Audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller

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Audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller
Audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung
visueller Scheinbewegungen
Diplomarbeit
Audiovisuelle Interaktionen bei der Wahrnehmung
visueller Scheinbewegungen
vorgelegt von:
Patrick Bruns
geboren am: 28.06.1980
Mat.-Nr.: 108000221147
Arbeitseinheit Kognitions- und Umweltpsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
1. Gutachter:
Prof. Dr. Rainer Guski
2. Gutachter/Betreuer:
Dr. Stephan Getzmann
Bochum, im Juni 2006
Erklärung
Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
(Patrick Bruns)
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen bedanken, die in der einen oder anderen Weise
ihren Anteil am Gelingen dieser Diplomarbeit hatten.
Mein herzlicher Dank gilt dabei vor allem Stephan Getzmann, der es geschafft hat, mich für
wahrnehmungspsychologische Fragestellungen und speziell für das Thema der vorliegenden
Arbeit zu begeistern, und mir auch während der Umsetzung dieses Projekts immer mit Rat
und Tat zur Seite stand. Ebenfalls danken möchte ich Rainer Guski, der die Erstbegutachtung
dieser Arbeit übernommen hat, sowie allen Mitarbeitern der Arbeitseinheit Kognitions- und
Umweltpsychologie für die angenehme Arbeitsatmosphäre und die eine oder andere hilfreiche
Anregung.
Bedanken möchte ich mich auch bei allen Kommilitonen, die sich als Versuchspersonen für
die Experimente im Rahmen dieser Diplomarbeit zur Verfügung gestellt haben und dadurch
schließlich auch maßgeblich an der Umsetzung dieser Arbeit mitgewirkt haben.
Großen Dank verdienen aber insbesondere meine Eltern Ulrike und Hans-Josef Bruns, die
immer Verständnis für meine Entscheidungen gezeigt haben und mir mein Studium durch ihre
Unterstützung ermöglicht haben. Schließlich mögen sich auch alle Freunde, Verwandte und
Kommilitonen, die mich in der einen oder anderen Weise während der Entstehung dieser
Diplomarbeit unterstützt haben, in diese Danksagung eingeschlossen fühlen.
5
Inhaltsverzeichnis
1. ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________ 8
2. EINLEITUNG/THEORETISCHER HINTERGRUND _________________________ 9
2.1 SCHEINBEWEGUNGEN IN DER VISUELLEN MODALITÄT ___________________________ 9
2.2 WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN DAS AUFTRETEN VON SCHEINBEWEGUNGEN? ____ 12
2.2.1 Interstimulus Onset Interval (ISOI) ____________________________________ 12
2.2.2 Räumliche Distanz _________________________________________________ 13
2.2.3 Intensität der Stimuli _______________________________________________ 13
2.2.4 Dauer des Aufleuchtens _____________________________________________ 14
2.2.5 Die Korteschen Gesetze _____________________________________________ 14
2.3 WIE LASSEN SICH SCHEINBEWEGUNGEN MESSEN? _____________________________ 15
2.4 SCHEINBEWEGUNGEN IN DER AUDITIVEN MODALITÄT __________________________ 17
2.5 AUDIOVISUELLE INTERAKTIONEN UND DAS PHI-PHÄNOMEN _____________________ 18
2.6 WAS BEWIRKT EIN GERÄUSCH ZWISCHEN DEN BEIDEN LICHTPUNKTEN? ____________ 21
2.6.1 Ablenkung der Aufmerksamkeit _______________________________________ 22
2.6.2 Subjektive Verkürzung gefüllter Pausen ________________________________ 23
2.6.3 Gemeinsame räumliche Repräsentation der audiovisuellen Stimuli ___________ 24
2.6.4 Die zeitliche Komponente: temporaler Ventriloquismus ____________________ 25
2.6.5 Assumption of unity: Ein kognitiver Erklärungsansatz _____________________ 26
2.7 ZIEL DER UNTERSUCHUNG _______________________________________________ 28
3. EXPERIMENT 1________________________________________________________ 29
3.1 METHODE ____________________________________________________________ 30
3.1.1 Versuchspersonen__________________________________________________ 30
3.1.2 Versuchsaufbau ___________________________________________________ 30
3.1.2.1 Apparatur_____________________________________________________ 30
3.1.2.2 Stimuli _______________________________________________________ 31
3.1.2.3 Versuchsdesign ________________________________________________ 32
3.1.3 Versuchsdurchführung ______________________________________________ 33
3.1.4 Datenauswertung und Statistik________________________________________ 35
3.2 ERGEBNISSE __________________________________________________________ 36
3.3 DISKUSSION __________________________________________________________ 40
Inhaltsverzeichnis
6
4. EXPERIMENT 2________________________________________________________ 42
4.1 METHODE ____________________________________________________________ 43
4.1.1 Versuchspersonen__________________________________________________ 43
4.1.2 Versuchsaufbau und Durchführung ____________________________________ 43
4.1.3 Datenauswertung und Statistik________________________________________ 43
4.2 ERGEBNISSE __________________________________________________________ 44
4.3 DISKUSSION __________________________________________________________ 47
5. EXPERIMENT 3________________________________________________________ 50
5.1 METHODE ____________________________________________________________ 52
5.1.1 Versuchspersonen__________________________________________________ 52
5.1.2 Versuchsaufbau ___________________________________________________ 52
5.1.3 Versuchsdurchführung, Datenauswertung und Statistik ____________________ 54
5.2 ERGEBNISSE __________________________________________________________ 54
5.3 DISKUSSION __________________________________________________________ 57
6. GESAMTDISKUSSION__________________________________________________ 61
7. LITERATUR ___________________________________________________________ 72
8. ANHANG ______________________________________________________________ 77
8.1 INSTRUKTIONEN _______________________________________________________ 77
8.2 STATISTISCHE AUSWERTUNG _____________________________________________ 79
7
Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 1: SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DES VERSUCHSAUFBAUS (AUFSICHT) _______ 31
ABBILDUNG 2: SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DER VERSUCHSBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 1.
_____________________________________________________________________ 34
ABBILDUNG 3: PROZENTUALE VERTEILUNG DER VIER ANTWORTKATEGORIEN IN DER
KONTROLLBEDINGUNG VON EXPERIMENT 1___________________________________ 36
ABBILDUNG 4: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ IN
ABHÄNGIGKEIT VOM ISOI FÜR ALLE GETESTETEN VERSUCHSBEDINGUNGEN IN
EXPERIMENT 1._________________________________________________________ 38
ABBILDUNG 5: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“
FÜR DIE EINZELNEN GERÄUSCHBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 1.
__________________ 39
ABBILDUNG 6: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ IN
ABHÄNGIGKEIT VOM ISOI FÜR ALLE GETESTETEN VERSUCHSBEDINGUNGEN IN
EXPERIMENT 2._________________________________________________________ 45
ABBILDUNG 7: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“
FÜR DIE EINZELNEN GERÄUSCHBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 2.
__________________ 46
ABBILDUNG 8: SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DER VERSUCHSBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 3.
_____________________________________________________________________ 53
ABBILDUNG 9: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“ IN
ABHÄNGIGKEIT VOM ISOI FÜR ALLE GETESTETEN VERSUCHSBEDINGUNGEN IN
EXPERIMENT 3._________________________________________________________ 55
ABBILDUNG 10: PROZENTUALE HÄUFIGKEIT DER ANTWORTKATEGORIE „GLATTE BEWEGUNG“
FÜR DIE EINZELNEN GERÄUSCHBEDINGUNGEN IN EXPERIMENT 3.
__________________ 56
8
1. Zusammenfassung
Zwei benachbarte Lichtpunkte, die kurz hintereinander aufleuchten, werden typischerweise
als ein Objekt (Lichtpunkt) wahrgenommen, das sich von der Position des ersten (V1) zur
Position des zweiten Stimulus (V2) bewegt. Die vorliegende Arbeit untersuchte in einer Reihe
von drei Experimenten, inwieweit audiovisuelle Interaktionen durch irrelevante auditive
Stimuli den Eindruck einer solchen visuellen Scheinbewegung beeinflussen können. Den
Teilnehmern wurden jeweils zwei visuelle Stimuli (Dauer 33 ms, Abstand 7.5°) dargeboten,
die zeitlich durch Interstimulus Onset Intervalle (ISOI) von 0 bis 350 ms voneinander getrennt
waren. Nach jedem Durchgang klassifizierten die Teilnehmer ihren Wahrnehmungseindruck
mit Hilfe eines Kategoriensystems. In Experiment 1 erleichterte ein kurzes, klickartiges
Geräusch (Dauer 5 ms), das räumlich und zeitlich genau zwischen V1 und V2 dargeboten
wurde,
den
Eindruck
einer
visuellen
Scheinbewegung
im
Vergleich
zu
einer
Kontrollbedingung (ohne Geräuschdarbietung). Die Darbietung des Geräuschs zu einem
Zeitpunkt kurz vor V1 oder kurz nach V2 sowie zeitgleich zu diesen beeinflusste das
Auftreten eines Bewegungseindrucks dagegen nicht. Experiment 2 zeigte, dass dieser
Erleichterungseffekt
auch
bei
räumlich
von
den
visuellen
Stimuli
entfernter
Geräuschdarbietung (von 90° links) auftritt. Neben der Darbietung zeitlich zwischen V1 und
V2 führte hier aber auch die zeitgleiche Darbietung mit V2 zu einer Erleichterung.
Experiment 3 zeigte einen Erleichterungseffekt auch für durchgängig von Beginn von V1 bis
Ende von V2 dargebotene Geräusche. Dabei spielte es keine Rolle, ob das Geräusch während
der Darbietungsdauer konstant blieb, einen zusätzlichen kurzen Klicklaut aufwies, oder
während des Interstimulus Intervalls (ISI) lauter wurde. Ein während des ISI leiser werdendes
Geräusch veränderte den Bewegungseindruck dagegen nicht. Die Ergebnisse schließen einen
Aufmerksamkeitsablenkungseffekt sowie eine zeitliche Beeinflussung der visuellen in
Richtung der auditiven Stimuli (im Sinne eines temporalen Ventriloquismuseffekts) aus. Die
Erleichterung der Bewegungswahrnehmung ist aber konsistent mit einer kognitiven
Erklärung: Die audiovisuellen Stimuli könnten von den Teilnehmern als zusammenhängendes
Ereignis im Sinne eines bewegten Objekts interpretiert worden sein. Die Diskussion der
Ergebnisse erfolgt daher im Zusammenhang mit der assumption of unity als kognitivem
Faktor, der eine solche Interpretation begünstigt haben könnte.
Schlüsselwörter: Phi-Phänomen, visuelle Scheinbewegung, audiovisuelle Interaktion,
assumption of unity, temporaler Ventriloquismus
9
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
2.1 Scheinbewegungen in der visuellen Modalität
Wenn zwei benachbarte Lichtpunkte kurz nacheinander aufblitzen, sehen wir unter
bestimmten Umständen eine sog. stroboskopische Bewegung (auch Scheinbewegung oder
Phi-Phänomen genannt): Das Licht scheint sich von einem Ort zum anderen zu bewegen.
Stroboskopisch heißen solche Bewegungen deshalb, weil der Weg der Lichtquelle nicht
kontinuierlich, sondern nur unterbrochen wahrgenommen werden kann (Guski, 1996).
In unserem alltäglichen Leben begegnet uns dieses Prinzip, wann immer wir das Fernsehgerät
einschalten, uns einen Kinofilm anschauen oder Neon-Reklame mit sog. „Lauflichtern“
(mehrere Lampen mit konstantem Abstand zueinander werden nacheinander an- und
ausgeschaltet) betrachten. Beim klassischen Kinofilm handelt es sich physikalisch auch um
eine
Aufeinanderfolge
einzelner
„Standbilder“.
Solange
die
Distanzen
zwischen
korrespondierenden Teilen der aufeinander folgenden Bilder nicht zu groß oder zu klein
werden, entsteht jedoch der Eindruck einer kontinuierlichen Bewegung.
Als Laborphänomen waren Scheinbewegungen bereits im 19. Jahrhundert bekannt. Die erste
systematische Untersuchung des Phänomens geht dabei auf Exner (1875) zurück. In einem
Experiment konnte er zeigen, dass zwei räumlich getrennte elektrische Funken, die
nacheinander gezündet werden, von seinen Beobachtern als ein Blitz wahrgenommen wurden,
der sich kontinuierlich von der einen zur anderen Position bewegt. Dieser Effekt trat selbst bei
einem sehr kurzen Interstimulus Onset Interval (ISOI) von 14 ms noch auf, einem
Zeitbereich, in dem unter anderen Bedingungen die zeitlich-räumliche Reihenfolge der
Stimuli nicht mehr diskriminiert werden konnte. Den Bewegungseindruck konnten die
Beobachter in dieser Untersuchung also nicht aus der Tatsache erschlossen haben, dass ein
Objekt (ein Funke) zuerst an einer und kurze Zeit später an einer anderen Position auftaucht.
Exner (1875) argumentierte daher, dass auch eine reale Bewegung als Eigenschaft eines
Objekts nicht durch das Gedächtnis aus unterschiedlichen räumlich-zeitlichen Positionen des
Objekts abgeleitet wird, wie damals angenommen wurde, sondern eine eigenständige
Sinnesempfindung darstellt. In Anlehnung an die Chemie war zur damaligen Zeit das
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
10
Bestreben innerhalb der Psychologie, die Basiselemente der Wahrnehmung zu identifizieren,
also diejenigen sensorischen Empfindungen, die das Sinnessystem nicht aus anderen
Sinnesinformationen ableiten kann. Um Bewegung als ein solches Basiselement zu etablieren,
bediente sich Exner (1875) also einer Wahrnehmungstäuschung, dem Phi-Phänomen. Der
damalige intellektuelle Zeitgeist entwickelte sich aber zunehmend in die Richtung,
menschliche Wahrnehmung als wirklichkeitsgetreue Abbildung der Außenwelt zu verstehen
(Kolers, 1972). Wahrnehmungstäuschungen passten nicht in dieses Weltbild und wurden
daher nur noch wenig beachtet, so dass auch das Phi-Phänomen während der folgenden 35
Jahre wissenschaftlich in Vergessenheit geriet.
