verlust des Vertragsanspruchs
der Kündigungsklausel zurechnen;
nur dann ist der Anwendungsbereich des Anfechtungsrechts eröffnet.
wesentliches Gestaltungsinteresse: keine Verantwortlichkeit der Klausel
für die Verlust des Vertragsanspruchs; die Kündigungsregelung liegt dann
außerhalb des Anfechtungsrechts.
--
Maßstab
für
Wesentlichkeit:
Auswirkung
der
Insolvenz
Darlehensnehmers auf das Ausfallrisiko des Darlehensgebers
nicht wesentlich: wenn keine Erhöhung des Ausfallrisikos
wesentlich: wenn Erhöhung des Ausfallrisikos
des
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
--
vor Valutierung:
6
Die Insolvenz des Darlehensnehmers bewirkt nicht
zwingend eine Erhöhung des Ausfallrisikos.
denn: Trotz der Insolvenz kann es sich wirtschaftlich lohnen, dass der
Darlehensnehmer (oder seine Insolvenzverwaltung) die geschuldete
Leistung vollständig erbringt oder hierfür Sicherheit leistet (um die noch
ausstehende Auszahlung des Darlehens zu erreichen). Dann hätte sich das
Ausfallrisiko des Darlehensgebers nicht erhöht;
die insolvenzbezogene
Beendigungsklausel läge im Geltungsbereich des Anfechtungsrechts.
--
Folge:
Damit
das
insolvenzbezogene
Kündigungsrecht
des
Darlehensgebers in diesen Fällen (d.h. in denen eine vollständige Erfüllung
nicht ausgeschlossen ist) der Anfechtbarkeit entzogen ist, muss es eine
weitere Voraussetzung aufnehmen: Es muss voraussetzen, dass zunächst
ausgelotet wird, wie sich die Insolvenz auf das Ausfallrisiko auswirkt.
--
Mittel zur Auslotung: Hierzu muss der insolventen Vertragspartei (dem
Darlehensnehmer bzw. seiner Insolvenzverwaltung) vor der Kündigung
Gelegenheit gegeben werden, die geschuldete Leistung (vollständig) zu
erbringen bzw. (vor Fälligkeit) Sicherheit zu leisten (Modell des § 321 BGB).
Insolvenzverfahren:
Im Hinblick auf Insolvenzverfahren muss das
Kündigungsrecht so gestaltet sein oder ausgelegt werden, dass der
Darlehensgeber
erst
dann
fristlos
kündigen
darf,
wenn
die
Insolvenzverwaltung es ablehnt, den Auszahlungsanspruch geltend zu
machen und hierzu die Verpflichtungen zur Rückzahlung und zur
Zinszahlung vollständig aus dem Insolvenzvermögen zu erfüllen. (Die
Insolvenzverwaltung muss mithin Gelegenheit erhalten, den Anspruch auf
Auszahlung des Darlehens geltend zu machen und hierzu dem Anspruch
des Darlehensgebers auf Rückzahlung und Zinszahlung den Rang einer
Masseforderung (nach § 55 Abs. 1 Ziff. 2 Alt. 1 InsO) einzuräumen.)
Nur unter dieser Voraussetzung befindet sich die Einwilligung des
Darlehensnehmers
in
das
insolvenzbezogene
Kündigungsrecht
Darlehensgebers außerhalb der Reichweite des Anfechtungsrechts.
des
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
--
anfechtungsrechtskonforme
vertraglichen
Auslegung
Kündigungsrechten,
von
die
–
7
Vertragsklauseln:
bei
Bei
Insolvenz
des
Darlehensnehmers vor Valutierung – die Auslotung des Ausfallrisikos
nicht ausdrücklich voraussetzen, ist eine ergänzende Vertragsauslegung in
Betracht zu ziehen, da die Parteien die Grenzen des Anfechtungsrechts im
Zweifel nicht überschreiten wollten.
cc)
Beispiel: Ziff. 19 Abs. 3 AGB-Banken (2014)
--
dort zwei Voraussetzungen:
--
wesentliche
Verschlechterung
der
Vermögenslage
des
Darlehensnehmers
--
Diese
Verschlechterung
muss
den
Zinsanspruch
oder
die
Rückzahlung des Darlehens gefährden.
--
Auslegung im Licht des Anfechtungsrechts:
Für eine fristlose Kündigung vor Valutierung lässt sich die Regelung so
auslegen, dass sie vom Geltungsbereich des Anfechtungsrechts nicht
erfasst wird.
Die in der Klausel vorausgesetzte Gefährdung ist
ausgeschlossen, wenn es sich für den Darlehensnehmer bzw. dessen
Insolvenzverwaltung
wirtschaftlich
lohnt,
die
Ansprüche
des
Darlehensgebers vollständig zu erfüllen oder entsprechende Sicherheit zu
leisten (um dadurch den eigenen Anspruch auf Auszahlung des
Darlehensbetrags geltend machen zu können). Zwar legt die Klausel nicht
dar, wie die Gefährdung festzustellen ist. Aber: Auslegung der Klausel im
Einklang mit dem Anfechtungsrecht: Danach hat der Darlehensgeber (bei
noch
nicht
erfolgter
Valutierung)
vor
der
Ausübung
dieses
Kündigungsrechts auszuloten, ob seine Ansprüche tatsächlich gefährdet
sind.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
c)
Gesetzliches
Recht
des
Darlehensgebers
zur
8
außerordentlichen,
fristlosen Kündigung (§ 490 Abs. 1 BGB)
--
gesetzliche Kündigungsrecht des § 490 Abs. 1 BGB
--
zwei Voraussetzungen:
wesentliche Vermögensverschlechterung des
Darlehensnehmers sowie Gefährdung des Anspruchs des Darlehensgebers
auf Rückzahlung des Darlehensbetrags
--
„Gefährdung“:
Wann
die
Insolvenz
des
Darlehensnehmers
die
Rückzahlung „gefährdet“, beantwortet sich nach denselben Kriterien, die
bei vertraglichen (insolvenzbezogenen) Kündigungsregelungen für deren
Anfechtbarkeit maßgeblich sind. Vor Auszahlung des Darlehensbetrags
sind
Vermögensverschlechterung
einer
und
Insolvenz
Gefährdung
der
noch
Ansprüche
nicht
gleichbedeutend
mit
des
Darlehensgebers.
