Barbara Wagner
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Barbara Wagner
Barbara Wagner [email protected] Von der Wirkung der Körperbilder. Das konstruierte Körperbild als Reaktion auf manipulierte und manipulative Bilder von Körpern in den Massenmedien am Beispiel der Kunst. Jeden Tag begegnen wir inszenierten Bildern von Körpern in Tageszeitungen, Zeitschriften, auf Plakatwänden und in den Werbespots in Fernsehen und Kino. Wir müssen uns nolens volens auf irgendeine Art und Weise mit ihnen auseinandersetzen. Wie die Rezeption auch immer ausfallen mag, haben wir eine Stellung zu dem Bild in den Massenmedien bezogen, nachdem das Körperbild visuell auf uns einwirkte. Meist endet hier auch gleich die Auseinandersetzung mit dem Gesehenen – vorausgesetzt, das Werbebild verleitet uns nicht zu einem Konsumrausch. Es gibt eine ganze Reihe von Künstlern, die sich auf Körperbilder, die durch die Massenmedien verbreitet werden, mehr oder weniger offensichtlich beziehen und dabei verschiedene Aspekte ansprechen. Sie verweisen in ihren Arbeiten auf die Funktion des Körperbildes als Mittel zur Präsentation einer persönlichen Identität. Sie provozieren durch die Persiflierung künstlicher Konstrukte. Sie machen sich Ideale zu eigen und de-konstruieren damit ihre Körperidentität. Sie machen den Rezipienten auf die Macht der Bilder aufmerksam. Zunächst ist zu untersuchen, wie Körperbilder und damit auch Vorbilder konstruiert werden. Des weiteren gilt dem Umstand der Suggestion und der Inszenierung die Aufmerksamkeit. Die Vermittlungsfunktion von Bildern in den Organen der Werbung wird meist durch die Zuhilfenahme der Fotografie erfüllt. Hier nun stellt sich die Frage nach der Authentizität der vermittelten Bilder, also inwiefern Inszenierung und Manipulation allein durch die Fotografie einen Anspruch auf Wahrhaftigkeit vorzutäuschen versucht und wie die Kunst mit der Idealisierung und Ästhetisierung umgeht. 1. Die Konstruktion von idealisierten Körperbildern Bilder von Körpern, wie sie in den Massenmedien auftreten, richten sich nach Konventionen und sind deshalb “fiktiv und zu einem großen Teil gestellt.”1 Aus unterschiedlichen Kriterien wird ein Bild geformt, das in den Augen der Rezipienten den Idealen entspricht. Das Vollkommene ist nicht unmittelbar in der Natur in einem einzigen Vorbild anzutreffen. Um ein Ideal formen zu können, bedarf es vieler verschiedener Vorbilder.2 Diese Konstruktion des Körperbildes vollzieht sich zunehmend auf dem Gebiet manipulierter Bildmedien.3 Mit Hilfe der digitalen Fotografie lassen sich vollkommen synthetische Körperbilder herstellen, die ihrerseits zur Folge haben, dass sich der natürliche Körper an eben diesen Bildern orientiert. Solch aufbereitete Vor-Bilder entbehren jeder Gemeinsamkeit mit der Natur. Sie suggerieren lediglich eine Ähnlichkeit mit natürlichen Körpern, um eine Identifikationsbasis zu bereiten. Letztlich werden die natürlichen Bedingungen zugunsten sozialer Konstruktionsmöglichkeiten in der Virtualität aufgegeben. Das perfekte, perfektionierte Vor-Bild steht zur Disposition. Christian Marclay konstruiert an Hand von Plattencovern ein neues, hybrides Menschenbild.4 Körperfragmente unterschiedlicher Ethnien und Geschlechter werden dabei scheinbar wahllos miteinander kombiniert. Marclay beschränkt sich nicht auf den Aspekt der Konstruktion eines Körpers. Indem er die Einzelteile mit Hilfe einer Nähmaschine auf Dauer zusammenfügt, unterstreicht er den Eindruck der Künstlichkeit des Konstrukts. Wie bei Operationen zwangsläufig eine Naht oder Narbe