Capri Wonne - Wiedergeburt einer Rallye Legende
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Capri Wonne - Wiedergeburt einer Rallye Legende
Ausgabe 2 | April 2016 CapriWonne ■ ADAC Mitgliederversammlung ■ ADAC Tourismuspreis 2016 Rallye-Legenden Szenenwechsel: Olympia-Rallye 1972. 307 Teams haben sich in Kiel eingefunden, um in fünf Tagen und knapp 850 Wertungs-Kilometern die Zielrampe in München zu erreichen. Auf der Nennliste finden sich so illustre Namen wie Hannu Mikkola, Jean-Pierre Nicola, Rauno Altonen, Bernard Darniche oder Achim Warmbold. Doch statt eines Vertreters der Welt-Elite steht nach der ersten Prüfung ein bis dato unbekannter Name ganz oben auf der Zeitentabelle: Walter Röhrl. Der Pressechef der Veranstaltung ist fest davon überzeugt, dass die Fabelzeit des Nobodys nur auf einem Messfehler beruhen kann. Capri-Wonne Kurzentschlossen streicht er den Regensburger aus der Ergebnisliste. Doch gast Röhrl weiter so vehement an, dass auch den letzten Zweiflern schnell klar wird, dass man gerade der Geburt einer großen Motorsport-Karriere beiwohnt. Zwar stoppte ein Motorschaden kurz vor Ende den Vorwärtsdrang des „Langen“, doch die Karriere nahm jetzt unaufhaltbar ihren Lauf … von links: Christian Geistdörfer, Jochi Kleint und Walter Röhrl Dichtes Gedränge und lange Warteschlangen am Stand des ADAC Hansa auf der Bremen Classic Motorshow. Szenen, die man eher mit Film-Premieren statt mit Oldtimer-Messen in Verbindung bringt. Der Grund für die Aufregung ist eine Autogrammstunde der Rallye-Duos Walter Röhrl/Christian Geistdörfer (Weltmeister 1980 und 1982) und Jochi Kleint/Gunter Wagner (Europameister 1979). Deutschlands erfolgreichste Rallye-Piloten werben mit ihrem Auftritt für ein einzigartiges Projekt: Die Wiedergeburt eines originalen Ford Capri 2600 RS von Kleint R.S., der auf dem Stand im frischen Glanz die Blicke auf sich zieht. Schon bald wollen Röhrl und Kleint mit dem Wettbewerbsfahrzeug aus ihrer Jugend wieder über die Rallye-Pisten jagen. 8 Zehn Rallye-Capri wurden Anfang der 70er aufgebaut. Eigentlich hatte der Ford Escort BDA die besseren Rallye-Gene, doch in Deutschland sollte es nach dem Willen von Ford der Capri richten. Das Hamburger Semi-Werksteam Kleint RS bekam von den Kölnern den Auftrag, den Baby-Mustang in ein ernstzunehmendes Rallye-Auto zu verwandeln. Kaum ein Teil am Auto wurde nicht angefasst und für den künftigen Einsatzzweck optimiert. Den V6 ließ Teamchef Ernie Kleint, der Bruder von Jochi, auf circa 2,8 Liter aufbohren, um ihm respektable 230 PS zu entlocken. Aber die Rallye-Autos müssen in ihrem kurzen Leben viele harte Schläge einstecken. Sie erhalten nur so lange Zuwendung, wie sie für Siege gut sind. Mit dem Verlust ihrer Konkurrenzfähigkeit verlieren die Wagen auch ihre Wertschätzung. Daher galten die Capris auch lange als verschollen, verramscht und verschrottet. Fotos oben: Walter Röhrl im Kleint RS Capri 1972 · unten links: letzter Einsatz von Jochi Kleint im Capri auf dem Estering · unten rechts: Aufbau des Capri Kleint RS in Hamburg, 1972 Doch 2012 entdeckte Rallye-Enthusiast Klaus Frieg einen der legendären Kölner Coupés in einer Blechscheune auf Husum, in der er bereits über 10 Jahre auf seine Erweckung wartete. Vor seinem Dornröschenschlaf hatte der Capri eine – im wahrsten Sinne des Wortes – bewegte Vergangenheit. Ernie Kleint gewann mit ihm 1970 die Tour d’Europe, sein Bruder Jochi war damit beim Rallyecross auf dem Estering erfolgreich. Nachdem das Auto durch mehrere private Hände ging, wurde der Capri Ende der 70er seiner Rallye- Ausrüstung beraubt und in einem profanen Disco-Cruiser umgewandelt. Die vielen „Modi- fikationen“ durch Hobby-Schrauber und der erbarmungswürdige Zustand von Technik und Karosserie ließen erahnen, dass die Rückversetzung in den Orginalzustand viel Zeit, viel Arbeit und noch mehr Geld kosten würde. Aber das Projekt fand schnell viele Unterstützer. Für das Zerlegen, Entrosten und Zusammenschrauben waren die Autonomen Jugendwerkstätten (ajw) aus Hamburg zuständig. In der Kfz-Werkstatt arbeiten Jugendliche, deren Bewerbungen von anderen Handwerksbetrieben aussortiert würden. Schulabbrecher und Jugendliche aus 9 Rallye-Legenden runde Linie ja die schnellere, doch mit dem Capri musstest du driften, damit du überhaupt ums Eck kommst. Er war aber super gutmütig und einfach zu fahren. Kein Vergleich zum Beispiel zu dem schnelleren aber auch zickigen Lancia Stratos.“ Für Röhrl, der wie kaum ein zweiter in seiner Karriere unterschiedlichste Autos gefahren hat, gehört der Ford Capri zu den Top Ten seiner Lieblingsautos. Seine erste Liebe vergisst man eben nicht. Während der Rallyewagen vor über 40 Jahren ein Brandbeschleuniger für seine Karriere war, ist das Coupé zu einer Art Zeitmaschine mutiert, das Röhrl wieder zurück zu seinen Anfängen im Rallye-Zirkus führt. schwierigen sozialen Verhältnissen bekommen hier eine zweite Chance. Das Projekt wirkte Wunder auf die Motivation und das Selbstbewusstsein der angehenden Mechatroniker. Doch ganz ohne Profi-Unterstützung hätte der Wiederaufbau nicht funktioniert. Ford-Spezialist Christian Tost von „Tost Motorsport aus Melle“ hat Know-how und Arbeit investiert. Der MSC Trittau und Jochi Kleint haben mit viel Leidenschaft die Wiedergeburt des Kleint-Capri unterstützt und unermüdlich die Werbetrommel für das Projekt geschlagen. So ging der Auftritt der Rallye-Legenden auf der Bremen Classic auch auf deren Konto. Ihr gutes Netzwerk in der Szene öffnete manche Türen. Mittlerweile ist das Projekt auf der Zielgeraden angekommen. Schon bald wird Röhrl sich hinter das Lenkrad klemmen, um die letzten Einstellarbeiten vorzunehmen. Spätestens beim Eifel Rallye Festival in Daun vom 21. bis 23. Juli geht er mit dem Capri an den Start. Auch nach über 40 Jahren weiß der zweifache Weltmeister ganz genau, wie man den Wagen standesgemäß bewegt: „Damals bin ich viel querer gefahren. Eigentlich ist die 10 Klaus Frieg hofft, noch weitere Unterstützer für das Projekt zu gewinnen, damit der „Scheunenfund“ nicht schon bald wieder in einer Garage abgestellt werden muss. Mehr Infos unter: www.wiedergeburt-einer-rallye-legende.de