Audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller
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Audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller
Audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen Diplomarbeit Audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen vorgelegt von: Patrick Bruns geboren am: 28.06.1980 Mat.-Nr.: 108000221147 Arbeitseinheit Kognitions- und Umweltpsychologie Fakultät für Psychologie Ruhr-Universität Bochum 1. Gutachter: Prof. Dr. Rainer Guski 2. Gutachter/Betreuer: Dr. Stephan Getzmann Bochum, im Juni 2006 Erklärung Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. (Patrick Bruns) Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen bedanken, die in der einen oder anderen Weise ihren Anteil am Gelingen dieser Diplomarbeit hatten. Mein herzlicher Dank gilt dabei vor allem Stephan Getzmann, der es geschafft hat, mich für wahrnehmungspsychologische Fragestellungen und speziell für das Thema der vorliegenden Arbeit zu begeistern, und mir auch während der Umsetzung dieses Projekts immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Ebenfalls danken möchte ich Rainer Guski, der die Erstbegutachtung dieser Arbeit übernommen hat, sowie allen Mitarbeitern der Arbeitseinheit Kognitions- und Umweltpsychologie für die angenehme Arbeitsatmosphäre und die eine oder andere hilfreiche Anregung. Bedanken möchte ich mich auch bei allen Kommilitonen, die sich als Versuchspersonen für die Experimente im Rahmen dieser Diplomarbeit zur Verfügung gestellt haben und dadurch schließlich auch maßgeblich an der Umsetzung dieser Arbeit mitgewirkt haben. Großen Dank verdienen aber insbesondere meine Eltern Ulrike und Hans-Josef Bruns, die immer Verständnis für meine Entscheidungen gezeigt haben und mir mein Studium durch ihre Unterstützung ermöglicht haben. Schließlich mögen sich auch alle Freunde, Verwandte und Kommilitonen, die mich in der einen oder anderen Weise während der Entstehung dieser Diplomarbeit unterstützt haben, in diese Danksagung eingeschlossen fühlen. 5 Inhaltsverzeichnis 1. ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________ 8 2. EINLEITUNG/THEORETISCHER HINTERGRUND _________________________ 9 2.1 SCHEINBEWEGUNGEN IN DER VISUELLEN MODALITÄT ___________________________ 9 2.2 WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN DAS AUFTRETEN VON SCHEINBEWEGUNGEN? ____ 12 2.2.1 Interstimulus Onset Interval (ISOI) ____________________________________ 12 2.2.2 Räumliche Distanz _________________________________________________ 13 2.2.3 Intensität der Stimuli _______________________________________________ 13 2.2.4 Dauer des Aufleuchtens _____________________________________________ 14 2.2.5 Die Korteschen Gesetze _____________________________________________ 14 2.3 WIE LASSEN SICH SCHEINBEWEGUNGEN MESSEN? _____________________________ 15 2.4 SCHEINBEWEGUNGEN IN DER AUDITIVEN MODALITÄT __________________________ 17 2.5 AUDIOVISUELLE INTERAKTIONEN UND DAS PHI-PHÄNOMEN _____________________ 18 2.6 WAS BEWIRKT EIN GERÄUSCH ZWISCHEN DEN BEIDEN LICHTPUNKTEN? ____________ 21 2.6.1 Ablenkung der Aufmerksamkeit _______________________________________ 22 2.6.2 Subjektive Verkürzung gefüllter Pausen ________________________________ 23 2.6.3 Gemeinsame räumliche Repräsentation der audiovisuellen Stimuli ___________ 24 2.6.4 Die zeitliche Komponente: temporaler Ventriloquismus ____________________ 25 2.6.5 Assumption of unity: Ein kognitiver Erklärungsansatz _____________________ 26 2.7 ZIEL DER UNTERSUCHUNG _______________________________________________ 28 3. EXPERIMENT 1________________________________________________________ 29 3.1 METHODE ____________________________________________________________ 30 3.1.1 Versuchspersonen__________________________________________________ 30 3.1.2 Versuchsaufbau ___________________________________________________ 30 3.1.2.1 Apparatur_____________________________________________________ 30 3.1.2.2 Stimuli _______________________________________________________ 31 3.1.2.3 Versuchsdesign ________________________________________________ 32 3.1.3 Versuchsdurchführung ______________________________________________ 33 3.1.4 Datenauswertung und Statistik________________________________________ 35 3.2 ERGEBNISSE __________________________________________________________ 36 3.3 DISKUSSION __________________________________________________________ 40 Inhaltsverzeichnis 6 4. EXPERIMENT 2________________________________________________________ 42 4.1 METHODE ____________________________________________________________ 43 4.1.1 Versuchspersonen__________________________________________________ 43 4.1.2 Versuchsaufbau und Durchführung ____________________________________ 43 4.1.3 Datenauswertung und Statistik________________________________________ 43 4.2 ERGEBNISSE __________________________________________________________ 44 4.3 DISKUSSION __________________________________________________________ 47 5. EXPERIMENT 3________________________________________________________ 50 5.1 METHODE ____________________________________________________________ 52 5.1.1 Versuchspersonen__________________________________________________ 52 5.1.2 Versuchsaufbau ___________________________________________________ 52 5.1.3 Versuchsdurchführung, Datenauswertung und Statistik ____________________ 54 5.2 ERGEBNISSE __________________________________________________________ 54 5.3 DISKUSSION __________________________________________________________ 57 6. GESAMTDISKUSSION__________________________________________________ 61 7. LITERATUR ___________________________________________________________ 72 8. ANHANG ______________________________________________________________ 77 8.1 INSTRUKTIONEN _______________________________________________________ 77 8.2 STATISTISCHE AUSWERTUNG _____________________________________________ 79 7 Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1: SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DES VERSUCHSAUFBAUS (AUFSICHT) _______ 31 ABBILDUNG 2: SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DER VERSUCHSBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 1. _____________________________________________________________________ 34 ABBILDUNG 3: PROZENTUALE VERTEILUNG DER VIER ANTWORTKATEGORIEN IN DER KONTROLLBEDINGUNG VON EXPERIMENT 1___________________________________ 36 ABBILDUNG 4: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ IN ABHÄNGIGKEIT VOM ISOI FÜR ALLE GETESTETEN VERSUCHSBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 1._________________________________________________________ 38 ABBILDUNG 5: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ FÜR DIE EINZELNEN GERÄUSCHBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 1. __________________ 39 ABBILDUNG 6: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ IN ABHÄNGIGKEIT VOM ISOI FÜR ALLE GETESTETEN VERSUCHSBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 2._________________________________________________________ 45 ABBILDUNG 7: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ FÜR DIE EINZELNEN GERÄUSCHBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 2. __________________ 46 ABBILDUNG 8: SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DER VERSUCHSBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 3. _____________________________________________________________________ 53 ABBILDUNG 9: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ IN ABHÄNGIGKEIT VOM ISOI FÜR ALLE GETESTETEN VERSUCHSBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 3._________________________________________________________ 55 ABBILDUNG 10: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ FÜR DIE EINZELNEN GERÄUSCHBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 3. __________________ 56 8 1. Zusammenfassung Zwei benachbarte Lichtpunkte, die kurz hintereinander aufleuchten, werden typischerweise als ein Objekt (Lichtpunkt) wahrgenommen, das sich von der Position des ersten (V1) zur Position des zweiten Stimulus (V2) bewegt. Die vorliegende Arbeit untersuchte in einer Reihe von drei Experimenten, inwieweit audiovisuelle Interaktionen durch irrelevante auditive Stimuli den Eindruck einer solchen visuellen Scheinbewegung beeinflussen können. Den Teilnehmern wurden jeweils zwei visuelle Stimuli (Dauer 33 ms, Abstand 7.5°) dargeboten, die zeitlich durch Interstimulus Onset Intervalle (ISOI) von 0 bis 350 ms voneinander getrennt waren. Nach jedem Durchgang klassifizierten die Teilnehmer ihren Wahrnehmungseindruck mit Hilfe eines Kategoriensystems. In Experiment 1 erleichterte ein kurzes, klickartiges Geräusch (Dauer 5 ms), das räumlich und zeitlich genau zwischen V1 und V2 dargeboten wurde, den Eindruck einer visuellen Scheinbewegung im Vergleich zu einer Kontrollbedingung (ohne Geräuschdarbietung). Die Darbietung des Geräuschs zu einem Zeitpunkt kurz vor V1 oder kurz nach V2 sowie zeitgleich zu diesen beeinflusste das Auftreten eines Bewegungseindrucks dagegen nicht. Experiment 2 zeigte, dass dieser Erleichterungseffekt auch bei räumlich von den visuellen Stimuli entfernter Geräuschdarbietung (von 90° links) auftritt. Neben der Darbietung zeitlich zwischen V1 und V2 führte hier aber auch die zeitgleiche Darbietung mit V2 zu einer Erleichterung. Experiment 3 zeigte einen Erleichterungseffekt auch für durchgängig von Beginn von V1 bis Ende von V2 dargebotene Geräusche. Dabei spielte es keine Rolle, ob das Geräusch während der Darbietungsdauer konstant blieb, einen zusätzlichen kurzen Klicklaut aufwies, oder während des Interstimulus Intervalls (ISI) lauter wurde. Ein während des ISI leiser werdendes Geräusch veränderte den Bewegungseindruck dagegen nicht. Die Ergebnisse schließen einen Aufmerksamkeitsablenkungseffekt sowie eine zeitliche Beeinflussung der visuellen in Richtung der auditiven Stimuli (im Sinne eines temporalen Ventriloquismuseffekts) aus. Die Erleichterung der Bewegungswahrnehmung ist aber konsistent mit einer kognitiven Erklärung: Die audiovisuellen Stimuli könnten von den Teilnehmern als zusammenhängendes Ereignis im Sinne eines bewegten Objekts interpretiert worden sein. Die Diskussion der Ergebnisse erfolgt daher im Zusammenhang mit der assumption of unity als kognitivem Faktor, der eine solche Interpretation begünstigt haben könnte. Schlüsselwörter: Phi-Phänomen, visuelle Scheinbewegung, audiovisuelle Interaktion, assumption of unity, temporaler Ventriloquismus 9 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 2.1 Scheinbewegungen in der visuellen Modalität Wenn zwei benachbarte Lichtpunkte kurz nacheinander aufblitzen, sehen wir unter bestimmten Umständen eine sog. stroboskopische Bewegung (auch Scheinbewegung oder Phi-Phänomen genannt): Das Licht scheint sich von einem Ort zum anderen zu bewegen. Stroboskopisch heißen solche Bewegungen deshalb, weil der Weg der Lichtquelle nicht kontinuierlich, sondern nur unterbrochen wahrgenommen werden kann (Guski, 1996). In unserem alltäglichen Leben begegnet uns dieses Prinzip, wann immer wir das Fernsehgerät einschalten, uns einen Kinofilm anschauen oder Neon-Reklame mit sog. „Lauflichtern“ (mehrere Lampen mit konstantem Abstand zueinander werden nacheinander an- und ausgeschaltet) betrachten. Beim klassischen Kinofilm handelt es sich physikalisch auch um eine Aufeinanderfolge einzelner „Standbilder“. Solange die Distanzen zwischen korrespondierenden Teilen der aufeinander folgenden Bilder nicht zu groß oder zu klein werden, entsteht jedoch der Eindruck einer kontinuierlichen Bewegung. Als Laborphänomen waren Scheinbewegungen bereits im 19. Jahrhundert bekannt. Die erste systematische Untersuchung des Phänomens geht dabei auf Exner (1875) zurück. In einem Experiment konnte er zeigen, dass zwei räumlich getrennte elektrische Funken, die nacheinander gezündet werden, von seinen Beobachtern als ein Blitz wahrgenommen wurden, der sich kontinuierlich von der einen zur anderen Position bewegt. Dieser Effekt trat selbst bei einem sehr kurzen Interstimulus Onset Interval (ISOI) von 14 ms noch auf, einem Zeitbereich, in dem unter anderen Bedingungen die zeitlich-räumliche Reihenfolge der Stimuli nicht mehr diskriminiert werden konnte. Den Bewegungseindruck konnten die Beobachter in dieser Untersuchung also nicht aus der Tatsache erschlossen haben, dass ein Objekt (ein Funke) zuerst an einer und kurze Zeit später an einer anderen Position auftaucht. Exner (1875) argumentierte daher, dass auch eine reale Bewegung als Eigenschaft eines Objekts nicht durch das Gedächtnis aus unterschiedlichen räumlich-zeitlichen Positionen des Objekts abgeleitet wird, wie damals angenommen wurde, sondern eine eigenständige Sinnesempfindung darstellt. In Anlehnung an die Chemie war zur damaligen Zeit das 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 10 Bestreben innerhalb der Psychologie, die Basiselemente der Wahrnehmung zu identifizieren, also diejenigen sensorischen Empfindungen, die das Sinnessystem nicht aus anderen Sinnesinformationen ableiten kann. Um Bewegung als ein solches Basiselement zu etablieren, bediente sich Exner (1875) also einer Wahrnehmungstäuschung, dem Phi-Phänomen. Der damalige intellektuelle Zeitgeist entwickelte sich aber zunehmend in die Richtung, menschliche Wahrnehmung als wirklichkeitsgetreue Abbildung der Außenwelt zu verstehen (Kolers, 1972). Wahrnehmungstäuschungen passten nicht in dieses Weltbild und wurden daher nur noch wenig beachtet, so dass auch das Phi-Phänomen während der folgenden 35 Jahre wissenschaftlich in Vergessenheit geriet. Erst der viel beachtete Artikel von Wertheimer (1912) initiierte wieder größeres Interesse an dem Phänomen. Wertheimer, der in seinem Interesse für visuelle Scheinbewegungen sicherlich auch durch die mittlerweile erfolgten Erfindungen der Filmkamera und des Filmprojektors beeinflusst wurde, schildert in dem 1912 erschienenen Artikel „Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung“ mehrere Dutzend Experimente und Demonstrationen, die mit einfachsten Mitteln die Grenzen des Phi-Phänomens ausloteten und systematisch zahlreiche Hypothesen testeten. Den Versuchspersonen wurden zumeist über ein Tachistoskop zwei horizontale bzw. eine horizontale und eine vertikale Linie in Sukzession präsentiert. Mit dieser Apparatur überprüfte Wertheimer (1912) die damals zur Erklärung des Phi-Phänomens herangezogenen Theorien experimentell. So widerlegte er beispielsweise die Augenbewegungstheorie, die für das Zustandekommen von Bewegungseindrücken auf die Rolle von Augenbewegungs-Empfindungen rekurriert, indem er in einem von fünf Experimenten hierzu zeigen konnte, dass gleichzeitig mehrere Scheinbewegungen in entgegengesetzte Richtungen erzeugt werden können, was mit der Theorie nur schwer vereinbar ist. Zudem untersuchte er den Einfluss der Aufmerksamkeit auf das Auftreten von Scheinbewegungen, sowie Nacheffekte nach längerer Exposition zu einer Scheinbewegung, wie etwa eine daraufhin auftretende Bewegungswahrnehmung in entgegengesetzter Richtung. Durch sehr feinstufige Variation des ISOI beschrieb Wertheimer (1912) auch den Übergang zwischen den Wahrnehmungseindrücken einer Bewegung und zweier simultan dargebotener Reize (bei sehr kurzen ISOI) bzw. zweier sukzessiv dargebotener Reize (bei sehr langen ISOI). Gerade dieser Umstand, dass die kontinuierliche Variation eines einzigen Parameters zu qualitativ unterschiedlichen Eindrücken führen kann, veranlasste Wertheimer (1912) zu dem klassischen Credo der Gestaltpsychologie, dass das „Ganze anders ist als die Summe seiner Teile“. 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 11 Wie Kolers (1972) hervorhob, war es sicherlich ein Verdienst Wertheimers, das PhiPhänomen als Wahrnehmungsillusion nicht als Defekt des visuellen Systems aufzufassen, sondern sich seiner Bedeutung für das Verstehen der normalen Funktionsweise der Bewegungswahrnehmung bewusst zu sein. Bei geeigneter Untersuchungsanordnung könnte das visuelle System ja auch gar nicht zwischen einer tatsächlichen und einer scheinbaren Bewegung unterscheiden: Würde statt zwei räumlich getrennter alternierender Lichtquellen eine einzige Lichtquelle dargeboten, die real zwischen zwei räumlichen Positionen hinter einer Abdeckung wandert, müssten phänomenal die gleichen Ergebnisse auftreten wie beim Phi-Phänomen, obwohl wir in diesem Fall nicht von einer Wahrnehmungstäuschung sprechen könnten. In einer Welt, in der sich üblicherweise Objekte real bewegen, die auf ihrem Weg auch partiell verdeckt sein können (etwa ein Tier das hinter einem Baum herläuft), ist diese Anpassung des menschlichen Systems, hier eine Bewegung wahrzunehmen, sicherlich plausibel (Guski, 1996). Eine zentrale Aufgabe des visuellen Systems ist dabei, das Problem der Korrespondenz zu lösen, also zu entscheiden, welche Teile aufeinander folgender „Standbilder“ zum gleichen Objekt in Bewegung gehören. Im einfachsten Fall, wenn nur ein Punkt vor einem schwarzen Hintergrund dargeboten wird, gefolgt von einem identischen, etwas zur Seite verschobenen Punkt, ist dies noch unproblematisch. Wenn stattdessen aber zwei vertikal angeordnete Punkte dargeboten werden, die beide etwas nach rechts verschoben werden, hat das visuelle System theoretisch zwei Möglichkeiten, eine Bewegung zu sehen: Die Punkte könnten sich beide in der Horizontalen parallel nach rechts bewegt haben, oder diagonal in zwei sich kreuzenden Bewegungen. Tatsächlich sehen Betrachter einer solchen Anordnung aber immer zwei parallele Bewegungen. Statt wie ein Computer einfach zwei aufeinander folgende Bilder Punkt für Punkt miteinander zu vergleichen, was bei komplexeren Anordnungen ohnehin einen enormen Rechenaufwand zur Folge hätte, scheint unser Gehirn beim Herstellen von Korrespondenz also nach bestimmten Regeln vorzugehen. Ramachandran & Anstis (1986) zeigten, dass dabei bestimmte Merkmale eines Bildes eine besondere Rolle spielen, Korrespondenz vor allem zwischen Gegenden mit niedriger Ortsfrequenz (Wechsel zwischen Helligkeit und Dunkelheit) hergestellt wird. Ein weißes Quadrat beispielsweise, gefolgt von einem nach links versetzten identischen Quadrat, das schwarz gefärbt ist, und einem nach rechts versetzten weißen Kreis, führte zu einem Bewegungseindruck zwischen dem weißen Quadrat und dem Kreis, also zu einer Korrespondenz zwischen Gegenden mit gleicher Helligkeitsverteilung. Zudem zeigten Ramachandran & Anstis (1986) in einer Reihe von 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 12 Experimenten, dass das visuelle System in zweideutigen Versuchsanordnungen bevorzugt immer Bewegungen wahrnimmt, die auch in der realen Welt physikalisch möglich wären, also berücksichtigt, dass Objekte in Bewegung normalerweise nicht abrupt ihre Richtung ändern (Gesetz der Trägheit), sich als Ganzes synchron bewegen und auf ihrem Weg den Hintergrund teilweise verdecken. Daher werden auch in dem oben geschilderten Beispiel immer zwei parallele Bewegungen gesehen, da ein diagonaler, sich kreuzender Weg in der realen Welt eine Kollision der beiden Punkte zur Folge hätte. Obwohl die Anwendung dieser Regeln ein Wissen um die Gesetzmäßigkeiten der realen Welt voraussetzt, erklären Ramachandran & Anstis (1986) ihre Ergebnisse ausschließlich durch relativ frühe neuronale Verarbeitungsprozesse ohne Beteiligung höherer kognitiver Prozesse, was eine angeborene neuronale Abbildung dieser Gesetzmäßigkeiten bedeuten würde. Hierfür spricht die Schnelligkeit der Informationsverarbeitung in den geschilderten Experimenten. Eysenck & Keane (2000) diskutieren demgegenüber aber auch andere theoretische Ansätze und Befunde, die eine Beteiligung höherer kognitiver Prozesse nahe legen, und kommen zu dem Schluss, das Scheinbewegungen unter Beteiligung unterschiedlicher neuronaler Verarbeitungsstufen hervorgerufen werden können. 2.2 Welche Faktoren beeinflussen das Auftreten von Scheinbewegungen? Bereits Wertheimer (1912) zeigte, dass zwei sukzessiv an verschiedenen Orten dargebotene Lichtpunkte durch Variation eines einzigen Parameters, des ISOI, zu qualitativ unterschiedlichen Wahrnehmungseindrücken führen können. Neben dem ISOI hängt das Auftreten eines Bewegungseindrucks hierbei aber auch vom räumlichen Abstand der Punkte zueinander, der Helligkeit oder Intensität der Punkte (bzw. vom Kontrast zum Umfeld) sowie der Dauer des Aufleuchtens ab. Diese Einflussfaktoren werden in den folgenden Absätzen zunächst separat diskutiert, im Anschluss folgt eine Darstellung der Zusammenhänge zwischen diesen Faktoren, die nach Korte (1915) als die Korteschen Gesetze bezeichnet werden. 