Reduktion der Zylinderverzüge zur Effizienzsteigerung von
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Reduktion der Zylinderverzüge zur Effizienzsteigerung von
Reduktion der Zylinderverzüge zur Effizienzsteigerung von Verbrennungsmotoren Eine numerische Potentialstudie Dipl.-Ing. (FH) T. Spitznagel, BMW Group, München; Dr.-Ing. N. Berberich, BMW Group, München; Prof. Dr.-Ing. habil. U. Gabbert, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Kurzfassung Durch die Verschraubung des Zylinderkopfs, die inhomogene Wärmedehnung des Kurbelgehäuses sowie dynamische Belastungen im Motorbetrieb kommt es zu Verformungen der Zylinderbohrungen, die sich nachteilig auf Reibung, Blow-by und Ölverbrauch des Motors auswirken können. Spezielle Honverfahren bieten die Möglichkeit, Negativkonturen in die Laufbahn einzuarbeiten, um die im Betrieb vorhandenen Zylinderverzüge zu kompensieren bzw. zu reduzieren. Anhand numerischer Untersuchungen auf Basis elastohydrodynamischer Mehrkörpersimulationen werden die Auswirkungen der Zylinderverzüge sowie die Potentiale verschiedener Bearbeitungsverfahren hinsichtlich einer Reduktion von Reibung, Blow-by und Ölverbrauch des Motors analysiert. Abstract The cylinder head bolt load, inhomogeneous thermal expansions and dynamic loads during engine operation result in cylinder liner deformations that have a negative effect on the engine’s operating characteristics. In order to reduce these deformations under working conditions, special honing processes can be used to apply a negative form to the cylinder bore, to compensate for the subsequently occurring distortions. In this paper elastohydrodynamic multi-body simulations of the piston-cylinder unit are used to analyze the effects of cylinder liner deformations as well as the potentials of various manufacturing techniques to reduce friction, blow-by and oil consumption of the engine by decreasing liner distortions. 1. Einführung Untersuchungen aktueller Fahrzeuge zeigen, dass im neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) rund 15% des gesamten Kraftstoffverbrauchs auf mechanische Reibungsverluste des Verbrennungsmotors zurückzuführen sind. Davon entfallen allein 30% auf das System Kolbengruppe/Zylinderlaufbahn, so dass eine Optimierung an dieser Stelle ein besonders hohes Potential bietet. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt der Laufbahnauslegung vor allem auf der Verbesserung der Oberflächenmikrostruktur durch neue Laufbahntechnologien und optimierte Honverfahren. Neben der Mikrostruktur hat jedoch auch die Makrokontur der Laufbahn einen wesentlichen Einfluss auf die Funktion des Kolben-Zylinder-Systems. Während die Zylinderbohrungen in der Fertigung mit Formtoleranzen von wenigen Mikrometern gehont werden, entstehen durch die Schraubenkräfte bei der Montage des Zylinderkopfs deutliche Verformungen der Laufbahn. Zusätzlich zu diesen sogenannten kaltstatischen Montageverzügen kommt es im Motorbetrieb auch zu Deformationen aufgrund der inhomogenen Wärmedehnung des Kurbelgehäuses. Diese warmstatischen Zylinderverzüge sind wegen der unterschiedlichen Wärmeeinträge aus Verbrennung und Reibung sowie des betriebspunktabhängig. zugrundeliegenden Während durch Wärmemanagements die Verschraubung des zum Motors Teil stark komplexe Verformungszustände entstehen, zeichnen sich die thermischen Verzüge in der Regel durch einfachere Formen wie einer Ovalisierung in Motorquerrichtung und einer Aufweitung im oberen Zylinderbereich aus. Allerdings können die Amplituden der Warmverformungen das drei- bis vierfache der kaltstatischen Verzüge betragen. Darüber hinaus treten im Motorbetrieb neben den statischen Verzugsanteilen auch dynamische Verformungen infolge des Verbrennungsdrucks und der seitlichen Anlagekraft des Kolbens auf, die vom Betrag aber meist