Vielmehr ist (in diesem Erfüllungsstadium) denkbar,
dass es sich für den Darlehensnehmer oder seine Insolvenzverwaltung
wirtschaftlich lohnt, den Zahlungspflichten vollständig nachzukommen
und hierfür Sicherheit zu leisten (§ 232 BGB), um so die Auszahlung des
Darlehens zu erreichen.
Mithin: Bei noch nicht valutiertem Darlehen ist daher zu verlangen, dass
die Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgebers vor
Ausübung des Kündigungsrechts ausgelotet wird.
Mittel: Fristsetzung und Abwarten dieser Frist; im Insolvenzverfahren:
Abwarten der Verwertungsentscheidung der Insolvenzverwaltung des
Darlehensnehmers
--
Diese
Auslegung
sorgt
zugleich
dafür,
dass
das
gesetzliche
Kündigungsrecht des § 490 Abs. 1 BGB im Einklang mit dem
Anfechtungsrecht
steht,
welches
insolvenzbezogenen
Kündigungsregelungen Schranken zieht.
vertraglichen
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
2.
Verwertung des Insolvenzvermögens:
9
Die vertraglichen Rechte des
insolventen Darlehensnehmers (vor Valutierung)
--
Gegenstand der Verwertungsentscheidung: die Ansprüche oder sonstigen
Rechte
verwertet,
die
dem
Darlehensnehmer
aufgrund
des
Darlehensvertrags zustehen.
--
Recht aus dem Darlehensvertrag, welches der Darlehensnehmer vor
Valutierung besitzt:
Anspruch des Darlehensnehmers auf Zahlung der
Darlehenssumme (§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB)
--
Kriterium für die Entscheidung über die Verwertung dieses vertraglichen
Anspruchs: Vergleich zwischen Aufwand und Ertrag
--
Kosten = Aufwand, der für ein erfolgreiches Geltendmachen des
Auszahlungsanspruchs aus dem Insolvenzvermögen zu bestreiten ist
Soll der Anspruch mit Erfolg geltend gemacht werden, müssen die
Einreden des Darlehensgebers überwunden werden. Der Darlehensgeber
kann die Auszahlung verweigern, wenn die Befriedigung seiner
Ansprüche auf Rückzahlung und Zahlung der Zinsen gefährdet ist. Diese
Einrede ergibt sich aus § 321 BGB.2
Um sie im Insolvenzverfahren
auszuräumen, ist erforderlich, dass die Insolvenzverwaltung die fälligen
Ansprüche des Darlehensgebers erfüllt und für die noch nicht fälligen
Ansprüche Sicherheit leistet. Die Kosten der Geltendmachung liegen somit
darin,
die
Ansprüche
des
Darlehensgebers
vollständig
aus
dem
Insolvenzvermögen zu befriedigen.
--
Nutzen (Ertrag):
Dieser Nutzen liegt darin, den Darlehensbetrag zu
erhalten und mit ihm wirtschaften zu können; gemessen wird er durch den
Zinssatz, der für die entsprechende Laufzeit am Markt besteht (Marktzins).
2
Obwohl in § 490 Abs. 3 BGB nicht erwähnt, ist die Unsicherheitseinrede des § 321 BGB
auf Darlehensverträge (vor Valutierung) anwendbar. Hierzu Münchener Kommentar
zum BGB (B e r g e r ), 6. Aufl., Band 3, 2012, § 490 Rn. 73.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
10
--
Maßstab mithin: Verhältnis zwischen Vertragszins und Marktzins
--
Geltendmachungsentscheidung: wenn der Nutzen die Kosten übersteigt;
d.h. wenn der Vertragszins niedriger ist als der Marktzins. Anderenfalls:
Nichtgeltendmachungsentscheidung
3.
Verteilung des Insolvenzvermögens: Die Befriedigung der vertraglichen
Ansprüche des Darlehensgebers (vor Valutierung)
--
Frage: Wie werden die Ansprüche befriedigt, die dem Darlehensgeber
gegen den Darlehensnehmer zustehen?
--
vor
Valutierung:
Für
die
Verteilungsfrage
ist
die
Verwertungsentscheidung der Insolvenzverwaltung maßgebend.
--
Diese Entscheidung bezieht sich auf den Anspruch des insolventen
Darlehensnehmers auf Auszahlung des Darlehensbetrags (§ 488 Abs. 1 Satz
1 BGB).
a)
Verteilung nach Geltendmachungsentscheidung
--
Macht
die
Insolvenzverwaltung
den
Auszahlungsanspruch
des
Darlehensnehmers geltend: Die Ansprüche des Darlehensgebers aus dem
Darlehensvertrag erhalten den Rang von Masseforderungen (§ 55 Abs. 1
Ziff. 2 Alt. 1 InsO).
--
Diese Befriedigung gilt für: den Zinsanspruch, den Rückzahlungsanspruch
sowie,
falls
vereinbart,
den
Anspruch
auf
Bestellung
von
Sicherungsrechten.
b)
Verteilung nach Nichtgeltendmachungsentscheidung
--
Entscheidet die Insolvenzverwaltung, den Auszahlungsanspruch des
Darlehensnehmers nicht geltend zu machen:
Darlehensgebers werden nicht vollständig befriedigt.
Die Ansprüche des
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--
11
Frage: welche Ansprüche der Darlehensgeber überhaupt hat;
Antwort: abhängig davon, ob der Darlehensgeber das außerordentliche
Kündigungsrecht ausübt, das ihm vertraglich oder gesetzlich (§ 490 Abs. 1
BGB)
bei
Insolvenz
des
Darlehensnehmers
(nach
erfolgter
Nichtgeltendmachungsentscheidung) zusteht
aa)
Keine außerordentliche Kündigung des Darlehensgebers
--
Darlehensgeber kündigt nicht.
