Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer.
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Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Hanjo Diekmann Bad Vilbeler Heimatblätter Band 49 Bad Vilbeler Heimatblätter Beiträge zur Geschichte der Stadt Bad Vilbel sowie der Stadtteile Dortelweil, Gronau und Massenheim Band 49 Die Bad Vilbeler Heimatblätter werden mit Unterstützung des Magistrates der Stadt Bad Vilbel gedruckt. Die Bad Vilbeler Heimatblätter erscheinen in zwangloser Folge kostenlos für alle Vereinsmitglieder. Einzelhefte sind über den Herausgeber zu beziehen. Alle Rechte vorbehalten. Die Verfasser sind für den Inhalt ihrer Aufsätze verantwortlich. Bad Vilbeler Heimatblätter 49/2005 Bild Einband: Friedrich Grosholz Herausgeber: Bad Vilbeler Verein für Geschichte und Heimatpflege e.V. Kulturzentrum Alte Mühle, Lohstraße 13, 61118 Bad Vilbel Telefon 06101 - 559310 / Fax 06101 - 559330 Email: [email protected] Schriftleitung: Rita Grimm, Walter Heil, Claus-Günther Kunzmann, Josef Rubin Satz und Gestaltung: Hanjo Diekmann, Claus-Günter Kunzmann, Satzbüro Heike Klause Druck: Druckerei Spiegler, Bad Vilbel Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser von Hanjo Diekmann Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Inhaltsverzeichnis 1. Wer war Friedrich Grosholz? 4 2. Herkunft und Familie 6 3. Der Geometer I. Klasse 10 4. Feldgeschworener, Gemeinderatsmitglied, Gemeinderechner 17 5. Der Versicherungsvertreter 19 6. Der Kaufmann - Spezereihändler 22 7. Der „Cigarrenmacher“ und Tabakspinner 24 8. Der Bankier im „Mathildenstift“ – Sparkassen, Kirchenfonds, private Geldverleiher 25 9. Der Nudelfabrikant 32 10. Der Vilbeler Markt(platz) und seine Quellen 34 10.1 Vermarktung im Kleinen und Großen 34 10.2 Marktplatz und Politik – Die Kulisse 37 11. Der Mineralwasserhändler en gros in der Liste der Höchstbesteuerten 1877/78 41 12. Verpachtung des Brunnens und Nachfolge 45 13. Ein deutscher Stammbaum mit europäischen Zweigen: Einige Grosholz-Karrieren im Vergleich 52 13.1 Rückblick – Scharfrichter und Wachsfigurenkabinett 52 13.2 Ausblick - Die Karriere des Sohns Adolf Grosholz 55 14. Die vier Quellen: Markt, Geld, Unternehmertum, Berufsethik 57 Anhang: Anmerkungen; Literatur 62 - 3 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 1. Wer war Friedrich Grosholz? Die Geschichte der Entstehung der Vilbeler Mineralwasserindustrie ist mit vier Quellen und vier Namen verbunden: „Diese vier Brunnen: Der Herrschaftliche Brunnen, dann Hinterbrunnen und später Ludwigsbrunnen genannt, der Sauerbrunnen des „Wilden Mann“, heute Hassia-Sprudel, der Sauerbrunnen des Christoph Breuer, heute Elisabethen-Quelle, und der Brunnen des Friedrich Grosholz, später Louisenquelle, bildeten den Kern der Bad Vilbeler Mineralbrunnenindustrie“, so die These des Vilbeler Heimatforschers Willi Giegerich1. Eine Würdigung des Beitrages von Friedrich Grosholz wird sich folglich in diesem Umfeld bewegen müssen. „Der Mann ist eine Legende, aber keine erfundene“, schrieb der Vilbeler Anzeiger 1993. Das stille Wasser flößt Vertrauen und Gesundheit ein. Die grüne Flasche auf dem Etikett mit dem Konterfei eines ernst und gelassen dreinblickenden Deutschen des 19. Jh.s ist weit über die Region hinaus bekannt. Dank beharrlicher Werbung mit Naturbezug, sinnreichen Sprüchen und altdeutsch klingendem Namen wie Apotheker Julius Eisenhuth ist Friedrich Grosholz mit dem Backenbart als Marketing-Figur längst „penetriert“, wie es in der Werbesprache Abb. 1: Funkspot „Spaziergang mit Eisenhuth“ heißt. In dieser Person, so scheint (Freitag, 1980-1993) es, verknüpfen sich die Entstehung und Entwicklung der Vilbeler Mineralwasserindustrie zu einer langen Erfolgsgeschichte. Grund genug, diesem Zusammenhang nachzuspüren. Wer war dieser Mann mit dem Aussehen eines Oberpfarrers oder Homöopathen, der mit seinem Nachbarn und Freund Eisenhuth an der Nidda lange Spaziergänge unternahm, bevor es zum Dämmerschoppen in den „Hirsch“ am Marktplatz oder ein paar Meter weiter in den „Wilden Mann“ ging?2 - 4 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Gibt es von hier gar eine (erst 100 Jahre später im Marketing bewusst angelegte) Wahlverwandtschaft mit dem zehn Jahre jüngeren Zeitgenossen aus dem bayrischen Bad Wörishofen, dem Gesundheitspfarrer Kneipp? Oder lässt sich eine Generation zurück-, aber räumlich entschieden näher gehen zu dem in Frankfurt ansässig gewordenen Philosophen der „Welt als Wille und Vorstellung“, einem gewissen Arthur Schopenhauer, der mit seinem Hündchen ausgedehnte Spaziergänge am Main unternahm? Das Portrait auf dem Etikett der grünen Flaschen macht neugierig auf die eigentliche historische Persönlichkeit. Abb. 2: Der Sauerbrunnen an der Rathausbrücke. Zeichnung von Fritz Bamberger 1853 (Historisches Museum Frankfurt, Inv. Nr. C 19.262) Die vorliegende Darstellung stützt sich auf die verdienstvolle dokumentarische Zusammenstellung von Erich Seipp (2001) und auf Recherchen im Stadtarchiv Bad Vilbel, im Hassia-Archiv Bad Vilbel, im Staatsarchiv Darmstadt und auf viele Gespräche.3 Die Suche nach den verschiedenen Querverbindungen im „sozialen Gewebe“, ohne eine strikte wissenschaftliche Methode und Anspruch unternommen, und eine ausgiebige Quellenforschung sollten das Leben und die Herkunft dieses interessanten Mannes mit zeit- und gesellschaftsgeschichtlichen Ereignissen und Entwicklungen verknüpfen. So entstand eine Mischung von Beschreibung und Analyse, Zeitreise und (Hypo-) Thesenbildung. Fehlende historische Unterlagen und - 5 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Erklärungslücken im entstehenden Text reizten zu Interpretationen und mancher „Spekulation“. Ziel der Reise in die Vilbeler Vergangenheit war es immer, das Bild des Menschen und unermüdlichen Unternehmers Grosholz so deutlich und lebendig wie möglich vor dem lokalen Umfeld und spannungsvollen Hintergrund des 19. Jh.s zu malen und damit seine Bedeutung für die Anfänge der Vilbeler Industrieentwicklung und modernen Wirtschaft zu konturieren und zur Debatte zu stellen. Der Bogen führt von dem aus dem Wiener Kongress 1815 hervorgehenden Großherzogtum bis in die Anfänge des 20. Jh.s, als ein Hauch von großer Geschichte und Globalisierung durch den „Arbeitervorort von Frankfurt“ weht. Abb 3: Aus dem „Vilbeler Anzeiger“ vom 26. Mai 1854 (StA BVilb) Es zeigte sich: Nur wenige Vilbeler Persönlichkeiten können eine derartig vielseitige und ausgedehnte Tätigkeit aufweisen. Damit lockt die Aufgabe, zu verdeutlichen, wie der zugewanderte Grosholz in dem rund 4000 Einwohner umfassenden Städtchen zwischen der nördlichen Peripherie der Großstadt Frankfurt und den (Wetterauer) Mittelzentren Friedberg, Hanau und Büdingen sich zu einem geschickten Kaufmann mit viel Marktgespür, einem unternehmerischen Pionier und letztlich, all seine Kenntnisse bündelnd, im reifen Alter von 65 Jahren auch noch zu einem der Vorreiter der aufkommenden Mineralwasserindustrie entwickeln konnte. 2. Herkunft und Familie Beginnen wir mit den Lebensdaten, und stellen wir die bis in die (Vor-) Reformationszeit zurückgehende Familiengeschichte zurück, um erst später daran anzuknüpfen (s. Kap. 13). Friedrich Karl Michael Grosholz wurde am 19.07.1810 in Weitersborn im Hunsrück geboren. Er stammte aus einer kinderreichen Familie: Sein Vater Friedrich Karl Grosholz, Förster von Beruf, hatte in drei Ehen 17 Kinder gezeugt (ein weiteres, „nacheheliches“ - 6 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Kind folgte noch). Davon starben die ersten drei Kinder aus der ersten und das erste Kind jeweils aus der zweiten und dritten Ehe. Der Sohn Friedrich war insgesamt gesehen das 14. Kind; seine Mutter war die dritte Frau seines Vaters. Nach dem Tode des ersten Sohns war er damit der zweite Sohn nach Johann Wilhelm, umgeben von vier älteren und zwei jüngeren Schwestern. Abb. 4 Portrait Friedrich Grosholz- (Hassia-Archiv Bad Vilbel, Akte Weihl) Der Vater, Friedrich Karl Grosholz, starb nach Abzug der französischen Besatzung 1816 im Arrest, als Friedrich Grosholz sechs Jahre alt war. Die verarmte Mutter, dritte Ehefrau, zog nach Bad Kreuznach und gebar noch nach dem Tode ihres Mannes eine uneheliche Tochter. Durch den frühen Tod des Vaters musste die Mutter Katharina Franziska Wehinkel den Familienbesitz verkaufen und einige ihrer Kinder in Pflege geben. So wuchs - 7 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser auch der Sohn Friedrich, dessen Charakter als „außerordentlich ernst“4 beschrieben wird, ab dem achten Lebensjahr bei Verwandten auf. Dort erhielt er, entgegen seinem Wunsch, ebenfalls Förster zu werden, von seinem Onkel F. J. Brunck, der Landwirt, Geometer, Bürgermeister und Landtagsabgeordneter war, die Berufsempfehlung und finanzielle Ausstattung zum Geometer. Nach seiner Ausbildung bestand er 1835 in Darmstadt die Prüfung zum Geometer I. Klasse. Seine berufliche Karriere begann er bald darauf als Gehilfe des Geometers Metzler in Gießen. Von dort führte ihn eine Vertretung für Metzler in die Wetterau. Ab 1836/37 wird er in Vilbel und weiteren Dörfern als Vermesser tätig. Er bleibt ab jetzt bis zu seinem Tode, also über 50 Jahre in Vilbel – eine Präsenz, deren konkrete Schritte und Auswirkungen wenig bekannt und untersucht sind, obwohl sie bis in die Gegenwart ausstrahlen. Bevor wir uns mit Grosholz’ zahlreichen Tätigkeiten und seiner Rolle in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s in Vilbel widmen, seien hier noch einige bedeutsame Daten aus der Familiengeschichte angefügt: Aus seiner ersten, 1842 in Kirchheimbolanden in der Pfalz mit Theodora Giessen geschlossenen Ehe hatte er 1843 in Vilbel ein totgeborenes Kind.5 Zu diesem Zeitpunkt war er also schon nach Vilbel gezogen. Wo wohnte das Ehepaar, vielleicht schon zur Miete, im Hause Marktplatz 4 des Nachbarn Isaac Hinkel? Als 1845 sein Sohn Adolph Georg Jakob geboren wurde, über dessen spätere Karriere als Generaldirektor der Balkan-Orient-Eisenbahn noch zu berichten sein wird, war der Geometer und Feldgeschworene vom (alt-) katholischen zum evangelischen Glauben konvertiert. Hintergrund für diese Entscheidung bildeten nach Aussagen der Nachfahren die „neu aufgestellten Glaubensdogmen der katholischen Kirche.“6 Vielleicht hatte ihn aber auch der Kindestod erschüttert. Und vielleicht beeinflussten auch die Divergenzen zu der deutschkatholischen Minderheit, denen gegenAbb. 5: Gasthaus und Hofreite „Zum über der „Altkatholik“ wiederum ein Goldenen Engel“, Frankfurter Str. 4, Außenseiter war, seine Entscheidung. um 1905 („Alt-Vilbel“; S. 66) Was mit seinen beruflichen Ambitionen - 8 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser gar nicht vereinbar war. Wahrscheinlich war das typische protestantische Milieu Vilbels ausschlaggebend. Aber auch der Einfluss durch den Vormärz kommt infrage, also eine weltanschauliche, politische Haltung: Als seine Frau Anfang 1848 in Vilbel an einem Lungenleiden starb, heiratete der Witwer mit dreijährigem Sohn noch im selben Jahr die Auguste Simon, Tochter aus einer 1796 aus Lothringen über Homburg nach Vilbel eingewanderten Hugenottenfamilie. Der Schwiegervater Peter Isaac Simon war Gastwirt des „Goldenen Engel“ und Weinhändler. Er vertrat die liberalen Positionen des Vormärz und war lange Zeit als Gemeinderatsmitglied und auch Beigeordneter im Gemeindeleben aktiv (s. Kap. 6). Aus der Ehe mit der Tochter von Peter Simon und Mina Appel aus der großen Hofreite in der Frankfurter Str. 4 entsprossen in den Jahren 1850 bis 58 vier Kinder in der Reihenfolge Clara, Friedrich, Julius, Mathilde. 1868, noch im Jugendalter, starben die beiden Söhne Friedrich und Julius nacheinander – Friedrich durch ein Herzleiden, Julius ertränkte sich zwei Monate später in der Nidda „aus Schwermut“7. Der früh verstorbene Vater, das totgeborene Kind, der Verlust seiner ersten Ehefrau und nun zweier Söhne – der Tod war ein stetiger Begleiter in seinem Leben. Und nicht nur in seinem: Angefügt sei hier die bis um 1500 zurück verfolgbare Herkunft der Grosholz’ aus einer Familie von Anhängern Zwinglis in der Schweiz, die über neun Generationen hinweg in Zürich, dann dem Elsass, dann Mühlhausen und schließlich in Baden-Baden das Amt des Scharfrichters ausführte. Von Baden Baden zog ein Zweig der Familie um 1700 in den Hunsrück nach Weitersborn, wo sie in den Försterberuf – und vom protestantischen Glauben zum Katholizismus wechselte. Aus dieser Zeit stammt, als Abgrenzung und Unterscheidung, auch die neue Schreibweise Grosholz, vom Doppel-s oder „ß“ zum einfachen „s“. (Freilich hielten sich viele Behörden usw. nicht daran, nicht mal sein Kollege Armbrust, s. u. S. 33) - 9 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Es gibt erstaunliche Parallelen im Lebenslauf der beiden Brüder Johann und Friedrich. Der ältere Johann Wilhelm, 1802 geboren, strebt auch den väterlichen Försterberuf an, wird aber zunächst ebenfalls wie sein Bruder Katastervermesser (1828 in Koblenz), bis er dann 1835 den begehrten Beruf ergreifen kann und sich als Oberförster in Siegen niederlässt. Hier entfaltet er eine ähnlich vielseitige aktive Rolle wie sein Bruder und ist auch im Kultur- und Gewerbeverein tätig, bevor es ihn Abb 6: Geburtsanzeige der Tochter Mathilde, 1848 in die pfälzische Heimat geb. am 3.12.1858 (Vilb. Anz., 12.2.1859) zurückzieht, wo er ebenfalls als Förster arbeitet und landwirtschaftlich beratend tätig ist. Aufgrund seines Hobbys wurde er auch als „Jäger aus Kurpfalz“8 bezeichnet, weil er angeblich den letzten Wolf im Soonwald erledigt hatte. Er starb 1867. Es ist nicht bekannt, in welcher Beziehung die beiden Brüder zueinander standen. Hierüber könnten Nachfahren der Familie vielleicht Auskunft geben. 3. Der Geometer I. Klasse Anfang 1837 wurde Friedrich Carl Grosholz in Darmstadt das Patent zum Geometer I. Klasse für den Kreis Bingen erteilt.9 Als er bald darauf zum ersten Mal nach Vilbel geschickt wurde, traf er auf ein (wieder er-) blühendes Gemeinwesen, das sein Wachstum der Nähe zu Frankfurt, einer beachtlichen Zahl von neu hinzukommenden öffentlichen Einrichtungen, der Arbeitsamkeit seiner Bewohner und den fruchtbaren Bodenressourcen verdankte. Die Einwohnerzahl der Gemeinde Vilbel hatte sich vom Ende des 30-jährigen Krieges von 450 im Jahre 1650 über 800 um 1700, 1200 um - 1 0 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 1800 und 2800 im Jahr 1850 auf rund 4000 vor der Jahrhundertwende fast verzehnfacht.10 Abb. 7: Fahrplan der Main-Weser-Bahn (Vilb. Anz., 3.12.1852) Ein wichtiger Grund für den Bevölkerungsanstieg war die günstige Verkehrslage, der damit verbundene Straßenbau und die Verkehrseinrichtungen: 1818 wird eine Brief- und Fahrpoststelle eingerichtet. Posthalter wird der Hanauer „Centgraf“ Wilhelm Simon (ebenfalls ein Sohn von Peter Isaac Simon aus dem „Engel“). 