die kleinsten der angesprochenen Verformungen sind. Bild 1: Normierte Zylinderverzüge des betrachteten Referenzmotors Zur näheren Untersuchung werden die Zylinderverzüge üblicherweise durch eine FourierAnalyse einzelner Höhenschnitte beschrieben. Die nullte Ordnung entspricht z.B. einer Durchmesseränderung, die zweite Ordnung einer Ovalisierung und die vierte Ordnung dem sogenannten Kleeblattverzug. Die geschilderten Ursachen führen dazu, dass die Zylinderlaufbahn als Gegenpartner zu Kolben und Kolbenringen im Betrieb deformiert ist, was sich nachteilig auf die Funktion des Kolben-Zylinder-Systems auswirkt. Die Konstruktion des Kurbelgehäuses, vom verwendeten Werkstoff über Open- bzw. CloseDeck Design, Wandstärken, Zylinderkopfverschraubung bis hin zur Motorkühlung, hat einen wesentlichen Einfluss auf die auftretenden Zylinderverzüge. Durch gezielte konstruktive Maßnahmen können die Verformungen beeinflusst und kritische Verzugsanteile höherer Fourierordnung niedrig gehalten werden. Eine vollständige Vermeidung von Verzügen ist auf konstruktivem Weg jedoch nicht möglich. Ein anderer Ansatz besteht in der Fertigung von Negativformen, zum Ausgleich der nachfolgend auftretenden Verzüge. Unter realen Betriebsbedingungen ergeben sich durch die Überlagerung der aufgebrachten Vorhaltekontur mit den Verschraubungs- und Warmverzügen geringere Abweichungen von der gewünschten Sollform. Das bekannteste Verfahren dafür ist das sogenannte Brillenhonen, bei dem während der Endbearbeitung der Zylinderbohrungen durch eine Spannplatte die Verschraubungsverzüge des Zylinderkopfs simuliert werden. Hierdurch werden kaltstatische Formabweichungen des fertig montierten Motors weitgehend vermieden. Dieses Verfahren ist im Motorsport seit längerem etabliert, findet jedoch aufgrund des hohen Fertigungsaufwands und der damit verbundenen Kosten nur langsam Einzug in die Großserie. Darüber hinaus befinden sich derzeit Formhonverfahren in der Entwicklung, die es erlauben, durch kurze, aktiv zustellbare Honleisten beliebige Vorhaltekonturen, mit denen beispielsweise auch thermische Verzüge ausgeglichen werden können, zu erzeugen [1], [2]. Die nachfolgende Potentialstudie zeigt exemplarisch die Auswirkungen von Zylinderverzügen auf Reibung, Blow-by (Leckageverluste von Verbrennungsgasen) und Ölverbrauch des Motors sowie die Funktionspotentiale durch verschiedene fertigungstechnische Lösungen. 2. Simulationsmodell Während direkte Messungen im befeuerten Motorversuch sehr zeit- und kostenintensiv sind, können moderne numerische Simulationstechniken die realen motorischen Vorgänge inzwischen mit hoher Genauigkeit abbilden. Zudem erlauben sie eine Differenzierung der unterschiedlichen Wirkmechanismen, was insbesondere für grundlegende Betrachtungen von großem Vorteil ist. Für die vorliegenden Untersuchungen kommt daher die in Bild 2 dargestellte numerische Simulationskette der iST GmbH, Aachen und des Instituts für Maschinenelemente und Konstruktionstechnik (IMK) der Universität Kassel zum Einsatz. Oberflächencharakterisierung p1 u2 u1 (Software Flowsim) p2 q Kolben-ZylinderDynamik (Software Pimo3D) KolbenringDynamik (Software Kori3D) Bild 2: Numerische Simulationskette zur Untersuchung des Kolben-Zylinder-Systems 2.1 Oberfächencharakterisierung Zur Berücksichtigung der realen Oberflächenmikrostrukturen erfolgt zunächst eine tribologische Charakterisierung der Kontaktflächen. Hierzu werden die Laufflächen der Bauteile (Zylinderlaufbahn, Kolbenhemd, Kolbenringe und Kolbenbolzen) dreidimensional vermessen und anschließend durch eine Flusssimulation die Strömungsverhältnisse infolge einer Relativbewegung der Oberflächen sowie eines äußeren Druckgradienten berechnet. Durch die ermittelten Scher- und Druckflussfaktoren kann in den nachfolgend eingesetzten Programmen der Einfluss der Oberflächenrauheit auf die Hydrodynamik in einer erweiterten Form der Reynoldsschen Differentialgleichung berücksichtigt werden. Zudem liefern die spaltweitenabhängig ermittelten Kontaktflächenanteile und Kontaktdrücke die Randbedingung zur Berechnung der Mischreibungszustände im Kontakt [3]. 