sichtbar bleibt, treten in den Patchwork-Arbeiten Marclays die Fäden an die sichtbare Oberfläche der so ästhetisch aufbereiteten Bilder hervor. Die französische Performance-Künstlerin Orlan läßt an ihrem eigenen Körper das per Computer zusammengefügte Vorbild5 aus vier verschiedenen Vorlagen “einschreiben”6. Dabei verliert ihr Körper mit jedem neuen Eingriff von seinem ursprünglichen Aussehen. Er wird zu einem künstlich geschaffenen Bild. Dabei vollzieht Orlan an ihrem Körper eine “Refiguration”7, ähnlich den Transsexuellen, die davon überzeugt sind, in einem “falschen” Körper gefangen zu sein. Orlan steckt indes nicht in einer ihr unliebsam gewordenen Erscheinung, sondern wechselt Aussehen und Identität. d.h. das Äußere und das Innere.8 Mit Hilfe der Paintbox gestaltet Inez van Lamsweerde Körperbilder von Models neu, um fremdartige Bilder zu schaffen, die den Bruch zwischen Realem und Irrealem markieren.9 Auf diese Weise entstehen Bilder, die auf das Klischee des perfekten weiblichen Körpers, wie er in der Werbung eingesetzt wird, anspielen. Die entindividualisierten Gestalten geraten so zu Stereotypen, die kaum noch Gemeinsamkeiten mit natürlichen Körpern haben. Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zu vollständig virtuellen Kreation eines “idealen” Körperbildes – Lara Croft sei hier als Beispiel erwähnt. 2. Fotografie als manipulierbares Medium Beschäftigt sich Inez van Lamsweerde vorwiegend mit der künstlichen Klischeebildung, wendet sich Rosemarie Trockel mit einer Plakatserie der Problematisierung der Medien zu. Auch sie bedient sich der Technik der Paintbox, um Porträtaufnahmen zu schönen. Dadurch entstehen ebenmäßige Gesichtszüge, die den Idealvorstellungen entsprechen und dabei weiterhin den Eindruck von “Natürlichkeit” erwecken.10 Rosemarie Trockel bringt die fotografierten und manipulierten Körperbilder, die sie in der Öffentlichkeit präsentierten Bildern angeglichen hat – man fühlt sich an die Benetton-Werbung erinnert –, wieder auf die Straße zurück. Durch die Manipulation der fotografisch aufgenommenen Bilder am Computer wird der vermeintliche Anspruch auf Authentizität der Fotografie untergraben. Denn das “Foto gilt als eine Art notwendiger und zugleich ausreichender Beweis, der unzweifelhaft die Existenz dessen, was er zu sehen gibt, bezeugt.”11 Jedoch bieten weder Werbebilder noch die bereits erwähnten Antworten aus dem Gebiet der Kunst Bilder, die eine Existenz dessen, was zu sehen ist, bezeugen könnten. Sie sind inszeniert und manipuliert, da sie eine bestimmte Wirkung beim Betrachter erzielen sollen. So sagt Inez van Lamsweerde über diese Art von Bildgestaltung: “Durch die Medien werden Frauen beeinflußt, sich zu wünschen dünner zu sein, an ihrem Aussehen zu arbeiten. Vielleicht ist das der Grund, warum meine Photos immer von Verführung und Begehren handeln.”12 Da die Werbung mit Bildern arbeitet, die sowohl einen Bezug zum Leben (Realität) als auch zur Kunst (Fiktion) herstellen, wird sie zum kulturellen Gegenstand. Sie vermittelt Lifestyle, indem sie Träume und Erlebniswelten fabriziert.13 Die Inszenierung schafft eine Distanz zwischen dem Alltäglichen, dem Durchschnittlichen und dem schönen Schein des Vorbildes, der zum Konsum animieren soll. “Künstlichkeit ist Bestandteil dieses Szenarios, folglich ist dessen Enttarnung belanglos. Wenn eines nicht in Erscheinung treten darf, dann die Natürlichkeit, die todesverfallene Geschlechtlichkeit des Fleisches. Erst ihre Sublimierung macht den Körper schön.”14 Verstärkt wird der Eindruck der Distanzbildung durch