2.2.1 Interstimulus Onset Interval (ISOI) Bei systematischer Variation des ISOI werden bei sehr kurzen Zeitabständen zwischen den beiden Stimuli zwei simultane, bei sehr langen Zeitabständen zwei sukzessive Punkte 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 13 gesehen. In dem Bereich dazwischen wird ein Punkt in Bewegung gesehen. Die genauen Werte der jeweiligen ISOI hängen dabei von einer Reihe anderer Faktoren, u.a. der räumlichen Distanz und der Dauer des Aufleuchtens, ab. Auch wenn daher eine genaue Angabe des Zeitbereichs, in dem Scheinbewegungen auftreten, sicherlich nicht möglich ist, wie Kolers (1972) ausführt, so hat sich doch seit Wertheimer (1912) in vielen Untersuchungen der Bereich um 60 ms ISOI als optimal erwiesen. Auch in einer neueren Untersuchung von Strybel et al. (1990), in der sowohl das ISOI als auch die räumliche Distanz systematisch variiert wurde, traten Scheinbewegungen überwiegend im Bereich von 45 – 130 ms ISOI auf. Bei sehr kleinen räumlichen Abständen von 2° Sehwinkel oder kleiner verlagerte sich dieser Bereich auf 20 – 75 ms ISOI. 2.2.2 Räumliche Distanz Durch kontinuierliche Variation des räumlichen Abstands der beiden Stimuli lassen sich unter bestimmten Helligkeits- und Zeitbedingungen ebenfalls drei qualitativ verschiedene Eindrücke erzeugen: Bei sehr geringem Abstand kann logischerweise keine Bewegung, sondern allenfalls ein „Hin- und Herwackeln“ gesehen werden, bei mittlerem Abstand entsteht der Eindruck einer Scheinbewegung, und bei großem Abstand der eines getrennten Aufleuchtens zweier Punkte. In der Untersuchung von Strybel et al. (1990) wurde die räumliche Distanz systematisch zwischen 0.5° und 80° Sehwinkel variiert, wobei Scheinbewegungen bei allen getesteten Abständen auftraten, bei Distanzen von mehr als 20° Sehwinkel allerdings nur noch in weniger als 50 Prozent der Fälle. Entscheidend für den Bewegungseindruck war dabei, ob die beiden Stimuli nur die Fovea (bei Abständen von 2° oder weniger) oder auch andere Teile der Retina (bei größeren Abständen) stimulierten. Wenn lediglich die Fovea stimuliert wurde, waren kürzere ISOI als bei größeren Abständen nötig, um den Eindruck einer Bewegung hervorzurufen. Generell verbesserte sich der Bewegungseindruck bei kleineren räumlichen Distanzen. 2.2.3 Intensität der Stimuli Der Bereich der Intensität (bzw. Helligkeit) der beiden Stimuli, in dem Scheinbewegungen auftreten können, wird nach unten durch die Wahrnehmungsschwelle und nach oben durch das Blendung verursachende Maximum begrenzt. Werden alle anderen Parameter konstant gehalten, führt nach Koffka (1931) eine Verstärkung der Intensität zu einer Abschwächung des Bewegungseindrucks in Richtung des Eindrucks zweier sukzessiv aufleuchtender 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 14 Objekte, eine Abschwächung der Intensität hat dagegen eine Stärkung des Eindrucks zweier simultan aufleuchtender Objekte zur Folge. 2.2.4 Dauer des Aufleuchtens Eine Veränderung der Darbietungsdauer der einzelnen Stimuli hat nach Koffka (1931) ähnliche Effekte wie eine Veränderung des ISOI. Bei sehr kurzer und sehr langer Dauer des Aufleuchtens tritt der Bewegungseindruck zurück, und es entsteht der Eindruck zweier simultan bzw. sukzessiv dargebotener Punkte, optimal für die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen erscheint eine Darbietungsdauer von etwa 50 ms (Strybel & Vatakis, 2004). Der Einfluss der Darbietungsdauer auf die Bewegungswahrnehmung ist dabei allerdings bei weitem nicht so stark wie der Einfluss des ISOI (Koffka, 1931). 2.2.5 Die Korteschen Gesetze Korte (1915) untersuchte als erster systematisch das Zusammenwirken dieser Faktoren, indem er bei Konstanthaltung eines Parameters die Auswirkungen kontinuierlicher Änderungen der anderen Parameter auf den Bewegungseindruck überprüfte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden als die Korteschen Gesetze bezeichnet und üblicherweise wie bei Kolers (1972) in drei Regeln zusammengefasst: 1. Bei konstantem ISOI sind räumliche Distanz (S) und Intensität (I) in gleicher Richtung miteinander verknüpft: S ~ I und I ~ S. 2. Bei konstanter räumlicher Distanz sind ISOI und Intensität in entgegengesetzter Richtung miteinander verknüpft: I ~ 1/ISOI und ISOI ~ 1/I. 3. Bei konstanter Intensität sind ISOI und räumliche Distanz in gleicher Richtung miteinander verknüpft: ISOI ~ S und S ~ ISOI. Die Darbietungsdauer der Stimuli wird bei dieser Darstellung nicht berücksichtigt, Korte (1915) hatte aber gezeigt, dass eine Änderung der Darbietungsdauer zwar weniger stark, aber in gleicher Weise wie eine Änderung des ISOI wirkt. Selbst hatte er aber zumeist die Gesamtlänge eines Versuchsdurchgangs (Darbietungsdauer + ISOI) variiert. Die drei Regeln implizieren, dass Scheinbewegungen nur bei bestimmten Werten der drei Variablen auftreten. Die erste und dritte Regel beinhalten, dass das Objekt mit einer konstanten Geschwindigkeit wahrgenommen wird, und die zweite Regel beinhaltet, dass das visuelle System eine bestimmte Zeitdauer (ein bestimmtes ISOI) benötigt, um die Wahrnehmung einer Bewegung über eine gegebene Distanz zu verarbeiten. Bereits Neuhaus (1930) stellte die 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 15 Allgemeingültigkeit dieser Regeln in Frage. Er konnte zeigen, dass der Eindruck einer Bewegung innerhalb relativ weiter Grenzen auch dann erhalten bleibt, wenn die räumliche Distanz vergrößert wird, ohne gleichzeitig das ISOI zu verlängern, was bei strenger Auslegung mit der dritten Regel nicht vereinbar ist. Auch Koffka (1931) nennt eine Reihe von Einschränkungen der Korteschen Gesetze. Dennoch sind die von Korte (1915) geschilderten Zusammenhänge zwischen den Variablen bei weniger strenger Auslegung der Regeln durchaus zutreffend. So fanden beispielsweise Strybel et al. (1990), dass bei räumlichen Distanzen von 2° Sehwinkel oder kleiner kürzere ISOI zum Wahrnehmen einer Scheinbewegung benötigt werden als bei größeren Distanzen. Der Zusammenhang zwischen ISOI und Distanz stellte sich in dieser Untersuchung allerdings nicht – wie von Korte (1915) angenommen – als linear heraus, entscheidend schien hier nur, ob die Darbietung ausschließlich die Fovea oder auch andere Teile der Retina stimulierte. 2.3 Wie lassen sich Scheinbewegungen messen? Beim Phi-Phänomen handelt es sich um den subjektiven Wahrnehmungseindruck einer Bewegung beim Betrachten zweier (oder mehrerer) stationärer Objekte. Diesem Umstand trug Wertheimer (1912) in seiner Untersuchung des Phänomens Rechnung, indem er seine Versuchspersonen nach jeder Darbietung einfach verbal beschreiben ließ, was sie sahen. Dieser phänomenale Zugang ermöglichte ihm, durch kontinuierliche Variation des ISOI insbesondere den Übergang zwischen dem Eindruck einer Bewegung und den Eindrücken zweier simultan bzw. sukzessiv aufleuchtender stationärer Objekte genau zu untersuchen. In diesen Übergangsbereichen beschrieben die Versuchspersonen häufig den Eindruck einer unterbrochenen, ruckartigen Bewegung, wobei sich dieser Eindruck auch qualitativ von dem einer glatten, kontinuierlichen Bewegung unterschied. Wertheimer (1912) grenzte von diesem „optimalen Bewegungseindruck“ zwei Arten unterbrochener, ruckartiger Bewegungseindrücke ab: je nachdem, ob seine Versuchspersonen eine Bewegung beider Objekte oder nur eines der beiden beschrieben, sprach er im ersten Fall von Teilbewegung, im zweiten von Singularbewegung. Wie Sekuler (1996) hervorhob, stellen diese Beobachtungen Wertheimers (1912) ein Problem für die Quantifizierung des Phi-Phänomens durch psychophysikalische Methoden dar: Eine Quantifizierung erfordert eine Einteilung des Wahrnehmungseindrucks in Kategorien, werden die Versuchspersonen aber einfach gebeten, 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 16 nach jeder Darbietung anzugeben, ob sie eine Bewegung gesehen haben oder nicht, führt dies zu einer Verwischung qualitativ unterschiedlicher Phänomene. Ein geeignetes System von Antwortkategorien sollte daher in der Lage sein, bei möglichst geringer Komplexität die von Wertheimer (1912) beschriebenen qualitativ unterschiedlichen Wahrnehmungseindrücke abzubilden. Briggs & Perrott (1972) entwickelten zunächst zur Untersuchung von Scheinbewegungen in der auditiven Modalität ein System von fünf Antwortkategorien, das sich in der Folge in zahlreichen Untersuchungen des Phi-Phänomens sowohl in der visuellen als auch in der auditiven Modalität bewährt hat (z.B. Perrott, 1974; Strybel et al., 1990; Strybel & Menges, 1998; Strybel & Vatakis, 2004). Die Versuchspersonen sollten dabei in der von Strybel et al. (1990) zur Untersuchung visueller Scheinbewegungen angepassten Version nach jeder Darbietung ihren Wahrnehmungseindruck einer der folgenden Kategorien zuordnen: 1. „Single“ – ein einzelnes Licht wird gesehen, ohne dass eine Bewegung wahrgenommen wird. 2. „Simultaneous“ – zwei Lichter werden gleichzeitig gesehen, ohne Bewegung zwischen beiden. 3. „Continuous motion“ – ein Licht bewegt sich kontinuierlich von der einen zur anderen Seite. 4. „Broken motion“ – ein Licht bewegt sich in einer unterbrochenen, ruckartigen Bewegung von der einen zur anderen Seite. 5. „Succession“ – zwei Lichter werden nacheinander wahrgenommen, ohne Bewegung zwischen beiden. Im Gegensatz zur auditiven Modalität wurde in der Untersuchung von Strybel et al. (1990) die Kategorie „Single“ von keiner Versuchsperson zur Beschreibung visueller Scheinbewegungen verwendet, obwohl teilweise sehr kleine räumliche Distanzen von 0.5° Sehwinkel zwischen den beiden Stimuli verwendet wurden. Zur Untersuchung des PhiPhänomens in der visuellen Modalität erscheint daher eine Reduzierung auf die restlichen vier Kategorien sinnvoll. Die Kategorien „Simultan“ und „Sukzessiv“ bilden dabei die beiden qualitativen Zustände ab, bei denen keine Bewegung wahrgenommen wird, den Versuchspersonen wird aber zusätzlich die Möglichkeit gegeben, den Eindruck einer Bewegung in den einer „kontinuierliche Bewegung“ sowie einer „gebrochene Bewegung“ zu differenzieren, wobei unter letzterer die von Wertheimer (1912) beschriebenen Singular- und Teilbewegungseindrücke zusammengefasst werden. Die genannten Kategorien bieten somit 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 17 eine Möglichkeit der Quantifizierung visueller Scheinbewegungen, die dem Phänomen bei kleinstmöglicher Kategorienzahl gerecht wird. 2.4 Scheinbewegungen in der auditiven Modalität Bereits 1917 demonstrierte Burtt, dass Scheinbewegungen nicht nur visuell, sondern auch in der auditiven und taktilen Modalität erzeugt werden können (Burtt, 1917a, 1917b). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit audiovisuellen Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen, daher soll an dieser Stelle nur kurz auf einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Phi-Phänomens in der auditiven und visuellen Modalität eingegangen werden. Burtt (1917a) zeigte, dass durch sukzessive Darbietung zweier räumlich getrennter auditiver Stimuli analog zur visuellen Modalität unter bestimmten Umständen der Eindruck eines Objektes in Bewegung entsteht, wobei bei einer Verkleinerung bzw. Vergrößerung des ISOI der Bewegungseindruck ebenfalls dem Eindruck zweier stationärer simultan bzw. sukzessiv dargebotener Schallquellen wich. Im Übergangsbereich von Bewegung zu Sukzession beschrieb Burtt (1917a) ebenfalls das Auftreten von unterbrochenen, ruckartigen Bewegungen, ähnlich wie Wertheimer (1912) diese Zwischenstadien in der visuellen Modalität beschrieben hatte. Die Illusion einer Bewegung lässt sich unter FreifeldBedingungen sowohl binaural als auch monaural erzeugen (Strybel et al., 1989) und tritt auch bei dichotischer Kopfhörerdarbietung auf (Briggs & Perrott, 1972). Neben diesen grundlegenden Gemeinsamkeiten gibt es aber auch einige Unterschiede bei den Bedingungen für das Auftreten von Scheinbewegungen in beiden Modalitäten. Strybel et al. (1990) untersuchten in einer Reihe von drei Experimenten unter vergleichbaren Bedingungen den Einfluss des ISOI und der räumlichen Distanz der Stimuli auf auditive und visuelle Scheinbewegungen. Auditive Scheinbewegungen traten (bei gleicher räumlicher Distanz) bei kleineren ISOI auf als in der visuellen Modalität. Zudem war der Bereich der ISOI, innerhalb dessen Scheinbewegungen auftraten, mit 20 – 45 ms schmaler und im Gegensatz zur visuellen Modalität völlig unabhängig von der räumlichen Distanz der Stimuli zueinander. Das dritte Kortesche Gesetz, wonach eine Vergrößerung der räumlichen Distanz durch eine 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 18 Vergrößerung des ISOI kompensiert werden muss, um den Bewegungseindruck aufrecht zu erhalten, scheint demnach nicht auf die auditive Modalität übertragbar zu sein. Wird Distanz allerdings als Distanz auf dem Rezeptororgan definiert, wie bei Strybel & Menges (1998), finden sich durchaus Hinweise für die Gültigkeit des dritten Korteschen Gesetzes. Strybel & Menges (1998) zeigten, dass auch zwischen zwei räumlich getrennten Sinustönen mit unterschiedlicher Frequenz ein Bewegungseindruck auftreten kann, wobei eine Vergrößerung des Frequenzabstands durch eine Vergrößerung des ISOI kompensiert werden muss, um den Bewegungseindruck zu erhalten. Zudem fand Lakatos (1993) bei einer anderen Versuchsanordnung auch Hinweise für einen direkten Zusammenhang zwischen räumlicher Distanz und ISOI. Da die anderen von Korte (1915) geschilderten Zusammenhänge zwischen ISOI, räumlicher Distanz, Darbietungsdauer und Intensität auch auf die auditive Modalität übertragbar sind (z.B. Briggs & Perrott, 1972; Strybel et al., 1992; Span & Strybel, 1999), scheinen die Korteschen Gesetze also durchaus modalitätsübergreifend anwendbar zu sein. 2.5 Audiovisuelle Interaktionen und das Phi-Phänomen Die im vorangehenden Abschnitt geschilderten Gemeinsamkeiten des Phi-Phänomens in der visuellen und auditiven Modalität sprechen für ein gemeinsames, modalitätsübergreifendes Verarbeitungsprinzip bei der Wahrnehmung von Scheinbewegungen. Im Gegensatz zu Laboruntersuchungen begegnen uns Bewegungen im Alltag in der Regel ja auch nicht unisondern multimodal, wir sehen beispielsweise ein Tier in Bewegung und hören gleichzeitig die dabei verursachten Geräusche. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit das Auftreten von Scheinbewegungen in einer Sinnesmodalität durch Darbietung von Stimuli in einer anderen Modalität beeinflusst werden kann. Der Großteil der wissenschaftlichen Forschung hierzu bezieht sich dabei auf audiovisuelle Interaktionen. Bereits Zietz & Werner (1928) zeigten bei tachistoskopischer Darbietung zweier visueller Stimuli eine Zunahme des Bewegungseindrucks, wenn zusätzlich ein gleichmäßiger auditiver Klopfrhythmus dargeboten wurde. Ein unregelmäßiger Rhythmus verschlechterte dagegen den Bewegungseindruck. Darüber hinausgehend beschreiben Zapparoli & Reatto (1969) das Auftreten multimodaler Scheinbewegungen. Bei sukzessiver Darbietung eines visuellen und eines davon räumlich getrennten auditiven Stimulus sahen die Versuchsteilnehmer dieser 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 19 Untersuchung häufig eine Bewegung eines Objekts zwischen den beiden Positionen, das als „klingendes Licht“ oder „leuchtendes Geräusch“ beschrieben wurde. Auch die zeitgleiche Darbietung einer visuellen und einer auditiven Scheinbewegung löste ein Verschmelzen der beiden Sinnesmodalitäten zu einem Objekt mit visuellen und auditiven Eigenschaften aus, eine quantitative Veränderung des Bewegungseindrucks wurde dabei jedoch nicht berichtet. Spätere systematischere Untersuchungen konnten diese Effekte jedoch nicht bestätigen. Staal & Donderi (1983) maßen die obere Schwelle des ISOI, bei dem noch eine visuelle Scheinbewegung wahrgenommen wird, wobei im Vergleich zu einer rein visuellen Bedingung zeitgleich mit den beiden visuellen Stimuli zwei auditive Stimuli präsentiert wurden, die entweder räumlich kompatibel oder inkompatibel in Bezug auf die Richtung der visuellen Scheinbewegung sein konnten. Multimodale Bewegungseindrücke i.S. von Zapparoli & Reatto (1969) traten dabei nicht auf. Zudem senkten die beiden bimodalen Bedingungen die obere Grenze des ISOI, bei dem visuelle Scheinbewegungen in den Sukzessionseindruck übergingen, im Vergleich zur unimodalen Bedingung signifikant. Dabei senkte die räumlich kompatible Bedingung diese Grenze weiter als die inkompatible. Auch Allen & Kolers (1981) konnten die phänomenologischen Befunde von Zapparoli & Reatto (1969) trotz vergleichbarer Versuchsbedingungen nicht replizieren. Als Erklärung für die dort geschilderten multimodalen Bewegungseindrücke diskutierten sie das Auftreten von GammaBewegungseindrücken beim Einschalten einer Lampe im Dunkeln sowie durch die Untersuchungsmethode bedingte subjektive Interpretationen der Versuchspersonen. In einem zweiten Experiment fanden Allen & Kolers (1981) allerdings auch keinen Unterschied zwischen den beiden von Staal & Donderi (1983) verwendeten bimodalen Versuchsbedingungen und einer rein visuellen Kontrollbedingung, sowohl in Bezug auf die Obergrenze des ISOI als auch in der Häufigkeit des Auftretens von Scheinbewegungen insgesamt. Auch die Darbietung von nur einem auditiven Stimulus, der zeitgleich und räumlich kompatibel oder inkompatibel zum ersten oder zweiten visuellen Stimulus dargeboten wurde, wirkte sich auf diese beiden Parameter nicht signifikant aus. Allen & Kolers (1981) zeigten aber auch, dass auditive Scheinbewegungen im Vergleich zu einer unimodalen Kontrollbedingung signifikant häufiger und bei längeren ISOI auftreten, wenn zeitgleich mit dem ersten auditiven Reiz ein visueller Stimulus präsentiert wird, und zwar unabhängig davon, ob dieser räumlich kompatibel oder inkompatibel dargeboten wird. Während ein einzelner visueller Stimulus also einen Einfluss auf die Wahrnehmung auditiver 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 20 Scheinbewegungen hatte, wirkte sich in der Untersuchung von Allen & Kolers (1981) umgekehrt ein einzelner auditiver Reiz nicht auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen aus. Ein möglicher Erklärungsansatz für diese Asymmetrie zwischen den beiden Modalitäten liegt in der unterschiedliche Verarbeitungsgeschwindigkeit des visuellen und auditiven Systems. Hershenson (1962) demonstrierte, dass die einfache Reaktionszeit auf auditive Stimuli kürzer ist als auf visuelle Stimuli. Bei audiovisueller Darbietung beider Stimuli verkürzte sich zudem die Reaktionszeit im Vergleich zur unimodalen Reaktionszeitmessung. Entscheidend für diesen Effekt war dabei allerdings die Wahl des Zeitpunkts der beiden Reize, die Beschleunigung der Reaktionszeit trat nur auf, wenn der auditive Reiz gegenüber dem visuellen Reiz um die Reaktionszeitdifferenz zwischen beiden Modalitäten verzögert dargeboten wurde. Demnach müsste der auditive Reiz kurz nach dem ersten visuellen Reiz präsentiert werden, um auf der neuronalen Verarbeitungsebene zeitlich äquivalente Bedingungen zu dem von Allen & Kolers (1981) in der auditiven Modalität gefundenen Effekt herzustellen. Diesen Ansatz verfolgte Ohmura (1987), allerdings hatte auch hier ein um die Reaktionszeitdifferenz zwischen beiden Modalitäten verzögert dargebotener auditiver Reiz keinen Effekt auf die Wahrnehmung einer visuellen Scheinbewegung. Als Erklärung für die damit weiterhin bestehende Asymmetrie des Effekts zwischen auditiver und visueller Modalität diskutiert Ohmura (1987) die Dominanz des visuellen über das auditive System. Demnach ist der Eindruck einer Scheinbewegung visuell stabiler als in anderen Sinnesmodalitäten und lässt sich durch Informationen aus anderen Sinnessystemen weniger leicht beeinflussen. Diese Einschätzung wird auch durch eine neuere Untersuchung von Strybel & Vatakis (2004) gestützt, bei der zeitgleich auditiv und visuell eine Scheinbewegung induziert wurde, wobei die beiden Bewegungen in gleicher oder in entgegengesetzter Richtung laufen konnten. Die Versuchsteilnehmer sollten dabei jeweils für eine Zielmodalität angeben, ob sie eine Scheinbewegung wahrnahmen und in welche Richtung (links-rechts bzw. rechts-links) diese läuft. Die visuellen Bewegungsrichtung, Distraktoren die auditiven störten aber dabei nicht die die Beurteilung der auditiven Beurteilung der visuellen Bewegungsrichtung. Auch eine Untersuchung von Soto-Faraco et al. (2002) bestätigte diesen Befund. Entscheidend für das Auftreten dieses Effekts ist dabei die räumliche Korrespondenz von visuellen und auditiven Stimuli. Ist die auditive Bewegungstrajektorie sehr viel länger als die visuelle, wird die multisensorische Integration erschwert, Beobachter können in diesem Fall auch bei visuellen Distraktoren problemlos die Bewegungsrichtung einer auditiven 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 21 Scheinbewegung diskriminieren (Soto-Faraco et al., 2005). Strybel & Vatakis (2004) fanden außerdem eine Akzentuierung des visuellen Bewegungseindrucks durch die auditiven Distraktoren in dem Bereich des ISOI, in dem Scheinbewegungen auch bei unimodaler Darbietung ohnehin häufig auftraten (um 60 ms ISOI). Hier nahm die Häufigkeit des Bewegungseindrucks zu, die obere Schwelle des ISOI, bis zu der Scheinbewegungen wahrgenommen wurden, senkte sich aber – analog zu den Ergebnissen von Staal & Donderi (1983) – im Vergleich zur unimodalen Darbietung. In Bezug auf diesen Parameter zeigte sich also auch hier keine Verbesserung des visuellen Bewegungseindrucks durch auditive Stimuli. 