1823 kommt mit der Fertigstellung der wichtigen Verbindung Frankfurt-Vilbel-Friedberg-Gießen eine Haltestation für Post-, Last- und Privatwagen hinzu.11 Um die Jahrhundertmitte wird die Eisenbahnlinie „Main-Weser-Bahn“ gebaut und 1854 der Bahnhof fertig gestellt. Parallel dazu erhält Vilbel Verwaltungssitze: 1816 kommt der Amtmann Seitz von Rodheim; 1821 wird Vilbel Landratsbezirk. Zwar findet schon 1832 die Zusammenlegung der beiden Landratsbezirke Vilbel und Friedberg nach Friedberg statt, aber 1828 wird nach der Gründung des Zollvereins das Hauptzollamt in Vilbel eingerichtet. Jedoch wird dies 1836 zu dem neuen Mitglied nach Frankfurt verlegt. Dafür erhält Vilbel im selben Jahr die „Ortseinnehmerei“ I. Klasse. Sie wird 1865 in die II. Klasse herabgestuft, zum Ausgleich aber mit der Verwaltung der Salzmagazine verbunden. 1852 kommt es zur erneuten Gründung des Kreises Vilbel für gut 20 Jahre (ab jetzt erscheint der „Vilbeler Anzeiger“). 1853 wird im Stadthaus das Landgericht eingerichtet, dessen Gebäude die Stadt 12 000 Gulden kostet.12 - 1 1 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Ein weiterer Ausdruck der wirtschaftlichen und sozialen Dynamik ist die 1852 erfolgte Gründung eines Vilbeler Ablegers des „Mathildenstifts“ (s. u. Kap. 8). Das Ziel dieser Spar-, Leih- und Unterstützungskasse war die „Förderung von Sittlichkeit, Wohlstand und Wohltätigkeit“. Den Hintergrund dieser gesellschaftlichen Veränderungen und damit auch für die Geometer-Tätigkeit von Grosholz bildeten die Neuordnungen nach dem Wiener Kongress: Nach 1815 finden im neu zugeschnittenen Großherzogtum, wie wohl überall, flächendeckende präzise Vermessungen statt: „Nachdem das Katastergesetz und die ergänzenden Instruktionen im Jahre 1824 die Grundlage für eine flächendeckende Katastervermessung im Großherzogtum geschaffen hatten, folgte … 1832 die Geometer-Verordnung mit ausführlichen Regelungen für die Vermessungskräfte, denen es oblag, die örtlichen und häuslichen Folgearbeiten auszuführen. Nach französischem Vorbild waren die Geometer in drei Klassen geteilt, wobei nur die Geometer I. Klasse befugt waren, ganze Gemarkungen zu vermessen.“13 Abb. 8: Das Steuerkommissariat für Vilbel war in Büdingen (Vilb. Anz., 1.7.1859) Die Vermessungsarbeiten wurden ständig durch den „Debus“, den Katasterverifikator, überprüft. Neben der Beherrschung der reinen Mathematik musste der Kandidat in der mehrere Tage dauernden Prüfung vor der Kommission der Oberfinanzdirektion auch das nötige Arbeitsgerät nachweisen. Die Urkunde, „Patent“ genannt, erhielt er vom Kreisrat nach eidlicher Verpflichtung. Unbekannt bleibt, wie und bei wem sich Grosholz ausbilden ließ, und woher er das Geld für die sicher teuren Geräte bekam – sehr wahrscheinlich von seinem Onkel. Zunächst bei dem „Königlich Preußischen Unterthansverband“ in Darmstadt tätig, ging er nach seiner Gehilfenzeit beim Geometer I. Klasse Metzler in Gießen zurück nach Darmstadt zum - 1 2 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Katasterbüro oder einem nachgeordneten Zeichenbüro. Von hier aus wurde er mit zahlreichen Vermessungsaufgaben im Umfeld von Mainz und in der Wetterau beauftragt. Dies führte ihn ab 1837 zwangsläufig zur „Ortseinnahme“-Behörde nach Vilbel, wo er im Auftrag der Bürgermeisterei und des Kreisamtes mit den Kollegen Armbrust und Hess Vermessungen in der Gemarkung und an Gebäuden vornahm. Die Bedingungen dafür hatte frühzeitig der Gemeinderat geschaffen: „Am Beispiel der Gemarkung Vilbel lassen sich die Katastervorgänge sehr gut nachvollziehen, was einem gut geordneten Stadtarchiv zu verdanken ist … 1833 beschloss der Gemeinderat einstimmig die Durchführung einer Parzellenvermessung“.14 Zu Recht sieht Seipp in diesem vergleichsweise frühen Datum die „Aufgeschlossenheit und Weitsicht des Gemeindegremiums“ (ebd.). Als Grosholz 1836 zum ersten Mal nach Vilbel kam, fand er ein ruhiges „Ackerbürger“-Städtchen mit einem regen Handwerk und etlichen nach Frankfurt pendelnden Arbeitern vor. Im März 1836 beschließt der Gemeinderat die Vermessung der Parzellen und stellt für die Kosten 600 fl. (Gulden) zur Verfügung. Bürgermeister Hinkel beantragt beim Kreisrat einen „Geometer für Vermessung und Versteinung“.15 Im Oktober, nachdem schon die Steine aus Bockenheim angeliefert wurden, vergibt die Gemeinde den Vermessungsauftrag an Grosholz, „Vergütung per Morgen, per Parzelle, per Tag, nach der bestimmten Taxe“16. Doch schon bei Arbeitsbeginn am Petterweiler Weg gibt es ein Problem: Grosholz beschwert sich bei Bürgermeister Hinkel, dass „der Feldgeschworene Bärmann nicht zum Abpflocken des Weges erschienen war. Ausfallkosten 1 Fl. 30 Kr zu Lasten Bärmann“ (ebd.). Die großherzogliche Arbeit ist ehren- und verdienstvoll. Aber nicht nur die Gemarkung, auch die Dienstwege der Zusammenarbeit sind steinig. Im Februar 1837 kündigt Grosholz aus Darmstadt Hinkel sein Kommen zur Vermessung der Wiesen an und meldet es zugleich einige Tage später Kreisrat Küchler. Im Jahr darauf fordert Grosholz die Gemeindeakten für die Parzellenabpflockung an, muss aber im April mitteilen, dass er nicht selbst kommen kann und einen Vertreter einsetzt. Bald darauf erfolgt seine Beschwerde, dass acht Wiesenbesitzer nicht zum Ortstermin erschienen sind. Schon im Mai beschwert er sich über die „Nachlässigkeit des Feldgerichts beim Steinsetzen von den Weinbergen auf die Gemeindewies im Linden“.17 Grosholz stellt für Nacharbeiten und seinen Gehilfen 1 ½ Gulden in Rechnung. Kurz darauf legt das Feldgericht, bestehend aus H. Armbrust II, J. Mohr und Bürgermeister J. Hinkel, einen Kostenvoranschlag („Über- 1 3 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser schlag“) für die gesamten Messungen vor: Gesamtsumme für die Flur- und Gewannsteine, Pflöcke, Transport, benötigten Taglöhner, Setzen der Steine, „Ergänzen der abhanden gekommenen Pflöcke und sonstige Versäumnisse des Geometers“ etwas über 2000 Gulden (ebd.). Abb 9: Stadtgebiet, Gemarkung und Parzellen von Vilbel; Katasterzeichnung von F. Grosholz, 1836-38 (StA Vilb. B 171/1) Ob das Verschwinden von Material tatsächlich dem Geometer angekreidet werden kann, ist nicht plausibel. Dieser selbst mahnt im November 1838 beim Herrn Bürgermeister Hinkel die anmutige Summe von 13 Fl. 36 Kr. an. - 1 4 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Gleichwohl hat sich zwischen Geometer und Bürgermeister schon eine Freundschaft entwickelt, wie aus seinen Schreiben von 1839 aus Darmstadt hervorgeht („Lieber Hinkel“; „Dein alter Freund Gr.“; „dein alter Gr.“), in denen er einmal Akten zur Unterschrift vorlegt, einige Tage später mitteilt, dass er 1840 Vermessungsaufträge in Niederolm, Stadecken, Zornheim und Zerchenloch übernommen hat. In einem weiteren Schriftwechsel mit Hinkel im Juni aus Niederolm - es geht um die allfällige Streichung von Pachtbeträgen, „Zehnten“, aus dem Güterverzeichnis - siezen sie sich wieder. Im August wiederholt er die Anfrage in einem offiziellen Schreiben. Und es läuft ein weiters Problem auf: Im Oktober fragt er Hinkel, ob es denn rechtens gewesen sei, dass Geometer Bindernagel II „Grundstücke des Almosenkastens abpflockte“ (Seipp, 103). Wie man sieht, dehnen sich die Amtswege und mehren sich kollegiale Konkurrenzen und Konflikte, und damit auch beruflich und hierarchisch bedingte Schwankungen in dem Verhältnis zwischen dem großherzoglichen Geometer und dem ebenso großherzoglichen Bürgermeister. 1839 kehren Grosholz und Hinkel erneut zum „Sie“ zurück: In der Anmahnung von Katastergrundlagen für die Steuererhebung (des Zehnten) taucht immer mal wieder ein Konflikt zwischen persönlicher Freundschaft und institutioneller Funktion auf. Die Rolle in der behördlichen Hierarchie mögen Vorgehen und Beschwerden erzwingen. Womöglich hat er sich damit aber auch unbeliebt gemacht. Unklar bleibt, inwieweit Grosholz über seine Pflicht hinaus penibel oder allzu genau, ja, autoritär war und es sich persönlich mit diesem oder jenen verscherzt hatte. Jedenfalls muss er sich spätestens mit dem baldigen Zuzug nach Vilbel genügend Anerkennung und Verdienst erworben haben, weitere Aufgaben in der Gemeinde zu erfüllen, wie wir noch sehen werden. - 1 5 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Abb. 10: Marktplatz 1839; „Situationsriß“ von Stockhausen (StA Vilb, 1.7.1859) Vom neu eingerichteten Kreisamt Vilbel wird 1844 ein weiterer Auftrag zur Parzellenvermessung und Aussteinung mitsamt Verfügung vom Bürgermeister vergeben. Neben dem Feldgericht (bestehend aus 4 Personen) und dem Gemeinderat ist Fr. Grosholz genannt - als Geometer und Mitglied des Gemeinderates unter Bürgermeister Johannes Hinkel IV. Grosholz ist erst 1848 im „Ortsbürgerregister“ verzeichnet und damit Vilbeler geworden. Grosholz führte stets neben dem Kaufmanns- auch seinen Geometer-Titel, gerade auch als Versicherungs-Agent (s. u. Kap. 5). Er war nach langer Unterbrechung ab etwa 1850 noch einmal 1883 direkt als Geometer tätig.18 Eine 1880 von Kreisrat Küchler unterschriebene Gemeindeabrechnung weist den „Geometer Grosholz“ aus – dies war wohl seine letzte Handlung in dieser Funktion, oder auch nur eine überkommene Formulierung. Das sind damit knapp 50 Jahre. - 1 6 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 4. Feldgeschworener, Gemeinderatsmitglied, Gemeinderechner Eng mit dem Vermessungsberuf verbunden war seine Arbeit als Feldgeschworener, die man zudem als ein Zeichen seines „Ankommens“ im Gemeinwesen werten kann. Die Feldgeschworenen, vom Kreisamt ausgewählt und vom Gemeinderat vereidigt, hatten die Fluraufsicht. Sie regelten Grenzstreitigkeiten und alle Vorfälle in der Gemarkung bis hin zur Jagd. Die erste Kooperation mit den Feldgeschworenen ergab sich 1837 am Petterweiler Weg beim Abpflocken und Setzen der Gewannsteine. Hinkel war zugleich Bürgermeister und Feldgeschworener.19 Kurz darauf im Mai 1837 findet am Kirchberg eine Vermessung statt („Philipp Hinkel im Hirsch“ war dabei; ebd.). Hinzu gekommen als Feldgeschworener ist Bermann, der spätere Versicherungsagent und Bürgermeister. 1856 finden Messungen am Niddaufer und in verschiedenen Fluren statt. Feldgeschworene sind nun Grosholz und C. Jakob (siehe unten Kap. 5). 1857 sind die drei Feldgeschworenen Armbrust, Grosholz und Hess tätig in der „Hofraithe“ des (Wasserhändlers) J. Ochs II, in der Flur I für H. Klöss, bei der Grenzsteinsetzung mit Dortelweil und in der Flur X. Im Oktober wird die Gemarkungsgrenze begangen, wie auch 1858 und 1859 von den dreien diese „großherzogliche Bürgermeisterei-Auflage“ erledigt wird.20 Im Mai 1859 setzen die drei Grenzsteine bei Massenheim. Und so geht es weiter mit ihrer Arbeit, immer wieder sind auch Grenzbegehungen dabei. Die Eintragungen im „Tagebuch der Dienstvorrichtungen der Feldgeschworenen“ zu Grosholz enden am 23. 1. 1862: Es sind neben Bürgermeister Adam Simon Ph. Simon, Grosholz, Armbrust, Seybold und Heß registriert.21 Womöglich wechselt der Posten des Feldgeschworenen turnusmäßig. Da Grosholz zu diesem Zeitpunkt die Genehmigung für den beantragten Dampfkessel für seine Nudelfabrik bekommt (s. Kap. 9), unterbricht er vielleicht selbst diese Aufgabe. Einmal schon für die Gemeinde tätig, ist für den Mathematiker eine weitere Aufgabe nahe liegend. Die Akte A 15/315 im Stadtarchiv hält akribisch genau die Vorgänge um Grosholz’ Tätigkeit als Gemeinderechner 1859/60 fest. Grosholz war kurzfristig für den flüchtigen Rechner Jacob (s. Kap. 5) eingesprungen, bevor er dann wiederum von H. Breiter V abgelöst wurde. Diese zusätzliche Tätigkeit fiel in eine schwere persönliche Krisenphase, wie auch aus den Akten hervorgeht: Grosholz konnte wegen „später eingetretenen Krankheitsfällen in der Familie“ das Rechnungswesen nicht ordnungsgemäß ausführen.22 Ob seine Frau nach der Geburt der Tochter Ma- 1 7 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser thilde erkrankte oder eines der Kinder, bleibt unklar. Angesichts der bedeutsamen Arbeit – Bestimmung der privaten und öffentlichen Grenzverläufe; Führung der Gemeindekonten - nimmt es nicht wunder, dass die erwähnten Namen in verschiedenen Kontexten als Bürgermeister, Feldgeschworene, Rechner, Versicherungsagenten auftauchen (siehe z. B. Grosholz, Bermann und Hess in Kap. 5). Erst 1864 tritt Grosholz gemeinsam mit Ph. Hess VI von seinem Feldgeschworenen-Amt zurück.23 Es obliegt dem Gemeinderat neue Vorschläge zu machen. Abb 11: Anweisung für die Feldgeschworenen zur Gemarkungsbegehung (Vilb. Anz., 12.7.1861) Wir sehen welche wichtige Funktion hier ausgeübt wurde und wie viele Chancen sich damit ergaben, sich unter den lokalen Honoratioren zu etablieren. Doch damit war der gesellschaftliche Ehrgeiz von Grosholz noch keineswegs erlahmt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er noch weitere Karrierestufen erklommen. Zunächst war Grosholz – vermittelt über die Funktion des Feldgeschworenen – zumindest für eine Periode ab 1855 bis 1859 auch Mitglied des Gemeinderates. So ist er 1855 in einem Protokoll über eine Feuervisitation neben Ph. Hinkel, Jak. Hess, Phil. Simon, P. Still u. a. als letzter der Liste aufgeführt.24 Zudem war er kurzzeitig als Ersatz für den flüchtigen „Rechnungspraktikanten“, Versicherungsagenten und Gemeindeeinnehmer Conrad Jacob als Gemeinderechner eingesprungen. - 1 8 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 5. Der Versicherungsvertreter Seit dem Erscheinen des Vilbeler „Anzeigerblattes“ 1852 fallen Inserate verschiedener Versicherungsgesellschaften auf. Entstanden waren sie aus landeshoheitlichem Interesse an der Wirtschaftsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe und der Versorgung der Bevölkerung. Denn allzu oft und zuletzt um die Jahrhundertmitte hatten Naturkatastrophen und nachfolgende Hungersnöte zu Elend auf dem Land geführt und viele Bauern besonders nach Amerika auswandern lassen. Für eine „verhagelte Ernte“ gab es keine Garantien. Nunmehr treten eine ganze Reihe von (über-) regionalen Instituten und Assekuranzen auf den Plan, die gegen solche Existenz bedrohenden Schäden oder darüber hinaus, Policen u. a. für eine Lebens- und Rentenversicherung anbieten.25 Abb. 12: Suchanzeige nach Gemeinderechner Jacob (Vilb. Anz., 21. 