die Manipulation am Aufnahmemedium Fotografie. Selbst die unmittelbare Veränderung des Körperbildes durch strenge Diäten, Bodybuilding, Make-up, Bräunung unter künstlichen Sonnen und plastischer Chirurgie zählt zu den Inszenierungen und Manipulationen, die durch entsprechende Vorbilder in den Massenmedien ihre Verbreitung finden. Ästhetische Körper, die das Ideal zwar nicht vollständig erfüllen können, weil sie natürlich sind, den Vorstellungen von Schönheit im konventionellen Sinne jedoch entsprechen, erfahren in Inszenierungen keine Manipulation, sondern dienen als Gegenstand des Voyeurismus und des auf Konsumbereitschaft getrimmten Blicks. Hannah Wilke stellte in Fotoinszenierungen ihren eigenen Körper bereits in den frühen 1970er Jahren provozierend zur Schau. Sie bestätigt zunächst “gängige Klischees, wie die erotische Verführungskraft des schönen, nackten Frauenkörpers.”15 Gleichzeitig entlarvt sie die Vermarktung des Körpers.16 Mit dieser Form der Selbstpräsentation stellt Hannah Wilke dem Rezipienten keine narzisstischen Ansichten ihres Körpers vor. Sie bewahrt durch den Einsatz der Fotografie eine Distanz und bestimmt in der Selektion der Bilder die Rezeption. Ihre Intention besteht in der Re-Flexion des Blicks auf den Betrachter selbst. Der ambivalente Umgang mit der Schönheit, die man zwar gerne betrachtet und selbst besäße, jedoch als Stigma auffasst, sobald jemand anders diesem Bild entspricht17, veranlasst Hannah Wilke dazu, ihren Körper als Projektionsfläche zu nutzen. Anhand ihres Körperbildes versucht sie zu beweisen, dass es keine Freude, kein Glanz und eben nicht einfach ist, schön zu sein.18 Auch Vanessa Beecroft, die von ihrer Konzeption her die Nachfolge Wilkes antritt, beschäftigt sich mit der Inszenierung von schönen Körpern. Dabei “benutzt” sie nicht ihre eigene Erscheinung, sondern “bedient” sich mehrerer Models, die in einer Art Uniformierung vor Publikum auftreten. Nur sparsam bekleidet, stets auf hochhackigen Schuhen, verharren junge Frauen fast bewegungslos in Museumsräumen.19 Dadurch werden diese schönen Körper zu Tableaux vivants, zu lebendigen und dreidimensionalen Bildern. Sie bieten einen unmittelbaren und damit scheinbar auch authentischen Blick auf tatsächlich anwesende Körper. Durch die relative Distanz zum Publikum wird nicht gleich offensichtlich, dass auch diese Körper mit Hilfe von Make-up und Perücken maskiert sind und den Anspruch auf Natürlichkeit nicht einlösen können. Die Manipulation erhält in der Inszenierung vor dem Rezipienten Einzug, ohne den Einsatz der Fotografie als visuellen Vermittler. 3. Die Rezeption der Werbebilder Da die Entwicklung einer persönlichen Identität in unmittelbarem Zusammenhang mit der Orientierung an Vorbildern verknüpft ist, bieten die in den Massenmedien gezeigten Körperbilder wegen ihrer Omnipräsenz eine entscheidende Identifikationsmöglichkeit. Daneben gibt es auch weitere Orientierungs- und Bezugspunkte aus dem persönlichen Umfeld. Jedoch besitzen Werbekörper eine weitaus größere Anziehungskraft, weil sie durch ihre Inszenierung und Manipulation die Direktiven vermitteln, “wie ein Körper auszusehen hat.”20 Sie setzen sich von der Durchschnittlichkeit des Alltags ab und versprechen mittels der vermeintlichen Präsentation des Vollkommenen das Erstrebenswerte schlechthin. Bernd Guggenberger betrachtet die Entwicklung der ständig gesteigerten Ästhetisierung hin zur Überästhetisierung als eine “gnadenlose Präsentations- und Vergleichssituation”, die neuartige Überbietungszwänge einfordert und schließlich zur Entwertung