Darlehensgeber
Somit:
vor Valutierung gegen
Die Ansprüche, die der
den
Darlehensnehmer
hat
(insbesondere der Zinsanspruch), bestehen fort.
--
Befriedigung
dieser
Ansprüche:
Es
gilt
das
allgemeine
Insolvenzvertragsrecht.
--
mithin: Befriedigung in zwei Schritten
--
Schritt 1:
Verrechnung der Werte der beiderseits noch ausstehenden
Ansprüche aus dem Vertrag
Die Ansprüche des Darlehensgebers werden aus dem Wert des
Auszahlungsanspruchs des Darlehensnehmers befriedigt. Hierzu werden
die
Ansprüche
des
Darlehensgebers
gegen
die
des
insolventen
Darlehensnehmers wertmäßig verrechnet (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO).
Auf der Seite des Darlehensgebers: Zinsanspruch (für die vorgesehene
Laufzeit des Vertrags) bzw. auf das Nichtabnahmeentgelt sowie der
Anspruch auf Rückerstattung des Darlehensbetrags
Auf der Seite des Darlehensnehmers:
dessen Auszahlungsanspruch
einzustellen. Der (Markt-) Wert dieses Auszahlungsanspruchs (bis zum
Rückzahlungstermin) bemisst sich nach dem Marktzins.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
12
Verrechnung mithin: Vertragszins gegen Marktzins.3
Rest
aus
dieser
Darlehensgebers.
Verrechnung:
eine
Differenz
zugunsten
des
Sie liegt in dem Betrag, um den die vertraglich
vereinbarte Verzinsung den Marktzins übersteigt (jeweils bezogen auf die
vorgesehene Laufzeit).
--
Schritt 2: Befriedigung der Differenzforderung, die aus der Verrechnung
für den Darlehensgeber verbleibt:
nicht:
(vollrangige)
Insolvenzforderung
(und
Befriedigung
mit
Insolvenzquote) (so das allgemeine Insolvenzvertragsrecht nach § 103 Abs.
2 Satz 1 InsO)
sondern: nachrangige Insolvenzforderung nach der speziellen Regelung
des § 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO
mithin: Zur Befriedigung der Differenzforderung wird folglich erst dann
etwas (aus dem Insolvenzvermögen) ausgeschüttet, wenn zuvor sämtliche
vollrangigen Insolvenzforderungen vollständig befriedigt werden konnten.
Das wird allenfalls selten eintreten.
Kritik:
Anordnung des Nachrangs ist rational nicht zu erklären;
möglicherweise Fortwirkung religiöser Zinsverbote.
bb)
Außerordentliche Kündigung des Darlehensgebers
--
Darlehensgeber kündigt. Somit: Der Zinsanspruch des Darlehensgebers
endet.
(Ausnahme: anderweitige Vereinbarung im Darlehensvertrag)
3
Zu erwägen wäre, ob der gesetzliche Nachrang von Zinsansprüchen (§ 39 Abs. 1 Ziff. 1
InsO) nicht der Verrechnung entgegensteht. Wahrscheinliche Antwort: nein. Soweit
der Zinsanspruch des Darlehensgebers durch den Wert des Gegenanspruchs des
insolventen Darlehensnehmers gesichert ist (was sich dann in der Verrechnung
niederschlägt), findet § 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO keine Anwendung.
Zinsanspruch keine „Insolvenzforderung“.
Insoweit ist der
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
--
13
In diesem Erfüllungsstadium (vor Valutierung) empfiehlt es sich für den
Darlehensgeber mithin nicht, sein Kündigungsrecht (aus § 490 Abs. 1 BGB)
auszuüben. Er steht besser, wenn er nicht kündigt.
4.
Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensnehmers: Darlehensvertrag vor
Valutierung
Fällt der Darlehensnehmer noch vor Auszahlung des Darlehensbetrags in
Insolvenz, lässt sich die Rechtslage wie folgt zusammenfassen:
(1)
Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses:
Ansatz:
Fällt
der
Darlehensnehmer
in
Insolvenz,
besitzt
der
Darlehensgeber ein vertragliches oder gesetzliches Recht zur fristlosen
Kündigung des Darlehensverhältnisses (etwa aus Ziff. 19 Abs. 3 AGBBanken oder § 490 Abs. 1 BGB). Dieses Kündigungsrecht unterliegt jedoch
Einschränkungen, die sich aus dem Anfechtungsrecht ergeben. Wegen der
Nachteile, zu denen die fristlose Kündigung des Darlehensverhältnisses für
die
Gläubiger
des
insolvenzbezogene
Darlehensnehmers
vertragliche
führen
kann,
können
Kündigungsregelungen
als
Schuldnerfehlverhalten anfechtbar sein.
vor Valutierung: Um die Anfechtbarkeit zu vermeiden, hat die vertragliche
Regelung für die vorzeitige Beendigung vor Valutierung das Abwarten der
Verwertungsentscheidung der Insolvenzverwaltung vorzusehen.
Mit
diesem Inhalt ist auch das gesetzliche Kündigungsrecht (§ 490 Abs. 1 BGB)
auszulegen.
(2)
Verwertung:
Vor Valutierung fällt der Insolvenzverwaltung die Aufgabe zu, über die
Verwertung
der
Ansprüche
des
Darlehensnehmers
aus
dem
Darlehensvertrag zu entscheiden. Diese Entscheidung betrifft die Frage, ob
der
Anspruch
des
Darlehensnehmers
auf
Auszahlung
des
Darlehensbetrags geltend gemacht werden soll oder nicht. Die Antwort
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
14
lautet ja, wenn der Vertragszinssatz niedriger ist als der Marktzinssatz. Im
umgekehrten Fall lautet sie nein.
(3)
Verteilung:
War das Darlehen bei Insolvenzeröffnung noch nicht ausgezahlt (d.h. vor
Valutierung), hängt die Befriedigung der Ansprüche des Darlehensgebers
von der Verwertungsentscheidung ab.
