Unerwünschte Wirkungen onkologischer Therapien auf

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Unerwünschte Wirkungen onkologischer Therapien auf
DIAGNOSTIK + THERAPIE
GYNÄKOLOGISCHE ONKOLOGIE
Unerwünschte Wirkungen onkologischer
Therapien auf Haut und Haare
Christian Hallermann, Hans-Joachim Schulze
Patientinnen entwickeln unter Chemotherapie in hoher Frequenz Hautveränderungen, wobei es sich zumeist um Nebenwirkungen der Therapie handelt. Für den behandelnden Onkologen ist es von Bedeutung, die häufigen Hautnebenwirkungen
von Chemotherapien zu erkennen und in ihrer Bedeutung einordnen zu können. Für ihn stellt sich die Frage, ob er die Therapie fortsetzen kann, ob die Veränderung reversibel ist oder
wie sie vermieden werden kann. Da der Patient oft stark von
diesen Nebenwirkungen beeinträchtigt wird, ist die ausführliche Aufklärung des Patienten über die Hautveränderungen notwendig. Die folgende Übersicht stellt die häufigsten Nebenwirkungen von Chemotherapien an Haut und Haaren vor.
Da es sich bei der Haut und den
Schleimhäuten um mitotisch sehr aktives Gewebe handelt, sind diese generell ausgesprochen empfindlich für
Zytostatika. Die Nebenwirkungen von
Chemotherapien an Haut und Schleimhaut sind vielfältig, weswegen die ätiologische Zuordnung unter Umständen
schwierig sein kann. Für den Kliniker
besteht die Notwendigkeit, Hautveränderungen bei Chemotherapien als
solche zu erkennen, um sie von anderen Hauterscheinungen abzugrenzen,
welche bei den oftmals schwer kranken und immunschwachen Patienten
differenzialdiagnostisch in Betracht
kommen. Hierzu zählen in erster Linie
Infektionen bei Immunschwäche,
spezifische Hautinfiltrate der
Grunderkrankung,
Folgen einer Radiatio,
Graft-versus-Host-Krankheit,
paraneoplastische Hautveränderungen und
Mangelerscheinungen infolge einer Chemotherapie/konsumierenden Erkrankung.
Nachdruck aus „Der Gynäkologe“ 40
(2007) 11, S. 861–864, mit freundlicher Genehmigung des SpringerVerlages. Copyright: Springer 2007.
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Hautnebenwirkungen von Chemotherapien sind in den meisten Fällen
nicht lebensbedrohlich, führen jedoch oft zu Leidensdruck und psychischer Belastung bei dem Betroffenen. Der betreuende Arzt muss die
Entscheidung treffen, ob er die Chemotherapie abbricht oder ob die Therapie trotz der Nebenwirkungen fortgesetzt werden kann. Im Folgenden
werden die wichtigsten Nebenwirkungen an Haut und Haaren vorgestellt.
Effluvium mit der Folge
einer Alopezie
Bei den Effluvien (s. Abb. 1) durch
Chemotherapie handelt es sich in der
Regel um einen Haarausfall ohne Vernarbung, der in ein anagenes und in
ein telogenes Effluvium unterteilt wird
(1–3).
Der physiologische Haarzyklus unterteilt sich in die Anagen-(Wachstums-)Phase, die Katagen-(Rückbildungs-)Phase und in die Telogen(Ruhe-)Phase. In der Telogenphase
löst sich der Haarschaft aus dem Follikel, also der Haarwurzel, was zu einem physiologischen Haarausfall
führt.
Abb. 1: Diffuses telogenes Effluvium
(Frühstadium) unter Mitoxantron-Therapie.
Chemotherapien können sowohl ein
Anagen- als auch ein Telogeneffluvium bewirken. Meist führt die „milde“, niedrig dosierte Chemotherapie
zu einem Telogeneffluvium, während
eine aggressivere Therapie ein Anageneffluvium oder eine Kombination
aus Anagen- und Telogeneffluvium
bewirkt. Die Unterscheidung zwischen
einem Anageneffluvium und einem
Telogeneffluvium ist dem Dermatologen durch das Trichogramm möglich.