schöner Körper führt, um letztlich auf das Authentische zurückzukommen.21 Diese Zuspitzung des Phänomens ist in der Werbung bereits zu beobachten22 und folgt dort eigentlich recht spät den Reflexionen in der Kunst. Denn dort lassen sich zwei unterschiedliche Strömungen ausmachen. Einerseits wirken die in den Massenmedien verbreiteten Bilder zum Schein entsprechend der Intention. Sie werden als Vorbilder aufgefasst, denen es sich anzugleichen gilt. Andererseits weichen die Körperbildvorstellungen in der Kunst von eben diesen Vorbildern bewußt ab. Sie antworten diesen mit Körperbildern, die einen anderen Blick auf den (authentischen) Körper ermöglichen. Mit den Selbstdarstellungen, die Hannah Wilke in ihrer Fotoserie S.O.S. bietet, greift sie den voyeuristischen Blick auf die als Vorbild erachteten Körper der Models auf. Indem sie ihren fast vollständig entblößten Körper mittels Accessoires und aufgeklebten vulvaförmigen Kaugummis “maskiert”, unterstreicht sie die Sexualisierung und Vermarktung von Schönheit. Ihr Körperbild bleibt in dem Sinne authentisch, in dem sie ihre Identität keinem Vorbild anzugleichen versucht. Sie problematisiert durch ihre körperliche Erscheinung den Aspekt des Narzissmus und der Schönheit. Sie selbst bleibt mit sich identisch. Wenn Orlan ihren Körper allmählich einen aus verschiedenen Idealen der Kunst konstruierten Vorbild angleichen lässt, beruft sie sich zwar nicht auf die in der Werbung propagierten Ideale, verwendet indes eine Zusammenfassung allgemein akzeptierter Vorstellungen von Schönheit. Die Konstruktion des neuen Körpers, der zu ihrem Bild und zu ihrem Werk wird, versteht Orlan nicht als Kritik am durch die Werbung forcierten Schönheitskult. Vielmehr tendiert sie dazu, ihren Körper und ihre Identität aus dem Natürlichen heraus zu lösen und in einer Art Geburt aus sich selbst heraus durch die spezifische Auswahl an Merkmalen von Göttinnen der griechischen und römischen Mythologie zu etwas Göttlichem zu erheben. Dem stehen nun künstlerische Ansätze gegenüber, die sich den Vorstellungen von Ideal und Nachahmung zu widersetzen versuchen. Eine umfangreiche FotografieSerie mit Porträtaufnahmen, die Thomas Ruff in den 1980er Jahren in enormen Vergrößerungen in den musealen Raum einbringt, spielt auf die Dimension der Plakatwände an.23 Dennoch unterscheiden sich die Gesichter grundlegend von den am Computer veränderten Aufnahmen bei Rosemarie Trockel. Thomas Ruff greift bei der Wahl der Porträtierten auf Menschen aus seinem unmittelbaren Umfeld zurück. Er zeigt damit Alltagsgesichter, die sowohl in ihrer Erscheinung als auch in ihrem Ausdruck neutral bleiben. Diese Porträts bewahren dadurch ihre persönliche Identität, ihre Individualität und sind trotzdem “jenseits der Sehgewohnheiten”24 kaum wiederzuerkennen. Die Bildstrategie der Werbekörper als Vorbild wird bei ihm nicht eingelöst. In einem weiteren Werkzykus, der Anderen Porträts, projiziert Thomas Ruff jeweils zwei verschiedene Porträtfotos übereinander. Dabei kaschiert er nicht die sichtbaren Übergänge und unscharfen Konturen, sondern stellt die künstliche Konstruktion von (Körper)Bildern bloß: “Es werden also Bilder manipuliert, um Leute zu manipulieren. Ich will die Eingriffe diesmal sichtbar machen.”25 Die Identifizierungsmöglichkeit ist nun vollständig aufgehoben, da sich Ruff zudem über die Geschlechtlichkeit der ursprünglichen Bilder hinweg setzt. So entsteht, wie schon bei Christian Marclay, der Eindruck von hybriden Gestalten, denen jedoch die androgyne Ausstrahlung fehlt. Dafür ist die Überblendung