10.1859) Diese Versicherungen brauchten für die Anwerbung und Betreuung von Kunden zuverlässige lokale Agenten. So berichtet der Vilbeler Anzeiger vom 21.10.1859 einen Vorfall von Veruntreuung von Geldern durch den Gemeinderechner Jacob, der nach einem Gasthausbesuch in Friedberg mit den Einlagen auf und davon gegangen war und steckbrieflich gesucht wurde. Außer der gebührenden Reputation und gutem Leumund waren rechnerisch bewanderte Personen gefragt. Eine weitere Qualifikation war Kontaktfähigkeiten zum Klientel. So traten alsbald eine ganze Reihe von Agenturen auf und mehr und mehr in Konkurrenz zueinander, die jeweils ihren eigenen - 1 9 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser lokalen Unteragenten nennen konnten. Verbunden mit dem zunehmenden Handel und der Aufwertung Vilbels zur Kreisstadt, was zusätzliche Gelder und Funktionen brachte und für Belebung sorgte, entsteht ein Geldmarkt. Die Einrichtung einer Sparkasse war die logische Folge (s. Kap. 6). Als eine der ersten Versicherungen wirbt die „Colonia Feuer Versicherungsgesellschaft“ 1854 mit Jeremias Hinkel aus dem „Löwen“ als ihrem „Spezialagent“. Er ist zugleich auch für die „Kölnische Hagel-VersicherungsGesellschaft“ tätig.26 In diesem Jahr ist Hinkel Bürgermeister; Landrichter ist Jäger; Kassierer im Mathildenstift ist Haller, der Bürgermeister von Faulbach, der auch im Ausschuss der neu gegründeten großherzoglichen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft war.27 Abb. 13: Gastwirt Jeremias Hinkel als Versicherungsagent (Vilb. Anz., 26.5.1854) All die erforderlichen Kriterien konnte Grosholz leicht erfüllen: als Mathematiker, aufgrund seiner Behörden-Beziehungen zum Katasteramt, bis hin zum ständigen Kontakt mit dem städtischen und dörflichen Hausbesitzerund bäuerlichen Klientel und bester Reputation. So arbeitete er ab 1855 bis 1875 als lokaler Bevollmächtigter für die „Renten- und Lebensversicherungsanstalt zu Darmstadt“, gemeinsam mit einem Lehrer Adam aus Lindheim, der für den Büdinger Raum zuständig war. Er kam durch seine Arbeit in Stadt und Land herum, kannte sich mit Gebäuden aus und konnte so leicht „nebenbei“ die Versicherungspolicen anbieten, wobei er noch eine andere Sparte abdeckte: Die Kunden konnten bei ihm auf vier Arten ihre Beiträge einzahlen, eine Renten-, Lebens-, oder Leibrentenversicherung (hiermit konnten auch Witwenrenten erworben werden), und Depositengelder.28 Auf dem Versicherungsmarkt tummelten sich also viele, teilweise sich ergänzende Anbieter. Die Konkurrenz war beträchtlich: Es warb die „Magdeburger Hagelversicherungs- und Feuerversicherungsgesellschaft“ mit G. Beller I, die „Union“ mit Ed. Camp, die „Kölner Hagelversicherung“ mit Fr. Jacoby; die „Colonia-Brandschadenversicherung“ mit H. Breither VII. - 2 0 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Weitere lokale Vertreter waren Armbrust und Jacob Riesinger. Es gab noch die „Dresdener Feuerversicherungsgesellschaft“, die „GermaniaVersicherung“, den „Deutsche Phönix“. Manche Vertreter fungierten auch für zwei oder mehr Agenturen. J. Riesinger war zugleich für die „Gegenseitige Hagel-Versicherungs-Gesellschaft“ tätig. E. Camp, den Grosholz zeitweise als „Cigarrenmacher“ unter Vertrag hatte (s. Kap 7), war lange Jahre für die „Aachener und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft“ und für die „Union Hagelversicherungs-Gesellschaft“ tätig. Abb 14: Kaufmann F. Grosholz als Versicherungsagent (Vilb. Anz., 9.7.1858) Welche wichtigen (Quer-) Verbindungen und weiteren Arbeitsfelder sich aus dieser Arbeit ergeben, zeigt der eben erwähnte Versicherungsagent des „Deutschen Phönix“ und Rechnungspraktikant Jacob Riesinger, der am 1. Juli zugleich für die israelitische Gemeinde in Vilbel und die ev. Kirche in Okarben tätig wird.29 E. Camp war zusätzlich beim Orts- oder Landgericht tätig.30 Mehrere „Jobs“ hatte auch G. Beller. Er stellte im „Landsberg“ lederne Geldbörsen her.31 Der Versicherungsagent Ph. Groß war Geometer, wie auch Armbrust. Und Grosholz, der in noch mehr Sätteln saß, lieferte sich 1856/57 mit Beller II, der für die „Magdeburger Versicherung“ arbeitete, regelrechte Anzeigengefechte. 1859 kommt es am 19. April zu einer großherzoglichen Verordnung, die die Versicherungszulassungen neu regelt.32 Passend dazu werben am 29. 4. im - 2 1 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Anzeiger gleich drei Versicherungen. Noch im ganzen Jahr 1875 erscheinen viele Grosholz-Anzeigen, in langjähriger Verbundenheit mit Ex-Kollege oder Konkurrent E. Camp, der nun für drei Versicherungen agiert.33 1875 ist wegen der Einführung der Reichsmark ein wichtiges Jahr für das gesamte Wirtschaftsleben. Der Wechsel vom Gulden zur neuen Währung zeigt Ähnlichkeiten mit der Ablösung der D-Mark durch den Euro: Nicht nur wurde ein riesiger Markt geschaffen; auch das Tauschverhältnis betrug in etwa 1:2 (s. Kap. 6 „Mathildenstift“). Die Auswirkungen auf die Versicherungen beschreibt der „Rechenschaftsbericht“ der „Renten- und Lebensversicherungsanstalt Darmstadt“ für 1874: „Wegen der Einführung der Reichswährung wird die gegenwärtig in Bildung begriffene 15 Jahresgesellschaft mit Ende des Jahres geschlossen“.34 Obwohl es ab 1876 keine Grosholz-Versicherungsanzeigen mehr gibt, legt er erst am 31. März 1879 sein Gewerbe als Versicherungsagent nieder.35 Außer seinem Alter (69 Jahre) wird er in dieser Zeit alle Hände voll mit dem Mineralwassergeschäft zu tun gehabt haben (s. Kap. 11). Ein weiterer Grund: Die Verwaltungsreform und die Marktöffnung bringen auch Konzentrationen und eine Neuordnung im Versicherungswesen. Im „Anzeiger“ tauchen immer weniger Versicherungsanzeigen auf. Ob Grosholz sich und hoffentlich auch seine Frau zusätzlich mit einer Rentenversicherung abgesichert hatte, ist nicht bekannt. Es ist angesichts der 25-jährigen MaklerTätigkeit anzunehmen. Allerdings lässt der Hausverkauf 1894, vier Jahre nach seinem Tode, einen Geldbedarf der Witwe vermuten (s. Kap. 12). 6. Der Kaufmann – Spezereihändler Die „Tagebücher über erteilte Gewerbepatente“36 listen Grosholz mehrfach als Spezereihändler auf. Neben dem Beruf des Geometers versuchte er sich viele Jahre als Kaufmann. Beide Bezeichnungen trägt er gern. Auch wenn er dieses Gewerbe immer wieder (mal) niederlegt, liebte er wohl diesen Beruf, denn er kehrte noch 1882 zu dieser Arbeit zurück. - 2 2 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Abb. 15: Werbung von F. Grosholz für Stollwerck-Brustbonbons (Vilb. Anz., 14.4.1869) Die allermeisten Haushalte waren entweder unmittelbar oder über Verwandte landwirtschaftlich oder zumindest mit eigenen Gärten ausgestattet und auf Selbstversorgung ausgerichtet. Trotzdem bestand ein gewisser Bedarf an Lebensmitteln wie Gewürzen, Kräutern, „Drogen“ und zu Nahrung und Genuss verarbeiteten Agrarprodukten wie Nudeln und alkoholischen Getränken (Apfelweine, Branntwein, Liköre usw.). Auch Fleisch und Fisch (-produkte) kamen hinzu. Dieser Bedarf stieg ab 1860, weil sich ein wachsender Bevölkerungsteil verstädterte und in Handwerk und Industrie arbeitete: Ungefähr 100 Arbeiter und Handwerker pendelten um 1890 nach Frankfurt.37 Dementsprechend tummeln sich viele Krämer und „Spezereihändler“ in diesem Gewerbezweig. Darunter sind neben verschiedenen Eingesessenen auch mehrere Juden, die sich offensichtlich nur durch die Kombination verschiedener Tätigkeiten über Wasser halten können. Da Grosholz für dieses Geschäft einen Laden in möglichst attraktiver Lage benötigte, wie Jahre zuvor ja auch schon eine Wohnung für seine Familie, so lässt sich vermuten, dass er als Mieter von Hinkel am Marktplatz 4 wohnte und das Spezereigeschäft z. B. in der ehemaligen Apotheke betrieb. 1861 ist er als „Spezereihändler, Branntweinzapfer, Tabakspinner, Cigarrenmacher mit Gehilfen, Unteragent für Assekurationsgeschäfte, Holzgeschirrhändler, Messer- und Scherenhändler, Kurzwarenkrämer, Garn-, Schnur- und Zwirnekrämer, Butterhändler im Kleinen, Mehlhändler im Kleinen“ patentiert.38 Dieser Gemischtwaren- oder Krämerladen lebte von gelegentlicher einheimischer und durchreisender Kundschaft. Grosholz bezog die Produkte im August auf dem jährlichen Vilbeler Markt oder direkt bei den auswärtigen Herstellern und vertrieb sie in seinem Laden, so, wie er umgekehrt seine „Cigarren“ über Händler in der Region vertrieb. Sehr einträglich dürfte dieses Gewerbe nicht gewesen sein – Holzgeschirr kauft man nur selten nach; und eine Flasche „Bullrich-Salz“ dürfte lange - 2 3 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser gehalten haben. Aber hier konnte und musste seine Frau mitarbeiten oder ihn ersetzen, wenn er unterwegs war, wie nur allzu häufig. 1883 wirbt Fr. Grosholz zum letzten Mal für „Bullrich’s Reinigungssalz“.39 Am 21. Juli 1883 übernimmt C. H. Kullmann dieselbe Anzeige mit seinem Namen. Eine ständige AnzeigenKonkurrentin über Jahre hinweg ist „Jacobi Wwe.“ Übrigens macht neben der Gastwirtschaft „Rose“, die lange Zeit von Adam Simon in der Frankfurter Straße 30 betrieben wurde, 1892 „Schade & Füllgrabe“ ein Lebensmittelgeschäft auf. Abb. 16: Das „Spezerei-Geschäft Jacobi“ in der Frankfurter Str. 14 eröffnete am 21. 10. 1856 („Blickpunkte“, S. 59) 7. Der „Cigarrenmacher“ und Tabakspinner Schon im 30jährigen Krieg wurde im Hanauer Land Tabak angebaut: Dank guter Böden, genügend Wasser und früher Spezialisierung waren dann im 18. Jh. die Hanauer Tabake weithin begehrt. Als heimische Gewerbe erwähnt Waitz neben der Vilbeler „Aepfelwein, Branntwein- und Nudelfabrikation“ dementsprechend auch die Tabakmanufaktur.40 Grosholz hatte 1849 als neues Gewerbe „Tabakspinner“ und im August 1850 zusätzlich „Cigarrenmacher mit 1 Gehilfen“ beantragt.41 Den nötigen Platz für Geschäft und (Scheunen-) Räume hatte er im Hofgebäude im Hinterhaus. Es handelte sich um kaum mehr als eine „Ich AG“, und um Handarbeit im einfachen Sinne. Wir wissen nicht, ob der eine „Gehülfe“ seine Frau war, die die Tabakblätter verarbeitete bzw. diese dann zu „Cigarren“ - 2 4 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser drehte oder es sich um jemanden handelte, der die Zigarren-Produkte an den Mann bringen musste: So stellt der „Cigarrenfabrikant“ Grosholz 1851 an die Regierungskommission den Antrag auf Ausstellung eines Gewerbescheins, mit dem Vorhaben, sein „Fabrikat“ durch den Reisenden Valentin Cedans aus Hattersheim verkaufen zu lassen.42 1852 beantragt er erneut einen Gewerbeschein, dieses Mal für Eduard Camp (den er als Versicherungsagenten kennt. S. Kap. 5). Der Antrag wird bewilligt, da er seit 1849 für sein Gewerbe patentiert ist und Gewerbesteuer zahlt. Offensichtlich hat Grosholz aber mit seinem Verkauf wenig Erfolg, da er so schnell den Vertreiber wechselt. Auch gibt es keine Erweiterung des Betriebes. Und er hat in der Tabakmanufaktur des Vilbelers Frank Birkenholz einen starken Konkurrenten. Birkenholz taucht schon 1852 in der Liste der Höchstbesteuerten des Kreises auf (s. Kap. 11) und ist auch im Verwaltungsrat des MatAbb. 17: Verlustanzeige eines „Zigarrenetuis“ (Vilb. hildenstiftes tätig. Anz., 19.11.1852) 8. Der Bankier im „Mathildenstift“ -Sparkassen, Kirchenfonds, private Geldverleiher Für einige Jahre befand sich ab 1856 ein Vorläufer der Wetterauer Kreissparkasse im Grosholzschen Anwesen am Marktplatz 4, wie der „Anzeiger“ verkündet: „Die Kasse des Mathildenstifts befindet sich im Hause des Herrn Kaufmanns Grosholz in der Nähe der Niddabrücke und des Rathauses. Eingang durch das große Hoftor. Vilbel, am 19. Juli 1856. Der Kassierer L. Haller.“43 1852 war das „Mathildenstift“ von Okarben in die aus den beiden Landgerichtsbezirken Rödelheim und Okarben zusammen gelegte neue Kreisstadt nach Vilbel verlegt worden. 1854 beschloss der Vilbeler Gemeinderat die Selbständigkeit der Sparkasse. Zu den Mitgliedern zählten neben J. Hinkel als Bürgermeister auch A. Simon, Fr. Grosholz, Chr. Beurer, Phil. Simon und P. Hinkel44, also drei der späteren vier großen Mineralwasserhändler. Als Direktor wurde Landrichter Jäger bestätigt, der schon seit 1845 der Stiftskasse vorstand. - 2 5 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Abb. 18: Geschäftsstelle des „Mathildenstifts“ in der Frankfurt Str. 136 um 1900 („Blickpunkte“, S. 154) 1856 hatte das nun am Marktplatz ansässige Mathildenstift 66 Mitglieder, zu denen Grosholz als Gründungsmitglied gehörte. Sodann war er als Kontrolleur und Vermieter tätig und gehörte zum „Dreigestirn aus einem ehrenamtlichen, den lokalen Honoratiorenzirkeln verbundenen Direktor (und) einem hauptamtlichen Kassierer“45, also in herausgehobener gesellschaftlicher Stellung und endgültig unter den Honoratioren angelangt. Die weitere personelle Zusammensetzung verweist auf die regionale Bedeutung des „Stiftes“: Jäger leitete die Geschäfte bis 1863; Kassierer bzw. Rechner war E. Haller, Bürgermeister aus Faulbach. Der bisherige Okarbener Kontrolleur, Gastwirt P. Weitzel vom Selzerbrunnen46, wurde nun durch Fr. Grosholz ersetzt. Als Nachfolger des späteren „Vilbeler Ehrenbürgers“ Jäger kam 1863 bis 1877 der Kaichener Kirchendekan Fertsch als Direktor des Verwaltungsrates. Ab 1868 bis 1875 war Steinacker Kontrolleur, der danach für kurze Zeit Bürgermeister in Vilbel wurde. Allein diese Aufzählung zeigt auch die Bedeutung der gesellschaftlichen (Aufstiegs-) Funktionen der - 2 6 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Sparkasse.47 Natürlich war das Stift auch ein Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung. Waren die Spareinlagen 1856 wegen der Krise seit 1850 um fast ein Drittel auf 115000 Gulden zurückgegangen, so stiegen sie 1870 dagegen schon auf fast 300000 fl. an, waren also annähernd dreimal so hoch wie bei der Gründung. Mit der Einführung der Reichsmark48 ergab sich 1874 ein Umrechnungskurs von 3,5 zu 6: Aus den inzwischen 350123 Gulden Spareinlagen wurden 600212 Mark.49 Zwischen 1878 und 1882 wechselten sich drei Direktoren ab: Weygand (ebenfalls Amtsrichter wie Jäger), Dr. Schäfer und Pfarrer Schrimpf. Hatten sich bisher Richter, evangelische Kirchenvertreter und „Statthalter“ des Freiherrn von Leonhardi aus Okarben den Posten geteilt, so trat mit „Fabrikant“ J. E. Guth, der für 14 Jahre die Geschäfte führte, erstmals ein Vilbeler und gar ein „Mineralwasser-Industrieller“ in die Direktion. Guths Kollege (und auch Konkurrent?) Grosholz musste oder wollte sich erneut, von 1876 bis 1883, mit dem Posten des Kontrolleurs bescheiden. Er wurde von Geometer Bergauer abgelöst, der mit Guth kam und dem dann Kaufmann Jost folgte. Der Personalwechsel in der Führung legt die Vermutung nahe, dass Guth und Grosholz nicht zusammenarbeiten wollten (s. unten Kap. 12). Um kurz voraus zu greifen: Interessant ist die Zusammensetzung des Verwaltungsrates 1892: Außer den im Statut vorgeschriebenen fünf Bürgermeistern (mit Hinkel aus Vilbel an der Spitze) sind es die schon bekannten Namen Guth als Direktor, sowie Birkenholz, Brod und B. Jamin als „Kaufmann“; weiterhin Armbrust, Fabrikant Camp und Landwirt Kalbhenn. Offensichtlich spielen in dieser Phase die Wirtschaftsbürger gegenüber der Administration eine verstärkte Rolle. Denn die weiteren Direktoren, zugleich Amtsrichter, verweisen auf die traditionelle behördliche Dominanz und Kontrolle.50 Abb. 19: Kirchlicher Geldverleih (Vilb. Anz., 22.10.1852) Grosholz war also rund 20 Jahre im Mathildenstift aktiv – als Gründungsmitglied, im Verwaltungsrat, als Kontrolleur, und eine Weile gar als Vermieter des Kassenraums. Soweit zur gesellschaftlichen Stellung und Bedeu- 2 7 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser tung des Geometers, Kaufmanns, Feldgeschworenen und Gemeinderechners. Nur wurde er weder Bürgermeister (wie der Gastwirt, Metzger und Landwirt Hinkel; oder Rechner Steinacker usw.) noch Direktor des Stiftes (wie der Kollege Guth). Hätte eins dieser beiden Ämter bei einem so vielseitigen Mann nicht nahe gelegen? Man kann vermuten: Entweder war Politik nicht das Geschäft des Unternehmers Grosholz. Oder aber, er kam nicht ganz nach oben: Über den Posten des Direktors, Amtsrichters oder Bürgermeisters entschieden neben der erforderlichen Qualifikation, den Statuten und der Zusammensetzung der Gremien auch die Beziehungen und die Herkunft.51 So könnte es im Kreis und auch in Vilbel eine einheimische Elite gegeben haben, die eine solche Macht des „frisch“ Zugewanderten nicht zuließ. Die Simons, die immerhin neben ihrer Gastwirtrolle schon Anfang des 18. Jh.s einen Schultheiß und Mitte des 19. Jh.s einen Beigeordneten, einen