Zur Geschichte der Winklmoosalm - Almwirtschaftlicher Verein
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Zur Geschichte der Winklmoosalm - Almwirtschaftlicher Verein
Zur Geschichte der Winklmoosalm er kennt sie nicht, die Winklmoosalm in Reit im Winkl oberhalb von Seegatterl direkt an der Grenze zu Salzburg und Tirol? Spätestens 1976, als „unsere Goldrosi“ bei der Olympiade 1976 in Innsbruck in den alpinen Disziplinen zwei Goldmedaillen gewonnen hatte, war es vorbei mit der beschaulichen Ruhe in ihrem Heimatort und die Winklmoosalm wurde weltbekannt und war in aller Munde. Freunde des Wintersports verbinden mit dem Almgebiet eine sichere Schneelage und gleichzeitig bietet sich die Möglichkeit, auch das große Schigebiet Steinplatte mit zu nutzen. Seit der Saison 2009/10 ist die Alm mit einer modernen 8er-Gondelbahn erschlossen, deren Talstation in Seegatterl liegt. Bei der heute ausgeprägten touristischen Nutzung gerät die über Jahrhunderte traditionelle Nutzung fast in Vergessenheit. Bei der Winklmoosalm mit einer nach einem alten Vergleich berechtigten Viehzahl von 450 Rindern und 87 Pferden sowie einer Gesamtfläche von etwa 800 ha handelt es sich nämlich um eines der größten Almgebiete in Oberbayern. Von der Berechtigung zum Eigentum Foto: privat Weit bis ins 19. Jahrhundert hinein handelte es sich bei der Winklmoosalm um eine Berechtigungsalm, auf der zahlreiche Bauern aus Reit im Winkl einen Kaser besaßen und ihr Vieh auftreiben durften. Vor rund 200 Jahren wurden dann im Rahmen der Purifikation (= Bereinigung der Rechte) auf vielen Almen die Lichtweideflächen den vormals Berechtigten übereignet. Der Wald hingegen blieb im Eigentum des königlichen Forstärars und dadurch weiterhin mit Weiderechten belastet. Weil sich die Zeiten und somit die Politik wieder änderten, wurde diese Purifikation So sah es auf der Winklmoosalm vor über 60 Jahren aus. Im August 1954 wurde die neu gebaute Straße eingeweiht. Foto: M. Hinterstoißer W Der Tourismus braucht die Almwirtschaft Ausblick vom Dürnbachhorn auf die Dürnbachalm, auf der noch drei Kaser stehen. Daten zur Winklmoos-/Dürnbachalm Eigentumsflächen: 176 ha Lichtweide: 120,73 ha Waldweiderechtsflächen auf bayerischer Seite: 635 ha Höhenlage •Lichtweide: 1050 – 1650 m •Almzentrum Winklmoos: ca. 1200 m nicht in allen oberbayerischen Bezirken vollständig durchgeführt, sodass es nach wie vor im Chiemgau viele Almen gab, die weiterhin Berechtigungsalmen blieben. Diejenigen Bauern jedoch, die gegen den Staat – damals das Königreich Bayern – einen Prozess zu führen wagten, erhielten ihre Lichtweideflächen ebenfalls zum Eigentum. Im Rahmen eines solchen Rechtsstreits erkämpften sich z. B. die Berechtigten der Steinbergund Wuhrsteinalm im Achental sowie der Hemmersuppen- und Winklmoosalm in Reit im Winkl das Eigentum an der Lichtweidefläche. Hierzu ist uns der Vergleich überliefert, der am 17. August 1868 vom königlichen Notar Carl Hacker in seiner Kanzlei in München in Anwesenheit von Adalbert Bauer, königlicher Regierungsassessor und Fiskal, und Johann Baptist Listmayr, königlicher Advokat als Vertreter der Bauern, beurkundet wurde. Anschließend •Almzentrum Dürnbach: ca. 1330 m 9 Auftreiber, davon 5 mit eigenem Vieh