ifo Schnelldienst 01/2007
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1 2007 ifo Schnelldienst 60. Jg., 1.–3. KW, 19. Januar 2007 Zur Diskussion gestellt Gerhard Picot und Sabine Kamp, Peter Friedrich Q Nachtrag: Public Private Partnership Forschungsergebnisse Johann Wackerbauer Q Deutsche Wasserwirtschaft: Struktur und Entwicklungsperspektiven Daten und Prognosen Matthias Balz Q Branchen im Blickpunkt: Die deutsche Gastronomie Im Blickpunkt Hans G. Russ Q ifo Konjunkturtest Dezember 2006 Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München ifo Schnelldienst ISSN 0018-974 X Herausgeber: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München, Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: [email protected]. Redaktion: Dr. Marga Jennewein. Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, Prof. Dr. Gebhard Flaig, Dr. Gernot Nerb, Dr. Wolfgang Ochel, Dr. Heidemarie C. Sherman, Dr. Martin Werding. Vertrieb: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Erscheinungsweise: zweimal monatlich. Bezugspreis jährlich: Institutionen EUR 225,– Einzelpersonen EUR 96,– Studenten EUR 48,– Preis des Einzelheftes: EUR 10,– jeweils zuzüglich Versandkosten. Layout: Pro Design. Satz: ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Druck: Fritz Kriechbaumer, Taufkirchen. Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars. ifo Schnelldienst 1/2007 Zur Diskussion gestellt Nachtrag: Public Private Partnership – Allheilmittel für die Finanzkrisen der öffentlichen Haushalte oder Risikofaktor? 3 Ergänzend zu den im ifo Schnelldienst 24/2006 veröffentlichten Beiträgen stellt Peter Friedrich (em.), Universität der Bundeswehr München und Universität Tartu, ein Modell zur Beurteilung der volkswirtschaftlichen Effekte eines PPP-Projektes vor, da sich seiner Meinung nach die bisherigen Untersuchungen meist nur auf die betriebswirtschaftlichen Effekte, insbesondere der Finanzierung der PPP, konzentrieren. Gerhard Picot und Sabine Kamp, PICOT Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln, unterstreichen in ihrem Beitrag, »dass PPP zwar kein Allheilmittel für die Finanzkrisen der öffentlichen Haushalte beinhaltet, da jedes staatliche Projekt im Einzelfall auf seine »PPP-Tauglichkeit« hin untersucht werden muss. PPP stellt aber eine Möglichkeit dar, um die Projektrisiken zwischen den Projektpartnern optimal zu verteilen, Effizienz zu sichern und somit den Risikofaktor für die Verwaltung gering zu halten.« Forschungsergebnisse Struktur und Entwicklungsperspektiven der deutschen Wasserwirtschaft Johann Wackerbauer 14 Aufgrund eines Bundestagsbeschlusses vom 21. März 2002 sind die zuständigen Ressorts der Bundesregierung gehalten, eine Modernisierungsstrategie zur Erhöhung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Wasserdienstleister und des internationalen Engagements der deutschen Wasserwirtschaft zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund wurde das ifo Institut vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie beauftragt, den bisherigen Strukturwandel in der Wasserver- und Abwasserentsorgung und in den Wirtschaftsbereichen Planung, Anlagenbau, Ausrüstung und Anlagenbetrieb zu analysieren, um geeignete Strategien für die Zukunft ableiten zu können. Die Wasserversorgung ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen Infrastrukturbereichen gegenwärtig noch ein wettbewerbsrechtlicher Ausnahmebereich. Die Trinkwasserversorgung in Deutschland erfolgt weitgehend in kleinen, abgeschlossenen Gebietsmonopolen. Der größte Teil, gerade der kleinen Versorger, befindet sich im Eigentum der Kommunen. Die Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsunternehmen Deutschlands sind äußerst kleinteilig und dezentral organisiert. Die Entwicklungshemmnisse der deutschen Wasserwirtschaft auf den internationalen Märkten für Wasserdienstleistungen beruhen vor allem auf dieser Kleinteiligkeit und der dezentralen, kommunalwirtschaftlich geprägten Struktur der deutschen Wasserwirtschaft. Die angestrebte Modernisierungsstrategie mit den Ansätzen zur Effizienzsteigerung ermöglicht die behutsame Einführung von Wettbewerbselementen in der deutschen Wasserwirtschaft, ohne die vorhandenen Strukturen grundsätzlich in Frage zu stellen. Besonders wichtig ist dabei die verstärkte Bildung von Kooperationen bzw. die Bildung größerer Einheiten, soweit möglich auch in Gestalt von Public-Private-Partnership-Modellen. Hinderlich ist in diesem Zusammenhang jedoch die Zementierung steuerlicher Privilegien für öffentliche Entsorger sowie die erkennbare Tendenz zur Abschottung kommunaler Strukturen. Das Örtlichkeitsprinzip ist im Hinblick auf verbesserte Möglichkeiten überregionaler und auch internationaler Aktivitäten kommunaler Ver- und Entsorgungsunternehmen auf den Prüfstand zu stellen, und der Ausschreibungswettbewerb sollte intensiviert werden. Daten und Prognosen Branchen im Blickpunkt: Die deutsche Gastronomie Matthias Balz 26 Die konjunkturelle Situation und Entwicklung verlief für das deutsche Gaststättengewerbe in den letzten Jahren alles andere als befriedigend. Von Jahr zu Jahr mussten neuerliche Umsatzrückgänge verkraftet werden. Die Zahl der Insolvenzen stieg in dieser Branche überproportional an. Aber das Jahr 2006 verlief für das deutsche Gaststättengewerbe etwas positiver. Vor allem die Fußballweltmeisterschaft trug dazu bei, dass im Juni und Juli 2006 einmalig seit geraumer Zeit ein Umsatzplus gegenüber den Vorjahreszeiträumen erwirtschaftet werden konnte. Der Getränkeabsatz wies während der beiden WM-Monate Steigerungsraten von 4,7% auf. Im Blickpunkt ifo Konjunkturtest Dezember 2006 in Kürze Hans G. Russ 30 Das Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands hat sich im Dezember erneut aufgehellt. Sowohl die Geschäftslage als auch die Erwartungen verbesserten sich deutlich. Mit ungebrochenem Optimismus schätzten die Industrieunternehmen ihre Chancen im Exportgeschäft ein, trotz einer voraussichtlichen Abschwächung der Weltkonjunktur. Die Ausgangsbasis für das Jahr 2007 präsentiert sich somit als äußerst günstig, die Mehrwertsteuererhöhung wird nur eine kurzfristige Konjunktureintrübung nach sich ziehen. Mitteilung des Instituts Wir gratulieren Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer zum 75. Geburtstag Am 17. Januar 2007 feierte Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer, der Altpräsident des ifo Instituts, seinen 75. Geburtstag. Als er am 1. Juli 1976 die Präsidentschaft des ifo Instituts übernahm, konnte er bereits auf eine fast 20-jährige erfolgreiche Tätigkeit im ifo Institut zurückblicken. 1958 trat er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die Abteilung Industrie ein, deren Leitung er 1966 übernahm. Während seiner über 20-jährigen Präsidentschaft, die er als Nachfolger von Prof. Dr. Karl M. Hettlage antrat, gelang es Prof. Oppenländer, die empirische Wirtschaftsforschung stärker für wirtschaftpolitische Entscheidungen nutzbar zu machen. Vor allem auf den Gebieten der Konjunktur-, Wachstums- und Innovationsforschung, denen sein besonderes Interesse galt, konnte er Akzente setzen. Auch nach seinem Ausscheiden am 30. Juni 1999 nimmt Prof. Oppenländer lebhaft Anteil an der Arbeit des Instituts und an der wirtschaftswissenschaftlichen Entwicklung, vor allem auf dem Gebiet der Konjunkturforschung. So ist er auch weiterhin als Mitglied des CIRET Council (Centre for International Research on Economic Tendency Surveys) aktiv, ein Forum für Wissenschaftler und Institutionen, die sich mit der Analyse und Prognose des Konjunkturverlaufs beschäftigen. Vorstand, Belegschaft und Freunde des ifo Instituts gratulieren! Nachtrag: Public Private Partnership – Allheilmittel oder Risikofaktor für die Finanzkrisen der öffentlichen Haushalte? Optimierung der Aufgabenverteilung zwischen Staat und privater Wirtschaft Begriff der Public Private Partnership Unter dem Begriff der Public Private Partnership (»PPP«) versteht man die langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft, bei der die dafür erforderlichen Ressourcen (z.B. Know-how, Betriebsmittel, Kapital, Personal etc.) von den Partnern zum gegenseitigen Nutzen in einen gemeinsamen Organisationszusammenhang gestellt werden; vorhandene Projektrisiken werden dabei sachgerecht und optimal unter den Projektpartnern entsprechend ihrer Kompetenz verteilt (vgl. BMVBW 2003; Wissenschaftsrat 2006; Picot 2005a). Aufgrund der Vielfältigkeit der Erscheinungsformen und des weiten Einsatzbereiches ist diese Beschreibung von »PPP« nicht abschließend. Sie ist nur ein begrifflicher Ausgangspunkt zur Vermittlung der Reichweite dieses Rechtsinstitutes. PPP-Anwendungsbereiche eröffnen sich auf allen Ebenen staatlicher Aufgabenerfüllung, also auf Bundesund Länder-, vor allem aber auch auf Kommunalebene und bei anderen verselbständigten Verwaltungsträgern (vgl. Bonk 2004, 144 ff.). Im Rahmen der PPP kann die öffentliche Verwaltung die Planung, Finanzierung, Errichtung, Sanierung sowie den Betrieb öffentlicher Vorhaben einem privaten Unternehmen überlassen. PPP wird auf vertraglicher Basis in einer kurz- oder langfristig ausgerichteten Leistungsaustauschbeziehung oder innerhalb einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung, z.B. eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens, an denen die öffentliche Hand neben Privaten als Gesellschafterin oder Aktionärin beteiligt ist, durchgeführt (vgl. Becker 2002, 303, 305). Bei der Verhandlung und Gestaltung von PPP-Projektverträgen sind insofern sämtliche Instrumente und Techniken zu be- rücksichtigen, die auch beim (contractual- und equity-) Joint Venture und bei der strategischen Allianz – als in der Praxis häufigste Formen der Unternehmenskooperationen – zu beachten sind (vgl. Picot 2005b). Abgrenzung zur Privatisierung Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff der PPP häufig zu weit verstanden, weil nicht exakt zwischen den unterschiedlichen Begriffen »PPP« und »Privatisierung« unterschieden wird. Das Zusammenwirken der öffentlichen Hand mit dem privaten Rechtssubjekt im Wege von PPP-Modellen schließt nicht jegliche Art der Privatisierung in den Anwendungsbereich von PPP mit ein. Vielmehr ist das Rechtsinstitut PPP gerade von den Begriffen »Beleihung«, »formelle Privatisierung« und »materielle Privatisierung« abzugrenzen. Bei der materiellen Privatisierung überträgt die öffentliche Hand die öffentlichrechtlichen Aufgaben privaten Rechtsträgern zur selbständigen Erfüllung. Dadurch erfolgt eine vollständige Ausgliederung der öffentlichen Aufgabe aus dem Bereich des staatlichen Einflusses auf Private (vgl. Kiethe 2004; Stelkens et al. 2001). Die materielle Privatisierung wird auch als »Aufgabenprivatisierung« bezeichnet (vgl. Kopp und Ramsauer 2005, Rn. 105; Stober 2006, § 41 I). Ein bekannter Fall materieller Privatisierung ist beispielsweise der Verkauf der VIAG durch den Freistaat Bayern an einen privaten Investor. Auch bei dem Verkauf kommunaler Stadtwerke handelt es sich um diese Privatisierungsform. Gerhard Picot* Sabine Kamp** Im Rahmen der formellen Privatisierung bleibt es bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die öffentliche Hand. Diese bedient sich jedoch einer privatrechtlichen Gesellschaftsform. Gegenstand der Privatisierung ist mit* Prof. Dr. Gerhard Picot ist Senior-Partner der PICOT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln, und Leiter des Institute for Mergers & Acquisitions an der EBS, Oestrich-Winkel. * Dr. Sabine Kamp ist Associate der PICOT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 3 4 Zur Diskussion gestellt hin nur die Organisation der öffentlich-rechtlichen Aufgabe, nicht dagegen die öffentliche Aufgabe selbst (Kiethe 2004; Stelkens et al. 2001; Stober 2006). Bei einer formellen Privatisierung spricht man daher auch von einer »Organisationsprivatisierung« (vgl. Kopp und Ramsauer 2005; Burgi 2006). Bekannte Beispiele formeller Privatisierung sind die Umwandlung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost in Aktiengesellschaften. Auch die Aufgaben der Deutschen Bundesdruckerei werden mittlerweile in der Rechtsform einer GmbH wahrgenommen. Kooperationen zwischen öffentlicher und privater Hand können auch darin bestehen, dass ein Privatrechtssubjekt im Wege einer Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet wird (so beispielsweise der TÜV). Bei der Beleihung nehmen Privatpersonen (natürliche oder juristische Personen) Verwaltungsaufgaben selbständig wahr, nachdem ihnen aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage Entscheidungskompetenzen übertragen werden (vgl. Weber et al. 2005). Die vorgenannten Arten der Privatisierung lassen sich nicht unter den Begriff der PPP einordnen. PPP ist somit von den genannten Privatisierungsformen strikt zu trennen. PPPKonzepte lassen sich entgegen der formellen und materiellen Privatisierung jedoch unter den Begriff der »funktionalen Privatisierung« subsumieren. Dabei wird PPP häufig als eine besondere Art der funktionalen Privatisierung angesehen. Bei der funktionalen Privatisierung wird im Gegensatz zu der formellen und materiellen Privatisierung nur der Vollzug der Aufgabe, also die Leistungserstellung oder Aufgabendurchführung, auf den Privaten übertragen. Die Aufgabenzuständigkeit und die Verantwortung dafür bleiben bei dem Träger der öffentlichen Verwaltung (vgl. Stelkens et al. 2001). Damit wird der Private als sog. Verwaltungshelfer tätig (vgl. Schoch 1994, 962 f.) Einem Verwaltungshelfer werden grundsätzlich keine Entscheidungsbefugnisse eingeräumt. Trotz des Einsatzes von Verwaltungshelfern handelt es sich um unmittelbare Staatsverwaltung, wobei aus der Sicht des Bürgers die Handlungen des Privaten Handlungen der Behörde sind. Im Wege der funktionalen Privatisierung kann die staatliche Verwaltung beispielsweise Hilfsaufgaben – wie IT-Dienstleistungen – auf Private als Verwaltungshelfer übertragen oder die staatliche Aufgabe der Müllabfuhr durch eine private Entsorgungsfirma durchführen lassen. Im Rahmen der funktionalen Privatisierung ist auch die Bildung eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens denkbar, dessen Anteile sowohl von der öffentlichen Hand als auch von einem Privaten gehalten werden (vgl. Picot 2005a). Die Gründung eines gemischt-wirtschaftlichen ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang Unternehmens kann zum Beispiel durch die öffentliche Hand gemeinsam mit einem Privaten oder durch einen Verkauf der Anteile der öffentlichen Hand an einer Eigengesellschaft an einen Privaten erfolgen. PPP als Allheilmittel oder Risikofaktor für die Finanzkrisen der öffentlichen Haushalte? Das Marktvolumen laufender PPP-Projekte in Europa betrug im Jahre 2005 rund 50 Mrd. €, während das Volumen in Deutschland im gleichen Zeitraum von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau auf rund 8 Mrd. € angestiegen ist. Damit wuchs das Interesse an PPP-Konzepten in Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarländern erst sehr spät, obwohl das Risiko für die öffentliche Hand bei PPP-Modellen aufgrund der überwiegenden Vorteile, die im Folgenden näher dargestellt werden, grundsätzlich als gering einzustufen ist. Aufbauend auf die vorherigen Ausführungen, lässt sich die Frage, ob PPP ein »Allheilmittel oder Risikofaktor für die Finanzkrisen der öffentlichen Haushalte« ist, am anschaulichsten anhand eines Beispiels aus der Praxis beantworten: Beispiel1: Ein Privatunternehmen plant und baut eigenverantwortlich, aber auf Anregung und im Zusammenwirken mit der Kommune ein von dieser benötigtes, neues Verwaltungsgebäude. Dabei übernimmt das Privatunternehmen die Bauherreneigenschaft und trägt das wirtschaftliche Risiko der Fertigung. Nach Fertigstellung betreibt das Privatunternehmen das in seinem Eigentum stehende Verwaltungsgebäude. Für die Nutzung des wunschgemäß errichteten Gebäudes zahlt die Kommune so dann an das Privatunternehmen während einer langjährigen Vertragslaufzeit ein monatliches Entgelt. Zum Vertragsende kann schließlich je nach Vertragsgestaltung (Erwerbermodell/Leasingmodell) das Eigentum an Grundstück und Gebäude auf die Kommune übergehen oder nicht.2 1 Aufgrund der Vielgestaltigkeit der PPP-Kooperationen zwischen der öffentlichen Verwaltung und privaten Rechtsträgern ist es nicht möglich, mit einem Beispiel alle verschiedenen PPP-Grundmodelle zu erfassen. Insofern gibt das vorgenannte Beispiel nicht abschließend wieder, was unter PPP zu subsumieren ist. Es weist jedoch die Zielsetzung der vertraglich geregelten Zusammenarbeit