2.6 Was bewirkt ein Geräusch zwischen den beiden Lichtpunkten? Der Einfluss auditiver Stimuli auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen wird üblicherweise durch Darbietung eines oder zweier auditiver Reize untersucht, die zeitgleich zu den beiden visuellen Stimuli und an deren räumliche Positionen gekoppelt präsentiert werden (z.B. Zapparoli & Reatto, 1969; Allen & Kolers, 1981; Staal & Donderi, 1983; Strybel & Vatakis, 2004), wobei in Bezug auf die Zeitgleichheit von auditiven und visuellen Stimuli auch die unterschiedliche Verarbeitungsgeschwindigkeit der beiden Modalitäten berücksichtigt wurde (z.B. Ohmura, 1987). Wie im vorangehenden Abschnitt diskutiert, führt eine solche räumlich-zeitliche Anordnung der Stimuli im Allgemeinen zu gleichen Ergebnissen wie eine rein visuelle Darbietung (Allen & Kolers, 1981; Ohmura, 1987), bei zwei auditiven Reizen bisweilen auch zu einer Hemmung des Bewegungseindrucks in Bezug auf die obere Schwelle des ISOI, bis zu der eine Scheinbewegung wahrgenommen wird (Staal & Donderi, 1983; Strybel & Vatakis, 2004). Getzmann (persönliche Mitteilung) fand dagegen im Rahmen einer unveröffentlichten Untersuchung aus dem Jahr 2002 Hinweise auf eine deutliche Erleichterung des Bewegungseindrucks bei längeren ISOI, wenn ein auditiver Reiz sowohl zeitlich als auch räumlich genau zwischen den beiden visuellen Reizen dargeboten wird. Bei dem auditiven Reiz handelte es sich um ein kurzes, klickartiges Geräusch. Diese Anordnung der Stimuli führte auch bei einem ISOI von 166 ms noch in über 90% der Fälle zum Eindruck einer Scheinbewegung, wohingegen in der rein visuellen Kontrollbedingung hier bereits nur noch in weniger als 60% der Fälle ein Bewegungseindruck auftrat. Beim nächst höheren ISOI von 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 22 300 ms ging der Bewegungseindruck hier bereits fast ganz verloren (weniger als 5% der Fälle), ein Geräusch zwischen den beiden visuellen Stimuli löste dagegen immer noch in etwa 20% der Fälle einen Bewegungseindruck aus. Auf Grund fehlender Darbietungen zwischen 166 und 300 ms ISOI konnte der zeitliche Verlauf des Effekts in diesem Bereich aber nicht näher beschrieben werden. Zwei auditive Reize, die zeitlich und räumlich an die beiden visuellen Reize gekoppelt dargeboten wurden, führten dagegen auch in dieser Untersuchung zu einer Abnahme des Bewegungseindrucks bei längeren ISOI, und zwar sowohl bei kompatibler als auch bei inkompatibler Darbietung in Bezug auf die visuelle Bewegungsrichtung. Der von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebene Effekt eines auditiven Reizes zwischen den beiden Lichtpunkten verdient insofern besondere Beachtung, als diese räumlich-zeitliche Anordnung der Stimuli erstmals Hinweise auf eine mögliche Erleichterung des visuellen Bewegungseindrucks durch auditive Stimuli bei längeren ISOI lieferte. Im Folgenden sollen zunächst einige mögliche Erklärungsansätze für diesen Effekt besprochen werden. 2.6.1 Ablenkung der Aufmerksamkeit Untersuchungen zu audiovisuellen Interaktionen bei der Verarbeitung visueller Stimuli deuten darauf hin, dass ein auditiver Reiz einen Teil der Aufmerksamkeit von der visuellen Darbietung ablenken und damit zu einer reduzierten kognitiven Verarbeitung der visuell dargebotenen Information führen kann (Massaro & Warner, 1977; Tellinghuisen & Nowak, 2003). Bezogen auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen könnte auch hier ein zusätzlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich lenken und somit zu einer verminderten Verarbeitung der visuellen Information (insbesondere des Zeitintervalls zwischen den Lichtpunkten) führen, und dadurch das Auftreten einer Scheinbewegung begünstigen. Die von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebene Untersuchung könnte auf Grund einiger methodischer Schwächen gerade einen solchen Aufmerksamkeitseffekt begünstigt haben, da innerhalb eines Versuchsblocks gemischt Darbietungen mit einem und zwei auditiven Reizen erfolgten. Durchgänge mit einem auditiven Reiz kamen dabei deutlich seltener vor als Durchgänge mit zwei auditiven Reizen. Auf Grund eines „Überraschungseffekts“ durch das seltene Ereignis könnte so die Aufmerksamkeit in den Durchgängen mit nur einem auditiven Reiz abgelenkt worden sein. Außerdem war das einzelne Geräusch in der Mitte bedingt durch die 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 23 Stereodarbietung auch lauter als die beiden Geräusche in den anderen Versuchsbedingungen, die jeweils nur über einen Lautsprecher dargeboten wurden. Daher könnte im Kontrast zu den anderen Versuchsbedingungen gerade das Geräusch in der Mitte besondere Salienz erlangt haben und durch Ablenkung der Aufmerksamkeit die Erleichterung der Bewegungswahrnehmung verursacht haben. 2.6.2 Subjektive Verkürzung gefüllter Pausen Guski & Troje (2003) berichten im Rahmen einer Untersuchung zur audiovisuellen phänomenalen Kausalität eine subjektive Verkürzung gefüllter Pausen. Bei Darbietung bewegter zweidimensionaler geometrischer Objekte stellen Beobachter üblicherweise einen kausalen Zusammenhang zum Start einer Bewegung her, wenn unmittelbar zuvor ein anderes Objekt direkt vor dem Zielobjekt zum Stillstand kommt. Dieser als phänomenale Kausalität bezeichnete Effekt lässt deutlich nach, wenn das Zielobjekt erst nach einer Verzögerung in Bewegung versetzt wird (Scholl & Tremoulet, 2000). Guski & Troje (2003) konnten zeigen, dass ein während der Verzögerung dargebotener auditiver Stimulus auch noch bei größerer Verzögerung den Kausalitätseindruck aufrechterhält. In ihrem Experiment 3 demonstrierten sie, dass für diesen Effekt zumindest teilweise eine subjektiv verkürzte Wahrnehmung des Verzögerungsintervalls zwischen den beiden Bewegungen durch das Geräusch verantwortlich ist. Im Vergleich zu einem ungefüllten Intervall von 200 ms verkürzte ein zusätzlich dargebotener auditiver Reiz die subjektiv empfundene Zeitdauer um etwa 60 ms. Analog hierzu könnte auch ein zwischen dem Aufleuchten zweier Lichtpunkte dargebotenes Geräusch zu einer verkürzten subjektiven Wahrnehmung des ISOI führen und dadurch bei längeren ISOI den Eindruck einer visuellen Scheinbewegung aufrechterhalten, da das subjektiv verkürzte ISOI dann wieder in den für die Bewegungswahrnehmung günstigen Bereich fallen würde. Relevant für diese Überlegung ist das Ergebnis von Guski & Troje (2003) vor allem deshalb, weil hier eine subjektive Verkürzung bei einem sehr kurzem Zeitintervall von 200 ms berichtet wurde, also genau in dem Zeitbereich, in dem auch der von Getzmann (persönliche Mitteilung) geschilderte Erleichterungseffekt beim Phi-Phänomen auftrat. Die Literatur zum Effekt gefüllter Pausen ist an dieser Stelle jedoch weitestgehend widersprüchlich: Thomas & Brown (1974) sowie Ihle & Wilsoncroft (1983) fanden gerade für kurze Zeitintervalle (unter 5 s) eine subjektive Verlängerung der Zeitdauer durch auditive Reize, eine Verkürzung wird dagegen oftmals ausschließlich für längere Zeitintervalle (über 5 s) berichtet (für einen Überblick, s. Ihle & Wilsoncroft, 1983). 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 24 2.6.3 Gemeinsame räumliche Repräsentation der audiovisuellen Stimuli Die jüngere neurophysiologische Forschung deutet darauf hin, dass räumliche Informationen aus dem auditiven und visuellen System im posterioren Parietallappen zusammenlaufen und dort innerhalb eines gemeinsamen Bezugsrahmens neuronal repräsentiert werden (Mazzoni et al., 1996; Stricanne et al., 1996). Im lateralen intraparietalen Areal (LIP) wurden auch Nervenzellen nachgewiesen, die sowohl auf räumliche Informationen aus dem auditiven als auch aus dem visuellen System reagieren (Mullette-Gillman et al., 2005). Dies könnte auch Implikationen für den von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebenen Erleichterungseffekt durch ein räumlich-zeitlich zwischen zwei Lichtpunkten dargebotenes Geräusch beinhalten: Bei dieser Stimulusanordnung werden insgesamt an drei unterschiedlichen räumlichen Positionen Reize dargeboten. Der neurophysiologischen Forschung folgend, werden die räumlichen Positionen dieser drei Reize gemeinsam und unabhängig von der Modalität innerhalb des posterioren Parietallappens repräsentiert. Denkbar wäre daher, dass für die Erleichterung des Bewegungseindrucks durch einen zwischen den beiden Lichtpunkten präsentierten auditiven Reiz vor allem dessen räumliche Position entscheidend ist. Durch Darbietung an einer Position zwischen denen der beiden Lichtpunkte wird neuronal sozusagen „auf halbem Weg“ zwischen den Positionen der beiden Lichtpunkten ein Ereignis repräsentiert, was sich somit mit den beiden visuellen Ereignissen in Verbindung bringen lässt. Die drei sowohl zeitlich als auch räumlich aufeinander folgenden Positionen könnten daher den Eindruck begünstigen, dass es sich dabei um ein und dasselbe Objekt in Bewegung handelt. Bei einer rein visuellen Darbietung des Phi-Phänomens gibt es dagegen nur zwei zeitlich und räumlich aufeinander folgende Positionen mit jeweils größerem Abstand zueinander. Eine Erleichterung des Eindrucks einer Bewegung durch ein Geräusch zwischen den Lichtpunkten ist also nach dieser Hypothese zu erwarten, da durch das Geräusch eine weitere, mittlere Position hinzukommt, durch die der Eindruck einer Bewegung zwischen den beiden Lichtpunkten demnach gebahnt wird. Würde das Geräusch stattdessen räumlich entfernt von den visuellen Stimuli dargeboten, sollte demzufolge kein Erleichterungseffekt auftreten. Das Geräusch würde dann zwar immer noch zeitlich zwischen die beiden Lichtpunkte fallen, die räumlichen Positionen dieser drei Ereignisse ließen sich dann aber nicht mehr im Sinne eines zusammenhängenden Objekts in Bewegung auffassen. 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 25 2.6.4 Die zeitliche Komponente: temporaler Ventriloquismus Multisensorische Integration wird experimentell häufig in Situationen intermodalen Konflikts untersucht, wie beim bekannten Ventriloquismuseffekt (auch Bauchrednereffekt), bei dem die wahrgenommene räumliche Position eines auditiven Stimulus in Richtung eines an einer anderen Position dargebotenen visuellen Stimulus verschoben erscheint (für einen Überblick, s. Vroomen & de Gelder, 2004). Neben dieser räumlichen Form des Ventriloquismus, bei der das visuelle System die diskrepante auditive Information dominiert, wird in der aktuellen Forschungsliteratur auch ein zeitlicher Ventriloquismuseffekt diskutiert (Morein-Zamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder, 2004). Morein-Zamir et al. (2003) untersuchten den Einfluss irrelevanter Geräusche auf die Beurteilung der zeitlichen Abfolge visueller Stimuli. Die Teilnehmer dieser Untersuchung sollten jeweils angeben, welcher von zwei Lichtpunkten zuerst erschien. Die Leistung verbesserte sich dabei, wenn ein kurzes Geräusch vor dem ersten und nach dem zweiten visuellen Stimulus dargeboten wurde, wohingegen eine Darbietung der beiden Geräusche im Zeitintervall zwischen den beiden Lichtpunkten die Leistung verschlechterte (jeweils im Vergleich zu einer Ausgangsbedingung, bei der die Geräusche zeitgleich mit den beiden Lichtern dargeboten wurden). Morein-Zamir et al. (2003) interpretierten diese Ergebnisse dahingehend, dass die Geräusche die Lichter auf der zeitlichen Dimension angezogen haben könnten. Bei Darbietung von Geräuschen vor und nach den Lichtpunkten erscheint das ISOI der visuellen Stimuli demnach subjektiv länger als in der Ausgangsbedingung und erleichtert daher die Diskriminierung der zeitlichen Abfolge, wohingegen Darbietung der Geräusche zwischen den Lichtpunkten das ISOI subjektiv verkürzt und somit die Diskriminierung erschwert. Vroomen & de Gelder (2004) berichten einen solchen temporalen Ventriloquismuseffekt durch irrelevante auditive Stimuli auch für den Flash-lag Effekt (FLE), bei dem ein Lichtblitz subjektiv typischerweise relativ zu einem bewegten Objekt verzögert erscheint, obwohl beide Stimuli räumlich-zeitlich zusammenfallen. Ein irrelevantes kurzes Geräusch, das vor dem Lichtblitz dargeboten wird, vergrößerte diesen Effekt, wohingegen ein nach dem Lichtblitz dargebotenes Geräusch den Effekt verminderte (Vroomen & de Gelder, 2004). Auch in dieser Untersuchung verschob sich also die wahrgenommene zeitliche Position eines visuellen Stimulus in Richtung eines in zeitlicher Nähe präsentierten auditiven Stimulus. Die Tatsache, dass der wahrgenommene Zeitpunkt eines visuellen Stimulus durch Darbietung eines auditiven Stimulus beeinflusst werden kann, könnte theoretisch auch Auswirkungen auf das Phi-Phänomen haben. Die Darbietung eines kurzen Geräuschs zwischen zwei 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 26 nacheinander aufleuchtenden Lichtpunkten könnte auch beim Phi-Phänomen zu einer subjektiven Verkürzung des wahrgenommenen ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten führen und somit den Eindruck einer Scheinbewegung zwischen den beiden Punkten erleichtern, insbesondere bei längeren ISOI. Dementsprechend sollte die Darbietung eines Geräuschs vor dem ersten und nach dem zweiten visuellen Stimulus durch subjektive Vergrößerung des ISOI auch zu einer Verschlechterung des Bewegungseindrucks führen. Anzumerken zu dieser Überlegung ist jedoch, dass in der Untersuchung von Morein-Zamir et al. (2003) die Darbietung eines einzelnen Geräuschs zwischen den beiden Lichtern die Beurteilung der zeitlichen Abfolge nicht beeinflusste, ein temporaler Ventriloquismuseffekt i.S. einer verbesserten Diskriminationsleistung trat nur bei zwei kurzen Geräuschen auf, die mit einem ISOI von 16 ms zueinander zwischen den beiden Lichtern dargeboten wurden. Erklärt wurde dies von Morein-Zamir et al. (2003) dahingehend, dass temporalem Ventriloquismus die Auflösung einer intermodalen temporalen Diskrepanz zu Gunsten der auditiven Information zu Grunde liegt. Entscheidend hierfür ist die Integration der audiovisuellen Stimuli zu einem multisensorischem Ereignis. Im Fall der beiden Lichter würden demnach auch zwei Geräusche benötigt, um paarweise eine Integration mit den beiden visuellen Stimuli zu jeweils einem multisensorischen Ereignis zu ermöglichen, welches dann intermodal diskrepante zeitliche Informationen aufweist. Diese Überlegung basiert auf der modality precision hypothesis und der modality appropriateness hypothesis (Welch & Warren, 1980), wonach in Situationen intermodalen Konflikts das Sinnessystem mit der höchsten Abbildungsgenauigkeit in Bezug auf die fragliche Eigenschaft des Ereignisses die Information aus den anderen Modalitäten dominiert. Die höhere zeitliche Auflösung des auditiven Systems gegenüber dem visuellen System (Kubovy, 1988) führt demzufolge beim temporalen Ventriloquismuseffekt zu einer zeitlichen Verschiebung der visuellen in Richtung der auditiven Stimuli, also zu einer Dominanz der temporal genaueren auditiven Information. 2.6.5 Assumption of unity: Ein kognitiver Erklärungsansatz Eine Darbietung des Phi-Phänomens, bei der zwischen zwei aufeinander folgenden Lichtpunkten ein auditiver Reiz dargeboten wird, enthält zunächst eine offensichtliche Diskrepanz: einem einzelnen auditiven Ereignis stehen zwei visuelle Ereignisse gegenüber. Auf Grund der räumlich-zeitlichen Nähe der Stimuli könnte eine solche Darbietung auf der Seite des Beobachters zur Annahme führen, dass es sich um ein zusammenhängendes 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 27 Ereignis handelt. Die Diskrepanz könnte kognitiv durch die intuitiv logische Annahme gelöst werden, dass es sich um ein bewegtes Objekt handelt, das auf seinem Weg von der Anfangszur Endposition ein Geräusch produziert. Ein kognitiver Faktor, der eine solche Interpretation begünstigen könnte, ist das von Welch & Warren (1980) vorgeschlagene Konzept der assumption of unity – gemeint ist damit die üblicherweise starke Annahme eines Beobachters, dass räumlich-zeitlich nahe beieinander liegende Stimuli einen gemeinsamen Ursprung haben, also ein zusammenhängendes Ereignis abbilden. Auch bei intersensorisch diskrepanten Stimulusinformationen führt die assumption of unity innerhalb bestimmter Grenzen zur Aufrechterhaltung eines normalen (nichtdiskrepanten) Wahrnehmungseindrucks im Sinne eines einheitlichen Objekts, wobei die Diskrepanz häufig unbewusst durch Bevorzugung der Information einer Modalität gelöst wird; ist die Diskrepanz aber zu groß, schwächt das die assumption of unity und der Konflikt wird bewusst (Welch & Warren, 1980). Auch bei einem anderen Phänomen intermodaler Interaktion, der bereits in Absatz 2.6.2 angesprochenen audiovisuellen phänomenalen Kausalität (Guski & Troje, 2003), scheint das Konzept der assumption of unity eine Rolle zu spielen. Die Förderung des Kausalitätseindrucks zwischen zwei visuell dargebotenen Bewegungen durch ein während der Pause zwischen beiden Bewegungen dargebotenes Geräusch erklären Guski & Troje (2003) neben des Einflusses einer subjektiven Verkürzung gefüllter Pausen vor allem durch den von Welch & Warren (1980) beschriebenen kognitiven Faktor der assumption of unity. Die Beobachter des Stimulusdisplays haben demnach den audiovisuellen Ereignissen eine gemeinsame Ursache zugeschrieben, also eine Kollision zweier Objekte, die ein Geräusch verursacht. Analog dazu könnte beim Phi-Phänomen die Darbietung eines Geräuschs zwischen den beiden Lichtpunkten die Wahrnehmung einer Bewegung erleichtern, wenn der Beobachter die audiovisuellen Stimuli im Sinne der assumption of unity wie oben bereits besprochen als ein zusammenhängendes Objekt in Bewegung interpretiert. 2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund 28 2.7 Ziel der Untersuchung Ziel der vorliegenden Untersuchung war es zunächst, den von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebenen Erleichterungseffekt des Phi-Phänomens durch Darbietung eines Geräuschs zwischen den beiden Lichtpunkten zu replizieren, und so einen methodisch bedingten Aufmerksamkeitsablenkungseffekt auszuschließen (s. auch Abschnitt 2.6.1). Zudem sollten in einer Reihe von drei Experimenten auch die übrigen der im vorangehenden Abschnitt diskutierten Erklärungsansätze ersten empirischen Tests unterzogen werden. 29 3. Experiment 1 Um sich dem von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebenen Phänomen zu nähern, sollte zunächst in einem ersten Versuch das frühere Ergebnis repliziert werden. Neben der Darbietung eines auditiven Reizes zwischen den beiden Lichtpunkten sollte durch Darbietung des Geräuschs vor dem ersten oder nach dem zweiten Lichtpunkt auch ein temporaler Ventriloquismuseffekt als mögliche Erklärung des Phänomens einem ersten empirischen Test unterzogen werden. Wie in Abschnitt 2.6.4 beschrieben, kann ein irrelevanter auditiver Reiz dazu führen, dass der wahrgenommene Zeitpunkt eines visuellen Reizes in Richtung des auditiven Reizes verschoben erscheint (Morein-Zamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder, 2004). Beim Phi-Phänomen könnte ein solcher temporaler Ventriloquismuseffekt daher bei einem zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenem Geräusch zu einer subjektiven Verkürzung des ISOI führen und so den Eindruck einer Bewegung erleichtern. Analog dazu müsste ein kurz vor dem ersten bzw. kurz nach dem zweiten Lichtpunkt dargebotenes Geräusch dann aber auch durch eine subjektive Verlängerung des ISOI den Eindruck einer Bewegung erschweren. Im einzelnem wurden also folgende Hypothesen überprüft: Ein räumlich und zeitlich genau zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotener auditiver Reiz verbessert den Bewegungseindruck gegenüber einer rein visuellen Darbietung (Hypothese 1). Ein an gleicher räumlicher Position dargebotener auditiver Reiz, der zu einem Zeitpunkt kurz vor dem ersten oder kurz nach dem zweiten Lichtpunkt dargeboten wird, verschlechtert den Bewegungseindruck gegenüber einer rein visuellen Darbietung (Hypothese 2). Zusätzlich wurde das Geräusch auch zeitgleich mit dem ersten oder dem zweiten Lichtpunkt dargeboten. Diese zeitgleichen Darbietungen dienten dabei als zusätzliche Kontrollbedingungen, da hier gleiche Resultate wie bei rein visueller Darbietung zu erwarten sind (Allen & Kolers, 1981, s. auch Abschnitt 2.5). 