2.2 Kolben-Zylinder-Dynamik Bei der Simulation der Kolbengruppe wird der Einfluss der Ringe auf die Kolbenbewegung vernachlässigt. Dadurch kann das Gesamtsystem durch zwei getrennte Simulationsmodelle beschrieben werden. Die Berechnung der reinen Kolben-Zylinder-Dynamik erfolgt durch eine elastische Mehrkörpersimulation mit elastohydrodynamischen Wechselwirkungen in den Schmierspalten. Durch Verwendung einer gemischt-statisch-modalen Strukturreduktion (ähnlich der Craig-Bampton-Methode) können komplette Arbeitsspiele in vertretbaren Rechenzeiten gelöst werden. Zur Bestimmung von Hydrodynamik und Festkörperkontakt zwischen den Bauteilen, werden die exakten Warmkonturen (wie z.B. die Zylinderverzüge) mikrometergenau abgebildet. Zusammen mit der Integration der zuvor beschriebenen Oberflächenkennwerte ermöglicht dies eine sehr genaue Beschreibung der Kontaktbedingungen im System. Neben der Kolbendynamik können damit unter anderem die Reibung zwischen Kolbenhemd und Zylinderliner sowie die akustische Anregung beim Anlagewechsel des Kolbens bestimmt werden [4]. 2.3 Kolbenring-Dynamik In einem separaten Berechnungsschritt wird das Subsystem aus Kolbenringen, Nuten und Zylinderlaufbahn simuliert, wobei die zuvor ermittelte Kolbenbewegung als Randbedingung vorgegeben wird. Die Ringe werden mit Hilfe von finiten Balkenelementen modelliert und zur Berechnung von Hydrodynamik und Festkörperkontaktanteilen an den Flanken und der Lauffläche zusätzlich mit Koppelelementen vernetzt. Dabei kommt wieder die erweiterte Reynoldssche Differentialgleichung zur Berücksichtigung der Oberflächenrauheiten zum Einsatz. Auch hier werden die relevanten Kontaktgeometrien der Ringlaufflächen und die Zylinderverzüge mikrometergenau vorgegeben. Ein wichtiger Punkt bei der Simulation der Kolbenringbewegung ist zudem die Berechnung der Gasdynamik im Ringpaket, die in Form einer Fadenströmung mit einem Labyrinth-Kapillaren-Modell beschrieben wird. Als Ergebnis liefert die Simulation Aussagen über die Bewegung der Ringe in den Nuten, die Reibung zwischen Ringen und Zylinderlaufbahn, die Blow-by-Verluste sowie die von den Kolbenringen zurückgelassene Restölfilmdicke auf dem Zylinder [5]. 2.4 Referenzmotor Als Referenzmotor der Potentialstudie dient ein aktueller 4-Zylinder-Ottomotor von BMW mit zwei Litern Hubraum und einer maximalen Leistung von 180 kW. Das Aluminiumkurbelgehäuse ist in Open-Deck-Bauweise mit Bedplate ausgeführt. Bild 3: Referenzmotor und Kurbelgehäuse Der Motor wurde im kompletten Kennfeld mit der vorgestellten Simulationskette modelliert. Bild 4 zeigt den Vergleich zwischen einer gestrippten Reibleistungsmessung und den Ergebnissen der numerischen Simulation. Insbesondere an dem Minimum der Kolbenringreibung, das sich aus dem Zusammenspiel von Hydrodynamik und Mischreibung ergibt, zeigt sich die hohe Abbildungsgenauigkeit des Modells. Anhand der berechneten und gemessenen Blow-by-Kennfelder in Bild 5 wird zudem die gute Modellqualität über den kompletten Betriebsbereich deutlich. Bild 4: Reibmoment der Kolbengruppe im geschleppten Betrieb Bild 5: Blow-by Kennfelder (bezogen auf den maximalen Messwert) 2.5 Zielgrößen Für die Simulation des realen Fahrzeugbetriebs können verschiedene Fahrzyklen herangezogen werden. Aus dem Zyklus werden unter Berücksichtigung der jeweiligen Fahrzeug-Getriebe-Kombination die Betriebspunkte des Motors ermittelt und anschließend auf wenige repräsentative Betriebszustände reduziert. Diese Punkte bilden dann die Randbedingungen für alle folgenden