zwischen der Öffentlichkeit und dem Privaten auf. 2 Prinzipielle Unterschiede zwischen verschiedenen möglichen Vertragsmodellen der PPP bestehen insbesondere hinsichtlich der Eigentumszuordnung (vor, während und nach der Vertragslaufzeit), des vertraglichen Leistungsumfangs, der Risikoverteilung und der Entgeltstruktur. Ein PPPProjekt liegt nicht vor, wenn sich die öffentliche Hand nur zum Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes eines Privatunternehmens bedient. In diesem Fall handelt es sich vielmehr um ein normales öffentliches Vergabeverfahren. Zur Diskussion gestellt Effektivitäts- und Effizienzsteigerung durch PPP Wie eingangs erwähnt, erfolgt die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft zumeist mit dem Ziel der Effizienzsteigerung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und der Erschließung privatwirtschaftlich möglicher Innovationen für den öffentlichen Sektor, wobei neue Märkte und Wettbewerbsstrukturen genutzt werden können (vgl. BMVBW 2003, 1; Wissenschaftsrat 2006, 10). Das partnerschaftliche Miteinander von öffentlicher Hand und dem privaten Rechtsträger bietet den öffentlichen Haushalten die Möglichkeit, durch den Austausch der verschiedenen Kompetenzen der Projektpartner, geplante Maßnahmen noch effektiver zu realisieren. Bei der Einschaltung privater Wirtschaftssubjekte beruht die Motivation des Verwaltungsträgers zumeist auf der spezifischen Fachkompetenz des privaten Unternehmens und/oder seiner Finanzstärke. Beabsichtigt ist dabei grundsätzlich die Schaffung einer besseren Infrastruktur. Nach Untersuchungen des Deutschen Institutes für Urbanistik im Jahre 2005 (S. 29 ff.) stellte sich heraus, dass im Wege der Durchführung von PPP-Konzepten sowohl auf Bundes- und Länderebene als auch auf Kommunalebene die Wirtschaftlichkeitserwartungen bei den Projekten eingehalten worden sind. Die untersuchten Projekte ergaben durchschnittlich Effizienzvorteile von ca. 10%. Nach obigem Beispiel hat die Kommune die Möglichkeit, die Planung, den Bau und den Betrieb des Verwaltungsgebäudes dem Privatunternehmen zu überlassen. Das auf solche Tätigkeiten spezialisierte Unternehmen wird aufgrund seiner Erfahrung und Arbeitskräfte sowie seines Know-how-Vorsprunges die übertragenen Aufgaben effizienter und effektiver ausüben können als die Kommune. Finanzielle Entlastung der öffentlichen Haushalte Die finanzielle Entlastung der öffentlichen Haushalte ist wohl der wichtigste Aspekt bei der Umsetzung von PPP-Konzepten. Das wirtschaftliche Risiko der öffentlichen Haushalte ist bei einer Projektrealisierung im Wege von PPP in den meisten Fällen als relativ gering einzuschätzen. Durch eine Beteiligung privater Wirtschaftsträger wird der öffentlichen Hand ermöglicht, mit einem geringeren Kostenaufwand und -risiko größere Projekte zu verwirklichen. Meist steht die Verwaltung nicht vor der Wahl, ob sie die Realisierung eines Projektes (beispielsweise die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes)3 vornimmt oder nicht. Wenn sie zur Vornahme der Realisierung eines Projektes aufgrund 3 Vgl. obiges Beispiel. ihrer im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge übertragenen Aufgaben verpflichtet ist, hat sie im Wege von PPPModellen die Möglichkeit, die dafür anfallenden Kosten entweder ganz auf das Privatunternehmen abzuwälzen oder sie zumindest mit dem Privatunternehmen zu teilen. Dies liegt vor allem daran, dass im Rahmen der Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit einem Privatunternehmen grundsätzlich der private Wirtschaftsträger für die Finanzierung des Vorhabens zuständig ist und damit ein Großteil des wirtschaftlichen Risikos auf seinen Schultern lastet. Dabei hängt es von der jeweiligen Ausgestaltung des Kooperationsvertrages ab, inwieweit die Verwaltung die Kostentragungspflicht übernimmt. Nach obigem Beispiel sind die Kosten des PPP-Projektes für die Kommune überschaubar, weil sie nach diesem PPP-Modell für die Nutzung des Verwaltungsgebäudes an das Privatunternehmen ein zuvor fest vereinbartes Entgelt entrichtet. Die Kommune kann somit die für sie anfallenden Kosten fest einkalkulieren und geht kein finanzielles Risiko ein. Aus diesem Grund ist PPP grundsätzlich als alternative Finanzierungslösung zur Entlastung oder finanziellen Unterstützung der öffentlichen Haushalte zu betrachten, die sehr hilfreich sein kann, um in Zeiten der Knappheit öffentlicher Mittel die Fortentwicklung öffentlicher Vorhaben zu gewährleisten. Schnellere Realisierungsmöglichkeiten Ein weiterer Vorteil von PPP bei privatisierten öffentlichen Infrastrukturen ist neben der Entlastung der öffentlichen Haushalte vor allem die zeitlich schnellere Realisierungsmöglichkeit. Weil die Leistungserbringung zumeist durch das private Unternehmen finanziert wird, entfällt der zeitliche Vorlauf staatlicher Bereitstellung. Zudem entspricht es auch dem Konzept der marktwirtschaftlich orientierten Rechtsordnung, wenn sich die öffentliche Hand auf diejenigen Aufgaben beschränkt, die ihr vom Staat übertragen worden sind, während die privaten Wirtschaftssubjekte entsprechend ihrem unternehmerischen Fokus die Planung, Finanzierung, Errichtung, Sanierung sowie den optimalen Betrieb öffentlicher Vorhaben übernehmen. Die sich daraus ergebenden Technologie-, Erfahrungs-, Konzeptionsund Informationsvorteile führen oftmals zu erheblichen Zeitgewinnen. Nach obigem Beispiel ist das von dem Privatunternehmen errichtete Verwaltungsgebäude wahrscheinlich schneller bezugsfertig und einsetzbar, als wenn die Kommune selbst für die Planung und Errichtung des Gebäudes zuständig gewesen wäre. Auf diese Weise lässt sich erneut eine Effektivitätssteigerung feststellen. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 5 6 Zur Diskussion gestellt Modernisierung Die privaten Wirtschaftsträger bezwecken im Rahmen einer Beteiligung an PPP-Projekten vor allem die Erschließung neuer Geschäftsfelder und Renditemöglichkeiten, wobei die Gewinnung öffentlicher Meinungsträger für die privaten Unternehmen auch als Einstieg in die vollständige Privatisierung öffentlicher Aufgabenfelder genutzt werden kann (vgl. Wissenschaftsrat 2006, 10). PPP kann somit einen wichtigen Baustein für die Modernisierung der Staatsverwaltung darstellen. Insbesondere für die Kommunalverwaltungen schafft PPP die Möglichkeit, neben erheblichen Einsparungen der Haushalte auch ein Mehr an Aufgaben verwirklichen zu können. Dies ist gerade im Hinblick auf die Zunahme der öffentlichen Aufgaben bei gleich bleibenden Kapazitäten der Verwaltungsträger ein guter Lösungsweg. Durch die Einführung von PPP-Modellen kann somit nicht nur eine Verbesserung der Infrastruktur, Kultur, Bildung und Lebensqualität erfolgen; auch werden Privatinitiativen Modernisierungsmöglichkeiten aufdecken können, die dem Staat möglicherweise verborgen blieben. Auch nach obigem Beispiel kann die Kommune durch den Einfluss des Privatunternehmens bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb des Verwaltungsgebäudes Hinweise zu Modernisierungsmöglichkeiten sowohl in Bezug auf das Gebäude selbst als auch auf weitere Ideen rund um das Projekt erhalten. Einzelfallbetrachtung Selbst bei der hier vorgenommenen positiven Bewertung der PPP ist allerdings zu beachten, dass diese kein »Allheilmittel« für die öffentlichen Haushalte darstellt. Bei der Durchführung von PPP-Projekten hängt es nämlich immer vom Einzelfall ab, ob die gemeinsamen Zielvorstellungen der öffentlichen Hand und des privaten Rechtsträgers tatsächlich erreicht werden können. PPP ersetzt weder eine vernünftige Haushaltspolitik, noch können mit Hilfe von PPP nicht wirtschaftlich finanzierbare, aber dennoch notwendige Vorhaben des Staates realisiert werden. Auch trägt der Staat das etwaige Risiko der aus der Unwirtschaftlichkeit eines Projektes resultierenden Insolvenz des privaten Anbieters; diese kann dem Staat letztlich während oder nach Durchführung des PPP-Projektes die Erfüllung »seiner« Aufgaben unmöglich machen. PPP ist somit vornehmlich ein Instrument zur Neuordnung und Optimierung der Aufgabenverteilung zwischen Staat und privater Wirtschaft. Insofern sind im Rahmen der Planung die Vor- und Nachteile der Durchführung eines Projektes mit und ohne PPP aus der Sicht der Hoheitsträger sowie aus der Sicht des Privatunternehmers gegeneinander abzuwägen. ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang Nach obigem Beispiel hängt der wirtschaftliche Erfolg des PPP-Projektes beispielsweise davon ab, wie hoch während der langjährigen Vertragslaufzeit das monatliche Entgelt ist, das die Kommune an das Unternehmen zu entrichten hat. Ist die Kommune finanziell nicht in der Lage, für die laufenden Kosten aufzukommen, so kann das Ziel auch nicht mit Hilfe von PPP erreicht werden. Nur eingeschränkte Abhängigkeit der Verwaltung von Privatunternehmen In Fällen materieller Privatisierung hat die öffentliche Hand keinerlei Einfluss mehr auf die Aufgabenerfüllung, da diese vollständig auf ein privates Unternehmen übertragen wird. Der mangelnde Einfluss des Staates auf die Erfüllung der Aufgaben stellt einen gewissen Risikofaktor dar, weil die Aufgabenerfüllung allein in Abhängigkeit von der Führung und Wirtschaftslage des Unternehmens steht und die öffentliche Hand auch im Falle einer schlechten Unternehmensführung nicht mehr in der Lage ist, unterstützend einzugreifen. Im Rahmen von PPP-Projekten stellt sich diese Problematik nicht in demselben Maße wie bei der materiellen Privatisierung. Für PPP-Vorhaben spricht vielmehr ihre Transparenz, denn die Verwaltung kann die Projekt-Entwicklungen und deren Resultate laufend nachvollziehen und aktiv mitgestalten, weil die Aufgabenverteilung zwischen den beteiligten Unternehmen und der Verwaltung vertraglich genau festgelegt wird. Gerade in gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen lässt sich der Kooperationsgedanke von PPP ideal verwirklichen. Aber auch bei dem Einsatz von Verwaltungshelfern handelt es sich weiterhin um eine unmittelbare Staatsverwaltung, wobei die Handlung des Privaten im Außenverhältnis eine Handlung der Behörde darstellt. Allerdings besteht auch bei PPP-Projekten die Gefahr, dass die demokratische Kontrolle verloren geht, falls ein Projekt nicht ausreichend von der Verwaltung überwacht wird. Ein negatives Beispiel hierfür lieferte etwa die Einführung der LkwMaut in Deutschland durch das private Unternehmen TollCollect. Rechtsunsicherheit Unsicherheiten können sich aber vor allem auch daraus ergeben, dass in weiten Bereichen gesetzliche Regelungen hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit und Grenzen von PPP fehlen und noch nicht alle Konzepte ausgereift sind (vgl. Wolff et al. 2004, § 92, Rn 33). In diesem Zusammenhang führt auch das »Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften« (sog. »ÖPP-Beschleunigungsge- Zur Diskussion gestellt setz«, BGBl. 2005 I, 2676) nicht zu einer wesentlichen Verringerung der Risiken. Das Gesetz enthält nämlich keine allgemeinen Regelungen zur Zulässigkeit von PPP. Auch mangelt es an Vorschriften betreffend die notwendigen Vertragsbestandteile (sog. essentialia negotii) eines Kooperationsvertrages zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Wirtschaftsträger sowie die rechtlichen Grenzen von PPP-Modellen. Vielmehr sieht das Gesetz lediglich Änderungen einiger gesetzlicher Vorschriften vor, wie beispielsweise im Bereich des Vergaberechts, der Bundeshaushaltsordnung, im Investmentgesetz und im Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz. Schoch, F. (1994), »Privatisierung von Verwaltungsaufgaben«, Deutsches Verwaltungsblatt, 962–977. Stelkens, P., H.J. Bonk und M. Sachs (2001), Verwaltungsverfahrensgesetz: VwVfG, 6. Auflage, Beck. München. Stober, R. (2006), Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 15. Auflage, Kohlhammer, München. Weber, M., M. Schäfer und F.L. Hausmann (2005), Praxishandbuch Public Private Partnership, Beck, München. Wissenschaftsrat (2006), Empfehlungen zu Public Private Partnerships (PPP) und Privatisierungen in der universitätsmedizinischen Krankenversorgung, Berlin. Wolff, H:, O. Bachof und R. Stober (2004), Verwaltungsrecht, Band 3, 5. Auflage, Beck, München. Zusammenfassung Trotz der vorstehend dargestellten Risiken von PPP-Modellen lässt sich aufgrund der überwiegenden Vorteile von PPP insgesamt festhalten, dass man mit PPP-Vorhaben grundsätzlich die Zunahme von Staatsaufgaben bei wachsender Komplexität und gleich bleibenden Kapazitäten reduzieren und die Finanznot des Staates lindern kann. PPP leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Reorganisierung und Restrukturierung der öffentlichen Verwaltung (vgl. Wolff 2004). Die Stärken und Schwächen des Staates und der Privatwirtschaft lassen sich daher durch eine entsprechende Ausgestaltung eines Kooperationsvertrages in der Weise aufteilen, dass sowohl die Öffentlichkeit als auch der private Wirtschaftsträger voneinander profitieren können. Insofern lässt sich zusammenfassen, dass PPP zwar kein Allheilmittel für die Finanzkrisen der öffentlichen Haushalte beinhaltet, da jedes staatliche Projekt im Einzelfall auf seine »PPP-Tauglichkeit« hin untersucht werden muss. PPP stellt aber eine Möglichkeit dar, um die Projektrisiken zwischen den Projektpartnern optimal zu verteilen, Effizienz zu sichern und somit den Risikofaktor für die Verwaltung gering zu halten. Literatur Becker, J. (2002), »Rechtsrahmen für Public Private Partnership«, Zeitschrift für Rechtspolitik, 303–308. BMVBW (2003), PPP im öffentlichen Hochbau, Gutachten, Band II, Berlin. Bonk, H.J. (2004), »Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Vertrags unter besonderer Berücksichtigung der Public Private Partnership«, Deutsches Verwaltungsblatt 141–149. Burgi, M. (2006), »Verwaltungsorganisationsrecht«, in: H.-U. Erichsen und D.Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, de Gruyter, Berlin, New York. Deutsches Institut für Urbanistik (2005), Public Private Partnership Projekte, Eine aktuelle Bestandsaufnahme in Bund, Ländern und Kommunen, Berlin. Kiethe, K. (2004), »Die Auslegung von Privatisierungsverträgen«, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (7), 993–999. Kopp, F.O. und U. Ramsauer (2005), Verwaltungsverfahrensgesetz: VwVfG, 9. Auflage, Beck. München. Picot, G. (2005a), »PPP – Ein Standard für M&A?«, M&A-Review (1), 1. Picot, G. (Hrsg. 2005b), Handbuch Mergers & Acquisitions, 3. Auflage, Schäffer, Poeschel, Stuttgart. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 7 8 Zur Diskussion gestellt Entwicklung eines volkswirtschaftlichen Public Sector Comparator für ein Public Private Partnership von Peter Friedrich* Problemstellung Effekte der Public Private Partnership Generell gehen wir von Effekten bei den beteiligten Partnern und von Effekten, die bei nicht direkt am Projekt beteiligten Wirtschaftseinheiten auftreten, aus. Allgemein lassen sich • • • • • • • fachwirtschaftliche (sektorspezifische), betriebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche, fiskalische, juristische, politische und Umwelteffekte unterscheiden. Diese Effekte betreffen nicht nur die PPPPartner, sondern auch andere Wirtschaftssubjekte, die von der Realisierung des PPP-Projektes betroffen werden. Im Rahmen der PPP-Literatur werden insbesondere Effekte angesprochen, die mit Risiken für das Gelingen eines PPP der beteiligten Partner im Zusammenhang stehen (vgl. Pfnür und Eberhardt 2005). Man unterscheidet politische Risiken der inneren und äußerer Sicherheit, z.B. Enteignungen, Genehmigungserfordernisse, fiskalpolitische Risiken, rechtliche Risiken infolge der Änderung von Gesetzen, von Konflikten zwischen öffentlichen Trägern usw. Kommerzielle Risiken der Projektteilnehmer betreffen hauptsächlich Nachfrageänderungen, Währungsverschiebungen und Preissteigerungen. Ferner existieren Planungsrisiken, Risiken der Baukostenüberschreitung und der Bauunterhaltskosten. Es wird diskutiert, wie Risiken überwälzt werden können und inwiefern sie die Stabilität des PPP gefährden. Eine verstärkte Orientierung an Risiken, die nicht nur die unmittelbar am PPP beteiligten Wirtschaftssubjekte betreffen, zeigt die Einteilung in technische Risiken (z.B. Planungsrisiko, geologisches Risiko, Fertigstellungsrisiko, technologisches Risiko), in wirtschaftliche Risiken (z.B. Betriebsrisiko, Marktrisiko, finanzielles Risiko) sowie globale Risiken (z.B. politische Risiken, Risiken aus höherer Gewalt) (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2001, 207 ff.). Um abzuschätzen, ob solche Risiken eintre- * Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Friedrich, Extraordinariat für öffentliche Wirtschaft, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Management, Universität Tartu, Estland. ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang ten, ist festzustellen, welche Effekte überhaupt auftreten und wie groß diese sein mögen. Erst dann lassen sich manche Verfahren der Risikobestimmung und -beurteilung, wie z.B. das Zuschlagsverfahren oder die simulative Risikoanalyse, anwenden (vgl. Pfnür und Eberhardt 2005) und ein ausgewogener PPP-Vertrag oder eine PPP-Institution entwerfen, welche die Beteiligten in eine Win-Win-Situation führt. Häufig muss bei der Übertragung öffentlicher Aufgaben letztlich die öffentliche Hand das Risiko privaten Versagens tragen. Deshalb wenden wir uns insbesondere der Ermittlung der volkswirtschaftlichen und fiskalischen Effekte zu.1 Sie betreffen hauptsächlich den öffentlichen Partner im PPP, auf den wir uns konzentrieren wollen. Die volkswirtschaftlichen Effekte (vgl. Friedrich und Wonnemann 2003) des PPP betreffen u.a. die Einkommen, die Beschäftigung, die Produktion sowie Wanderungsströme. Daneben existieren volkswirtschaftliche Effekte auf die Wirtschaftsordnung, Infrastruktureffekte und den Wettbewerb öffentlicher Träger. Fiskalische Effekte betreffen den oder die am PPP beteiligten öffentlichen Träger. Deshalb interessiert die finanzielle Situation des PPP, das Budget der Standortgemeinde, das Budget der restlichen Gemeinden im Bundesland, das Budget des Standortbundeslandes, die Budgets anderer Bundesländer, die Budgets der Gemeinden in anderen Bundesländern, das Budget der Bundesrepublik Deutschland und das Budget der Sozialversicherung. Weitere Effekte, z.B. auf Marktformen, treten im deutschen Ordnungsrahmen manchmal auf, etwa bei der Energieversorgung. Ferner mögen sich über die Ausschreibungen zur Gewinnung von Kapitalbeteiligungen, die Eigentümerstruktur und somit auch die Preis- und Gebührensetzung, das Investitionsverhalten und die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ändern, obwohl auch für gemeindliche PPP die Gebührensetzung gemäß der Kommunalabgabengesetze relevant sind. Mit Umwelteffekten (vgl. Gottschalk 1997; Kahlenborn und Kraemer 2003.) und Einkommensverteilungseffekten zugunsten privater Eigner ist zu rechnen, falls es den öffentlichen Trägern nicht gelingt, die Privateigentümer im PPP zu übervorteilen, z.B. wie im Falle des Kanaltunnels. Der Ansatz typenbezogener Standortwahl zur Ermittlung der Effekte Zur Ermittlung der volkswirtschaftlichen und fiskalischen Wirkungen, die von einem PPP ausgehen, stehen verschiede1 Die fachspezifischen (vgl. Gottschalk 1997; 2004; Gäde-Butzlaff 2004; Napp 2004; Europäische Kommission 2004a; Wackerbauer 2005), betriebswirtschaftlichen (vgl. Kirchhoff, Müller und Godefroy 1996; Weber 2005) und juristischen (vgl. Schuppert 1997; Tettinger; Europäische Kommission 2004b; Fischer und Schubert 2005; Püttner 2005) fließen in das PPP-Projekt, dessen volkswirtschaftliche und fiskalische Effekte festgestellt werden sollen, ein. Zur Diskussion gestellt ne Methoden zur Ermittlung einzelner Effekte zur Verfügung (etwa Multiplikatormodelle, Input-Outputmodelle, ökonometrische Verfahren, Kalibrierungsverfahren, Methoden der Projektplanung und des Layouts). Um die Wirkungen und Wohlfahrtseffekte öffentlicher Ausgaben und Maßnahmen zu ermitteln (vgl. Bröcker 1998; 2001; Haddad und Hewings 2001), setzen Ökonomen seit einiger Zeit CGE-Modelle (Computable General Equilibrium Models) ein. Allerdings wird in den existierenden CGE-Modellen der öffentliche Sektor nicht intensiv genug modelliert (vgl. Dixon et al. 1992; Shoven und Whalley 1992), um sie für die Ermittlung der Effekte auf die öffentlichen Beteiligten an einem PPP einzusetzen. In die CGE-Modelle müssten sich weitere für die Koordination im öffentlichen Sektor PPP- relevante Gegebenheiten einbauen lassen. Dies ist nicht einfach, da neben Gleichgewichten auf vornehmlich privat dominierten Märkten auch Gleichgewichte unter Einschluss öffentlicher Märkte und politischer Gleichgewichtsanalyse Berücksichtigung finden müssten (vgl. Friedrich 2003). Übersicht Arbeitsschritte der Effektabschätzung Vor der Entwicklung der CGE-Modelle wurde von Friedrich und Wonnemann (1981) ein Ansatz zur Ermittlung von Standorteffekten entwickelt, um projektbezogen die obigen Quelle: Darstellung des Autors. Effekte abzuschätzen Er wurde herangezogen, um für verschiedene Rechtsformen und Sektoren und drei öffentliche Sektoren; Güter-, Kapital- und Arten von Verwaltungen sowie PPP sowohl die resultierenArbeitsmärkte sowie reale Verflechtungen zwischen Verwalden Budgeteffekte für Gebietskörperschaften als auch die tungen und Steuer-, Ausgaben- und Finanzausgleichsbevolkswirtschaftlichen Effekte zu eruieren (vgl. Friedrich 1985; ziehungen; die Standortgemeinde, deren Umland, das Wonnemann 1989; Feng 2007). Standortbundesland, restliche Gemeinden, restliche Bundesländer, Bund, übrige Welt; Güterströme zwischen ReDer Ansatz typenbezogener Standortwahl umfasst ein Vergionen, Geldströme, Faktorströme, Pendler, Wanderunfahren zur Feststellung, ob eine PPP-Ansiedlung überhaupt gen sowie Beziehungen zwischen Verwaltungen und primöglich ist, die Feststellung ergänzender Ansiedlungsmaßvaten Wirtschaftssubjekten sowie Sozialversicherung. Der nahmen und ein Modell zur Errechnung der Effekte (vgl. Ansatz typenbezogener Standortwahl wurde von uns für Übersicht). Das Modell2 besitzt fünf privatwirtschaftliche die Ermittlung der Effekte etlicher Projekte herangezogen.3 Der Ansatz passt sich gut in die Erfordernisse der Konzi2 Im Gegensatz zu den CGE-Modellen werden die Verhaltensanpassungen pierung von PPP-Vorhaben ein, denn zunächst wird abgeüber Crowding-out-Effekte und deren Größe berücksichtigt. Während die prüft, ob die Entstehung eines PPP und dessen StandortCGE-Modelle erlauben, Verhaltensänderungen über Gleichgewichtsänwahl überhaupt möglich ist. Hierzu werden Anforderungen derungen zu bestimmen, bietet unser Ansatz Möglichkeiten, das Modell einfach an Realitätsänderungen über Parameteränderungen anzupassen, seitens des PPP formuliert, z.B. landesplanerische, andeohne das Zutreffen politischer und ökonomischer Gleichgewichtstheorien re rechtliche und infrastrukturelle Voraussetzungen, Kaufvorauszusetzen. Die Parameter des Modells werden nicht ökonometrisch geschätzt, sondern projekt- und regionsbezogen mittels statistischer Dakraftpotentiale, finanzielle Voraussetzungen, Förderungsten sowie Daten, welche über Interviews ermittelt werden, errechnet. Für diese Analyseschritte stehen Kriterien (V1–V6, G1–G6, V7–V12, G13–G26, V13–V26) zur Verfügung, die zum einen das PPP und zum anderen die Standortgemeinde sowie die erwähnten einbezogenen Regionen betreffen. Diese Kriterien werden mittels der Daten aufgefüllt und in empirisch gestützte Formeln zur Bestimmung der Parameterwerte eingesetzt. Das Modell besitzt 4006 Gleichungen. Es wurde nach Variablen aufgelöst, welche die oben bezeichneten wichtige Effekte beinhalten. 3 Es handelt sich um 50 Projekte in Arnsberg, Bamberg, Bayreuth, Coburg, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erlangen, Flensburg, Freiburg, Fulda, Gummersbach, Jilin, Itzehoe, Kassel, Kiel, Kulmbach, München, Neubrandenburg, Oberhausen, Regensburg, Regensdorf (Zürich), Shanghai, Siegen, Weißenburg und Xian. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 9 10 Zur Diskussion gestellt mittel, Finanzkraft öffentlicher Träger usw. Ferner werden Anforderungen der Standortgemeinde oder des öffentlichen PPP-Trägers formuliert, wie etwa Produktionseigenheiten des PPP, seine infrastrukturelle Einpassung, seine Übereinstimmung mit landesplanerischen Anforderungen, seine finanziellen Notwendigkeiten und die eigene Mitfinanzierungsmöglichkeit, unerwünschte Umwelteffekte oder Umweltanforderungen, Entsprechung von Ausschreibungsbedingungen usw. Ist die Errichtung und die Niederlassung dieses PPP an einem Standort in der Standortgemeinde prinzipiell möglich, so ist das PPP zu entwickeln, auszuformulieren und die Standortverbesserungsmaßnahmen, die erforderlich werden, damit das PPP reibungslos funktioniert, sind festzulegen. Die Verfolgung dieses Ansatzes verweist den Analysten auf die Notwendigkeit, dass das Projekt nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich konzipiert werden muss. Die zum Projekt gehörigen Maßnahmen und die direkten Effekte sind zu bestimmen, z.B. Netzveränderungen, Straßenänderungen, Eingriffe in die Landschaftsnutzung, direkte Steuerzahlungen, Zuschüsse, Subventionen. Ferner werden die betriebswirtschaftlichen Grundlagen für das PPP konzipiert, z.B. Teilhaberschaften, technische Produktionsverfahren, Bezugsquellen, Absatzgebiete, Investitionen bei den Abnehmern und Lieferanten. Nach Festlegung der Beschaffungs-, Produktions-, Absatz- und Finanzierungsaktivitäten unter Berücksichtigung von Risikoanalysen lässt sich ein Business- oder Geschäftsentwicklungsplan aufstellen. Darüber hinaus sind PPP-spezifische Probleme zu lösen, welche die Abschätzung der volkswirtschaftlichen Effekte erschweren. Die private Teilhaberschaft ist gemäß EURecht auszuschreiben, damit ist aber nicht sicher, wer der private Teilhaber und welche volkswirtschaftlichen Folgen diese zukünftige Auswahl des Teilhabers haben wird. Es entsteht Unsicherheit, und der Analyst muss über Annahmen, das nicht bekannte Ausschreibungsergebnis vorwegnehmen. So ist beispielsweise volkswirtschaftlich relevant, aus welcher Region der Teilhaber stammt, wo Kapital abgezogen wird oder ob man diese Teilhabe wie eine Aufnahme von Fremdkapital mit Eigenkapitalverzinsung behandeln kann. Besonders erschwert wird die Analyse, falls an dem PPP ein privater Teilhaber mit einer Beteiligung von über 1% des Gesellschaftskapitals beteiligt ist. Dann soll nämlich auch die Übertragung der öffentlichen Aufgabe ausgeschrieben werden (vgl. Tomerius1999). Ein so genanntes Inhouse-Geschäft ist nur dann statthaft, falls das gegründete gemischtwirtschaftliche Unternehmen die Ausschreibung gewinnt. Es kann sein, dass das gemischtwirtschaftliche Unternehmen nicht zum Zuge kommt (vgl. Schwintowski 2005) und als Folge ein ganz anderes Projekt beurteilt werden muss, wobei allerdings die Fehlgründung des PPP mit seinen Folgen einzubeziehen ist.4 Abifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang gesehen von etlichen negativen volkswirtschaftlichen Folgen wird die hier interessierende Ermittlung der volkswirtschaftlichen Effekte besonders erschwert. Positiv wirkt sich für die Effektermittlung aus, dass das EURecht eine exakte Ausarbeitung des PPP-Projektes verlangt. Ferner erleichtern die verstärkten internationalen, EU-weiten und nationalen Bemühungen in Richtung auf yard-stick competition sowie Betriebsvergleiche (benchmarking) die Formulierung von Annahmen über die Ausgestaltung des PPP und seiner Folgen (vgl. Clausen und Scheele 2002). Das Modell wurde zur Errechnung der Wirkungen nach den wichtigsten Größen aufgelöst (vgl. Friedrich 1985; Wonnemann 1989). Dazu zählen die Einkommen in der Standortgemeinde, in den restlichen Gemeinden in dem Standortbundesland, im Standortbundesland, in den restlichen Bundesländern, in den dortigen Gemeinden und in Deutschland. Für diese Regionen werden sowohl die Beschäftigungs- als auch die Produktions- und Wanderungseffekte ermittelt. Gleichzeitig bestimmen wir die Haushaltsveränderungen für die Standortgemeinde, die restlichen Gemeinden des Standortbundeslandes, der Gemeinden in anderen Bundesländern und dieser Bundesländer. Ferner wird die Veränderung des Budgets der Sozialversicherung aufgezeigt, z.B. für das PPP Allianz Arena München (vgl. Friedrich et al. 2001). Derartige volkswirtschaftliche und fiskalische Effekte fallen durchaus unterschiedlich aus je nach Standortregion und der Auslegung der PPP-Projekte. Mit Hilfe des Modells und der bislang analysierten Fälle, die teilweise PPP darstellen, sind wir in der Lage, Aussagen darüber zu formulieren, welche PPP große Effekte erwarten lassen. Bezüglich der Effekte auf das Trägerbudget zeigen die erwähnten Studien, dass die direkten Effekte das Trägerbudget besonders stark betreffen. Die indirekten Effekte balancieren sich teilweise aus. Sie berühren jedoch den Trägerhaushalt, z.B. mildern sie die direkten Effekte aus der Finanzierung von Investitionen und Steuerzahlungen bis zu 40% ab. Entstehende Verluste des PPP, die von der Standortgemeinde ausgeglichen werden, tangieren den Träger4 Um die doppelte Ausschreibungspflicht zu vermeiden, könnte eine Gesellschaft als 100%iges kommunales Unternehmen gegründet werden. Dieses Unternehmen wäre mit Hilfe einer direkten marktorientierten Vergabe im Rahmen eines Als-ob-Wettbewerbs mit der öffentlichen Aufgabe zu betreuen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein gemischtwirtschaftliches PPP. Ein PPP könnte es bleiben, wenn das Verfahren mit einem Vertrags-PPP kombiniert wird. Schließlich lässt die Betrauung mit der öffentlichen Aufgabe ein Vertrags-PPP entstehen (vgl. Oettle 2005; Sack 2005). Ferner könnte ein 100%iges öffentliches Unternehmen gegründet werden und später über einen stillen Gesellschafter erweitert werden, nach dem das Inhouse-Geschäft getätigt worden ist, oder eine nachträgliche Aufnahme privater Gesellschafter im Zuge einer ausgeschriebenen Kapitalerhöhung ermöglicht die Umwandlung in ein gemischtwirtschaftliches PPP. Zur Diskussion gestellt haushalt besonders. Wie zu erwarten – sind die finanzierenden Institutionen speziell belastet. Die Sozialversicherung erfährt Budgetentlastungen und -zuwächse bei Neuansiedlungen. Hingegen führen große PPP in mittelgroßen Gemeinden meist nur zu mittleren Effekten. Große Ansiedlungseffekte sind meist nur in großen Gemeinden zu erzielen. Selbst bei großen PPP sind in kleinen Gemeinden die Effekte meist absolut klein, jedoch pro Einwohner groß. Für die Größe der Ansiedlungseffekte sind mögliche Verdrängungseffekte besonders wichtig (vgl. Wonnemann 1989). Die Beurteilung der PPP mit Hilfe der volkswirtschaftlichen Effekte Die Beurteilung des PPP kann zunächst erfolgen, indem die Effektgrößen mit erwünschten Mindesteffektgrößen verglichen werden, um festzulegen, ob ein PPP-Projekt volkswirtschaftlichen oder fiskalischen Mindestanforderungen genügt. Ferner könnte versucht werden, mittels einer Sterndarstellung, zu verdeutlichen, welches PPP-Projekt die vorteilhaftesten Effekte aufweist. In diesem Falle ist auch eine Kostenwirksamkeitsanalyse möglich, bei der Nachteile monetär – meist mittels betriebswirtschaftlicher Kosten – ausgedrückt werden, während die Vorteile in physischen Größen gemessen werden. Soweit kein PPP-Projekt existiert, das alle anderen Projekte übertrifft, hat die Abwägung gemäß den Wünschen der im PPP einbezogenen Entscheidungsträger im Rahmen einer Nutzwertanalyse zu erfolgen (vgl. Friedrich und Tsimoupolos 1984; Weber 2004), wofür allerdings kein allgemein akzeptierter Bewertungsrahmen existiert. Da sich die Ziele der Ansiedlungsgemeinde von jenen des privaten Investors oder anderer privater Gruppen oder anderer Verwaltungsträger unterscheiden, resultieren differierende Ergebnisse. Soweit die Ziele die erwähnten makroökonomischen volkswirtschaftlichen Ziele betreffen, wird sich bei Errichtung des PPP in der Ansiedlungsgemeinde meist ein positiver Nutzwert einstellen, falls resultierende finanzielle Belastungen für die Gemeinde kein allzu großes gesellschaftliches Nutzwertgewicht besitzen. Allerdings sind Nutzwertanalysen mit vielen Problemen behaftet, z.B. die Definition eines Zielsystems, die soziale Gewichtung, die Zuordnung der Effekte zu den Zielerreichungsgraden und das Fehlen eines periodenbezogenen Rechnungswesen in Termini von Nutzwerten. Auch Nutzen-Kosten-Analysen und auf ihnen basierende gesellschaftsbezogene Erfolgsrechnungen stoßen auf Schwierigkeiten der Ermittlung der Nettozahlungsbereitschaften für oder gegen die Konsequenzen der Effekte. Zusätzliche Effekte müssen ermittelt werden, z.B. Auswirkun- gen von externen Effekten und monetäre Größen zur Bewertung. Ferner entstehen Probleme bei der Wohlfahrtsmessung im Sinne der Ansiedlungsgemeinde (vgl. Friedrich und Jutila 2001). Dies gilt umso mehr für ein PPP, das mehrere Gemeinden umfasst. Entwicklung eines volkswirtschaftlichen Public Sector Comparators Ein volkswirtschaftlicher Public Sector Comparators (vPSC) kann nicht wie ein erwerbswirtschaftlicher PSC gleichzeitig die Effektermittlung