Bestoß: 18 Kühe, 113 Jungvieh, 4 Stiere/ Ochsen, 45 Pferde, 3 Ziegen Personal: Rosshirt, weiteres ständige Personal beim Knapp, Pötsch, Zenz und Widhölzl sind 32 Alpgenossen aufgeführt, die von Advokat Listmayr vertreten wurden. Zusammengefasst enthält der Vergleich folgende Punkte: ⦁⦁Der königliche Fiskus erkennt die Übertragung des gemeinschaftlichen und ungeteilten Eigentums der Lichthaltung auf Winklmoos mit 370,71 Tagwerk, auf Dürnbach mit 128,25 Tagwerk und auf der Hahnfilze mit 12,0 Tagwerk an die vorher genannten Alpgenossen an. ⦁⦁Es wird quittiert, dass die Alpgenossen hierfür bereits 300 Gulden als Aversalentschädigung an das königliche Ärar bei der Kreiskasse von Oberbayern bezahlt haben. ⦁⦁Die Alpengenossen räumen dem königlichen Ärar das Recht ein, zur Bringung, Aufarbeitung und Verkohlung des Holzes über die aufgeführten Flächen ohne alle Entschädigung zu fahren, Holz auf jede Art zu bringen, Holzbringanstalten, Riessen, Zieh- und Leitwege, Holzstuben, Kohlländen und andere Gebäude zu besagten Zwecke dort anzubringen, beste- Der Almbauer Februar 2016 5 Fotos: M. Hinterstoißer lich sichtbares Zeichen hierfür sind Wirtschaften, Liftanlagen, Parkplätze und eine nicht alltägliche Kirche“, wie Helmut Silbernagl in seinem Bericht anlässlich der Hauptalmbegehung 1992 feststellt. Doch dieses moderne Wintersportzentrum und das Wanderparadies sowie Erholungszentrum im Sommer wird immer auf die Almwirtschaft angewiesen sein, um den unvergleichlichen Reiz der Landschaft zu erhalten. Erbpacht auf 99 Jahre hende Gebäude, Wege, Lagerplätze, Wasserleitungen zu verlegen. Die Holzstube auf der Hahnfilze darf erhalten und der Weide entzogen werden. ⦁⦁Eingeräumte Servitute (Berechtigungen) erlöschen erst, wenn sie 100 Jahre ununterbrochen nicht genutzt werden. Dies gilt sowohl für die Rechte der Bauern als auch für die Rechte des königlichen Ärars. ⦁⦁Die Alpgenossen verzichten für sich und ihre Rechtsnachfolger auf den künftigen Eigentumsflächen auf das Jagdrecht und auf jeglichen Wildschadensersatz gegenüber dem königlichen Ärar. ⦁⦁Einräumung des Waldweiderechts auf einer Fläche von 635 ha auf bayerischer Seite mit einer Gesamtzahl von 450 Rindern und 87 Pferden. Dabei ist eine Umrechnung von Pferden in Rinderrechte möglich, wobei ein Pferd unter zwei Jahren einem Rindergras gleich sein soll, während Das weitläufige Gebiet der Winklmoosalm reicht bis zum Dreiländereck am Scheiblberg. Links davon liegt das Gebiet Steinplatte. Interessant ist auch, dass 6 von den 27 Alpgenossen auf der Winklmoosalm kein Kaserhaltungsrecht besitzen. Hierbei handelt es sich vor allem um Anwesen, von denen fast ausschließlich Pferde gesömmert werden. Rinderhaltung Reit i. Winkl Rinderhalter 34 20 8 1977 1992 2014 Rinder 606 351 233 Weiterhin ist die Auftriebszeit beschrieben, deren Beginn für Pferde auf den 10. Juni, für Rinder und Kleinvieh auf den 24. Juni festgesetzt ist. Der Abtrieb hat bis spätestens 29. September zu geschehen. Mit Berücksichtigung der jeweiligen Witterungs- und Vegetationsverhältnisse kann auf Ansuchen der Alpgenossen von Seite des Bezirksamtes Traunstein im Benehmen mit der Forstbehörde und dem landwirtschaftlichen Bezirkskommitee sowohl der Auftrieb um acht Tage