Bei den Telogeneffluvien ist die Ruhephase pathologisch verlängert oder
vorzeitig eingeleitet. Dies führt zu einer Abnahme der Anzahl der Haare
und durch die Verkürzung der Anagenphase auch zu einem Dünner- und
Kürzerwerden der reifen Haare. Abgegrenzt werden muss dieses toxische
Telogeneffluvium von den häufigsten
anderen Ursachen eines Telogeneffluviums:
hohes Fieber,
Infektionskrankheiten,
Mangelernährung,
Zink-, Eisen-, Folsäure- und
Vitamin-B12-Mangel sowie
Entgleisung des Schilddrüsenoder Parathormonhaushaltes.
Das Anageneffluvium verläuft abrupter und schwerwiegender. Es handelt
sich vorwiegend um eine fokal betonte Alopezie, im Gegensatz zu dem
mehr diffusen telogenen Effluvium
Abb. 2: Diffuses Effluvium (fortgeschrittenes Stadium), kombiniert mit phototoxischer Dermatitis unter Vinblastin-Therapie.
(2). Die Haare fallen – unabhängig
von ihrem Entwicklungsstadium – wenige (7–10) Tage nach Einwirken der
Noxe aus, wobei die in der Telogenphase ruhenden Haare, die etwa 10%
der Kopfhaare ausmachen, zunächst
verschont werden (s. Abb. 2). Anageneffluvien sind insgesamt sehr viel
seltener als das Telogeneffluvium und
aufgrund des abrupten Einsetzens sicher dem Auslöser zuzuordnen.
Beide Formen des Effluviums sind in
der Regel nach Absetzen der Noxe reversibel. Die Ausnahme bildet das
schwere Anageneffluvium, bei dem
die Haarfollikel zugrunde gegangen
sind. Dieses kann zum Beispiel nach
Einsatz von Cyclophosphamid und Busulfan vor Knochenmarktransplantation beobachtet werden.
Effektive Therapien oder Vermeidungsstrategien sind nicht bekannt.
Einzig die Anwendung von 2% Minoxidil-Lösung während der Chemotherapie soll die Dauer der Alopezie verkürzen. Diskutiert wird, ob die Anwendung von Cool-Packs auf den behaarten Kopf während der Therapie
die Alopezie verhindert (4).
Stomatitis des Mundraums, die etwa
40% der Chemotherapiepatienten trifft
(s. Abb. 3). Die Ursache ist in der Regel die Induktion eines Zellzyklusarrestes durch das Antimitotikum, der
sich inhibierend auf ein mitotisch aktives Gewebe wie die Mundschleimhaut auswirkt. Da somit die Erneuerung der Basalzellschicht gestoppt
wird, folgt eine Atrophie bis Erosion
der Schleimhaut. Folge sind Ulzeration, Schmerz und die Xerostomie (5).
Erschwerend kommt in der Regel eine
Immunschwäche des Patienten hinzu,
die zu opportunistischen Infektionen
wie zum Beispiel Candidiasis oder Reaktivierung einer Herpes-simplex-Infektion führt. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit der oralen Nahrungsaufnahme besteht die Gefahr einer Mangelernährung. Diesem sollte der
Kliniker durch analgesierende und desinfizierende supportive lokale Maßnahmen entgegenwirken.
