Predigt im Taufgottesdienst in der Donnerberg

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Predigt im Taufgottesdienst in der Donnerberg
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Predigt im Taufgottesdienst in der Donnerberg-Kaserne am
28.1.2016
Die Gnade unseres Herrn Jesus
Christus, die Liebe Gottes und die
Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit uns allen.
Liebe Gemeinde,
wer von Ihnen Kinder hat, hat
bestimmt auch schon einmal über das
große Vertrauen gestaunt, das sie zu
Taufgottesdienst in der Donnerbergihren Eltern haben. Für mich ist eine
Kaserne (Foto: Klaus Thiele)
Begebenheit beispielhaft. Meine
Tochter war vielleicht drei Jahre alt und stand am oberen Ende unserer
steilen Treppe. Ich kam vom unteren Ende, als sie unvermittelt
lossprang, mit weit geöffneten Armen, mir in die Arme. Ich konnte sie
gerade noch fangen, war aber froh bei der Wucht des Aufpralls eine
Wand hinter mir zu haben. Bis heute beeindruckt mich, dass sie so
sicher war, dass ich sie auffange.
Wir sind auch einmal kleine Kinder gewesen und haben
wahrscheinlich auch ein solches Vertrauen gehabt. Nun sind wir
erwachsen und wissen, dass man keineswegs in jedermann Vertrauen
setzen kann. Mancher hat sogar das Vertrauen in die Menschheit
verloren.
Was Vertrauensverlust mit einem macht kennen, wir. Verletzung,
Enttäuschung, Schmerz, Misstrauen. Das alles fühlt sich nicht gut an.
Es macht das Leben eng.
Ich vermute einmal, wir kennen alle Menschen, die davon so geprägt
sind, dass sie in allem und jedem das Negative sehen. (Und wir wissen
auch, dass eine solche Haltung auf den Zuhörer ausstrahlt.)
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Sie, lieber Herr …
ausgesucht:
haben sich für Ihre Taufe einen Spruch
„Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“
Jeder von uns kennt Sorgen und was sie mit uns machen. Was machen
wir mit den Sorgen? Meistens behalten wir sie. Vielleicht teilen wir
sie mit anderen, das macht sie manchmal leichter zu tragen. Der Satz
„alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch“ ist ein neuer
Umgang mit den Sorgen. Werft sie Gott zu, werft auf ihn. Wie einen
Ball, den ich jemandem zuwerfe und dann nicht mehr in den Händen
halte.
Ihm einmal überlassen, verwandt Gott unsere Sorgen in Fürsorge für
uns.
Als Erwachsene haben wir gelernt, Verantwortung zu übernehmen
und Probleme zu lösen. Es könnte also sein, dass uns das nicht so ganz
leicht fällt unsere Sorgen auf Gott zu werfen, sie loszulassen und
darauf zu vertrauen, dass er sie verwandelt und für uns sorgt.
Vertrauen, dass Gott sich um unsere Probleme kümmert, ist keine
Frage von Erkenntnis und Verstand. Es ist vielmehr eine Übung, die
man macht, nicht nur einmal, sondern wieder und wieder, und von der
man danach erst sagen kann, ob es geht.
Alle Sorge werfe ich auf Gott und warte, darauf, dass er für mich
sorgt. Wie er das macht weiß, ich noch nicht. Es muss ja nicht
unbedingt so geschehen, wie ich es mir gedacht habe. Es kann auch
ganz anders sein, als ich mir die Hilfe gewünscht habe.
Doch einmal an Gott abgegeben, darf ich darauf vertrauen, dass er
sich um mich kümmert.
Wenn wieder etwas kommt, was dunkel scheint, dann harre ich, blicke
rückwärts auf alle Hilfen Gottes und weiß es ganz gewiss: Es wird
doch wieder eine Rettung daraus. (von Bodelschwingh)
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Ich lasse meinen Gott nicht und bleibe getrost! Mögen die Winde
wehn, wie sie wollen, einmal treiben sie mein Schiff doch in den
Hafen der Heimat und des Friedens. (Gorch Fock)
„Herr, du bist unsere Zuflucht für und für.“ haben sie, liebe Frau …
sich ausgesucht.