der Bilder zu aufdringlich. Orientierte sich Thomas Ruff noch an den gängigen Klischees, um zu unterstreichen, dass Körperästhetik und Vorbildfunktion nicht zwangsläufig eine Einheit bilden, richtet John Coplans den Blick auf seinen eigenen Körper, den er “ungeschönt” der Öffentlichkeit präsentiert. Die Selbstbildnisse umfasst s/w- Aufnahmen einzelner Körperpartien, wobei der Kopf stets ausgespart bleibt. Coplans demontiert den schönen Schein des vollkommenen Seins, indem er die Fotografie als dokumentarisches Medium einsetzt. Er hält seinen Körper in verschiedenen Positionen fest, erkundet ihn in seiner noch immer vorhandenen Beweglichkeit, zeigt die Spuren des Alterns und bleibt ganz mit sich selbst identisch und ist dennoch nicht identifizierbar. Die Unterteilung des Körperbildes durch die weissen Balken entsteht durch die Montage einzelner Bilder zu einem Ganzen. Coplans spielt damit wohl auch auf die stets zusammengefügten Teile an Plakatwänden an. Mit dieser Zerlegung des eigene – und als quasi authentisch zu bezeichnenden – Körperbildes entlarvt er die Konstruktion der Werbekörper. Hannah Wilke kann diesen Eindruck des sich Widersetzens gegen den falschen, aber schönen Schein in ihren letzten Arbeiten noch weitere treiben. Der durch eine Krebserkrankung und den dadurch notwendig gewordenen Therapien stark veränderte Körper hat nichts mehr gemein mit den von ihr vormals hergestellten Bildern, in denen sie sich noch als Venus präsentierte. Indem sie den Betrachter mit großformatigen Bildern ihres einst so idealen Körpers konfrontiert, entwickelt sie ein gegenläufiges Modell zur Vorbildfunktion von Körpern in den Medien. Mit einer ungeheuren Wucht ist der von der Krankheit gezeichnete Körper auf großformatigen Farbfotografien im Raum präsent. Er konkurriert nicht mit den manipulierten Aufnahmen an den Plakatwänden. Die Aufnahmen beschönigen nichts, versuchen ganz im Gegenteil, gerade durch das Einbringen von Farbe die Authentizität des Bildes zu unterstreichen. Das Körperbild demaskiert die vordergründige Ästhetik26 und zeigt, was letzten Endes bleibt: eine sterbliche Hülle, dem Zerfall preisgegeben. 4. Die Macht der Suggestion in den Werbebildern Die einzelnen Ansätze der Künstler zeigen mögliche Formen der Kritik an den in der Öffentlichkeit präsentierten Körperbildern. So kann es gelingen, auf ganz subjektive Art und Weise die suggestive Wirkung der Werbebilder zu durchbrechen. Mit Hilfe von konstruierten, dekonstruierten und dekonstruierenden Bildern enttarnen Künstler unseren durch die augenscheinliche und gefällige Ästhetik so leicht verführbaren Blick auf fremde und verfremdete Körperbilder und letztlich auch den Blick auf uns selbst. Wenn sich die Kritik in erster Linie gegen die Gefälligkeit des Schönen Scheins richtet, muss in der Konsequenz auch unsere Rezeption in diese Kritik eingeschlossen werden. So lange wir unser Selbstbild den Werbekörpern anzugleichen versuchen, werden diese eine noch stärkere Macht auf uns ausüben können. Es kann nicht die Aufgabe der Kunst allein sein, diese Diskussion zu entfachen. Sie muss in weiten Bereiche der Gesellschaft weiter geführt werden. 1 Pauline Terreehorst: Ein beängstigendes Modell. Zu den neuen Fotoarbeiten von Inez van Lamsweerde, in: Kunstforum International, Bd. 132, S. 209. 2 Barbara Vinken: Puppe und Automat. das fetischistische Szenario der Modefotografie, in: Gerhard Johann Lischka (Hrsg.): Kunstkörper, Werbekörper (= Beiträge der beiden Symposien “Kunstkörper” am 2. Oktober 1999 im Kunstmuseum Bern und “Werbekörper” am 27. November 1999 im Kornhaus-Forum für Medien und Gestaltung), Köln 2000, S. 83. 