Hyperpigmentierungen
der Haut
Extravasate von Chemotherapeutika
(s. Abb. 4) sind nicht selten und treten bei bis zu 6% der Infusionstherapien auf. Die anfänglichen Symptome sind oft mild und bestehen aus
Missempfinden, Schwellung und Rö-
Hyperpigmentierungen der Haut, Nägel und Haare sind eine häufige Begleiterscheinung bei Chemotherapien
(s. Abb. 5). Die Ursache hierfür ist
jedoch weitestgehend unklar. Diskutiert werden eine hohe Konzentration des Chemotherapeutikums aufgrund einer Akkumulation in den ekkrinen Schweißdrüsen der Haut, eine
Pigmentinkontinenz als Folge der toxischen Epidermisschädigung oder
auch endokrinologische Veränderungen des melanozytenstimulierenden
Hormons. Derartige Veränderungen
bis hin zum Bild der so genannten
Flagellat-Dermatitis sind in der Regel harmlos und reversibel. Sie sollten dem Patienten erklärt werden, jedoch den Arzt nur in Ausnahmefällen
Abb. 4: Debridement nach Extravasat einer
CHOEP-Therapie.
Abb. 5: Flagellat-Dermatitis unter Bleomycin-Therapie.
Extravasation eines
Chemotherapeutikums
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Abb. 3: Stomatitis aphthosa unter
Docetaxel-Therapie.
tung an der Infusionsstelle. Diese
Symptome sollten immer direkt zu einer Kontrolle des Zugangs und Abbruch der Infusion führen, da schwere Komplikationen bis hin zur ausgedehnten Nekrose drohen. Die resultierenden Ulzera heilen in der Regel
schlecht und können Eintrittspforten
für opportunistische Infektionen des
immunsupprimierten Patienten darstellen. Im Extremfall erreicht die Gewebeschädigung zur Tiefe die Muskulatur, Sehnen, Nerven und Gefäße,
was zu einem möglicherweise irreversiblen Funktionsverlust der Extremität führen kann. Ein chirurgisches
Eingreifen bei Extravasation wird in
der Regel erst bei Ulzeration und ausgedehnten Nekrosen empfohlen, was
in etwa bei 5–30% der Extravasate
vorkommt (6–8).
Stomatitis
Zu sehr unangenehmen, aber häufigen
Folgen einer Chemotherapie gehört die
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zu einer Änderung des Therapieregimes veranlassen (9, 10).
Akrale Erytheme
Akrale Erytheme treten bei bis zu 40%
aller Chemotherapien auf. Sie beginnen oftmals mit palmoplantaren Missempfindungen, auf welche nach wenigen Tagen eine symmetrische
Schwellung und Rötung folgt. Bei Fortführung der Therapie können die
Symptome zunehmen und zu einer blasigen Abhebung der Epidermis führen.
Die Histologie ähnelt einer fixen toxischen Arzneireaktion mit zahlreichen Einzelzellnekrosen von Keratinozyten, einer hydropen Basalzelldegeneration und einem dermalen Ödem.
Aufgrund der starken Schmerzhaftigkeit kann eine Therapieänderung notwendig werden. Häufigste auslösende Medikamente sind Cytarabin, Doxorubicin und Fluorouracil (11, 12).
Phototoxische Reaktionen
Auf weitestgehend unbekanntem Wege können zahlreiche Chemotherapeutika eine Photosensibilisierung
bewirken (s. Abb. 2 auf S. 393). Häufigste auslösende Chemotherapeutika sind Dacarbazin, Fluorouracil und
Vinblastin (13). In Einzelfällen wurden derartige Reaktionen auch bei einer unüberschaubar großen Anzahl
verschiedenster Chemotherapeutika
beschrieben und sollten daher bei jeder Therapie Berücksichtigung finden.
In lichtexponierten Hautarealen der
Betroffenen entwickeln sich Efflores-
zenzen, die klinisch und histologisch
einem Sonnenbrand ähneln. Zu Anfang steht eine Rötung und Schwellung der Haut. Bei Progress kommen
Blasenbildung, Nässen und unter Umständen Erosionen hinzu. Die Abheilung geht oft mit postinflammatorischen Hyperpigmentierungen einher.
Die Diagnosestellung ist aufgrund der
Anamnese und der typischen Verteilung der Hautveränderungen meistens
einfach. In unklaren Fällen kann zur
Diagnosesicherung die Bestimmung
der minimalen Erythemdosis (MED)
erfolgen, die in vielen Fällen pathologisch erniedrigt ist. Bei normaler
MED kann zur Diagnosesicherung eine Photoprovokation durchgeführt
werden. Wichtig ist es, die verursachenden Medikamente während der
Testung weiterzugeben, da es ansonsten zu falsch negativen Ergebnissen kommen kann (14).