und die Bewertung umfassen, da die Nutzwertanalysen für einzelne Entscheidungsträger infolge unterschiedlicher Bewertungen differierend ausfallen. Bei erwerbswirtschaftlich orientierter Betrachtung ist die Bewertung einheitlich, so dass ein PSC genügt, um erwerbswirtschaftliche Rechnungen – selbst unterschiedlicher Entscheidungsträger – durchzuführen. Deshalb ist ein Rahmen zu schaffen, der eine vergleichende Effektermittlung gestattet. Nur falls der vPSC von einer Gemeinde oder aus der Sicht eines Bundeslandes für verschiedene Projekte einbezogen wird, bietet es sich an, gleichzeitig die Bewertung einzubeziehen. Zunächst ist zu klären, auf welche Organisationsform sich der vPSC beziehen soll. Es bietet sich für deutsche öffentliche Träger an von einem 100%igen Bundes-, Landes- oder Gemeindeunternehmen auszugehen, z.B. eines Eigenbetriebes, kommunalen Unternehmens in Bayern, oder von einer Regiebetriebslösung als kostenrechnende Einrichtung . Ferner muss der vSPC die Eigenheiten der Standortregion einbeziehen. Für diese Ausgangssituation spricht auch, dass diese Lösung weniger mit den Unsicherheiten des EU-Rechtes behaftet ist. Die Grundlage für ein vSPC vermag der geschilderte Ansatz zur Effektermittlung zu bieten. Vorausgesetzt wird, dass gemäß der ersten Abfrage keine technischen, rechtlichen, planerischen und unüberwindbaren finanziellen Schwierigkeiten dem Projekt entgegenstehen. Bei der Ausarbeitung des PPP und des Bezugsprojektes werden wegen der 100%igen kommunalen Lösung die Erträge und Aufwendungen des kommunale Unternehmens in den Gemeindehaushalt insofern integriert, als ein Gewinn oder Verlust, der aus diesen Erträgen und Aufwendungen resultiert, in den Gemeindehaushalt eingestellt wird. Somit unterstellt der vPSC, dass ein Inhouse-Geschäft zwischen Gemeinde und Wasserbetrieb möglich ist. Weiterhin ist diese Lösung betriebswirtschaftlich zu konzipieren. Die Personal-, Investitions-, Finanzierungskosten, Abschreibungen, Steuerzahlungen, laufende Zuschüsse und alle anderen Kosten, z.B. für Vorleistungen des Wasserbetriebes, sind zu ermitteln. Dabei kann auf Betriebsvergleichsergebnisse 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 11 12 Zur Diskussion gestellt für Betriebe mit ähnlichem Leistungsumfang hilfsweise zurückgegriffen werden. Ferner sind die Leistungsmengen sowie die entsprechenden kostendeckenden Gebühreneinnahmen zu schätzen. Zusätzlich ist eine Bilanz eines solchen Betriebes aufzustellen, um Grundlagen für Grundstücke, Anlagenumfang, Rechte, Umlaufvermögen, Abschreibungen, Eigenkapital, Fremdkapital- und Fremdkapitalkosten zu erhalten. Für die Fremdfinanzierung sollte auf die günstige Kommunalkreditfinanzierung zurückgegriffen werden. Somit ist der erwerbswirtschaftliche Wirtschaftsplan für den Wasserbetrieb zu ermitteln. Daneben sind zusätzliche Maßnahmen zu eruieren. Dazu zählen die oben erwähnten Investitionsänderungen Ansiedlungen, Umsiedlungen usw. Es handelt sich um Auswirkungen, deren Einnahmen und Ausgaben sich nicht im öffentlichen Unternehmen niederschlagen, sondern im Gemeindehaushalt, in den Budgets anderer öffentlicher Träger oder bei privaten Wirtschaftseinheiten. Teilweise müssen sie in anderen Regionen Berücksichtigung finden. Für die Gemeinde interessieren auch Zweckzuweisungen und Fremdkapitalaufnahme im Zusammenhang mit dem Wasserbetrieb, die zwar durch ihn verursacht, ihm aber nicht zugerechnet werden, Änderungen im Finanzausgleich, direkte Steuerzahlungen an die Gemeinde und der Betriebe gewerblicher Art, direkte Ausgaben für andere Aufgaben, die im Wirtschaftsplan des öffentlichen Unternehmens nicht erscheinen. So dann wird auf die Kriterien V13 bis V28 und G13 bis G26 aus der Übersicht Bezug genommen. Dafür sind die Eigenheiten der Gemeinde und der Standortregion sowie des Umlandes, des Bundeslandes, anderer Bundesländer und Deutschlands statistisch zu erfassen. Ferner werden die erlangten Projektinformationen mittels der V-Kriterien aufgeschlüsselt, die Modellparameter bestimmt und die Effekte elektronisch für die genannten Regionen und die oben bezeichneten Effekte errechnet.5 Obwohl dieser vPSC auf Effekte ausgerichtet ist, könnte für die Bewertung ebenfalls ein Zielbaum als Grundlage einer Nutzwertanalyse entwickelt werden. Dieser vSPC soll dann einer Effektermittlung für das PPP gegenübergestellt werden, um festzustellen, welche abweichenden Effekte das PPP mit sich bringt. Falls ein Zielsystem entwickelt worden ist, kann für die Effekte in der Standortgemeinde zusätzlich ein Bewertungsvergleich erfolgen. Literatur Bröcker, J. (1998), »Spatial Effects of Transeuropean Networks: Preliminary Results from a Spatial Computable General Equilibrium Analysis«, Diskussionsbeiträge aus dem Institut für Wirtschaft und Verkehr Nr. 4, Technische Universität Dresden, Dresden. 5 Es kann auch ein Handbuch für eine näherungsweise Effektabschätzung – wie für Behördenansiedlungen (vgl. Friedrich und Wonnemann, 1981) – entwickelt werden. ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang Bröcker, J. (2001), »Spatial Effects of Transportation Infrastructure: The Role of Market Structure«, in: J. Roy und W. Schulz (Hrsg.), Theories of Regional Competition, Baden-Baden, 181–193. Budäus, D. (2004), »Public Private Partnership – Ansätze, Funktionen, Gestaltungsbedarfe«, in: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (Hrsg.), Public Private Partnership: Formen, Risiken, Chancen, Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft, Heft 21, Baden-Baden, 9–22. Clausen, H. und U. 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Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 13 Struktur und Entwicklungsperspektiven der deutschen Wasserwirtschaft 14 Johann Wackerbauer Angesichts der Zielsetzung der Vereinten Nationen, weltweit den Zugang der Bevölkerung zu sauberem Trinkwasser zu verbessern, und einer gleichzeitigen Intensivierung des Wettbewerbs auf den internationalen Märkten für Wasserdienstleistungen stellt sich die Frage, wie die deutsche Wasserwirtschaft auf diese Herausforderungen vorbereitet ist. Aufgrund eines Bundestagsbeschlusses vom 21. März 2002 sind die zuständigen Ressorts der Bundesregierung gehalten, eine Modernisierungsstrategie zur Erhöhung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Wasserdienstleister und des internationalen Engagements der deutschen Wasserwirtschaft zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund war es erforderlich, den bisherigen Strukturwandel in der Wasserver- und Abwasserentsorgung und in den Wirtschaftsbereichen Planung, Anlagenbau, Ausrüstung und Anlagenbetrieb zu analysieren, um geeignete Strategien für die Zukunft ableiten zu können. Daher wurde das ifo Institut vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie beauftragt, die in den Jahren 1995 bis 2005 stattgefundenen Strukturveränderungen in der deutschen Wasserwirtschaft und Wasserindustrie zu analysieren und Handlungsempfehlungen für eine positive Beeinflussung der Entwicklung in diesen Sektoren herzuleiten (vgl. Egerer und Wackerbauer 2006). Bei Verwendung des Begriffs »Wasserwirtschaft« ist zwischen der kommunalen Wasserversorgung einerseits und der Wasserindustrie andererseits zu unterscheiden. Die Erstgenannte fällt wie die kommunale Abwasserbeseitigung in die Kategorie der öffentlichen Dienstleistungen (auch wenn sie von Privaten erbracht werden). Der Begriff der Wasserindustrie ist dagegen umfangreicher; er schließt den Anlagenbau, den Rohrleitungsbau, die Herstellung von Rohren, Pumpen und Filtern, mess- und regeltechnischem Gerät sowie Planungs-, Sanierungs- und Betreiberdienstleistungen ein (vgl. Tab. 1). Charakteristisch für die Situation in Deutschland ist, dass der Betrieb der Trinkwas- Tab. 1 Struktur der Wasserwirtschaft Wasserver- und Abwasserentsorgung Wasserindustrie Wasserversorgungsunternehmen Anlagenbauer Abwasserentsorgungsunternehmen Komponentenbauer/-zulieferer Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen Bauindustrie Rohrleitungsbauer Betreiberdienstleistungen Rohrhersteller Kanal- und Leitungssanierer Mess-, Steuer- und Regeltechnik Consultants, Planer, Berater Quelle: Zusammenstellung des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang serversorgungsnetze streng von der Herstellung und dem Angebot der mit den Dienstleistungen verbundenen Gütern getrennt wird: Der Betrieb der als regionale Monopole organisierten Wasserversorgungssysteme erfolgt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung, in den anderen Segmenten der Wasserindustrie herrscht dagegen Wettbewerb unter Privatunternehmen. Im Unterschied hierzu treten die multinationalen Wasserkonzerne als vertikal integrierte Unternehmen sowohl als Betreiber kommunaler Wasserversorgungssysteme als auch als Hersteller von Anlagen für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung auf. Die Wasserversorgung ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen Infrastrukturbereichen noch ein wettbewerbsrechtlicher Ausnahmebereich. Die Trinkwasserversorgung in Deutschland erfolgt weitgehend in kleinen, abgeschlossenen Gebietsmonopolen. Der größte Teil, gerade der kleinen Versorger, befindet sich im Eigentum der Kommunen. Die Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsunternehmen Deutschlands sind äußerst kleinteilig und dezentral organisiert. Im Jahr 1999 versorgten rund 7000 überwiegend öffentliche Unternehmen 98% der Bevölkerung mit Trinkwasser, das entsprach 82% der gelieferten Wassermenge. Weitere 5,4% der Trinkwassermenge entfielen auf die RWE-Gruppe, 5,0% auf die Berliner Wasserbetriebe und 4,6% auf Forschungsergebnisse Gelsenwasser. Die Hamburger Wasserwerke lieferten 2,5% und Eurawasser 0,5% des Trinkwassers in Deutschland (vgl. Mecke 2000). Durch die stark arbeitsteilige Organisation (Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen, Bauunternehmen, Wasserlaboratorien und Forschungsinstitute) fehlt der deutschen Wasserwirtschaft das einheitliche Auftreten auf den internationalen Märkten, weswegen das ständig wachsende Marktsegment der Paketlösungen, auf dem vor allem Unternehmen aus Frankreich und Großbritannien dominieren, nur schwer besetzt werden kann (vgl. BMBF 2000). In den letzten Jahren ist daher vor dem Hintergrund dieser kleinteiligen, überwiegend öffentlichen Versorgung eine heftige Diskussion über grundlegende Strukturveränderungen durch eine flächendeckende Privatisierung der Unternehmen und eine Liberalisierung des Marktes entbrannt. Angestoßen wurde sie u.a. durch eine Weltbankstudie aus dem Jahr 1995, in der zwar der hohe technische Standard der deutschen Wasserversorgung hervorgehoben, jedoch auch darauf hingewiesen wurde, dass die Trinkwasserpreise zu hoch seien und die deutsche Wasserwirtschaft darüber hinaus am Weltmarkt zu wenig aktiv sei (vgl. Briscoe 1995). Zusätzliche Impulse erhielt die Diskussion in Deutschland durch zwei umfangreiche Studien über die Auswirkungen von Strukturveränderungen in der Wasserwirtschaft, die zu gegensätzlichen Schlussfolgerungen gelangten. Nach einer Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamtes wäre eine weitere Privatisierung bzw. Liberalisierung mit erheblichen gesundheits- und umweltpolitischen Bedenken verbunden und brächte darüber hinaus kaum ökonomische Vorteile in Form sinkender Trinkwasserpreise mit sich (vgl. Brackemann, Epperlein et al. 2000). Im Gegensatz dazu empfiehlt ein im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstelltes Gutachten eine weitgehende Marktöffnung und verweist dabei besonders auf die zu erwartenden Effizienzgewinne und Preissenkungen. Mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Trinkwasserqualität seien nach den Ergebnissen dieser Studie mit entsprechenden gesetzlichen Vorgaben in den Griff zu bekommen (vgl. Ewers, Botzenhart et al. 2001). Die Liberalisierungsdebatte in Deutschland ist zwischenzeitlich einer Diskussion über die Modernisierung der Wasserversorgung gewichen. Jedoch enthält auch diese Modernisierungsstrategie Wettbewerbselemente, da sie u.a. die steuerliche und rechtliche Gleichstellung der Trinkwasser- und Abwasserentsorgung, die Einführung eines flächendeckenden Benchmarkings, die Beauftragung privater Dritter sowie Anreize für verstärkte Kooperationen in der Wasserwirtschaft beinhaltet (vgl. Auer, Böttcher et al. 2003). Angesichts jüngster Überlegungen der Europäischen Kommission, im Zuge eines neuen Rechtsrahmens für öffentlich-private Partnerschaften eine generelle Ausschreibungspflicht für Leistungen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zu etablieren, könnte die deutsche Wasserwirtschaft erneut unter Liberalisierungsdruck geraten. Die besonderen ökonomischen Charakteristika der Wasserversorgung wie auch der Abwasserbeseitigung machen staatliche Regulierungen bzw. die Simulation von Wettbewerb und die Einführung einzelner Wettbewerbselemente erforderlich. Da die Wasserversorgung wie auch die Abwasserbeseitigung leitungsgebunden sind, haben sie den Charakter eines natürlichen Monopols, aufgrund dessen sie sich als wettbewerbsrechtliche Ausnahmebereiche darstellen. Bei der Trinkwasserversorgung handelt es sich um eine so genannte pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe, die den Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz im Rahmen der Daseinsvorsorge übertragen wurde. Den Erfordernissen der Daseinsvorsorge wurde bei der Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) vom 26. August 1998 (in Kraft getreten am 1. Januar 1999) insofern Rechnung getragen, als in § 131 Abs. 8 GWB festgelegt wurde, dass in Bezug auf die öffentliche Wasserversorgung die §§ 103, 103a und 105 GWB in der originären Fassung vom 20. Februar 1990 weiterhin Geltung haben. Die wesentlichen Vorschriften des GWB und das Verbot wettbewerbswidrigen Verhaltens finden damit im Bereich der Wasserwirtschaft keine Anwendung; Verstöße gegen das allgemeine Kartellverbot (§ 1 GWB), das Preisbindungsverbot (§ 15 GWB) und das Verbot von Ausschließlichkeitsbindungen (§ 18 GWB) sind legitimiert (vgl. Egerer 2005). In Demarkationsverträgen dürfen sich Wasserversorgungsunternehmen untereinander oder mit Gebietskörperschaften zusammen zusichern, keine Einwohner in dem Gebiet des anderen zu versorgen. In Konzessionsverträgen sichern Gebietskörperschaften Wasserversorgungsunternehmen das Recht zu, exklusiv in einem bestimmten Gebiet die Endverbraucher mit Trinkwasser zu versorgen. In Preisbindungsverträgen verpflichtet sich ein Versorgungsunternehmen, seine Abnehmer nicht zu ungünstigeren Preisen oder Bedingungen zu beliefern, als es das zuliefernde Versorgungsunternehmen seinen Abnehmern gewährt und in Verbundverträgen, die sich auf den Aufbau und die Unterhaltung eines Verbundsystems beziehen, werden bestimmte Leitungswege ausschließlich einem oder mehreren Unternehmen zur Verfügung gestellt. Demarkationsverträge, Konzessionsverträge, Preisbindungsverträge und Verbundverträge sind weiterhin zulässig und bedürfen lediglich der kartellrechtlichen Genehmigung. Der Anschluss- und Benutzungszwang stellt eine weitere, zentrale rechtliche Säule der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung dar. Aus ihm resultiert die Verpflichtung der Bürger, sich an die öffentliche Trinkwasserversorgung (und Abwasserentsorgung) des örtlichen Versorgers bzw. Zweckverbandes anzuschließen (vgl. Brackemann, Epperlein et al. 2000). Entwicklung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung seit Mitte der neunziger Jahre Ungeachtet des Primats der Daseinsvorsorge und der wettbewerbsrechtlichen Ausnahmetatbestände können sich die 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 15 16 Forschungsergebnisse Tab. 2 Organisationsformen der Träger der Wasserversorgung nach dem Anteil am Wasseraufkommen (in %) Gemischt öffentlich-privatrechtliche AG/GmbH Sonstige privatrechtliche Gesellschaften Eigengesellschaften AG/GmbH Zweckverbände Wasser- und Bodenverbände Öffentliche Gesellschaften AG/GmbH Eigenbetriebe Regiebetriebe 1997 20 4 22 19 6 6 23 1 2002 28 2 21 17 6 11 13 3 Quelle: BGW-Wasserstatistik 2002/2003. für die Aufgaben der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zuständigen Gebietskörperschaften unterschiedlicher Organisations- und Rechtsformen bedienen und auch private Dritte mit der Durchführung dieser Aufgaben beauftragen. Vor allem hinsichtlich der Organisationsformen in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind für Deutschland seit Mitte der neunziger Jahre deutliche Strukturveränderungen festzustellen. Aus den vormals dominierenden kommunalen Regiebetrieben wurden selbständigere Organisationsformen: Im Abwasserbereich haben der Eigenbetrieb und der Zweckverband an Bedeutung gewonnen; in der Wasserversorgung dagegen die Eigengesellschaft (in Gestalt der formalen Privatisierung1) und Public-PrivatePartnership-(PPP-)Modelle. Dabei gab es aber keine wesentlichen Veränderungen hinsichtlich des materiellen Privatisierungsgrades; die kommunalen Strukturen sind weiterhin dominierend. In Tabelle 2 werden die entsprechenden Angaben für die Wasserversorgung in den Jahren 1997, 2002 und 2003 dargestellt. 