3. Experiment 1 30 3.1 Methode 3.1.1 Versuchspersonen An der Untersuchung nahmen insgesamt 16 Personen, größtenteils Studenten der Fakultät für Psychologie, teil. Die Stichprobe setzte sich aus 13 weiblichen und 3 männlichen Versuchspersonen im Alter zwischen 19 und 46 Jahren zusammen (Durchschnittsalter 27,3 Jahre). Die Versuchspersonen wiesen nach eigenen Angaben keine bekannten permanenten Hörschäden oder sonstige aktuelle Beeinträchtigungen des Gehörs oder des Sehvermögens auf. Die Teilnehmer hatten keine besondere Erfahrung mit der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen. Die Studenten der Fachrichtung Psychologie erhielten für ihren zeitlichen Aufwand eine Versuchspersonenstunde. 3.1.2 Versuchsaufbau 3.1.2.1 Apparatur Die Untersuchung fand in einem Versuchsraum der Fakultät für Psychologie an der RuhrUniversität Bochum statt. Der Raum (5,4 m x 3,7 m x 4,0 m) war durch reflexionsmindernde Deckenplatten in 2,6 m Höhe und einen reflexionsabsorbierenden Teppichboden schallgedämpft. Während des Experiments saßen die Versuchspersonen in einem höhenverstellbaren Stuhl mit Armlehnen. Zusätzlich wurde die Position des Kopfes durch eine individuell verstellbare Kinnstütze fixiert, um den Betrachtungsabstand von 60 cm konstant zu halten. Das Experiment fand bei indirekter, stark gedämpfter Beleuchtung statt. Die Versuchssteuerung der visuellen Darbietung erfolgte durch einen PC (ICC Computer) mit AMD Athlon XP 2000+ Prozessor, 1,66 Ghz und VGA-Videokarte (ATI RADEON 9200SE, C.P. Technologies Inc.). Die Stimuli wurden auf einem 15 Zoll XGA TFT-Display (Acer AL1512) mit 70 Hz Bildwiederholrate und einer Auflösung von 1024 x 768 Pixel dargeboten, das sich in Augenhöhe auf einem Tisch vor den Versuchspersonen befand. Die auditiven Stimuli wurden digital generiert und durch eine PC-gesteuerte Soundkarte (SoundMAX Integrated Digital Audio, 16-bit Auflösung, 48 kHz Samplerate) in analoge Form konvertiert. Die auditiven Stimuli wurden über Aktivboxen (Trust Soundwave 240 3D Plus) hörbar gemacht, die links und rechts neben dem Monitor platziert waren. Die Antworten der 3. Experiment 1 31 Versuchspersonen erfolgten mit Hilfe einer Standardtastatur, die sich auf dem Tisch vor dem TFT-Display befand, und wurden direkt über den PC aufgezeichnet. Die Versuchsapparatur wird schematisch in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus (Aufsicht) 3.1.2.2 Stimuli Als visuelle Stimuli wurden je 2 weiße Rechtecke (1,5 cm x 1,5 cm, Luminanz 60 cd/m²) vor einem schwarzen Hintergrund (Luminanz < 1 cd/m²) auf dem 31 cm x 23 cm großem Display dargeboten (s. auch Abb. 1, die Bezeichnung V1 bezieht sich dabei auf das zuerst dargebotene Rechteck, V2 auf das zweite Rechteck). Die Darbietungsdauer der Rechtecke betrug jeweils 33 ms, die Distanz der Rechtecke zueinander war 7,8 cm (Mitte zu Mitte), das entsprach 7,5° Sehwinkel. Vor jedem Versuchsdurchgang wurde zunächst für 1 s ein weißes Fixationskreuz (6 x 6 mm) in der Mitte des Bildschirms dargeboten, das sich genau zwischen den Positionen der beiden Rechtecke befand (Abb. 1). Im Experimentalteil produzierten die Lautsprecher zusätzlich zu den visuellen Stimuli ein klickartiges Geräusch mit jeweils 5 ms Dauer (bandtiefpassgefiltertes weißes Rauschen, 71 dB(A), mit oberer cut-off Frequenz von 4 kHz und unterer cut-off Frequenz von 100 Hz). Die auditiven Stimuli waren digital gespeichert mit einer Abtastrate von 48 kHz und einer Auflösung von 16 bit (stereo). Der Abstand der Boxen 3. Experiment 1 32 zueinander betrug 50 cm, das entsprach 45,2°. Bei Stereodarbietung wird die Position eines Geräuschs räumlich in der Mitte zwischen den beiden Lautsprechern wahrgenommen (Blauert, 1997). Das Geräusch wurde durch die Stereodarbietung daher räumlich frontal und zeitlich je nach Versuchsbedingung zu einem von fünf Zeitpunkten in Bezug auf die beiden visuellen Stimuli dargeboten. Die Darbietung der Stimuli sowie die Aufzeichnung der Antworten wurde durch die Software Presentation (Presentation Version 0.81, Neurobehavioral Systems Inc., Albany, CA, USA) gesteuert. 3.1.2.3 Versuchsdesign Die abhängige Variable „Stärke des Bewegungseindrucks“ wurde operationalisiert als gemittelte Häufigkeit, mit der die Versuchspersonen ihren Wahrnehmungseindruck in einer 4fach Wahlaufgabe (four-alternative forced-choice) der Kategorie „glatte Bewegung“ zuordneten (das Kategoriensystem wird unter 3.1.3 näher beschrieben, zu den theoretischen Grundlagen siehe auch 2.3). In der Untersuchung wurden zwei unabhängige Variablen herangezogen. Das ISOI der beiden Lichtpunkte wurde in acht Abstufungen (0, 50, 100, 150, 200, 250, 300 und 350 ms) variiert (UV1). Zudem erfolgte die Darbietung des auditiven Reizes zu fünf unterschiedlichen Zeitpunkten (UV2): vor V1, während V1, zwischen V1 und V2, während V2, oder nach V2, zusätzlich gab es eine Kontrollbedingung ohne Geräuschdarbietung. Das Experiment gliederte sich in zwei Versuchsblöcke, einen Kontrollblock ohne Geräuschdarbietung und einen Experimentalblock mit Geräuschdarbietung. Die Reihenfolge der beiden Blöcke wurde vor Beginn der Untersuchung für jede Versuchsperson festgelegt und zwischen den Versuchspersonen variiert. Durch dieses Design sollten evtl. Lerneffekte bei den Teilnehmern ausgeglichen werden. Zur Erhöhung der Messgenauigkeit wurde jede mögliche Kombination der beiden unabhängigen Variablen acht mal dargeboten, wobei die beiden visuellen Stimuli jeweils vier mal in der Reihenfolge links – rechts und rechts – links präsentiert wurden. Somit ergaben sich im Kontrollblock 64 Versuchsdurchgänge und im Experimentalblock 320 Versuchsdurchgänge (5 Geräuschbedingungen x 8 ISOI x 8 Wiederholungen), die nochmals in 4 Unterblöcke á 80 Versuchsdurchgängen untergliedert wurden. Innerhalb der Blöcke wurde die Reihenfolge der Versuchsdurchgänge für jede Versuchsperson randomisiert. 3. Experiment 1 33 3.1.3 Versuchsdurchführung Zu Beginn des Experiments wurden die Teilnehmer gebeten, im Versuchssessel Platz zu nehmen. Nachdem einige demographische Daten (Geschlecht, Alter) sowie evtl. Beeinträchtigungen des Gehörs auf einem Protokollblatt erfasst wurden, wurde die Kopfposition der Versuchspersonen mit Hilfe der Kinnstütze fixiert. Es erfolgte zunächst eine Übungsphase. Die Teilnehmer wurden gebeten, sich mehrere Beispielsequenzen der visuellen Stimuli (ohne Geräusche) anzusehen, um sich mit dem dargebotenem Stimulusmaterial vertraut zu machen. Anschließend wurden den Versuchspersonen die Kategorien vorgestellt, mit denen sie ihren Wahrnehmungseindruck beschreiben sollten. Anhand einiger Beispielsequenzen übten die Teilnehmer, ihren Eindruck einer der vier Kategorien („gleichzeitig“ – zwei gleichzeitig aufleuchtende Lichter, „glatt“ – ein Licht, das sich in einer kontinuierlichen, glatten Bewegung von der einen zur anderen Seite bewegt, „gebrochen“ – ein Licht, das sich in einer unterbrochenen, ruckartigen Bewegung von der einen zur anderen Seite bewegt oder „sukzessiv“ – zwei sukzessive, hintereinander aufleuchtende Lichter) zuzuordnen. Diese Kategorisierung hat sich in der Untersuchung visueller Scheinbewegungen bewährt (Strybel et al., 1990; Strybel & Vatakis, 2004). Die Instruktionen wurden über das Versuchsdisplay dargeboten (s. Anhang). Die Teilnehmer wurden anschließend darüber informiert, dass während einiger der folgenden Blöcke neben den visuellen Reizen auch ein klickartiges Geräusch auftritt. Sie wurden aber instruiert, dieses zu ignorieren und sich nur auf die Lichter zu konzentrieren. Nachdem evtl. Fragen der Versuchspersonen geklärt wurden begann das eigentliche Experiment, das sich in fünf Blöcke teilte (Kontrollblock ohne Geräuschdarbietung und Experimentalblock mit Geräuschdarbietung, bestehend aus vier Unterblöcken). Die Versuchspersonen hatten die Möglichkeit, zwischen den einzelnen Blöcken kurze Pausen einzulegen. Zu Beginn jedes Versuchsdurchgangs erschien nach einer Vorlaufzeit von 1 s zunächst für 1000 ms das Fixationskreuz, nach einer Verzögerung von 100 ms, während der der Bildschirm schwarz blieb, dann die beiden visuellen Reize, jeweils mit einem von acht ISOI (0, 50, 100, 150, 200, 250, 300, oder 350 ms) zueinander. Im Experimentalteil setzte zusätzlich der auditive Reiz (Dauer 5 ms) je nach Bedingung 75 ms vor V1, zeitgleich mit V1, nach der Hälfte des ISOI zwischen V1 und V2, zeitgleich mit V2 oder 75 ms nach V2 ein (Abb. 2). Anzumerken ist, dass bei gleichzeitiger Darbietung der Lichtpunkte (0 ms ISOI) die Geräuschbedingungen zwischen den beiden Lichtpunkten sowie zeitgleich mit V1 oder V2 3. Experiment 1 34 identisch waren. Nach jedem Versuchsdurchgang kategorisierten die Teilnehmer ihren Wahrnehmungseindruck mit Hilfe der Tastatur. Das Drücken der entsprechenden Antworttaste startete dann den nächsten Durchgang. Die Versuchspersonen konnten somit das Zeitintervall zwischen zwei Versuchsdurchgängen, das Intercycle Interval (ICI), selbst bestimmen. Sie wurden aber gebeten, ihren Eindruck möglichst spontan einer der Kategorien zuzuordnen. Während des Experiments wurde den Teilnehmern zu keinem Zeitpunkt ein Feedback gegeben. 1s visuelle Stimuli vor V1 0.1 s Fixationskreuz ISOI V1 V2 75ms zeitgleich mit V1 zwischen V1 und V2 zeitgleich mit V2 nach V2 75ms Kontrollbedingung Abbildung 2: Schematische Darstellung der Versuchsbedingungen in Experiment 1. Nach einem Fixationskreuz erschienen zwei visuelle Stimuli V1 und V2, die durch ISOI zwischen 0 und 350 ms voneinander getrennt waren. Klickartige Geräusche wurden vor V1, nach V2, zeitgleich mit V1 oder V2, oder zwischen V1 und V2 (nach der Hälfte des ISOI) dargeboten. In der Kontrollbedingung wurden nur die visuellen Stimuli dargeboten. Im Anschluss an das Experiment erfolgte noch eine kurze mündliche Exploration, bevor die Teilnehmer verabschiedet wurden. Die Untersuchung dauerte ca. 45 min. Die Sitzungen fanden überwiegend am Vormittag und am frühen Nachmittag statt. 3. Experiment 1 35 3.1.4 Datenauswertung und Statistik Die Versuchspersonen ordneten ihren Wahrnehmungseindruck einer der oben beschriebenen vier Kategorien zu. Die so gewonnenen Daten wurden mit SPSS 12.0 und dem darin enthaltenem Statistikpaket ausgewertet. Jede mögliche Kombination aus ISOI und Zeitpunkt des Geräuschs wurde acht mal dargeboten. Daraus wurde zunächst für jede Kombination die prozentuale Häufigkeit der vier Antwortkategorien für jede Versuchsperson gemittelt. Neben der deskriptiven graphischen Darstellung der Ergebnisse erfolgte auch eine inferentialstatistische Auswertung der Daten. Hierbei wurde nur die Antwortkategorie „glatte Bewegung“ weiter berücksichtigt, da sich die vorliegende Arbeit mit der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen beschäftigt, die durch diese Kategorie am besten erfasst wird. Um die Einflüsse des ISOI und der Geräuschbedingung auf die Wahrnehmung einer „glatten Bewegung“ zu überprüfen, wurde eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung durchgeführt. Als Faktoren wurden die Versuchsbedingung (6-stufig) sowie das ISOI (4-stufig) analysiert. Von den 8 dargebotenen ISOI wurden dabei nur die Werte 100, 150, 200, und 250 ms berücksichtigt, um genau den Bereich des ISOI zu untersuchen, in dem ein Effekt der Geräuschbedingung auftreten sollte. Bei kürzeren ISOI ist das Auftreten visueller Scheinbewegungen ohnehin auch bei rein visueller Darbietung sehr wahrscheinlich (50 ms), bzw. der Bewegungseindruck weicht dem Eindruck zweier simultan aufleuchtender Punkte (0 ms), bei längeren ISOI (ab 300 ms) ist der Eindruck zweier sukzessiv aufleuchtender Punkte zu erwarten, wie zahlreiche Untersuchungen belegen (z.B. Strybel et al., 1990); im Bereich dazwischen (100 – 250 ms) treten zwar üblicherweise noch Bewegungseindrücke auf, deren Häufigkeit nimmt aber im Vergleich zu 50 ms ISOI bereits ab 100 ms ISOI stark ab, so dass ein möglicher Erleichterungseffekt durch die Geräuschdarbietung sich gerade in diesem Bereich zeigen sollte. Um den Einfluss der Geräuschbedingungen näher zu bestimmen, wurde post hoc zusätzlich auch ein t-Test für gepaarte Stichproben durchgeführt, wobei die gemittelte Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ im untersuchten Bereich von 100 – 250 ms ISOI zwischen den einzelnen Versuchsbedingungen verglichen wurde. 3. Experiment 1 36 3.2 Ergebnisse Die Daten einer weiblichen und einer männlichen Versuchsperson wurden in der statistischen Auswertung nicht berücksichtigt. Die weibliche Versuchsperson berichtete insgesamt nur in sehr wenigen Fällen den Eindruck einer Bewegung (weniger als 5% der Trials), die männliche Versuchsperson ordnete keine der insgesamt 384 Darbietungen der Kategorie „glatte Bewegung“ zu. Die Auswertung basiert daher auf den Daten von 14 Versuchspersonen. Abbildung 3: Prozentuale Verteilung der vier Antwortkategorien in der Kontrollbedingung von Experiment 1 (visuelle Stimuli ohne Geräuschdarbietung) für alle getesteten ISOI. Die einzelnen Datenpunkte zeigen die gemittelten Werte über alle Versuchspersonen (N = 14). Für jede Versuchsperson wurde die prozentuale Häufigkeit der vier Antwortkategorien in Abhängigkeit von ISOI und Geräuschbedingung bestimmt. Abbildung 3 zeigt die prozentuale Verteilung der vier Kategorien in der Kontrollbedingung, bei der kein Geräusch dargeboten wurde. Die Antwort „glatte Bewegung“ trat überwiegend bei 50 und 100 ms ISOI auf, im 3. Experiment 1 37 Bereich von 150 bis 250 ms wurden die Darbietungen überwiegend als „gebrochene Bewegung“ kategorisiert. Außerhalb dieses Bereichs wurden nur sehr wenige Bewegungswahrnehmungen berichtet: Bei 0 ms ISOI wurden die beiden Stimuli fast ausschließlich als simultan gesehen, bei 300 und 350 ms ISOI als sukzessiv. Die Verteilung der vier Antwortkategorien in Abhängigkeit des ISOI entspricht damit den in Abschnitt 3.1.4 auf Grund früherer Untersuchungen (Strybel et al., 1990) getroffenen Vorannahmen. Die Beschränkung der inferentialstatistischen Auswertung auf den Bereich von 100 – 250 ms ISOI ist daher gerechtfertigt. Die weitergehende Analyse der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ zeigte, dass die Häufigkeit eines Bewegungseindrucks stark von der jeweiligen Geräuschbedingung abhing. Abbildung 4 zeigt die prozentuale Häufigkeit der Antwort „glatte Bewegung“ für die einzelnen Versuchsbedingungen. Im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung traten bei Darbietung eines Geräuschs zwischen den beiden Lichtpunkten bei sämtlichen ISOI mehr „glatte Bewegung“ Antworten auf. Bei 150 ms ISOI fielen in der Bedingung mit mittigem Geräusch beispielsweise noch etwa 55% der Antworten in die Kategorie „glatte Bewegung“, in der Kontrollbedingung dagegen nur noch 33% der Antworten. Auch bei Darbietung eines Geräuschs mit oder nach dem zweiten visuellen Stimulus traten „glatte Bewegungen“ häufiger auf als bei rein visueller Darbietung, bei 150 und 200 ms ISOI allerdings deutlich seltener als in der mittigen Geräuschbedingung. Bei 150 ms ISOI waren das 40% der Antworten bei zeitgleicher Darbietung mit V2 bzw. 37% der Antworten bei Darbietung nach V2, im Vergleich zu 55% bei Darbietung zwischen V1 und V2. Bei 50 und 100 ms ISOI lagen diese drei Versuchsbedingungen ungefähr auf gleichem Niveau, die mittige Geräuschbedingung wurde allerdings nur im Bereich 250 – 350 ms ISOI übertroffen, wobei hier insbesondere bei 250 ms ISOI die 20% „glatte Bewegung“ Antworten bei einem Geräusch nach V2 im Vergleich zu 12% bei mittigem Geräusch auffallen. Bei Geräuschdarbietung vor V1 traten dagegen weniger „glatte Bewegungen“ auf als in der Kontrollbedingung, für 150 ms ISOI beispielsweise 22% gegenüber den 33% in der rein visuellen Bedingung. Das Antwortniveau bei zeitgleicher Geräuschdarbietung mit V1 lag insgesamt etwa auf dem Niveau der Kontrollbedingung, da die Häufigkeitsunterschiede zwischen diesen beiden Bedingungen keinem erkennbaren Trend folgten. Eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung bestätigte den in der deskriptiven Darstellung erkennbaren Einfluss der Geräuschbedingung. Neben einem signifikanten 3. Experiment 1 38 Haupteffekt des ISOI (F[3, 39] = 106.27; p < 0.001) zeigte sich auch ein signifikanter Haupteffekt der Geräuschbedingung (F[5, 65] = 6.50; p < 0.001) sowie eine signifikante Wechselwirkung von ISOI und Geräuschbedingung (F[15, 195] = 1.83; p = 0.033) für den ISOI Bereich von 100 bis 250 ms, für den ein Einfluss der Geräuschbedingung erwartet wurde. Abbildung 4: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ in Abhängigkeit vom ISOI für alle getesteten Versuchsbedingungen in Experiment 1. Die einzelnen Datenpunkte zeigen die gemittelten Werte über alle Versuchspersonen (N = 14). Post hoc erfolgte ein Vergleich der einzelnen Geräuschbedingungen, wobei die prozentuale Häufigkeit der „glatte Bewegung“ Antworten über die vier in diesem Bereich liegenden ISOI Schritte (100, 150, 200, und 250 ms) gemittelt wurde. In Abbildung 5 ist zu erkennen, dass im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung (Mittelwert 29,5%, SE +/- 4,6%) „glatte Bewegungen“ häufiger bei einem mittigen Geräusch berichtet wurden (Mittelwert 42,6%, SE +/- 4,2%; t[13] = 2.55; p = 0.024). Dagegen war die Zunahme „glatter Bewegungen“ bei einem zeitgleich mit V2 (Mittelwert 35,9%, SE +/- 4,0%; t[13] = 1.21; p = 0.248) und einem 3. Experiment 1 39 nach V2 dargebotenem Geräusch (Mittelwert 38,0%, SE +/- 4,2%; t[13] = 1.62; p = 0.129) statistisch nicht signifikant. Ein Vergleich der mittigen Geräuschbedingung mit diesen beiden Bedingungen zeigte, dass bei mittigem Geräusch auch mehr „glatte Bewegung“ Antworten auftraten, als bei einem mit V2 präsentiertem Geräusch (t[13] = 2.19; p = 0.047), der Unterschied zu einem nach V2 präsentiertem Geräusch (t[13] = 1.34; p = 0.205) erreichte jedoch keine statistische Signifikanz. Bei Darbietung eines Geräuschs vor V1 traten zwar im Vergleich zur Kontrollbedingung etwas weniger „glatte Bewegung“ Antworten auf (Mittelwert 23,4%, SE +/- 3,0%; t[13] = 1.56; p = 0.142), dieser Unterschied war aber statistisch nicht signifikant. Auch die verbleibende Geräuschbedingung (Darbietung mit V1) unterschied sich nicht von der Kontrollbedingung (Mittelwert 28,6%, SE +/- 4,7%; t[13] = 0.16; p = 0.875). Abbildung 5: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ für die einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 1. Die Balken zeigen die gemittelten Werte über die ISOI, bei denen ein Einfluss der Geräuschbedingung erwartet wurde (100, 150, 200, 250 ms). Die Fehlerbalken zeigen Standardfehler vom Mittelwert (SE) über die Versuchspersonen (N = 14). 