Erst der viel beachtete Artikel von Wertheimer (1912) initiierte wieder größeres Interesse an
dem Phänomen. Wertheimer, der in seinem Interesse für visuelle Scheinbewegungen
sicherlich auch durch die mittlerweile erfolgten Erfindungen der Filmkamera und des
Filmprojektors
beeinflusst
wurde,
schildert
in
dem
1912
erschienenen
Artikel
„Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung“ mehrere Dutzend Experimente und
Demonstrationen, die mit einfachsten Mitteln die Grenzen des Phi-Phänomens ausloteten und
systematisch zahlreiche Hypothesen testeten. Den Versuchspersonen wurden zumeist über ein
Tachistoskop zwei horizontale bzw. eine horizontale und eine vertikale Linie in Sukzession
präsentiert. Mit dieser Apparatur überprüfte Wertheimer (1912) die damals zur Erklärung des
Phi-Phänomens herangezogenen Theorien experimentell. So widerlegte er beispielsweise die
Augenbewegungstheorie, die für das Zustandekommen von Bewegungseindrücken auf die
Rolle von Augenbewegungs-Empfindungen rekurriert, indem er in einem von fünf
Experimenten hierzu zeigen konnte, dass gleichzeitig mehrere Scheinbewegungen in
entgegengesetzte Richtungen erzeugt werden können, was mit der Theorie nur schwer
vereinbar ist. Zudem untersuchte er den Einfluss der Aufmerksamkeit auf das Auftreten von
Scheinbewegungen, sowie Nacheffekte nach längerer Exposition zu einer Scheinbewegung,
wie etwa eine daraufhin auftretende Bewegungswahrnehmung in entgegengesetzter Richtung.
Durch sehr feinstufige Variation des ISOI beschrieb Wertheimer (1912) auch den Übergang
zwischen den Wahrnehmungseindrücken einer Bewegung und zweier simultan dargebotener
Reize (bei sehr kurzen ISOI) bzw. zweier sukzessiv dargebotener Reize (bei sehr langen
ISOI). Gerade dieser Umstand, dass die kontinuierliche Variation eines einzigen Parameters
zu qualitativ unterschiedlichen Eindrücken führen kann, veranlasste Wertheimer (1912) zu
dem klassischen Credo der Gestaltpsychologie, dass das „Ganze anders ist als die Summe
seiner Teile“.
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
11
Wie Kolers (1972) hervorhob, war es sicherlich ein Verdienst Wertheimers, das PhiPhänomen als Wahrnehmungsillusion nicht als Defekt des visuellen Systems aufzufassen,
sondern sich seiner Bedeutung für das Verstehen der normalen Funktionsweise der
Bewegungswahrnehmung bewusst zu sein. Bei geeigneter Untersuchungsanordnung könnte
das visuelle System ja auch gar nicht zwischen einer tatsächlichen und einer scheinbaren
Bewegung unterscheiden: Würde statt zwei räumlich getrennter alternierender Lichtquellen
eine einzige Lichtquelle dargeboten, die real zwischen zwei räumlichen Positionen hinter
einer Abdeckung wandert, müssten phänomenal die gleichen Ergebnisse auftreten wie beim
Phi-Phänomen, obwohl wir in diesem Fall nicht von einer Wahrnehmungstäuschung sprechen
könnten. In einer Welt, in der sich üblicherweise Objekte real bewegen, die auf ihrem Weg
auch partiell verdeckt sein können (etwa ein Tier das hinter einem Baum herläuft), ist diese
Anpassung des menschlichen Systems, hier eine Bewegung wahrzunehmen, sicherlich
plausibel (Guski, 1996).
Eine zentrale Aufgabe des visuellen Systems ist dabei, das Problem der Korrespondenz zu
lösen, also zu entscheiden, welche Teile aufeinander folgender „Standbilder“ zum gleichen
Objekt in Bewegung gehören. Im einfachsten Fall, wenn nur ein Punkt vor einem schwarzen
Hintergrund dargeboten wird, gefolgt von einem identischen, etwas zur Seite verschobenen
Punkt, ist dies noch unproblematisch. Wenn stattdessen aber zwei vertikal angeordnete
Punkte dargeboten werden, die beide etwas nach rechts verschoben werden, hat das visuelle
System theoretisch zwei Möglichkeiten, eine Bewegung zu sehen: Die Punkte könnten sich
beide in der Horizontalen parallel nach rechts bewegt haben, oder diagonal in zwei sich
kreuzenden Bewegungen. Tatsächlich sehen Betrachter einer solchen Anordnung aber immer
zwei parallele Bewegungen. Statt wie ein Computer einfach zwei aufeinander folgende Bilder
Punkt für Punkt miteinander zu vergleichen, was bei komplexeren Anordnungen ohnehin
einen enormen Rechenaufwand zur Folge hätte, scheint unser Gehirn beim Herstellen von
Korrespondenz also nach bestimmten Regeln vorzugehen. Ramachandran & Anstis (1986)
zeigten, dass dabei bestimmte Merkmale eines Bildes eine besondere Rolle spielen,
Korrespondenz vor allem zwischen Gegenden mit niedriger Ortsfrequenz (Wechsel zwischen
Helligkeit und Dunkelheit) hergestellt wird. Ein weißes Quadrat beispielsweise, gefolgt von
einem nach links versetzten identischen Quadrat, das schwarz gefärbt ist, und einem nach
rechts versetzten weißen Kreis, führte zu einem Bewegungseindruck zwischen dem weißen
Quadrat und dem Kreis, also zu einer Korrespondenz zwischen Gegenden mit gleicher
Helligkeitsverteilung. Zudem zeigten Ramachandran & Anstis (1986) in einer Reihe von
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
12
Experimenten, dass das visuelle System in zweideutigen Versuchsanordnungen bevorzugt
immer Bewegungen wahrnimmt, die auch in der realen Welt physikalisch möglich wären,
also berücksichtigt, dass Objekte in Bewegung normalerweise nicht abrupt ihre Richtung
ändern (Gesetz der Trägheit), sich als Ganzes synchron bewegen und auf ihrem Weg den
Hintergrund teilweise verdecken. Daher werden auch in dem oben geschilderten Beispiel
immer zwei parallele Bewegungen gesehen, da ein diagonaler, sich kreuzender Weg in der
realen Welt eine Kollision der beiden Punkte zur Folge hätte. Obwohl die Anwendung dieser
Regeln ein Wissen um die Gesetzmäßigkeiten der realen Welt voraussetzt, erklären
Ramachandran & Anstis (1986) ihre Ergebnisse ausschließlich durch relativ frühe neuronale
Verarbeitungsprozesse ohne Beteiligung höherer kognitiver Prozesse, was eine angeborene
neuronale Abbildung dieser Gesetzmäßigkeiten bedeuten würde. Hierfür spricht die
Schnelligkeit der Informationsverarbeitung in den geschilderten Experimenten. Eysenck &
Keane (2000) diskutieren demgegenüber aber auch andere theoretische Ansätze und Befunde,
die eine Beteiligung höherer kognitiver Prozesse nahe legen, und kommen zu dem Schluss,
das Scheinbewegungen unter Beteiligung unterschiedlicher neuronaler Verarbeitungsstufen
hervorgerufen werden können.
2.2 Welche Faktoren beeinflussen das Auftreten von Scheinbewegungen?
Bereits Wertheimer (1912) zeigte, dass zwei sukzessiv an verschiedenen Orten dargebotene
Lichtpunkte durch Variation eines einzigen Parameters, des ISOI, zu qualitativ
unterschiedlichen Wahrnehmungseindrücken führen können. Neben dem ISOI hängt das
Auftreten eines Bewegungseindrucks hierbei aber auch vom räumlichen Abstand der Punkte
zueinander, der Helligkeit oder Intensität der Punkte (bzw. vom Kontrast zum Umfeld) sowie
der Dauer des Aufleuchtens ab. Diese Einflussfaktoren werden in den folgenden Absätzen
zunächst separat diskutiert, im Anschluss folgt eine Darstellung der Zusammenhänge
zwischen diesen Faktoren, die nach Korte (1915) als die Korteschen Gesetze bezeichnet
werden.
2.2.1 Interstimulus Onset Interval (ISOI)
Bei systematischer Variation des ISOI werden bei sehr kurzen Zeitabständen zwischen den
beiden Stimuli zwei simultane, bei sehr langen Zeitabständen zwei sukzessive Punkte
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
13
gesehen. In dem Bereich dazwischen wird ein Punkt in Bewegung gesehen. Die genauen
Werte der jeweiligen ISOI hängen dabei von einer Reihe anderer Faktoren, u.a. der
räumlichen Distanz und der Dauer des Aufleuchtens, ab. Auch wenn daher eine genaue
Angabe des Zeitbereichs, in dem Scheinbewegungen auftreten, sicherlich nicht möglich ist,
wie Kolers (1972) ausführt, so hat sich doch seit Wertheimer (1912) in vielen
Untersuchungen der Bereich um 60 ms ISOI als optimal erwiesen. Auch in einer neueren
Untersuchung von Strybel et al. (1990), in der sowohl das ISOI als auch die räumliche
Distanz systematisch variiert wurde, traten Scheinbewegungen überwiegend im Bereich von
45 – 130 ms ISOI auf. Bei sehr kleinen räumlichen Abständen von 2° Sehwinkel oder kleiner
verlagerte sich dieser Bereich auf 20 – 75 ms ISOI.
2.2.2 Räumliche Distanz
Durch kontinuierliche Variation des räumlichen Abstands der beiden Stimuli lassen sich unter
bestimmten Helligkeits- und Zeitbedingungen ebenfalls drei qualitativ verschiedene
Eindrücke erzeugen: Bei sehr geringem Abstand kann logischerweise keine Bewegung,
sondern allenfalls ein „Hin- und Herwackeln“ gesehen werden, bei mittlerem Abstand
entsteht der Eindruck einer Scheinbewegung, und bei großem Abstand der eines getrennten
Aufleuchtens zweier Punkte. In der Untersuchung von Strybel et al. (1990) wurde die
räumliche Distanz systematisch zwischen 0.5° und 80° Sehwinkel variiert, wobei
Scheinbewegungen bei allen getesteten Abständen auftraten, bei Distanzen von mehr als 20°
Sehwinkel allerdings nur noch in weniger als 50 Prozent der Fälle. Entscheidend für den
Bewegungseindruck war dabei, ob die beiden Stimuli nur die Fovea (bei Abständen von 2°
oder weniger) oder auch andere Teile der Retina (bei größeren Abständen) stimulierten. Wenn
lediglich die Fovea stimuliert wurde, waren kürzere ISOI als bei größeren Abständen nötig,
um den Eindruck einer Bewegung hervorzurufen. Generell verbesserte sich der
Bewegungseindruck bei kleineren räumlichen Distanzen.
2.2.3 Intensität der Stimuli
Der Bereich der Intensität (bzw. Helligkeit) der beiden Stimuli, in dem Scheinbewegungen
auftreten können, wird nach unten durch die Wahrnehmungsschwelle und nach oben durch
das Blendung verursachende Maximum begrenzt. Werden alle anderen Parameter konstant
gehalten, führt nach Koffka (1931) eine Verstärkung der Intensität zu einer Abschwächung
des Bewegungseindrucks in Richtung des Eindrucks zweier sukzessiv aufleuchtender
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
14
Objekte, eine Abschwächung der Intensität hat dagegen eine Stärkung des Eindrucks zweier
simultan aufleuchtender Objekte zur Folge.
2.2.4 Dauer des Aufleuchtens
Eine Veränderung der Darbietungsdauer der einzelnen Stimuli hat nach Koffka (1931)
ähnliche Effekte wie eine Veränderung des ISOI. Bei sehr kurzer und sehr langer Dauer des
Aufleuchtens tritt der Bewegungseindruck zurück, und es entsteht der Eindruck zweier
simultan bzw. sukzessiv dargebotener Punkte, optimal für die Wahrnehmung visueller
Scheinbewegungen erscheint eine Darbietungsdauer von etwa 50 ms (Strybel & Vatakis,
2004). Der Einfluss der Darbietungsdauer auf die Bewegungswahrnehmung ist dabei
allerdings bei weitem nicht so stark wie der Einfluss des ISOI (Koffka, 1931).
2.2.5 Die Korteschen Gesetze
Korte (1915) untersuchte als erster systematisch das Zusammenwirken dieser Faktoren, indem
er bei Konstanthaltung eines Parameters die Auswirkungen kontinuierlicher Änderungen der
anderen Parameter auf den Bewegungseindruck überprüfte. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung werden als die Korteschen Gesetze bezeichnet und üblicherweise wie bei
Kolers (1972) in drei Regeln zusammengefasst:
1. Bei konstantem ISOI sind räumliche Distanz (S) und Intensität (I) in gleicher Richtung
miteinander verknüpft: S ~ I und I ~ S.
2. Bei konstanter räumlicher Distanz sind ISOI und Intensität in entgegengesetzter
Richtung miteinander verknüpft: I ~ 1/ISOI und ISOI ~ 1/I.