Bei Geltendmachung (des Auszahlungsanspruchs des Darlehensnehmers)
werden die Ansprüche des Darlehensgebers (auf Rückzahlung und Zinsen)
als Masseforderungen befriedigt (§ 55 Abs. 1 Ziff. 2 Alt. 1 InsO).
Lautet die Entscheidung dagegen, nicht geltend zu machen, wird der
Zinsanspruch des Darlehensgebers aus dem Wert des Anspruchs des
Darlehensnehmers (soweit dieser Wert reicht) befriedigt (§ 103 Abs. 2 Satz
1 InsO).
In der Höhe, in der der Zinsanspruch diese Verrechnung
übersteigt, wird er nur nachrangig berücksichtigt (§ 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO).
Eine
außerordentliche
Kündigung
wäre
(nach
der
Verwaltungsentscheidung, nicht geltend zu machen) zwar möglich, für den
Darlehensgeber wirtschaftlich aber nicht sinnvoll.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
II.
15
Nach Valutierung (= valutiertes Darlehen)
in diesem Abschnitt (II) betrachtetes Erfüllungsstadium: nach Valutierung
Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (oder bei Eintritt des sonstigen
Insolvenzereignisses) hatte der Darlehensgeber den Darlehensbetrag
bereits an den Darlehensnehmer gezahlt.
1.
Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (nach Valutierung)
--
Vorzeitige Beendigung:
Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Darlehensverhältnis
ohne
Mitwirkung
der
Insolvenzverwaltung
des
Darlehensnehmers
vorzeitig endet oder (vom Darlehensgeber) vorzeitig beendet werden kann.
--
vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses:
Wirkung in diesem
Erfüllungsstadium: Der Anspruch des Darlehensgebers auf Rückzahlung
wird vorzeitig fällig.
--
zwei
Mittel
zur
vorzeitigen
Beendigung:
§ 41
InsO
und
das
Anspruchs
des
außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensgebers
a)
Sofortige Fälligkeit gemäß § 41 InsO
--
Inhalt
des
§ 41
InsO:
sofortige
Fälligkeit
des
Darlehensgebers auf Zahlung des Rückzahlungsbetrags
--
Zweck des § 41 InsO:
Verhinderung sehr langer Dauern von
Insolvenzverfahren
Das
Insolvenzverfahren
dient
dazu,
diejenigen
Forderungen
zu
befriedigen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet
waren (§ 38 InsO). Dazu gehören die noch nicht fälligen Forderungen;
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
16
auch sie waren bei Verfahrenseröffnung begründet. Um den Fälligkeiten
des materiellen Rechts Rechnung zu tragen, dürfte auf diese Forderungen
erst dann etwas (zu ihrer Befriedigung) verteilt werden, wenn die Fälligkeit
eintritt. Das Insolvenzverfahren müsste so lange andauern, bis die letzte
Forderung gegen den Insolvenzschuldner fällig wird. Das hätte u.U.
extrem lange Verfahrensdauern zur Folge. Um dies zu vermeiden und die
Dauer des Insolvenzverfahrens an den zu lösenden Verwertungsfragen
und nicht an den Fälligkeiten der Insolvenzforderungen auszurichten, ist es
sinnvoll, die noch nicht fälligen Forderungen mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens fällig zu stellen.
Nur dadurch können sie an
Verteilungen, die im Insolvenzverfahren vorgenommen werden, teilhaben.
--
Beschränkungen der Reichweite der sofortigen Fälligkeit gemäß § 41 InsO
zum einen nicht erfasst: das Verhältnis zu dritten Personen (wie etwa
Bürgen)
zum anderen nicht erfasst: Aufrechnung: Die Fälligkeit, die gemäß § 41
InsO eintritt, reicht nicht aus, die Aufrechenbarkeit der (anderenfalls noch
nicht fälligen) Forderung zu begründen. Im Rahmen des § 387 BGB gilt die
Forderung weiterhin als nicht fällig und kann daher vom Gläubiger nicht
zur Aufrechnung (gegen eine Forderung des Insolvenzschuldners)
verwendet werden (§ 95 Abs. 1 Satz 2 InsO).
Kritik:
Für diese beiden Einschränkungen fehlen plausible Gründe;
rechtspolitisch sollte man sie überdenken.
--
Abzinsung
Abzinsungsregelung in § 41 InsO, die jedoch unvollständig ist:
Forderungen, die unverzinslich sind, werden (mit dem gesetzlichen
Zinssatz) abgezinst (§ 41 Abs. 2 InsO).
Damit wird die Werterhöhung
abgeschöpft, die die Forderung dadurch erfährt, dass sie nicht erst zur
vereinbarten Fälligkeit, sondern bereits jetzt erfüllt werden muss.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
17
Wird die Fälligkeit einer Forderung vorgezogen, erhöht sich der Wert
dieser Forderung. Ein Geldbetrag, der heute gezahlt wird, ist mehr wert
als derselbe Betrag, der später gezahlt wird. Die Wertdifferenz ergibt sich
aus dem Zins, der für den Geldbetrag üblicherweise gezahlt wird. Will
man verhindern, dass das Vorziehen der Fälligkeit diese Werterhöhung
auslöst und die Belastung des Zahlungsschuldners damit erhöht, muss
man die Forderung abzinsen. Dem trägt der § 41 Abs. 2 InsO (zum Teil)
Rechnung.
(Kritik: nicht der gesetzliche Zinssatz, § 246 BGB, § 352 HGB, sondern der
Marktzins sollte die Abzinsung steuern; nur er spiegelt die Werterhöhung
wider, die durch das Vorziehen der Fälligkeit eintritt, und führt zu dem
genauen Gegenwartswert der Forderung.
Für verzinsliche Forderungen sieht § 41 Abs. 2 InsO keine Abzinsung vor.
Kritik: Dieser Darlehensgeber erhält dadurch einen Vorteil, für den es
keine sachliche Rechtfertigung gibt.