Variationsrechnungen und Optimierungsschritte. Zur quantitativen Beurteilung der Potentiale infolge der Reduktion von Reibungs- und Blowby-Verlusten dient der resultierende Kraftstoffverbrauch. Aus der effektiven spezifischen Arbeit und der jeweiligen Motorreibung folgt die spezifische indizierte Arbeit. Mittels eines indizierten Verbrauchskennfelds wird daraus die resultierende Kraftstoffmenge bestimmt. Zur Berücksichtigung der Blow-by-Verluste wird darüber hinaus anhand von Ladungswechselsimulationen mit der Software GT-Power ein Kennfeld berechnet, das den Einfluss von Blowby-Änderungen auf den Kraftstoffverbrauch beschreibt. Die Zylinderverformungen beeinflussen auch das effektive Spiel zwischen Kolben und Zylinderwand und damit die resultierende Akustikanregung während des Anlagewechsels des Kolbens. Um zu gewährleisten, dass durch eine Formbearbeitung keine Beeinträchtigung der Motorakustik entsteht, wird ein integrales Anregungskriterium auf Basis der Oberflächenschnellen des Zylinders abgeleitet. Da der Einfluss der Zylinderverzüge auf den Ölverbrauch primär aus der Restölfilmmenge auf der Zylinderwand resultiert, dient die von den Ringen zurückgelassene Ölfilmdicke hier direkt als Kenngröße für den Ölverbrauch. 3. Ausgleich der Verschraubungsverzüge durch Brillenhonen Zunächst wird der Ausgleich der kaltstatischen Montageverzüge durch Brillenhonen betrachtet. Werden neben der reinen Verspannung der Honbrille während der Bearbeitung alle sonstigen Einflussgrößen beibehalten, ist der Einfluss auf Reibung und Kraftstoffverbrauch gering. Es zeigt sich, dass das Gesamtsystem von Kolbengruppe und Zylinder erst auf die jeweilige Zielsetzung hin angepasst werden muss. Da der Zylinder durch die Schraubenkräfte speziell im oberen Bereich aufgeweitet wird, entsteht durch die Bearbeitung im verspannten Zustand ein geringerer Durchmesser in diesem Gebiet. In Bild 6 ist dies anhand der Mantelschnitte der resultierenden Warmverformungen dargestellt. Bild 6: Abstimmung des Nennradius beim Einsatz einer Honbrille Das geringere Kolbenspiel führt dazu, dass die Akustikanregung beim Anlagewechsel des Kolbens verbessert wird, sich im Gegenzug jedoch die Reibung des Kolbenhemds trotz der geringeren Verzüge verschlechtert. Unter der Zielsetzung der Reibungsreduktion wird daher der Zylindernennradius erhöht. Da der obere Anlagewechsel aufgrund der überlagerten Warmverformungen die Kolbenschlagsanregung dominiert, kann der Zylinderradius bei konstanter Akustikanregung entsprechend erhöht werden (Bild 7). Dadurch wird speziell im unteren Zylinderbereich, wo es im Betrieb zu sehr geringen Spaltweiten bis hin zur Überdeckung kommt, eine deutliche Reduktion der Kolbenhemdreibung erreicht. Da die Kompensation der Verschraubungsverzüge auch zu einer Reduktion der Zylinderovalität führt, wird auch eine Anpassung des Kolbenschliffbildes berücksichtigt. Der Einfluss der Ovalität ist bei der Brillenhonung jedoch eher gering. Bild 7: Auswirkung von Zylinderradius und Kolbenovalität Der zweite Effekt betrifft die Kolbenringe. Durch den Ausgleich der Verschraubungsverzüge werden besonders die Verformungen höherer Fourierordnung reduziert. Die Untersuchungen zeigen allerdings auch, dass trotz Brillenhonung, infolge von thermisch induzierten Relaxationsvorgängen, noch teilweise höherfrequente Formabweichungen im Betrieb vorhanden sind. Durch die dennoch deutlich geringeren Verzüge verbessern sich die Formfüllung und damit die Ölabstreifwirkung der Kolbenringe. Ist das vorrangige Ziel die Reduktion von Reibung und Kraftstoffverbrauch, kann die Vorspannkraft der Kolbenringe bei dem untersuchten Referenzmotor bei gleichbleibendem Ölverbrauch um 11% gesenkt werden (Bild 8). Zudem führt auch die geringere Laufbahnverformung über der Zylinderhöhe zu einer Verringerung der Ringreibung infolge des besseren hydrodynamischen Tragverhaltens. Das größere Reibungspotential resultiert jedoch erst aus der Absenkung der Ringvorspannung. Bild 8: Einfluss der Ringvorspannung auf Reibung und Ölverbrauch Zur Beurteilung des resultierenden Verbrauchspotentials, werden die Auswirkungen von Kolbenringreibung, Kolbenhemdreibung und reduzierten Blow-by-Verlusten addiert. Bei entsprechender Anpassung des Gesamtsystems resultiert daraus ein Verbrauchspotential, je nach betrachtetem Zielfahrzeug und Fahrzyklus, von 0,6 – 0,8%. 