3. Bei konstanter Intensität sind ISOI und räumliche Distanz in gleicher Richtung
miteinander verknüpft: ISOI ~ S und S ~ ISOI.
Die Darbietungsdauer der Stimuli wird bei dieser Darstellung nicht berücksichtigt, Korte
(1915) hatte aber gezeigt, dass eine Änderung der Darbietungsdauer zwar weniger stark, aber
in gleicher Weise wie eine Änderung des ISOI wirkt. Selbst hatte er aber zumeist die
Gesamtlänge eines Versuchsdurchgangs (Darbietungsdauer + ISOI) variiert. Die drei Regeln
implizieren, dass Scheinbewegungen nur bei bestimmten Werten der drei Variablen auftreten.
Die erste und dritte Regel beinhalten, dass das Objekt mit einer konstanten Geschwindigkeit
wahrgenommen wird, und die zweite Regel beinhaltet, dass das visuelle System eine
bestimmte Zeitdauer (ein bestimmtes ISOI) benötigt, um die Wahrnehmung einer Bewegung
über eine gegebene Distanz zu verarbeiten. Bereits Neuhaus (1930) stellte die
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
15
Allgemeingültigkeit dieser Regeln in Frage. Er konnte zeigen, dass der Eindruck einer
Bewegung innerhalb relativ weiter Grenzen auch dann erhalten bleibt, wenn die räumliche
Distanz vergrößert wird, ohne gleichzeitig das ISOI zu verlängern, was bei strenger
Auslegung mit der dritten Regel nicht vereinbar ist. Auch Koffka (1931) nennt eine Reihe von
Einschränkungen der Korteschen Gesetze. Dennoch sind die von Korte (1915) geschilderten
Zusammenhänge zwischen den Variablen bei weniger strenger Auslegung der Regeln
durchaus zutreffend. So fanden beispielsweise Strybel et al. (1990), dass bei räumlichen
Distanzen von 2° Sehwinkel oder kleiner kürzere ISOI zum Wahrnehmen einer
Scheinbewegung benötigt werden als bei größeren Distanzen. Der Zusammenhang zwischen
ISOI und Distanz stellte sich in dieser Untersuchung allerdings nicht – wie von Korte (1915)
angenommen – als linear heraus, entscheidend schien hier nur, ob die Darbietung
ausschließlich die Fovea oder auch andere Teile der Retina stimulierte.
2.3 Wie lassen sich Scheinbewegungen messen?
Beim Phi-Phänomen handelt es sich um den subjektiven Wahrnehmungseindruck einer
Bewegung beim Betrachten zweier (oder mehrerer) stationärer Objekte. Diesem Umstand trug
Wertheimer (1912) in seiner Untersuchung des Phänomens Rechnung, indem er seine
Versuchspersonen nach jeder Darbietung einfach verbal beschreiben ließ, was sie sahen.
Dieser phänomenale Zugang ermöglichte ihm, durch kontinuierliche Variation des ISOI
insbesondere den Übergang zwischen dem Eindruck einer Bewegung und den Eindrücken
zweier simultan bzw. sukzessiv aufleuchtender stationärer Objekte genau zu untersuchen. In
diesen Übergangsbereichen beschrieben die Versuchspersonen häufig den Eindruck einer
unterbrochenen, ruckartigen Bewegung, wobei sich dieser Eindruck auch qualitativ von dem
einer glatten, kontinuierlichen Bewegung unterschied. Wertheimer (1912) grenzte von diesem
„optimalen
Bewegungseindruck“
zwei
Arten
unterbrochener,
ruckartiger
Bewegungseindrücke ab: je nachdem, ob seine Versuchspersonen eine Bewegung beider
Objekte oder nur eines der beiden beschrieben, sprach er im ersten Fall von Teilbewegung, im
zweiten von Singularbewegung. Wie Sekuler (1996) hervorhob, stellen diese Beobachtungen
Wertheimers (1912) ein Problem für die Quantifizierung des Phi-Phänomens durch
psychophysikalische Methoden dar: Eine Quantifizierung erfordert eine Einteilung des
Wahrnehmungseindrucks in Kategorien, werden die Versuchspersonen aber einfach gebeten,
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
16
nach jeder Darbietung anzugeben, ob sie eine Bewegung gesehen haben oder nicht, führt dies
zu einer Verwischung qualitativ unterschiedlicher Phänomene. Ein geeignetes System von
Antwortkategorien sollte daher in der Lage sein, bei möglichst geringer Komplexität die von
Wertheimer (1912) beschriebenen qualitativ unterschiedlichen Wahrnehmungseindrücke
abzubilden. Briggs & Perrott (1972) entwickelten zunächst zur Untersuchung von
Scheinbewegungen in der auditiven Modalität ein System von fünf Antwortkategorien, das
sich in der Folge in zahlreichen Untersuchungen des Phi-Phänomens sowohl in der visuellen
als auch in der auditiven Modalität bewährt hat (z.B. Perrott, 1974; Strybel et al., 1990;
Strybel & Menges, 1998; Strybel & Vatakis, 2004). Die Versuchspersonen sollten dabei in
der von Strybel et al. (1990) zur Untersuchung visueller Scheinbewegungen angepassten
Version nach jeder Darbietung ihren Wahrnehmungseindruck einer der folgenden Kategorien
zuordnen:
1. „Single“ – ein einzelnes Licht wird gesehen, ohne dass eine Bewegung
wahrgenommen wird.
2. „Simultaneous“ – zwei Lichter werden gleichzeitig gesehen, ohne Bewegung
zwischen beiden.
3. „Continuous motion“ – ein Licht bewegt sich kontinuierlich von der einen zur anderen
Seite.
4. „Broken motion“ – ein Licht bewegt sich in einer unterbrochenen, ruckartigen
Bewegung von der einen zur anderen Seite.
5. „Succession“ – zwei Lichter werden nacheinander wahrgenommen, ohne Bewegung
zwischen beiden.
Im Gegensatz zur auditiven Modalität wurde in der Untersuchung von Strybel et al. (1990)
die
Kategorie
„Single“
von
keiner
Versuchsperson
zur
Beschreibung
visueller
Scheinbewegungen verwendet, obwohl teilweise sehr kleine räumliche Distanzen von 0.5°
Sehwinkel zwischen den beiden Stimuli verwendet wurden. Zur Untersuchung des PhiPhänomens in der visuellen Modalität erscheint daher eine Reduzierung auf die restlichen vier
Kategorien sinnvoll. Die Kategorien „Simultan“ und „Sukzessiv“ bilden dabei die beiden
qualitativen Zustände ab, bei denen keine Bewegung wahrgenommen wird, den
Versuchspersonen wird aber zusätzlich die Möglichkeit gegeben, den Eindruck einer
Bewegung in den einer „kontinuierliche Bewegung“ sowie einer „gebrochene Bewegung“ zu
differenzieren, wobei unter letzterer die von Wertheimer (1912) beschriebenen Singular- und
Teilbewegungseindrücke zusammengefasst werden. Die genannten Kategorien bieten somit
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
17
eine Möglichkeit der Quantifizierung visueller Scheinbewegungen, die dem Phänomen bei
kleinstmöglicher Kategorienzahl gerecht wird.
2.4 Scheinbewegungen in der auditiven Modalität
Bereits 1917 demonstrierte Burtt, dass Scheinbewegungen nicht nur visuell, sondern auch in
der auditiven und taktilen Modalität erzeugt werden können (Burtt, 1917a, 1917b). Die
vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit audiovisuellen Interaktionen bei der Wahrnehmung
visueller Scheinbewegungen, daher soll an dieser Stelle nur kurz auf einige Gemeinsamkeiten
und Unterschiede des Phi-Phänomens in der auditiven und visuellen Modalität eingegangen
werden.
Burtt (1917a) zeigte, dass durch sukzessive Darbietung zweier räumlich getrennter auditiver
Stimuli analog zur visuellen Modalität unter bestimmten Umständen der Eindruck eines
Objektes in Bewegung entsteht, wobei bei einer Verkleinerung bzw. Vergrößerung des ISOI
der Bewegungseindruck ebenfalls dem Eindruck zweier stationärer simultan bzw. sukzessiv
dargebotener Schallquellen wich. Im Übergangsbereich von Bewegung zu Sukzession
beschrieb Burtt (1917a) ebenfalls das Auftreten von unterbrochenen, ruckartigen
Bewegungen, ähnlich wie Wertheimer (1912) diese Zwischenstadien in der visuellen
Modalität beschrieben hatte. Die Illusion einer Bewegung lässt sich unter FreifeldBedingungen sowohl binaural als auch monaural erzeugen (Strybel et al., 1989) und tritt auch
bei dichotischer Kopfhörerdarbietung auf (Briggs & Perrott, 1972).
Neben diesen grundlegenden Gemeinsamkeiten gibt es aber auch einige Unterschiede bei den
Bedingungen für das Auftreten von Scheinbewegungen in beiden Modalitäten. Strybel et al.
(1990) untersuchten in einer Reihe von drei Experimenten unter vergleichbaren Bedingungen
den Einfluss des ISOI und der räumlichen Distanz der Stimuli auf auditive und visuelle
Scheinbewegungen. Auditive Scheinbewegungen traten (bei gleicher räumlicher Distanz) bei
kleineren ISOI auf als in der visuellen Modalität. Zudem war der Bereich der ISOI, innerhalb
dessen Scheinbewegungen auftraten, mit 20 – 45 ms schmaler und im Gegensatz zur visuellen
Modalität völlig unabhängig von der räumlichen Distanz der Stimuli zueinander. Das dritte
Kortesche Gesetz, wonach eine Vergrößerung der räumlichen Distanz durch eine
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
18
Vergrößerung des ISOI kompensiert werden muss, um den Bewegungseindruck aufrecht zu
erhalten, scheint demnach nicht auf die auditive Modalität übertragbar zu sein. Wird Distanz
allerdings als Distanz auf dem Rezeptororgan definiert, wie bei Strybel & Menges (1998),
finden sich durchaus Hinweise für die Gültigkeit des dritten Korteschen Gesetzes. Strybel &
Menges (1998) zeigten, dass auch zwischen zwei räumlich getrennten Sinustönen mit
unterschiedlicher Frequenz ein Bewegungseindruck auftreten kann, wobei eine Vergrößerung
des Frequenzabstands durch eine Vergrößerung des ISOI kompensiert werden muss, um den
Bewegungseindruck zu erhalten. Zudem fand Lakatos (1993) bei einer anderen
Versuchsanordnung auch Hinweise für einen direkten Zusammenhang zwischen räumlicher
Distanz und ISOI. Da die anderen von Korte (1915) geschilderten Zusammenhänge zwischen
ISOI, räumlicher Distanz, Darbietungsdauer und Intensität auch auf die auditive Modalität
übertragbar sind (z.B. Briggs & Perrott, 1972; Strybel et al., 1992; Span & Strybel, 1999),
scheinen die Korteschen Gesetze also durchaus modalitätsübergreifend anwendbar zu sein.
2.5 Audiovisuelle Interaktionen und das Phi-Phänomen
Die im vorangehenden Abschnitt geschilderten Gemeinsamkeiten des Phi-Phänomens in der
visuellen und auditiven Modalität sprechen für ein gemeinsames, modalitätsübergreifendes
Verarbeitungsprinzip bei der Wahrnehmung von Scheinbewegungen. Im Gegensatz zu
Laboruntersuchungen begegnen uns Bewegungen im Alltag in der Regel ja auch nicht unisondern multimodal, wir sehen beispielsweise ein Tier in Bewegung und hören gleichzeitig
die dabei verursachten Geräusche. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit das Auftreten von
Scheinbewegungen in einer Sinnesmodalität durch Darbietung von Stimuli in einer anderen
Modalität beeinflusst werden kann. Der Großteil der wissenschaftlichen Forschung hierzu
bezieht sich dabei auf audiovisuelle Interaktionen.
Bereits Zietz & Werner (1928) zeigten bei tachistoskopischer Darbietung zweier visueller
Stimuli eine Zunahme des Bewegungseindrucks, wenn zusätzlich ein gleichmäßiger auditiver
Klopfrhythmus dargeboten wurde. Ein unregelmäßiger Rhythmus verschlechterte dagegen
den Bewegungseindruck. Darüber hinausgehend beschreiben Zapparoli & Reatto (1969) das
Auftreten multimodaler Scheinbewegungen. Bei sukzessiver Darbietung eines visuellen und
eines davon räumlich getrennten auditiven Stimulus sahen die Versuchsteilnehmer dieser
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
19
Untersuchung häufig eine Bewegung eines Objekts zwischen den beiden Positionen, das als
„klingendes Licht“ oder „leuchtendes Geräusch“ beschrieben wurde. Auch die zeitgleiche
Darbietung einer visuellen und einer auditiven Scheinbewegung löste ein Verschmelzen der
beiden Sinnesmodalitäten zu einem Objekt mit visuellen und auditiven Eigenschaften aus,
eine quantitative Veränderung des Bewegungseindrucks wurde dabei jedoch nicht berichtet.
Spätere systematischere Untersuchungen konnten diese Effekte jedoch nicht bestätigen. Staal
& Donderi (1983) maßen die obere Schwelle des ISOI, bei dem noch eine visuelle
Scheinbewegung wahrgenommen wird, wobei im Vergleich zu einer rein visuellen
Bedingung zeitgleich mit den beiden visuellen Stimuli zwei auditive Stimuli präsentiert
wurden, die entweder räumlich kompatibel oder inkompatibel in Bezug auf die Richtung der
visuellen Scheinbewegung sein konnten. Multimodale Bewegungseindrücke i.S. von
Zapparoli & Reatto (1969) traten dabei nicht auf. Zudem senkten die beiden bimodalen
Bedingungen die obere Grenze des ISOI, bei dem visuelle Scheinbewegungen in den
Sukzessionseindruck übergingen, im Vergleich zur unimodalen Bedingung signifikant. Dabei
senkte die räumlich kompatible Bedingung diese Grenze weiter als die inkompatible. Auch
Allen & Kolers (1981) konnten die phänomenologischen Befunde von Zapparoli & Reatto
(1969) trotz vergleichbarer Versuchsbedingungen nicht replizieren. Als Erklärung für die dort
geschilderten multimodalen Bewegungseindrücke diskutierten sie das Auftreten von GammaBewegungseindrücken beim Einschalten einer Lampe im Dunkeln sowie durch die
Untersuchungsmethode bedingte subjektive Interpretationen der Versuchspersonen. In einem
zweiten Experiment fanden Allen & Kolers (1981) allerdings auch keinen Unterschied
zwischen
den
beiden
von
Staal
&
Donderi
(1983)
verwendeten
bimodalen
Versuchsbedingungen und einer rein visuellen Kontrollbedingung, sowohl in Bezug auf die
Obergrenze des ISOI als auch in der Häufigkeit des Auftretens von Scheinbewegungen
insgesamt. Auch die Darbietung von nur einem auditiven Stimulus, der zeitgleich und
räumlich kompatibel oder inkompatibel zum ersten oder zweiten visuellen Stimulus
dargeboten wurde, wirkte sich auf diese beiden Parameter nicht signifikant aus.
Allen & Kolers (1981) zeigten aber auch, dass auditive Scheinbewegungen im Vergleich zu
einer unimodalen Kontrollbedingung signifikant häufiger und bei längeren ISOI auftreten,
wenn zeitgleich mit dem ersten auditiven Reiz ein visueller Stimulus präsentiert wird, und
zwar unabhängig davon, ob dieser räumlich kompatibel oder inkompatibel dargeboten wird.
Während ein einzelner visueller Stimulus also einen Einfluss auf die Wahrnehmung auditiver
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
20
Scheinbewegungen hatte, wirkte sich in der Untersuchung von Allen & Kolers (1981)
umgekehrt
ein
einzelner
auditiver
Reiz
nicht
auf
die
Wahrnehmung
visueller
Scheinbewegungen aus. Ein möglicher Erklärungsansatz für diese Asymmetrie zwischen den
beiden Modalitäten liegt in der unterschiedliche Verarbeitungsgeschwindigkeit des visuellen
und auditiven Systems. Hershenson (1962) demonstrierte, dass die einfache Reaktionszeit auf
auditive Stimuli kürzer ist als auf visuelle Stimuli. Bei audiovisueller Darbietung beider
Stimuli
verkürzte
sich
zudem
die
Reaktionszeit
im
Vergleich
zur
unimodalen
Reaktionszeitmessung. Entscheidend für diesen Effekt war dabei allerdings die Wahl des
Zeitpunkts der beiden Reize, die Beschleunigung der Reaktionszeit trat nur auf, wenn der
auditive Reiz gegenüber dem visuellen Reiz um die Reaktionszeitdifferenz zwischen beiden
Modalitäten verzögert dargeboten wurde. Demnach müsste der auditive Reiz kurz nach dem
ersten visuellen Reiz präsentiert werden, um auf der neuronalen Verarbeitungsebene zeitlich
äquivalente Bedingungen zu dem von Allen & Kolers (1981) in der auditiven Modalität
gefundenen Effekt herzustellen. Diesen Ansatz verfolgte Ohmura (1987), allerdings hatte
auch hier ein um die Reaktionszeitdifferenz zwischen beiden Modalitäten verzögert
dargebotener auditiver Reiz keinen Effekt auf die Wahrnehmung einer visuellen
Scheinbewegung. Als Erklärung für die damit weiterhin bestehende Asymmetrie des Effekts
zwischen auditiver und visueller Modalität diskutiert Ohmura (1987) die Dominanz des
visuellen über das auditive System. Demnach ist der Eindruck einer Scheinbewegung visuell
stabiler als in anderen Sinnesmodalitäten und lässt sich durch Informationen aus anderen
Sinnessystemen weniger leicht beeinflussen.
Diese Einschätzung wird auch durch eine neuere Untersuchung von Strybel & Vatakis (2004)
gestützt, bei der zeitgleich auditiv und visuell eine Scheinbewegung induziert wurde, wobei
die beiden Bewegungen in gleicher oder in entgegengesetzter Richtung laufen konnten. Die
Versuchsteilnehmer sollten dabei jeweils für eine Zielmodalität angeben, ob sie eine
Scheinbewegung wahrnahmen und in welche Richtung (links-rechts bzw. rechts-links) diese
läuft.
Die
visuellen
Bewegungsrichtung,
Distraktoren
die
auditiven
störten
aber
dabei
nicht
die
die
Beurteilung
der
auditiven
Beurteilung
der
visuellen
Bewegungsrichtung. Auch eine Untersuchung von Soto-Faraco et al. (2002) bestätigte diesen
Befund. Entscheidend für das Auftreten dieses Effekts ist dabei die räumliche Korrespondenz
von visuellen und auditiven Stimuli. Ist die auditive Bewegungstrajektorie sehr viel länger als
die visuelle, wird die multisensorische Integration erschwert, Beobachter können in diesem
Fall auch bei visuellen Distraktoren problemlos die Bewegungsrichtung einer auditiven
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
21
Scheinbewegung diskriminieren (Soto-Faraco et al., 2005). Strybel & Vatakis (2004) fanden
außerdem eine Akzentuierung des visuellen Bewegungseindrucks durch die auditiven
Distraktoren in dem Bereich des ISOI, in dem Scheinbewegungen auch bei unimodaler
Darbietung ohnehin häufig auftraten (um 60 ms ISOI). Hier nahm die Häufigkeit des
Bewegungseindrucks zu, die obere Schwelle des ISOI, bis zu der Scheinbewegungen
wahrgenommen wurden, senkte sich aber – analog zu den Ergebnissen von Staal & Donderi
(1983) – im Vergleich zur unimodalen Darbietung. In Bezug auf diesen Parameter zeigte sich
also auch hier keine Verbesserung des visuellen Bewegungseindrucks durch auditive Stimuli.
2.6 Was bewirkt ein Geräusch zwischen den beiden Lichtpunkten?
Der Einfluss auditiver Stimuli auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen wird
üblicherweise durch Darbietung eines oder zweier auditiver Reize untersucht, die zeitgleich
zu den beiden visuellen Stimuli und an deren räumliche Positionen gekoppelt präsentiert
werden (z.B. Zapparoli & Reatto, 1969; Allen & Kolers, 1981; Staal & Donderi, 1983;
Strybel & Vatakis, 2004), wobei in Bezug auf die Zeitgleichheit von auditiven und visuellen
Stimuli auch die unterschiedliche Verarbeitungsgeschwindigkeit der beiden Modalitäten
berücksichtigt wurde (z.B. Ohmura, 1987). Wie im vorangehenden Abschnitt diskutiert, führt
eine solche räumlich-zeitliche Anordnung der Stimuli im Allgemeinen zu gleichen
Ergebnissen wie eine rein visuelle Darbietung (Allen & Kolers, 1981; Ohmura, 1987), bei
zwei auditiven Reizen bisweilen auch zu einer Hemmung des Bewegungseindrucks in Bezug
auf die obere Schwelle des ISOI, bis zu der eine Scheinbewegung wahrgenommen wird (Staal
& Donderi, 1983; Strybel & Vatakis, 2004).
Getzmann (persönliche Mitteilung) fand dagegen im Rahmen einer unveröffentlichten
Untersuchung aus dem Jahr 2002 Hinweise auf eine deutliche Erleichterung des
Bewegungseindrucks bei längeren ISOI, wenn ein auditiver Reiz sowohl zeitlich als auch
räumlich genau zwischen den beiden visuellen Reizen dargeboten wird. Bei dem auditiven
Reiz handelte es sich um ein kurzes, klickartiges Geräusch. Diese Anordnung der Stimuli
führte auch bei einem ISOI von 166 ms noch in über 90% der Fälle zum Eindruck einer
Scheinbewegung, wohingegen in der rein visuellen Kontrollbedingung hier bereits nur noch
in weniger als 60% der Fälle ein Bewegungseindruck auftrat. Beim nächst höheren ISOI von
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
22
300 ms ging der Bewegungseindruck hier bereits fast ganz verloren (weniger als 5% der
Fälle), ein Geräusch zwischen den beiden visuellen Stimuli löste dagegen immer noch in etwa
20% der Fälle einen Bewegungseindruck aus. Auf Grund fehlender Darbietungen zwischen
166 und 300 ms ISOI konnte der zeitliche Verlauf des Effekts in diesem Bereich aber nicht
näher beschrieben werden. Zwei auditive Reize, die zeitlich und räumlich an die beiden
visuellen Reize gekoppelt dargeboten wurden, führten dagegen auch in dieser Untersuchung
zu einer Abnahme des Bewegungseindrucks bei längeren ISOI, und zwar sowohl bei
kompatibler als auch bei inkompatibler Darbietung in Bezug auf die visuelle
Bewegungsrichtung.
Der von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebene Effekt eines auditiven Reizes
zwischen den beiden Lichtpunkten verdient insofern besondere Beachtung, als diese
räumlich-zeitliche Anordnung der Stimuli erstmals Hinweise auf eine mögliche Erleichterung
des visuellen Bewegungseindrucks durch auditive Stimuli bei längeren ISOI lieferte. Im
Folgenden sollen zunächst einige mögliche Erklärungsansätze für diesen Effekt besprochen
werden.
2.6.1 Ablenkung der Aufmerksamkeit
Untersuchungen zu audiovisuellen Interaktionen bei der Verarbeitung visueller Stimuli deuten
darauf hin, dass ein auditiver Reiz einen Teil der Aufmerksamkeit von der visuellen
Darbietung ablenken und damit zu einer reduzierten kognitiven Verarbeitung der visuell
dargebotenen Information führen kann (Massaro & Warner, 1977; Tellinghuisen & Nowak,
2003). Bezogen auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen könnte auch hier ein
zusätzlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch einen Teil der
Aufmerksamkeit auf sich lenken und somit zu einer verminderten Verarbeitung der visuellen
Information (insbesondere des Zeitintervalls zwischen den Lichtpunkten) führen, und dadurch
das Auftreten einer Scheinbewegung begünstigen. Die von Getzmann (persönliche
Mitteilung) beschriebene Untersuchung könnte auf Grund einiger methodischer Schwächen
gerade einen solchen Aufmerksamkeitseffekt begünstigt haben, da innerhalb eines
Versuchsblocks gemischt Darbietungen mit einem und zwei auditiven Reizen erfolgten.
Durchgänge mit einem auditiven Reiz kamen dabei deutlich seltener vor als Durchgänge mit
zwei auditiven Reizen. Auf Grund eines „Überraschungseffekts“ durch das seltene Ereignis
könnte so die Aufmerksamkeit in den Durchgängen mit nur einem auditiven Reiz abgelenkt
worden sein. Außerdem war das einzelne Geräusch in der Mitte bedingt durch die
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
23
Stereodarbietung auch lauter als die beiden Geräusche in den anderen Versuchsbedingungen,
die jeweils nur über einen Lautsprecher dargeboten wurden. Daher könnte im Kontrast zu den
anderen Versuchsbedingungen gerade das Geräusch in der Mitte besondere Salienz erlangt
haben
und
durch
Ablenkung
der
Aufmerksamkeit
die
Erleichterung
der
Bewegungswahrnehmung verursacht haben.
2.6.2 Subjektive Verkürzung gefüllter Pausen
Guski & Troje (2003) berichten im Rahmen einer Untersuchung zur audiovisuellen
phänomenalen Kausalität eine subjektive Verkürzung gefüllter Pausen. Bei Darbietung
bewegter zweidimensionaler geometrischer Objekte stellen Beobachter üblicherweise einen
kausalen Zusammenhang zum Start einer Bewegung her, wenn unmittelbar zuvor ein anderes
Objekt direkt vor dem Zielobjekt zum Stillstand kommt. Dieser als phänomenale Kausalität
bezeichnete Effekt lässt deutlich nach, wenn das Zielobjekt erst nach einer Verzögerung in
Bewegung versetzt wird (Scholl & Tremoulet, 2000). Guski & Troje (2003) konnten zeigen,
dass ein während der Verzögerung dargebotener auditiver Stimulus auch noch bei größerer
Verzögerung den Kausalitätseindruck aufrechterhält. In ihrem Experiment 3 demonstrierten
sie, dass für diesen Effekt zumindest teilweise eine subjektiv verkürzte Wahrnehmung des
Verzögerungsintervalls zwischen den beiden Bewegungen durch das Geräusch verantwortlich
ist. Im Vergleich zu einem ungefüllten Intervall von 200 ms verkürzte ein zusätzlich
dargebotener auditiver Reiz die subjektiv empfundene Zeitdauer um etwa 60 ms. Analog
hierzu könnte auch ein zwischen dem Aufleuchten zweier Lichtpunkte dargebotenes Geräusch
zu einer verkürzten subjektiven Wahrnehmung des ISOI führen und dadurch bei längeren
ISOI den Eindruck einer visuellen Scheinbewegung aufrechterhalten, da das subjektiv
verkürzte ISOI dann wieder in den für die Bewegungswahrnehmung günstigen Bereich fallen
würde. Relevant für diese Überlegung ist das Ergebnis von Guski & Troje (2003) vor allem
deshalb, weil hier eine subjektive Verkürzung bei einem sehr kurzem Zeitintervall von 200
ms berichtet wurde, also genau in dem Zeitbereich, in dem auch der von Getzmann
(persönliche Mitteilung) geschilderte Erleichterungseffekt beim Phi-Phänomen auftrat. Die
Literatur zum Effekt gefüllter Pausen ist an dieser Stelle jedoch weitestgehend
widersprüchlich: Thomas & Brown (1974) sowie Ihle & Wilsoncroft (1983) fanden gerade für
kurze Zeitintervalle (unter 5 s) eine subjektive Verlängerung der Zeitdauer durch auditive
Reize, eine Verkürzung wird dagegen oftmals ausschließlich für längere Zeitintervalle (über 5
s) berichtet (für einen Überblick, s. Ihle & Wilsoncroft, 1983).
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
24
2.6.3 Gemeinsame räumliche Repräsentation der audiovisuellen Stimuli
Die jüngere neurophysiologische Forschung deutet darauf hin, dass räumliche Informationen
aus dem auditiven und visuellen System im posterioren Parietallappen zusammenlaufen und
dort innerhalb eines gemeinsamen Bezugsrahmens neuronal repräsentiert werden (Mazzoni et
al., 1996; Stricanne et al., 1996). Im lateralen intraparietalen Areal (LIP) wurden auch
Nervenzellen nachgewiesen, die sowohl auf räumliche Informationen aus dem auditiven als
auch aus dem visuellen System reagieren (Mullette-Gillman et al., 2005).
Dies könnte auch Implikationen für den von Getzmann (persönliche Mitteilung)
beschriebenen Erleichterungseffekt durch ein räumlich-zeitlich zwischen zwei Lichtpunkten
dargebotenes Geräusch beinhalten: Bei dieser Stimulusanordnung werden insgesamt an drei
unterschiedlichen räumlichen Positionen Reize dargeboten. Der neurophysiologischen
Forschung folgend, werden die räumlichen Positionen dieser drei Reize gemeinsam und
unabhängig von der Modalität innerhalb des posterioren Parietallappens repräsentiert.
Denkbar wäre daher, dass für die Erleichterung des Bewegungseindrucks durch einen
zwischen den beiden Lichtpunkten präsentierten auditiven Reiz vor allem dessen räumliche
Position entscheidend ist. Durch Darbietung an einer Position zwischen denen der beiden
Lichtpunkte wird neuronal sozusagen „auf halbem Weg“ zwischen den Positionen der beiden
Lichtpunkten ein Ereignis repräsentiert, was sich somit mit den beiden visuellen Ereignissen
in Verbindung bringen lässt. Die drei sowohl zeitlich als auch räumlich aufeinander folgenden
Positionen könnten daher den Eindruck begünstigen, dass es sich dabei um ein und dasselbe
Objekt in Bewegung handelt. Bei einer rein visuellen Darbietung des Phi-Phänomens gibt es
dagegen nur zwei zeitlich und räumlich aufeinander folgende Positionen mit jeweils größerem
Abstand zueinander. Eine Erleichterung des Eindrucks einer Bewegung durch ein Geräusch
zwischen den Lichtpunkten ist also nach dieser Hypothese zu erwarten, da durch das
Geräusch eine weitere, mittlere Position hinzukommt, durch die der Eindruck einer
Bewegung zwischen den beiden Lichtpunkten demnach gebahnt wird.
Würde das Geräusch stattdessen räumlich entfernt von den visuellen Stimuli dargeboten,
sollte demzufolge kein Erleichterungseffekt auftreten. Das Geräusch würde dann zwar immer
noch zeitlich zwischen die beiden Lichtpunkte fallen, die räumlichen Positionen dieser drei
Ereignisse ließen sich dann aber nicht mehr im Sinne eines zusammenhängenden Objekts in
Bewegung auffassen.
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
25
2.6.4 Die zeitliche Komponente: temporaler Ventriloquismus
Multisensorische Integration wird experimentell häufig in Situationen intermodalen Konflikts
untersucht, wie beim bekannten Ventriloquismuseffekt (auch Bauchrednereffekt), bei dem die
wahrgenommene räumliche Position eines auditiven Stimulus in Richtung eines an einer
anderen Position dargebotenen visuellen Stimulus verschoben erscheint (für einen Überblick,
s. Vroomen & de Gelder, 2004). Neben dieser räumlichen Form des Ventriloquismus, bei der
das visuelle System die diskrepante auditive Information dominiert, wird in der aktuellen
Forschungsliteratur auch ein zeitlicher Ventriloquismuseffekt diskutiert (Morein-Zamir et al.,
2003; Vroomen & de Gelder, 2004). Morein-Zamir et al. (2003) untersuchten den Einfluss
irrelevanter Geräusche auf die Beurteilung der zeitlichen Abfolge visueller Stimuli. Die
Teilnehmer dieser Untersuchung sollten jeweils angeben, welcher von zwei Lichtpunkten
zuerst erschien. Die Leistung verbesserte sich dabei, wenn ein kurzes Geräusch vor dem
ersten und nach dem zweiten visuellen Stimulus dargeboten wurde, wohingegen eine
Darbietung der beiden Geräusche im Zeitintervall zwischen den beiden Lichtpunkten die
Leistung verschlechterte (jeweils im Vergleich zu einer Ausgangsbedingung, bei der die
Geräusche zeitgleich mit den beiden Lichtern dargeboten wurden). Morein-Zamir et al. (2003)
interpretierten diese Ergebnisse dahingehend, dass die Geräusche die Lichter auf der
zeitlichen Dimension angezogen haben könnten. Bei Darbietung von Geräuschen vor und
nach den Lichtpunkten erscheint das ISOI der visuellen Stimuli demnach subjektiv länger als
in der Ausgangsbedingung und erleichtert daher die Diskriminierung der zeitlichen Abfolge,
wohingegen Darbietung der Geräusche zwischen den Lichtpunkten das ISOI subjektiv
verkürzt und somit die Diskriminierung erschwert. Vroomen & de Gelder (2004) berichten
einen solchen temporalen Ventriloquismuseffekt durch irrelevante auditive Stimuli auch für
den Flash-lag Effekt (FLE), bei dem ein Lichtblitz subjektiv typischerweise relativ zu einem
bewegten
Objekt
verzögert
erscheint,
obwohl
beide
Stimuli
räumlich-zeitlich
zusammenfallen. Ein irrelevantes kurzes Geräusch, das vor dem Lichtblitz dargeboten wird,
vergrößerte diesen Effekt, wohingegen ein nach dem Lichtblitz dargebotenes Geräusch den
Effekt verminderte (Vroomen & de Gelder, 2004). Auch in dieser Untersuchung verschob
sich also die wahrgenommene zeitliche Position eines visuellen Stimulus in Richtung eines in
zeitlicher Nähe präsentierten auditiven Stimulus.
Die Tatsache, dass der wahrgenommene Zeitpunkt eines visuellen Stimulus durch Darbietung
eines auditiven Stimulus beeinflusst werden kann, könnte theoretisch auch Auswirkungen auf
das Phi-Phänomen haben. Die Darbietung eines kurzen Geräuschs zwischen zwei
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
26
nacheinander aufleuchtenden Lichtpunkten könnte auch beim Phi-Phänomen zu einer
subjektiven Verkürzung des wahrgenommenen ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten
führen und somit den Eindruck einer Scheinbewegung zwischen den beiden Punkten
erleichtern, insbesondere bei längeren ISOI. Dementsprechend sollte die Darbietung eines
Geräuschs vor dem ersten und nach dem zweiten visuellen Stimulus
durch subjektive
Vergrößerung des ISOI auch zu einer Verschlechterung des Bewegungseindrucks führen.
Anzumerken zu dieser Überlegung ist jedoch, dass in der Untersuchung von Morein-Zamir et
al. (2003) die Darbietung eines einzelnen Geräuschs zwischen den beiden Lichtern die
Beurteilung der zeitlichen Abfolge nicht beeinflusste, ein temporaler Ventriloquismuseffekt
i.S. einer verbesserten Diskriminationsleistung trat nur bei zwei kurzen Geräuschen auf, die
mit einem ISOI von 16 ms zueinander zwischen den beiden Lichtern dargeboten wurden.
Erklärt wurde dies von Morein-Zamir et al. (2003) dahingehend, dass temporalem
Ventriloquismus die Auflösung einer intermodalen temporalen Diskrepanz zu Gunsten der
auditiven Information zu Grunde liegt. Entscheidend hierfür ist die Integration der
audiovisuellen Stimuli zu einem multisensorischem Ereignis. Im Fall der beiden Lichter
würden demnach auch zwei Geräusche benötigt, um paarweise eine Integration mit den
beiden visuellen Stimuli zu jeweils einem multisensorischen Ereignis zu ermöglichen,
welches dann intermodal diskrepante zeitliche Informationen aufweist. Diese Überlegung
basiert auf der modality precision hypothesis und der modality appropriateness hypothesis
(Welch & Warren, 1980), wonach in Situationen intermodalen Konflikts das Sinnessystem
mit der höchsten Abbildungsgenauigkeit in Bezug auf die fragliche Eigenschaft des
Ereignisses die Information aus den anderen Modalitäten dominiert. Die höhere zeitliche
Auflösung des auditiven Systems gegenüber dem visuellen System (Kubovy, 1988) führt
demzufolge beim temporalen Ventriloquismuseffekt zu einer zeitlichen Verschiebung der
visuellen in Richtung der auditiven Stimuli, also zu einer Dominanz der temporal genaueren
auditiven Information.
2.6.5 Assumption of unity: Ein kognitiver Erklärungsansatz
Eine Darbietung des Phi-Phänomens, bei der zwischen zwei aufeinander folgenden
Lichtpunkten ein auditiver Reiz dargeboten wird, enthält zunächst eine offensichtliche
Diskrepanz: einem einzelnen auditiven Ereignis stehen zwei visuelle Ereignisse gegenüber.
Auf Grund der räumlich-zeitlichen Nähe der Stimuli könnte eine solche Darbietung auf der
Seite des Beobachters zur Annahme führen, dass es sich um ein zusammenhängendes
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
27
Ereignis handelt. Die Diskrepanz könnte kognitiv durch die intuitiv logische Annahme gelöst
werden, dass es sich um ein bewegtes Objekt handelt, das auf seinem Weg von der Anfangszur Endposition ein Geräusch produziert. Ein kognitiver Faktor, der eine solche Interpretation
begünstigen könnte, ist das von Welch & Warren (1980) vorgeschlagene Konzept der
assumption of unity – gemeint ist damit die üblicherweise starke Annahme eines Beobachters,
dass räumlich-zeitlich nahe beieinander liegende Stimuli einen gemeinsamen Ursprung haben,
also ein zusammenhängendes Ereignis abbilden. Auch bei intersensorisch diskrepanten
Stimulusinformationen führt die assumption of unity innerhalb bestimmter Grenzen zur
Aufrechterhaltung eines normalen (nichtdiskrepanten) Wahrnehmungseindrucks im Sinne
eines einheitlichen Objekts, wobei die Diskrepanz häufig unbewusst durch Bevorzugung der
Information einer Modalität gelöst wird; ist die Diskrepanz aber zu groß, schwächt das die
assumption of unity und der Konflikt wird bewusst (Welch & Warren, 1980).
Auch bei einem anderen Phänomen intermodaler Interaktion, der bereits in Absatz 2.6.2
angesprochenen audiovisuellen phänomenalen Kausalität (Guski & Troje, 2003), scheint das
Konzept
der assumption
of
unity eine Rolle zu spielen. Die Förderung des
Kausalitätseindrucks zwischen zwei visuell dargebotenen Bewegungen durch ein während der
Pause zwischen beiden Bewegungen dargebotenes Geräusch erklären Guski & Troje (2003)
neben des Einflusses einer subjektiven Verkürzung gefüllter Pausen vor allem durch den von
Welch & Warren (1980) beschriebenen kognitiven Faktor der assumption of unity. Die
Beobachter des Stimulusdisplays haben demnach den audiovisuellen Ereignissen eine
gemeinsame Ursache zugeschrieben, also eine Kollision zweier Objekte, die ein Geräusch
verursacht.
Analog dazu könnte beim Phi-Phänomen die Darbietung eines Geräuschs zwischen den
beiden Lichtpunkten die Wahrnehmung einer Bewegung erleichtern, wenn der Beobachter die
audiovisuellen Stimuli im Sinne der assumption of unity wie oben bereits besprochen als ein
zusammenhängendes Objekt in Bewegung interpretiert.
2. Einleitung/Theoretischer Hintergrund
28
2.7 Ziel der Untersuchung
Ziel der vorliegenden Untersuchung war es zunächst, den von Getzmann (persönliche
Mitteilung) beschriebenen Erleichterungseffekt des Phi-Phänomens durch Darbietung eines
Geräuschs zwischen den beiden Lichtpunkten zu replizieren, und so einen methodisch
bedingten Aufmerksamkeitsablenkungseffekt auszuschließen (s. auch Abschnitt 2.6.1).
Zudem sollten in einer Reihe von drei Experimenten auch die übrigen der im vorangehenden
Abschnitt diskutierten Erklärungsansätze ersten empirischen Tests unterzogen werden.
29
3. Experiment 1
Um sich dem von Getzmann (persönliche Mitteilung) beschriebenen Phänomen zu nähern,
sollte zunächst in einem ersten Versuch das frühere Ergebnis repliziert werden. Neben der
Darbietung eines auditiven Reizes zwischen den beiden Lichtpunkten sollte durch Darbietung
des Geräuschs vor dem ersten oder nach dem zweiten Lichtpunkt auch ein temporaler
Ventriloquismuseffekt als mögliche Erklärung des Phänomens einem ersten empirischen Test
unterzogen werden. Wie in Abschnitt 2.6.4 beschrieben, kann ein irrelevanter auditiver Reiz
dazu führen, dass der wahrgenommene Zeitpunkt eines visuellen Reizes in Richtung des
auditiven Reizes verschoben erscheint (Morein-Zamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder,
2004). Beim Phi-Phänomen könnte ein solcher temporaler Ventriloquismuseffekt daher bei
einem zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenem Geräusch zu einer subjektiven
Verkürzung des ISOI führen und so den Eindruck einer Bewegung erleichtern. Analog dazu
müsste ein kurz vor dem ersten bzw. kurz nach dem zweiten Lichtpunkt dargebotenes
Geräusch dann aber auch durch eine subjektive Verlängerung des ISOI den Eindruck einer
Bewegung erschweren. Im einzelnem wurden also folgende Hypothesen überprüft:
Ein räumlich und zeitlich genau zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotener auditiver
Reiz verbessert den Bewegungseindruck gegenüber einer rein visuellen Darbietung
(Hypothese 1).
Ein an gleicher räumlicher Position dargebotener auditiver Reiz, der zu einem Zeitpunkt kurz
vor dem ersten oder kurz nach dem zweiten Lichtpunkt dargeboten wird, verschlechtert den
Bewegungseindruck gegenüber einer rein visuellen Darbietung (Hypothese 2).
Zusätzlich wurde das Geräusch auch zeitgleich mit dem ersten oder dem zweiten Lichtpunkt
dargeboten.
Diese
zeitgleichen
Darbietungen
dienten
dabei
als
zusätzliche
Kontrollbedingungen, da hier gleiche Resultate wie bei rein visueller Darbietung zu erwarten
sind (Allen & Kolers, 1981, s. auch Abschnitt 2.5).
3. Experiment 1
30
3.1 Methode
3.1.1 Versuchspersonen
An der Untersuchung nahmen insgesamt 16 Personen, größtenteils Studenten der Fakultät für
Psychologie, teil. Die Stichprobe setzte sich aus 13 weiblichen und 3 männlichen
Versuchspersonen im Alter zwischen 19 und 46 Jahren zusammen (Durchschnittsalter 27,3
Jahre). Die Versuchspersonen wiesen nach eigenen Angaben keine bekannten permanenten
Hörschäden oder sonstige aktuelle Beeinträchtigungen des Gehörs oder des Sehvermögens
auf. Die Teilnehmer hatten keine besondere Erfahrung mit der Wahrnehmung visueller
Scheinbewegungen. Die Studenten der Fachrichtung Psychologie erhielten für ihren zeitlichen
Aufwand eine Versuchspersonenstunde.
3.1.2 Versuchsaufbau
3.1.2.1 Apparatur
Die Untersuchung fand in einem Versuchsraum der Fakultät für Psychologie an der RuhrUniversität Bochum statt. Der Raum (5,4 m x 3,7 m x 4,0 m) war durch reflexionsmindernde
Deckenplatten in 2,6 m Höhe und einen reflexionsabsorbierenden Teppichboden
schallgedämpft. Während des Experiments saßen die Versuchspersonen in einem
höhenverstellbaren Stuhl mit Armlehnen. Zusätzlich wurde die Position des Kopfes durch
eine individuell verstellbare Kinnstütze fixiert, um den Betrachtungsabstand von 60 cm
konstant zu halten. Das Experiment fand bei indirekter, stark gedämpfter Beleuchtung statt.
Die Versuchssteuerung der visuellen Darbietung erfolgte durch einen PC (ICC Computer) mit
AMD Athlon XP 2000+ Prozessor, 1,66 Ghz und VGA-Videokarte (ATI RADEON 9200SE,
C.P. Technologies Inc.). Die Stimuli wurden auf einem 15 Zoll XGA TFT-Display (Acer
AL1512) mit 70 Hz Bildwiederholrate und einer Auflösung von 1024 x 768 Pixel dargeboten,
das sich in Augenhöhe auf einem Tisch vor den Versuchspersonen befand. Die auditiven
Stimuli wurden digital generiert und durch eine PC-gesteuerte Soundkarte (SoundMAX
Integrated Digital Audio, 16-bit Auflösung, 48 kHz Samplerate) in analoge Form konvertiert.
Die auditiven Stimuli wurden über Aktivboxen (Trust Soundwave 240 3D Plus) hörbar
gemacht, die links und rechts neben dem Monitor platziert waren. Die Antworten der
3. Experiment 1
31
Versuchspersonen erfolgten mit Hilfe einer Standardtastatur, die sich auf dem Tisch vor dem
TFT-Display befand, und wurden direkt über den PC aufgezeichnet. Die Versuchsapparatur
wird schematisch in Abbildung 1 dargestellt.
Abbildung 1: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus (Aufsicht)
3.1.2.2 Stimuli
Als visuelle Stimuli wurden je 2 weiße Rechtecke (1,5 cm x 1,5 cm, Luminanz 60 cd/m²) vor
einem schwarzen Hintergrund (Luminanz < 1 cd/m²) auf dem 31 cm x 23 cm großem Display
dargeboten (s. auch Abb. 1, die Bezeichnung V1 bezieht sich dabei auf das zuerst dargebotene
Rechteck, V2 auf das zweite Rechteck). Die Darbietungsdauer der Rechtecke betrug jeweils
33 ms, die Distanz der Rechtecke zueinander war 7,8 cm (Mitte zu Mitte), das entsprach 7,5°
Sehwinkel. Vor jedem Versuchsdurchgang wurde zunächst für 1 s ein weißes Fixationskreuz
(6 x 6 mm) in der Mitte des Bildschirms dargeboten, das sich genau zwischen den Positionen
der beiden Rechtecke befand (Abb. 1). Im Experimentalteil produzierten die Lautsprecher
zusätzlich zu den visuellen Stimuli ein klickartiges Geräusch mit jeweils 5 ms Dauer
(bandtiefpassgefiltertes weißes Rauschen, 71 dB(A), mit oberer cut-off Frequenz von 4 kHz
und unterer cut-off Frequenz von 100 Hz). Die auditiven Stimuli waren digital gespeichert mit
einer Abtastrate von 48 kHz und einer Auflösung von 16 bit (stereo). Der Abstand der Boxen
3. Experiment 1
32
zueinander betrug 50 cm, das entsprach 45,2°. Bei Stereodarbietung wird die Position eines
Geräuschs räumlich in der Mitte zwischen den beiden Lautsprechern wahrgenommen
(Blauert, 1997). Das Geräusch wurde durch die Stereodarbietung daher räumlich frontal und
zeitlich je nach Versuchsbedingung zu einem von fünf Zeitpunkten in Bezug auf die beiden
visuellen Stimuli dargeboten. Die Darbietung der Stimuli sowie die Aufzeichnung der
Antworten
wurde
durch
die
Software
Presentation
(Presentation
Version
0.81,
Neurobehavioral Systems Inc., Albany, CA, USA) gesteuert.
3.1.2.3 Versuchsdesign
Die abhängige Variable „Stärke des Bewegungseindrucks“ wurde operationalisiert als
gemittelte Häufigkeit, mit der die Versuchspersonen ihren Wahrnehmungseindruck in einer 4fach Wahlaufgabe (four-alternative forced-choice) der Kategorie „glatte Bewegung“
zuordneten (das Kategoriensystem wird unter 3.1.3 näher beschrieben, zu den theoretischen
Grundlagen siehe auch 2.3). In der Untersuchung wurden zwei unabhängige Variablen
herangezogen. Das ISOI der beiden Lichtpunkte wurde in acht Abstufungen (0, 50, 100, 150,
200, 250, 300 und 350 ms) variiert (UV1). Zudem erfolgte die Darbietung des auditiven
Reizes zu fünf unterschiedlichen Zeitpunkten (UV2): vor V1, während V1, zwischen V1 und
V2, während V2, oder nach V2, zusätzlich gab es eine Kontrollbedingung ohne
Geräuschdarbietung.
Das Experiment gliederte sich in zwei Versuchsblöcke, einen Kontrollblock ohne
Geräuschdarbietung und einen Experimentalblock mit Geräuschdarbietung. Die Reihenfolge
der beiden Blöcke wurde vor Beginn der Untersuchung für jede Versuchsperson festgelegt
und zwischen den Versuchspersonen variiert. Durch dieses Design sollten evtl. Lerneffekte
bei den Teilnehmern ausgeglichen werden. Zur Erhöhung der Messgenauigkeit wurde jede
mögliche Kombination der beiden unabhängigen Variablen acht mal dargeboten, wobei die
beiden visuellen Stimuli jeweils vier mal in der Reihenfolge links – rechts und rechts – links
präsentiert wurden. Somit ergaben sich im Kontrollblock 64 Versuchsdurchgänge und im
Experimentalblock 320 Versuchsdurchgänge (5 Geräuschbedingungen x 8 ISOI x 8
Wiederholungen), die nochmals in 4 Unterblöcke á 80 Versuchsdurchgängen untergliedert
wurden. Innerhalb der Blöcke wurde die Reihenfolge der Versuchsdurchgänge für jede
Versuchsperson randomisiert.
3. Experiment 1
33
3.1.3 Versuchsdurchführung
Zu Beginn des Experiments wurden die Teilnehmer gebeten, im Versuchssessel Platz zu
nehmen. Nachdem einige demographische Daten (Geschlecht, Alter) sowie evtl.
Beeinträchtigungen des Gehörs auf einem Protokollblatt erfasst wurden, wurde die
Kopfposition der Versuchspersonen mit Hilfe der Kinnstütze fixiert.
Es erfolgte zunächst eine Übungsphase. Die Teilnehmer wurden gebeten, sich mehrere
Beispielsequenzen der visuellen Stimuli (ohne Geräusche) anzusehen, um sich mit dem
dargebotenem
Stimulusmaterial
vertraut
zu
machen.
Anschließend
wurden
den
Versuchspersonen die Kategorien vorgestellt, mit denen sie ihren Wahrnehmungseindruck
beschreiben sollten. Anhand einiger Beispielsequenzen übten die Teilnehmer, ihren Eindruck
einer der vier Kategorien („gleichzeitig“ – zwei gleichzeitig aufleuchtende Lichter, „glatt“ –
ein Licht, das sich in einer kontinuierlichen, glatten Bewegung von der einen zur anderen
Seite bewegt, „gebrochen“ – ein Licht, das sich in einer unterbrochenen, ruckartigen
Bewegung von der einen zur anderen Seite bewegt oder „sukzessiv“ – zwei sukzessive,
hintereinander aufleuchtende Lichter) zuzuordnen. Diese Kategorisierung hat sich in der
Untersuchung visueller Scheinbewegungen bewährt (Strybel et al., 1990; Strybel & Vatakis,
2004). Die Instruktionen wurden über das Versuchsdisplay dargeboten (s. Anhang). Die
Teilnehmer wurden anschließend darüber informiert, dass während einiger der folgenden
Blöcke neben den visuellen Reizen auch ein klickartiges Geräusch auftritt. Sie wurden aber
instruiert, dieses zu ignorieren und sich nur auf die Lichter zu konzentrieren. Nachdem evtl.
Fragen der Versuchspersonen geklärt wurden begann das eigentliche Experiment, das sich in
fünf Blöcke teilte (Kontrollblock ohne Geräuschdarbietung und Experimentalblock mit
Geräuschdarbietung, bestehend aus vier Unterblöcken). Die Versuchspersonen hatten die
Möglichkeit, zwischen den einzelnen Blöcken kurze Pausen einzulegen.
Zu Beginn jedes Versuchsdurchgangs erschien nach einer Vorlaufzeit von 1 s zunächst für
1000 ms das Fixationskreuz, nach einer Verzögerung von 100 ms, während der der
Bildschirm schwarz blieb, dann die beiden visuellen Reize, jeweils mit einem von acht ISOI
(0, 50, 100, 150, 200, 250, 300, oder 350 ms) zueinander. Im Experimentalteil setzte
zusätzlich der auditive Reiz (Dauer 5 ms) je nach Bedingung 75 ms vor V1, zeitgleich mit V1,
nach der Hälfte des ISOI zwischen V1 und V2, zeitgleich mit V2 oder 75 ms nach V2 ein
(Abb. 2). Anzumerken ist, dass bei gleichzeitiger Darbietung der Lichtpunkte (0 ms ISOI) die
Geräuschbedingungen zwischen den beiden Lichtpunkten sowie zeitgleich mit V1 oder V2
3. Experiment 1
34
identisch waren. Nach jedem Versuchsdurchgang kategorisierten die Teilnehmer ihren
Wahrnehmungseindruck mit Hilfe der Tastatur. Das Drücken der entsprechenden
Antworttaste startete dann den nächsten Durchgang. Die Versuchspersonen konnten somit das
Zeitintervall zwischen zwei Versuchsdurchgängen, das Intercycle Interval (ICI), selbst
bestimmen. Sie wurden aber gebeten, ihren Eindruck möglichst spontan einer der Kategorien
zuzuordnen. Während des Experiments wurde den Teilnehmern zu keinem Zeitpunkt ein
Feedback gegeben.
1s
visuelle Stimuli
vor V1
0.1 s
Fixationskreuz
ISOI
V1
V2
75ms
zeitgleich mit V1
zwischen V1 und V2
zeitgleich mit V2
nach V2
75ms
Kontrollbedingung
Abbildung 2: Schematische Darstellung der Versuchsbedingungen in Experiment 1. Nach einem Fixationskreuz
erschienen zwei visuelle Stimuli V1 und V2, die durch ISOI zwischen 0 und 350 ms voneinander getrennt
waren. Klickartige Geräusche wurden vor V1, nach V2, zeitgleich mit V1 oder V2, oder zwischen V1 und V2
(nach der Hälfte des ISOI) dargeboten. In der Kontrollbedingung wurden nur die visuellen Stimuli dargeboten.
Im Anschluss an das Experiment erfolgte noch eine kurze mündliche Exploration, bevor die
Teilnehmer verabschiedet wurden. Die Untersuchung dauerte ca. 45 min. Die Sitzungen
fanden überwiegend am Vormittag und am frühen Nachmittag statt.
3. Experiment 1
35
3.1.4 Datenauswertung und Statistik
Die Versuchspersonen ordneten ihren Wahrnehmungseindruck einer der oben beschriebenen
vier Kategorien zu. Die so gewonnenen Daten wurden mit SPSS 12.0 und dem darin
enthaltenem Statistikpaket ausgewertet. Jede mögliche Kombination aus ISOI und Zeitpunkt
des Geräuschs wurde acht mal dargeboten. Daraus wurde zunächst für jede Kombination die
prozentuale Häufigkeit der vier Antwortkategorien für jede Versuchsperson gemittelt.
Neben der deskriptiven graphischen Darstellung der Ergebnisse erfolgte auch eine
inferentialstatistische Auswertung der Daten. Hierbei wurde nur die Antwortkategorie „glatte
Bewegung“ weiter berücksichtigt, da sich die vorliegende Arbeit mit der Wahrnehmung
visueller Scheinbewegungen beschäftigt, die durch diese Kategorie am besten erfasst wird.
Um die Einflüsse des ISOI und der Geräuschbedingung auf die Wahrnehmung einer „glatten
Bewegung“
zu
überprüfen,
wurde
eine
zweifaktorielle
Varianzanalyse
mit
Messwiederholung durchgeführt. Als Faktoren wurden die Versuchsbedingung (6-stufig)
sowie das ISOI (4-stufig) analysiert. Von den 8 dargebotenen ISOI wurden dabei nur die
Werte 100, 150, 200, und 250 ms berücksichtigt, um genau den Bereich des ISOI zu
untersuchen, in dem ein Effekt der Geräuschbedingung auftreten sollte. Bei kürzeren ISOI ist
das Auftreten visueller Scheinbewegungen ohnehin auch bei rein visueller Darbietung sehr
wahrscheinlich (50 ms), bzw. der Bewegungseindruck weicht dem Eindruck zweier simultan
aufleuchtender Punkte (0 ms), bei längeren ISOI (ab 300 ms) ist der Eindruck zweier
sukzessiv aufleuchtender Punkte zu erwarten, wie zahlreiche Untersuchungen belegen (z.B.
Strybel et al., 1990); im Bereich dazwischen (100 – 250 ms) treten zwar üblicherweise noch
Bewegungseindrücke auf, deren Häufigkeit nimmt aber im Vergleich zu 50 ms ISOI bereits
ab 100 ms ISOI stark ab, so dass ein möglicher Erleichterungseffekt durch die
Geräuschdarbietung sich gerade in diesem Bereich zeigen sollte.
Um den Einfluss der Geräuschbedingungen näher zu bestimmen, wurde post hoc zusätzlich
auch ein t-Test für gepaarte Stichproben durchgeführt, wobei die gemittelte Häufigkeit der
Antwortkategorie „glatte Bewegung“ im untersuchten Bereich von 100 – 250 ms ISOI
zwischen den einzelnen Versuchsbedingungen verglichen wurde.
3. Experiment 1
36
3.2 Ergebnisse
Die Daten einer weiblichen und einer männlichen Versuchsperson wurden in der statistischen
Auswertung nicht berücksichtigt. Die weibliche Versuchsperson berichtete insgesamt nur in
sehr wenigen Fällen den Eindruck einer Bewegung (weniger als 5% der Trials), die männliche
Versuchsperson ordnete keine der insgesamt 384 Darbietungen der Kategorie „glatte
Bewegung“ zu. Die Auswertung basiert daher auf den Daten von 14 Versuchspersonen.
Abbildung 3: Prozentuale Verteilung der vier Antwortkategorien in der Kontrollbedingung von Experiment 1
(visuelle Stimuli ohne Geräuschdarbietung) für alle getesteten ISOI. Die einzelnen Datenpunkte zeigen die
gemittelten Werte über alle Versuchspersonen (N = 14).
Für jede Versuchsperson wurde die prozentuale Häufigkeit der vier Antwortkategorien in
Abhängigkeit von ISOI und Geräuschbedingung bestimmt. Abbildung 3 zeigt die prozentuale
Verteilung der vier Kategorien in der Kontrollbedingung, bei der kein Geräusch dargeboten
wurde. Die Antwort „glatte Bewegung“ trat überwiegend bei 50 und 100 ms ISOI auf, im
3. Experiment 1
37
Bereich von 150 bis 250 ms wurden die Darbietungen überwiegend als „gebrochene
Bewegung“
kategorisiert.
Außerhalb
dieses
Bereichs
wurden
nur
sehr
wenige
Bewegungswahrnehmungen berichtet: Bei 0 ms ISOI wurden die beiden Stimuli fast
ausschließlich als simultan gesehen, bei 300 und 350 ms ISOI als sukzessiv. Die Verteilung
der vier Antwortkategorien in Abhängigkeit des ISOI entspricht damit den in Abschnitt 3.1.4
auf Grund früherer Untersuchungen (Strybel et al., 1990) getroffenen Vorannahmen. Die
Beschränkung der inferentialstatistischen Auswertung auf den Bereich von 100 – 250 ms
ISOI ist daher gerechtfertigt.
Die weitergehende Analyse der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ zeigte, dass die
Häufigkeit eines Bewegungseindrucks stark von der jeweiligen Geräuschbedingung abhing.
Abbildung 4 zeigt die prozentuale Häufigkeit der Antwort „glatte Bewegung“ für die
einzelnen Versuchsbedingungen. Im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung traten
bei Darbietung eines Geräuschs zwischen den beiden Lichtpunkten bei sämtlichen ISOI mehr
„glatte Bewegung“ Antworten auf. Bei 150 ms ISOI fielen in der Bedingung mit mittigem
Geräusch beispielsweise noch etwa 55% der Antworten in die Kategorie „glatte Bewegung“,
in der Kontrollbedingung dagegen nur noch 33% der Antworten. Auch bei Darbietung eines
Geräuschs mit oder nach dem zweiten visuellen Stimulus traten „glatte Bewegungen“
häufiger auf als bei rein visueller Darbietung, bei 150 und 200 ms ISOI allerdings deutlich
seltener als in der mittigen Geräuschbedingung. Bei 150 ms ISOI waren das 40% der
Antworten bei zeitgleicher Darbietung mit V2 bzw. 37% der Antworten bei Darbietung nach
V2, im Vergleich zu 55% bei Darbietung zwischen V1 und V2. Bei 50 und 100 ms ISOI
lagen diese drei Versuchsbedingungen ungefähr auf gleichem Niveau, die mittige
Geräuschbedingung wurde allerdings nur im Bereich 250 – 350 ms ISOI übertroffen, wobei
hier insbesondere bei 250 ms ISOI die 20% „glatte Bewegung“ Antworten bei einem
Geräusch nach V2 im Vergleich zu 12% bei mittigem Geräusch auffallen. Bei
Geräuschdarbietung vor V1 traten dagegen weniger „glatte Bewegungen“ auf als in der
Kontrollbedingung, für 150 ms ISOI beispielsweise 22% gegenüber den 33% in der rein
visuellen Bedingung. Das Antwortniveau bei zeitgleicher Geräuschdarbietung mit V1 lag
insgesamt etwa auf dem Niveau der Kontrollbedingung, da die Häufigkeitsunterschiede
zwischen diesen beiden Bedingungen keinem erkennbaren Trend folgten.
Eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung bestätigte den in der deskriptiven
Darstellung erkennbaren Einfluss der Geräuschbedingung. Neben einem signifikanten
3. Experiment 1
38
Haupteffekt des ISOI (F[3, 39] = 106.27; p < 0.001) zeigte sich auch ein signifikanter
Haupteffekt der Geräuschbedingung (F[5, 65] = 6.50; p < 0.001) sowie eine signifikante
Wechselwirkung von ISOI und Geräuschbedingung (F[15, 195] = 1.83; p = 0.033) für den
ISOI Bereich von 100 bis 250 ms, für den ein Einfluss der Geräuschbedingung erwartet
wurde.
Abbildung 4: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ in Abhängigkeit vom ISOI für
alle getesteten Versuchsbedingungen in Experiment 1. Die einzelnen Datenpunkte zeigen die gemittelten Werte
über alle Versuchspersonen (N = 14).
Post hoc erfolgte ein Vergleich der einzelnen Geräuschbedingungen, wobei die prozentuale
Häufigkeit der „glatte Bewegung“ Antworten über die vier in diesem Bereich liegenden ISOI
Schritte (100, 150, 200, und 250 ms) gemittelt wurde. In Abbildung 5 ist zu erkennen, dass im
Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung (Mittelwert 29,5%, SE +/- 4,6%) „glatte
Bewegungen“ häufiger bei einem mittigen Geräusch berichtet wurden (Mittelwert 42,6%, SE
+/- 4,2%; t[13] = 2.55; p = 0.024). Dagegen war die Zunahme „glatter Bewegungen“ bei
einem zeitgleich mit V2 (Mittelwert 35,9%, SE +/- 4,0%; t[13] = 1.21; p = 0.248) und einem
3. Experiment 1
39
nach V2 dargebotenem Geräusch (Mittelwert 38,0%, SE +/- 4,2%; t[13] = 1.62; p = 0.129)
statistisch nicht signifikant. Ein Vergleich der mittigen Geräuschbedingung mit diesen beiden
Bedingungen zeigte, dass bei mittigem Geräusch auch mehr „glatte Bewegung“ Antworten
auftraten, als bei einem mit V2 präsentiertem Geräusch (t[13] = 2.19; p = 0.047), der
Unterschied zu einem nach V2 präsentiertem Geräusch (t[13] = 1.34; p = 0.205) erreichte
jedoch keine statistische Signifikanz.
Bei Darbietung eines Geräuschs vor V1 traten zwar im Vergleich zur Kontrollbedingung
etwas weniger „glatte Bewegung“ Antworten auf (Mittelwert 23,4%, SE +/- 3,0%; t[13] =
1.56; p = 0.142), dieser Unterschied war aber statistisch nicht signifikant. Auch die
verbleibende Geräuschbedingung (Darbietung mit V1) unterschied sich nicht von der
Kontrollbedingung (Mittelwert 28,6%, SE +/- 4,7%; t[13] = 0.16; p = 0.875).
Abbildung 5: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ für die einzelnen
Geräuschbedingungen in Experiment 1. Die Balken zeigen die gemittelten Werte über die ISOI, bei denen ein
Einfluss der Geräuschbedingung erwartet wurde (100, 150, 200, 250 ms). Die Fehlerbalken zeigen
Standardfehler vom Mittelwert (SE) über die Versuchspersonen (N = 14).
3. Experiment 1
40
3.3 Diskussion
Ein zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes kurzes Geräusch führte zu einer
signifikanten Verbesserung des Bewegungseindrucks. Diese Beobachtung deckt sich mit dem
von Getzmann (persönliche Mitteilung) berichteten Effekt, das damalige Ergebnis konnte
somit repliziert werden.
Ein mittiges Geräusch führte dabei sowohl im Vergleich zu einer rein visuellen Darbietung,
als auch gegenüber einer zeitgleichen Geräuschdarbietung mit V1 oder V2 signifikant
häufiger zum Eindruck einer Scheinbewegung. Die beiden zeitgleichen Geräuschbedingungen
und die rein visuelle Kontrollbedingung unterschieden sich dabei nicht signifikant
voneinander, was auf Grund früherer Untersuchungen zu audiovisuellen Interaktionen beim
Phi-Phänomen (Allen & Kolers, 1981; Ohmura, 1987) erwartet wurde, die zeitgleichen
Darbietungen mit V1 oder V2 dienten daher als zusätzliche Kontrollbedingungen.
Die Tatsache, dass auditive Reize Aufmerksamkeit von der kognitiven Verarbeitung visueller
Stimuli ablenken können (Massaro & Warner, 1977; Tellinghuisen & Nowak, 2003), ist eine
mögliche Erklärung für den verbesserten Bewegungseindruck durch ein mittiges Geräusch.
Ein solcher Aufmerksamkeitsablenkungseffekt wurde in der von Getzmann (persönliche
Mitteilung) beschriebenen Untersuchung stark begünstigt (s. auch Abschnitt 2.6.1): Neben
Versuchsdurchgängen, bei denen ein mittiges Geräusch dargeboten wurde, traten dort
innerhalb eines Versuchsblocks überwiegend auch Durchgänge mit zwei Geräuschen auf, die
hinsichtlich der Lautstärke leiser als das einzelne mittige Geräusch waren, welches dadurch
besondere Salienz erlangt haben könnte. Diese Einschränkungen treffen auf die vorliegende
Untersuchung nicht zu, innerhalb eines Versuchsblocks unterschieden sich die einzelnen
Durchgänge hier nur durch den Zeitpunkt der Geräuschdarbietung. Das Auftreten des
Erleichterungseffekts im vorliegenden Experiment spricht somit indirekt auch gegen eine
Ablenkung der Aufmerksamkeit, zumindest als alleinige Erklärung des Effekts.