--
Caveat:
Hier wurde die Anwendbarkeit des § 41 InsO unterstellt (was der h.M.
entspricht).
Das müsste möglicherweise hinterfragt werden.
Ein
Ansatzpunkt wäre, dass man auch nach Valutierung den § 103 InsO für
anwendbar hielte; dann käme § 41 InsO nicht zur Anwendung.4
b)
Vertragliches
Recht
des
Darlehensgebers
zur
außerordentlichen,
fristlosen Kündigung
--
viele Darlehensverträge: Klausel, die den Darlehensgeber bei Insolvenz
des Darlehensnehmers zur außerordentlichen fristlosen Kündigung
berechtigt
(Bsp.: Ziff. 19 Abs. 3 AGB-Banken 2014)
4
So die Argumentation von Kübler / Prütting / Bork (Tintelnot), InsO, Stand 2013, § 103
Rn. 87.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
--
18
Ausübung im Insolvenzverfahren: Da es sich bei Kündigungsrechten um
Gestaltungsrechte und nicht um Forderungen handelt, können sie auch
während des Insolvenzverfahrens gegen den Darlehensnehmer ausgeübt
werden.
--
Funktion der Kündigung neben § 41 InsO: ungeklärt; möglicherweise:
Überwindung der materiellrechtlichen Beschränkungen, die für die
sofortige Fälligkeit nach § 41 InsO gelten
c)
Einwirkung des Anfechtungsrechts: Grundsätze
---
Wirksamkeit solcher Klauseln: (m.E.) kein Problem
--
aber Problem: Anfechtbarkeit
-
zu prüfen: Anfechtung wegen Schuldnerfehlverhaltens (etwa nach § 133
InsO)
aa)
Auswirkungen auf die Befriedigung der Gläubiger:
--
Nachteil, den die außerordentliche Kündigung nach Valutierung des
Darlehens dem Vermögen des Darlehensnehmers und somit (bei Insolvenz
des Darlehensnehmers) dessen Gläubigern zufügt:
nicht (wie vor Valutierung): Verlust eines Vermögensgegenstands
sondern: Erhöhung der Verbindlichkeit des Darlehensnehmers: Indem die
Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung vorgezogen wird, erhöht sich der
(Zeit-) Wert dieser Verpflichtung.
--
Der (sofort fällige) Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers hat einen
Zeitwert, der um den Marktzins und die Laufzeit höher ist als der Wert,
den der Rückzahlungsanspruch im (späteren) Zeitpunkt der ordentlichen
Beendigung des Darlehensverhältnisses hätte.
Bsp.: Sind z.B. 100.000 € nach Ablauf der Darlehenszeit von zehn Jahren
zurückzuzahlen, steigert sich der Wert dieser Verbindlichkeit, wenn sie
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
19
sofort fällig ist, auf 160.000 € (bei einem unterstellten Marktzins für
zehnjährige
Darlehen
von
6%
p.a.,
ohne
Berücksichtigung
von
Zinseszinsen).
--
Der Nachteil, den die Gläubiger des Darlehensnehmers durch das
Vorziehen der Fälligkeit erleiden, bestimmt sich mithin nach dem
Marktzins.
Dieser
zeigt
an,
welche
Werterhöhung
die
Rückzahlungsforderung des Darlehensgebers erfährt, wenn sie heute und
nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen ist.
--
Das gilt grundsätzlich auch beim verzinslichen Darlehen.
Allerdings:
Abzug der Vertragszinsen, die zu zahlen der Darlehensnehmer aufgrund
der vorzeitigen Kündigung des Darlehensgebers erspart.
--
Wirkung der Werterhöhung: Verringerung der Insolvenzquote; dadurch
Nachteil
für
Werterhöhung
sämtliche
kann
Gläubiger
daher
einer
des
Darlehensnehmers;
Anfechtung
(der
die
vertraglichen
Kündigungsregelung) wegen Schuldnerfehlverhaltens zugrunde liegen.
bb)
Geltungsbereich des Anfechtungsrechts
Die Kündigungsregelung ist in zwei Teile zu zerlegen.
--
Kündigungsrecht des Darlehensgebers:
außerhalb des Geltungsanspruchs des Anfechtungsrechts;
außerordentliches Kündigungsrecht nach Valutierung: von wesentlichem
Gestaltungsinteresse der Vertragsparteien getragen
Nach Valutierung sind Vermögensverschlechterung und Risikoerhöhung
parallel geschaltet: Mit der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse
des Darlehensnehmers geht immer eine Erhöhung des Ausfallrisikos des
(ungesicherten) Darlehensgebers einher.
Hat der Darlehensnehmer den Darlehensbetrag bereits erhalten, kann es
sich für ihn wirtschaftlich nicht lohnen, seine Leistung (also Zins und
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
Tilgung)
noch
vollständig
Vermögensgegenstand,
den
zu
erbringen.
der
Es
Darlehensnehmer
gibt
20
keinen
aufgrund
des
Vertragsverhältnisses noch erlangen könnte, indem er selbst (bzw. seine
Insolvenzverwaltung) vollständig leistet.
--
Abrede, den Darlehensbetrag auch bei vorzeitiger Kündigung zum
Nennbetrag,
d.h.
ohne
Abzinsung
auf
den
Gegenwartswert,
zurückzuzahlen.
innerhalb
des
Geltungsanspruchs
des
Anfechtungsrechts
(Zweig
Schuldnerfehlverhalten)
Den Zeitwert einer Zahlungsverpflichtung unberücksichtigt zu lassen,
nimmt kein wesentliches Gestaltungsinteresse der Vertragsparteien wahr.