2003 29 3,5 20 16 6 10 15 0,5 rigen Niveau. Damit ist eine starke Tendenz weg vom kommunalen Eigenbetrieb hin zu privatrechtlichen Gesellschaftsformen zu erkennen, bei denen allerdings das Betriebseigentum im Besitz der öffentlichen Hand oder in der Form von öffentlich-privatwirtschaftlichen Partnerschaften dominiert. Echte Vollprivatisierungen spielen nach wie vor nur eine geringe Rolle. Bei den Organisationsformen in der Abwasserbeseitigung verhält es sich etwas anders (vgl. Tab. 3): Hier zeigt sich ein deutlicher Trend hin zum Eigenbetrieb von 30% Anteil in 1997 auf 43% in 2002/2003. Dafür geht die Bedeutung des Regiebetriebs stark zurück von 44% in 1997 auf 23% in 2002 mit einem nochmaligen deutlichen Rückgang auf 19,7% in 2003 (jeweils gemessen in angeschlossenen Einwohnern). Einen Bedeutungszuwachs erfährt auch die Organisationsform des Zweckverbands bzw. Wasserverbands von 4% in 1997 auf 13% in 2002 bzw. 12,8% in 2003. Die sonstigen Organisationsformen, die bereits 1997 bei 8% Einwohneranteil lagen, gingen bis 2002 sogar auf 5% zurück, um in 2003 schließlich wieder einen Anteil von 7,8% zu erreichen. Dabei handelte es sich in 2003 bei ca. 3% um kommunale Eigengesellschaften in der Form der AG bzw. GmbH und bei jeweils ca. 2,5% um Betreiber- und Kooperationsgesellschaften bzw. sonstige privatwirtschaftliche Gesellschaften. Nur bei den zuletzt genannten, also bei rund 2,5% gemessen an den angeschlossenen Einwohnern, handelt es sich um echte materielle Privatisierungen. Amtliche Daten über die Umsatzentwicklung der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung können der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen werden. Allerdings schränkt hier eine steuerrechtliche Besonderheit die Aussagekraft der amtlichen Statistik ein. Während nämlich die Wasserversorgung generell dem reduzierten Mehrwertsteuersatz unterworfen ist, hängt in der Abwasserbeseitigung die Steuerpflicht von der Rechtsform des Unternehmens ab: Entsorgungsunternehmen in priva- Daran ist zu erkennen, dass sich zwischen den Jahren 1997 und 2002 zum einen ein deutlicher Rückgang bei den Eigenbetrieben von 23 auf 13% Anteil ergeben hat und demgegenüber ein Zuwachs der gemischt öffentlichrechtlichprivatrechtlichen Aktiengesellschaften und GmbH von 20 auf 28% bzw. 29% in 2003. Auch bei den öffentlichen Gesellschaften in Form einer AG oder GmbH ist ein Zuwachs von 6 auf 11% in 2002 festzustellen. Eigengesellschaften als AG/GmbH blieben relativ konstant bei einem Anteil zwiTab. 3 schen 22 und 20%. Die sonstigen privatOrganisationsformen der Träger der Abwasserentsorgung gewichtet nach an die Kanalisation angeschlossenen Einwohnern (in %) rechtlichen Gesellschaften – nur hierbei handelt es sich um »echte« materielle Vollpri1997 2002 2003 vatisierungen – lagen dagegen mit 4% und Regiebetrieb 44,0 23 19,7 Eigenbetrieb 30,0 43 42,7 zuletzt 3,5% weiterhin auf einem sehr nied- 1 Bei der formalen Privatisierung erfolgt eine Umwandlung von einer öffentlich-rechtlichen in eine privatwirtschaftliche Rechtsform, wobei die öffentliche Hand Eigentümer des Unternehmens bleibt. Bei der materiellen Privatisierung wird dagegen das vorher öffentliche Unternehmen an private Eigentümer veräußert. ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang Anstalt öffentlichen Rechts 14,0 16 17,0 Zweckverband/ Wasserverband 4,0 13 12,8 a) Sonstige 8,0 5 7,8 a) Darunter ca. 3% Eigengesellschaften AG/GmbH, jeweils ca. 2,5% Betreiber-Kooperationsgesellschaften bzw. sonstige privatwirtschaftliche Gesellschaften. Quelle: DWA/BGW-Umfrage. Forschungsergebnisse Abb. 1 schäftigtenzahl in der Wasserversorgung um die 35 000 Personen schwankte, war ab 2003 ein deutlicher Rückgang festzustellen, auf zunächst rund 34 600 und im folgenden Jahr 2004 nochmals auf 32 043 (vgl. Abb. 2). Der Bereich der Abwasserbeseitigung wird in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit erst seit dem Jahr 2003 getrennt ausgewiesen; bis 2004 erfolgte hier ein Anstieg der Beschäftigten von 19 704 auf 21 048. Ob dahinter aber ein langfristiger Trend auszumachen ist, kann mangels einer entsprechenden Zeitreihe nicht gesagt werden. Umsatzentwicklung in der Wasserversorgung 1996–2004 Mrd. Euro 10 9 8 7 7.6 8.0 7.8 8.0 1997 1998 1999 8.8 8.9 2001 2002 9.5 9.3 8.3 6 5 4 3 2 1 0 1996 2000 2003 Quelle: Statistisches Bundesamt. ter Rechtsform zahlen den vollen Mehrwertsteuersatz, öffentlich-rechtliche Betreiber unterliegen dagegen keiner Umsatzsteuerpflicht. Dies hat zur Folge, dass nur die Umsätze der privaten Entsorgungsunternehmen in der Umsatzsteuerstatistik erfasst werden. Daher wird in Abbildung 1 nur die Umsatzentwicklung in der Wasserversorgung dargestellt. 2004 Die Verbandsstatistiken bieten über die amtliche Statistik hinaus auch Informationen über die Investitionstätigkeit der Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsunternehmen. In Abbildung 3 sind die entsprechenden Zeitreihen, wie sie aus der BGW-Wasserstatistik und aus den ATV/DVWKBGW Abwasserumfragen gewonnen wurden, dargestellt. Danach gingen die Investitionen in der öffentlichen Trinkwasserversorgung von 2,7 Mrd. € in 1995 zunächst auf rund 2,5 Mrd. € in den Jahren 1998 bis 2000 zurück. In 2001 war ein noch weiterer Rückgang auf 2,3 Mrd. € und danach wieder ein Anstieg bis 2003 auf 2,65 Mrd. € zu verzeichnen. Im letzten Erhebungsjahr 2004 lagen die Investitionen bei 2,45 Mrd. €. Danach stieg der Umsatz in der Wasserversorgung von 7,6 Mrd. € in 1996 über 8,0 Mrd. € in 1999 auf zuletzt 9,5 Mrd. € in 2004. Die Zahl der steuerpflichtigen Unternehmen in der Wasserversorgung stieg gleichzeitig von 3 714 Bei den Investitionen in der Abwasserbeseitigung ist zur Jahrim Jahr 1996 bis zum Jahr 2004 kontinuierlich auf 4 214 tausendwende ein Bruch zu beobachten: Während die Inan. Für den Bereich der Abwasserbeseitigung wies die Umvestitionen 1998 und 1999 bei 6,6 Mrd. € lagen und in 2000 satzsteuerstatistik für die Jahre 2002–2004 jeweils 1 Mrd. € noch auf 6,85 Mrd. € anstiegen, gingen sie in 2001 auf rund Umsatz aus; die Zahl der steuerpflichtigen Unternehmen 5 Mrd. € zurück. Im letzten Erhebungsjahr 2003 lagen sie stieg hier seit 1996 von 700 auf 775. Der Verband der kombei 5,5 Mrd. €. Für die Jahre davor ist anzunehmen, dass munalen Unternehmen VKU, in dem die von der Umsatzes bereits zu einer ersten Niveausenkung im Gefolge des steuerstatistik nicht erfassten öffentlichen Abwasserentsorrückläufigen Investitionsbedarfs in den neuen Bundeslänger vertreten sind, weist in seiner Verbandsstatistik für das Jahr 2003 für seine Mitgliedsunternehmen aus der Abwasserentsorgung einen Umsatz Abb. 2 von 2,1 Mrd. € aus (vgl. VKU 2004). Der staSozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Wasserversorgung tistisch erfasste Umsatz aller privaten und öffentlichen Abwasserentsorgungsbetriebe in 35 500 Deutschland machte in 2003 demnach ins35 000 35 184 35 111 34 945 34 783 gesamt 3,1 Mrd. €. aus. Das gesamte Markt34 500 34 603 volumen der deutschen Wasserver- und Ab34 000 wasserentsorgung lag damit im Jahr 2003 33 500 bei ca. 12 Mrd. €. 33 000 32 500 Die Zahl der Arbeitsplätze in der Wasserwirtschaft kann der Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftsgruppen der Bundesagentur für Arbeit entnommen werden. Während in den Jahren von 1999 bis 2002 die Be- 32 000 32 043 31 500 31 000 30 500 30 000 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Quelle: Bundesagentur für Arbeit. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 17 18 Forschungsergebnisse Abb. 3 Investitionen in der öffentlichen Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung Mrd. Euro 8 Trinkwasser 7 6.64 6.85 6.64 Abwasser (keine Daten vor 1998) 6 5.5 5.31 5.05 4.93 5 4 3 2.71 2.61 2.61 2.51 2.53 2.49 2.32 2.65 2.56 2.45 2 1 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Quelle: BGW-Wasserstatistik, ATV/DVWK-BGW Abwasserumfragen. dern kam, für die die Wirtschaftsentwicklung nach der deutschen Einheit zunächst überschätzt wurde, was zu einer zu optimistischen Planung im Bereich der öffentlichen Infrastruktur führte. Daraufhin kam es aufgrund der Deindustrialisierung in Ostdeutschland zu Überkapazitäten in der Abwasserentsorgung. Diesem ersten Investitionseinbruch folgte zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein zweiter Einbruch aufgrund der kommunalen Finanzsituation. den Zentralverband des deutschen Baugewerbes, also auf einer Verbandsstatistik, die auf die amtliche Statistik gestützt ist. Danach kam es in den vergangenen zehn Jahren im Brunnen-, Wasserwerks- und Rohrleitungsbau zu Beschäftigten- und Umsatzeinbußen bei annähernd gleich bleibender Zahl der Betriebe. Letztere erreichte 1999 mit insgesamt 350 einen Tiefpunkt, um bis 2005 wieder auf 392 anzuwachsen. Dabei entfiel der Großteil von 306 Betrieben (78,1%) auf Handwerksbetriebe; 86 waren Industriebetriebe (21,9%). Die Zuwächse fanden allerdings vor allem im industriellen Bereich statt, gegenüber 42 Industriebetrieben in 1999 verdoppelte sich die Zahl der Industriebetriebe bis 2005. Bei den Umsätzen und den Beschäftigten war nach 1997 ein deutlicher Einbruch zu verzeichnen. Nach einem Umsatz von 38,7 Mill. € in 1996 und 37,5 Mill. € in 1997 sank der entsprechende Wert 1998 auf 23,6 Mill. €. Erst für das Jahr 2004 ist wieder ein deutlicher Anstieg auf 37,6 Mill. € zu verzeichnen, vermutlich aufgrund eines einzelnen Großauftrags. In 2005 ging der Umsatz wieder auf 28,1 Mill. € zurück (vgl. Abb. 4). Parallel zur Umsatzentwicklung verlief die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen: Während die Branche 1996 noch 6 245 Beschäftigte und für das Jahr 1997 5 586 Beschäftigte zu verzeichnen hatte, davon 57,5 bzw. 60% im Handwerk, sank die Beschäftigtenzahl in 1998 auf 3 541. Dieser Einbruch ging vor allem auf die Betriebe aus der Bauindustrie zurück, wo die Beschäftigtenzahl im Brunnen-, Wasserwerks- und Rohrleitungsbau von 2 241 in 1997 auf 474 in 1998 sank. Dies entsprach einem Rückgang um fast 80% innerhalb eines Jahres; der industrielle Beschäf- Querschnittsbranche »Wasserindustrie« Während die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung eindeutig bestimmten Wirtschaftszweigen der amtlichen Statistik zuzuordnen sind, ist das für die Wasserindustrie nicht der Fall. Bei dieser handelt es sich um eine Querschnittsbranche, der Teilbereiche verschiedener Wirtschaftszweige angehören, soweit diese Anlagen, Komponenten und Zubehör für die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung bzw. damit verbundene Dienstleistungen bereitstelAbb. 4 len. Die entsprechenden Wirtschaftsdaten Umsatzentwicklung im Brunnen-, Wasserwerks- und Rohrleitungsbau 1996–2005 sind aus der amtlichen Statistik nicht mehr ohne weiteres abzuleiten, vielmehr muss dieMill. Euro 40 se auf Waren und Dienstleistungen, die mit 38.7 37.6 37.5 35 der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung verbunden sind, hin ausgewertet wer30 28.6 den. Dies ist bei den einschlägigen Verbands25 24.6 statistiken der Fall, auf die im Folgenden zu24.1 23.6 23.3 22.2 20 rückgegriffen wird. Die Bauwirtschaft gehört durch den Brunnen-, Wasserwerks- und Rohrleitungsbau der Querschnittsbranche »Wasserindustrie« an. Die statistischen Grundlagen beruhen hier auf Auswertungen der Produktionsstatistik des Statistischen Bundesamtes durch ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang 28.1 15 10 5 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Quelle: Zentralverband des deutschen Baugewerbes auf Basis der Produktionsstatistik. 2004 2005 Forschungsergebnisse Abb. 5 Beschäftigte im Brunnen-, Wasserwerks- und Rohrleitungsbau 1996–2005 7 000 Anlagen- und Komponentenbau fasst wieder Fuß Die Daten über den Anlagen- und Komponentenbau im Bereich der Wasser- und Abwassertechnik als Teilsegment der Wasserindustrie stammen aus der Verbandsstatistik des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA, der wie die Statistik des ZDB auf der amtlichen Produktionsstatistik basiert. Daten über die Mitarbeiterzahl sind jedoch nicht verfügbar. Die Gesamtzahl der Beschäftigten in diesem Segment wird vom VDMA für 2003 auf 7 000 geschätzt. Nachdem die Um2004 2005 sätze der Unternehmen nach Berechnungen des Verbandes deutscher Maschinenund Anlagenbau (VDMA) in 1998 und 1999 bei über 1 Mrd. € lagen, gingen sie bis zum Jahr 2002 auf 750 Mill. € zurück. In 2003 wurde wieder ein höherer Umsatz von 850 Mill. € erzielt, und für das Jahr 2004 wird der Gesamtumsatz in der Wasser- und Abwassertechnik auf 900 Mill. € geschätzt (vgl. Abb. 6). Industrie Handwerk 6 000 5 000 4 000 3 000 2 000 1 000 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Quelle: Zentralverband des deutschen Baugewerbes auf Basis der Produktionsstatistik. tigtenanteil im Brunnen-, Wasserwerks- und Rohrleitungsbau lag damit nur noch bei 13,4%. In den Jahren bis 2003 war ein weiterer Beschäftigungsrückgang auf rund 3 000 zu verzeichnen, der allerdings zu Lasten der Handwerksbetriebe ging, deren Mitarbeiterzahl von 3 067 auf 2 300 sank. Die industriellen Arbeitsplätze wuchsen unter gewissen Schwankungen wieder auf über 700. Im Jahr 2004 ereignete sich aufgrund des erwähnten Sondereinflusses eine nahezu Verfünffachung der industriellen Arbeitsplätze auf 3 459. Im darauf folgenden Jahr 2005 sank die Zahl der industriellen Arbeitsplätze wiederum um fast zwei Drittel auf 1 265; die Arbeitsplätze im Handwerk nahmen noch um 50 auf 2 383 zu (vgl. Abb. 5). Die Auslandsumsätze der Unternehmen stiegen im genannten Zeitraum von 270 Mill. € in 1998 auf 410 Mill. € in 2002 kontinuierlich an, gingen in 2003 aber wieder auf 370 Mill. € zurück. Für 2004 wird der Auslandsumsatz auf 400 Mill. € geschätzt. Die Exportquote ist damit von knapp 26% in 1998 auf 55% in 2002 bzw. 43% in 2003 angestiegen. Trotz des leichten Rückgangs näherte sich die deutsche Wasser- und Abwassertechnik den Weltmarktführern aus den USA deutlich an, da der Export der US-amerikanischen Firmen gegenüber einem Höchststand von 691 Mill. € im Jahr 2000 bis 2003 auf 454 Mill. € zurückfiel. Insgesamt ist für den Brunnen-, Wasserwerks- und Rohrleitungsbau seit Ende der neunziger Jahre eine rückläufige Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung festzuhalten mit Ausnahme des Jahres 2004 mit einem Umsatzanstieg um 70% und einer nahezu Verdoppelung der Beschäftigtenzahlen. Damit waAbb. 6 ren im Jahr 2004 die Kapazitäten wieder Umsatzentwicklung im deutschen Anlagen- und Komponentenbau 1998–2004 besser ausgelastet, die nach Einschätzung des Zentralverbands des deutschen BauMill. Euro 1 200 gewerbes in Spezialbetrieben aufgebaut 1062 1040 worden sind und nicht so ohne weiteres für 970 1 000 andere Bereiche eingesetzt werden kön900 850 800 nen. Der hohe Sanierungsbedarf im öffent750 800 lichen Kanalnetz wurde wegen der Finanznot der Kommunen nicht in entsprechen600 de Aufträge umgesetzt. Am aktuellen Rand 410 400 380 370 400 des Jahres 2005 zeichnet sich wieder ei310 270 260 ne Trendumkehr ab. Allerdings sind die 200 Möglichkeiten für Auslandsaktivitäten gering, da der Brunnen- und Rohrleitungsbau 0 in jedem Land überwiegend aus lokalen 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Schätzung Leistungen besteht und daher schwer exGesamtumsatz Auslandsumsatz gerundete Werte portierbar ist. Quelle: VDMA. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 19 20 Forschungsergebnisse Abb. 7 Exportedes des AnlagenAnlagen- und und Komponentenbaus Exporte Komponentenbausnach nachHerkunftsländer Herkuftsländern1999–2003 1999–2003 Mill. Euro 800 Marktbereinigungsprozess bei den Consultants der Wasserwirtschaft Neben den Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen, den in der Wasserwirtschaft tätigen Bauunternehmen und den IndusDeutschland trieunternehmen sind auch eine Reihe von Dienstleistungsunternehmen in der WasserKanada wirtschaft aktiv, insbesondere Consultants, Frankreich Planer und Berater, bei denen es sich überwiegend um Ingenieurbüros handelt. QuanItalien titative Anhaltspunkte liefert hier die Verbandsstatistik des Verbandes unabhängig Großbritannien beratender Ingenieure und Consultants VUBIC. Allerdings beginnt diese Verbandsstatistik erst im Jahr 2002, da im Jahr 2000 zwei Verbände fusionierten, nämlich der Ingenieurverband Wasser- und Abwasserwirtschaft und der Verband unabhängig beratender Ingenieurfirmen VUBI. Dies führte zu einem Umsatzsprung in der Verbandsstatistik, der eine Vergleichbarkeit mit den älteren Daten nicht mehr zulässt, zumal vor dem Zusammenschluss der Umsatz in der Wasserwirtschaft nicht getrennt ausgewiesen wurde. USA 700 600 500 400 300 200 100 0 1999 2000 2001 2002 2003 Quelle: VDMA. Deutschland lag im Jahr 2003 bei den Gesamtausfuhren von Anlagen und Komponenten für die Wasser- und Abwassertechnik mit einem Anteil von 16,5% auf dem zweiten Platz nach den USA mit 20,3%. Drittstärkste Exportnation im Bereich Wasser- und Abwassertechnik war Kanada mit Auslandsumsätzen in Höhe von knapp 259 Mill. € in 2002, die in 2003 jedoch deutlich auf 209 Mill. € sanken. An vierter Stelle folgte lange Zeit Frankreich, das allerdings in 2003 mit 163 Mill. € Auslandsumsatz von Italien mit 194 Mill. € überflügelt wurde. Großbritannien liegt seit 2000 an sechster Stelle (vgl. Abb. 7). Zusammen erzielten die Anbieter aus diesen sechs Ländern in 2003 ein Umsatzvolumen von 2,27 Mrd. €. Von etwa 1 200 Ingenieurbüros in Deutschland, die ausschließlich oder überwiegend im Bereich der Wasserwirtschaft tätig sind, waren im Jahr 2004 rund 350 im VUBIC organisiert (vgl. VUBIC 2004). In den drei Erhebungsjahren von 2002 bis 2004 sank der Gesamtumsatz der VUBIC-Mitglieder von 2,96 Mrd. € über 2,48 Mrd. € auf zuletzt 1,78 Mrd. €. Der im Bereich Wasserwirtschaft erzielte Umsatz ging von rund 1 Mrd. € in 2002 auf 842 Mill. € in 2003 und 659 Mill. € in 2004 zurück (vgl. Abb. 8). Der Anteil des Geschäftsfeldes Wasserwirtschaft am Gesamtumsatz lag damit jedoch 2004 mit 37% am höchsten und verdrängte Die Exporterfolge der deutschen Wassertechnik sind vor dem Hintergrund einer deutlich mittelständisch geprägten Unternehmensstruktur zu sehen: Im Durchschnitt beschäftigen Ausrüster und Hersteller von Wasseraufbereitungsund Abwasserbehandlungsanlagen 50 Mitarbeiter (vgl. Oberhäuser und Notker 2004a). Die mittelständischen Anbieter haben sich in Marktnischen Abb. 8 etabliert, die vor allem im Auslandsgeschäft Honorarentwicklung der VUBIC-Mitglieder Erfolg versprechend sind. Die Errichtung wassertechnischer Systeme besteht in jeMill. Euro 3 500 dem Land der Welt zu einem großen Teil aus 2961 lokaler Leistung, dem »local content«. Das 3 000 sind einfache, vor Ort verfügbare Technolo2480 2 500 gien wie Betonbau, Stahlbautechnik sowie Behälter- und Rohrleitungsbau bei Kläranla2 000 gen und industrieller Reinigung. Die zusätz1 500 lich benötigte spezielle Ausrüstung wie Trenn1007 technik, Pump- und Dosiertechnik, Mess843 1 000 und Regeltechnik sowie das verfahrenstech500 nische Know-how kann aber nicht jedes Land selbst entwickeln. In diesen Bereichen 0 nehmen die deutschen Unternehmen die 2002 2003 technologische Führerschaft ein (vgl. OberGeamthonorare Anteil Wasserwirtschaft häuser und Notker 2004b). Quelle: VUBIC. ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang 1780 659 2004 Forschungsergebnisse den bis dahin wichtigsten Bereich Verkehr mit 27% auf den zweiten Platz (vgl. EUWID 2005a). Den Grund für die schlechte Auftragslage bei den Ingenieurbüros sieht der Verband in der mangelnden Baunachfrage, insbesondere seitens der öffentlichen Hand, trotz eines hohen Bedarfs an Erhaltungsinvestitionen sowohl bei der Wasser- wie auch bei der Verkehrsinfrastruktur (vgl. EUWID 2005b). Seitens des VUBIC wird vermutet, dass die Einnahmen aus Kanalbenutzungsgebühren von den Kommunen zweckentfremdet und anderweitig verausgabt werden (vgl. VUBIC 2003). Bei den Ingenieurbüros der Wasserwirtschaft handelt es sich überwiegend um kleinere bis mittelgroße Unternehmen, die entsprechend den kommunalen Zuständigkeiten regional aufgestellt sind. Der Schwerpunkt liegt bei Büros mit etwa 20 Mitarbeitern (vgl. VUBIC 2003). Die Gesamtzahl der Mitarbeiter kann nur grob abgeschätzt werden: Während im VUBIC Jahresbericht für 2003 insgesamt 24 000 Mitarbeiter in den Mitgliedsbetrieben angegeben sind, wird im Jahresbericht für 2004 nur noch eine Mitarbeiterzahl von 16 000 genannt. Offensichtlich handelt es sich dabei um sehr grobe Schätzungen. Dies hängt auch mit der stark schwankenden Zahl von Mitgliedsunternehmen zusammen, die z.B. für 2003 mit 400 angegeben wird und für 2004 mit 350. Die Zahl von Beschäftigten im Geschäftsbereich Wasserwirtschaft ist ohnehin unbekannt. Nimmt man an, dass entsprechend den Umsatzanteilen jeweils rund ein Drittel der Mitarbeiter der VUBIC-Mitgliedsunternehmen im Bereich Wasserwirtschaft tätig war, so wären dies ca. 8 000 Beschäftigte in 2003 und etwa 5 000 in 2004. Insgesamt wird seitens des VUBIC davon ausgegangen, dass es seit 1995 zu einem Personalabbau bei den unabhängigen Ingenieurbüros und -gesellschaften um rund 40% gekommen ist. Entwicklungsperspektiven der deutschen Wasserwirtschaft Der erfassbare Gesamtumsatz der Wasserwirtschaft summiert sich für alle beschriebenen Bereiche zusammen auf rund 14 Mrd. € (2003). Zur Einschätzung der Größenordnung mag der Vergleich mit einem der weltweit führenden Wasserdienstleister, Veolia, dienen, der für 2003 einen Konzernumsatz von 28,4 Mrd. € auswies. Das Marktvolumen in Deutschland ist also nur halb so hoch wie der Umsatz eines globalen Branchenführers. Die Beschäftigtenzahl in der Wasserwirtschaft liegt für die Jahre 2003 und 2004 in der Größenordnung von 70 000 Personen. In der Gesamttendenz ergab sich seit Mitte der neunziger Jahre eine moderate Aufwärtsentwicklung der Umsätze der Ver- und Entsorgungsunternehmen bei stagnierender Investitionstätigkeit und rückläufigen Beschäftigtenzahlen. Die Bereiche Brun- nen- und Rohrleitungsbau sowie Consultants entwickelten sich seit Mitte der neunziger Jahre dagegen eher rückläufig. Im internationalen Maßstab ist die deutsche Wasserwirtschaft vor allem im Bereich der Anlagen und Komponenten wettbewerbsfähig; als Betreiber von Wasserversorgungsund Abwasserentsorgungssystemen war der Vorsprung der Weltmarktführer aus Frankreich und Großbritannien bislang jedoch bei weitem nicht aufzuholen. Die zukünftigen Entwicklungsperspektiven der deutschen Wasserwirtschaft werden durch Marktsättigung im Inland und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit im Ausland eingeschränkt. Der absehbare Investitionsbedarf im Inland beschränkt sich weitgehend auf Ersatz- und Erhaltungsinvestitionen. Die in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern noch anstehende Ausbauphase ist in Deutschland weitgehend abgeschlossen; die Kernaufgabe besteht hier in der Konsolidierung und ständigen Erneuerung der Systeme durch Reinvestitionen und Modernisierungsmaßnahmen (vgl. Rudolph 2001). In Wachstumsregionen wie in Osteuropa oder im asiatisch-pazifischen Raum eröffnen sich grundsätzlich hohe Marktpotentiale, jedoch gehen die deutschen Strukturen, bei denen die wasserwirtschaftliche Kompetenz auf der kommunalen Ebene angesiedelt ist, deutlich zu Lasten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Ein Vorteil der Strukturen in der deutschen Wasserversorgung beruht darauf, dass die starke kommunale Verankerung ein hohes Maß an politischer Beteiligung und eine starke Akzeptanz in der Bevölkerung sicherstellt. Aufgrund der starken funktionalen und organisatorischen Fragmentierung ist der Einfluss der deutschen Wasserwirtschaft auf die Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union jedoch nur gering. Auf dem globalen Wassermarkt dominieren die französischen Konzerne Suez Environnement und Veolia, die 2004 jeweils an die 115 Mill. Kunden mit Wasser- und Abwasserdienstleistungen versorgten. An dritter Stelle folgt mit Thames Water ein britisches Unternehmen, das von der Kundenzahl mit insgesamt 45 Millionen im Vergleich zu den Marktführern allerdings bei weniger als der Hälfte liegt.2 Die spanische Agbar bleibt mit 30 Mill. Kunden deutlich hinter den drei größten Unternehmen zurück; danach folgen wiederum französische, britische und US-Unternehmen. Erst an neunter bzw. zehnter Stelle auf dem Weltmarkt standen die deutschen Unternehmen Berlinwasser und Gelsenwasser mit 7,5 Mill. bzw. 7 Mill. Kunden und an zwölfter Stelle Remondis Aqua mit 4 Mill. Kunden (vgl. Tab. 4). 2 Die deutsche RWE-Gruppe stieß mit der Übernahme von Thames Water in 2001 in die vorderste Gruppe der Global Player auf dem Wassermarkt vor; verkaufte den britischen Wasserversorger aber Ende des Jahres 2006 wieder an Kemble Water Limited, ein Konsortium, das vom australischen Macquarie’s European Infrastructure Funds angeführt wird (vgl. EUWID Wasser und Abwasser Nr. 43/2006). 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 21 22 Forschungsergebnisse Tab. 4 Wasserkunden der international tätigen Unternehmen 2003 (in Mill. Einwohner) Wasserversorgung Suez Environnement, F Veolia, F Thames Water, GB Agbar, Spanien Saur, F Severn Trent, GB Azurix, USA Anglian Water, GB Berlinwasser, D Gelsenwasser, D Biwater, GB Remondis Aqua, D 92,0 87,5 28,0 27,4 25,6 11,3 8,3 6,6 4,0 6,0 3,0 0,2 Abwasserentsorgung 62,0 43,5 17,8 13,9 9,5 15,6 7,9 8,1 5,5 3,0 6,0 4,0 Insges. (z.T. mit Überschneidungen) 115,0 113,0 45,0 30,0 27,0 18,0 10,0 8,0 7,5 7,0 5,5 4,0 Quelle: Prof. Dr. K.-U. Rudolph GmbH. Die Entwicklungshemmnisse der deutschen Wasserwirtschaft auf den internationalen Märkten für Wasserdienstleistungen beruhen vor allem auf der Kleinteiligkeit und der dezentralen, kommunalwirtschaftlich geprägten Struktur der deutschen Wasserwirtschaft. Die typischen deutschen Anlagenbauer erreichen entweder nicht die kritische Größe für einen Global Player oder ihnen fehlen die erforderlichen Referenzen als Betreiber von Wasserversorgungssystemen. Den deutschen Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsbetrieben fehlt wiederum die Finanzkraft, um den Weltmarktführern Konkurrenz zu machen. Zwar wird dieser Nachteil durch eine weltweit führende Rolle der deutschen Produzenten von Anlagen und Komponenten der Wasser- und Abwassertechnik teilweise kompensiert, jedoch sind die technologieorientierten mittelständischen Unternehmen der Wasser- und Abwassertechnik keine Global Player, die dem Endkunden Wasser verkaufen, das Abwasser reinigen und gleichzeitig alle damit zusammenhängenden Dienstleistungen anbieten. Deutschland ist dagegen als dezentral organisiertes Land mit einer dezentralen Wasserversorgungsstruktur führend bei dezentralen Wassersystemen und der innerbetrieblichen Reinigung (vgl. Oberhäuser 2004b). Wettbewerbsstrategien Als Ansatzpunkt zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wasserwirtschaft werden in der Literatur häufig Effizienzsteigerungen durch die Einführung von Wettbewerbselementen genannt. In der relevanten Literatur wird oftmals behauptet, dass öffentliche, kommunale Verund Entsorger eine relative Ineffizienz im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Unternehmen aufweisen (vgl. Heymann 2000; Ewers et al. 2001; Stuchtey 2002; Rothenberger 2003). Um auf den globalen Märkten erfolgreich sein zu könifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang nen, wäre danach eine Umstrukturierung von öffentlich-rechtlichen hin zu privatwirtschaftlichen Strukturen mit mehr Wettbewerb erforderlich. Bei leitungsgebundenen Dienstleistungen bietet sich als Alternative zum Wettbewerb im Markt der Wettbewerb um den Markt an. Daneben werden auch Modernisierungsstrategien propagiert, die zwar die Simulation von Wettbewerb ermöglichen, die bestehenden institutionellen Strukturen jedoch weitgehend unangetastet lassen. Wettbewerb im Markt Wettbewerb im Markt bezeichnet allgemein Maßnahmen zur Öffnung der Gebietsmonopole. Behindert wird diese Form des Wettbewerbs derzeit durch den Anschluss- und Benutzungszwang und die Anwendungsmöglichkeit des § 103 GWB. Erst die Aufhebung dieser Regelungen kann Wettbewerb im Markt ermöglichen. Folgende Ansätze eines Wettbewerbes im Markt wären bei einer Aufhebung der genannten Vorschriften möglich (vgl. Heymann 2000; Ewers et al. 2001; PriceWaterhouseCoopers 2001): – Freier Leitungsbau: Bei dieser Variante der Marktöffnung wird das Marktgebiet eines regionalen Monopolisten durch den Bau paralleler Rohrleitungen eines zweiten Anbieters für den Wettbewerb geöffnet. – Durchleitung durch fremde Netze: Nach der aktuellen Rechtslage steht die Benutzung des Rohrleitungssystems eines Versorgungsgebietes lediglich dem ortsansässigen Versorger selbst zu. Bei dieser Liberalisierungsform müssen Versorgungsunternehmen gegen eine faire Gebühr Anbietern aus anderen Gebieten den Netzzugang ermöglichen. – Einschaltung von Wasserhändlern: Die Idee dieses Verfahrens liegt darin, Händler zwischen Endverbraucher und ortsansässigem Versorgungsunternehmen zu schalten. Der Endverbraucher bezieht sein Trinkwasser zwar weiterhin aus dem Netz des örtlichen Versorgers, den Vertrag über die Höhe des Wasserpreises und andere Details schließt er jedoch mit einem Zwischenhändler ab. Es kommt damit zu Wettbewerb im Bereich der Zwischenhändler. Besonders interessant ist diese Zwischenhändlerfunktion für Multi-Utility-Unternehmen, die Kunden zusätzlich mit anderen Produkten wie z.B. Strom oder Gas versorgen und dadurch Verbundvorteile erzielen können. Darüber hinaus wird diskutiert, dieses System mit dem Verfahren der Durchleitung durch fremde Netze zu kombinieren. Einem Zwischenhändler stünde dann frei, von welchem Versorger er sein Wasser bezieht. In der Praxis sind die Möglichkeiten des Wettbewerbs im Markt allerdings weitgehend begrenzt. So ist die Pa- Forschungsergebnisse rallelverlegung von Versorgungs- und Entsorgungsnetzen aufgrund der hohen Fixkosten nicht rentabel und stellt eine echte Marktzutrittsbarriere dar. Die Durchleitung durch fremde Netze wird erschwert aufgrund der Tatsache, dass Trinkwasser in unterschiedlichen Qualitäten bereitgestellt wird und es sich um kein homogenes Gut, wie z.B. beim Strom handelt, bei dessen Bereitstellung der Netzbetrieb durch einen Monopolisten von der Einspeisung durch konkurrierende Unternehmen getrennt werden kann. Die Durchleitung von Trinkwasser konkurrierender Anbieter durch das Trinkwasserversorgungsnetz ist wesentlich problematischer, da eine Durchmischung verschiedener Qualitäten hingenommen werden müsste. Netzbetrieb und Trinkwasserproduktion sind daher kaum voneinander zu trennen. Damit scheidet auch die Möglichkeit der Einschaltung von Wasserhändlern aus. Ähnliches gilt für die Abwasserkanäle, deren Transportweiten aufgrund hygienischer Anforderungen begrenzt sind. Wettbewerb um den Markt Bei Wettbewerb um den Markt bleiben die Gebietsmonopole erhalten. Die Zielsetzung besteht hier vielmehr darin, durch eine zeitlich befristete Ausschreibung Wettbewerb um die einzelnen, abgegrenzten Gebiete zu entfachen. Dies ist zwar nach der aktuellen Rechtslage bereits möglich, jedoch nicht gesetzlich verpflichtend (vgl. Kluge und Lux 2002). Deshalb wurde vorgeschlagen, Kommunen per Bundesgesetz zur Ausschreibung zu zwingen, falls durch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gezeigt werden kann, dass die öffentliche Versorgung ineffizient erfolgt, die Kommune dauerhaft staatliche Fördermittel in Anspruch nimmt oder Quersubventionierung zu Gunsten der Trinkwasserversorgung innerhalb der Stadtbzw. Gemeindewerke betreibt (vgl. Ewers et al. 2001; Salzwedel 2001a; 2001b). Die Gemeinde legt bei der Ausschreibung wichtige Zielparameter, wie beispielsweise Trinkwasserpreise und -qualität, fest und überlässt dem günstigsten Anbieter die unternehmerische Tätigkeit. Zusätzliche Anforderungsmerkmale, wie die Höhe der Wasserentnahme, die Investitionshöhe oder die Anzahl der Mitarbeiter, können ebenfalls vertraglich vorgegeben werden. Um tatsächlich Wettbewerb zu etablieren und ineffiziente Willkürlichkeiten bei der Gebietsvergabe zu verhindern, wären gesetzliche Regelungen festzulegen, die einen Rahmen für die Durchführung der Ausschreibung vorgeben, falls sich eine Gemeinde dafür entscheidet bzw. entscheiden muss (vgl. Ewers et al 2001). Die entscheidenden Wettbewerbselemente wären somit der Ausschreibungswettbewerb, das daraus resultierende günstigste Angebot sowie die zeitliche Vertragsbefristung. Die tatsächliche Wettbewerbsintensität ist bei diesem Ansatz von der Häufigkeit der Ausschreibung und der Vertragsgestaltung abhängig (vgl. Heymann 2000). Modernisierungsstrategien Moderatere Varianten der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wasserwirtschaft unter Beibehaltung des aktuellen Ordnungsrahmens werden in jüngster Zeit unter dem Begriff der »Modernisierung der Wasserwirtschaft« subsumiert. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die folgenden Ansatzpunkte (vgl. Egerer 2005): – Ausbau von Kooperationen: Kooperationen zwischen Wasserdienstleistern werden als ein wesentliches Element zur Nutzung von Synergieeffekten erachtet. Von einer Kooperation erhofft man sich, durch die gemeinsame Erledigung von Aufgaben Kosteneinsparungspotentiale zu nutzen, Versorgungsstrukturen zu stärken, die Versorgungssicherheit zu erhöhen und eine höhere Auslastung der Anlagen zu erreichen, um sich gegen eine flächendeckende Übernahme durch ausländische Großkonzerne wehren zu können. Für eine Kooperation bieten sich jene Bereiche der Wertschöpfungskette an, die in gleicher Weise in unterschiedlichen Wasserversorgungsunternehmen anfallen. Denkbar ist beispielsweise ein gemeinsames Beschaffungswesen, das gemeinsame Anbieten von Dienst- und Sachleistungen an Dritte oder die kollektive Vorhaltung von fachspezifischem Know-how (vgl. Mehlhorn und Weiß 1999). – Outsourcing einzelner Unternehmensbereiche: Outsourcing bezeichnet in diesem Kontext die Beauftragung privater Dienstleistungs- und Bauunternehmen zur Durchführung klar definierter Aufgaben. Dies kann, bedingt durch fehlende unternehmensinterne Qualifikationen, mangelndes Arbeitsvolumen oder deutlich höhere Kosten im Vergleich zu externen Anbietern, Effizienzvorteile bewirken (vgl. Hirner 1999). Besonders die Vorbereitung und Durchführung von Erweiterungs- und Instandhaltungsmaßnahmen eignen sich zur Auslagerung an Fremdfirmen (vgl. Rathmann 1998). Umfangreiche Baumaßnahmen wurden dementsprechend schon bisher in den meisten Fällen an externe Unternehmen ausgelagert (vgl. Hirner 1999). Aus Expertengesprächen wurde deutlich, dass die deutschen Ver- und Entsorgungsunternehmen bereits in großem Umfang in der Wasserwirtschaft erforderlichen Aufgaben und Aktivitäten outgesourct haben. Auf der anderen Seite gehen die Infrastrukturanbieter der Wasserwirtschaft aber auch immer mehr dazu über, wasserbezogene Dienstleistungen für Dritte, z.B. kleinere Kommunen, anzubieten. – Zusammenführung von Wasserver- und Abwasserentsorgung: Die Durchführung beider Aufgaben durch getrennte Unternehmen ist in Deutschland vor allem auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der Wasserwirtschaft zurückzuführen. Während die Wasserversorgung, unabhängig von der Wahl der Rechtsform des Versorgungsunternehmens, eine steuerpflichtige Tätigkeit darstellt, wird die Abwasserentsorgung zu den hoheitlichen 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 23 24 Forschungsergebnisse Aufgaben gerechnet, die im Falle einer Erbringung durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht der Steuerpflicht unterliegt. Wird die Abwasserentsorgung hingegen in privater Rechtsform betrieben, fallen Umsatz-, Vermögen- und Ertragsteuer an. Eine Privatisierung der Abwasserentsorgung ist daher oftmals allein aus steuerlichen Gründen unrentabel und verhindert die Zusammenführung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zu einem privatrechtlichen Unternehmen (vgl. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen 2000). Durch eine steuerliche Angleichung hofft man vertikale Unternehmenszusammenschlüsse zu erleichtern, um die Effizienz der Versorgung zu erhöhen. Dies soll auch für kommunale Unternehmen die Möglichkeit schaffen, am Weltmarkt zu agieren (vgl. Mehlhorn 2001b). – Benchmarking: Herrscht über die generellen Vorteile eines Benchmarkings bei den beteiligten Akteuren noch weitgehend Einigkeit, so ist die Frage der Freiwilligkeit der Teilnahme der Wasserversorgungsunternehmen in der derzeitigen Diskussion um eine Modernisierung der Wasserwirtschaft doch heftig umstritten. Besonders die Unternehmensverbände wehren sich gegen ein verpflichtendes Benchmarking und verweisen auf die Notwendigkeit der Geheimhaltung sensibler Unternehmensdaten (vgl. BGW 2001c; Bongert 2002; 2003). Andererseits wird von verschiedenen Seiten ein freiwilliges Benchmarking als Abwehrstrategie gegen Liberalisierungsbestrebungen und nur ein obligatorisches Benchmarking als wirkungsvolles Instrument der Modernisierung anerkannt. – Relativierung des Örtlichkeitsprinzips: Das kommunale Örtlichkeitsprinzip, das in der jeweiligen Gemeindeordnung festgelegt ist, beschränkt die Möglichkeiten kommunaler Unternehmen, außerhalb der eigenen Versorgungsgrenzen zu agieren. Diese Beschränkung entfällt jedoch, wenn private Unternehmen die Wasserversorgung übernehmen. Eine Lockerung des Örtlichkeitsprinzips könnte dazu führen, dass mehr Unternehmen am Markt aktiv werden und sich damit die Wettbewerbsintensität und die Effizienz erhöhen (vgl. Bongert 2002). – Förderung von PPP-Modellen durch Hemmnisabbau und Verfahrenserleichterungen: Mit dem im Spätsommer 2005 verabschiedeten PPP-Beschleunigungsgesetz wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen bereits korrigiert und durch die beabsichtigte Novellierung des Gesetzes sollen weitere Hemmnisse abgebaut werden, insbesondere die Beseitigung von Diskriminierung von PPP, z.B. im Investmentgesetz. Darüber hinaus sollen neue gesetzliche Bestimmungen sichern, dass insbesondere auch der Mittelstand von Public Private Partnership profitieren kann (vgl. EUWID 2005c). Fazit Die angestrebte Modernisierungsstrategie mit den beabsichtigten Ansätzen zur Effizienzsteigerung ermöglicht die ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang behutsame Einführung von Wettbewerbselementen in der deutschen Wasserwirtschaft, ohne die vorhandenen Strukturen grundsätzlich in Frage zu stellen. Besonders wichtig ist dabei die verstärkte Bildung von Kooperationen bzw. die Bildung größerer Einheiten, soweit möglich auch in Gestalt von Public-Private-Partnership-Modellen. Hinderlich ist in diesem Zusammenhang jedoch die Zementierung steuerlicher Privilegien für öffentliche Entsorger sowie die erkennbare Tendenz zur Abschottung kommunaler Strukturen. Das Örtlichkeitsprinzip ist im Hinblick auf verbesserte Möglichkeiten überregionaler und auch internationaler Aktivitäten kommunaler Ver- und Entsorgungsunternehmen auf den Prüfstand zu stellen, und der Ausschreibungswettbewerb sollte intensiviert werden. Wie in im Rahmen der Studie durchgeführten Expertengesprächen mehrmals hervorgehoben wurde, wäre im Hinblick auf die internationalen Märkte von politischer Seite mehr Unterstützung wünschenswert, was die Einwirkung auf mittelstandsfeindliche Praktiken, z.B. bei Ausschreibungsverfahren, die Mitwirkung in internationalen Gremien und Institutionen der Wasserwirtschaft oder die Wahrnehmung einer Türöffnerfunktion für die deutsche Wasserwirtschaft im Ausland betrifft. Literatur Auer, J., B. Böttcher, H.-J. Frank, St. Heng und E. Heymann (2003), Traditionelle Monopole: Wachstum durch mehr Wettbewerb, Deutsche Bank Research Nr. 261, Frankfurt am Main. BGW – ATV-DVWK Marktdaten (2003), Ergebnisse der gemeinsamen Umfrage zur Abwasserentsorgung, Aachen, Berlin, Hennef, Koblenz. BMBF (Hrsg., 2000), Aktionskonzept nachhaltige und wettbewerbsfähige deutsche Wasserwirtschaft, Karlsruhe. Bongert, D. 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Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 25 Branchen im Blickpunkt: Die deutsche Gastronomie 26 Matthias Balz Deutschland bildet beim Nichtraucherschutz und im Kampf gegen die Gefahren des Passivrauchens im Vergleich zu wichtigen europäischen Staaten und zu den USA das Schlusslicht. Im Fokus der öffentlichen Diskussionen und der politischen Auseinandersetzungen stehen dabei insbesondere die Gaststätten. Während im Beherbergungswesen das Thema Nichtraucherschutz bereits geräuschlos und völlig problemlos gelöst ist – die Hoteliers haben ihr Angebot für Nichtraucher umfassend und verbraucherfreundlich geregelt – ist es für viele Gastronomen augenscheinlich schwierig, vernünftige und attraktive Regelungen zu finden und umzusetzen. Im Folgenden soll eine kurze Darstellung der wirtschaftlichen Situation des Gaststättengewerbes in Deutschland zur größeren Transparenz in der öffentlichen Diskussion beitragen. In der deutschen Gastronomie ist seit Jahren ein tendenzieller Schrumpfungsprozess zu beobachten, der von einem Strukturwandel weg von den reinen Schankwirtschaften hin zu der mehr speisenorientierten Gastronomie begleitet wird (vgl. Abb. 1). Die Zahl der Schankwirtschaften hat nach den Daten in der Klassifikation der Umsatzsteuer des Statistischen Bundesamtes innerhalb von vier Jahren zwischen 2000 und 2004 um 5 301 oder 10,7% abgenommen, die getränkeorientierte Gastronomie insgesamt verlor im Zeitraum 1994 bis 2004 knapp Abb. 1 Strukturentwicklung im Gaststättengewerbe 250 Unternehmen Anzahl 200 150 100 50 0 1994 1996 1998 2000 2001 2002 2003 2004 2005 geschätzt Gesamtumsatz ohne Mehrwertsteuer in Mrd. € - in jeweiligen Preisen - 35 30 34 000 Betriebe oder 37,8%. Die speisenorientierte Gastronomie insgesamt hat in der Dekade 1994 bis 2004 um 9,8% zugenommen, die Gesamtzahl der Gaststätten mit einem Jahresumsatz von mehr als 17 500 € ist in diesem Zehnjahreszeitraum um 22 000 oder 10,4% geschrumpft. Das am stärksten wachsende Segment in den letzten Jahren ist der so genannte Quickservice-Bereich (QSR), hierzu zählen sowohl die BurgerBrater als auch die Döner-, Curry-WurstBuden, Schnell-Pizza-Stände etc. Die konjunkturelle Situation und Entwicklung verlief für das Gaststättengewerbe in den letzten drei Jahren alles andere als befriedigend. Von Jahr zu Jahr mussten neuerliche Umsatzrückgänge verkraftet werden (vgl. Abb. 2). Die Zahl der Insolvenzen stieg in dieser Branche zwar überproportional an, aber es gibt keine einheitliche Branchenkonjunktur. Die Entwicklung zeigt vielmehr die Kennzeichen von Unternehmens- bzw. Objekt- und Marktsegmentkonjunkturen. Und auch ausgeprägte Saisonverläufe bestimmen generell das Umsatzgeschehen im Jahresverlauf. So gehört die Weihnachtszeit zu den wichtigsten Wochen des Jahres.1 Die überwiegende Mehrzahl der Gaststätten wird nach wie vor als Einzelunternehmen geführt, mittelständische Familienbetriebe bestimmen das Branchenbild (vgl. Abb. 3). Wegen der hohen wirtschaftlichen Risiken, mit denen gerade im Finanzierungsbereich die Kreditinstitute die 25 20 15 10 5 0 1994 1996 1998 2000 2001 2002 2003 2004 Getränkegeprägte Gastronomie 2005 geschätzt Schankwirtschaften, Trinkhallen, Bars und Vergnügungs-, Tanzlokale u. Discotheken Speisengeprägte Gastronomie Restaurants, Cafes, Eisdielen und Imbisshallen Quelle: Statistisches Bundesamt, Umsatzsteuerstatistik. DEHOGA Jahrbücher, verschiedene Jahrgänge. ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang 1 Das Weihnachtsgeschäft 2006 ist nach einer Befragung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) gut bis zufriedenstellend verlaufen (vgl. Deutscher Hotel- und Gaststättenverband 2006a; o.V. 2006a). Daten und Prognosen Abb. 2 Umsatzentwicklung im Gaststättengewerbe - in konstanten Preisen 110 Index 2003 = 100 Speisengeprägte Gastronomie Getränkegeprägte Gastronomie 105 100 95 90 85 80 75 2003 2004 2005 Quelle: Statistisches Bundesamt. Branchenunternehmen immer wieder konfrontieren, und der in der jüngeren Vergangenheit enorm angestiegenen Gefahr, die Insolvenz erklären zu müssen, ist die Rechtsform der Kapitalgesellschaft – und hier insbesondere die GmbH – spürbar auf dem Vormarsch. Gemessen am Umsatz liegt der GmbH-Anteil noch deutlich höher als gemessen an der Zahl der Unternehmen. In der speisenorientierten Sparte ist dabei ein leicht größerer Prozentsatz als bei der getränkeorientierten zu beobachten. Bei den Skandalen und Diskussionen um »Gammelfleisch« waren 2006 die Hauptbetroffenen in der Gastronomie – auch renommierte Traditionshäuser – zu finden, während in den Vorjahren vor allem Verbrauchermärkte des Lebensmittelhandels die Hauptleidtragenden waren (vgl. Balz 2006). Zum 1. Januar 2007 erfolgte in Deutschland eine Erhöhung des Regelsatzes bei der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte, von 16 auf 19%. Die Gastronomie ist hier wiederum besonders betroffen. Seit Jahren fordert sie eine Angleichung der Sätze innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (vgl. Tabelle; Deutscher Hotel- und Gaststättenverband 2006b). Hinzu kommt die Besonderheit, dass 2006 für Getränke einerseits – auch im Lebensmitteleinzelhandel – der volle Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist, etwa auch für Mineralwasser, während Nahrungsmittel in Deutschland lediglich mit dem reduzierten Satz von 7% besteuert werden. Dies gilt grundsätzlich im »Auf-die-Hand-Verkauf« (»Take-away«Sparte), also sowohl für den Lebensmittelhandel als auch für die Gaststätten im so genannten Straßenverkauf. So haben die großen Fast-Food-Betriebe für das gleiche Produkt 19% (Verzehr in ihrem Lokal) oder 7% (zum Mitnehmen) abzuführen. 2003 und 2004 waren nach den Ergebnissen der Umsatzsteuerstatistik 19,3% der in der Gastronomie insgesamt getätigten Umsätze zu 7% Mehrwertsteuer und 80,6% zum damaligen Regelsatz von 16% zu versteuern. Abb. 3 Struktur im Gaststättengewerbe nach Unternehmensformen 2004 Speisengeprägte Gastronomie Getränkegeprägte Gastronomie Restaurants, Cafes, Eisdielen und Imbisshallen Schankwirtschaften, Trinkhallen, Bars und Vergnügungs-, Tanzlokale und Discotheken Anzahl der Unternehmen Umsatz in Mrd. € Einzelunternehmen Personengesellschaften (oHG, KG) Kapitalgesellschaften u. sonstige (GmbH, AG, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Betriebe gewerbl. Art von Körperschaften d. öffentlichen Rechts, sonstige Rechtsformen) Quelle: Statistisches Bundesamt, Umsatzsteuerstatistiken; DEHOGA Jahrbücher, verschiedene Jahrgänge. Die Bundesrepublik Deutschland hat zum 1. Januar turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft für das erste Halbjahr 2007 übernommen. Traditionell versteht sich Deutschland als Motor der Europäischen Einigung, am 25. März wird quasi als Höhepunkt in Berlin feierlich der Geburtsstunde der EU, dem 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge, gedacht. Die Liste der Erwartungen auf der Agenda für Durchbrüche und Lösungen in vielen Politikfeldern ist lang. Im Bereich der Erhebung der Mehrwertsteuer sollte ein Vorstoß zu mehr Harmonisierung sowie Plausibilität und Konsistenz innerhalb der EU eines von den erzielbaren Erfolgsvorhaben bzw. sichtbaren Ergebnissen sein. Im Zuge der veränderten Essgewohnheiten sind den traditionellen Gaststätten und Wirtshäusern immer mehr branchenfremde Konkurrenten entstanden. Der Außer-HausVerzehr nimmt stark zu. Insbesondere der Verkehrssektor verdeutlicht dies sehr anschaulich. Die Sekundärfunktionen an Standorten, wie Zug- und Busbahnhöfen, an U-BahnStationen, an Flughäfen etc., haben immens zugelegt. Entsprechend zählen Take-away (Mitnahmegastronomie) und Fast Food zu den nachhaltigen Gewinnern der letzten Jahre. An diesem Kuchen wollen insbesondere branchenfremde Anbieter aus dem Ernährungshandwerk – Bäcker und 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 27 28 Daten und Prognosen Im Gaststättengewerbe angewendete Mehrwertsteuersätze in der EU-25 (in %) Land Dänemark Schweden Finnland Belgien Ungarn Frankreich Tschechische Republik Slowakei Deutschland Estland Litauen Lettland Malta Vereinigtes Königreich Irland Portugal Italien Österreich Griechenland Slowenien Zypern Polen Spanien Niederlande Luxemburg Nachrichtlich: Schweiz Norwegen a) 20% auf Getränkeumsatz. Mehrwertsteuerregelsatz 25 25 22 21 20 19,6 19 19 19 18 18 18 18 17,5 Ermäßigter Mehrwertsteuersatz 13,5 12 10 a) 10 9 a) 8,5 8 7 7 6 3 vereinbarung des deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes und des Bundesgesundheitsministeriums die Angelegenheit zu regeln (vgl deutscher Hotel- und Gaststättenverband 2006c, 78 ff.), haben europäische Entwicklungen und insbesondere verschärfte Regelungen in Italien und Frankreich den Handlungsdruck erheblich erhöht. Hinzu kam, dass viele Unternehmer der Branche die von ihrem Verband unterstützten Regelungen nur sehr zögerlich umgesetzt haben. Im Internet wurde zwischenzeitlich ein neuer Service »www.nichtraucherfuehrer.de« von dem Verband eingerichtet, der informiert, ob ein Gasthaus Räumlichkeiten für Nichtraucher bereit hält und wie diese ausgestaltet sind. Nach der im Dezember 2006 eingetretenen Situation ist die Branche selbst gefordert, ihren