Auch ein Vertrauenssatz. Nicht nur die konkrete Sorge ist bei Gott gut
aufgehoben, sondern wir als ganzer Mensch.
„Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen
wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Unser persönliches,
individuelles Leben ist eingebunden in ein großes Ganzes, das wir
zwar nicht überschauen können, das aber von Gott ausgeht und wieder
zu ihm zurückkehrt.
Auch hier wieder die Frage: Wie geht Vertrauen?
Henri Nouwen, ein geistlicher Lehrer, der viele Bücher
über spirituelles Leben geschrieben hat, erzählte einmal
von seiner Bekanntschaft mit einer Truppe von
Trapezkünstlern. Oft genug hatte er sie in ihrer
atemberaubenden Artistik bewundert, hatte immer
wieder darüber gestaunt, mit welcher Meisterschaft sie
ihre Kunststücke gestalten. Und jedes Mal war da der
Augenblick des Bangens: Wird dieser Salto gelingen?
Werden sich die Hände finden? Nicht auszudenken, was
passieren würde, wenn sie daneben griffen. Er berichtet
von einem Gespräch mit diesen Trapezkünstlern:
Rodleigh, der Leiter der Truppe sagte: „Als Luftspringer
muss ich absolutes Vertrauen auf den haben, der mich
auffängt. Sie und das Publikum halten vielleicht mich für
den großen Star am Trapez, aber der wirkliche Star ist
Joe, mein Fänger. Er muss für mich im Bruchteil einer
Sekunde parat sein und mich aus der Luft angeln, wenn
ich in hohem Bogen auf ihn zufliege.“
„Wie klappt das immer?“, frage ich zurück.
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„Nun“, sagte Rodleigh, „das Geheimnis besteht darin,
dass der Flieger nichts tut und der Fänger alles! Wenn
ich auf Joe zufliege, muss ich bloß meine Arme und
Hände ausstrecken und darauf warten, dass er mich
auffängt und sicher auf die Rampe zurücksetzt.“
„Und Sie tun dabei nichts!“ erwiderte ich ziemlich
überrascht. „Nein, gar nichts“, wiederholte Rodleigh.
„Das Schlimmste, was der Flieger tun kann, ist nach
dem Fänger greifen zu wollen. Aber ich soll ja nicht den
Joe auffangen, sondern er mich. Ein Flieger soll nichts
als fliegen, ein Fänger nichts als auffangen; und der
Flieger muss mit ausgestreckten Armen völlig darauf
vertrauen, dass sein Fänger im richtigen Augenblick
nach ihm greift!“
Wie geht Vertrauen?
1. Zutrauen, dass der Fänger fähig ist.
2. Loslassen. Sich fallen lassen.
Das klingt so einfach und simpel, ist es auch. Doch was muss alles in
uns passieren, dass wir uns das trauen. Das eigene Leben einem
anderen überlassen. Gott überlassen.
Können wir das? Ich glaube, wir sind kulturell nicht sehr geübt darin.
Loslassen, Gelassenheit üben sagt man. Ja, man muss es wohl üben.
Anpacken, zupacken, machen – da wissen wir oft besser, wie es geht.
Sie haben ja alle einen Beruf gewählt, der zupackt, anpackt, eingreift.
Ich meine auch nicht, dass man das nicht soll. Aber wir wissen auch,
dass wir eben nicht alles mit unserer Hände Arbeit, mit unserem
Reden lösen können. Es gibt da diese Seiten des Lebens, die wir nicht
im Griff haben
Doch wer nicht loslässt, kann nicht die Erfahrung machen,
aufgefangen zu werden.
Gott bietet uns an, dass er uns fängt, auffängt, trägt.
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So wie es ihr zweiter Taufspruch sagt, lieber Herr … :
„Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet.“ Und natürlich nicht nur bis
dahin, auch wenn das Haar weiß ist oder schon längst gar nicht mehr
nachwächst.
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen