WILHELM FILCHNER (1877?1957)*) Paul Fickeler

Transcription

WILHELM FILCHNER (1877?1957)*) Paul Fickeler
und
Berichte
FILCHNER
WILHELM
kleine Mitteilungen
(1877?1957)*)
Paul Fickeler
In
Buch
diesem
gibt
Filchner
einen
zusammen
iiber sein Leben und seine
fassenden Oberblick
Reisen. Wir erfahren von seiner Jugend inMiinchen,
die zunachst ganz der bildenden Kunst zugewandt
war, seinerAusbildung in der Kriegsschule und beim
seiner
I. Infanterieregiment,
ersten
RuBlandreise
1900
und seinem sportlichen Ritt iiber den Pamir 1901.
Das brachte ihn auf den Geschmack: ?Ich hatte er
kannt, daB Soldatenberuf und wissenschaftliche
die sich gliicklich erganzenden
Spezialausbildung
Grundlagen
reisender
Durch
sind,
vermoge
seine Aufgabe
Studien
iiber
derer
ein
Forschungs
erfiillen kann"
Instrumentenkunde
und
(S. 41).
Karto
graphie bereitet er sich fiir Routenaufnahmen
erdmagnetische
Messungen
auf
seinen
Reisen
Diese Tatigkeit hat ihn spater ganz beschaftigt.
und
vor.
233
sonders der Seiten 20, 98, 115, 122, 222?224,
232,
271, 280?281, 287, 289, 291, 348, 424 und in Taf els
?Meine Tibetreise", (Stuttgart 1914, I, S. 277) selber
sich iiberzeugen kann. Filchner hat im Vorwort zu
jenem Buche Taf els groBe Verdienste damals auch
anerkannt (S.VI): ?Doch nicht nur dem groBen Gliick
verdanke ich das Gelingen meines Unternehmens,
auch dem Mut und der Umsicht meiner unerschrok
kenen Frau und dem Schneid und der Tapferkeit
in Tibet, des Herrn Dr. med.
meines Gefahrten
Albert Tafel". Frau Filchner blieb aber wahrend der
eigentlichen Reise in der Sicherheit von Sining-fu
zuriick. Filchner hat in der zweiten, gekiirzten Auf
lage des Buches, das er achtzehn Jahre spater unter
dem neuen Titel ?Quer durch Ost-Tibet", Berlin
1925, herausgab, die hervorragenden Verdienste
Albert Taf elskaum noch angedeutet und diesen Mann,
ohne den seine Unternehmung kaum moglich ge
wesen
ware,
gelegentlich
nur
noch
als
seinen
? euro
paischen Begleiter" bezeichnet (vergl. auch die Be
erste
Dann
unternahm
Filchner
1903?1905
seine
sprechung E. v.Zahns in Pet. Mitt. 1926, S. 82).
von
durch
ihn
wobei
Filchners
offentlicheAnerkennung seines ehemaligen
Osttibet,
Sining-fu
Expedition
Albert Tafel begleitete, den Filchner hier in folgender Reisegefahrten
Tafel ist also von 1907 ab immermehr
Weise einfiihrt (S. 49): ?Zum Schutze meiner Frau
zum Nullpunkt, ja in
bis
geschrumpft
vorliegender
zwar
einen
nahm
ich noch
mit, und
Reisegefahrten
Selbstbeschreibung sogar bis zu der oben wortlich
den Mediziner
und Geographen Dr. Tafel, einen
angefiihrten negativen Beurteilung! Wie paBt diese
Schiiler Richthofens. Leider akzeptierte ich das An
zu der von Filchner auf Seite 290
gepriesenen Wertung
dieses
erbieten
Mannes
iibereilt
und
ohne
nahere
des Menschen nach Arbeit und Leistung und zu der
es schon
zu
als
auf Seite 379 so geriihmten ?Wahrheitsliebe und
unterwegs,
spat war,
Priifung.
Spater,
um die Verpflichtung riickgangig zu machen, muBte
Menschenliebe" ?
ich unter unerquicklichen
Dissonanzen
daB
Zu ihr gehort allerdings die Tatsache, daB in un
einsehen,
ein
der
sich den ungeschrie
mittelbarem AnschluB an Filchners Reise Albert Tafel
Expeditionsteilnehmer,
benen
dem
einer
1905?1908
eine eigene groBangelegte Expedition
Gesetzen,
gentlemen-agreement
Forschungsfahrt, nicht fiigt, den Erfolg der Unter
ganz allein, nur in Begleitung von Eingeborenen,
in
stellen
kann."
Unter
Gefechten
durch NW-China und Osttibet aus eigenen Mitteln
nehmung
Frage
mit den rauberischen Ngoloken folgte die Expedition
durchfiihrte, gerade in jenes Gebiet also, das Filchner
vom Oring-nor dem Oberlauf des Hwangho bis nahe
bezeichnet hatte als ein ?Wespennest, in das so
an dessen
in
Kehre
Vor
schnell keiner wieder hineinstechen wird" (Z. Ges.
Richtung
Sun-pan-ting.
diesem Ort hauften sich wiederum Schwierigkeiten
E. 1905, S. 154). In dieses ?Wespennest" stach aber
durch
schlechte
Schneefalle
Filchners ,,europaischer Begleiter" inwahrhaft helden
Sumpfstrecken,
Wege,
und Reisestimmung: ?Eine groBe Mutlosigkeit er
hafterWeise dennoch wieder hinein und erlebte drei
faBte meine Mannschaft, ihr Greinen und Heulen
blutige Uberfalle durch die rauberischen Ngoloken.
steckte meinen
Dr.
Seine Erlebnisse und wissenschaftlichen Erfolge hat
an, der unausge
Begleiter
Tafel
setzt stohnte,
daB er
alle meine
,fertig? sei. Ich muBte
Tafel in dem groBartigen zweibandigen Reisewerk
um
der ver
zusammennehmen,
Energie
?Meine Tibetreise",
angesichts
Stuttgart 1914, in schlichter
Weise ohne jede Wehleidigkeit beschrieben. Taf els
zagten Gesellschaft die Spannkraft zu bewahren"
Standwerk bildet eine ungemein vielseitige uner
(S. 73). Das also ist alles, was Filchner in diesem Buche
iiber Albert Tafel zu sagen hat, iiber den Mann,
schopfliche Fundgrube fiir unsere wissenschaftliche
dessen groBe wissenschaftliche und praktische Er
Kenntnis von Osttibet und ein
Musterbeispiel einer
klassischen Reisebeschreibung, die zu den vorziig
fahrung und besonders groBen Mut in alien schwie
rigen Lagen in jederWeise als derart wertvoll fiir lichsten gehort, welche die Geschichte der Geo
diese Reise sich erwiesen hat, daB Tafel als die trei
graphie iiberhaupt aufzuweisen hat. Das beweisen
bende Kraft und Seele dieser Unternehmung zu be
auch die hohe Anerkennung und
Bewunderung, die
trachten
aus Filchners
ist. Das
auch
Reisebe
es seiner Zeit in alien ausfiihrlichen
geht
Besprechungen
Berlin 1907, mit Recht erfahrenhat
schreibung ?Das Ratsel des Matschu'"
(vergl. G. Z. 1915, S. 651?653
wovon
durch
be
Nachlesen
und
Mitt. Geogr. Ges. Wien LVIII, 1915, 236?244
eindeutig hervor,
jeder
F. Machatschek; Pet. Mitt. 1917, 309?311 E. v.Chol
noky;Geogr. JournalXLVIII1916,159?165;
Geogr.
zu dem Buch
des am 7. 5. 1957
in
x) Bemerkungen
Review X 1920, 425). Da Filchner die
Zurich
verstorbenen
?Totsagungen"
Wilhelm
Filch
Forschungsreisenden
seiner eigenen Personlichkeit auch hier wieder mehr
391 S., mit einem Bildnis
des Ver
ner, Ein Forscherleben.
fach
betont (S. 107) und die spatere
fassers und 5 Karten
im Text. Verlag
Brock
Eberhard
Totschweigung
der Verdienste seines einstigen
1950. Ganzleinen
DM
haus, Wiesbaden
11,?. Vorliegende
Reisegefahrten Tafel,
vor
dessen wissenschaftlich-forscherische
dem Tode
Filchners
bei der
Besprechung
lag schon
Bedeutung fiir
alle Kenner der Lander- und Volkerkunde Tibets
Schriftleitung.
234 Erdkunde Band XI
turmhoch iiber derjenigen von Filchner steht, fiir
richtig befindet, sei hier auf meinen Nachruf ?Albert
Tafel als deutscher Forschungsreisender" (G. Z. 41. Jg.
ausdrucklich hingewiesen.
1935, S. 480?484)
Nach einer Durchquerung von Spitzbergen 1908
leitete Filchner 1911?1912
als Vorbereitung
die
Antarktische
?Deutsche
an der
Expedition",
auf Vor
schlag B. v.Drygalskis der Hapagkapitan Vahsel, der
die erste deutsche Siidpolarexpedition als Zweiter
Offizier mitgemacht hatte, als Kapitan und auBerdem
mehrere
seinen
teilnahmen.
Fachwissenschaftler
nautischen
Stab
Vahsel
stellte
wozu
zusammen,
selbstandig
Filchner, ahnlich wie friiher in bezug auf Tafel,
ahnungsvoll bemerkt: ?Ich gab auch dafiir meine
Stimme und muBte spater erfahren, wie bitter sich
eine voreilige Zusage rachen kann. Vahsel hatte es
nun vollig in der Hand, ihm ergebene Mitarbeiter,
meist Bekannte aus der Zeit der Siidpolarfahrt der
dertes Werk ?Kumbum Dschamba Ling", Leipzig
1933, das er auf Grund seines Aufenthaltes dortselbst
imWinter 1926/27 iiber dieses bedeutendste lamaisti
Osttibets
sche Kloster
durch die Mitarbeit
und
Mongolisten
hat.
herausgegeben
Besonders
eines ungemein kenntnisreichen
fiir
Fachmannes
Lamaismus
den
W. A. Unkrieg, Berlin, der das Buch allein durch
1706 ausfiihrliche Anmerkungen bereichert und ver
tiefthat, ist hier nicht nur eine ausfiihrliche Kloster
sondern
monographie,
ein
zugleich
sehr wertvoller
Beitrag iiber den lamaistischen Kultus geschafFen
worden, der eine wichtige Unterlage fiir eine Reli
gionsgeographie Tibets bildet!
Eine dritteTibetexpedition fiihrteFilchner 1934 bis
1938 rund 3500 km quer durch Innerasien von Lan
am
tschou
Messungen
vorbei
Tsaidamsumpf
und Chotan
um die
nach Leh,
Innerasiens
iiber Tschertschen
erdmagnetischen
zu
flachenmaBig
erfassen.
Auch diese an Abenteuern reiche, an geographischen
Mehrheit
ich
stand
einer
ge
jedoch arme Reiseschilderung hat
geschlossenen
Beobachtungen
pedition
Filchner in dem Buch ?Bismillah" 1938 beschrieben.
geniiber" (S. 99). Die Expedition, deren Verlauf
Im AnschluB hieran bereiste Filchner 1939?1940
Filchner in dem Buch ?Zum sechsten Erdteil" 1922,
beschrieben hat, entdeckte das Prinzregent Luitpold
Siidost-Nepal, wo ihn der Ausbruch des Zweiten
iiberraschte und Krankheit und Inter
im Siiden Weltkrieges
Land und eine gewaltige, das Weddel-Meer
seine Reise beendeten.
schiff
in
Indien
abschlieBende Eisbarriere. Das
vening
Expeditions
er
Buches
?Deutschland" wurde am 15. 3. 1912 vom Eise ein
des vorliegenden
Im Gesamteindruck
weist sich Filchner als Mensch von groBer Energie,
geschlossen und in neunmonatiger Driftfahrt nach
NW abgetrieben. Wahrend dieser starb Vahsel am
der mit Zahigkeit seine Reisen geplant, vorbereitet
8. August. Filchner widmet seinem Kapitan hier kein
von
unbezahm
ist besessen
hat. Er
und
?GauB",
weiteres
hat
Dafiir
Wort.
von
und
auszusuchen,
man
aber
Ex
der
Anbeginn
spater
an
von
deren Teilnehmern dieser Expedition mancherlei Auf
schluBreiches zu horen bekommen. Filchners ?Bedarf
an Antarktischem
war
vorlaufig
gedeckt",
er be
und
seinem eigentlichen Arbeitsgebiet
schloB, wieder
Zentral- und Ostasien sich zuzuwenden (S. 136).
Hierfiir beschaftigte sich Filchner unter Anleitung
von A. Schmidt und O. Venske wieder eingehend mit
und auch mit
erdmagnetischen Messungsiibungen
journalistischer Arbeit bei der ?Vossischen Zeitung"
Ver
(S. 138?140), die seinen spateren Reisen und
offentlichungen sehr zugute gekommen sind. Das be
weist
unter
anderen
das
Buch
? Sturm
iiber Asien",
Berlin 1924, das Filchner,wie er auf Seite 166 bemerkt,
?buchstablich in vierzehn Tagen und in einem Sitz
herunterschrieb"
und
dafiir
auch
dementsprechende
Kritiken geerntet hat (G.Mer^bacher in G. Z. 1925,
S. 254; F. Weiler inAsia Major 1924, Bd. I, S. 782?
784; oder dessen 2. Aufl. im Geogr. Journal 1929,
S. 286).
Bd. LXXIII,
Ausfiihrlicher schildertFilchner seine zweite Tibet
er 1926?1928 von Turan quer durch
expedition, die
Innerasien nach Osttibet und von dort wieder west
er
warts nach Kaschmir
ausgefiihrt hat, auf der
Routenaufnahmen
und
an
160
astro
Raststellen
nomische Ortsbestimmungen, Hohenmessungen
erdmagnetische
Messungen
z. T.
unter
recht
und
schwie
hat. Diese Reise hat
rigen Umstanden vorgenommen
Filchner in dem Reisebuch ?Om mani padme hum",
fiir den
Leipzig 1929, beschrieben. So unbefriedigend
Reisebuch ist (vergl. meine
dieses
auch
Geographen
Z. 1931, S. 120?122),
langere Besprechung in der G.
um so erfreulicher erweist sich Filchners reich bebil
ausgefiihrt
barem Ehrgeiz, freilich auch starkem Geltungsbe
diirfnis, das in seinen Biichern und Vortragen immer
wieder durchbricht. Daher wird er auch nicht miide,
die unvermeidlichen Schwierigkeiten, Gefahren und
besonders die eigenen korperlichen Leiden auf seinen
Reisen bis in Einzelheiten hervorzuheben. Seine
Selbstdarstellung ist von alien diesen Dingen durch
trankt, und er berichtet auch ausfiihrlich von seinen
zu bekannten Personlich
vielfaltigen Beziehungen
keiten des offentlichen Lebens aus Wissenschaft,
Kunst und Politik des In- und Auslandes, von deren
Auffassungen und Urteilen iiber ihn, und natiirlich
von
seinen
und
Auszeichnungen
zahlreichen
tischen
biete,
von
der
erdmagne
Ge
ihm durchreisten
von
meBtechnischen
jeweiligen Fachgelehrten
K. Walter
und
O.
Venske
in den
und
Routenaufnahmen
Messungen
seine
wobei
Ehrungen.
besteht hauptsachlich
Filchners Lebenswerk
u.
Aufzeichnungen
wie E. Pr^ybyllok,
be
a. wissenschaftlich
arbeitet und ausgewertet worden sind (vergl. die
Ubersicht auf S. 190?191), wodurch in sehr ver
die kartographische und erd
dienstvoller Weise
magnetische
Erforschung
Innerasiens
gefordert
wur
de. Filchners Verdienst besteht also in erster Linie in
fiir die Wissenschaft. Fiir die geo
dieser Vorarbeit
insbesondere
landschaftskundliche,
graphische,
Filchners
Schilderung oder gar Forschung bieten
seine
Arbeiten wenig Brauchbares;
jedoch stellen
in
den
die
Erganzungs
kartographischen Ergebnisse,
heften Nr. 179, 215 und 231 zu Pet. Mitt, veroffent
licht sind, und seine Klostermonographie von Kum
wertvolle
Unterlagen
dar.
liche Untersuchungen
bum
fiir
spatere
wissenschaft