3. Experiment 1 40 3.3 Diskussion Ein zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes kurzes Geräusch führte zu einer signifikanten Verbesserung des Bewegungseindrucks. Diese Beobachtung deckt sich mit dem von Getzmann (persönliche Mitteilung) berichteten Effekt, das damalige Ergebnis konnte somit repliziert werden. Ein mittiges Geräusch führte dabei sowohl im Vergleich zu einer rein visuellen Darbietung, als auch gegenüber einer zeitgleichen Geräuschdarbietung mit V1 oder V2 signifikant häufiger zum Eindruck einer Scheinbewegung. Die beiden zeitgleichen Geräuschbedingungen und die rein visuelle Kontrollbedingung unterschieden sich dabei nicht signifikant voneinander, was auf Grund früherer Untersuchungen zu audiovisuellen Interaktionen beim Phi-Phänomen (Allen & Kolers, 1981; Ohmura, 1987) erwartet wurde, die zeitgleichen Darbietungen mit V1 oder V2 dienten daher als zusätzliche Kontrollbedingungen. Die Tatsache, dass auditive Reize Aufmerksamkeit von der kognitiven Verarbeitung visueller Stimuli ablenken können (Massaro & Warner, 1977; Tellinghuisen & Nowak, 2003), ist eine mögliche Erklärung für den verbesserten Bewegungseindruck durch ein mittiges Geräusch. Ein solcher Aufmerksamkeitsablenkungseffekt wurde in der von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebenen Untersuchung stark begünstigt (s. auch Abschnitt 2.6.1): Neben Versuchsdurchgängen, bei denen ein mittiges Geräusch dargeboten wurde, traten dort innerhalb eines Versuchsblocks überwiegend auch Durchgänge mit zwei Geräuschen auf, die hinsichtlich der Lautstärke leiser als das einzelne mittige Geräusch waren, welches dadurch besondere Salienz erlangt haben könnte. Diese Einschränkungen treffen auf die vorliegende Untersuchung nicht zu, innerhalb eines Versuchsblocks unterschieden sich die einzelnen Durchgänge hier nur durch den Zeitpunkt der Geräuschdarbietung. Das Auftreten des Erleichterungseffekts im vorliegenden Experiment spricht somit indirekt auch gegen eine Ablenkung der Aufmerksamkeit, zumindest als alleinige Erklärung des Effekts. Erklären lässt sich der erleichterte Bewegungseindruck aber auch durch die Annahme, dass Geräusche visuelle Stimuli auf der zeitlichen Dimension anziehen können (Morein-Zamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder, 2004; s. auch Abschnitt 2.6.4). Demnach könnte ein zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch die wahrgenommene Zeitdauer des ISOI verkürzt haben, und somit insbesondere bei längeren ISOI den Bewegungseindruck 3. Experiment 1 41 erleichtert haben. Morein-Zamir et al. (2003) erklären mit einem solchen temporalen Ventriloquismuseffekt die Ergebnisse einer visuellen Diskriminationsaufgabe, bei der die Beobachter jeweils angeben sollten, welches von zwei Lichtern zuerst erschien: zwei zwischen den Lichtern dargebotene Geräusche verschlechterten dabei die Leistung, die Darbietung eines Geräuschs vor dem ersten und nach dem zweiten Licht verbesserte dagegen die Diskriminationsfähigkeit (im Vergleich zu simultaner Darbietung von Geräuschen und Lichtern). Analog dazu wäre beim Phi-Phänomen durch eine Vergrößerung des subjektiv wahrgenommenen ISOI eine Verschlechterung des Bewegungseindrucks zu erwarten, wenn ein Geräusch vor dem ersten oder nach dem zweiten Lichtpunkt dargeboten wird. Diese Hypothese wurde im vorliegenden Experiment jedoch nicht bestätigt. Im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung veränderte weder ein vor V1 noch ein nach V2 dargebotenes Geräusch den Bewegungseindruck signifikant. Anzumerken ist zudem, dass in der Untersuchung von Morein-Zamir et al. (2003) insbesondere das zweite, nach dem zweiten Licht dargebotene Geräusch für den Ventriloquismuseffekt verantwortlich schien. In der vorliegenden Untersuchung führte ein nach V2 dargebotenes Geräusch tendenziell aber sogar zu einer leicht verbesserten Bewegungswahrnehmung gegenüber der Kontrollbedingung. Diese Differenz erreichte aber keine statistische Signifikanz, die Bedingung unterschied sich aber auch von der mittigen Geräuschdarbietung nicht signifikant. Gegen einen temporalen Ventriloquismuseffekt als Erklärungsansatz spricht auch die Tatsache, dass in der Untersuchung von Morein-Zamir et al. (2003) eine Verschlechterung der Diskriminationsleistung nur bei zwei zwischen den Lichtpunkten dargebotenen Geräuschen auftrat, nicht aber bei einem Geräusch. Erklärt wurde dies damit, dass nur bei zwei auditiven Reizen eine paarweise Integration mit den beiden visuellen Reizen zu jeweils einem audiovisuellen Ereignis, das dann temporal diskrepante Informationen aufweist, möglich ist. Diese temporale Diskrepanz würde dann zu Gunsten der auditiven Information gelöst. In der vorliegenden Untersuchung führte aber auch ein einzelner auditiver Reiz zwischen den Lichtpunkten zu einer erleichterten Bewegungswahrnehmung, so dass sich diese Erklärung nicht auf den vorliegenden Befund beim Phi-Phänomen übertragen lässt. Für den erleichterten Bewegungseindruck durch ein mittiges Geräusch scheint also ein anderer Mechanismus verantwortlich zu sein. 42 4. Experiment 2 Nachdem in Experiment 1 der erleichternde Einfluss eines mittigen Geräuschs auf den Bewegungseindruck repliziert werden konnte, sollte in einem zweiten Experiment der Einfluss der räumlichen Position dieses Geräuschs näher untersucht werden. Das Phi-Phänomen beschreibt den Wahrnehmungseindruck einer Bewegung eines Objekts von der einen zu einer anderen Position, wobei das Objekt tatsächlich nur an der Anfangsund Endposition sichtbar ist. Denkbar wäre, dass gerade der Umstand, dass das Geräusch in Experiment 1 auch räumlich an einer Position zwischen den beiden Lichtpunkten dargeboten wurde, ausschlaggebend für die Erleichterung des Bewegungseindrucks war. Geht man davon aus, dass audiovisuelle Stimuli neuronal innerhalb eines gemeinsamen räumlichen Bezugsrahmens abgebildet werden (Mazzoni et al., 1996; Stricanne et al., 1996; MulletteGillman et al., 2005; s. auch Abschnitt 2.6.3), erscheint bei der Darbietung des Geräuschs neben dem Zeitpunkt nämlich auch die räumliche Position entscheidend: Bei räumlichzeitlicher Darbietung zwischen den beiden Lichtpunkten werden diese drei Stimulusereignisse demnach neuronal an drei aufeinander folgenden räumlich-zeitlichen Positionen repräsentiert, und könnten dadurch als ein zusammenhängendes Objekt in Bewegung aufgefasst werden. Bei Darbietung des Geräuschs zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten, aber räumlich getrennt von diesen, sollte demzufolge dann keine Erleichterung des Bewegungseindrucks auftreten. In diesem Fall sollte sich das Geräusch durch die räumlich von den Lichtpunkten getrennte Repräsentation nicht mit diesen in Verbindung bringen lassen können und als eigenständiges Ereignis aufgefasst werden. Diese Hypothese wurde in Experiment 2 überprüft. 4. Experiment 2 43 4.1 Methode 4.1.1 Versuchspersonen An Experiment 2 nahmen insgesamt 12 Personen im Alter von 19 bis 42 Jahren teil (Durchschnittsalter 26,4 Jahre). Die Stichprobe setzte sich dabei aus 9 weiblichen und 3 männlichen Versuchspersonen zusammen, größtenteils Studenten der Fakultät für Psychologie, die nicht am ersten Experiment teilgenommen hatten. Die Versuchsteilnehmer gaben an, keine permanenten Hörschäden oder sonstige aktuelle Beeinträchtigungen von Gehör oder Sehvermögen aufzuweisen. Die Studenten der Fachrichtung Psychologie erhielten für ihren zeitlichen Aufwand eine Versuchspersonenstunde. 4.1.2 Versuchsaufbau und Durchführung Apparatur, Stimuli, Versuchsdesign und Versuchsdurchführung waren identisch zu Experiment 1, mit der folgenden Ausnahme: Die Geräuschdarbietung erfolgte nicht frontal zwischen den beiden Lichtpunkten durch Stereodarbietung über zwei links und rechts vom Bildschirm angeordnete Lautsprecher, sondern über einen 90° links von der Geradeausposition der Versuchsperson auf dem Versuchstisch platzierten Lautsprecher. Der Abstand zwischen dem linken Ohr der Versuchsperson und dem Lautsprecher betrug 50 cm. 4.1.3 Datenauswertung und Statistik Die Datenauswertung erfolgte in gleicher Weise wie in Experiment 1, zusätzlich wurde aber auch ein Vergleich der Ergebnisse der beiden Experimente durchgeführt, um den Einfluss der experimentellen Variation gegenüber Experiment 1 (Position des Lautsprechers) näher zu bestimmen. Dazu wurden in der zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung die Daten beider Experimente berücksichtigt, wobei die Zugehörigkeit zu Experiment 1 oder 2 als Zwischensubjektfaktor neben den beiden Innersubjektfaktoren ISOI und Geräuschbedingung in die Analyse einging. 4. Experiment 2 44 4.2 Ergebnisse Die Daten einer weiblichen Versuchsperson wurden in der statistischen Auswertung nicht berücksichtigt, da das Antwortverhalten der Probandin keinen Zusammenhang zwischen ISOI und Kategorienzuordnung erkennen ließ und somit von einem Nichtbefolgen der Versuchsinstruktion ausgegangen werden musste. Die Auswertung basiert somit auf den Daten von 11 Versuchspersonen. In der rein visuellen Kontrollbedingung traten Bewegungseindrücke (Kategorien „glatte“ und „gebrochene“ Bewegung) wie im ersten Experiment überwiegend im Bereich 50 bis 250 ms ISOI auf, außerhalb dieses Bereichs wurden fast ausschließlich „simultan“ und „sukzessiv“ Eindrücke berichtet. Die prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ in Abhängigkeit von ISOI und Geräuschbedingung zeigt Abbildung 6. Im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung wurden „glatte Bewegungen“ häufiger bei einer Geräuschdarbietung zeitlich zwischen V1 und V2 sowie bei Darbietung zeitgleich mit V2 und nach V2 berichtet. Die Geräuschbedingung zwischen V1 und V2 lag dabei im Bereich 150 bis 200 ms ISOI deutlich über den beiden anderen Bedingungen. Der prozentuale Anteil der „glatte Bewegung“ Antworten lag beispielsweise bei 200 ms ISOI in der Kontrollbedingung bei ca. 21%. Im Vergleich dazu wurden bei einem Geräusch zwischen V1 und V2 noch in 44% der Fälle eine „glatte Bewegung“ berichtet, die Bedingungen zeitgleich mit V2 (31%) und nach V2 (30%) lagen zwischen diesen beiden Werten und unterschieden sich auch über den gesamten ISOI Bereich nur minimal. Die Darbietung eines Geräuschs vor V1 führte dagegen durchweg zu weniger „glatten“ Bewegungseindrücken als in der Kontrollbedingung (beispielsweise 24% vs. 40% bei 150 ms ISOI). Bei zeitgleicher Darbietung mit V1 war insbesondere bei 150 ms ISOI eine Zunahme der „glatte Bewegung“ Antworten im Vergleich zur Kontrollbedingung zu beobachten (53% vs. 40%), ansonsten lagen die beiden Bedingungen ungefähr auf gleichem Niveau. Insgesamt zeigte sich ein ähnliches Bild wie im ersten Experiment. 4. Experiment 2 45 Abbildung 6: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ in Abhängigkeit vom ISOI für alle getesteten Versuchsbedingungen in Experiment 2. Die einzelnen Datenpunkte zeigen die gemittelten Werte über alle Versuchspersonen (N = 11). Eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung bestätigte den starken Einfluss der Geräuschbedingung auf die Antwortkategorie „glatte Bewegung“. Neben einem signifikanten Haupteffekt des ISOI (F[3, 30] = 46.46; p < 0.001) zeigte sich auch ein signifikanter Haupteffekt der Geräuschbedingung (F[5, 50] = 10.71; p < 0.001), die Interaktion von ISOI und Geräuschbedingung erreichte dabei keine statistische Signifikanz (F[15, 150] = 1.69; p = 0.06). Ein Vergleich der Ergebnisse mit dem ersten Experiment ergab dabei keinen statistisch bedeutsamen Unterschied zwischen den beiden Versuchen. Für den Zwischensubjektfaktor Versuch zeigte sich kein signifikanter Haupteffekt (F[1, 23] = 0.69; p = 0.414). Auch die Interaktionen zwischen Geräuschbedingung und Versuch (F[5, 115] = 0.47; p = 0.798), ISOI und Versuch (F[3, 69] = 1.09; p = 0.361), sowie Geräuschbedingung, ISOI, und Versuch (F[15, 345] = 0.83; p = 0.64) verfehlten dabei klar die statistische Signifikanz. 4. Experiment 2 46 Abbildung 7: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ für die einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 2. Die Balken zeigen die gemittelten Werte über die ISOI, bei denen ein Einfluss der Geräuschbedingung erwartet wurde (100, 150, 200, 250 ms). Die Fehlerbalken zeigen Standardfehler vom Mittelwert (SE) über die Versuchspersonen (N = 11). Abbildung 7 zeigt die prozentuale Häufigkeit der „glatte Bewegung“ Antworten gemittelt über die ISOI 100, 150, 200 und 250 ms für Experiment 2. Im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung (Mittelwert 33,2%, SE +/-4,1%) war der Anteil der „glatte Bewegung Antworten höher bei Darbietung eines Geräuschs zwischen den beiden Lichtpunkten (Mittelwert 48,9%, SE +/-7,5%; t[10] = 2.88; p = 0.016) sowie bei zeitgleicher Darbietung mit V2 (Mittelwert 42,6%, SE +/-5,9%; t[10] = 3.12; p = 0.011), diese beiden Bedingungen unterschieden sich dabei nicht signifikant voneinander (t[10] = 1.51; p = 0.161). Die Bedingungen vor V1 (Mittelwert 25,3%, SE +/-4,4%; t[10] = 2.18; p = 0.055), mit V1 (Mittelwert 37,2%, SE +/-6,0%; t[10] = 1.08; p = 0.308) und nach V2 (Mittelwert 40,6%, SE +/-6,0%; t[10] = 2.15; p = 0.057) unterschieden sich nicht signifikant von der 4. Experiment 2 47 Kontrollbedingung. In diesen drei Bedingungen traten jeweils auch signifikant weniger „glatte“ Bewegungseindrücke auf als bei Geräuschdarbietung zwischen V1 und V2 (t[10] = 5.73; p < 0.001 für Bedingung vor V1; t[10] = 3.19; p = 0.010 für Bedingung mit V1; t[10] = 2.32; p = 0.043 für Bedingung nach V2). 4.3 Diskussion Ein zeitlich zwischen V1 und V2 dargebotenes kurzes Geräusch führte auch in Experiment 2 zu einer signifikanten Verbesserung des Bewegungseindrucks. Insgesamt ergab ein Vergleich der Ergebnisse keine signifikanten Unterschiede zwischen Experiment 1 (bei dem die Geräuschdarbietung räumlich zwischen den beiden Lichtpunkten erfolgte) und Experiment 2 (bei dem die Geräuschdarbietung von 90° links, entfernt von den visuellen Stimuli erfolgte). Das vorliegende Ergebnis spricht somit klar gegen einen räumlich-neuronalen Erklärungsansatz, der auf der gemeinsamen neuronalen Abbildung von räumlichen Informationen aus dem auditiven und visuellen System innerhalb eines modalitätsübergreifenden räumlichen Bezugsrahmens (Mazzoni et al., 1996; Stricanne et al., 1996; Mullette-Gillman et al., 2005) basiert: Ein räumlich und zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch (Experiment 1) sollte demnach innerhalb dieses gemeinsamen Bezugsrahmens eine Position zwischen den beiden Lichtpunkten einnehmen und somit den Eindruck eines zusammenhängenden audiovisuellen Objekts in Bewegung begünstigen. Bei einem zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten, aber räumlich getrennt von diesen dargebotenem Geräusch (Experiment 2) sollte dagegen kein Erleichterungseffekt auftreten, da das Geräusch hier auch auf neuronaler Ebene getrennt von den visuellen Ereignissen abgebildet werden sollte. Statt eines zusammenhängenden audiovisuellen Objekts sollte hier eine Interpretation des Geräuschs als ein auditives Ereignis, das ohne Zusammenhang zu den visuellen Ereignissen stattfindet, nahe liegen. Entgegen dieser Hypothese trat in Experiment 2 ein Erleichterungseffekt aber auch bei räumlich entfernter Geräuschdarbietung auf, der räumlich-neuronale Erklärungsansatz des Effekts konnte somit widerlegt werden. Für den in beiden Experimenten aufgetretenen Erleichterungseffekt scheint also die räumliche Position des Geräuschs keine Rolle zu spielen, ausschlaggebend erscheint alleine die zeitliche Position zwischen den beiden Lichtpunkten. 4. Experiment 2 48 Obwohl der Einfluss der einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 1 und 2 trotz der veränderten räumlichen Position des auditiven Reizes sehr ähnlich ausfiel, zeigte sich aber auch ein Unterschied zwischen den beiden Versuchen: Während in Experiment 1 lediglich die Darbietung eines Geräuschs zwischen V1 und V2 zu einer signifikanten Zunahme des Bewegungseindrucks im Vergleich zu einer rein visuellen Kontrolldarbietung führte, kam es in Experiment 2 zusätzlich auch bei zeitgleicher Geräuschdarbietung mit V2 zu einer signifikanten Zunahme (auch in Experiment 1 kam es hier zu einer Zunahme der Bewegungsberichte gegenüber der Kontrollbedingung, die Differenz verfehlte aber die statistische Signifikanz). Diese beiden Bedingungen unterschieden sich dabei nicht signifikant voneinander, auch wenn bei Darbietung zwischen V1 und V2 tendenziell häufiger eine Bewegung berichtet wurde als bei zeitgleicher Darbietung mit V2. Dieses Ergebnis war unerwartet: Allen & Kolers (1981) zeigten, dass ein zeitgleich mit V2, aber räumlich inkompatibel zu V2 dargebotenes Geräusch im Vergleich zu einer rein visuellen Kontrollbedingung zu keiner signifikanten Veränderung führte. Dem folgend wurde auch in der vorliegenden Untersuchung kein Effekt eines zeitgleich mit V2 dargebotenen Geräuschs erwartet. Allerdings wurde in der vorliegenden Untersuchung das Geräusch von 90° links, also entfernt vom visuellen Geschehen dargeboten, Allen & Kolers (1981) präsentierten das Geräusch dagegen jeweils an der Position des ersten visuellen Stimulus. Die beiden Untersuchungen sind daher auch nur bedingt vergleichbar. Der Effekt eines mit V2 dargebotenen Geräuschs unterstreicht aber, dass audiovisuelle Interaktionen durchaus den Eindruck einer visuellen Scheinbewegung – insbesondere bei längeren ISOI im Bereich von 100 bis 250 ms - erleichtern können. Frühere Untersuchungen (Allen & Kolers, 1981; Staal & Donderi, 1983; Ohmura, 1987; Strybel & Vatakis, 2004) hatten dagegen keinen erleichternden, teilweise sogar einen hemmenden Einfluss auditiver Reize auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen in diesem ISOI Bereich gefunden. Allerdings wurden in den genannten Untersuchungen (mit Ausnahme von Allen & Kolers, 1981) ausschließlich ein auditiver Reiz zeitgleich mit dem ersten visuellen Reiz oder zwei auditive Reize zeitgleich mit den beiden visuellen Reizen dargeboten. Diese Stimulusanordnungen scheinen gerade für eine Erleichterung der Bewegungswahrnehmung ungünstig zu sein: In den Untersuchungen mit zwei auditiven Reizen könnten die beiden Geräusche gerade die Getrenntheit der beiden distinkten visuellen Reize betont und dadurch den Eindruck zweier sukzessiv aufleuchtender Punkte begünstigt haben. Bei nur einem auditiven Reiz, der 4. Experiment 2 49 gekoppelt an den ersten visuellen Reiz dargeboten wird, wurde einfach der Zeitpunkt für eine audiovisuelle Interaktion ungünstig gewählt. Die Tatsache, dass in Experiment 2 neben der Geräuschdarbietung zwischen V1 und V2 auch in etwas geringerem Ausmaß die Geräuschdarbietung mit V2 zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks führte, beinhaltet auch theoretische Implikationen: Geht man davon aus, dass dem Erleichterungseffekt in beiden Versuchsbedingungen der gleiche Mechanismus zu Grunde liegt, so spricht dass gegen einen temporalen Ventriloquismuseffekt als Erklärung des Phänomens. Da der auditive Stimulus hier zeitgleich mit dem zweiten visuellen Stimulus dargeboten wurde, kann es hier nicht zu einer subjektiven Verschiebung des wahrgenommenen Zeitpunkts des visuellen in Richtung des auditiven Stimulus gekommen sein. Auch eine subjektive Verkürzung gefüllter Pausen erscheint hier als Erklärung des Phänomens unplausibel, da das Geräusch bei Darbietung mit V2 nicht in die Pause zwischen den beiden Lichtpunkten, das ISOI, fiel. Zusammenfassend zeigte Experiment 2, dass ein zwischen V1 und V2 dargebotenes kurzes Geräusch - unabhängig von dessen räumlicher Position - zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks führt. Der in Experiment 2 zusätzlich aufgetretene Erleichterungseffekt durch ein mit V2 dargebotenes Geräusch zeigte aber auch, dass audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen nicht ausschließlich bei einem Zeitpunkt der Geräuschdarbietung in der Mitte des ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks führen können. Erklärungsansätze, die einen solchen Erleichterungseffekt nur durch die räumlich und/oder zeitlich mittige Position des Geräuschs zwischen den Lichtpunkten erklären können (also die o.g. Erklärungen durch temporalen Ventriloquismus und räumlich-neuronale Komponenten), scheiden daher als theoretische Grundlage des Phänomens aus. In einem dritten Experiment sollte nun vor allem die Rolle von kognitiven Faktoren sowie Aufmerksamkeitseffekten näher untersucht werden. 50 5. Experiment 3 In den vorangehenden beiden Experimenten wurde gezeigt, dass ein kurzes klickartiges Geräusch die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen in einer Weise beeinflussen kann, die insbesondere bei längeren ISOI den Bewegungseindruck begünstigt. Das von Welch & Warren (1980) vorgeschlagene Konzept der assumption of unity bietet als kognitiver Faktor eine mögliche Erklärung für diesen Erleichterungseffekt (s. auch Abschnitt 2.6.5): die Beobachter könnten die audiovisuellen Stimuli auf Grund der zeitlichen Nähe im Sinne der assumption of unity als ein zusammenhängendes Ereignis interpretiert haben, also ein visuelles Objekt, das während einer Bewegung von der einen zu einer anderen Position ein Geräusch produziert. Falls ein solcher kognitiver Faktor bei der Erklärung des Phänomens eine Rolle spielt, sollte auch bei einem kontinuierlichen, über die gesamte Zeitdauer vom Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten visuellen Stimulus dargebotenem Geräusch ein Erleichterungseffekt auftreten: eine solche Darbietung entspricht Situationen im Alltag, bei denen aus Sicht des Beobachters ein bewegtes Objekt durch ein Hindernis teilweise verdeckt wird, aber trotzdem während der gesamten Bewegung hörbar ist. Beispiele hierfür sind ein fahrendes Auto, das durch ein Hindernis wie ein am Straßenrand parkendes Auto teilweise verdeckt wird, oder ein Tier, das hinter einem Baum herläuft, und während dieses Moments zwar nicht sichtbar ist, aber trotzdem hörbare Geräusche verursacht. Die assumption of unity auf Seiten des Betrachters sollte also gerade bei einer Darbietung des Phi-Phänomens mit einem zusätzlichem kontinuierlichen Geräusch eine Interpretation der audiovisuellen Stimuli als ein Objekt in Bewegung stark begünstigen, der Bewegungseindruck durch das „verbindende“ Geräusch zwischen V1 und V2 erleichtert werden. Experiment 3 untersuchte diesen Ansatz durch Darbietung eines kontinuierlichen Geräuschs, das mit V1 einsetzte und mit V2 endete. In einer weiteren Geräuschbedingung wurde in Anlehnung an die ersten beiden Experimente zusätzlich zu diesem kontinuierlichen Geräusch in der Mitte des ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten ein kurzer, lauterer Klicklaut dargeboten. Diese Erleichterungseffekts Bedingung durch ist einen ein kritischer Test für eine Aufmerksamkeitsablenkungseffekt. Erklärung des Im des Falle durchgehend kontinuierlichen Geräuschs sollte keine Ablenkung der Aufmerksamkeit auftreten, da das Geräusch während des gesamten Durchgangs konstant bleibt. Demnach 5. Experiment 3 51 sollte hier auch kein Erleichterungseffekt auftreten. Der zusätzliche kurze Klicklaut könnte dagegen die Aufmerksamkeit vom visuellen Geschehen ablenken und sollte demnach zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks führen. Zusätzlich wurden noch zwei weitere Geräuschbedingungen untersucht. Hier wurde das Geräusch nach dem Ende des ersten bis zum Beginn des zweiten visuellen Stimulus, also während der Bildschirm zwischen den beiden Lichtpunkten schwarz blieb, leiser bzw. lauter. Beide Bedingungen ließen sich kognitiv gut im Sinne einer Bewegung interpretieren: Ein Hindernis, das teilweise die Sicht auf ein bewegtes Objekt verdeckt, könnte auch einen Teil des Schalls schlucken und somit ein leiser werden erklären. Das Lauterwerden des Geräuschs könnte dagegen im Sinne einer Kompensation der fehlenden visuellen Information interpretiert werden. 