Therapeutische Maßnahmen, insbesondere die häufig angewendeten topischen Steroide, sind meist ohne Wirkung. Bei schweren Verläufen wird
das Absetzen des auslösenden Agens
notwendig. Bei jeder Chemotherapie
empfiehlt sich deshalb prophylaktisch
die Berücksichtigung eines suffizienten Lichtschutzes, der textil oder als
Creme mit hohem Lichtschutzfaktor
zur Verfügung steht.
Verstärkte Empfindlichkeit
gegenüber Strahlentherapien
Nahezu jedes Chemotherapeutikum
kann eine erhöhte Empfindlichkeit
Abb. 6: Neutrophile ekkrine Hidradenitis
unter Cyclophosphamid-Therapie.
gegenüber Strahlentherapien zur Folge haben. Die Reaktionsstärke hängt
von der Dosierung und dem zeitlichen
Zusammenhang zwischen Chemotherapie und Bestrahlung ab. Dabei setzen die für eine Strahlentherapie typischen Nebenwirkungen an der Haut
bereits bei viel niedrigerer Dosierung
der Bestrahlung ein und manifestieren sich zudem viel intensiver als gewöhnlich. Die akute Strahlendermatitis umfasst das Erythem und die Blasenbildung bis hin zur Ulzeration der
Haut. Deshalb sollte der Strahlentherapeut stets informiert sein über
vorausgegangene Chemotherapien,
um die Fraktionierung der Bestrahlung entsprechend anzupassen (15).
Neutrophile ekkrine
Hidradenitis
Die Neutrophile ekkrine Hidradenitis
(NEH, s. Abb. 6) beginnt oft unspezifisch mit einem makulösen, papulösen oder pustulösen Exanthem mit
Fieber. Eine Assoziation mit der Chemotherapie wird manchmal nicht gestellt, da die Symptome Tage bis wenige Wochen nach Beginn der Therapie und somit oft erst nach Beendi-
Abschließender Kommentar
Die Nebenwirkungen von Chemotherapien an Haut und Haar sind vielfältig. Diese Übersicht hat häufige
Nebenwirkungen dargestellt. Bei unklaren Veränderungen an Haut und
Haar während einer systemischen Chemotherapie empfiehlt sich immer eine fächerübergreifende Beurteilung
und Betreuung des Patienten, da in
vielen Fällen eine Therapie der Nebenwirkung möglich ist und so möglicherweise dem Patienten zusätzliche Folgekrankheiten erspart werden
können. Zu diesem Thema existieren
über diese Übersicht hinausgehende
Review-Artikel, von denen wir insbesondere die Arbeiten von Susser et
al. und von Bronner et al. nennen
möchten (19, 9).
DIAGNOSTIK + THERAPIE
gung des Zyklus auftreten. Die klinischen Differenzialdiagnosen sind Virusinfekte, Sepsis und Vaskulitiden.
Bei klinisch unklarem Befund bringt
die Histologie einer Gewebeprobe fast
ausnahmslos die Lösung mit Nachweis der charakteristischen Infiltrate neutrophiler Granulozyten im Bereich der ekkrinen und häufig auch
der apokrinen Schweißdrüsenazini.
Die Pathogenese ist derzeit noch ungeklärt, diskutiert wird eine toxische
Wirkung des Chemotherapeutikums
auf die tubulären Endstücke der
Schweißdrüsenazini, in denen die Medikamente akkumulieren und sezerniert werden (16–18).
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Für die Autoren
PD Dr. med.
Hans-Joachim Schulze
Leitender Arzt der Abteilung für
Dermatologie, Dermatologische
Strahlentherapie und Dermatohistologie
Fachklinik Hornheide für Erkrankungen der Haut und des Gesichts
Dorbaumstraße 300
48157 Münster
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