4. Ausgleich der Warmverzüge durch Freiformhonen Während durch die Brillenhonung nur die reinen Verschraubungsverzüge ausgeglichen werden können, bieten neuartige Formhonverfahren die Möglichkeit, innerhalb bestimmter Prozessgrenzen nahezu beliebige Vorhaltekonturen, auch zum Ausgleich der Warmverformungen, zu realisieren [1]. Das bedeutet, dass für einen bestimmten Betriebspunkt die Zylinderverzüge vollständig kompensiert werden, also im Betrieb eine ideale Zylinderform vorliegt. Wird der Motor in einem davon abweichenden Lastpunkt betrieben, führt dies dazu, dass höhere Verzüge nicht komplett ausgeglichen sind oder dass bei geringeren Verzügen durch einen zu starken Vorhalt noch Reste der Negativkontur zurückbleiben, was sich ebenfalls nachteilig auf die Funktion auswirkt. Es muss daher im Vorfeld die Frage geklärt werden, wie die optimale Vorhaltekontur des Motors aussieht. Die Auslegung der Form erfolgt auf Basis einer zweistufigen numerischen Optimierung. Im ersten Schritt wird der Betriebspunkt ermittelt, in dem die warmstatischen Verzüge vollständig zu kompensieren sind. Dadurch werden zum einen die typischen Betriebszustände, in denen der Motor bewegt wird und zum anderen die funktionalen Auswirkungen eines zu hohen oder zu geringen Ausgleichs berücksichtigt. In einem zweiten Schritt wird darauf aufbauend eine Formoptimierung durchgeführt, in der untersucht wird, ob eine bestimmte, von der idealen Zylinderkontur abweichende Betriebsform zusätzliche Vorteile bietet. In beiden Optimierungsphasen ist auch die Anpassung weiterer relevanter Systemparameter wie Kolbenspiel, Kolbenovalität, Ringvorspannung oder Stoßspiel der Ringe enthalten (Bild 9). Phase I Last Bestimmung des optimalen Betriebspunktes zum vollständigen Ausgleich der Warmverzüge optimale Lage zum Ausgleich der Warmverzüge zu geringer Ausgleich vollständiger Ausgleich ? inkl. Anpassung von: Kolbenspiel, Kolbenovalität, Ringvorspannung, Stoßspiel zu starker Ausgleich Drehzahl Phase II zusätzliche gezielte Formoptimierung über eine ideal zylindrische Betriebskontur hinaus A B C ? optimale Vorhaltekontur des Motors ... inkl. Anpassung von: Kolbenspiel, Kolbenovalität, Ringvorspannung, Stoßspiel Form = f (A, B, C, …) Bild 9: Vorgehensweise zur Bestimmung der optimalen Vorhaltekontur In Bild 10 sind exemplarisch die Auswirkungen einzelner Formanteile aus der zweiten Optimierungsphase dargestellt. Eine lineare Verengung über die Zylinderhöhe führt beispielsweise dazu, dass die Kolbenhemdreibung in den höher belasteten Abwärtstakten reduziert und in den Aufwärtstakten erhöht wird. An den Kolbenringen wird dieser Effekt dagegen von dem höheren Mischreibungsanteil infolge des ungünstigen Kontakts zwischen der Ringlauffläche und der schrägen Zylinderwand überlagert. Hinsichtlich der Akustikanregung wirkt sich das große Spiel im Bereich des unteren Anlagewechsels aufgrund des Restölfilmdicke kürzeren wird Körperschallwegs durch das stärkere besonders negativ Aufschwimmen der aus und auch Kolbenringe in die der Abwärtsbewegung negativ beeinflusst. Die Blow-by-Verluste werden durch die Verengung in der Phase des maximalen Verbrennungsdrucks reduziert. Erfolgt diese Verengung nicht linear über der Höhe sondern gemäß einer Exponentialfunktion, so zeigen sich grundsätzlich ähnliche