Ortsgerichtsvertreter und dann einen Bürgermeister gestellt hatten, waren schon über 150 Jahre in Vilbel. Zum besseren Verständnis der Bedeutung des Mathildenstifts und der Frage, „wer was zu sagen“ hatte, hilft eine Studie des Vilbeler Historikers Dr. Marcus Gräser. Nach 1830 entstanden im Verlauf der Industrialisierung und Modernisierung in der Wetterau drei regionale Spar-, Versorgungs- und Leihkassen (Friedberg, Büdingen, Nidda), aus denen weitere Bezirkssparkassen hervorgingen, darunter 1833 eine in Großkarben, woraus wiederum 1853 das „Mathildenstift Vilbel“ entstand: „Es treten auf: entschlossene Kreisräte, nach vorwärts denkende Bürger und eine Idee vom Sparen und Leihen in der Region“.52 Die Zusatzbezeichnung „Ludwig“- und/oder „Mathildenstiftung“ geschah zu Ehren der Vermählung des hessischen Erbherzogs Ludwig mit der bayrischen Prinzessin Mathilde 1833.53 Nachdem schnell die hoheitliche Zustimmung zur Namensgebung für die Sparanstalt erfolgt war, ging es vor allem darum, Spareinlagen (unverzinsliche „Actien“) für das zur Stiftung nötige Grundkapital einzusammeln. Umfangreiche Statuten und Satzungen regelten die Vereinsgründungen. Die Initiative ging mit einer Dienstinstruktion 1832 an die „Großherzoglichen hessischen Kreisräte“ freilich von oben aus: „Die Errichtung von besonderen Sparkassen, Viehassekuranzen Abb 20: Privater Geldverleiher (Vilb. Anz., 2.4.1858) - 2 8 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser und Hagelschlagassekuranzen (…) mögen sich die Kreisräte angelegen sein lassen“.54 Von Anfang an, so macht Gräser deutlich, hatte die Regierungsbehörde in Darmstadt hierbei im Blick, dem Konglomerat der im Wiener Kongress zusammen gewürfelten Verwaltungsbezirke ein eigenes Finanzierungsinstrument an die Hand zu geben. Zwangsläufig folgten daraus nicht nur das Kontrollinteresse der Landräte, sondern die unmittelbaren Zugriffsrechte auf die Einlagen und ihre Verfügbarkeit zum Ausgleich, zur „Amalgamisierung“ der lokalen Unterschiede. Mit anderen Worten, es war eine „bürokratisch gelenkte“ Modernisierung von oben.55 Wer übte nun lokal die politische Kontrolle aus? Das hing wiederum von den Mitgliedern und der beruflichen Zusammensetzung der Sparkassenvereine ab. Betrachtet man Friedberg, Nidda und Vilbel im Vergleich, so zeigen sich neben einer Dominanz der Beamten die (Dorf-) Bürgermeister als größte Gruppe. Deren Herkunft aus bäuerlichen und kleingewerblichen Kreisen prägte also wesentlich die konservative Ausrichtung der Modernisierung. Der Vilbeler Landrat Seitz beschrieb einen typischen Vertreter dieses Bürgermeistertyps, den Vilbeler Bürgermeister K. Hinkel II, als „schlichten, tätigen, braven Mann“56. Aber es gilt zugleich: Neben dem agrarischen und Beamtenkonservativismus gab es ein breites Spektrum weiterer Sparkassenmitglieder (Wirtschaftsbürger; Liberale Oppositionelle), die zumindest zeitweise sehr einflussreich waren. Beispielhaft dafür ist das Bemühen der liberalen Opposition um Brandis, Simon und den Petterweiler Pfarrer Flick, durch eine Einbeziehung der Tier- und Hagelschäden-Assekuranz in das Mathildenstift den Wohlfahrtsgedanken zu stärken. Auch wenn es zu dieser frühen Form von Hilfe zur „Selbsthilfe“57 nicht kam, gab es in diesen Fragen quer durch die politischen Lager konstruktive Diskussionen. Gräser sieht hier eine sehr moderne, überlokale, am nationalen Gemeinwohl orientierte Einstellung der selbstbewussten Bürger am Werk. Die Sparkassenvereine, und damit auch das Vilbeler Mathildenstift von 1850-1873, waren ein Ort der Verbesserer, der, zumindest für einen längeren Zeitraum, Bürgertum und Bürokratie jenseits der politischen Meinungsverschiedenheiten in einer „Koalition der Modernisierer“58 verband. Ganz deutlich wird diese Aufbruchstimmung angesichts der personellen Überschneidung der Mitglieder des Friedberger Mathildenstifts, des dortigen Singvereins, des Gewerbevereins und der Mitglieder des Landwirtschaftlichen Vereins von Oberhessen. Interessant wäre eine ähnliche Vergleichsuntersuchung zu Vilbel. - 2 9 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Friedrich Grosholz hatte sich mit seinen verschiedenen Funktionen im Gemeinwesen zu einem wichtigen Repräsentanten des Wirtschaftsbürgertums hochgearbeitet.59 Aber er war kein Einheimischer. Und das Vilbeler Mathildenstift war primär eine amtlich und auch kirchlich kontrollierte Kasse, (noch) kein Instrument der Wirtschaftsbürger. Es wurde von den (fünf) dörflichen Bürgermeistereien kontrolliert. Der behördliche Charakter der Sparkassen zeigte sich auch an den umfangreichen Einlagen der gemeindlichen Verbände (und nicht nur Privater), und dies verlieh ihnen große Reputation. Eine wichtige Figur bei der Entstehung des Vilbeler Zweiges des Mathildenstifts stellte der Gastwirt hugenottischer Abstammung Peter Simon dar, den Gräser eindeutig zur liberalen Opposition des Vormärz und damit den Gegnern von Kreisrat Küchler zählt. Peter Simon war Mitglied des Sparkassenvereins, langjähriges Mitglied des Gemeinderates und des kreisweiten „Landwirtschaftlichen Vereins“ und gehörte zu den wenigen „Wirtschaftsbürgern“.60 1833 gab er in seinem Gasthaus „Zum Goldenen Engel“ ein Festbankett zu Ehren von Franz von Brandis, dem liberalen Abgeordneten des Wahlkreises Okarben-Vilbel.61 Peter Simon wurde der Schwiegervater von Grosholz, der seine zweite Frau Auguste in den 40er Jahren in ebendiesem „Goldenen Engel“ kennen gelernt hat. Die Namensgebungen zeugen von den innigen Beziehungen und Bemühungen des Eingewanderten um die Identifikation mit Verwandtschaft, Nachbarschaft und dem politischen Ganzen (Großherzogtum): Sohn Julius bekam seinen Namen vom Nachbarn und Freund (und Paten?), dem Apotheker Eisenhuth; die zweite Tochter wurde 1858 Mathilde getauft nicht nur eine Referenz zur fernen Großherzogin, sondern auch zum Mathildenstift im Hause. Das soziale Ideal dieser Sparkassen blieb also dem aufgeklärten Absolutismus verhaftet, was ihre wenig innovatorische Haltung der Industrie gegenüber erklären mag.62 Anders dagegen hatte Grosholz, dem der Abb. 21 Zahltag des Mathildenstiftes fällt wegen ganz große Durchbruch kaiserlicher Feier aus (Vilb. Anz., 7. 6. 1879) noch nicht gelingen wollte, - 3 0 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser um 1860 mit seiner (kreditfinanzierten?) Dampfkesselanlage eines der ersten Industrialisierungszeichen gesetzt. Interessant ist hier noch abschließend: Während der überwiegende Teil der Einlagen des Mathildenstifts aus der städtischen Wirtschaft stammt, wird ein Großteil der Kredite in das Umland, an die Dörfer vergeben. Hier in der Selbstversorgungswirtschaft zirkulierte noch wenig Geld. Während in der Stadt die neuen Sparkassen weiterhin mit den traditionellen Kreditgebern konkurrieren mussten, hatten sie in den Dörfern diese Konkurrenz nicht. Ihre Präsenz hatte hier sogleich Erfolg – und das geliehene Geld kam vermehrt zurück. Gegen Ende des 19. Jh.s verschwindet aus den Statuten der Sparkassen der Hinweis auf ärmere Zielgruppen (wie zum letzen Mal noch 1888 in Vilbel) –zu einem Zeitpunkt, da aufgrund wachsender Löhne gerade hier sich das Sparen zunehmend verbreitet.63 Im Juni 1883, ein Jahr nach der Verpachtung von Grosholz’ Brunnen an Kullmann (s. Kap. 12) ist J. E. Guth Direktor des Mathildenstifts.64 Auf der Tagesordnung steht die Änderung der Statuten. Guth war mit Vömel der ehemalige Pächter, dann Eigentümer des Fiskalbrunnens. Er holt sich nun einen anderen Kontrolleur: Womöglich waren Guth und Grosholz, die Nachbarn, inzwischen verfeindete Konkurrenten, zumal Grosholz 1878 ja Zeuge im „Fiskalprozess“ gewesen war … 9. Der Nudelfabrikant „1861: niedergelegt: Tabakspinner und Cigarrenmacher; neu: Esswarenfabrikant mit weniger als 11 Gehilfen. Friedrich Grosholz“, steht lakonisch im Gewerbetagebuch.65 Immerhin sind 12 Jahre vergangen seit der Aufnahme der Tabakherstellung. Nun aber will es Grosholz wissen. Er wagt den Sprung von der Manufaktur zur Maschinerie. Wenn er schon nicht in der einen Branche mithalten kann, dann eben in einem anderen, neuen Zweig. Bisher hat er in seinem Anwesen einen nahezu modern anmutenden Gemischtwarenladen aufgezogen. Nun nimmt er eine große Investition vor und steigt als Fabrikant von Lebensmitteln ein – „mit weniger als 11 Gehilfen“ heißt zugleich mit deutlich mehr als einem Mitarbeiter, wie vorher noch als Zigarrenhersteller. In den Jahren 1861 bis 1874 betrieb Grosholz im Hinterhaus am Marktplatz 4 eine Nudelfabrik.66 Die benötigten Maschinen gehörten zu den ersten Industrieanlagen in Vilbel.67 Die genaue Zeich- 3 1 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser nung zum Antrag wurde von seinem Kollegen, dem Geometer 3. Klasse Armbrust angefertigt. Es waren erhebliche finanzielle Investitionen notwendig. Sofern er dafür nicht das nötige Geld in der „Portokasse“ hatte, könnte er sich bei seiner „Hausbank“, dem Mathildenstift, günstige Kredite beschafft haben. Die Dampfkesselanlage war nicht nur teuer, sondern machte Genehmigungsprozeduren und Kontrollen notwendig (s. die genauen Revisionen). Das Überdruckventil funktionierte nicht richtig, weitere Reparaturen durch die Fa. Fries&Sohn aus Frankfurt fielen an. Zwar bot die Zahl der „Gehülfen“ Chancen auf Gewinn, war aber auch Verpflichtung. Immerhin bestand eine zögerliche Nachfrage, es hatte sich ein Markt entwickelt. 1874 wird Grosholz auf der Wetterauer Industrieausstellung für seine Nudelwaren ausgezeichnet.68 Doch schon im selben Jahr gab er die Produktion auf.69 Warum? Ein Grund war, dass seine Maschinen schon zehn Jahre nach der Anschaffung veraltet waren.70 Seipp mutmaßt, dass der qualitätsbewusste Kaufmann sich nicht auf neue künstliche Zusatzstoffe bei der Herstellung einlassen wollte. Sicher war die neue Maschinenwelt (eine damalige „new economy“) ihm fremd, und er war kein industrieller Innovator, wie sein Nachfolger Kullmann (siehe Kap. 12). Dazu war der Geometer und Mathematiker zu sehr seinem Handwerks-Leisten verbunden. 71 Ein weiteres Entscheidungsmoment könnte auch in der Zurückhaltung des Mathildenstifts im Hinblick auf die Kreditvergabe für (neue) Industrieanlagen gewesen sein (siehe dazu oben die These von Gräser in Kap. 8). Ganz sicher war aber, dass Grosholz die Gunst der Stunde erkannt hatte und Platz für eine Halle zum Reinigen der Flaschen, Lagern und Abfüllen brauchte. - 3 2 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Abb. 22: Zeichnung Marktplatz und Anwesen Grosholz 1861 zum Antrag auf Genehmigung einer Dampfkesselanlage (HStA. Da., G 15; V 507, Akte Grosholz) - 3 3 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 10. Der Vilbeler Markt(platz) und seine Quellen Außer den Problemen mit der Maschinentechnik und den Behörden gab es nämlich einen aktuellen Anlass für die Aufgabe der Nudelproduktion. Hatte die Familie Grosholz sich schon mit dem Hauskauf 1855, spätestens dann der Mathildenkasse im Haus endgültig zu den Honoratioren gesellt, so war der Unternehmer nebenbei damit auch in den Besitz des Flachbrunnens gekommen. Ein altes Vilbeler Gewerbe kam jetzt zu erneuter Blüte – der Mineralwasser-Markt. Abb. 23: Rund um das Rathaus lag die Keimzelle der Vilbeler Sprudelindustrie, um 1910 (kolorierter Lichtdruck; „Blickpunkte“, S. 10) 10.1 Vermarktung im Kleinen und Großen Die Quelle des neuen Marktes lag an einem alten Wegekreuz. 1871 hatte die Stadt 3052, der Kreis Vilbel knapp 21000 Einwohner.72 Mittelpunkt des städtischen Lebens war der Vilbeler Marktplatz. Er bildete nicht nur den städtebaulichen und historischen Ortskern, sondern war zusammen mit der Frankfurter Straße bis weit ins 20. Jh. hinein politisch, sozial und wirt- 3 4 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser schaftlich das Herz und der Motor der Stadt. Wie so oft steht das Rathaus auch hier an einem Schnittpunkt: Es treffen am Fluss die Frankfurter, Hanauer und Friedberger Str. zusammen, und auch die Homburger Str. mündet hier unweit bzw. geht in die Massenheimer Chaussee über. Die Nidda ist vielfach bedeutsam: a) als Grenzfluss. Hier stand bis 1841 das Wachthaus mit Schlagbaum, es gab auch eine Zoll- und Mautstation. Sie trennte lange das hanauische vom kurmainzischen Vilbel73; b) als Ressource für Fischfang; c) zur Gewinnung von Wasser (für die Bewässerung der Gärten) und von Energie für die Mühle. Vielleicht wurde die Nidda auch als Transportweg benutzt? Und natürlich hatten auch die Ufer ihre Funktion: Bis zur Umwandlung zum Kurpark zogen sich hier die Bleiche, später auch der Vilbeler Markt hin. Abb. 24: Am Wegekreuz nach Frankfurt, Friedberg und Hanau; um 1910 (kol. Lichtdruck; „Blickpunkte“, S. 11) Der Name Marktplatz mit seinen Implikationen von pulsierendem Verkehrsleben war also triftig gewählt – und er wahrt geschichtliche Bezüge. Denn hier um das Rathaus herum, an einer regionalen Drehscheibe, fand seit 1825 am 3. Sonntag bzw. Wochenende im August der weithin bekannte Vilbeler Markt statt. Später nur noch ein riesiges Volksfest, markierte das - 3 5 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser geschäftige Treiben im Hochsommer vermutlich ein nicht nur mittelalterliches, sondern ein antikes agrarisches Geschehen auf (Vor-) Vilbeler Boden: Es ist Erntezeit, die Agrarprodukte werden auf dem Markt feilgeboten, und es ist damit auch der Beginn einer der vielen tagelangen Feiern, wie sie der römische Kaiser Augustus in seinem Imperium befehligt hatte (feriae di Augusto). Dieses ist heute noch im italienischen Massenurlaub Mitte August, im Ferragosto-Brauch erhalten.74 Nicht zufällig befand sich am heutigen Südbahnhof in der Nähe des an Quellen reichen Niddaufers und unweit der Furt eine römische Villa, die ein römisches Bad mit prächtigen Mosaiken enthielt.75 Das Wort Marktplatz traf schon früh in einem sehr alltäglichen, geschäftigen Sinne zu: Metzger, Backhaus und Bäcker, Waschhaus, Wirtschaften, Herberge und der herrschaftliche Sauerbrunnen ziehen sich um das Rathaus und zusammen mit dem früheren Spilhus Handelsleute, Reisende und Einwohner an. Auch die Namen der Gassen und Nebenstraßen (Fischergasse, Feststraße usw.) künden von diesem geschäftigen Treiben. Damit war der Marktplatz zugleich mehr als Abb. 25: Vilber Markt 1878 (Vilb. Anz., 31.7.1878) nur ein lokaler Geschäftsort: Hier wurde vielfacher Handel von überlokaler, ja regionaler Bedeutung getrieben: Das Sauerwasser vom öffentlichen Fiskalbrunnen wurde mühsam von Hand hochgepumpt, abgefüllt und nach Frankfurt, Offenbach, Hanau und bis nach Darmstadt transportiert; ebenso ging der Handel von Gemüse und Obst, Wurst- und Fleischwaren vonstatten: Die aus dem Backhaus am Marktplatz 6 hervorgegangene Bäckerei war schon um 1870 in Frankfurt für ihre feinen Köstlichkeiten bekannt. - 3 6 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser So wurde auf dem engen Raum der historischen Wegegabel eine regional bedeutsame Vermarktung betrieben: Auf der einen Straßenseite lagen in der (früheren) Apotheke, Spezereien, Haushaltswaren, Tabake, Nudeln und Backwaren aus; auf der anderen Seite zogen sich vom Rathaus umarmt von der Nidda bis zur Frankfurter Straße die Metzger, Fischer, Gasthäuser, das Waschhaus bis zum späteren Sprudelbad-Betrieb. Dass hier nicht nur die Einwohner einkehrten, bezeugen außer den Straßennamen der Schlagbaum und die Brücke, die Vorschriften und der Markt, die Geschäfte – und auch das Gefängnis. Und später die illustre Liste der Kurgäste im Brodschen Sprudel von 1903-06 (s. Kap. 12). Zum Verständnis dieser Marktdynamik hilft Grosholz’ Enkel Osman Grosholz uns mit seiner Dissertation über das Rechnungswesen der Stadt Friedberg76: In dem langen Zeitraum von 1800 auf 1850 verdoppeln sich die Einnahmen der Stadt Friedberg von knapp 24.000 auf knapp 40.000, was einer jährlichen Steigerung von gerade mal 300 Gulden entspricht – ein drastisches Zeichen der Stagnation, die durch Protektionismus (der Zollverein kam erst später), Kleinststaaten und begrenzten Handel geprägt war. Von 1850 auf 1870 kommt es dagegen schon in 20 Jahren fast zur Verdoppelung von 40000 auf 75000 Gulden, eine enorme Steigerung. Im Zeitraum von 1870 auf 1890 verdreifachen sich die Einnahmen (auf 210.000; und zugleich aber auch die Ausgaben), das ist das Zehnfache von 1800. Und schon um 1900, also damit in nur zehn Jahren, ergibt sich eine weitere nahezu Verdreifachung auf 543.000 Reichsmark. Die Zahlen belegen: Einen ‚modernen’ Markt mit nennenswertem Umsatz und Wachstum gab es, trotz der Einführung des Vilbeler Marktes im Jahre 1825, praktisch erst ab 1860. Nach dem Krieg und mit der Reichsgründung 1870/71 veränderte er sich dann explosionsartig zu einem echten regionalen Markt. Und dies ist die Geburtsstunde der Vilbeler Mineralwasserindustrie. 