Effiziente und dezentrale Lösung des Energieproblems
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Effiziente und dezentrale Lösung des Energieproblems
22 rubrikzeile Mehrmotorenanlage der Kläranlage Werdhölzli, Zürich Effiziente und dezentrale Lösung des Energieproblems Wärmekraftkopplungs-Anlagen liefern gleichzeitig Heizenergie und Strom. So erfolgt eine optimale Ausbeute aus der Primärenergie. Wirkungsgrade von über 90 Prozent sind so realisierbar. Eine Alternative, die sich offensichtlich lohnt. Text: Adrian Jaquiéry, Präsident des WKK-Fachverbandes, Liestal Allerdings sind auch einige Nachteile auszumachen, obschon nur wenige an der Anzahl: n Stromverkauf an Dritte wird meist verhindert n Ungeregelte Vergütung für die Einspeisung von Strom ins öffentliche Netz (Rücklieferzwang) n Investitionsbedarf n Stromerzeugung mit fossilen Energieträgern erzeugt CO2, aber weniger als Grosskraftwerke, dank Abwärmenutzung n Potenzial abhängig vom Wärmebedarf Boom der Kombianlagen In der Schweiz sind 844 MW elektrischer Leistung in thermischen Stromerzeugern installiert. WKK-Anlagen steuern 488 MWe bei, davon entfallen rund 30 Prozent auf Klein-WKK-Anlagen bis ein MWe und 70 Prozent auf Gross-WKK-Anlagen mit Dampfturbinen. Anfang der neunziger Jahre erlebten die Kombianlagen einen Boom: Einer Gasturbine wird ein Hochdruckabhitzekessel mit Dampfturbine nachgeschaltet. In Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA mit WKK) sind 56 MWe installiert, in Fernheizkraftwerken mit Gross-WKKAnlagen 53 MWe . 34 Prozent der eingesetzten Brennstoffe stammen aus erneuerbarer Energie – primär erneuerbare Anteile der Abfälle von Kehrichtverbrennungsanlagen und Industriebetrieben. Fünf Prozent stammen aus Biogas. Den Rest bestreitet zu einem Grossteil Erdgas. s Vorteile überwiegen die Nachteile Die Technologie der Wärmekraftkopplung wartet mit einer Vielzahl an Vorteilen auf: n Dezentrale Energieerzeugung. Die Energie wird da erzeugt, wo sie benötigt wird und wenn man sie braucht. n WKK-Anlagen eignen sich überall dort, wo gleichzeitig Wärme- und Strombedarf anfallen n WKK-Anlagen werden üblicherweise nach dem effektiven Wärmebedarf gefahren und erreichen je nach verwendetem System einen Jahreswirkungsgrad von 80 bis mehr als 90 Prozent der eingesetzten Primärenergie n Höherer Nutzungsgrad als thermische Kraftwerke, was Brennstoff (und CO2) einspart n WKK-Anlagen arbeiten wetterunabhängig, betriebssicher, ohne Strahlungsrisiken und es entstehen keine Entsorgungs- und Abfallprobleme n Wenig bis gar keinen Feinstaub, relativ tiefe Gestehungskosten und sehr kurze Bauzeit n Hohe soziale Akzeptanz n Dezentrale Einspeisung von WKK-Anlagen reduziert Übertragungsverluste im Stromnetz n WKK-Anlagen können bei Versorgungsengpässen zugeschaltet werden und bei Netzausfall als Notstromanlagen genutzt werden. intelligent bauen_September/09 Die Technologie der Wärmekraftkopplung (WKK) ermöglicht die gleichzeitige Erzeugung elektrischer und thermischer Energie. Der Strom, etwa von einem Blockheizkraftwerk (BHKW), wird wie die Wärme an Ort verbraucht oder – leider unfreiwillig häufiger – ins öffentliche Netz eingespeist. WKK wird auch als dezentrale Energieerzeugung bezeichnet. Das BHKW besteht in der Regel aus einem Gasmotor, der einen Generator antreibt. Die Abwärme des Verbrennungsmotors wird dabei gleichzeitig genutzt. Andere Antriebssysteme wie Microgasturbine, Brennstoffzelle oder Stirlingmotor drängen auf den Markt und werden sich ebenfalls behaupten. 24 wärmekraftkopplung Gas-Kombi-Kraftwerke GuD erreichen die höchsten elektrischen Nutzungsgrade, wenn die gesamte Abwärme über Kühlturm abgefahren wird. Wärmenutzung bei GuD – auch schon teilweise – senkt den elektrischen Wirkungsgrad deutlich. Diverse Einsatzmöglichkeiten Wärmekraftkopplungsanlagen erzeugen in erster Priorität Wärme für ein bestimmtes Objekt. Die produzierte Elektrizität wird im gleichen Objekt verwendet oder ins öffentliche Netz eingespeist. Das Stromerzeugungspotenzial ist deshalb durch den Wärmebedarf des zu versorgenden Objekts bestimmt. Der wesentliche Wärmebedarf besteht aus Prozess- und Raumwärme. WKK-Potenzial in der Schweiz Laut der Studie «Energieperspektiven 2035» des Bundesamtes für Energiewirtschaft (BFE) lässt sich die Stromlücke im Winter und Sommer mit WKK-Anlagen schliessen. Der Ausbau muss frühzeitig in grossem Umfang erfolgen, um die 2018 sprunghaft auftretende