3 Peter Weibel unterteilt den Prozess der Auflösung natürlicher Körperbilder in der Virtualität in vier Phasen. Vgl. Peter Weibel: Der anagrammatische Körper, in: Lischka, a.a.O., S. 36. 4 Jennifer Blessing: Rrose is a Rrose is a Rrose. Gender Performance in Photographie, in: Dies.: Rrose is a Rrose is a Rrose. Gender Performance in Photographie, Ausstellungskatalog Salomon R. Guggenheim Museum New York, 17.1. – 27.4.1997, S. 90. 5 Barbara Vinken sieht zu Recht de Vollkommenheit im Konstrukt vieler Vorbilder, a.a.O., S. 83. 6 Sybille Krämer: Körperlichkeit jenseits von Körperhermeneutik. Überlegungen zum Zusammenhang von Medien, Kulturtechniken, Kunst und Körper, in: Lischka, a.a.O., S. 54. 7 Parveen Adams: The Emptiness of the Image. Psychoanalysis and Sexual Differences, London / New York 1996, S. 144. 8 Marie-Luise Angerer: Medienkörper/Körper-Medien.: Erinnerungsspuren im Zeitalter der “digitalen Evolution”, in: Claudia Öhlschläger / Birgit Wiens: Körper – Gedächtnis – Schrift. Der Körper als Medium kultureller Erinnerung, Berlin 1997, S. 285f. 9 Pauline Terreehorst, a.a.O., S. 207. 10 Isabelle Graw: Thesen zum guten Aussehen. Fallbeispiel: Rosemarie Trockel, in: Christian Kravagna (Hrsg.): Privileg Blick. Kritik der visuellen Kultur, Berlin 1997, S. 243. 11 Philippe Dubois: Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv, übers. v. Dieter Hornig, hg. mit einem Vorwort von Herta Wolf (= Schriftenreihe zur Geschichte der Fotografie, hg. v. Herta Wolf, Bd. 1), Amsterdam / Dresden 1998, S. 29. 12 zit. nach: Pauline Terreehorst, a.a.O., S. 206. 13 Stefan Krempl: Grundlagen der Werbeforschung. Medien und Werbung. Script zum Seminar: Medientheorie und Mediengeschichte, Sommersemester 2002 im Rahmen des Moduls Medienwissenschaft am Südosteuropäischen Medienzentrum der Universität Frankfurt/Oder, in: www.viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sk/soemk/werbung.html 14 Barbara Vinken, a.a.O., S. 82. 15 Petra Löffler: Hannah Wilke, in: Uta Grosenich (Hrsg.): Women Artists. Künstlerinnen im 20. und 21. Jahrhundert, Köln 2001, S. 554. 16 ebd., S. 554. 17 Joanna Frueh: Hannah Wilke, in: Hannah Wilke. A Retrospective, Ausstellungskatalog Gallery 210, University of Missouri, St. Louis, 3. – 28.4.1989, hg. v. Thomas H. Kochheiser, Missouri 1989, S. 52. 18 ebd., S. 51. 19 Raimar Stange: Vanessa Beecroft, In: Uta Grosenick, a.a.O., S. 48. 20 Gerhard Johann Lischka: Kunstkörper – Werbekörper, in: Ders. a.a.O., S. 16. 21 Bernd Guggenberger: Werbekörper. Der Körper im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeitn, in: Lischka a.a.O., S. 117. 22 Einige Werbeagenturen gehen seit kurzen dazu über, “ganz gewöhnliche Mitmenschen” zu casten, um die Distanz zum Rezipienten zu verringern und dadurch ein größeres Identifikationspotential zu schaffen. Wer sich auf Plakatwänden wieder zu finden scheint, fühlt sich offensichtlich eher angesprochen als mit den schon fast sterilen Stereotypen überästhetisierter Körperbilder. 23 Boris von Brauchitsch: “...die Beleuchtung ist flächendeckend.” Zu den Fotografien von Thomas Ruff, in: Boris von Brauchitsch: Thomas Ruff (= Schriften zur Sammlung des Museums für Moderne Kunst Frankfurt), Frankfurt a. M. 1992, S. 16. 24 ebd., S. 16. 25 Thomas Ruff im Gespräch mit Stephan Dillemuth, in: Thomas Ruff: Andere Porträts + 3D, Ausstellungskatalog Biennale Venedig 1995,Ostfildern-Ruit 1995, S. 13. 26 Amelia Jones: Body Art / Performing the Subject, Minneapolis / London 1998, S. 187.