10.2 Marktplatz und Politik - Die Kulisse Der Hauskauf am Marktplatz erbrachte für Grosholz einen Logensitz direkt an der Bühne des politischen Geschehens rund um das Rathaus. Vergegenwärtigen wir uns zunächst einige Dirigenten – und dann das Orchester dieser eindrucksvollen Kulisse zwischen Niddabrücke und Rathaus, Frankfurter und Hanauer Straße: Die älteste Gemarkungsaufzeichnung von 1811 weist 357 Hofreiten in Vilbel aus.77 Die größten Hofreiten lagen im Orts- 3 7 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser kern und waren Peter Simon im „Goldenen Engel“, Frankfurter Str. 4; Wilhelm Simon „Alte Post“, Frankfurter Str. 82. Versicherungsagent Jeremias Hinkel besaß den „Homburger Hof/Stadt Homburg“ in der Friedberger Str. 24. Philipp Hinkel hatte das Gasthaus „Zum Wilden Mann“, Frankfurter Str. 2. Die Niddabrücke, in alten Zeiten auch „Alter Steg“ genannt, wurde 1835 auf Beschluss des Gemeinderats neu erbaut.78 Wir kennen nicht nur den damaligen Bürgermeister K. Hinkel und den Beigeordneten, „Engel“Gastwirt Peter Simon, sondern auch die Gemeinderäte A. Bermann, H. Breiter und J. Hinkel als Versicherungsagenten bzw. Gemeinderechner. Alle drei sind übrigens auch Gastwirte, wie auch Ph. Hinkel. H. Breither wird von 1845 – 51 Bürgermeister, der als Gemeinderechner auch „Kollege“ von Grosholz war. Von 1851 bis 54 war J. Hinkel erneut Bürgermeister, mit dem Grosholz seit langem befreundet war. Es ist die Zeit der Verhandlungen um den Ankauf des bisher von Nikolaus Hinkel angemieteten Anwesens Marktplatz 4. In den Jahren 1850, 52 und 53 werden die Kinder Clara, Friedrich und Julius geboren. Somit hatte die Familie, zusammen mit Sohn Adolph aus erster Ehe, vier Kinder und entsprechenden Raumbedarf. Da er sich beim Hauskauf mit Martini, der hier kurze Zeit seine von Jeremias Hinkel übernommene Brennerei hatte,79 zusammentat, ist anzunehmen, dass Grosholz (immer) noch nicht über das nötige Eigenkapital verfügte. Und dies, obwohl er mit seiner zweiten Frau Auguste Simon, die aus vermögender, einflussreicher und mittlerweile längst „eingeplackter“ (Hugenotten-) Familie stammte, vielleicht über eine liquide „Aussteuer“ verfügte.80 Um 1860 war übrigens Adam Simon Bürgermeister und Gastwirt des so genannten Hugenottenhauses der (Goldenen) „Rose“ in der Frankfurter Str. 30.81 Gegenüber dem Anwesen Grosholz, neben dem Rathaus am Marktplatz 3, befand sich die Gastwirtschaft „Zum Hirsch“. Die alte Hofreite war seit dem frühen 18. Jh. Gastwirtschaft und beliebter Rastplatz für die durchziehenden Handelsgespanne und Pferdedroschken.82 1868 übernahm es Bernard Jamin durch die Heirat mit einer Tochter von Phil. Hinkel. 1871 wurde hier von Jamin der Brunnen neu ergraben und dabei die für die GrosholzEntscheidung zum Einstieg in das Mineralwassergeschäft vielleicht ausschlaggebende Überschwemmung ausgelöst.83 - 3 8 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Abb. 26: Marktplatz 3 „Zum Hirsch“; um 1910 („Alt-Vilbel“, S. 88) Unmittelbar neben dem Grosholz-Anwesen war der Sauerbrunnen. Nachdem er 1792 in seiner Quantität oder Qualität nachließ, fand 1796 eine zweite Bohrung direkt daneben statt. Das aufgrund der geringen Pachtsumme mehrfach verfallende Pächterhaus wurde 1827 und dann erneut 1842 gründlich renoviert. In den 30er Jahren kam es zu beachtlichen Verkaufszahlen: Nach Frankfurt und Offenbach wurden an die 200 000 Krüge abgesetzt.84 Dieser kleine „Boom“ veranlasste Isaac Hinkel, der Wasser für seine Brennerei brauchte, 1835 einen dritten Brunnen etwa „80 Schritte“ vom Fiskalbrunnen entfernt, auf dem Grundstück Marktplatz 4 zu ergraben. Die Wirtschaftskrise, Hungersnöte und sozialen Unruhen brachten auch den Wasserhandel fast zum Erliegen. Nach der Jahrhundertmitte kommt auch in den Brunnenbetrieb wieder Bewegung. 1852 erwähnt ein Bericht mehrere dicht beieinander liegende kohlensäurehaltige Quellen am Niddaufer. 1858 erstellt Dr. Ph. Jochheim eine chemische Analyse.85 1864 ist in der Hinkelschen Hofreite in der Frankfurter Str. 2 die Geburtsstunde des (späteren) Hassia-Mineralbrunnen. 1867 erfolgt nach dem Beschluss des Gemeinderates von 1865 die Verpachtung des nochmals wiederhergestellten Fiskalbrunnens auf sechs Jahre an Vömel und Guth. 1872 kaufen ihn Heinrich Vömel und Fr. J. Guth für 7350 Gulden bei einer rituellen Versteigerung mit Kerzenbrauch: Bis zum Abbrennen der zwei bei Versteigerungsbeginn angezündeten Kerzen kann noch mitgesteigert werden. Der Verkauf des Fiskalbrunnens fällt in die neue Zeit, - 3 9 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser die spätestens mit der Reichseinigung von 1871 und der bald darauf erfolgenden Auflösung der feudalen Landesstrukturen (Großherzogtum) auch formal und gesetzlich begann. Und schon 1874 wird mit der neuen Verwaltungsgesetzgebung des Abb. 27: Ausschreibung zur Verpachtung des „Fiskal- Kaiserreiches das Landratsamt Vilbel aufgelöst brunnens“ 1858 (Vilb. Anz., 26.10.1858) und Friedberg zugeschlagen – ein herber Verlust für die mit Administrationsaufgaben verwöhnte kleine Stadt, denn damit waren Einbußen an Geld, Arbeitsplätzen, Macht und Prestige verbunden, und nicht zuletzt war es eine Kränkung. Umso bedeutsamer wurden der aufkommende Markt und die auch in Vilbel einsetzende Industrialisierung. Gleich neben der Niddabrücke befand sich Jahrhunderte lang der älteste Vilbeler Brunnen, der Sauerbrunnen mit dem „Herrschaftlichen BRUNNENHAUS”. Das zweistöckige Pächterhaus, das zwischenzeitlich mehrfach renoviert wurde, erwarben bei der Kommunalisierung Vömel und Guth als Käufer. Ab 1900 etwa hieß dieser Brunnen dann „Ludwigsquelle“. Im Hinterhaus am Marktplatz 4 war ab 1820 die Apotheke, die Adam Eisenhuth 1846 von Christian Eisenhuth übernommen hatte.86 Im Haus Marktplatz 4 „Im Kram“ hatte Nicolaus Hinkel ein Wohnhaus mit vier Nebengebäuden.87 Grosholz ist mit seiner 1848 verstorbenen ersten Frau Theodora Giessen für 1855 im Hauskataster Marktplatz 4 erwähnt, nicht erst für 1861.88 Also erwarb Grosholz mitsamt seinem Partner Martini aus Ingelheim das Haus Marktplatz 4 vor dem Tode von Isaac Hinkel.89 1861 wird Grosholz alleiniger Besitzer, mitsamt dem nur einige Schritte vom Fiskalbrunnen entfernten Brunnen im Hof, den 1835 Isaac Hinkel hatte ergraben lassen. - 4 0 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Der nächste wichtige Brunnen lag zwei Häuser weiter in der Frankfurter Str. 2. Das Gasthaus „Zum Wilden Mann“ gehörte Phil. Hinkel IV. Die große Hofreite hatte ein Wohnhaus, ein Brennhaus und 6 Nebengebäude. Schon 1864 hatte Hinkel dank des Brunnens sein Mineralwassergewerbe eröffnet, den späteren Hassia-Brunnen.90 Mit dem Kauf des Fiskalbrunnens (den späteren „Ludwigsbrunnen“) 1874 handelten sich Vömel und Guth durch die Privatisierung der kommunalen Quelle jahrelange Querelen mit Bewohnern und einen langwierigen Prozess mit der Stadt ein, aber sie setzten ebenfalls auf einen neuen Markt. Der wachsende Wohlstand in Frankfurt weckte auch den Bedarf des Bürgertums nach frischem Sauerwasser. Christoph Heinrich Beurer hatte in der Frankfurter Straße 10 zur gleichen Zeit (1872) die spätere Elisabethenquelle erschlossen und sein Mineralwassergeschäft begonnen. Und 1873 hatte Jamin die erfolgreiche „Erbohrung“ am Marktplatz 3 vorgenommen. Nachbar Grosholz war also unmittelbar davon betroffen. Er ließ im selben Jahr seine Einfahrt mit Kies befestigen, sicher nicht nur wegen der Überschwemmung. Zugleich war er angeregt: Angesichts der offenkundigen Belebung dieses traditionsreichen Vilbeler Gewerbezweiges und der Bemühungen seiner beiden Nachbarn dachte er an seinen eigenen vor sich hin glucksenden Flachbrunnen: Er sicherte den Zugang zum Hof, machte seine Fabrik frei und gestaltete sie zur Abfüllhalle um. Es war höchste Zeit, sich am „Neuen Markt“ zu beteiligen. 11. Der Mineralwasserhändler en gros in der Liste der Höchstbesteuerten 1877/78 Noch einmal: Die gleichzeitigen Brunnenbohrungen von Jamin und Beurer und der Ankauf des Sauerbrunnens durch Guth/Vömel schufen für Grosholz den Hintergrund zur Aktivierung seines Brunnens. Der „ewige“ Streit um die Nutzung des historischen „Sauerborn“91 trat nun in eine neue Phase. Bestimmten bisher Privilegien und saisonale sommerliche Nebenverdienste die Nutzung der Quelle(n), so regulierten nun der wachsende regionale Bedarf und das Marktgeschehen und damit die Konkurrenz der Betreiber das Geschäft und noch nicht so sehr technische Neuerungen. - 4 1 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 1875 steigt Grosholz mit seinem Flachbrunnen in den Handel ein. War es das sichere Gespür von Grosholz für den neu entstehenden Markt? Nutzte er seine nachbarschaftlichen, verwandtschaftlichen Beziehungen? Hatte er nicht auch hinreichend Kapital und Einlagen, Kontakte, gar Aufgaben beim „Mathildenstift“? Gab die bei der „Erbohrung“ 1873 durch Jamin neben dem Rathaus ausgelöste Überschwemmung des Marktes den konkreten Anstoß? Denn im selben Jahr wird mit Kies aus der städtischen Kiesgrube die „Sauerbrunneneinfahrt an dem Hause Grosholz“ hergerichtet.92 Womit wir den Nachweis haben, dass der Zugang nicht vom Marktplatz her, sondern vom (abschüssigen) Vorplatz des Fiskalbrunnens am Niddaufer her erfolgte. Und genau 1875 meldet Grosholz sein letztes Patent an. Er schreibt sich als „Mineralwasserhändler im Grossen“ in das Gewerbetagebuch93 ein und verkauft das Sauerwasser aus seinem nur sieben Meter vom alten „Fiskalbrunnen“ im Hinterhof gelegenen Flachbrunnen von Frankfurt über Offenbach bis nach Hanau und Darmstadt. Und dies in recht traditioneller Weise: Das Wasser wurde in Krügen geschöpft, diese verkorkt und in mit reichlich Stroh ausgestatteten Pferdewagen im damaligen „Rhein-MainGebiet“ vertrieben. Der Kaufmann hatte zu diesem Zeitpunkt offensichtlich keine technischen Innovationen mit dem Abfüllen und Transport verbunden. Wie gelungen der Coup war, zeigte sich bald darauf noch an einem anderen Punkt, den Einkünften: Erstmals taucht Grosholz 1877 und wiederum 1878 in der Liste der 50 höchstbesteuerten Bürger im ehemaligen Landkreis Vilbel auf (und gehörte vielleicht noch weiterhin dazu). Im Alter von 67 Jahren befindet sich der Geometer und Kaufmann, der Familienvater, dem im Sommer 1868 zwei Söhne verAbb. 28: Funkspot „Vor mehr als 100 Jah- storben waren, als Anwohner am ren sagte F. Grosholz zu seiner Frau“ (Frei- Marktplatz auf dem Zenit seiner tag, 1980-1999) Karriere. - 4 2 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Alljährlich listete der „Anzeiger“ von 1854 bis 1878 die Höchstbesteuerten der Provinz Oberhessen auf und gewährte Einblicke in diesen wichtigen Abschnitt der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung und damit auch den Hintergrund des Vilbeler (und, als Vergleich, des Karbener) Mineralwasserhandels, und somit auch die Karriere von Grosholz. 1854 - Hinkel ist Bürgermeister, Jäger, Landrichter und Vorsitzender der Sparkasse - führt die Liste 59 Personen aus dem neuen Kreis auf.94 Elf davon kommen aus Vilbel selbst, das sind fast 20%. Es begegnen uns die schon familiären Namen wie Breither V, Isaac Hinkel als „Fabrikant“, der Wirt Phil. Hinkel, die Landwirte J. Mohr und W. Reitz und Adam, Peter und Phil. Simon (Wirt), sowie Gasthalter Wilh. Simon. Und zwei Gewerbetreibende – der Tabakfabrikant Birkenholz und Apotheker Eisenhuth. 1866 und 1867 taucht erstmals Joh. Phil. Hinkel als Kaufmann in der Liste auf, hier noch nicht explizit im Mineralwasserhandel, der von dem Selzerbrunnen aus Groß-Karben dominiert wird. 1868 und 1869 ist Joh. Phil. Hinkel als Weinhändler dabei und dann ist er 1870 als Mineralwasserhändler aufgeführt.95 Zusammen mit den 27 Handel- und Gewerbetreibenden stelllt der Kreis um 1870 herum mit 93 von 800 Höchstbesteuerten fast 12% in Oberhessen, soviel wie sonst nie. Unter den 27 Gewerbetreibenden nehmen dabei allein die Fruchthändler gut die Hälfte ein. Erst 1877 hat sich das Bild enorm gewandelt. Der Prozentsatz der Höchstbesteuerten in Oberhessen ist um etwa 4% auf 7,5% gesunken. Der Durchbruch für das Vilbeler Wasser kommt nun 1877 und 1878, als die vier Händler Chr. H. Beurer, Fr. Grosholz, Fr. J. Guth und Joh. Ph. Hinkel jeweils Platz 12, 15, 16, 18 bzw. Jahrs darauf 8, 11, 12, 14 belegen. Ob Ende der 1870er Jahre damit die vier Vilbeler Mineralwasserhändler den prestigeträchtigen Karbener Brunnen mit seinem Exportgeschäft überrundeten, kann man aber nicht annehmen. - 4 3 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Abb. 29: Liste der 800 Höchstbesteuerten der Provinz Oberhessen 1877 (Vilb. Anz., 26.5.1877) Insgesamt fällt auf: Die Zahl der Höchstbesteuerten im Kreis ist von gut 11% auf unter 7% gefallen. Nominell verliert er also in Oberhessen deutlich an Steuergewicht. Das Gewicht verschiebt sich von Landwirtschaft und dem Produkthandel auf Mineralwasser und Textilien. Im vormals „agrarisch-administrativen“ Vilbel werden die Freiherren als größte Steuerzahler von Händlern, Kaufleuten und Manufaktur-„Fabrikanten“ abgelöst. Es dominiert nunmehr das Mineralwassergeschäft als wichtigster Geschäftszweig. Bis zu 200 Familien leben davon.96 Die Senioren Guth und Vömel waren verstorben. Ein Industrialisierungssprung hatte sich (bis dato) freilich nicht vollzogen.97 Für mindestens zwei Jahre ist Grosholz neben Christoph Beurer und den Nachbarn Guth und Hinkel einer der vier großen Mineralwasserhändler.98 Im reifen Alter von knapp 70 Jahren hat er seinen beruflichen und sozialen Erfolg gekrönt. Man hätte in dieser Situation durchaus erwarten können, dass er nun – zumindest provisorisch für die Übergangszeit nach der langen Ära Jäger – als Direktor des Mathildenstifts einspringt oder fungiert. Stattdessen treten drei andere bekannte Namen auf, der Kirchenmann Fertsch und die zwei Wasserhändler und Konkurrenten Weitzel und Guth. War er zu beschäftigt, machte sich das Alter bemerkbar, oder fehlte noch ein Quentchen Integration? War er zu sehr mit der liberalen Opposition verbandelt, oder waren einfach die Gemeinde(-bürgermeister) ausschlaggebend? - 4 4 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 12. Verpachtung des Brunnens und Nachfolge Darüber lässt sich hier nur spekulieren. Am 13. Januar 1881 legt Grosholz das Patent als Mineralwasserhändler im Großen nieder.99 Am Jahresende 1881 fängt er erneut ein Gewerbe als „Spezereikrämer, Butter- und Mehlhändler im Kleinen, Holzgeschirrhändler und Kurzwarenkrämer, Branntweinzapfer am Stand und über die Straße“ an, das er aber im August 1882, immerhin 72 Jahre alt, wieder aufgibt. Kurz zuvor im Juli 1882 hatte Grosholz das Mineralwasser- und Spezereigeschäft an Carl Heinrich Kullmann aus Schlierbach verpachtet, also an einen weiteren Hinzugezogenen. Der 1842 geborene Kullmann machte in Gelnhausen gemeinsam mit Friedrich Weihl, dem Vater von Georg Otto Weihl, eine Lehre in einer Eisenwarenhandlung. Kullmann nannte die Quelle wohl auch nach seiner Mutter, vor allem aber nach der preußischen Königin, „Louisenquelle“. In der Tat zeigt das erste von Kullmann firmierte Etikett die preußische Königin Louise. Kullmann bleibt Pächter bis 1906, als der neue Mietvertrag zwischen Hinkel und Weihl abgeschlossen wird. Nachfolger Weihl übernimmt mit dem am Marktplatz 3 gebohrten neuen Brunnen den Vertrieb und Namen Luisenquelle. Dazu ein Zitat aus den 70er Jahren: „Als Gg. Otto Weihl 1906 die Luisenquelle übernahm, wurde zunächst der Name in Luisen-Brunnen geändert. Dass „Brunnen“ besser klingt, wusste man von Taunusbrunnen, Selzerbrunnen. Auf der Suche nach einem schmückenden Beiwort, das einzigartig sein konnte, kam Frau Gg. Otto Weihl die zündende Idee: Urquelle. Noch im gleichen Jahr wurde beim Patentamt das Wortzeichen „LuisenBrunnen Vilbeler Urquelle“ für Gg. Otto Weihl eingetragen.