Lücke rechtzeitig ausfüllen zu können. Ein grosser Teil der Anlagen muss in kleinen Leistungsklassen realisiert werden. Vorausgesetzt wird eine verstärkte Förderung wie die Entlastung von der Lenkungsabgabe, Einspeisetarife und Verträge mit den Energieversorgungsunternehmen über den Zugriff auf die WKK-Anlagen-Leistung. Ferner braucht es eine funktionierende Infrastruktur für Beratung, Installation, Finanzierung, Wartung sowie Betreibermodelle. Vergleich verschiedener Systeme Im Gegensatz zu thermischen Wärmekraftwerken, die nur auf Stromproduktion ausgelegt sind, wird bei WKK-Anlagen durch die gleichzeitige Abgabe von Strom und Wärme ein sehr viel höherer Nutzungsgrad erreicht, was Brennstoff (und CO2) einspart. Im Vergleich zu den derzeit besten Technologien der getrennten Erzeugung von Strom und Wärme erzielen WKK-Anlagen Primärenergieeinsparungen von rund 10 bis 25 Prozent. Der elektrische Nutzungsgrad von WKKAnlagen steigt mit zunehmender elektrischer Leistung. Kernkraftwerke und Gaskraftwerke besitzen für ihre Leistungsklassen die tiefsten elektrischen Nutzungsgrade. Wohnbereich Im Wohnbereich sind grössere Einzelüberbauungen, benachbarte Mehrfamilienhäuser oder Einfamilienhaus-Siedlungen für den Einsatz von WKK-Anlagen geeignet. In Einzelobjekten sind, je nach Randbedingungen, Anlagen mit einer elektrischen Leistung im Bereich von 100 bis 200 kWe wirtschaftlich. Dies bedingt einen Wärmeleistungsbedarf des Objekts von 500 bis 1000 kW. Der gleichmässige Tagesverlauf des Wärmebezugs sowie eine allfällige Wassererwärmung wirken sich positiv auf die Betriebsstunden der Anlage aus. Die Wirtschaftlichkeit wird jedoch verschlechtert, wenn die gesamte Industrie Die Industrie bietet günstige Voraussetzungen für WKK-Anlagen, wenn gleichzeitig ein grosser Bedarf an Prozesswärme und Elektrizität besteht. Hohe Systemtemperaturen begünstigen Gasturbinen-Kombianlagen zur Erzeugung von Prozesswärme oder Dampf. Erschwerend wirken die meist sehr kurzen vorgegebenen Abschreibungszeiten. Wärmekraftkopplungsanlagen mit Option «Notstrom» Blockheizkraftwerke lassen sich ohne gros sen Mehraufwand auch als Netzersatzan lagen einsetzen. Eine Notkühlung muss die Wärmeabfuhr sicherstellen. Die Netzausfallerfassung ist aufgrund der Vorschriften sowieso in der BHKW-Steuerung integriert. Kälte-Wärmekraftkopplung WKK-Anlagen können auch zum Antrieb von Absorptionskältemaschinen verwendet werden. Diese überaus sinnvolle Art von Kälteerzeugung ist in vielen Gebieten Europas und auf der ganzen Welt üblich. Anstelle von Kohle- oder Atomstrom wird umweltschonendes Erdgas als Primärenergie genützt. Die Abwärme eines BHKW wird als Heizenergie für den Absorber verwendet. Die herkömmlichen Temperaturen für Heisswasser genügen für den Betrieb des Absorbers. Einige Kantone in der Schweiz verbieten Absorptionskälteanlagen, falls die Wärme aus einem mit fossiler Energie betriebenen BHKW stammt. Dadurch wird eine sinnvolle, ökologische und effiziente Art von Kälteerzeugung verhindert. n Engagement für Klein und Mikro-BHKW Europaweit beobachten wir verstärkte Aktivitäten bei Klein- und Mikro-BHKW. In verschiedenen Ländern wird diese sinnvolle Art von Ernergieerzeugung unterstützt. Laut den Energieperspektiven 2035 liegt das grösste Potenzial von WKK in der Schweiz in einem Leistungsspektrum von 1 bis 20 kW, das heisst im Einfamilien- und Mehrfamilienbereich. Einige Hersteller drängen mit neuen und innovativen Produkten auf den Markt und bereichern die Auswahl an BHKW-Systemen. Der WKK-Fachverband veranstaltet am 10. November 2009 im Technopark Zürich zu diesem Thema eine Tagung. Anerkannte Referenten informieren über die aktuelle politische Situation und geben einen Überblick über die neusten Forschungen und Entwicklungen auf dem BHKW-Markt. www.waermekraftkopplung.ch intelligent bauen_September/09 Brennstoffzelle Galileo von Hexis AG Dienstleistungsbereich Im Dienstleistungsbereich (Bürogebäude, Verwaltung, Spitäler, Schulen, Hotels usw.) können Blockheizkraftwerke je nach Randbedingungen bereits bei einem relativ kleinen Wärmeleistungsbedarf des Objekts wirtschaftlich sein, da hier der Stromverbrauch, die Leistung und die Tarife meistens recht hoch sind. produzierte Elektrizität ans Elektrizitätswerk zurückzuliefern ist, weil der Anlagenbetreiber (Hausbesitzer, Trägerschaft) juristisch eine andere Partei ist als die Strombezüger (Mieter, Stockwerkeigentümer).