Der kündigungsberechtigte Vertragspartner erlangt einen Vorteil, der
durch
die
mit
der
Vermögensverschlechterung
einhergehende
Risikoerhöhung nicht begründet wird. Diese stützt die Beendigung des
Vertragsverhältnisses, nicht jedoch eine Erhöhung der Schuld des
Schuldners.
cc)
Grundsätzliches Ergebnis
Wollen
die
Parteien
des
Darlehensvertrags
die
insolvenzbezogene
Kündigungsregelung außerhalb der Reichweite des Anfechtungsrechts halten,
müssen
sie
sicherstellen,
dass
die
vorzeitige
Fälligkeit
des
Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgebers die Befriedigung der Gläubiger
des Darlehensnehmers nicht verschlechtert. Das Vorziehen der Fälligkeit darf
die Verbindlichkeiten des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag nicht
erhöhen.
Hierzu
hat
die
Kündigungsklausel
eine
Abzinsung
der
Rückzahlungsverpflichtung vorzusehen.
d)
Ausnahme durch § 41 InsO für verzinsliche Darlehen
--
Die genannten Grundsätze kommen nur bei unverzinslichen Darlehen
zum Tragen.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
--
21
Für verzinsliche Darlehen erzwingt das geltende Recht eine Ausnahme.
Bei ihnen darf die Werterhöhung, die sich aus dem Fehlen einer Abzinsung
auf den Gegenwartswert ergibt, bei der Frage, ob hierin ein Nachteil für die
Gläubiger des Darlehensnehmers liegt, nicht berücksichtigt werden. Das
ergibt sich aus § 41 Abs. 2 InsO.
Enthielte der Darlehensvertrag kein außerordentliches, insolvenzbezogenes
Kündigungsrecht
oder
würde
dieses
vor
Eröffnung
des
Insolvenzverfahrens nicht ausgeübt, bliebe es bei derjenigen sofortigen
Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs, die das Gesetz (§ 41 InsO) für den
Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung anordnet. Diese gesetzliche Regelung
sieht eine Abzinsung nur für das unverzinsliche, nicht jedoch für das
verzinsliche Darlehen vor (§ 41 Abs. 2 InsO).
Der Anspruch auf Rückzahlung eines verzinslichen Darlehens wird also
zum
Nennwert
Gegenwartswert).
berücksichtigt
(und
nicht
zu
dem
niedrigeren
Dadurch entsteht bereits kraft Gesetzes (d.h. ohne
vertragliche Vereinbarung eines insolvenzbezogenen Kündigungsrechts)
eine höhere Gesamtverbindlichkeit des Darlehensnehmers mit der Folge,
dass
sich
die
Insolvenzquote
(und
damit
die
Befriedigung
der
Insolvenzgläubiger) vermindert.
mithin: keine Anfechtbarkeit von vertraglichen Kündigungsregelungen,
die bei verzinslichen Darlehen (ebenso wie das Gesetz) keine Abzinsung
auf den Gegenwartswert vorsehen
e)
Ziff. 19 Abs. 3 AGB-Banken (2014)
--
Text:
„Eine fristlose Kündigung . . . ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund
vorliegt, der der Bank [die] Fortsetzung [der Geschäftsbeziehung]
unzumutbar werden lässt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor,
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
22
wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des
Kunden . . . eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung
des Darlehens . . . gefährdet ist.“
--
Für
Kündigungen
nach
Valutierung
ist
diese
Klausel
keiner
anfechtungsrechtskonformen Auslegung zugänglich.
--
Führt eine solche Kündigung zu einem Nachteil für die Gläubiger des
Darlehensnehmers (weil die vorzeitige Fälligkeit den Zeitwert der
Rückzahlungsverpflichtung erhöht), fällt die Ziff. 19 Abs. 3 AGB-Banken in
den
Anwendungsbereich
des
Rechts
der
Anfechtung
wegen
Schuldnerfehlverhaltens.
--
Innerhalb von zehn Jahren kann sie nach § 133 Abs. 1 InsO angefochten
werden.
--
Wegen § 41 Abs. 2 InsO gilt dies jedoch nur für unverzinsliche Darlehen.
f)
Gesetzliches
Recht
des
Darlehensgebers
zur
außerordentlichen,
fristlosen Kündigung (§ 490 Abs. 1 BGB)
--
gesetzliches außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers:
§ 490 Abs. 1 BGB
--
nach Valutierung: Kündigungsrecht nicht „stets“, sondern nur „in der
Regel“
--
Auslegung dieser Einschränkung: Es empfiehlt sich eine Auslegung im
Einklang mit dem Anfechtungsrecht. Danach ist zu verlangen, dass der
vorzeitig zurückzuzahlende Darlehensbetrag auf den Gegenwartswert (d.h.
zum Marktzins) abgezinst wird. Wegen der (verfehlten) Beschränkung des
§ 41 Abs. 2 Satz 1 InsO auf unverzinsliche Forderungen, gilt dies jedoch nur
für unverzinsliche Darlehen.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
2.
Verwertung:
Die
vertraglichen
Rechte
des
23
insolventen
Darlehensnehmers (nach Valutierung)
--
Gegenstand der Verwertungsentscheidung: die Ansprüche oder sonstigen
Rechte, die dem Darlehensnehmer aufgrund des Darlehensvertrags
zustehen.
--
welche
Ansprüche
der
Darlehensnehmer
hat:
abhängig
vom
Erfüllungsstadium des Darlehensverhältnisses im Zeitpunkt der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens
--
hier (in diesem Abschnitt) betrachtet:
nach Valutierung
(d.h. nach
Auszahlung des Darlehensbetrags an den Darlehensnehmer)
--
andere Entscheidungssituation als vor Valutierung
--
nach
Valutierung:
Es
gibt
keinen
Vermögensgegenstand
(des
Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag), über dessen Verwertung zu
entscheiden wäre.
Der Auszahlungsanspruch besteht nicht mehr.
Das Recht, das der Darlehensnehmer an dem Darlehensbetrag erlangt hat
(Eigentum oder Inhaberschaft), wird von einer vorzeitigen Fälligkeit des
Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgebers (sei es nach § 41 InsO, sei es
aufgrund einer außerordentlichen Kündigung des Darlehensgebers) nicht
berührt.