“100 Mit Kullmann und Weihl betrat eine neue Generation die Bühne, die es verstand, die technischen Neuerungen einzusetzen. Bisher war die Arbeit am Marktplatz 4 und allen Betrieben überwiegend von Hand betrieben worden. Eine Arbeiterin, Frau Schmidt, erinnert sich 1954. Sie war ab 1893 in der Füllhalle von Kullmann tätig gewesen: „Das Abfüllen der Krüge und Flaschen war Sache der Männer, während das Verdrahten, Verkorken und Etikettieren Frauenarbeit war. Das Verdrahten erforderte 2 Frauen, damit die Arbeit reibungslos vonstatten ging. Ursprünglich wurden nur Krüge gefüllt, dann die kleinen, dickbauchigen 3/8 l Flaschen mit Korkverschluss. Vor dem Abfüllen wurde Salz und Sode (Soda) gekocht, durchgesiebt und pro Kessel ein Schöpflöffel voll dem Wasser zugesetzt“101. - 4 5 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Abb. 30: Abfüllgruppe am fiskalischen Brunnen, Marktplatz 2; um 1900 („Alt-Vilbel“, S. 85) Ein anderer Arbeiter der Mineralwasserindustrie, Herr Ph. K. Kroner, erzählt zu der Arbeit: „Beim Zukorken der Krüge wurde darauf geachtet, dass durch vorheriges Eintauchen eines Holzstabes das notwendige Luftpolster blieb. Wenn anstelle des Holzstabes zu diesem Zweck gern der Finger genutzt wurde, so geschah es, um sich gleichzeitig zu vergewissern, dass keine Fremdkörper (Korkstopfen o. ä.) auf dem Wasser schwammen. Natürlich durften die Finger nicht schmutzig sein. Allzu strenge Maßstäbe wurden damals sowieso nicht angelegt“.102 Herr Grün war von 1893 bis 1906 als Fahrbursche bei der „Louisenquelle“ tätig. Seine Fahrten gingen nach Darmstadt, Aschaffenburg, Frankfurt, Oberhessen. Damals wurden hauptsächlich Krüge befüllt und verkauft. „Kullmann nahm als erster Vilbeler Brunnenbesitzer die Möglichkeit wahr, Kohlensäure in flüssiger Form in Eisenflaschen zu beziehen und stellte seinen Betrieb (Luisen-Brunnen) entsprechend um. Da das Mineralwasser nunmehr unter höherem Drucken abgefüllt wurde, führte er gleichzeitig die widerstandsfähigeren Glasflaschen ein. Diese waren zunächst die kurzen, gedrungenen, grünen Kropfhalsflaschen“.103 - 4 6 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Und Herr Birkenholz ergänzt: „Kullmann war der erste Vilbeler Brunnenbesitzer, der sein Mineralwasser mit Flaschen abfüllte und Kohlensäure mittels Imprägnierung zusetzte.“ (ebd.) In einer Jubiläumsschrift wird Kullmanns unternehmerische Leistung als Pionier der Vilbeler Mineralwasserindustrie gelobt: Kropfhalsflaschen statt Tonkrügen; maschinelle Abfüllung; Verpackung in Körben für den Versand (und Namensänderung „Louise“). 1906 ändert dann Kaufmannssohn Weihl aus Friedberg den Namen Luisenquelle in „Luisenbrunnen Vilbeler Urquelle“ um und führt weitere technische Neuerungen wie Reinigungs- und Abfüllmaschinen, Telefon und Postscheck ein. Er kauft auch den ersten LKW und organisiert den Versand per Bahn und ein Auslandsgeschäft.104 Der Rathauskeller, jahrzehntelang in Pacht von Phil. Hinkel (Zum Wilden Mann), wird 1901-1906 von Kullmann gepachtet. Noch 1904 hat Kullmann auch den Krämerladen von Grosholz inne. 1906 legt er sein Gewerbe als Mineralwasserhändler, Kleiderhändler und Krämer nieder.105 1911 wird beim Postscheckamt Frankfurt im April das erste Postscheck-Konto der Firma Luisen-Brunnen (und damit erste Mineralbrunnenfirma) eröffnet unter der Nummer „Nr. 5219“. Bis zum Brand 1913 befanden sich übrigens über der Füllhalle im Hinterhaus, dem „back-office“ am Marktplatz 4 ein Umkleideraum sowie ein Raum für Versandkörbe zum Bahnversand von Luisenbrunnen an Private.106 Chapeaux! Hut ab, könnte man im Nachhinein zu dieser glänzenden Nachfolge-Entscheidung sagen. Aber vorweg erhebt sich die Frage: Warum zieht sich Grosholz wieder auf das bescheiden anmutende „Spezerei-Geschäft“ zurück, das Kullmann bald darauf ebenfalls übernahm? Abb. 31: Luisen-Brunnen/Urquelle (Hassia-Arch., Akte Weihl) Man darf es Grosholz ruhig zubilligen: 70 volle Lebensjahre liegen hinter ihm. Die Kraft und Fähigkeiten für die Einführung dringend gewordener technischer Verbesserungen fehlten (Abfüllen und Verschluss, Flaschenmaterial und Transport). Nach dem erfolgreichen Sprung in den Mineralwas- 4 7 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser serhandel fügt es sich einerseits gut in das Bild des unternehmerischen, weitsichtigen und mutigen Kaufmanns ein, die Staffel weiterzureichen und an die Nachfolge zu denken. Andererseits aber auch in die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung der großen Städte, die mit den Geldern aus dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich und dem industriellen Aufschwung, dem Ausbau der Infrastrukturen und neuer Wohnviertel, kurz, mit dem Wirtschaftsboom der Gründerzeit einen riesigen Markt geschaffen hatte. Auch Vilbel entwickelte sich zu einem Vermarktungs-Zentrum, wie nicht nur der Mineralwasserhandel zeigt, der mit der Brodschen Quelle dann gar ein weites Publikum mit gar internationalen Schmetterlingen anzog.107 Nach Ostern 1874 hatte Adam Stössel jr. im Marktplatz 6 eine „Brod- und Feinbäckerei“ eröffnet. Diese war aus dem früheren öffentlichen Backhaus – einer weiteren „Gerechtsame“, also öffentliches Gut wie der Fiskalbrunnen - hervorgegangen. Der Duft ihrer Köstlichkeiten war bis nach Frankfurt gedrungen, wohin bald die Verkäufer mit vollen Körben zu Fuß aufbrachen und damit die Tradition der „Sandbuben“, die feinen Vilbeler Sand in Säckchen verpackt verkauften, der zum Schmirgeln der Holzfußböden und des Zinngeschirrs begehrt war, und der altherkömmlichen Wasserverkäufer fortführten.108 Natürlich sind auch die Metzgereien zu erwähnen, so am Marktplatz 3 und 7, und von der Bedeutung der landwirtschaftlichen Produkte und dem Vilbeler Markt war ja schon die Rede. Wichtig wird auch die Vilbeler Nudelproduktion (einschließlich „Makkaroni“) deren Pionier Grosholz schon ab 1861 war. Parallel steigt die Zahl der Auspendler vieler Vilbeler in die Frankfurter Industrie, was im 20. Jh. in dem Bild von „Vilbel als Arbeitervorort von Frankfurt“ (und Massenheim als Arbeitervorort von Vilbel) mündet. Aber auch dies verweist auf die überlokale Marktorientierung des Städtchens, hier eben auf den regionalen Arbeitsmarkt. Der Rentier Grosholz verbrachte mit seiner Frau und der unverheiratet gebliebenen Tochter Clara in Ruhe seine letzten Lebensjahre am Marktplatz. Sohn Adolf und Tochter Mathilde hatten ausgeheiratet und waren fortgezogen. Als Friedrich Grosholz im Januar 1888 starb, hatte er vier Enkelkinder, darunter den 1886 in Konstantinopel geborenen Osman. - 4 8 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Abb. 32: Kaufbrief zwischen der Witwe Grosholz und K. Hinkel II von 1894 (HassiaArch., Akte Weihl) - 4 9 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 1894 kauft Karl Hinkel II das Anwesen von „Friedrich Grosholz Witwe“ samt Quelle für 17.000 Mark.109 Warum verkauft seine Frau Auguste Grosholz geb. Simon an Bürgermeister Hinkel? Wahrscheinlich war sie ohne die Familienangehörigen einsam. Die Simons sind verstorben oder nach NeuIsenburg gezogen, und die weibliche Linie geht in Vilbeler Familien auf.110 Also ist die Witwe 1894 nach Wiesbaden gegangen. Ob Karl Hinkel, kein direkter Nachfahre von Isaac Hinkel, die Quelle und das stolze Anwesen am Marktplatz in den Familienbesitz der Hinkel „zurückholen“ oder dies gerade verhindern wollte? Damit öffnet sich um die Jahrhundertwende das letzte Kapitel der Grosholz’ in Vilbel. 1895 hat Vilbel 4054 Einwohner. Ab 1900 kommt es dann zur „Explosion“ des Mineralwassers zum Heilwasser mit den Brodschen Bohrungen und einem regen Kurbetrieb.111 Das alte Wohnhaus am Marktplatz 11 mit Remise und Waschküche und zweistöckigem Nebenbau von 1858 wird zum „Sprudelbad“. Der Extradruck von 1902 der „Deutsche Bäderzeitung Union“ mit einem langem Artikel über Vilbel und den Brodschen Sprudel und dem „Geburtshaus des Vilbeler Sprudels“ listet die Einrichtungen und sieben Badezimmerchen auf. Auch die Burgruine („Schloss“) mit 12500 qm gehörte damals dem Carl Brod. Unter den Gästen der „Kur- und Fremdenliste Nr. 5“112 von 1902 steht nach F wie Fränkel unter G der Name „Frl. Großholz, Wiesbaden“.113- Die Tochter Clara, denn niemand sonst kann das „Frl. Grosholz“ gewesen sein, wird während des Aufenthaltes ihr Geburtshaus besucht, an der Nidda langgegangen und am Grab ihres Vaters gekniet haben, bevor sie dann erhobenen Hauptes über den Marktplatz zurückging. Abb. 33: Ausschnitt aus der Liste der KurGäste im Brod’schen Sprudelhaus, 1904; mit „Frl. Grosholz“ (Vilb. Anz., 14.9.1904) - 5 0 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Die Geschichte des „Brodschen Sprudels“ hat Walter Heil schon geschrieben. Und es gehört in ein anderes Kapitel. Nehmen wir nur zur Kenntnis, dass die Tochter von Grosholz sicherlich zum Kuren nach Bad Nauheim (wohin ja Nachfahren gingen) oder Bad Homburg hätte fahren können. Aber sie hat mit dem Aufenthalt in Vilbel ihrem Vater Referenz erwiesen, sich an ihre Kindheit, und uns an die Bedeutung dieses großen Unternehmers erinnert. Und hier am Rathaus/Marktplatz 11 war die Endstation „G“ der Omnibuslinie aus Frankfurt. Das Heiliggeist-Krankenhaus wollte 1912 gerne Mineralwasser haben und Vilbel zum Frankfurter Kur-Vorort machen. Der Krieg klappte (auch) diese Akte des Oberbürgermeisters Adickes zu. Abb. 34: Menukarte „Louisenbrunnen“; um 1910 (Hassia-Arch., Akte Weihl) Nun, um die Jahrhundertwende, hat die Industrie Einzug gehalten: Die „Aepfelwein-Dampfkelterei Fr. Hinkel II“ preist ihren „Gesundheits-Apfelwein“ an. Stolz verweist die Schweinemetzgerei auf ihren Betrieb und wirbt C. C. Kullmann mit seiner Liqueur-, Essig- und Branntweinfabrik.114 Insge- 5 1 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser samt gipfelt die lokale Entwicklung in dem auf dem Anwesen Marktplatz 11 brodelnden Sprudel. Carl Brod hatte nach der Schulzeit in der Augustiner-Schule in Friedberg sich gründliche geologische Kenntnisse zugelegt. Durch seine Heirat mit der Tochter von Guth 1876 hatte er noch eine nahe liegende Beziehung zum Mineralwasser. Neben der Remise des Anwesens nahe dem Rathaus Richtung Frankfurter Straße befand sich die Waschküche, ein weiterer öffentlicher Traditionsort mit unerschöpflichem Vorrat an der Energiequelle Wasser. Brod war sozusagen „mit allen Wassern gewaschen“. Was lag näher, als auf dem Grundstück nach dem „Vilbeler Gold“ zu bohren? 13. Ein deutscher Stammbaum mit europäischen Zweigen: Einige Grosholz-Karrieren im Vergleich Vor einer abschließenden Würdigung der Leistungen des Menschen und Vilbeler Unternehmers Friedrich Grosholz ist es notwendig, seinen Werdegang in den übergreifenden Kontext seiner Vorfahren und der weit verzweigten Generationen zu stellen. 13.1 Rückblick - Scharfrichter und Wachsfiguren Das bis auf 1340 zurückgehende Familienwappen, mit der neuen Schreibweise („s“ statt Grossholz) erstmals 1749, zeigt einen Löwen auf blauem oder rotem Hintergrund, der ein (silbernes) Holzscheit in seiner rechten Pranke trägt.115 Die Förster-Vorfahren ziehen sich gewissermaßen für einen langen Reinigungsprozess vom blutigen, gefürchteten Scharfrichter-Beruf zurück, den die Familie über neun Generationen hinweg ausgeübt hatte.116 Sie bleiben als (Forst-) Beamte gleichwohl weiterhin gesellschaftlichräumlich isoliert in ihrem besonderen Naturbezug. Der Wechsel im 18. Jahrhundert vom Protestantismus zum Katholizismus ist mit neuer Schreibweise verbunden. Er markiert nicht nur die Anpassung an das (katholische) Milieu der Pfalz, sondern zugleich die Abgrenzung von den früheren Generationen und eine Neudefinition. Ähnlich ist auch der Wechsel vom (Alt-) Katholiken Grosholz zum Protestanten im 19. Jahrhundert nicht nur beruflich-sozial bedingt, sondern entspricht auch seiner - 5 2 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser „Weltanschauung“ (Kritik am Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes) und seinem Ethos. Eine dazu erstaunlich parallele und doch ganz andere Entwicklung nahm eine Verwandte von Friedrich Grosholz – Madame Tussaud (1761-1850), die Gründerin des berühmten Wachsfigurenkabinetts in London.117 Sie stammte aus der Familie des Johann Joseph Grosholz de Francfort118, der mit einer Pfarrerstochter, Marie Curtius (Kurz) aus Bern verheiratet war und neben der erstgeborenen Ann Marie drei Söhne unbekannten Namens zeugte, die alle drei 1792 in Paris bei der Verteidigung der Tuilerien fielen. Johann Joseph Grosholz war französischer Offizier und Adjutant des elsässischen Generals und Reichsgrafen Dagobert Sigismund Wurmser, der erst Befehlshaber am Oberrhein, dann im Siebenjährigen Abb. 35: Wappen der Familie Grosholz (Seipp, S. 73) Abb. 36: Scharfrichter-Schwert der Familie Grosholz (Seipp, S. 90). Inschrift:“ Wan ich das Schwert tue aufheben/wuensche ich dem Suender das Ewige Leben“ - 5 3 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Krieg 1757 in Norditalien war und 1793 die Belagerung von Mainz leitete. Ann Marie Grosholz heiratete 1795 einen Winzersohn aus Macon, Francois Tussaud. 