Gästen marktkonforme und nachfrage- bzw. verbraucherorientierte Angebote zu präsentieren. Die Erfahrungen im Ausland und vor allem von Pioniergastronomen im Inland zeigen, dass mit Nichtraucherschutz attraktive Geschäfte zu machen sind. So hat der Branchenführer 7,6 im Fast-Food-Segment, McDonalds, der 25 zu einem großen Teil jugendliches Publikum und Familien zu seinen Kunden zählt, für Quelle: Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA); Hotelverseine 1 264 Restaurants3 schon im Oktoband Deutschland (IHA); Europäischer Verband Hotels, Restaurants and ber 2006 seine Initiative »Rauchfreies ResCafes in Europe (HOTREC). taurant« gestartet, nach der bis spätestens zum 31. März 2007 in allen Filialen ein Konditoren, Metzger und Fleischer – sowie der EinzelhanRauchverbot gelten soll (vgl. McDonalds 2006). Die Deutdel im Nahrungs- und Genussmittelbereich wie auch Shops sche Bahn (2006) hat für ihre Zug-Bistro’s Ähnliches verin Tankstellen teilhaben. Die Wettbewerbsintensität mit diekündet. Ab 1. Oktober 2006 steht »rauchfrei genießen« sen Anbietern hat deutlich zugenommen. Ein anderer Zweig auf dem Bistro-Programm mit eigener Speisekarte für Kinmit Wachstumsraten in den vergangenen Jahren ist die Hander, in Kooperation mit Slow Food. In München gibt es delsgastronomie. Dabei werden die hier getätigten Umsätim »Kneipenbereich« gut zwei Dutzend Lokale, in denen ze oft der Gaststättenbranche gar nicht zugerechnet, sonabsolutes Rauchverbot gilt. Im Nachbarland Österreich dern zählen im Wirtschaftszweig der Hauptbranche des Unmachte schließlich jetzt die erste rauchfreie Skihütte Östernehmens mit. Lediglich, wenn dieser Betriebsteil als selbterreichs, die Balmalp am Arlberg, Schlagzeilen: »Genuss ständiges Unternehmen arbeitet, wie z.B. bei IKEA, Metro, ohne Rauch«. oder Karstadt, sind Gastronomieumsätze auch unter dem Gaststätten-Wirtschaftszweig erfasst.2 Die Gastronomie kann mit gutem Recht in allen drei Bereichen, in denen für sie aktuell grundlegende SchwierigkeiAktuell ist die Ausgestaltung des Nichtraucherschutzes Topten zu lösen sind – a) Harmonisierung der innerhalb der EU thema in Politik und Publizistik. Nachdem zunächst im März geltenden Mehrwertsteuersätze in der Gastronomie, b) wirk2005 ein Versuch gestartet wurde, über eine freiwillige Zielsame und vertrauensfähige Lebensmittelkontrollen und c) pragmatische und rationale Regelungen zum Nichtrau2 In vielen Möbelhäusern z.B., die mit attraktiven Preisangeboten Kunden für ihr Kerngeschäft anlocken, sind die Gastronomieumsätze in der statistischen Erfassung damit Teil des Möbelhandelumsatzes. Die Substitution zwischen traditioneller Gastronomie und diesen Anbietern verschleiert somit statistisch die eigentliche Branchenentwicklung. ifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang 3 Nach Informationen der Zeitschrift food service (vgl. o.V. 2006b) 2005: 2,424 Mrd. € Umsatz (ohne Mehrwertsteuer) in 1 264 Betrieben, davon 913 in Franchising. Daten und Prognosen cherschutz – Klarheit in den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen einfordern.4 Das Jahr 2006 war für die Branche durch viel Positives gekennzeichnet. Das Großereignis FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2006 ist für ganz Deutschland und insbesondere auch für das deutsche Gaststättengewerbe zu einem Riesenerfolg geworden. In den Sommermonaten Juni und Juli konnte die Branche erstmals und einmalig seit geraumer Zeit ein Umsatzplus gegenüber den Vorjahreszeiträumen erwirtschaften. Gerade die getränkeorientierten Betriebe zählten dabei nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zu den Gewinnern. Insbesondere Gartenlokale und Biergärten mit Leinwänden zur Live-Übertragung berichteten über deutliche Umsatzzuwächse. Der Getränkeabsatz wies große Steigerungsraten auf. Parallel konnten die deutschen Brauereien ebenfalls erstmals seit Jahren eine Unterbrechung des Trends von sinkendem Bierabsatz und einen wieder gewachsenen Bierausstoß (nach Angaben des Statistischen Bundesamtes: Mai 2006: + 8% gegenüber dem Vorjahresmonat, Juni 2006: + 1,8%, mit einem Bierabsatz von 11 Mill. Hektolitern wurde das höchste Ergebnis in einem Juni seit 1994 erzielt) melden. Das Statistische Bundesamt berichtet von einer Steigerung des Getränkeumsatzes in der Gastronomie während der beiden WM-Monate von + 4,7%. fahren, ihr wird ebenfalls eine wachsende Nachfrage entgegengebracht. Literatur Balz, M. (2006), »Branchen im Blickpunkt: Daten und Fakten zum deutschen Fleischmarkt«, ifo Schnelldienst 59(21), 37–41 und »Spitzenreiter unter den Teilsektoren«, Fleischwirtschaft, 87.Jg. (2007), Heft 1. Deutsche Bahn (2006), »Genuss pur – Bahn mit neuem Angebot im Bordbistro«, Presseinformation vom 25. September. Deutscher Hotel- und Gaststättenverband, DEHOGA (2006a), »Guter Start für Gastronomen und Hoteliers ins Weihnachtsgeschäft«, Pressemitteilung vom 12. Dezember. Deutscher Hotel- und Gaststättenverband, DEHOGA (2006b), »DEHOGA gibt Startschuss für www.nichtraucherfuehrer.de – Neuer Service für Gäste und Gastronomen«, Pressemitteilung vom 15. Mai. Deutscher Hotel- und Gaststättenverband, DEHOGA (2006c), Jahrbuch 2005/2006, http://www.dehoga-berlin.de/uploads/0/dehogajahrbuch2005_2006.pdf. McDonalds (2006), »McDonalds führt Rauchverbot ein«, Pressemitteilung vom 24. Oktober. o. V. (2006a), »Die neue Freude am Luxus – Die Verbraucher gönnen sich wieder etwas Restaurants ausgebucht«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Dezember, 21. o.V. (2006b), food service, Nr.4, April, 21. Die Erfahrung aus dem gut verlaufenen Sommer mit dem sportlichen Großereignis verpflichtet, auch in den kommenden Jahren die nachgewiesen positiv gezeigte Gastfreundlichkeit und das Image als gute Gastgeber mit allseits präsenter Herzlichkeit zu pflegen und immer wieder neu zu demonstrieren. Die Welt war im Sommer 2006 in Deutschland zu »Gast bei Freunden«, dieses Motto sollte auch in der Zukunft kultiviert und wirksam praktiziert werden. Unter Einhaltung dieser Maximen müssten für die Entwicklung der Branche dauerhaft gute Chancen gerade auch im internationalen Wettbewerb gewährleistet sein. Die traditionelle deutsche Wirtshauskultur mit ihren typischen Ausprägungen und ihrer regionalen Vielfalt bietet gerade in einer globalisierten Welt, in der viele sich insbesondere im Privaten und in der Freizeit nach Geborgenheit und Überschaubarkeit sehnen, große Chancen. Die regionale Küche hat in Deutschland eine umfassende Renaissance er4 Die alleinige Zuständigkeitszuweisung im Rahmen der Föderalismusreform über das Gaststättenwesen auf die einzelnen Bundesländer kommentierte die Süddeutsche Zeitung am 15. Dezember 2006 mit »föderaler Unfug«. Der Versuch der Verbandsführung des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, den Gordischen Knoten durch eine Radikallösung des totalen Rauchverbots zu zerschlagen, hat im »Bayerischen Wirtekrieg« geendet, wie die SZ (15.12.2006) titelte. Die Wiesnwirte (Wirte des Münchener Oktoberfestes) haben prompt ihren Austritt aus dem Verband erklärt, sie sehen Traditionen gefährdet (»Vernichtungsschlag«, Zitat: »Die Wiesn ist doch keine Reha-Klinik«). Die FAZ (14.12.2006) beklagt das »Diktat des Staates, wie Menschen zu erziehen seien.« Das Land Hessen hat als Bundesland in der Mitte Deutschlands erklärt, dass es keine landeseigene Sonder-Regelung treffen wird, sondern einheitliche Lösungen für ganz Deutschland befürwortet. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 29 ifo Konjunkturtest Dezember 2006 in Kürze1 30 Hans G. Russ 1) Geschäftsklima nach Wirtschaftsbereichen im Dezember 2006 50 30 Verarbeitendes Gewerbe (O) 20 Großhandel (O) Verarbeitendes Gewerbe (BRD) Großhandel (BRD) 10 0 Einzelhandel (BRD) Bauwirtschaft (BRD) -10 Einzelhandel (O) -20 Bauwirtschaft (O) -30 Klima negativ aber verbessert Klima negativ und verschlechtert -40 -50 -20 -16 -12 -8 -4 0 4 8 12 16 20 Veränderung in %-Punkten 1) Saisonbereinigte Werte. BRD = Bundesrepublik Deutschland, O = Ostdeutschland. Quelle: ifo Konjunkturtest. In der gewerblichen Wirtschaft Ostdeutschlands stieg der Klimaindikator weniger an als im Bundesdurchschnitt, da sich die Unternehmen im Hinblick auf die Geschäftsaussichten im kommenden halben Jahr eher skeptisch äußerten. Im verarbeitenden Gewerbe hellte sich das Geschäftsklima zum dritten Mal in Folge auf, die Besserung in den neuen Bundesländern fiel jedoch nur schwach aus. In ähnlichem Ausmaß wie im verarbeitenden Gewerbe besserte sich das Klima beim Einzelhandel; auch hier stieg der Indikator in Ostdeutschland nur wenig. Auch im Bauhauptgewerbe war eine Aufwärtsentwicklung zu beobachten, allerdings tendierte das Geschäftsklima in den neuen Bundesländern überdurchschnittlich nach oben. Eine relativ schwache Besserung meldete der Großhandel, bei den ostdeutschen Großhändlern hat sich das Klima sogar leicht eingetrübt (vgl. Abbildung). Die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage abermals positiver als im Vormonat. Besonders ausgeprägt war die Besserung bei den Investitionsgüterproduzenten, während die Hersteller von langlebigen Konsumgütern nach der sprunghaften Aufwärtsentwicklung vom Vormonat eine leichte Abschwächung registrierten. Im Durchschnitt stiegen Auftragseingang und Produktion weiter an, die Auftragspolster übertrafen vermehrt das Normalmaß. Verschiedentlich kam es sogar erneut zu Lieferschwierigkeiten. Die Geschäftserwartungen ließen wachsende Zuversicht erkennen, der Optimismus hinsichtlich des künftigen Exportgeschäfts war ungebrochen. Die Produktionspläne zeigten zwar nicht mehr ganz so häufig nach oben, erstmals seit langem überwogen aber wieder die Unternehmen, die zusätzliches Persoifo Schnelldienst 1/2007 – 60. Jahrgang Klima positiv und verbessert Klima positiv aber verschlechtert 40 Salden Das Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands hat sich im Dezember erneut deutlich verbessert. Mit einem Saldo von 16,5 Prozentpunkten erreichte der Indikator einen Wert, wie er kaum im Vereinigungsboom 1991 zu beobachten war. Die Unternehmen beurteilten ihre derzeitige Geschäftslage noch günstiger als im Vormonat (Saldowert: 26,1 Prozentpunkte), und vor allem die Erwartungen, die von März bis September nach unten tendierten, besserten sich deutlich (Saldowert: 7,3 Prozentpunkte). Mit ungebrochenem Optimismus schätzten die Industrieunternehmen ihre Chancen im künftigen Exportgeschäft ein, trotz einer voraussichtlichen Abschwächung der Weltkonjunktur. Die Ausgangsbasis für das Jahr 2007 präsentiert sich somit als äußerst günstig, die Mehrwertsteuererhöhung wird nur eine kurzfristige Konjunktureintrübung nach sich ziehen. nal einstellen wollen. Der Anstieg der Verkaufspreise dürfte sich den Meldungen zufolge in den nächsten Monaten fortsetzten, vor allem bei Vorleistungsgütern und bei Gebrauchsgütern. Die Geschäftslage im verarbeitenden Gewerbe der neuen Bundesländer wurde bei weiter verbesserter Auftragssituation deutlich vermehrt als günstig eingestuft. Hinsichtlich der Perspektiven äußerten sich die Unternehmen nicht mehr ganz so optimistisch wie im Vormonat, setzten aber größere Hoffnungen auf die Nachfrage aus dem Ausland. Auch hier waren Produktionssteigerungen etwas seltener geplant, die Beschäftigungslage dürfte sich den Firmenangaben zufolge aber weiter verbessern. Im Bauhauptgewerbe wurde die derzeitige Geschäftslage ähnlich »gut« wie im Vormonat bewertet. Einer leichten Besserung im Tiefbau stand eine geringfügige Abwärtsentwicklung im Hochbau gegenüber. Der Auslastungsgrad des Maschinenparks erhöhte sich bei reger Bautätigkeit etwas, er war mit 72% sogar um 9 Prozentpunkte höher als vor Jahresfrist. An der Reichweite der Auftragsbestände (2,5 Produktionsmonate) änderte sich nichts, zur gleichen Zeit des Vorjahres war sie noch um 0,2 Monate kleiner. Im Tiefbau hat die Unzufriedenheit mit der Auftragslage allerdings wieder etwas zugenommen. Sichtlich aufgehellt haben sich nach Ansicht der Befragungsteilnehmer die Geschäftsaussichten für das kommende halbe Jahr sowohl im Hoch- als auch im Tiefbau. Sie gingen auch davon aus, weitere Preiserhöhungen vornehmen zu können. Einen Personalabbau beab1 Die ausführlichen Ergebnisse des ifo Konjunkturtests sowie Unternehmensbefragungen in den anderen EU-Ländern werden in den »ifo Konjunkturperspektiven« veröffentlicht. Die Zeitschrift kann zum Preis von 75,– EUR/Jahr abonniert werden. Im Blickpunkt sichtigten per saldo nur noch 5% der Unternehmen gegenüber 25% vor einem Jahr. Auch bei den ostdeutschen Bauunternehmen hat sich an der aktuellen Geschäftssituation nichts verändert, wie im Westen tendierte sie im Tiefbau leicht nach oben und im Hochbau nach unten. Mit 75% wurde der Nutzungsgrad der Geräte vom Vorjahr um 7 Prozentpunkte übertroffen. Dagegen verringerte sich die Reichweite der Auftragsbestände binnen Jahresfrist um 0,2 Monate auf 1,9 Produktionsmonate. Die Erwartungen verbesserten sich abermals deutlich; dies gilt insbesondere für den gewerblichen Hochbau. Wie ihre Kollegen in Westdeutschland sahen auch die ostdeutschen Baufirmen Spielräume für weitere Preisheraufsetzungen. re Geschäftslage abermals positiver als im Vormonat. Da sie aber in Bezug auf die künftige Entwicklung skeptisch blieben und es zu einem ungewollten Aufbau der Warenlager kam, zeigten ihre Orderpläne sogar vermehrt nach unten. Sie sahen aber Spielräume, in den nächsten Monaten Preisheraufsetzungen vornehmen zu können. Die erneute Aufhellung des Geschäftsklimas im Dienstleistungsgewerbe2 ist sowohl auf eine günstigere Bewertung der aktuellen Lage als auch eine zuversichtlichere Einschätzung der Perspektiven zurückzuführen. Für die nächsten Monate rechneten die Unternehmen mit einer weiteren Nachfragebelebung, die Zahl derartiger Meldungen war allerdings nur noch gering. Dennoch zielten die Personalpläne unverändert auf eine Erhöhung der Mitarbeiterzahl ab. Der Großhandel bewertete seine Geschäftslage noch günstiger als im Vormonat, im Bereich der Verbrauchsgüter tendierte sie allerdings nach unten. Aufgrund einer erneuten Umsatzsteigerung im Vergleich zum Vorjahr verringerten sich die Lagerbestände. Hinsichtlich der Perspektiven hat die Zuversicht nochmals leicht zugenommen, bei Verbrauchsgütern haben sie sich dagegen wieder etwas eingetrübt. Die Pläne der Unternehmen kündigten für die nächsten Monate höhere Bestellvolumina und Einstellungen von zusätzlichem Personal an. Der Anstieg der Verkaufspreise dürfte unvermindert anhalten, wobei vor allem der Produktionsverbindungshandel mit Steigerungen rechnete. Die Geschäftslage des Großhandels in Ostdeutschland wurde nach der rückläufigen Entwicklung in den beiden letzten Monaten wieder vermehrt als günstig bewertet. Bei reger Nachfrage zeigten die Orderpläne weiter nach oben, obwohl sich die Zuversicht in den Geschäftserwartungen etwas abgeschwächt hat. Die Testteilnehmer gingen auch wieder häufiger von Preisheraufsetzungen aus. Im Einzelhandel wurde die momentane Geschäftssituation geringfügig weniger günstig eingestuft. Zurückzuführen ist dies auf die deutliche Verschlechterung im Verbrauchsgüterbereich. Die Perspektiven hellten sich jedoch allgemein auf, nachdem sie in den vorangegangenen fünf Monaten zunehmend skeptisch eingeschätzt worden waren. Da aber der Lagerdruck nicht nachgelassen hat, wollen sich die Unternehmen bei ihren Bestellungen künftig weiterhin zurückhalten. Den Meldungen nach zu schließen dürfte sich der Preisanstieg in den nächsten Monaten eher noch verstärken, wobei nach wie vor insbesondere bei Nahrungs- und Genussmitteln mit Steigerungen gerechnet wurde. Einen Personalabbau beabsichtigten wie im Vormonat lediglich per saldo 6%, vor einem Jahr waren es immerhin noch dreimal so viele. Im Gegensatz zur Entwicklung im Bundesdurchschnitt beurteilten die Einzelhändler in den neuen Bundesländern ih- 2 In den Ergebnissen für die »gewerbliche Wirtschaft« nicht enthalten. 60. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2007 31 12 2006 ifo Konjunkturperspektiven 33. Jahrgang Inhalt 1 Industrie (Deutschland): Anhaltender Nachfrageboom 13 Bauwirtschaft (Deutschland): Hohe Auslastung der Gerätekapazitäten 19 Großhandel (Deutschland): Aufwärtstrend setzt sich fort 25 Einzelhandel (Deutschland): Klimabesserung 31 Dienstleistungen (Deutschland): Klimaindikator gestiegen 34 Beschäftigungsbarometer (Deutschland) 35 Konjunkturindikatoren EU 39 Konjunkturindikatoren Weltwirtschaft Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München ifo Institut für Wirtschaftsforschung im Internet: http://www.ifo.de