Anders als beim Mietvertrag verändert die vorzeitige Beendigung des
Darlehensvertrags nicht das Vermögen des Schuldners, sondern kann sich
– bei fehlender Abzinsung – als eine Erhöhung der Verbindlichkeiten des
Schuldners auswirken.
Wie hierauf zu reagieren ist, beantwortet das
Anfechtungsrecht (und nicht das Recht der Insolvenzverwertung).
--
Sonderproblem: sog. „Belassungsanspruch“:
zivilrechtlich: Kritik am sog. „Belassungsanspruch“: Diese Konstruktion
hat keine Funktion.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
24
Der „Belassungsanspruch“ ist nur eine andere Bezeichnung für die Einrede
der mangelnden Fälligkeit.
Diese Einrede erhält einen anderen
sprachlichen Ausdruck: Der Darlehensnehmer beruft sich darauf, dass er
die Mittel, die zur Erbringung seiner Leistung, der Rückzahlung,
erforderlich sind, nicht bereits jetzt, sondern erst später aufbringen muss
und ihm diese Mittel so lange zu „belassen“ seien. Statt von mangelnder
Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs spricht man von der noch nicht
vollständig erfüllten „Belassungspflicht“ des Darlehensgebers.
insolvenzrechtlich:
Selbst wenn man einen „Belassungsanspruch“ des Darlehensnehmers
annähme, stellte dieser Anspruch keinen Vermögensgegenstand dar. Die
Bezeichnung als „Anspruch“ ändert nichts an dem Inhalt des Rechts, das
dem
Darlehensnehmer
nach
Valutierung
zusteht:
Der
sog.
„Belassungsanspruch“ besagt, dass der Darlehensnehmer vor Fälligkeit
berechtigt ist, die Zahlung der Rückzahlungssumme zu verweigern. Beruft
sich der Darlehensnehmer auf den „Belassungsanspruch“, macht er die
Einrede der mangelnden Fälligkeit geltend. Eine Einrede ist jedoch kein
Vermögensgegenstand.
Über sie kann keine Verwertungsentscheidung
getroffen werden.
--
Ergebnis: Nach Valutierung stellt sich keine Verwertungsfrage.
Hinweis zum Sprachgebrauch:
Verschiedentlich wird diese Rechtslage
dahin ausgedrückt, dass beim valutierten Darlehen der § 103 InsO nicht
länger „angewendet“ werden könne.5 Wenn man sich klar macht, was
5
Siehe BGH, 5.10.1989, WM 1990, 54 (56); Frankfurter Kommentar zur InsO (Weg ener),
7. Aufl. 2013, § 103 Rn. 13; Münchener Kommentar zur InsO (Huber), 3. Aufl., Band 2,
2013, § 103 Rn. 69; Nerlich / Römermann (Balth asar), Insolvenzordnung, Stand 2013,
§ 103 Rn. 12; Jaeg er (Henc kel), Konkursordnung, 9. Aufl. 1997, § 17 Rn. 12. – Anderer
Meinung z.B.: Staud inger (Freitag / Mülbert), BGB, Bearbeitung 2011, § 488 Rn. 277;
Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung (Marotzke), 6. Aufl. 2011, § 103 Rn. 7;
Kübler / Prütting / Bork (Tintelnot), InsO, Stand 2013, § 103 Rn. 87:
Auszahlung des Darlehensbetrags bleibe § 103 InsO „anwendbar“.
Auch nach
Dabei wird
allerdings nicht deutlich, welche Verwertungsentscheidung die Insolvenzverwaltung
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
25
damit gemeint ist (nämlich: dass beim Darlehensvertrag nach Valutierung
keine Verwertungsentscheidung zu treffen ist), mag man diese (wenig
gehaltvolle) Formulierung verwenden.
3.
Verteilung:
Die Befriedigung der vertraglichen Ansprüche des
Darlehensgebers (nach Valutierung)
--
Frage: Wie werden die Ansprüche befriedigt, die dem Darlehensgeber
gegen den Darlehensnehmer zustehen?
--
maßgeblich: das Erfüllungsstadium, in dem sich der Darlehensvertrag bei
Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand.
--
hier (in diesem Abschnitt) betrachtet:
nach Valutierung
(d.h. nach
Auszahlung des Darlehensbetrags an den Darlehensnehmer)
--
nach Valutierung: Da nach Valutierung keine Verwertungsentscheidung
zu treffen ist, scheiden die beiden Befriedigungsformen aus, die das
Insolvenzvertragsrecht kennzeichnen.
Weder können die ausstehenden
Ansprüche des Darlehensgebers zu Masseverbindlichkeiten werden (bei
Geltendmachungsentscheidung, § 55 Abs. 1 Ziff. 2 Alt. 1 InsO); noch gibt
es
(in
diesem
Erfüllungsstadium)
einen
Leistungsanspruch
des
Darlehensnehmers, aus dessen Wert die ausstehenden Ansprüche des
Darlehensgebers
befriedigt
werden
könnten
(bei
Nichtgeltendmachungsentscheidung, § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO).
--
sondern:
Die
Befriedigung
erfolgt
vielmehr
ausschließlich
als
Insolvenzforderungen.
--
Frage: welche Ansprüche der Darlehensgeber überhaupt hat;
Antwort: abhängig davon, ob der Darlehensgeber sein außerordentliches
Kündigungsrecht ausübt oder nicht
des Darlehensnehmers (insbesondere über welche vertraglichen Ansprüche des
Darlehensnehmers) zu treffen habe.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
26
a)
Keine außerordentliche Kündigung des Darlehensgebers
--
Anspruch des Darlehensgebers auf Rückzahlung (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB):
Obwohl nach Vertragsrecht mangels Kündigung noch nicht fällig, gilt
dieser Anspruch seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens als fällig (§ 41
Abs.
1
InsO).
Somit
wird
der
Rückzahlungsanspruch
im
Insolvenzverfahren berücksichtigt und, soweit er ungesichert ist, in Höhe
der Insolvenzquote befriedigt.