1800 kam es zur Trennung. Von ihrem nach Paris gezogenen Onkel Curtius lernte sie die Wachsmodellierung. In dem von ihm geschaffenen „Caverne des grands voleurs“ (Horrorkabinett), das in dem edlen Palais später zum ‚Ceroplastic Studio’ ausgebaut wurde, traf die junge TussaudGrosholz u. a. Voltaire, Franklin, Diderot und Condorcet. Sie verkehrte auch in Versailles, wo sie Unterricht im Blumenbinden gab und Marie Antoinette modellierte. Curtius nahm 1789 am Sturm auf die Bastille teil. Nach dem Tode von Curtius119 konnte sie sich 1802 mit einem Pass von Fouchet nach London retten. Hier schuf sie ihr weltberühmtes Wachsfigurenkabinett, das heute über 2,5 Millionen Besucher jährlich zählt. Zu den berühmtesten Persönlichkeiten, von denen zu ihren Lebzeiten Wachsabdrucke genommen wurden, gehört Voltaire (1798). Sie fertigte Totenmasken von Robespierre unmittelbar nach seiner Hinrichtung und von anderen berühmten Opfern der Guillotine an. Sie modellierte George III. (1809), Napoleon (1815) - und natürlich auch sich selbst.120 Name: Tussaud Name: Grosholz Vorname: Francois Vorname: Ann Marie Beruf: Sohn eines Winzers Beruf: Wachsbildnerin Geb. um 1760 Macon Geb. 1.12.1760 Bern Gest. Gest. 16.4.1850 London Verheiratet: 1795, jedoch 1800 Trennung von Ehemann Kinder 1. 2. 3. Geboren Maria 1796 Joseph 1798 Francis 1800 Gestorben Abb. 37: Familienblatt Tussaud-Grosholz (Seipp, S. 78) Es ist unbekannt, ob und wie viel Friedrich Grosholz von seiner fernen (Groß-) Tante wusste. Theoretisch hätte er ihre Memoiren lesen können, die 1838 in London erschienen sind, oder die (wohl sehr fehlerhafte) Kurzversion von 1878. Es gibt freilich zu denken, dass eine Nachfahrin der Scharfrichter die Helden, Denker und Henker ihrer Zeit modellierte und in ihrem - 5 4 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser „Horrorkabinett“ ausstellte. Und es lockt zum Vergleich mit dem Nachfahren Friedrich Grosholz. Sollte sich ein solches zu weltweitem Ruhm gelangtes Familienschicksal nicht innerhalb der Verwandtschaft herumsprechen und nicht auch in das kleine, längere Zeit ja auch kurmainzische Vilbel gelangen? So, wie die Familie Grosholz bis heute das zweiseitig scharfe Schwert aufbewahrt, mag in dem ernsten Gesichtsausdruck von Friedrich Grosholz auch das Gedächtnis an die Schrecken der blutigen Hinrichtungen und ihre Verarbeitung eingegerbt und aufbewahrt sein. 13.2 Ausblick – Die Karriere des Sohns Adolf Grosholz Die über weite Strecken ganz ähnliche Karriere des Bruders Johann wurde in Kapitel 2 gestreift. Friedrich Grosholz’ Sohn Adolf, der 1845 in Vilbel aus der ersten Ehe hervorging, setzte wiederum andere Akzente – und die Karriere seines Vaters auf höherer Stufenleiter fort. Obwohl er seine Mutter im Alter von drei Jahren verlor - ähnlich wie und doch anders als sein Vater - hat der Erstgeborene eine erstaunliche Entwicklung genommen, anders als seine Geschwister jedenfalls. Noch katholisch getauft im Beisein des Oheims und Taufpaten Giessen aus Kirchheimbolanden, wuchs er nach dem Religionswechsel des Vaters121 evangelisch erzogen auf, lernte neben dem Volksschulunterricht beim Pfarrer Latein und ging dann zum Gymnasium nach Büdingen. Er musste dies später verlassen und kam erst über den „zweiten Bildungsweg“ zum Abitur und dann zum Jura-Studium in Bonn und Gießen. Bei Seipp ist eine längere Schilderung des Sohnes von Adolf, Osman Grosholz, enthalten, die liebevoll und einfühlsam den Weg des Vaters im Gefolge des Eisenbahn-Barons von Hirsch nach Konstantinopel in seiner Funktion als Generalsekretär und später Direktor der Orientalischen Eisenbahnen beschreibt: „Im Jahre 1893 erhielt Philipp Holzmann von der türkischen Regierung den wirtschaftlich und politisch hochbedeutsamen Auftrag, die Bagdadbahn von Konstantinopel durch das zerklüftete Taurusgebirge nach Bagdad zu bauen. Als Frau Holzmann von ihrem Mann das erfuhr, sagte sie. Ach, jetzt kauf’ich mir aber doch das Azaleen-Stöckche, das ich mir heute morgen in der Markthalle verkniffen habe.“122 Adolf Grosholz geht nach Konstantinopel und wird dort später GeneralDirektor der Orient-Balkan-Bahn. Es gab von hier schließlich einen Versuch, das Vilbeler Mineralwasser in die Zug-Restauration zu lancieren, die - 5 5 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Lieferung von „Luisenbrunnen“ an die Bahn 1911; Enkel Osman Grosholz schreibt123: „Ingenieur Grosholz, ein Bruder (Sohn. Anm. des Verfassers) des Kaufmanns Friedrich Grosholz, war beim ersten Auslandsgeschäft der Frankfurter Baufirma Holzmann124 beim Bau der Bagdadbahn als Ingenieur tätig. Diesem Umstand verdankte Gg. Otto Weihl grössere Lieferungen von Luisenbrunnen nach dort.“125 Auch nach Belgien wurde exportiert.126 Im Vornamen Osman liegt doch eine erstaunliche weit-europäische Dimension und eine gewisse, freilich auch politisch gewünschte Akzeptanz der (islamischen) Türkei. Wer Sohn Adolf deswegen für einen Abtrünnigen vom Vaterland hält, möge sich das Bild von 1918 vergegenwärtigen, das ihn in München ordengeschmückt in wilhelminischer Pose auf dem Totenbett zeigt. Abb. 38: Der aufgebahrte Adolf Grosholz, Sohn von Friedrich Grosholz, München 1918 (Seipp, S. 39) - 5 6 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 14. Die vier Quellen: Markt, Geld, Unternehmertum, Berufsethik Am Anfang der Vilbeler Mineralwasserindustrie standen also diese vier Quellen „Elisabethen“, „Hassia“, „Ludwigsquelle“ und „Luisenbrunnen Vilbeler Urquelle“. Es wäre jetzt fatal, eine Hitliste, ein „Ranking“ der vier Unternehmer aufzustellen und einer dieser vier Flaschen den Lorbeerkranz statt den Kronkorken aufzusetzen. Es wäre einfach unhistorisch und falsch. Wenn man strikt chronologisch verfährt, dann gebührt dem nahe gelegenen „Selzerbrunnen“ das Etikett „Ur“, denn schon der damit verbundene Ortsname Karben verweist mit dem keltischen Ursprung auf das minerale Quellwasser. Ganz sicher haben die Römer ihr üppiges Bad unweit des heutigen Südbahnhofs aus einer (womöglich warmen) Quelle gespeist. Und weiter gebührt dem alten Fiskalbrunnen das zeitliche Vorrecht vor den anderen Dreien, von denen wiederum 1809 der zunächst Hinkelsche und ab 1855 dann Grosholzsche Brunnen, später dann Luisenquelle genannt, der Vorsprung vor dem 1864 gewonnenen Hinkel-Hassia und den dann zeitgleich ergrabenen Beurer/Elisabethen und dann dem Luisenbrunnen am MP 3 die korrekte Reihenfolge ergäbe. Im Übrigen gilt, dass alle vier Brunnen sich aus ein- und derselben geologischen, Wasser führenden Spalte speisen.127 In solch sportlicher oder personenbezogener oder, wie hier ironisiert, „scheinzeitlicher“ Abfolge eine Ursprünglichkeit zu hierarchisieren, ist zwar menschlich, aber es wird den Tatsachen nicht gerecht, und da hilft auch keine männliche oder weibliche oder biblische oder romanisierte oder teutonische Namensgebung für Personen oder Quellen: Isaac Hinkel; Adam (Peter, Wilhelm) Simon; Christian Beurer; Friedrich; Mathilde, Victoria, Hassia (=Hessen), Siegfried-Quelle usw. Vielmehr waren es mehrere Gründe - das Zusammenspiel von relativem Massenkonsum der Städte der Region um Frankfurt (während es vorher ein nahezu aristokratisches Privileg war und deswegen der Freiherr von Leonhardi seine Selzerquelle schon so früh vermarkten konnte); eine erhöhte Geldzirkulation; technologische Fortschritte; der Wettbewerb; Unternehmergeist – und damit also der Markt im modernen Sinne. Insofern war das (vielerorts) durchgesetzte „Quellenschutzgesetz“ schon ein Schritt zurück hinter diese frühe „soziale“ Marktwirtschaft. Es war eine Re-Feudalisierung, die nicht zufällig in den 20er Jahren den lokal berüchtigten „Sprudelkrieg“ zur Folge hatte. - 5 7 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Tochter Grosholz besucht bei dem Aufenthalt im Brod’schen Sprudel 1903 die Stadt ihres Vaters und die Stätten ihrer Kindheit. Wenn sie dann über den Marktplatz und um das Anwesen Nr. 4 ging, konnte sie dies erhobenen Hauptes tun: Ihr Vater repräsentierte eine große, moderne Generation im wilhelminischen Deutschland; einen Typus, wie er Jahre später erst aufkam, als die Perspektive eines zusammenwachsenden Europas, für das Sohn Adolf stand, in den Trümmern des Ersten Weltkrieges unterging. Und als Max Weber 1905 genau diesen unternehmerischen Typus an den protestantischen Sekten in den USA untersuchte und dort die Zukunft des Westens und der Welt entschieden wurde, statt in den Vereinigten Staaten von Europa. Es würde also den Tatsachen nicht entsprechen, die Gründergeneration(en) der Vilbeler Mineralwasserindustrie in sportlich-konkurrenter Manier oder im Familienzwist auseinander zu dividieren. Dies würde weder den lokalhistorischen Tatsachen, noch den allgemeinen Marktbedingungen des neuen Kapitalismus gerecht: Grosholz stand nicht in Konkurrenz zu Kullmann, sondern er übergab in erstaunlicher Weitsicht die Staffel an den jungen Pächter seiner Quelle. Dieser führte das Werk gemäß den neuen technischen Errungenschaften fort. In wohltuendem Unterschied zu noch heute sehr verbreitetem Patriarchalismus, hatte Grosholz mit Kullmann einen „jungen, dynamischen“ Fortsetzer seines Werkes gefunden, und dann dieser in seiner Nachfolge, Weihl. Freilich, dieser Kullmann kam von auswärts und mag anfangs auf die Vorbehalte der lokalen Elite und darunter den lokalen Wasserhändlern gestoßen sein. Diese bestand vor allem einmal aus Hinkel, der 1864 einen wohl schon lange bestehenden Brunnen nutzte und den Vertrieb aufnahm, aus Chr. Beurer128 mit seinem späteren Elisabethensprudel und zum anderen aus den althergebrachten Wasserhändlern und Pächtern des Sauerbrunnens am Marktplatz, Guth und Vömel. Die wiederum durch den Ankauf des Brunnens und seine private Nutzung die Jahrhunderte alte Gerechtsame außer Kraft setzten und einen Jahrzehnte währenden Rechtsstreit um dieses oft auch von den Bürgern schlecht gepflegte öffentliche Gut auslösten. Fakt ist außerdem, dass es die beiden Händlergruppen Vömel/Guth und Grosholz 1877/78 als Händler von Mineralwasser zu den Höchstbesteuerten im Vilbeler Altkreis schafften, während Hinkel zwar auch in dieser Liste auftaucht, aber als Landwirt (und Gastwirt), und eben nicht als Wasserverkäufer. Wenn wir also „Sportifizierung“ betreiben und die Messlatte anlegen wollen, dann hatte Grosholz an einem entscheidenden Zeitpunkt (mal wie- 5 8 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser der oder ausnahmsweise) die Nase vor Hinkel. Zu beachten ist dabei, dass die steuerliche Veranlagung alle Geschäftszweige betraf. Aber nachdem dies gesagt ist, sollte das Wesentliche umso deutlicher hervortreten: Die Geburtsstunde der aufblühenden neuen „SauerwasserIndustrie“ liegt in dem regionalen Markt der 1870er Jahre und der Gründerzeit. Anstoß für den (neuen) Aufschwung gab der sprungartig ansteigende Bedarf in den großen Städten Frankfurt, Offenbach usw. Sicher standen die genannten vier in freundschaftlichen und nachbarschaftlichen Beziehungen, aber nun auch in KonAbb. 39: Der Grabstein der Familien Grosholz kurrenz zueinander, denn sie und Simon (Seipp, S. 55) verkauften (und kämpften) auf demselben Markt und gruben sich jetzt noch nicht gegenseitig das Wasser ab, wie später im „Sprudelkrieg“. Vielleicht lag gerade in dieser Konkurrenz das (geschäfts-) belebende und zu technischen Innovationen anregende, ja zwingende Moment – der Marktplatz war buchstäblich die „Quelle“ des Vilbeler Kapitalismus. Wenn man dies übersieht, erliegt man entweder der beschriebene SportIdeologie (der Unternehmer als „Ironman“), oder gerät in die andere Falle: den uralten Streit und Konflikt zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen oder „Eingeplackten“. Die Karte des Vilbeler Stammbaums - in diesem Fall der Hinkel oder Vömel und Guth - gegen die der Zugezogenen - Grosholz, Kullmann, Weihl - auszuspielen, ist aber ebenso fragwürdig. Wie nahezu überall, zeigt sich vielmehr auch in Vilbel, wie fruchtbar das Zusammenspiel, damit auch der Wettbewerb, von Einheimischen und Eingewanderten für die städtische Entwicklung war und ist: Dies gilt von den Hugenotten, den Südtirolern, über die Jamins (Gastwirte, Ziegelei usw.), die - 5 9 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Grosholz’, Perrons usw. bis zu den Sudetendeutschen der Nachkriegszeit, den bedeutenden Gewerbeniederlassungen und den gut verdienenden Neubürgern der letzten 20 Jahre. Abb. 40: Der Marktplatz aus der Vogelperspektive; um 1900 („Alt-Vilbel“, S. 88) Nach 1900, vor dem I. Weltkrieg, weht ein Hauch von Europäisierung und „Globalisierung“ auch durch Vilbel: Exportversuche; Generaldirektor Grosholz in Konstantinopel und Sohn Osman; internationale Besucher des Brodschen Sprudelbades; italienische Gastarbeiter in der Ziegelei und beim Bau der Wasserleitung; Verhandlungen mit der Stadt Frankfurt … Im Kleinen wie im Großen waren trotz der glühenden Nationalismen und der europäischen ‚Bürgerkriege’ viele Schritt(chen) auf dem Weg zu einer Art „Vereinigten Staaten von Europa“ getan worden. Mit dem Zivilisationsbruch des I. Weltkrieges war diese Perspektive jedenfalls vertan. Friedrich Grosholz steht für eine neue Qualität des Unternehmertums. Dies wurde nicht zuletzt an seiner Familiengeschichte deutlich: Auch nach dem Tode der beiden Söhne 1868, wagte er noch im Alter von 65 Jahren eine große Investition. Was man als Rückzug vom Fabrikantendasein lesen könnte (Aufgabe der Nudelfabrik), war in Wirklichkeit ein Weitwurf. - 6 0 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser In der Verpachtung an Kullmann – einen Familiennachfolger für seine Firma hatte er nicht - gab er die Staffel weiter und leitete damit die notwendigen technischen Neuerungen ein, zu denen er nicht (mehr) fähig war. Und bewies damit sein unternehmerisches, kaufmännisches Können. Der Soziologe Max Weber beschrieb diesen von rationaler Lebensführung und puritanischer Berufskultur geprägten unternehmerischen Geist gut eine Generation später in seinem berühmten Essay.129 Grosholz war als Mensch und Bürger, Kaufmann und Unternehmer ein früher Protagonist dieses im damaliAbb. 41: Funkspot „An einem Abend in gen Deutschland und Europa nicht so froher Runde vor mehr als 100 Jahren“ häufigen Unternehmertyps. In diesem Sinne, freilich nicht als techni(Freitag, 1980-1999) schen Erfinder und industriellen Promotor, wie sie hier erst zur Jahrhundertwende hin aufkamen, konnte ihm in Vilbel wohl kaum jemand das Wasser reichen. - 6 1 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Anmerkungen 1 Giegerich 1969, S. 48; mit FN 54 Zitatverweis auf C. L. Brod: Werden und Wachsen der Vilbeler Mineralwasserindustrie bis 1944; R. Ludwig: Geognostische Beobachtungen, Frankfurt 1852, S. 46; Ph. Jochheim: Mineralquellen Hessen, Darmstadt 1858, S. 96-98, Hassia-Archiv, Akte Weihl/Luisenbrunnen; Siehe a. Stadtarchiv (StA Vil), Akte Hauskataster. 2 Wobei der „wilde Mann“ eine Fachwerkkonstruktion aus harten, geschwungenen Holzbalken ist 3 An dieser Stelle gilt der Dank zunächst Herrn Claus G. Kunzmann für die kontinuierliche Betreuung (die von den Mitarbeitern im Stadtarchiv fortgesetzt wurde). Sodann Herrn Freitag, dem „Erfinder“ der (Radio-) Werbung, für die Überlassung von Dokumenten (nicht nur der drei Spots). Herr Stefan Kunz und Frau Bruni Krüger gaben mir über das Korrekturlesen hinaus wertvolle Anregungen. Frau Grimm half (mal wieder) mit Informationen zu den verschiedenen Stammbäumen und hat die Spurensuche nach Fehlern betrieben, ebenso wie Herr Heil. Frau Kneip schließlich sei gedankt, weil sie mir das Hassia-Archiv öffnete und (gescannte) Unterlagen überließ. 