5. Experiment 3 52 5.1 Methode 5.1.1 Versuchspersonen Am dritten Experiment nahmen insgesamt 16 Personen teil, überwiegend Studenten der Fakultät für Psychologie. Die Stichprobe setzte sich aus 10 weiblichen und 6 männlichen Versuchspersonen im Alter zwischen 20 und 39 Jahren zusammen (Durchschnittsalter 26,2 Jahre). Drei weibliche und zwei männliche Probanden hatten bereits an Experiment 2 teilgenommen, die anderen Teilnehmer waren naiv in Hinblick auf die Untersuchung. Die Versuchspersonen wiesen nach eigenen Angaben keine bekannten permanenten Hörschäden oder sonstige aktuelle Beeinträchtigungen des Gehörs oder des Sehvermögens auf. Die Studenten der Fachrichtung Psychologie erhielten für ihren zeitlichen Aufwand eine Versuchspersonenstunde. 5.1.2 Versuchsaufbau Versuchsaufbau, Apparatur und Stimuli entsprachen exakt dem bereits in Experiment 1 geschildertem Vorgehen, mit Ausnahme der auditiven Stimuli. In den Experimentalbedingungen wurde hier das gleiche bandpassgefilterte weiße Rauschen (obere Cut-Off Frequenz 4 kHz, untere Cut-Off Frequenz 100 Hz) wie in den ersten beiden Experimenten verwendet, allerdings setzte die Geräuschdarbietung jeweils mit dem ersten visuellen Stimulus ein und dauerte bis zum Ende des zweiten visuellen Stimulus an. Neben dieser kontinuierlichen Geräuschbedingung gab es drei weitere Experimentalbedingungen, bei denen das Geräusch wie folgt modifiziert wurde: In einer Versuchsbedingung setzte nach genau der Hälfte des ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten ein kurzer Klicklaut von 20 ms Dauer ein, es handelte sich dabei um nicht bandpassgefiltertes weißes Rauschen mit Frequenzanteilen von 0 – 48 kHz. Der Pegel war dabei gegenüber dem kontinuierlichen Geräusch (71dB(A)) um 14,5 dB erhöht. Zudem wurde in zwei weiteren Bedingungen die Lautstärke des kontinuierlichen Geräuschs vom Ende des ersten bis zum Einsetzen des zweiten visuellen Stimulus verändert. In einer abnehmenden Bedingung wurde der Pegel während des Interstimulus Intervalls (ISI) zwischen den beiden Lichtpunkten um 14 dB reduziert, und in einer zunehmenden Bedingung um 5,5 dB erhöht (jeweils mit einer An/Abstiegsflanke von 5 ms). Die Geräuschdarbietung erfolgte dabei wieder frontal durch Stereodarbietung der wie in Experiment 1 links und rechts vom Display angeordneten 5. Experiment 3 53 Lautsprecher. Zudem gab es wie in den ersten beiden Experimenten eine rein visuelle Kontrollbedingung. Abbildung 8 stellt die einzelnen Versuchsbedingungen schematisch dar. 1s visuelle Stimuli 0.1 s Fixationskreuz ISOI V1 V2 kontinuierlich mit zusätzlichem Klick zwischen V1 und V2 leiser zwischen V1 und V2 lauter Kontrollbedingung Abbildung 8: Schematische Darstellung der Versuchsbedingungen in Experiment 3. Nach einem Fixationskreuz erschienen zwei visuelle Stimuli V1 und V2, die durch ISOI zwischen 0 und 350 ms voneinander getrennt waren. Zusätzlich wurden Geräusche dargeboten, die mit V1 einsetzten und mit V2 endeten. Das Geräusch konnte dabei während der Darbietungsdauer konstant sein, einen zusätzlichen kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2 aufweisen, oder während des Interstimulus Intervalls zwischen V1 und V2 leiser bzw. lauter werden. In der Kontrollbedingung wurden nur die visuellen Stimuli dargeboten. Anzumerken ist, dass bei 0 ms ISOI die Bedingungen mit kontinuierlichem, abnehmendem und zunehmendem Geräusch identisch waren. Die rein visuelle Kontrollbedingung wurde wie in den ersten beiden Experimenten als separater Block vor bzw. nach dem Experimentalblock mit Geräuschdarbietung präsentiert. Innerhalb des Experimentalblocks gab es vier Versuchsbedingungen und damit eine Bedingung weniger als in den vorangehenden beiden Experimenten, die Anzahl der Versuchsdurchgänge reduzierte sich damit im Experimentalblock auf 256 (4 Geräuschbedingungen x 8 ISOI x 8 Wiederholungen), die in vier Unterblöcken mit je 64 Durchgängen dargeboten wurden. 5. Experiment 3 54 5.1.3 Versuchsdurchführung, Datenauswertung und Statistik Versuchsinstruktion und Versuchsdurchführung sowie Datenauswertung und Statistik folgten dem in Experiment 1 beschriebenen Vorgehen, allerdings war ein statistischer Vergleich der Ergebnisse von Experiment 3 mit den vorangehenden beiden Experimenten hier natürlich nicht möglich, da es sich um völlig unterschiedliche Versuchsbedingungen handelte. 5.2 Ergebnisse Die Verteilung der vier Antwortkategorien über den untersuchten ISOI Bereich fiel ähnlich aus wie in den beiden vorangehenden Experimenten. Der prozentuale Anteil der „glatte Bewegung“ Antworten als Funktion von ISOI und Geräuschbedingung wird in Abbildung 9 dargestellt. Im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung traten im Bereich zwischen 100 und 250 ms ISOI Scheinbewegungen häufiger in den Geräuschbedingungen mit einem kontinuierlichen Geräusch, einem zusätzlichen Klicklaut zwischen V1 und V2, sowie einem zwischen Darbietung der beiden Lichtpunkte lauter werdendem Geräusch auf. Diese drei Bedingungen unterschieden sich dabei nur geringfügig voneinander. So lag der Anteil der „glatte Bewegung“ Antworten in der Kontrollbedingung beispielsweise bei 100 ms ISOI bei 57%, bei kontinuierlichem sowie lauter werdendem Geräusch dagegen jeweils noch bei 75%, auch die Bedingung mit zusätzlichem Klicklaut erreichte hier noch 74%. Die Bedingung mit einem zwischen V1 und V2 leiser werdendem Geräusch unterschied sich im Gegensatz zu den anderen drei Geräuschbedingungen kaum von der Kontrollbedingung. Bei 100 ms ISOI wurden hier beispielsweise 63% „glatte Bewegung“ Antworten erreicht (vs. 57% in der Kontrollbedingung). 5. Experiment 3 55 Abbildung 9: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ in Abhängigkeit vom ISOI für alle getesteten Versuchsbedingungen in Experiment 3. Die einzelnen Datenpunkte zeigen die gemittelten Werte über alle Versuchspersonen (N = 16). Eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung bestätigte den starken Einfluss der Geräuschbedingung auf den Wahrnehmungseindruck „glatte Bewegung“. Es zeigten sich signifikante Haupteffekte der beiden Faktoren ISOI (F[3, 45] = 63.04; p < 0.001) und Geräuschbedingung (F[4, 60] = 3.86; p = 0.007). Die Interaktion von ISOI und Geräuschbedingung verfehlte dagegen klar die statistische Signifikanz (F[12, 180] = 0.63; p = 0.814). In dieser fehlenden Wechselwirkung der beiden Faktoren zeigt sich der annähernd identische Verlauf der Geräuschbedingungen mit kontinuierlichem Geräusch, zwischen V1 und V2 lauter werdendem Geräusch, sowie mit einem Klicklaut zwischen den beiden Lichtpunkten im untersuchten ISOI Bereich von 100 bis 250 ms. 5. Experiment 3 56 Abbildung 10: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ für die einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 3. Die Balken zeigen die gemittelten Werte über die ISOI, bei denen ein Einfluss der Geräuschbedingung erwartet wurde (100, 150, 200, 250 ms). Die Fehlerbalken zeigen Standardfehler vom Mittelwert (SE) über die Versuchspersonen (N = 16). Die gemittelte Häufigkeit der „glatte Bewegung“ Antworten über die ISOI 100, 150, 200, und 250 ms zeigt Abbildung 10 für die einzelnen Geräuschbedingungen. Im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung (Mittelwert 32,8%, SE +/-4,8%) war der prozentuale Anteil der „glatte Bewegung“ Antworten höher in den Bedingungen mit einem kontinuierlichen Geräusch (Mittelwert 43,6%, SE +/-5,8%; t[15] = 2.40; p = 0.030), einem zusätzlichen Klicklaut zwischen V1 und V2 (Mittelwert 44,0%, SE +/-6,2%; t[15] = 2.19; p = 0.045), sowie einem zwischen den beiden Lichtpunkten lauter werdenden Geräusch (Mittelwert 42,4%, SE +/-5,4%; t[15] = 2.23; p = 0.042), wobei diese drei Bedingungen sich nicht voneinander unterschieden. Die verbleibende Experimentalbedingung mit einem zwischen V1 und V2 leiser werdendem Geräusch lag dagegen auf dem Niveau der rein visuellen Kontrollbedingung (Mittelwert 32,2%, SE +/-4,0%; t[15] = 0.14; p = 0.892). 5. Experiment 3 57 5.3 Diskussion Auch in Experiment 3 erleichterte die Darbietung von Geräuschen die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen. Die Geräuschdarbietung unterschied sich dabei von den ersten beiden Experimenten: statt eines kurzen, klickartigen Geräuschs war der auditive Reiz hier von Beginn des ersten bis Ende des zweiten Lichtpunkts präsent. Von den vier untersuchten Geräuschbedingungen führten dabei gleichermaßen ein durchgehend kontinuierliches Geräusch, ein Geräusch mit einem zusätzlichen kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2, sowie ein zwischen der Darbietung der beiden Lichtpunkte lauter werdendes Geräusch zu einer signifikanten Zunahme des Bewegungseindrucks gegenüber einer rein visuellen Darbietung. Ein zwischen den Lichtpunkten leiser werdendes Geräusch führte dagegen zu gleichen Ergebnissen wie die rein visuelle Darbietung. Die Ergebnisse dieses Experiments zeigen also zunächst einmal, dass die Wahrnehmung einer visuellen Scheinbewegung nicht nur durch ein kurzes klickartiges Geräusch (wie in den vorangehenden beiden Experimenten), sondern auch durch einen während der gesamten Zeitdauer vom Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten visuellen Stimulus dargebotenen auditiven Reiz erleichtert werden kann. Dieser Befund stellt daher eine Erweiterung des Phänomens dar. Eine umfassende Theorie, die den Ergebnissen in allen drei Experimenten gerecht werden will, dürfte also nicht von der Zeitdauer des Geräuschs abhängen. Zur Erklärung des Erleichterungseffekts durch ein kurzes, zwischen V1 und V2 dargebotenes Geräusch, wurde neben aufmerksamkeitsorientierten, räumlichen und kognitiven Erklärungsansätzen auch ein temporaler Ventriloquismuseffekt (s. auch Abschnitt 2.6.4) herangezogen, der aber dieses Kriterium nicht erfüllt. Dieser Ansatz geht davon aus, dass ein zwischen V1 und V2 dargebotenes Geräusch die beiden Lichtpunkte in der zeitlichen Dimension angezogen und somit zu einer subjektiven Verkürzung des ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten geführt haben könnte (Morein-Zamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder, 2004). In Experiment 3 führte nun aber auch ein durchgehend kontinuierliches Geräusch zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks. Hier kann es also nicht zu einer subjektiven zeitlichen Verschiebung der visuellen in Richtung des auditiven Reizes gekommen sein, da keine temporale Diskrepanz zwischen visueller und auditiver Information vorlag. Unter der Voraussetzung, dass dem Erleichterungseffekt in allen drei Experimenten der gleiche 5. Experiment 3 58 Mechanismus zu Grunde liegt, spricht das vorliegende Ergebnis also klar gegen einen solchen Erklärungsansatz. Die zudem in Experiment 3 aufgetretene Erleichterung des Bewegungseindrucks durch ein Geräusch mit einem kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2 sowie durch ein zwischen den beiden Lichtpunkten lauter werdendes Geräusch ließe sich zunächst gut durch einen Aufmerksamkeitsablenkungseffekt (s. auch Abschnitt 2.6.1) erklären. In audiovisuellen Stimulussituationen kann ein auditiver Reiz Aufmerksamkeit vom visuellen Geschehen ablenken und somit zu einer reduzierten kognitiven Verarbeitung der visuellen Stimuli führen (Massaro & Warner, 1977; Tellinghuisen & Nowak, 2003). Plausibel erscheint eine solche Ablenkung der Aufmerksamkeit in den Geräuschbedingungen mit einem Klicklaut und einem lauter werdenden Geräusch wegen der abrupten Pegeländerungen in diesen beiden Bedingungen. Durch die plötzlichen Veränderungen des Geräuschs könnten die auditiven Reize also in diesen Bedingungen Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und somit zu einer reduzierten Verarbeitung der beiden visuellen Stimuli (und des Zeitintervalls dazwischen) geführt haben. Dadurch könnte die bei längeren ISOI üblicherweise deutlich erkennbare „Lücke“ zwischen den beiden Lichtpunkten weniger Aufmerksamkeit erlangt haben und somit der Eindruck einer Bewegung begünstigt worden sein. Die Zunahme des Bewegungseindrucks durch ein kontinuierliches Geräusch lässt sich dagegen aber durch einen solchen Aufmerksamkeitsablenkungseffekt nur schwer erklären. Hier blieb das Geräusch während der gesamten audiovisuellen Reizdarbietung konstant und erscheint daher weniger geeignet, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. In dieser Bedingung wäre daher ein Ausbleiben des Erleichterungseffekts oder zumindest eine deutliche Abschwächung gegenüber den Bedingungen mit einem zusätzlichen Klicklaut sowie einem lauter werdenden Geräusch zu erwarten gewesen. Diese drei Bedingungen führten jedoch in gleicher Stärke zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks. Dagegen blieb in der Bedingung mit einem zwischen den beiden Lichtpunkten leiser werdenden Geräusch ein Erleichterungseffekt aus. In dieser Bedingung wäre aber auf Grund der plötzlichen Pegeländerung analog zur Bedingung mit lauter werdendem Geräusch eine Ablenkung der Aufmerksamkeit und somit auch eine Erleichterung des Bewegungseindrucks zu erwarten gewesen. Insgesamt kann der differenzierte Einfluss von Geräuschen in diesem Experiment durch die Aufmerksamkeitsablenkungshypothese nicht ausreichend erklärt werden. 5. Experiment 3 59 Ein kognitiver Faktor wie das von Welch & Warren (1980) vorgeschlagene Konzept der assumption of unity (s. auch Abschnitt 2.6.5) bietet dagegen eine plausible Erklärung der Geräuschwirkung in Experiment 3. Gemeint ist mit der assumption of unity die üblicherweise starke Annahme eines Beobachters, dass räumlich-zeitlich nahe beieinander liegende Stimuli einen gemeinsamen Ursprung haben (Welch & Warren, 1980). Im vorliegenden Experiment setzte das Geräusch jeweils mit dem ersten visuellen Stimulus ein und endete mit dem zweiten visuellen Stimulus. Eine Interpretation der audiovisuellen Reize als ein zusammenhängendes Objekt könnte dadurch stark begünstigt worden sein, das Geräusch als eine Art „verbindendes Element“ zwischen den beiden Lichtpunkten gewirkt haben. Die dabei entstehende Diskrepanz, ein visuelles Objekt, das nacheinander an zwei verschiedenen Positionen erscheint, kann kognitiv gut durch die Annahme gelöst werden, dass sich das Objekt von der einen zur anderen Position bewegt hat, was insbesondere bei längeren ISOI den Eindruck einer Scheinbewegung erleichtern würde. Eine solche Annahme auf Seiten des Betrachters erscheint plausibel, wenn man bedenkt, das reale Objekte während einer Bewegung teilweise von einem Hindernis verdeckt sein können, dabei aber trotzdem hörbar bleiben. Für den Erleichterungseffekt in Experiment 3 spielte es dabei keine Rolle, ob das Geräusch während der Darbietung konstant blieb, einen kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2 aufwies, oder im Zeitintervall zwischen den beiden Lichtpunkten lauter wurde. Unterschiede zwischen den drei Bedingungen wären hier aber auch nicht zu erwarten, da sich alle drei Bedingungen gleichermaßen im Sinne der assumption of unity als Bewegung interpretieren lassen. Das lauter werden des Geräuschs könnte intuitiv vielleicht wie eine Kompensation der zwischenzeitlich fehlenden visuellen Information wirken, der kurze Klicklaut wie ein während der Bewegung produziertes zusätzliches Geräusch. Die Veränderung des Geräuschs in diesen beiden Bedingungen gegenüber der Bedingung mit konstantem Geräusch könnte aber auch einfach deswegen keine Auswirkungen haben, da sich dadurch für den Beobachter die Ausgangslage nicht ändert: ein auditiver Reiz, der zwei visuelle Ereignisse miteinander „verbindet“. Demgegenüber könnte in der Bedingung mit leiser werdendem Geräusch gerade die damit verbundene Abschwächung dieses „verbindenden Elements“ dazu geführt haben, dass hier kein Erleichterungseffekt auftrat. Auch hier hätte man analog zu den drei anderen Bedingungen eine Erleichterung des Bewegungseindrucks erwarten können, wenn das leiser werden im Sinne der assumption of unity beispielsweise als eine Ablenkung des Schalls durch ein Hindernis, das gleichzeitig das bewegte Objekt teilweise verdeckt, interpretiert wird. Die 5. Experiment 3 60 deutliche Abnahme des Pegels im Zeitintervall zwischen den beiden Lichtpunkten könnte aber gerade das getrennte Aufleuchten der beiden Punkte hervorgehoben haben und dadurch den Eindruck zweier getrennter audiovisueller Ereignisse begünstigt haben. Mit Einschränkungen lässt sich diese Bedingung mit einer Präsentation des Phi-Phänomens vergleichen, bei der jeweils simultan mit den beiden Lichtpunkten zwei kurze auditive Reize dargeboten werden. Bei einer solchen Stimulusanordnung zeigt sich üblicherweise bei längeren ISOI auch keine Verbesserung des Bewegungseindrucks (Allen & Kolers, 1981), sondern allenfalls eine Verschlechterung (Staal & Donderi, 1983; Strybel & Vatakis, 2004). 61 6. Gesamtdiskussion In allen drei durchgeführten Experimenten beeinflussten Geräusche die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen. Dabei kam es insbesondere bei längeren ISOI zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks durch auditive Stimuli. Zu einem solchen Erleichterungseffekt kam es dabei in Experiment 1 bei einem zeitlich und räumlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenen kurzen klickartigen Geräusch. Die Darbietung des Geräuschs kurz vor dem ersten, zeitgleich mit dem ersten oder zweiten, oder kurz nach dem zweiten Lichtpunkt führte dagegen zu keiner Veränderung gegenüber einer rein visuellen Darbietung. In Experiment 2 wurde die räumliche Position der auditiven Reizdarbietung gegenüber dem ersten Experiment variiert: Die Geräuschdarbietung erfolgte hier nicht räumlich frontal zwischen den beiden Lichtpunkten, sondern räumlich entfernt vom visuellen Geschehen von der linken Seite. Auch bei dieser Anordnung führte die Geräuschdarbietung zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks. Zudem trat in Experiment 2 auch eine signifikante Erleichterung bei zeitgleicher Darbietung mit dem zweiten Lichtpunkt auf. Die Darbietungen kurz vor dem ersten, zeitgleich mit dem ersten, oder kurz nach dem zweiten Lichtpunkt unterschieden sich aber auch hier nicht von einer rein visuellen Darbietung. Insgesamt fiel der Einfluss der Geräuschbedingungen in beiden Experimenten sehr ähnlich aus, signifikante Unterschiede zwischen den Ergebnissen der beiden Versuche gab es nicht. Ein Erleichterungseffekt trat auch in Experiment 3 auf. Die Geräuschdarbietung erfolgte hier wieder räumlich frontal zwischen den beiden Lichtpunkten, allerdings unterschied sich die Art der Geräusche von den ersten beiden Versuchen: Die Geräusche dauerten hier jeweils vom Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten Lichtpunkts an. Für das Auftreten des Erleichterungseffekts spielte es dabei keine Rolle, ob das Geräusch während der Darbietung konstant blieb, einen zusätzlichen kurzen Klicklaut zwischen den beiden Lichtpunkten aufwies, oder zwischen den beiden Lichtpunkten (also während der Bildschirm zwischen den Darbietungen der beiden visuellen Stimuli schwarz blieb) lauter wurde. Ein zwischen den 6. Gesamtdiskussion 62 beiden Lichtpunkten leiser werdendes Geräusch führte dagegen zu keinen Veränderungen gegenüber einer rein visuellen Darbietung. Hinweise für den in Experiment 1 aufgetretenen Erleichterungseffekt durch ein räumlich und zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes kurzes Geräusch berichtete bereits Getzmann (persönliche Mitteilung) im Rahmen einer unveröffentlichten Untersuchung aus dem Jahre 2002. Auch in der damaligen Untersuchung führte ein räumlich-zeitlich zwischen zwei aufeinander folgenden Lichtpunkten dargebotenes kurzes Geräusch zu einer deutlichen Zunahme des Bewegungseindrucks, wobei dieser Effekt bei 166 ms ISOI sein Maximum erreichte und auch bei 300 ms ISOI noch existent war. Zwischen diesen beiden Werten gab es in der Untersuchung von Getzmann (persönliche Mitteilung) aber keine Darbietungen, so dass der zeitliche Verlauf des Effekts hier nicht näher bestimmt werden konnte. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es zunächst, diesen von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebenen Erleichterungseffekt zu replizieren. Das ist in Experiment 1 gelungen: Bei einer feineren Abstufung des ISOI trat auch in Experiment 1 ein Erleichterungseffekt durch ein räumlich-zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten platziertes Geräusch auf; in der Differenz zu einer rein visuellen Darbietung erreichte der Effekt hier bei 150 ms ISOI sein Maximum, was mit dem zeitlichen Verlauf des Effekts in der Untersuchung von Getzmann (persönliche Mitteilung) übereinstimmt. Experiment 1 stellt somit eine Replikation des früheren Befundes dar. Interessant ist der in Experiment 1 aufgetretene Effekt durch ein räumlich-zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch deshalb, da hier eine Förderung des Bewegungseindrucks durch einen auditiven Stimuli auftrat, und zwar insbesondere bei längeren ISOI. Frühere Untersuchungen zum Einfluss audiovisueller Interaktion auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen fanden dagegen durchweg keine Erleichterung des Bewegungseindrucks durch Geräusche (Allen & Kolers, 1981; Staal & Donderi, 1983; Ohmura, 1987; Strybel & Vatakis, 2004). Allerdings erfolgte die Geräuschdarbietung in diesen Untersuchungen ausschließlich gekoppelt an die räumliche und zeitliche Position der beiden visuellen Stimuli. Nach der gelungenen Replikation des von Getzmann (persönliche Mitteilung) berichteten Erleichterungseffekts in Experiment 1 war nun das weitere Ziel der Untersuchung, mögliche Erklärungsansätze für das Phänomen empirisch näher zu untersuchen. Zur Erklärung des Erleichterungseffekts durch ein räumlich-zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch wurden neben Aufmerksamkeitseffekten (Ablenkung der 6. Gesamtdiskussion 63 Aufmerksamkeit, subjektive Verkürzung gefüllter Pausen) auch Ansätze herangezogen, die auf dem Zeitpunkt oder der räumlichen Position der Darbietung aufbauen, sowie kognitive Faktoren (s. auch Abschnitt 2.6). Diese fünf Erklärungsansätze werden im Folgenden zusammenfassend zunächst getrennt unter Berücksichtigung der vorliegenden Ergebnisse diskutiert. Ablenkung der Aufmerksamkeit Ein irrelevanter auditiver Stimulus kann Aufmerksamkeit von einer visuellen Stimulusdarbietung ablenken und somit zu einer reduzierten kognitiven Verarbeitung der visuell dargebotenen Information führen (Massaro & Warner, 1977; Tellinghuisen & Nowak, 2003). Beim Phi-Phänomen könnte die Darbietung eines kurzen Geräuschs in der Mitte des ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten also Aufmerksamkeit von dieser Verzögerung ablenken, und damit auch von der einer Bewegung widersprechenden Information längerer Verzögerungen zwischen den beiden Lichtpunkten. Ein solcher Aufmerksamkeitsablenkungseffekt könnte gerade in der von Getzmann (persönliche Mitteilung) geschilderten Untersuchung stark begünstigt worden sein (s. auch Abschnitt 2.6.1): die gemischte Darbietung von Versuchsdurchgängen mit einem und zwei Geräuschen, wobei das einzelne Geräusch relativ selten auftrat und zudem lauter war als in den Durchgängen mit zwei Geräuschen, könnte gerade in diesen Durchgängen die Aufmerksamkeit auf das Geräusch gelenkt haben. In der vorliegenden Untersuchung (Experiment 1 und 2) unterschieden sich die Durchgänge innerhalb eines Versuchsblocks aber nur hinsichtlich des Zeitpunkts der Geräuschdarbietung, so dass ein solches methodisch bedingtes „Hervorstechen“ der Durchgänge mit einem Geräusch zwischen V1 und V2 ausgeschlossen war. Ein Erleichterungseffekt trat dennoch auch hier in beiden Versuchen auf und kann daher nicht auf diese methodische Besonderheit in der früheren Untersuchung zurückgeführt werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sprechen darüber hinaus auch eindeutig gegen die Aufmerksamkeitsablenkungshypothese. Theoretisch sollte der Ablenkungseffekt am stärksten bei Geräuschdarbietung zu Beginn des Zeitintervalls zwischen V1 und V2 auftreten: In diesem Fall würde die Aufmerksamkeit gleich zu Beginn der Pause (also der einer Bewegung widersprechenden Information) abgelenkt und diese am ehesten an der kognitiven 6. Gesamtdiskussion 64 Verarbeitung gehindert. In Experiment 1 und 2 hatte aber die Darbietung eines Geräuschs kurz vor oder zeitgleich mit V1 keinen Einfluss auf die Bewegungswahrnehmung, in Experiment 2 (mit räumlich entfernter Geräuschdarbietung) führte stattdessen ein zeitgleich mit V2 dargebotenes Geräusch zu einer Verbesserung des Bewegungseindrucks. Insbesondere das Ergebnis von Experiment 2 kann die Hypothese nicht erklären, da bei zeitgleicher Darbietung mit V2 eine Ablenkung ja erst auftreten könnte, nachdem die Pause zwischen V1 und V2 bereits vorüber ist. In der vorliegenden Untersuchung gab es allerdings keine Geräuschdarbietung zum theoretisch günstigsten Zeitpunkt kurz nach V1. Eine frühere Untersuchung von Ohmura (1987) zeigte aber bereits, dass auch bei dieser zeitlichen Anordnung (Geräuschdarbietung kurz nach V1) kein Erleichterungseffekt auftritt. Zudem kann die Aufmerksamkeitsablenkungshypothese auch die Ergebnisse des dritten Experiments nicht erklären, bei dem die Geräuschdarbietung über den gesamten Zeitraum von Beginn des ersten bis Ende des zweiten Lichtpunkts erfolgte: hier führte ein gleich bleibend kontinuierliches Geräusch gleichermaßen zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks wie ein zwischen den Lichtpunkten lauter werdendes Geräusch und ein Geräusch mit einem zusätzlichen kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2; ein leiser werdendes Geräusch erleichterte die Bewegungswahrnehmung dagegen nicht. Eine Ablenkung der Aufmerksamkeit ist aber in der kontinuierlichen Geräuschbedingung weniger zu erwarten als in den drei anderen Bedingungen, bei denen die abrupte Pegeländerung die Aufmerksamkeit auf das Geräusch lenken sollte. Subjektive Verkürzung gefüllter Pausen Der Erleichterungseffekt könnte auf eine subjektive Verkürzung der durch den auditiven Stimulus zwischen den beiden Lichtpunkten gefüllten Pause zurückzuführen sein. Durch einen solchen Effekt würde das ISOI subjektiv kürzer erscheinen, was insbesondere bei längeren ISOI den Eindruck einer Bewegung begünstigen könnte. Inwieweit eine solche subjektive Verkürzung des ISOI für das Auftreten des Erleichterungseffekts eine Rolle spielt, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse nicht eindeutig klären. In Experiment 2 (bei räumlich entfernter Geräuschdarbietung) trat eine Erleichterung der Bewegungswahrnehmung aber auch bei einem zeitgleich mit dem zweiten Lichtpunkt dargebotenem Geräusch auf. Zumindest hierfür kommt eine subjektive 6. Gesamtdiskussion 65 Verkürzung gefüllter Pausen als Ursache nicht in Frage, da der auditive Stimulus ja hier nicht in die Pause zwischen den beiden Lichtpunkten fiel. Auch das Ausbleiben eines Erleichterungseffekts durch ein leiser werdendes Geräusch in Experiment 3 ist nicht kompatibel zur Verkürzungshypothese: Auch in dieser Bedingung füllte ein Geräusch die komplette Pause zwischen den beiden Lichtpunkten, es ist daher unter der Hypothese unklar, warum nicht auch in dieser Bedingung eine subjektive Verkürzung der Pause auftreten sollte. Geht man davon aus, dass den Erleichterungseffekten in allen drei Experimenten der gleiche Mechanismus zu Grunde liegt, erscheint die Verkürzungshypothese als Erklärung daher unplausibel. Diese Einschätzung wird größtenteils auch durch die Forschung zur subjektiven Verkürzung gefüllter Pausen gestützt: Die für das Phi-Phänomen relevanten ISOI liegen im Millisekundenbereich, eine Verkürzung gefüllter Pausen wird aber oftmals ausschließlich für längere Pausen ab 5 s Dauer berichtet (Ihle & Wilsoncroft, 1983). Bei kürzeren Pausen wird dagegen teilweise sogar eine subjektive Verlängerung berichtet (Thomas & Brown, 1974; Ihle & Wilsoncroft, 1983), die dann logischerweise zu einer Verschlechterung des Bewegungseindrucks führen müsste. Eindeutig ist die Forschungsliteratur an dieser Stelle allerdings nicht: Im Rahmen einer Untersuchung zur audiovisuellen phänomenalen Kausalität (s. auch Abschnitt 2.6.2) berichten Guski & Troje (2003) gerade für den hier relevanten Zeitbereich bei einer Verzögerung von 200 ms eine subjektive Verkürzung durch einen auditiven Stimulus. Ob und in welcher Richtung ein zusätzlicher Reiz die wahrgenommene Zeitdauer einer Pause beeinflusst, scheint also größtenteils auch durch die jeweilige Stimulusanordnung beeinflusst. Es sollte daher in einer Folgeuntersuchung geklärt werden, ob die hier verwendete Versuchsanordnung zu einer subjektiven Verkürzung der Pausen zwischen den beiden Lichtpunkten durch die dargebotenen Geräusche führt. Gemeinsame räumliche Repräsentation der audiovisuellen Stimuli Ein Erleichterungseffekt bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen wurde ursprünglich von Getzmann (persönliche Mitteilung) für ein räumlich und zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch berichtet. Experiment 2 der vorliegenden Untersuchung sollte klären, inwieweit die räumliche Position zwischen den Lichtpunkten dabei ausschlaggebend für das Auftreten des Effekts ist. 6. Gesamtdiskussion 66 Denkbar wäre ein Bezug zu Befunden aus der Neurophysiologie, die eine gemeinsame modalitätsübergreifende Abbildung räumlicher Informationen aus dem visuellen und auditiven System im posterioren Parietallappen nahe legen (Mazzoni et al., 1996; Stricanne et al., 1996; Mullette-Gillman et al., 2005): Ein räumlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch würde demnach auch innerhalb einer gemeinsamen neuronalen Repräsentation der audiovisuellen Stimuli eine Position zwischen denen der beiden Lichtpunkte einnehmen und somit die räumliche „Lücke“ zwischen den beiden Lichtpunkten schließen (s. auch Abschnitt 2.6.3). Dies könnte den Eindruck einer Scheinbewegung begünstigen, da das Geräusch die beiden Lichtpunkte somit räumlich miteinander verbindet. Experiment 2 widerlegt diese These allerdings eindeutig, da der Erleichterungseffekt hier auch bei räumlich entfernter Darbietung in gleicher Weise auftrat wie in Experiment 1 bei räumlicher Darbietung zwischen den Lichtpunkten. Die Repräsentation des Geräuschs an einer Position räumlich zwischen den Lichtpunkten kann für das Zustandekommen des Erleichterungseffekts also nicht verantwortlich sein. Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass in Experiment 2 ein Erleichterungseffekt auch bei einem zeitgleich mit dem zweiten Lichtpunkt dargebotenem Geräusch auftrat. In Experiment 1 führte dagegen nur die Darbietung zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten zu einer Erleichterung. Zur weiteren Untersuchung dieses Phänomens fehlten allerdings in der vorliegenden Arbeit weitere Abstufungen der räumlichen und zeitlichen Position des Geräuschs. Weitere Experimente sollten daher klären, inwieweit das Auftreten des Erleichterungseffekts durch eine Interaktion von räumlicher und zeitlicher Position des Geräuschs beeinflusst wird. Dazu könnten in einer nachfolgenden Studie die räumliche Position in feinerer Abstufung zwischen den beiden Positionen zwischen V1 und V2 (0°) und 90° links variiert werden, sowie die zeitlichen Positionen der Geräuschdarbietung um einen Zeitpunkt kurz vor V2 ergänzt werden. Dadurch könnte einerseits untersucht werden, ob bei räumlich entfernter Geräuschdarbietung ein Erleichterungseffekt auch im Zeitbereich zwischen den in Experiment 2 signifikant hervorgetretenen Zeitpunkten zur Mitte des ISOI und zeitgleich mit V2 auftritt. Andererseits könnte so festgestellt werden, in welcher Weise sich der Erleichterungseffekt durch eine systematischen Veränderung der räumlichen Position verändert. 6. Gesamtdiskussion 67 Die zeitliche Komponente: temporaler Ventriloquismus Die Tatsache, dass ein zeitlich zwischen zwei aufeinander folgenden Lichtpunkten dargebotenes kurzes Geräusch beim Phi-Phänomen zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks führt, legt auf theoretischer Ebene zunächst einen Zusammenhang mit einem temporalen Ventriloquismuseffekt nahe, bei dem der subjektive Zeitpunkt visueller Reize in Richtung eines auditiven Reizes verschoben erscheint (Morein-Zamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder, 2004). Einen solchen temporalen Ventriloquismuseffekt zeigten Morein-Zamir et al. (2003) für die Diskriminationsleistung bei der Beurteilung der zeitlichen Reihenfolge zweier visueller Stimuli (s. auch Abschnitt 2.6.4): Die Darbietung eines kurzen Geräuschs vor dem ersten und nach dem zweiten visuellen Stimulus verbesserte die Diskriminationsleistung, wohingegen die Darbietung der beiden Geräusch im Zeitintervall zwischen den beiden Lichtpunkten die Leistung verschlechterte, jeweils im Vergleich zu zeitgleicher Darbietung mit den beiden Lichtpunkten. Dieser Effekt beruht offenbar auf einer subjektiven Verschiebung des Zeitpunkts der visuellen in Richtung der auditiven Stimuli, die im ersten Fall das Interstimulus Intervall größer und im zweiten Fall kleiner erscheinen lässt. Analog hierzu könnte das Geräusch zwischen den beiden Lichtpunkten beim Phi-Phänomen die Lichter auf der zeitlichen Dimension „angezogen“ haben und dadurch zu einer subjektiven Verkürzung des ISOI geführt haben, was insbesondere bei längeren ISOI den Bewegungseindruck begünstigen sollte: Das subjektiv wahrgenommene ISOI würde nun wieder in den für die Bewegungswahrnehmung günstigen Zeitbereich fallen. Inwieweit der Erleichterungseffekt beim Phi-Phänomen tatsächlich auf einen solchen temporalen Ventriloquismuseffekt zurückgeführt werden kann, wurde in der vorliegenden Untersuchung eingehend überprüft. Theoretisch wäre demnach bei Darbietung des Geräuschs kurz vor dem ersten bzw. kurz nach dem zweiten Lichtpunkt durch eine subjektive Verlängerung des ISOI auch eine Verschlechterung des Bewegungseindrucks zu erwarten. Experiment 1 der vorliegenden Untersuchung überprüfte diese Hypothese. Zu der unter der Ventriloquismushypothese erwarteten Verschlechterung kam es hier allerdings nicht, was ganz offensichtlich einen starken Widerspruch zur Hypothese darstellt: falls sich die Befunde von Morein-Zamir et al. (2003) auf das Phi-Phänomen übertragen ließen, hätte es auch hier zu einer zeitlichen Beeinflussung der visuellen Stimuli kommen müssen. Experiment 1 spricht daher klar gegen einen temporalen Ventriloquismuseffekt als Ursache der erleichterten Bewegungswahrnehmung durch ein Geräusch zwischen den beiden Lichtpunkten. 6. Gesamtdiskussion 68 Bekräftigt wird diese Einschätzung zusätzlich durch die Ergebnisse in Experiment 3, das ebenfalls ein kritischer Test für die Ventriloquismushypothese war: In Experiment 3 setzten die Geräusch mit dem ersten Lichtpunkt ein und endeten mit dem zweiten Lichtpunkt, d.h. eine zeitliche Verschiebung der visuellen in Richtung der auditiven Information war hier nicht möglich, da keine Diskrepanz zwischen beiden Modalitäten bestand. Das Auftreten des Erleichterungseffekts in Experiment 3 kann daher durch die Ventriloquismushypothese nicht erklärt werden. Zudem ist auch die Erleichterung der Bewegungswahrnehmung durch ein zeitgleich mit V2 dargebotenes Geräusch in Experiment 2 durch die Ventriloquismushypothese nicht erklärbar: Auch in diesem Fall lag keine zeitliche Diskrepanz zwischen auditiver und visueller Information vor, die zu einer Verschiebung der visuellen in Richtung der auditiven Information hätte führen können. Insgesamt betrachtet widerlegten also alle drei Experimente die Hypothese, dass ein temporaler Ventriloquismuseffekt die Ursache für den aufgetretenen Erleichterungseffekt ist, eine Übertragbarkeit dieses Konzepts auf das Phi-Phänomen erscheint nicht möglich. Assumption of unity: Ein kognitiver Erklärungsansatz Mit der assumption of unity ist die üblicherweise starke Annahme eines Beobachters gemeint, dass räumlich-zeitlich nahe beieinander liegende Stimuli einen gemeinsamen Ursprung haben, also ein zusammenhängendes Ereignis abbilden (Welch & Warren, 1980). Dieser kognitive Faktor könnte den Erleichterungseffekt durch ein zwischen den Lichtpunkten dargebotenes Geräusch begünstigt haben: Die Beobachter könnten die audiovisuellen Stimuli auf Grund der räumlich-zeitlichen Nähe in Experiment 1 als ein Ereignis interpretiert haben, etwa als ein bewegtes Objekt, dass während der Bewegung ein Geräusch produziert (s. auch Abschnitt 2.6.5). In Experiment 2 kann eine solche Interpretation im Sinne eines bewegten Objekts allerdings nur auf die zeitliche Nähe der audiovisuellen Stimuli zurückgeführt werden: Die Geräuschdarbietung erfolgte hier räumlich entfernt von den visuellen Stimuli. Die assumption of unity führt jedoch oft auch bei intersensorisch diskrepanten Stimulusinformationen zur Aufrechterhaltung eines einheitlichen Wahrnehmungseindrucks (Welch & Warren, 1980). In Experiment 2 könnte die räumliche Trennung von auditiven und visuellen Stimuli daher unerheblich gewesen sein, die diskrepante räumliche Information des Geräuschs auf Grund der vergleichsweise geringen räumlichen Auflösung des auditiven Systems (Welch & Warren, 1980; Kubovy, 1988) ignoriert worden sein. 6. Gesamtdiskussion 69 Während also der Erleichterungseffekt durch ein zeitlich zwischen V1 und V2 dargebotenes Geräusch in Experiment 1 und 2 plausibel durch die assumption of unity erklärt werden kann, ist die Erleichterung durch ein zeitgleich mit V2 dargebotenes Geräusch in Experiment 2 aber auch für den kognitiven Erklärungsansatz problematisch. Unklar ist, warum eine zeitgleiche Darbietung mit V2 nur bei räumlich entfernter Position des Geräuschs (Experiment 2), nicht aber bei einer Position zwischen den Lichtpunkten (Experiment 1) zu einer Erleichterung führen sollte. Anders als in den ersten beiden Experimenten setzte in Experiment 3 die Geräuschdarbietung mit dem ersten Lichtpunkt ein und endete mit dem zweiten Lichtpunkt. Das Auftreten des Erleichterungseffekts bei dieser Stimulusanordnung wurde der assumption of unity folgend dagegen erwartet: auch reale Objekte können während einer Bewegung teilweise verdeckt sein, obwohl sie während der kompletten Bewegung hörbar bleiben. Eine Interpretation der Stimuli im Sinne eines bewegten Objekts sollte hier also nahe liegend sein. Das Ausbleiben des Erleichterungseffekts bei einem zwischen den Lichtpunkten leiser werdendem Geräusch ist dabei nur scheinbar ein Widerspruch zu dieser Hypothese: In dieser Bedingung wurde durch die höhere Lautstärke während der Darbietung der Lichtpunkte gerade die Getrenntheit dieser beiden Ereignisse betont, ähnlich wie bei Darbietungen des Phi-Phänomens mit zwei kurzen Geräuschen, die zeitgleich mit den beiden Lichtpunkten präsentiert werden (Allen & Kolers, 1981; Staal & Donderi, 1983; Strybel & Vatakis, 2004); auch dabei kommt es üblicherweise nicht zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks. In den anderen Bedingungen stand dagegen die „Verbindung“ der Lichtpunkte durch das Geräusch im Vordergrund. Zusammenfassend betrachtet demonstrierte die vorliegende Untersuchung den Einfluss irrelevanter Geräusche auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen. Der bereits von Getzmann (persönliche Mitteilung) berichtete Befund, dass ein räumlich-zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten präsentiertes Geräusch zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks führt, konnte dabei repliziert und erweitert werden: auch bei räumlich entfernter Geräuschdarbietung und für längere Geräusche über die gesamte Dauer eines Durchgangs konnte ein Erleichterungseffekt nachgewiesen werden. 