Effekte. Allerdings sind die negativen Auswirkungen auf die Kolbenschlagsanregung deutlich geringer, da die Verengung sich primär auf den Bereich der Kolbenringe beschränkt und somit weniger Einfluss auf das Kolbenhemdspiel hat. Durch eine Ausbauchung in der Zylindermitte lässt sich das Spiel im Bereich hoher Kolbengeschwindigkeiten und Reibleistungen erhöhen und in den Gebieten des Anlagewechsels verringern. Den positiven Auswirkungen auf Kolbenhemdreibung und Akustik stehen jedoch Verschlechterungen von Ringreibung und Ölverbrauch gegenüber. Bild 10: Auswirkungen verschiedener Formanteile Anhand des dargestellten Ausschnitts wird deutlich, dass viele der gezeigten Effekte untereinander im Zielkonflikt stehen. Durch die Vielzahl der Variablen, die zur Beschreibung der Form und zur Systemanpassung erforderlich sind, und durch die Komplexität der Wechselwirkung ist daher eine systematische Optimierungsmethodik zur Bestimmung der optimalen Vorhaltekontur notwendig. Da die verwendete Simulationskette aufgrund der hohen Rechenzeiten keine direkten Optimierungsalgorithmen zulässt, werden stattdessen Approximationsmodelle unter Verwendung der statistischen Versuchsplanung und der multiplen Regressionsanalyse abgeleitet [6]. Anhand dieser Polynommodelle ist eine gezielte Optimierung der zu fertigenden Vorhaltekontur und der betroffenen Systemgrößen unter Berücksichtigung verschiedener Zielfunktionen und Randbedingungen möglich. Aus den Ergebnissen dieser Optimierung geht für eine entsprechend formoptimierte Laufbahnbearbeitung ein mögliches Verbrauchspotential des Referenzmotors von 1,1 – 1,5% hervor. Dieses setzt sich jeweils zu 25 - 30% aus der Reduktion der Blow-by-Verluste und Kolbenhemdreibung und zu 40 - 50% aus der reduzierten Ringreibung zusammen. 5. Zusammenfassung Die vorgestellte numerische Simulationsmethodik ermöglicht eine detaillierte Analyse des Kolben-Zylinder-Systems. Die durchgeführte Potentialstudie zeigt, dass in der Optimierung der Laufbahnmakrokontur noch ein erhebliches Funktionspotential liegt. Es wird jedoch auch deutlich, dass entsprechende Bearbeitungsverfahren nicht isoliert betrachtet werden können, sondern das Gesamtsystem stets als Ganzes abzustimmen ist. Das bereits seit längerem bekannte Brillenhonen, das zum Teil schon erfolgreich in der Serie eingesetzt wird, ist auf die Reduktion der Verschraubungsverzüge beschränkt und kann daher nicht das volle Optimierungspotential ausschöpfen. Demgegenüber bieten Verfahren zum Freiformhonen größere funktionale Freiheitsgrade. Die Herausforderungen der nächsten Zeit liegen hier in der großserientechnischen Umsetzung inklusive der Qualitätssicherung der unrunden Vorhaltekontur. Daneben ist aber auch die genaue Kenntnis der Zylinderverformungen unter repräsentativen Lastrandbedingungen eine wichtige Voraussetzung für den künftigen Erfolg solcher Verfahren. 6. Literaturangaben [1] Wiens, A. et al.: Fertigungstechnischer Ansatz zur Kompensation von Zylinderverzügen mittels Formhonen, VDI-Berichte Nr. 2109 (2010) [2] Patentschrift DE-P 10 2007 038 123 B4 [3] Lagemann, V.: Numerische Verfahren zur tribologischen Charakterisierung bearbeitungsbedingter rauher Oberflächen bei Mikrohydrodynamik und Mischreibung. Dissertation, Universität GH Kassel, 2000 [4] Lang, J. R.: Kolben-Zylinder-Dynamik – Finite Elemente Bewegungssimulation unter Berücksichtigung strukturdynamischer und elastohydrodynamischer Wechselwirkungen. Dissertation, RWTH Aachen, 1997 [5] Lechtape-Grüter, R.: Bewegungssimulation Kolbenringdynamik unter – Dreidimensionale Berücksichtigung Finite-Elemente hydrodynamischer und gasdynamischer Wechselwirkungen. Dissertation, RWTH Aachen, 1995 [6] Berberich, N. et al.: Berechnungsmethodik zur tribologischen Funktionsoptimierung im Kolben-Zylinder-System, MTZ, 70 (2009) 6 S. 488-494