Abzinsung auf den Gegenwartswert?
ja bei unverzinslichem Darlehen (§ 41 Abs. 2 InsO);
nein bei verzinslichem Darlehen
--
Zinsanspruch des Darlehensgebers
ohne außerordentliche Kündigung: Dann besteht der Zinsanspruch bis
zum ordentlichen Ende fort.
aber: Befriedigung nur als nachrangige Insolvenzforderung (§ 39 Abs. 1
Ziff. 1 InsO)
b)
Außerordentliche Kündigung des Darlehensgebers
--
Anspruch des Darlehensgebers auf Zahlung der Rückzahlungssumme:
vorzeitige Fälligkeit durch die außerordentliche Kündigung (§ 488 Abs. 3
Satz 1 BGB)
Abzinsung auf den Gegenwartswert?
ja bei unverzinslichem Darlehen (§ 41 Abs. 2 InsO);
nein bei verzinslichem Darlehen
--
Zinsanspruch des Darlehensgebers:
Durch die vorzeitige Beendigung (aufgrund der außerordentlichen
Kündigung) endet der Zinsanspruch vorzeitig. Der Darlehensgeber verliert
somit seinen Anspruch auf die Zinsen für die Zeit zwischen der vorzeitigen
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
Beendigung
und
dem
vorgesehenen
ordentlichen
27
Ende
des
Darlehensvertrags (durch ordentliche Kündigung oder durch Ablauf der
vereinbarten Zeit).
Ob es sich für den Darlehensgeber in diesem Rahmen lohnt, sein
außerordentliches
Kündigungsrecht
auszuüben,
hängt
von
einem
Vergleich mit den Vorteilen ab, die er durch eine fristlose Kündigung (etwa
im Hinblick auf die Überwindung der Beschränkungen des § 41 Abs. 1
InsO für die Haftung von Bürgen oder für Aufrechnungsrechte) erlangen
würde.
Ausnahme: anderweitige Vereinbarung im Darlehensvertrag
allerdings:
auch
dann
Befriedigung
nur
als
nachrangige
Insolvenzforderung (§ 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO)
(Im jeweiligen Fall wird außerdem zu prüfen sein, ob der Darlehensgeber
einen Schadensersatzanspruch gegen den Darlehensnehmer hat.)
4.
Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensnehmers: Darlehensvertrag nach
Valutierung
Fällt der Darlehensnehmer in Insolvenz, nachdem er den Darlehensbetrag
erhalten hatte, lässt sich die Rechtslage wie folgt zusammenfassen:
(1)
Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses:
Ansatz:
In
der
Insolvenz
des
Darlehensnehmers
besitzt
der
Darlehensgeber ein vertragliches oder gesetzliches Recht zur fristlosen
Kündigung des Darlehensverhältnisses (etwa aus Ziff. 19 Abs. 3 AGBBanken oder § 490 Abs. 1 BGB). Dieses Kündigungsrecht unterliegt jedoch
Einschränkungen, die sich aus dem Anfechtungsrecht ergeben. Wegen der
Nachteile, zu denen die fristlose Kündigung des Darlehensverhältnisses für
die
Gläubiger
insolvenzbezogene
des
Darlehensnehmers
vertragliche
Schuldnerfehlverhalten anfechtbar sein.
führen
kann,
Kündigungsregelungen
können
als
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
nach Valutierung:
28
Um die Anfechtbarkeit zu vermeiden, hat die
vertragliche Regelung für die vorzeitige Beendigung nach Valutierung die
Abzinsung
vorzusehen.
des
Rückzahlungsanspruchs
auf
den
Gegenwartswert
(Das ist de lege lata, § 41 Abs. 2 InsO, aber nur für
unverzinsliche Darlehen erforderlich.)
Mit diesem Inhalt ist auch das
gesetzliche Kündigungsrecht (§ 490 Abs. 1 BGB) auszulegen.
(2)
Verwertung:
War dem Darlehensnehmer der Darlehensbetrag bereits ausgezahlt worden
(d.h. nach Valutierung), stellt sich keine Verwertungsfrage.
Der
Darlehensnehmer hat keinen Anspruch mehr, zu dessen Durchsetzung
Leistungen aus dem Insolvenzvermögen an den Darlehensgeber zu
erbringen wären.
(3)
Verteilung:
Auch auf der Verteilungsseite kommt es auf das Erfüllungsstadium an.
War das Darlehen bei Insolvenzeröffnung bereits ausgezahlt worden (d.h.
nach
Valutierung),
wird
auf
den
Rückzahlungsanspruch
des
Darlehensgebers die Insolvenzquote verteilt. Wenn, wie regelmäßig, das
Darlehen verzinslich ist, wird hierbei auf den Nennwert abgestellt; eine
Abzinsung findet nach geltendem Recht (verfehltermaßen) nicht statt.
Einen
schlechteren
Befriedigungsrang
hat
(verfehltermaßen)
der
Zinsanspruch: Für die Zeit ab Verfahrenseröffnung ist er nachrangig (§ 39
Abs. 1 Ziff. 1 InsO).
Rechtspolitisch empfiehlt sich, (erstens) die Abzinsung auch auf
verzinsliche Darlehen zu erstrecken sowie (zweitens) den Nachrang von
Zinsansprüchen abzuschaffen.
Hat der Darlehensgeber sein Recht zur außerordentlichen Kündigung
ausgeübt, verliert er (nach dem gesetzlichen Regelungsmodell) zwar seinen
Zinsanspruch für die restliche Laufzeit, überwindet damit aber die
materiellrechtlichen Beschränkungen, unter denen die sofortige Fälligkeit
des § 41 Abs. 1 InsO steht.
Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensnehmer in Insolvenz
29
Literaturhinweise
--
Tintelnot, in: Kübler / Prütting / Bork, InsO, Stand 2014, § 103 Rn. 83-90
--
von Wilmowsky, Darlehensnehmer in Insolvenz, Teil 1: WM 2008, 11891196; Teil 2: WM 2008, 1237-1244
vorläufige Fassung; Änderungen vorbehalten