6. Gesamtdiskussion 70 Als Ursache dieses Erleichterungseffekts sind reine Aufmerksamkeitsablenkungseffekte sowie Erklärungen auf alleiniger Grundlage der zeitlichen (im Sinne eines temporalen Ventriloquismuseffekts) oder räumlichen Position (im Sinne einer gemeinsamen räumlichen Repräsentation der audiovisuellen Stimuli) auszuschließen. Die Erleichterung der Bewegungswahrnehmung durch irrelevante Geräusche ist stattdessen im Zusammenhang mit der assumption of unity als kognitivem Faktor zu sehen: Die Stimulusanordnungen in der vorliegenden Untersuchung begünstigten eine Interpretation der audiovisuellen Stimuli als ein zusammenhängendes Ereignis – als ein Objekt in Bewegung. Zukünftige Untersuchungen sollten aber die Rolle solcher kognitiver Faktoren im Zusammenhang mit audiovisuellen Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen weiter klären. Anbieten würde sich alltagsnäheres Stimulusmaterial, beispielsweise kann eine Scheinbewegung auch durch alternierende Darbietung einer Glocke an zwei Positionen induziert werden. Interessant wäre hier, ob ein natürliches Geräusch, das Läuten der Glocke, eine Scheinbewegung stärker begünstigt als ein unnatürliches Geräusch wie etwa ein weißes Rauschen. Anzunehmen wäre, dass Stimuli, die sich aus der Alltagserfahrung heraus leicht als bewegtes Objekt interpretieren lassen, auch häufiger eine Scheinbewegung induzieren als abstrakte audiovisuelle Stimuli, wie die in der vorliegenden Untersuchung verwendeten. Derartige Experimente wären geeignet, die Rolle kognitiver Faktoren näher zu beleuchten. Zudem sollten zukünftige Untersuchungen aber auch einen möglichen Einfluss einer subjektiven Verkürzung gefüllter Pausen sowie einer Interaktion zwischen räumlicher und zeitlicher Position des auditiven Stimulus weiter abklären. Insbesondere die Erleichterung der Bewegungswahrnehmung durch ein zeitgleich mit dem zweiten Lichtpunkt von einer räumlich entfernten Position dargebotenem Geräusch bedarf weiterer Klärung: Bei Darbietung an den räumlichen Positionen der beiden Lichtpunkte (Allen & Kolers, 1981) sowie zwischen diesen (Experiment 1 der vorliegenden Untersuchung) trat ein solcher Erleichterungseffekt nämlich nicht auf. In Bezug auf die Ziele der vorliegenden Untersuchung ist aber trotz der angesprochenen weiter offenen Forschungsfragen ein positives Fazit zu ziehen. Im Gesamtkontext der Forschungsliteratur zu audiovisuellen Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen betrachtet leistet die vorliegende Untersuchung vor allem dadurch einen 6. Gesamtdiskussion 71 wichtigen Beitrag, als hier erstmals eine Erleichterung der Bewegungswahrnehmung bei längeren ISOI durch irrelevante auditive Stimuli demonstriert wurde. Darüber hinaus liefert sie wie oben diskutiert aber auch erste empirische Erkenntnisse zu den diesem Phänomen zu Grunde liegenden Mechanismen. Dabei stellt die Arbeit auch einen Bezug zu anderen audiovisuellen Wahrnehmungsphänomenen her, wie der audiovisuellen phänomenalen Kausalität (Guski & Troje, 2003) und temporalen Ventriloquismusphänomenen (MoreinZamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder, 2004). Die Ziele der Untersuchung, nämlich die Replikation der Ergebnisse von Getzmann (persönliche Mitteilung) sowie die empirische Untersuchung möglicher Erklärungsansätze des Erleichterungseffekts, konnten somit erreicht werden. 72 7. Literatur Allen, P. G. & Kolers, P. A. (1981). Sensory specificity of apparent motion. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 7, 1318-1326. Blauert, J. (1997). Spatial hearing: the psychophysics of human sound localization. Cambridge: MIT Press. Briggs, R. M. & Perrott, D. R. (1972). Auditory apparent movement under dichotic listening conditions. Journal of Experimental Psychology, 92, 83-91. Burtt, H. E. (1917a). Auditory illusions of movement – a preliminary study. Journal of Experimental Psychology, 2, 63-75. Burtt, H. E. (1917b). Tactual illusions of movement. Journal of Experimental Psychology, 2, 371-385. Exner, S. (1875). Über das Sehen von Bewegungen und die Theorie des zusammengesetzten Auges. 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Anhang 8.1 Instruktionen Liebe Versuchsteilnehmerin, lieber Versuchsteilnehmer, vielen Dank, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben an unserem Experiment teilzunehmen. Sie werden gleich eine Reihe kurzer Filme sehen: Diese zeigen jeweils zwei Punkte, die kurz hintereinander aufleuchten. Zur Veranschaulichung folgen nun ein paar Beispiele. Lassen Sie diese Sequenzen erst einmal ganz entspannt auf sich wirken. Zur Fortsetzung drücken Sie bitte jeweils die ENTER-Taste. (Bildschirm 1) Ihre Aufgabe ist es nun zu beschreiben, was Sie gesehen haben. Dazu sollen Sie nach jeder Sequenz Ihren Eindruck einer Kategorie zuordnen. Geben Sie bitte jeweils an, was Sie wahrgenommen haben: 1) zwei gleichzeitig aufleuchtende Lichter, 2) ein Licht, das sich in einer kontinuierlichen, glatten Bewegung von der einen zur anderen Seite bewegt, 3) ein Licht, das sich in einer unterbrochenen, ruckartigen Bewegung von der einen zur anderen Seite bewegt, 4) zwei sukzessive, hintereinander aufleuchtende Lichter Weiter mit ENTER. (Bildschirm 2) 8. Anhang 78 Beschreiben Sie bitte nach jedem Durchgang Ihren Eindruck. Nennen Sie uns dazu diejenige Kategorie, die Ihrem Eindruck am nächsten kommt: Zwei gleichzeitige Lichter (gleichzeitig) -> Taste 0 Eine kontinuierliche, glatte Bewegung (glatt) -> Taste 1 Eine unterbrochene Bewegung (gebrochen) -> Taste 2 Zwei sukzessive Lichter (hintereinander) -> Taste 3 Zur Veranschaulichung folgen nun noch einmal die Beispiele. Zum Fortsetzen drücken Sie bitte jeweils die entsprechende Taste. (Bildschirm 3) Im Folgenden werden Ihnen 5 Blöcke mit jeweils 80 bzw. 64 Sequenzen dargeboten. Zwischen den Blöcken können Pausen eingelegt werden. Lassen Sie die einzelnen Sequenzen jeweils kurz auf sich wirken und ordnen Sie Ihren Eindruck ganz spontan einer der vier Kategorien zu. Bei den meisten Sequenzen werden zusätzlich zu den beiden Lichtpunkten Geräusche dargeboten. Lassen Sie sich davon nicht ablenken und achten Sie nur auf die Lichtpunkte. Bitte bedenken Sie: Es geht alleine um Ihren Eindruck und es gibt deshalb keine richtigen oder falschen Antworten. Wenn Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte jetzt an uns. Weiter mit ENTER. (Bildschirm 4) 8. Anhang 79 8.2 Statistische Auswertung Tabelle 1: Varianzanalyse zur Bestimmung der Einflüsse von ISOI (4-stufig: 100, 150, 200, 250ms) und Geräuschbedingung (6-stufig: vor V1, mit V1, Mitte, mit V2, nach V2, Kontrollbedingung ohne Geräuschdarbietung) auf die Zuordnung Wahrnehmungseindrucks zur Kategorie „glatte Bewegung“ in Experiment 1. Innersubjektfaktoren Maß: MASS_1 Bedingung Kontroll vor V1 mit V1 Mitte mit V2 nach V2 ISOI 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 Abhängige Variable b0_100 b0_150 b0_200 b0_250 b1_100 b1_150 b1_200 b1_250 b2_100 b2_150 b2_200 b2_250 b3_100 b3_150 b3_200 b3_250 b4_100 b4_150 b4_200 b4_250 b5_100 b5_150 b5_200 b5_250 des 8. Anhang 80 Mauchly-Test auf Sphärizitätb Maß: MASS_1 Epsilon Innersubjekteffekt Bedingung ISOI Bedingung * ISOI Mauchly-W ,043 ,500 ,000 Approximierte s Chi-Quadrat 34,912 8,127 . df 14 5 119 Signifikanz ,002 ,151 . Greenhous e-Geisser ,577 ,749 ,416 a Huynh-Feldt ,759 ,913 ,843 Untergrenze ,200 ,333 ,067 Prüft die Nullhypothese, daß sich die Fehlerkovarianz-Matrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen proportional zur Einheitsmatrix verhält. a. Kann zum Korrigieren der Freiheitsgrade für die gemittelten Signifikanztests verwendet werden. In der Tabelle mit den Tests der Effekte innerhalb der Subjekte werden korrigierte Tests angezeigt. b. Design: Intercept Innersubjekt-Design: Bedingung+ISOI+Bedingung*ISOI Tests der Innersubjekteffekte Maß: MASS_1 Quelle Bedingung Fehler(Bedingung) ISOI Fehler(ISOI) Bedingung * ISOI Fehler(Bedingung *ISOI) Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Quadratsum me vom Typ III 1,397 1,397 1,397 1,397 2,794 2,794 2,794 2,794 13,265 13,265 13,265 13,265 1,623 1,623 1,623 1,623 ,516 ,516 ,516 ,516 3,671 3,671 3,671 3,671 df 5 2,883 3,793 1,000 65 37,484 49,303 13,000 3 2,247 2,739 1,000 39 29,205 35,604 13,000 15 6,243 12,639 1,000 195 81,159 164,308 13,000 Mittel der Quadrate ,279 ,484 ,368 1,397 ,043 ,075 ,057 ,215 4,422 5,905 4,843 13,265 ,042 ,056 ,046 ,125 ,034 ,083 ,041 ,516 ,019 ,045 ,022 ,282 F 6,501 6,501 6,501 6,501 Signifikanz ,000 ,001 ,000 ,024 106,266 106,266 106,266 106,266 ,000 ,000 ,000 ,000 1,826 1,826 1,826 1,826 ,033 ,101 ,045 ,200 8. Anhang 81 Tabelle 2: t-Test für gepaarte Stichproben zur post hoc Bestimmung des Einflusses der einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 1, wobei die gemittelte Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ im Bereich von 100 – 250 ms ISOI zwischen den einzelnen Versuchsbedingungen verglichen wurde. Test bei gepaarten Stichproben Gepaarte Differenzen Paaren 1 Paaren 2 Paaren 3 Paaren 4 Paaren 5 Paaren 6 Paaren 7 Paaren 8 Paaren 9 Paaren 10 Paaren 11 Paaren 12 Paaren 13 Paaren 14 Paaren 15 Kontroll vor V1 Kontroll mit V1 Kontroll Mitte Kontroll mit V2 Kontroll nach V2 vor V1 Mitte mit V1 Mitte Mitte - mit V2 Mitte nach V2 vor V1 mit V1 mit V1 mit V2 mit V1 nach V2 vor V1 mit V2 mit V2 nach V2 vor V1 nach V2 95% Konfidenzintervall der Differenz Untere Obere Mittelwert Standardab weichung Standardfe hler des Mittelwertes ,06027 ,14423 ,03855 -,02301 ,14355 1,563 13 ,142 ,00893 ,20817 ,05564 -,11126 ,12912 ,160 13 ,875 -,13170 ,19310 ,05161 -,24319 -,02021 -2,552 13 ,024 -,06473 ,20008 ,05347 -,18026 ,05079 -1,211 13 ,248 -,08482 ,19590 ,05236 -,19793 ,02829 -1,620 13 ,129 -,19196 ,09161 ,02448 -,24486 -,13907 -7,841 13 ,000 -,14063 ,11284 ,03016 -,20578 -,07547 -4,663 13 ,000 ,06696 ,11423 ,03053 ,00101 ,13292 2,193 13 ,047 ,04688 ,13130 ,03509 -,02894 ,12269 1,336 13 ,205 -,05134 ,09699 ,02592 -,10734 ,00466 -1,981 13 ,069 -,07366 ,13007 ,03476 -,14876 ,00144 -2,119 13 ,054 -,09375 ,13427 ,03589 -,17128 -,01622 -2,612 13 ,021 -,12500 ,08923 ,02385 -,17652 -,07348 -5,241 13 ,000 -,02009 ,16699 ,04463 -,11651 ,07633 -,450 13 ,660 -,14509 ,10444 ,02791 -,20539 -,08479 -5,198 13 ,000 T df Sig. (2-seitig) 8. Anhang 82 Tabelle 3: Varianzanalyse zur Bestimmung der Einflüsse von ISOI (4-stufig: 100, 150, 200, 250ms) und Geräuschbedingung (6-stufig: vor V1, mit V1, Mitte, mit V2, nach V2, Kontrollbedingung ohne Geräuschdarbietung) auf die Zuordnung Wahrnehmungseindrucks zur Kategorie „glatte Bewegung“ in Experiment 2. Innersubjektfaktoren Maß: MASS_1 Bedingung Kontroll vor V1 mit V1 Mitte mit V2 nach V2 ISOI 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 Abhängige Variable b0_100 b0_150 b0_200 b0_250 b1_100 b1_150 b1_200 b1_250 b2_100 b2_150 b2_200 b2_250 b3_100 b3_150 b3_200 b3_250 b4_100 b4_150 b4_200 b4_250 b5_100 b5_150 b5_200 b5_250 des 8. Anhang 83 Mauchly-Test auf Sphärizitätb Maß: MASS_1 Epsilon Innersubjekteffekt Bedingung ISOI Bedingung * ISOI Mauchly-W ,197 ,167 ,000 Approximierte s Chi-Quadrat 13,141 15,588 . df 14 5 119 Signifikanz ,535 ,009 . Greenhous e-Geisser ,607 ,502 ,329 a Huynh-Feldt ,901 ,572 ,690 Untergrenze ,200 ,333 ,067 Prüft die Nullhypothese, daß sich die Fehlerkovarianz-Matrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen proportional zur Einheitsmatrix verhält. a. Kann zum Korrigieren der Freiheitsgrade für die gemittelten Signifikanztests verwendet werden. In der Tabelle mit den Tests der Effekte innerhalb der Subjekte werden korrigierte Tests angezeigt. b. Design: Intercept Innersubjekt-Design: Bedingung+ISOI+Bedingung*ISOI Tests der Innersubjekteffekte Maß: MASS_1 Quelle Bedingung Fehler(Bedingung) ISOI Fehler(ISOI) Bedingung * ISOI Fehler(Bedingung *ISOI) Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Quadratsum me vom Typ III 1,457 1,457 1,457 1,457 1,361 1,361 1,361 1,361 13,166 13,166 13,166 13,166 2,834 2,834 2,834 2,834 ,451 ,451 ,451 ,451 2,674 2,674 2,674 2,674 df 5 3,034 4,504 1,000 50 30,343 45,044 10,000 3 1,507 1,717 1,000 30 15,072 17,167 10,000 15 4,940 10,346 1,000 150 49,405 103,460 10,000 Mittel der Quadrate ,291 ,480 ,323 1,457 ,027 ,045 ,030 ,136 4,389 8,735 7,669 13,166 ,094 ,188 ,165 ,283 ,030 ,091 ,044 ,451 ,018 ,054 ,026 ,267 F 10,710 10,710 10,710 10,710 Signifikanz ,000 ,000 ,000 ,008 46,456 46,456 46,456 46,456 ,000 ,000 ,000 ,000 1,685 1,685 1,685 1,685 ,060 ,157 ,092 ,223 8. Anhang 84 Tabelle 4: Varianzanalyse zur Bestimmung des Einflusses der veränderten räumlichen Position der Geräuschdarbietung in Experiment 2 (räumlich entfernt) gegenüber Experiment 1 (räumlich frontal). Neben dem Zwischensubjektfaktor Experiment (1 vs. 2) gingen das ISOI (100, 150, 200, 250 ms) und die Geräuschbedingung (vor V1, mit V1, Mitte, mit V2, nach V2, Kontrollbedingung ohne Geräuschdarbietung) in die Analyse ein. Innersubjektfaktoren Maß: MASS_1 Bedingung Kontroll vor V1 mit V1 Mitte mit V2 nach V2 ISOI 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 Abhängige Variable b0_100 b0_150 b0_200 b0_250 b1_100 b1_150 b1_200 b1_250 b2_100 b2_150 b2_200 b2_250 b3_100 b3_150 b3_200 b3_250 b4_100 b4_150 b4_200 b4_250 b5_100 b5_150 b5_200 b5_250 Zwischensubjektfaktoren N Experiment 1 2 14 11 8. Anhang 85 Mauchly-Test auf Sphärizitätb Maß: MASS_1 Epsilon Innersubjekteffekt Bedingung ISOI Bedingung * ISOI Mauchly-W ,346 ,377 ,000 Approximierte s Chi-Quadrat 22,401 21,179 153,446 df 14 5 119 Signifikanz ,072 ,001 ,036 Greenhous e-Geisser ,687 ,607 ,511 a Huynh-Feldt ,857 ,685 ,824 Untergrenze ,200 ,333 ,067 Prüft die Nullhypothese, daß sich die Fehlerkovarianz-Matrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen proportional zur Einheitsmatrix verhält. a. Kann zum Korrigieren der Freiheitsgrade für die gemittelten Signifikanztests verwendet werden. In der Tabelle mit den Tests der Effekte innerhalb der Subjekte werden korrigierte Tests angezeigt. b. Design: Intercept+Experiment Innersubjekt-Design: Bedingung+ISOI+Bedingung*ISOI Tests der Innersubjekteffekte Maß: MASS_1 Quelle Bedingung Bedingung * Experiment Fehler(Bedingung) ISOI ISOI * Experiment Fehler(ISOI) Bedingung * ISOI Bedingung * ISOI * Experiment Fehler(Bedingung* ISOI) Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Quadratsum me vom Typ III 2,777 2,777 2,777 2,777 ,085 ,085 ,085 ,085 4,154 4,154 4,154 4,154 26,208 26,208 26,208 26,208 ,210 ,210 ,210 ,210 4,457 4,457 4,457 4,457 ,729 ,729 ,729 ,729 ,230 ,230 ,230 ,230 6,346 6,346 6,346 6,346 df 5 3,434 4,285 1,000 5 3,434 4,285 1,000 115 78,978 98,561 23,000 3 1,822 2,056 1,000 3 1,822 2,056 1,000 69 41,904 47,294 23,000 15 7,665 12,367 1,000 15 7,665 12,367 1,000 345 176,306 284,435 23,000 Mittel der Quadrate ,555 ,809 ,648 2,777 ,017 ,025 ,020 ,085 ,036 ,053 ,042 ,181 8,736 14,385 12,746 26,208 ,070 ,115 ,102 ,210 ,065 ,106 ,094 ,194 ,049 ,095 ,059 ,729 ,015 ,030 ,019 ,230 ,018 ,036 ,022 ,276 F 15,372 15,372 15,372 15,372 ,470 ,470 ,470 ,470 Signifikanz ,000 ,000 ,000 ,001 ,798 ,730 ,770 ,500 135,254 135,254 135,254 135,254 1,085 1,085 1,085 1,085 ,000 ,000 ,000 ,000 ,361 ,342 ,347 ,308 2,641 2,641 2,641 2,641 ,833 ,833 ,833 ,833 ,001 ,010 ,002 ,118 ,640 ,570 ,619 ,371 8. Anhang 86 Tests der Zwischensubjekteffekte Maß: MASS_1 Transformierte Variable: Mittel Quelle Konstanter Term Experiment Fehler Quadratsum me vom Typ III 74,467 ,366 12,184 Mittel der Quadrate 74,467 ,366 ,530 df 1 1 23 F 140,577 ,691 Signifikanz ,000 ,414 Tabelle 5: t-Test für gepaarte Stichproben zur post hoc Bestimmung des Einflusses der einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 2, wobei die gemittelte Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ im Bereich von 100 – 250 ms ISOI zwischen den einzelnen Versuchsbedingungen verglichen wurde. Test bei gepaarten Stichproben Gepaarte Differenzen Paaren 1 Paaren 2 Paaren 3 Paaren 4 Paaren 5 Paaren 6 Paaren 7 Paaren 8 Paaren 9 Paaren 10 Paaren 11 Paaren 12 Paaren 13 Paaren 14 Paaren 15 Kontroll vor V1 Kontroll mit V1 Kontroll Mitte Kontroll mit V2 Kontroll nach V2 vor V1 Mitte mit V1 Mitte Mitte - mit V2 Mitte nach V2 vor V1 - mit V1 mit V1 mit V2 mit V1 nach V2 vor V1 - mit V2 mit V2 nach V2 vor V1 nach V2 95% Konfidenzintervall der Differenz Untere Obere Mittelwert Standardab weichung Standardfe hler des Mittelwertes ,07955 ,12132 ,03658 -,00196 ,16105 2,175 10 ,055 -,03977 ,12271 ,03700 -,12221 ,04266 -1,075 10 ,308 -,15625 ,18006 ,05429 -,27722 -,03528 -2,878 10 ,016 -,09375 ,09980 ,03009 -,16080 -,02670 -3,115 10 ,011 -,07386 ,11377 ,03430 -,15030 ,00257 -2,153 10 ,057 -,23580 ,13648 ,04115 -,32748 -,14411 -5,730 10 ,000 -,11648 ,12110 ,03651 -,19784 -,03512 -3,190 10 ,010 ,06250 ,13693 ,04129 -,02949 ,15449 1,514 10 ,161 ,08239 ,11798 ,03557 ,00312 ,16165 2,316 10 ,043 -,11932 ,08006 ,02414 -,17310 -,06553 -4,943 10 ,001 -,05398 ,08511 ,02566 -,11116 ,00320 -2,103 10 ,062 -,03409 ,08321 ,02509 -,09000 ,02181 -1,359 10 ,204 -,17330 ,11470 ,03458 -,25035 -,09624 -5,011 10 ,001 ,01989 ,07689 ,02318 -,03177 ,07154 ,858 10 ,411 -,15341 ,11563 ,03486 -,23109 -,07573 -4,400 10 ,001 T df Sig. (2-seitig) 8. Anhang 87 Tabelle 6: Varianzanalyse zur Bestimmung der Einflüsse von ISOI (4-stufig: 100, 150, 200, 250ms) und Geräuschbedingung (5-stufig: kontinuierlich, Klicklaut, leiser, lauter, Kontrollbedingung ohne Geräuschdarbietung) auf die Zuordnung Wahrnehmungseindrucks zur Kategorie „glatte Bewegung“ in Experiment 3. Innersubjektfaktoren Maß: MASS_1 Bedingung Kontroll kontinuierlich Klicklaut leiser lauter ISOI 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 100 150 200 250 Abhängige Variable b0_100 b0_150 b0_200 b0_250 b1_100 b1_150 b1_200 b1_250 b2_100 b2_150 b2_200 b2_250 b3_100 b3_150 b3_200 b3_250 b4_100 b4_150 b4_200 b4_250 des 8. Anhang 88 Mauchly-Test auf Sphärizitätb Maß: MASS_1 Epsilon Innersubjekteffekt Bedingung ISOI Bedingung * ISOI Mauchly-W ,354 ,403 ,000 Approximierte s Chi-Quadrat 13,917 12,480 94,537 df 9 5 77 Signifikanz ,128 ,029 ,167 Greenhous e-Geisser ,656 ,731 ,520 a Huynh-Feldt ,808 ,861 ,930 Untergrenze ,250 ,333 ,083 Prüft die Nullhypothese, daß sich die Fehlerkovarianz-Matrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen proportional zur Einheitsmatrix verhält. a. Kann zum Korrigieren der Freiheitsgrade für die gemittelten Signifikanztests verwendet werden. In der Tabelle mit den Tests der Effekte innerhalb der Subjekte werden korrigierte Tests angezeigt. b. Design: Intercept Innersubjekt-Design: Bedingung+ISOI+Bedingung*ISOI Tests der Innersubjekteffekte Maß: MASS_1 Quelle Bedingung Fehler(Bedingung) ISOI Fehler(ISOI) Bedingung * ISOI Fehler(Bedingung *ISOI) Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Sphärizität angenommen Greenhouse-Geisser Huynh-Feldt Untergrenze Quadratsum me vom Typ III ,901 ,901 ,901 ,901 3,505 3,505 3,505 3,505 15,327 15,327 15,327 15,327 3,647 3,647 3,647 3,647 ,151 ,151 ,151 ,151 3,587 3,587 3,587 3,587 df 4 2,626 3,234 1,000 60 39,388 48,505 15,000 3 2,192 2,582 1,000 45 32,883 38,736 15,000 12 6,235 11,154 1,000 180 93,529 167,315 15,000 Mittel der Quadrate ,225 ,343 ,279 ,901 ,058 ,089 ,072 ,234 5,109 6,991 5,935 15,327 ,081 ,111 ,094 ,243 ,013 ,024 ,014 ,151 ,020 ,038 ,021 ,239 F 3,857 3,857 3,857 3,857 Signifikanz ,007 ,020 ,013 ,068 63,044 63,044 63,044 63,044 ,000 ,000 ,000 ,000 ,631 ,631 ,631 ,631 ,814 ,711 ,803 ,440 8. Anhang 89 Tabelle 7: t-Test für gepaarte Stichproben zur post hoc Bestimmung des Einflusses der einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 3, wobei die gemittelte Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ im Bereich von 100 – 250 ms ISOI zwischen den einzelnen Versuchsbedingungen verglichen wurde. Test bei gepaarten Stichproben Gepaarte Differenzen Paaren 1 Paaren 2 Paaren 3 Paaren 4 Paaren 5 Paaren 6 Paaren 7 Paaren 8 Paaren 9 Paaren 10 Kontroll kontinuierlich Kontroll Klicklaut Kontroll leiser Kontroll lauter kontinuierlich Klicklaut kontinuierlich leiser kontinuierlich lauter Klicklaut leiser Klicklaut lauter leiser - lauter 95% Konfidenzintervall der Differenz Untere Obere Mittelwert Standardab weichung Standardfe hler des Mittelwertes -,10742 ,17896 ,04474 -,20278 -,01206 -2,401 15 ,030 -,11133 ,20379 ,05095 -,21992 -,00273 -2,185 15 ,045 ,00586 ,16933 ,04233 -,08437 ,09609 ,138 15 ,892 -,09570 ,17172 ,04293 -,18721 -,00420 -2,229 15 ,042 -,00391 ,12493 ,03123 -,07048 ,06267 -,125 15 ,902 ,11328 ,19327 ,04832 ,01029 ,21627 2,345 15 ,033 ,01172 ,10574 ,02644 -,04463 ,06807 ,443 15 ,664 ,11719 ,22750 ,05688 -,00404 ,23842 2,060 15 ,057 ,01563 ,12910 ,03227 -,05317 ,08442 ,484 15 ,635 -,10156 ,16673 ,04168 -,19041 -,01272 -2,437 15 ,028 T df Sig. (2-seitig)