4 Seipp 2001, S. 9 5 Siehe Kirchenbuch; Stammbaum von Frau Grimm, E. Seipp verschweigt dieses traurige, wenngleich häufige Ereignis. 6 Seipp, a.a.O., S. 25. Die „Altkatholiken“ konnten sich dem 1870 auf dem Konzil beschlossenen Unfehlbarkeitsdogma nicht anschließen; 1854 war das Dogma von der unbefleckten Empfängnis verkündet worden. 7 Seipp, a.a.O., 7; übrigens gibt es im Vilbeler Anzeiger immer wieder mal Nachrichten von Selbstmordversuchen oder gar beim Angeln Ertrunkenen. 8 Seipp, S. 21 9 Seipp, 132; Regierungsblatt 7, S. 80 10 Waitz 1894 11 Das Postamt ist zunächst in der Knabenschule, dann im Haus „Zum Landsberg“; ab 1872 im eigenen Postgebäude. 12 Es bleibt im Gemeindebesitz, während das anhängende „Arrestlokal“ an den Staat geht. 13 Seipp, S. 21 14 Seipp, S. 23 15 StA Vil; Akte A 21/34 16 Seipp, S. 101 17 ebd. 18 Gemeindeabrechung von 1880; StA Vil 19 Seipp, 111; StA Vil, Akte B 122/1 20 S. ebd.; s. Nr. 202-210 21 StA Vil, Akte A 21/29; Seipp, S. 100. 22 Seipp, S. 93 23 StA Vil, B 146/1, Protokollbuch des Gemeinderates, S. 31; Seipp, S. 121 - 6 2 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 24 StA Vil, Akte A 27/4; Seipp, S. 106f.; zu 1859 siehe Weihl-Akte im Hassia-Archiv Die älteste Versicherungspolice wurde 1355 für Seeleute in Genua abgeschlossen. Schon damals ging es um die Gefahren und Risiken des Gewerbes und die Absicherung der Geldgeber und Investoren und der Hinterbliebenen. Etwa zeitgleich wurde die älteste Bank der Welt gegründet (Monte dei Paschi di Siena) 26 Vilbeler Anzeiger (Vilb. Anz.; anfangs „Anzeige-Blatt für den Kreis Vilbel“), 21. April 1854 27 Vilb. Anz., 9.6.1854 28 Vilb. Anz., 29. April 1859 29 Vilb. Anz, 1.7.1859 30 Vilb. Anz., 25. Okt. 59 31 Vilb. Anz. 17.6. und 27. 6. 1856 32 Vilb. Anz., 19.4.57 33 Für die Kölner, Aachen Münchener und Union. 34 Vilb. Anz., 9. Okt. 1975. Der Bericht hebt außerdem hervor, dass die Agentur zunehmend Beitritte im Sektor Lebensversicherung verzeichnet und zu den billigsten und solidesten in Deutschland gehört. 35 StA Vil, Akte B 61/1; Seipp, S. 109 36 StA Vil, Akte A 23/95 37 Aus dem regen Verkehr dorthin spricht Waitz von Vilbel mit seinem „geistigen Gepräge als einem Großstadtvorort“ mit entsprechenden „Licht- und Schattenseiten“ (Waitz, S. 44). 38 ebd. 39 Vilb. Anz., 9. Mai 1883 40 Waitz 1894, S. 43 41 StA Vil, Akte A 23/95; Seipp, S. 105 42 StA Vil, Akte Q 23/1; Seipp, S. 104 43 Vilb. Anz., 29.7.1856 44 Reukauf 1978, S. 38ff. 45 Gräser 1995, S. 75 46 1879 ist P. Weitzel provisorischer Direktor des Mathildenstifts (Vilb. Anz., 7.6.79, S. 1); zum Selzerbrunnen siehe St. Kunz: Karben und die Geschichte seiner Mineralbrunnen. 47 War das Stift bis 1868/69 am Marktplatz? Danach wurde der Sitz auf die andere Niddaseite nach „Sachsenhausen“, dann in den achtziger Jahren in die Frankfurter Str. verlegt. (Der Bauboom mitsamt dem damals verwendeten Material ist auch in Vilbel offenkundig: Krankenhaus, Schule und neue Sparkasse 1891 in der Frankfurter Strasse errichtet, wo es bis 1976 stand). 48 Münzgesetz von 1873 49 Reukauf, a.a.O., S. 41 50 Auffällig ist noch die hohe Summe der Spareinlagen Vilbels von 1913: Sie kommt mit über 11 Millionen nahe an die der Kreissparkasse in Friedberg (knapp 13 Mill.) und liegt 25 - 6 3 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser doppelt so hoch wie die von Butzbach. Frankfurt mitsamt „Speckgürtel“ macht sich hier schon bemerkbar. 51 Siehe den Einfluss Okarbens, das über den Freiherrn Leonhardi hinaus auch wirtschaftlich mächtig war, wie die vielen Höchstbesteuerten zeigen; neben Jäger auch der langjährige Kontrolleur und kurzzeitige Direktor P. Weitzel. 52 Gräser, a.a.O., S. 5 53 Der konkrete Anlass war ein Aufruf des Kreisrates an die Gemeinden, mit einem Scherflein zu einem Hochzeitsgeschenk beizutragen. 54 Zit. n. Gräser, a.a.O., S.10 55 Unmittelbarer Anlass für die Sparkassengründungen war 1. die Verelendung der ländlichen Schichten (nicht nur) in Oberhessen; 2. die damit einhergehenden sozialen Unruhen des Vormärz und einer erstarkenden liberalen Opposition, für die als exemplarischer Name Franz von Brandis im Wahlbezirk Okarben-Vilbel steht (Gräser, S. 12); 3. ein zunehmender Geldumlauf und ein wachsender Markt sprengten die traditionalen Formen von Kreditvergabe. 56 Nach Gräser, S. 20, Anm. 37 57 S. a. Gräser, S. 21 58 Gräser, S. 23 59 Dass Grosholz seinen Einfluss auch unternehmerisch-innovatorisch zu nutzen wusste, zeigt die Gründung seiner Nudelfabrik 1861. Er war mit der Dampfkesselanlage ein früher Industrie-Investor, s. Kap 8. 60 Gräser, S. 20 61 Auf diesem Bankett war auch der später wegen seiner Verbindungen zur radikaldemokratischen Opposition um Büchner und Weidig verhaftete Petterweiler Pfarrer Flick, der seinem politischen Gegner Küchler im Hinblick auf das Mathildenstift „edlen, uneigennützigen Sinn“ konzediert (Gräser, 21) und gleich danach zusätzlich zu der in Rede stehenden „Rindvieh-Assekuranz“ 1832 den Vorschlag einer Hagel- und Flurschädenversicherung macht und diese als Abteilung beim Mathildenstift ansiedelt. Auch wenn es zu dieser vor allem an die minderbemittelten Bauern gedachten Ausweitung der fürsorglichen Funktionen des Stiftes und der Zusammenlegung mit Versicherungen nicht gekommen ist, war hier ein sehr avantgardistischer, moderner Gedanke von „Hilfe zur Selbsthilfe“ am Werk. (Siehe Kap. 5) 62 Gräser, a.a.O., S. 60ff. 63 Gräser, a.a.O., S. 58. Auch die Möglichkeit des Einzelnen auf Mitgliedschaft wird getilgt! 64 Vilb. Anz., 13.6.83 65 StA Vil, Akte A 23/95; Seipp, S. 105 66 Festschrift „110-Jahr-Feier Vilbeler Markt 1925“, S. 5; Seipp, S. 132; Gewerbetagebuch 67 1864 schaffte sich Hinkel einen Dampfkessel für seine „Aepfelweinkelterei“ an. Vor der Aufnahme stellte Grosholz einen Antrag für die Genehmigung eines Dampfkessels usw.; HStA Da, G 15 FB, V 597; Akte Grosholz. 68 Seipp, S. 11 - 6 4 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 69 StA Vil, Gewerbetagebuch 1874: „Niedergelegt: Esswarenfabrikant u. Spezereikrämer“ 70 Er verscherbelte sie als Alteisen; s. Hassia-Archiv, Akte Weihl/Grosholz 71 Siehe auch seinen Ankauf einer alten Holzpumpe Mitte der 50er für seinen Flachbrunnen und seine alte Form von Förderung und Verkauf der verkorkten Krüge. 72 Hauser 1871 73 Um 1800 wurde die Niddabrücke nach dem Hanauer General „Lamboi-Brücke“ genannt; s. StA Vil, Akte 23, Hauskataster. 74 In der Woche um den15. August, dem 1870 kanonisierten Feiertag Mariä Himmelfahrt. 75 Siehe die Kopie im Brunnenmuseum; Giegerich 1986, S. 76ff. Es ist eigentlich verwunderlich, dass sich außer einem Kapitell keine Reste eines römischen Weihetempels finden ließen. 76 Seipp, a.a.O., S. 51 77 StA Vil, Urkataster, Bd. 1 78 StA Vil, Hauskataster, Akte 23 79 Siehe Hauskataster 23 „Marktplatz“, StA Vil. 80 Schon 1713 ist ein Philipp Simon als „Schultheis“, also Bürgermeister, in Vilbel genannt. 81 „Heimatblätter“ 11/1974, S. 7; 1873 geht das Haus in den Besitz von Philipp Söllner über; 1892 Schade&Füllgrabe. 82 S. „Heimatblätter“, Bd. 11 und Bd. 13: Seit 1873 Metzgerei. 83 Der nachfolgende B. Jamin nannte die Mineralquelle 1928 Villa Bella Quelle. 1933 wurde der Vigeno Brunnen von O. Weihl zum „Luisenbrunnen Bad Vilbeler Urquelle“ ausgebaut und umbenannt. StA Vil, Hauskataster Akte 23, Blatt „Wirtschaften“, 6; (handschr. sind daneben die Namen aufgeführt). 84 1835: „Der in neuerer Zeit vermehrte Wasserabsatz ...“. 85 StAVil, Hauskataster Akte 23 86 1843 wechselt die Apotheke in die Friedberger Str. 13, ins ehemalige Wirtshaus „Zum Riesen“ von Hermann Heil. 87 Am Torbogen zum Haus am Marktplatz 4 befand sich ein Kupferstich an der Eingangstür mit der Inschrift „JNH 1781“ mit Hugenottenzeichen. Isaac Nikolaus Hinkel hatte das Hugenottenhaus 1781 vom Deutschherrenorden erworben. 88 Heimatblätter 11/74, S. 14. Im Jahr 1855 starb Isaac Hinkel. Als einziger Zeuge ist außer Pfarrer und Glöckner nur der Kaufmann Friedrich Grosholz, erwähnt. (Sterbe- und Begräbnisprotokoll von 1848-71, S. 446; Seipp, a.a.O., S. 134f.). 89 Er kauft es lt. Hauskataster, Akte 23, mit Elias Ehrmann aus Düdelsheim, Friedrich Habicht aus Engelrod und Heinrich Martini aus Nieder-Ingelheim; StA Vil. Es gibt sonst aber keine Hinweise auf Ehrmann und Habicht. 90 StA Vil, Hauskataster 23 91 Der Fiskalbrunnen ist 1331 erstmals, seine heilsame Wirkung erstmals 1569 bezeugt. Für die Bewohner bestand Gewohnheitsrecht, sie konnten für Eigenbedarf Wasser holen, gegen Pflege (Giegerich). Es war von daher Gemeinschaftsbesitz. Dieses alte Recht löste - 6 5 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser nun nach der Kommunalisierung neue Verteilungskämpfe aus. Mit der Privatisierung ist ein Konflikt zwischen den neuen Eigentümern - sie hinderten die Bewohner am Abfüllen - und im alten Recht verbürgter Nutzung des öffentlichen Guts, der „Gerechtsamen“, programmiert. 1878 tritt auch Grosholz als Zeuge im Prozess zwischen der Gemeinde und den Käufern des Fiskalbrunnens, Guth und Vömel, neben Kaufmann Fink, Metzger Wolf, Hinkel und Trupp aus Frankfurt auf. Der sich bis 1908 hinziehende Rechtsstreit endet (vorläufig) damit, dass die Gemeinde auf dem öffentlichen Nutzungsrecht beharrt. 92 B 3/139 Rechnungen über Einnahme und Ausgabe 1884/85; Seipp, S. 109. 93 StA Vil, A 23/95, Gewerbetagebuch, Eintrag Nr. 30, 94 Vilb. Anz., 21. April 54 95 1872 führt Hinkel 8 fl. ab. 1873 ist Hinkel auch wieder dabei. 1869 führen die Aristokraten, Ökonomen und Großpächter die 66 Personen umfassende Liste an. Als erster Vilbeler fällt der Fabrikant Wilhelm Fink auf. 96 Siehe Artikel Frankfurter Zeitung, Hassia-Archiv 97 Dieser erfolgt erst zur Jahrhundertwende hin: Nudelfabrik; maschinelle Keltereien; Ringofenziegelei Jamin und Dampfziegelei Wetterau … 98 Ab 1878 entfällt die jährliche Liste; über die weiteren drei Jahre bis zur Verpachtung 1882 wissen wir nichts. 99 StAVil, B 61/1; Seipp, S. 109 100 Hassia-Archiv, Akte Weihl/Luisen-Brunnen 100 Hassia-Archiv, Akte Weihl/Luisen-Brunnen (Weihl kam aus Friedberg; sein Vater war Lehrlings-Kollege von Kullmann in Gelnhausen ...) 101 Hassia-Archiv, Akte Weihl, Luisenbrunnen, Kullmann 102 Hassia-Archiv, Akte Weihl, Luisenbrunnen 103 ebd. 104 ebd., Der Mineralbrunnen, Sept. 1976 „100 Jahre Luisen-Brunnen“. 105 ebd., Akte Weihl. 106 ebd. 107 StA Vil, Akte 23 Hauskataster, Liste der Kur-Gäste im Brodschen Sprudelhaus. 108 Anzeige der Bäckerei Stössel (StA Vil, Hauskataster Akte 23; Jubiläumsheft 1925 „100 Jahre Vilbeler Markt“) 109 Siehe Kaufbrief, Hassia-Archiv, Akte Weihl 110 So übernahm schon 1861 Friedrich Heinze den „Goldenen Engel“; s. Vilb. Anz. 7.1.1861 111 Das Haus Marktplatz 11 gehörte Friedrich Ludwig Adam Brod und der 1876 geheirateten Ehefrau geb. Guth (StA Vilb., Hauskataster, Akte Nr. 370). 112 StA Vil, Akte 23, Hauskataster 113 In der Liste Nr. 4 vom August 1904 sind „Frl. Grace Hutchinson und Frl. Lina Hutchinson“ aus London als einzige Ausländer aufgeführt. Die meisten Kurgäste sind aus der näheren Region. 114 „Deutsche Badezeitung UNION“; StA Vil, Akte 23, Hauskataster 115 Seipp, S. 73 ff. 116 Seipp, S. 15ff.; 72 - 6 6 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser 117 Seipp, S. 79ff. Warum Frankfurt, bleibt unklar. 119 Er soll in der Terrorzeit nach dem 9. Thermidor, also 1794, vergiftet worden sein - sie selbst saß auch kurze Zeit im Gefängnis. 120 Nach der Lebensbeschreibung im „Dictionary of National Biography“ der Bibliothek Dortmund; in: Seipp, S. 79ff. 121 Der lt. Seipp sich nicht den neuen katholischen Dogmen anschließen konnte; Seipp, a. a. O., S. 25 122 Hassia-Archiv; Akte Weihl, Auszug aus: Der unbekannte Frankfurter, S. 16 123 Der später in Bad Nauheim lebt und eine Arbeit über das Friedberger Rechnungswesen schreibt; s. o. Kap. 6. 124 Ph. Holzmann war eine zeitlang auch Teilhaber am Karbener Selzerbrunnen. Diese wie manch andere wertvolle Information danke ich Stefan Kunz. 125 Hassia-Archiv; Akte Weihl etc., Gespräch mit Geschw. Brod 1954 126 ebd. 127 „Darstellung Bad Vilbeler Urquelle“, Begleitschreiben 1986; Gutachten 1986. Ich danke Herrn Freitag für die zur Verfügung gestellten Materialien. 128 Über den wir hier nur wenig erfahren. 129 M. Weber in seine Studie über die „protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus“, 1905. Weber hätte sich die Augen gerieben vor Freude über diesen Vorgänger seiner an Untersuchungen protestantischer Sekten in den USA entwickelten Thesen. 118 - 6 7 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser LITERATUR Carl Brod: Werden und Wachsen der Vilbeler Mineralwasserindustrie, Archiv Weihl, 1944 (mit Literaturauszügen) Chronik einer Stadt. Aus Vilbel’s geschichtlicher Vergangenheit. Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt, der Kirche und der Burg Vilbel, und der umliegenden Ortschaften. Von H. Waitz, Pfarrer zu Vilbel. Vilbel 1894 Karl E. Demandt: Geschichte des Landes Hessen, Kassel 1980 W. Dietz, Cl.-G. Kunzmann, J. Rubin: Blickpunkte. Erinnerungen an ‚Alt-Vilbel’ und seine heutigen Stadtteile. Bad Vilbel 2002 (= Bad Vilbeler Verein für Geschichte und Heimatpflege e. V.) W. Giegerich: Bad Vilbel. Landschaft Geschichte Kultur. Frankfurt 1986 (2). (Hrg. vom Verein für Geschichte und Heimatpflege e. V.) M. Gräser: Das Mathildenstift in der Wetterau. Sparkassengeschichte und Regionalgeschichte. Darmstadt 1995 (= Schriften zur hessischen Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte 1) S. Kunz: Karben und die Geschichte seiner vier Mineralbrunnen. Karben 2000 Cl. Kunzmann, J. Rubin: Ein Gang durch „Alt-Vilbel“. Bad Vilbel und seine Stadtteile in alten Ansichten. Unter Mitarbeit von W. Dietz …. Bad Vilbel 1994 Landratsdistrikt Vilbel. Ortsbürgerregister der Gemeinde Vilbel. Von Geburtsjahr 1739-1842. Reception von 1821-1866. Bearbeitet von Rita Grimm und Erich Seipp. Vilbel 1989 Albert Reukauf: 125 Jahre Sparkasse „Mathildenstift“ in Vilbel (jetzt Hauptzweigstelle der Kreissparkasse Friedberg). In: Bad Vilbeler Heimatblätter 18/1978, S. 33-48 E. Seipp: Friedrich Grosholz 1810-1888. Grosholz-Familienforschung 1473-1998. Bad Vilbel 2001 (E. Seipp im Selbstverlag) Über die Nothwendigkeit eines Krankenhauses im Kreise Vilbel. Von Dr. med. Ludwig Hauser, prakischer Arzt in Vilbel. Friedberg 1871 Sonderheft zum Denkmalschutzjahr 1975: Die Gebäudegruppe um Marktplatz, Hanauer Str., Frankfurter Straße. In: Bad Vilbeler Heimatblätter. Heimatkundliche Mitteilungen. Hrg. vom Kur- und Verkehrsverein Bad Vilbel, H. 13, S. 17-23 - 6 8 - Der Mensch. Die Quelle. Der Unternehmer. Friedrich Grosholz, (Bad) Vilbel und das Mineralwasser Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Tübingen 1920 Hassia Archiv: Archiv der Getränkefirma Hassia-Mineralquellen, Bad Vilbel HStA Da.: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt StA Vil: Stadtarchiv Bad Vilbel Vilbeler Anzeiger ab 1852ff. - 6 9 -