früher gestattet als auch die Abtriebszeit um acht Tage verlängert werden. Die Alpgenossen verpflichten sich, kein Futter nach Hause zu bringen, sondern alles auf der Alpe zu verfüttern und ebenso den Dünger dort zu belassen. Wenn ein Beteiligter die ihm zustehenden Gräser mit eigenem Vieh nicht beschlagen will oder kann, so darf er dieselben ganz oder teilweise verpachten. Verpachtet er allerdings nicht an ein Mit- Almbestoß Winklmoos-/Dürnbachalm Kühe Jungvieh/ Stiere Ochsen Pferde Schafe/ Ziegen 1992 11 31 183 13 – 2015 9 18 117 45 3 Ziegen 1949-1952 Anton Speicher, z. Widhölzl 1952-1968 Lorenz Mühlberger, z. Wimmer 1968-1980 Josef Speicher sen., z. Zenz 1980-2015 Josef Speicher jun., z. Zenz seit Mai 2015 Alois Speicher jun., z. Pötsch 6 Der Almbauer Februar 2016 Winklmoos im Wandel Viel hat sich in der Bewirtschaftung und an den Besitzverhältnissen geändert, seit vor fast 150 Jahren das Eigentum erstritten wurde. Damals besaßen 27 Eigentümer auf der Winklmoosalm und 6 Eigentümer auf der Dürnbachalm ein Auftriebsrecht Fotos: M. Hinterstoißer Vorstände der Genossenschaft: glied der Almgemeinschaft, so darf er nur drei Viertel der ihm zustehenden Rechte nutzen. Damit soll verhindert werden, dass die Alm mit fremdem Vieh zum Nachteil der Alpgenossen überschlagen wird, die eigenes Vieh auftreiben. Direkt jenseits der Grenze liegt auf dem Gebiet der bayerischen Saalforsten auf österreichischem Staatsgebiet die Finsterbach- (Wild-)alm, auf der weitere sechs Bauern aus Reit im Winkl über Almrechte verfügten. Hierzu legt der Vergleich fest, dass sowohl die auf bayerischer Seite als auch auf österreichischer Seite berechtigten Alpgenossen im jeweils anderen Bezirk weideberechtigt sind. Der Waldweidebezirk auf der Finsterbachalm hat einen Umfang von etwa 305 ha. Grenzüberschreitende Weidenutzung zwei Rindergräser einem Roßgras (Pferd über zwei Jahre) entsprechen. Drei Kälber, die im Winter vorher schon Heu gefressen haben, sind wie ein Rindergras einzustufen. Außerdem darf jeder Alpgenosse zwei Schafe oder Ziegen mit dem übrigen Vieh zur Weide treiben. Schweine dürfen nur nach einem Übereinkommen, welches die Alpgenossen unter sich treffen, innerhalb der Alplichthaltung geweidet werden. Auftreiber In Reit im Winkl mit seinen guten touristischen Möglichkeiten hat sich die Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten zurückgezogen. Foto: privat Auf fast 1650 m weidet hier das Vieh von der Dürnbachalm. Josef Speicher war 35 Jahre Vorsitzender der Almgenossenschaft Winklmoos-Dürnbach. Seit Mai 2015 hat Alois Speicher jun. den Vorsitz bei der Almgenossenschaft übernommen. Die Knappnaustragler Anton und Maria Egger sitzen auf der Hausbank, während Betti Hattosch, die 47 Jahre Sennerin war, das Milchgeschirr putzt. Die Knappnmutter – mit dem Stoßkübel beim „Buttern“ – ging noch bis 1962 mit 81 Jahren auf die Alm. von 450 Rindern und 87 Pferden. Heute hat sich die Zahl der Eigentümer auf 45 erhöht, die über 725 Rechte (davon 87 Roßrechte), die im Grundbuch als Bruchteilseigentum eingetragen sind, verfügen. In den 1920er Jahren gründeten die Bauern eine Genossenschaftssennerei, in der sie die Milch verarbeiteten. Noch um 1960 wurden um die 120 Kühe aufgetrieben. Heute bestoßen nur noch fünf Bauern die Alm mit eigenem Vieh (siehe Tabelle Seite 6). Die Lichtweidefläche wird aktuell mit 120,73 ha angegeben. Die Pferde weiden vom Rindvieh durch Zaun getrennt auf den nassen und sauren Flächen zum Scheiblberg hinauf bis zum Dreiländereck, wo Bayern, Salzburg und Tirol aneinandergrenzen. Etwa zwei Wochen vor dem Almabtrieb wird der Zaun geöffnet, sodass die Pferde hinter den Rindern nachgrasen können. Für die Beaufsichtigung der Rösser hat die Genossenschaft einen Hirten angestellt, der in der Rosshütte wohnt. Zu seinen Aufgaben gehören auch das Ablegen der Zäune im Herbst sowie die Weidepflege. Schwendarbeiten und das Auflegen der Zäune im Frühjahr erledigen die Almbauern, die hierfür von der Genossenschaft bezahlt werden. Der Vorsitzende kümmert sich darum, dass im Frühjahr genügend Zaunstempen beschafft werden. In manchen Jahren mit schneereichem Winter sind davon bis zu 300 neue nötig, um die etwa 20 km langen Zäune wieder herstellen zu können. Die Außenzäune reichen vom Scheiblberg bis zur Schwarzlofer und auf der anderen Seite bis zum Dürnbachhorn. Weiterhin ist die Roßalm komplett eingezäunt. Beim Knapp, Zenz, Widhölzl und Pötsch kümmert sich ständiges Almpersonal um das Vieh. In den Kasern vom Zenz und vom Pötsch werden Kühe gemolken und die Milch zu Käse verarbeitet. „Hier auf Winklmoos hat die bayernweit sichere Schneelage die größten Veränderungen vom reinen Hüttendorf mit starker Almnutzung zum modernen wintersportlichen Zentrum gebracht. Deut- Heute regelt die „Generalsatzung der Almgenossenschaft Winklmoos-Dürnbach“ aus dem Jahr 2004 die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, das nach Rinder- und Pferderechten verteilt ist. Dabei sind die Genossenschaftsanteile teilbar, veräußerlich und erblich. Seit 2015 ist Alois Speicher jun., Pötschbauer, Vorsitzender der Genossenschaft. Vorher bekleidete Sepp Speicher, Zenzbauer, dieses Amt für 35 Jahre. Mitglied der Genossenschaft ist, für wen Rinder- oder/ und Pferderechte an der Winklmoos-/ Dürnbachalm im Grundbuch eingetragen sind. Das Eigentum umfasst eine Fläche von 176 ha und hat sich seit dem Vergleich von 1868 nicht mehr verändert, d. h. Gastwirtschaften, Kirche und Parkplätze befinden sich auf genossenschaftlichem Eigentum. Die jeweils abgeschlossenen Erbpachtverträge haben eine Laufzeit von 99 Jahren. Für die Gemeinde Reit im Winkl mit ihren hohen Übernachtungszahlen in der Sommer- und Wintersaison hat die Winklmoosalm aus touristischer Sicht eine existenzielle Bedeutung. Die Gemeinde weiß nur zu gut, dass nur mit aktiven Almbauern und genügend Rindern und Pferden das weitläufige Almgebiet an der Grenze zu Salzburg und Tirol erhalten werden kann. Aus landwirtschaftlicher Sicht bleibt zu wünschen, dass die Bewirtschafter das weitläufige Gebiet weiterhin almwirtschaftlich in einem guten Zustand erhalten können, schon allein deswegen, dass sich der Rechtsstreit ihrer Vorfahren – nicht nur finanziell – gelohnt hat. M. Hinterstoißer Almbezirk Reit im Winkl Bezirksalmbauer: Franz Mühlberger, z. Wimmer Stellvertreter: Pankraz Speicher, z. Widhölzl 32 Mitglieder 28 Almen 512 ha Lichtweidefläche Bestoß 2014: 680 Rinder, 67 Pferde Der Almbauer Februar 2016 7