Erklären lässt sich der erleichterte Bewegungseindruck aber auch durch die Annahme, dass
Geräusche visuelle Stimuli auf der zeitlichen Dimension anziehen können (Morein-Zamir et
al., 2003; Vroomen & de Gelder, 2004; s. auch Abschnitt 2.6.4). Demnach könnte ein
zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch die wahrgenommene Zeitdauer des
ISOI verkürzt haben, und somit insbesondere bei längeren ISOI den Bewegungseindruck
3. Experiment 1
41
erleichtert haben. Morein-Zamir et al. (2003) erklären mit einem solchen temporalen
Ventriloquismuseffekt die Ergebnisse einer visuellen Diskriminationsaufgabe, bei der die
Beobachter jeweils angeben sollten, welches von zwei Lichtern zuerst erschien: zwei
zwischen den Lichtern dargebotene Geräusche verschlechterten dabei die Leistung, die
Darbietung eines Geräuschs vor dem ersten und nach dem zweiten Licht verbesserte dagegen
die Diskriminationsfähigkeit (im Vergleich zu simultaner Darbietung von Geräuschen und
Lichtern).
Analog dazu wäre beim Phi-Phänomen durch eine Vergrößerung des subjektiv
wahrgenommenen ISOI eine Verschlechterung des Bewegungseindrucks zu erwarten, wenn
ein Geräusch vor dem ersten oder nach dem zweiten Lichtpunkt dargeboten wird. Diese
Hypothese wurde im vorliegenden Experiment jedoch nicht bestätigt. Im Vergleich zur rein
visuellen Kontrollbedingung veränderte weder ein vor V1 noch ein nach V2 dargebotenes
Geräusch den Bewegungseindruck signifikant. Anzumerken ist zudem, dass in der
Untersuchung von Morein-Zamir et al. (2003) insbesondere das zweite, nach dem zweiten
Licht dargebotene Geräusch für den Ventriloquismuseffekt verantwortlich schien. In der
vorliegenden Untersuchung führte ein nach V2 dargebotenes Geräusch tendenziell aber sogar
zu einer leicht verbesserten Bewegungswahrnehmung gegenüber der Kontrollbedingung.
Diese Differenz erreichte aber keine statistische Signifikanz, die Bedingung unterschied sich
aber auch von der mittigen Geräuschdarbietung nicht signifikant. Gegen einen temporalen
Ventriloquismuseffekt als Erklärungsansatz spricht auch die Tatsache, dass in der
Untersuchung
von
Morein-Zamir
et
al.
(2003)
eine
Verschlechterung
der
Diskriminationsleistung nur bei zwei zwischen den Lichtpunkten dargebotenen Geräuschen
auftrat, nicht aber bei einem Geräusch. Erklärt wurde dies damit, dass nur bei zwei auditiven
Reizen eine paarweise Integration mit den beiden visuellen Reizen zu jeweils einem
audiovisuellen Ereignis, das dann temporal diskrepante Informationen aufweist, möglich ist.
Diese temporale Diskrepanz würde dann zu Gunsten der auditiven Information gelöst. In der
vorliegenden Untersuchung führte aber auch ein einzelner auditiver Reiz zwischen den
Lichtpunkten zu einer erleichterten Bewegungswahrnehmung, so dass sich diese Erklärung
nicht auf den vorliegenden Befund beim Phi-Phänomen übertragen lässt. Für den erleichterten
Bewegungseindruck durch ein mittiges Geräusch scheint also ein anderer Mechanismus
verantwortlich zu sein.
42
4. Experiment 2
Nachdem in Experiment 1 der erleichternde Einfluss eines mittigen Geräuschs auf den
Bewegungseindruck repliziert werden konnte, sollte in einem zweiten Experiment der
Einfluss der räumlichen Position dieses Geräuschs näher untersucht werden.
Das Phi-Phänomen beschreibt den Wahrnehmungseindruck einer Bewegung eines Objekts
von der einen zu einer anderen Position, wobei das Objekt tatsächlich nur an der Anfangsund Endposition sichtbar ist. Denkbar wäre, dass gerade der Umstand, dass das Geräusch in
Experiment 1 auch räumlich an einer Position zwischen den beiden Lichtpunkten dargeboten
wurde, ausschlaggebend für die Erleichterung des Bewegungseindrucks war. Geht man davon
aus, dass audiovisuelle Stimuli neuronal innerhalb eines gemeinsamen räumlichen
Bezugsrahmens abgebildet werden (Mazzoni et al., 1996; Stricanne et al., 1996; MulletteGillman et al., 2005; s. auch Abschnitt 2.6.3), erscheint bei der Darbietung des Geräuschs
neben dem Zeitpunkt nämlich auch die räumliche Position entscheidend: Bei räumlichzeitlicher Darbietung zwischen den beiden Lichtpunkten werden diese drei Stimulusereignisse
demnach neuronal an drei aufeinander folgenden räumlich-zeitlichen Positionen repräsentiert,
und könnten dadurch als ein zusammenhängendes Objekt in Bewegung aufgefasst werden.
Bei Darbietung des Geräuschs zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten, aber räumlich
getrennt von diesen, sollte demzufolge dann keine Erleichterung des Bewegungseindrucks
auftreten. In diesem Fall sollte sich das Geräusch durch die räumlich von den Lichtpunkten
getrennte Repräsentation nicht mit diesen in Verbindung bringen lassen können und als
eigenständiges Ereignis aufgefasst werden. Diese Hypothese wurde in Experiment 2
überprüft.
4. Experiment 2
43
4.1 Methode
4.1.1 Versuchspersonen
An Experiment 2 nahmen insgesamt 12 Personen im Alter von 19 bis 42 Jahren teil
(Durchschnittsalter 26,4 Jahre). Die Stichprobe setzte sich dabei aus 9 weiblichen und 3
männlichen Versuchspersonen zusammen, größtenteils Studenten der Fakultät für
Psychologie, die nicht am ersten Experiment teilgenommen hatten. Die Versuchsteilnehmer
gaben an, keine permanenten Hörschäden oder sonstige aktuelle Beeinträchtigungen von
Gehör oder Sehvermögen aufzuweisen. Die Studenten der Fachrichtung Psychologie erhielten
für ihren zeitlichen Aufwand eine Versuchspersonenstunde.
4.1.2 Versuchsaufbau und Durchführung
Apparatur, Stimuli, Versuchsdesign und Versuchsdurchführung waren identisch zu
Experiment 1, mit der folgenden Ausnahme: Die Geräuschdarbietung erfolgte nicht frontal
zwischen den beiden Lichtpunkten durch Stereodarbietung über zwei links und rechts vom
Bildschirm
angeordnete
Lautsprecher,
sondern
über
einen
90°
links
von
der
Geradeausposition der Versuchsperson auf dem Versuchstisch platzierten Lautsprecher. Der
Abstand zwischen dem linken Ohr der Versuchsperson und dem Lautsprecher betrug 50 cm.
4.1.3 Datenauswertung und Statistik
Die Datenauswertung erfolgte in gleicher Weise wie in Experiment 1, zusätzlich wurde aber
auch ein Vergleich der Ergebnisse der beiden Experimente durchgeführt, um den Einfluss der
experimentellen Variation gegenüber Experiment 1 (Position des Lautsprechers) näher zu
bestimmen. Dazu wurden in der zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung die
Daten beider Experimente berücksichtigt, wobei die Zugehörigkeit zu Experiment 1 oder 2 als
Zwischensubjektfaktor neben den beiden Innersubjektfaktoren ISOI und Geräuschbedingung
in die Analyse einging.
4. Experiment 2
44
4.2 Ergebnisse
Die Daten einer weiblichen Versuchsperson wurden in der statistischen Auswertung nicht
berücksichtigt, da das Antwortverhalten der Probandin keinen Zusammenhang zwischen ISOI
und Kategorienzuordnung erkennen ließ und somit von einem Nichtbefolgen der
Versuchsinstruktion ausgegangen werden musste. Die Auswertung basiert somit auf den
Daten von 11 Versuchspersonen.
In der rein visuellen Kontrollbedingung traten Bewegungseindrücke (Kategorien „glatte“ und
„gebrochene“ Bewegung) wie im ersten Experiment überwiegend im Bereich 50 bis 250 ms
ISOI auf, außerhalb dieses Bereichs wurden fast ausschließlich „simultan“ und „sukzessiv“
Eindrücke berichtet. Die prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ in
Abhängigkeit von ISOI und Geräuschbedingung zeigt Abbildung 6. Im Vergleich zur rein
visuellen
Kontrollbedingung
wurden
„glatte
Bewegungen“
häufiger
bei
einer
Geräuschdarbietung zeitlich zwischen V1 und V2 sowie bei Darbietung zeitgleich mit V2 und
nach V2 berichtet. Die Geräuschbedingung zwischen V1 und V2 lag dabei im Bereich 150 bis
200 ms ISOI deutlich über den beiden anderen Bedingungen. Der prozentuale Anteil der
„glatte Bewegung“ Antworten lag beispielsweise bei 200 ms ISOI in der Kontrollbedingung
bei ca. 21%. Im Vergleich dazu wurden bei einem Geräusch zwischen V1 und V2 noch in
44% der Fälle eine „glatte Bewegung“ berichtet, die Bedingungen zeitgleich mit V2 (31%)
und nach V2 (30%) lagen zwischen diesen beiden Werten und unterschieden sich auch über
den gesamten ISOI Bereich nur minimal. Die Darbietung eines Geräuschs vor V1 führte
dagegen durchweg zu weniger „glatten“ Bewegungseindrücken als in der Kontrollbedingung
(beispielsweise 24% vs. 40% bei 150 ms ISOI). Bei zeitgleicher Darbietung mit V1 war
insbesondere bei 150 ms ISOI eine Zunahme der „glatte Bewegung“ Antworten im Vergleich
zur Kontrollbedingung zu beobachten (53% vs. 40%), ansonsten lagen die beiden
Bedingungen ungefähr auf gleichem Niveau. Insgesamt zeigte sich ein ähnliches Bild wie im
ersten Experiment.
4. Experiment 2
45
Abbildung 6: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ in Abhängigkeit vom ISOI für
alle getesteten Versuchsbedingungen in Experiment 2. Die einzelnen Datenpunkte zeigen die gemittelten Werte
über alle Versuchspersonen (N = 11).
Eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung bestätigte den starken Einfluss
der Geräuschbedingung auf die Antwortkategorie „glatte Bewegung“. Neben einem
signifikanten Haupteffekt des ISOI (F[3, 30] = 46.46; p < 0.001) zeigte sich auch ein
signifikanter Haupteffekt der Geräuschbedingung (F[5, 50] = 10.71; p < 0.001), die
Interaktion von ISOI und Geräuschbedingung erreichte dabei keine statistische Signifikanz
(F[15, 150] = 1.69; p = 0.06). Ein Vergleich der Ergebnisse mit dem ersten Experiment ergab
dabei keinen statistisch bedeutsamen Unterschied zwischen den beiden Versuchen. Für den
Zwischensubjektfaktor Versuch zeigte sich kein signifikanter Haupteffekt (F[1, 23] = 0.69; p
= 0.414). Auch die Interaktionen zwischen Geräuschbedingung und Versuch (F[5, 115] =
0.47; p = 0.798), ISOI und Versuch (F[3, 69] = 1.09; p = 0.361), sowie Geräuschbedingung,
ISOI, und Versuch (F[15, 345] = 0.83; p = 0.64) verfehlten dabei klar die statistische
Signifikanz.
4. Experiment 2
46
Abbildung 7: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ für die einzelnen
Geräuschbedingungen in Experiment 2. Die Balken zeigen die gemittelten Werte über die ISOI, bei denen ein
Einfluss der Geräuschbedingung erwartet wurde (100, 150, 200, 250 ms). Die Fehlerbalken zeigen
Standardfehler vom Mittelwert (SE) über die Versuchspersonen (N = 11).
Abbildung 7 zeigt die prozentuale Häufigkeit der „glatte Bewegung“ Antworten gemittelt
über die ISOI 100, 150, 200 und 250 ms für Experiment 2. Im Vergleich zur rein visuellen
Kontrollbedingung (Mittelwert 33,2%, SE +/-4,1%) war der Anteil der „glatte Bewegung
Antworten höher bei Darbietung eines Geräuschs zwischen den beiden Lichtpunkten
(Mittelwert 48,9%, SE +/-7,5%; t[10] = 2.88; p = 0.016) sowie bei zeitgleicher Darbietung
mit V2 (Mittelwert 42,6%, SE +/-5,9%; t[10] = 3.12; p = 0.011), diese beiden Bedingungen
unterschieden sich dabei nicht signifikant voneinander (t[10] = 1.51; p = 0.161). Die
Bedingungen vor V1 (Mittelwert 25,3%, SE +/-4,4%; t[10] = 2.18; p = 0.055), mit V1
(Mittelwert 37,2%, SE +/-6,0%; t[10] = 1.08; p = 0.308) und nach V2 (Mittelwert 40,6%, SE
+/-6,0%; t[10] = 2.15; p = 0.057) unterschieden sich nicht signifikant von der
4. Experiment 2
47
Kontrollbedingung. In diesen drei Bedingungen traten jeweils auch signifikant weniger
„glatte“ Bewegungseindrücke auf als bei Geräuschdarbietung zwischen V1 und V2 (t[10] =
5.73; p < 0.001 für Bedingung vor V1; t[10] = 3.19; p = 0.010 für Bedingung mit V1; t[10] =
2.32; p = 0.043 für Bedingung nach V2).
4.3 Diskussion
Ein zeitlich zwischen V1 und V2 dargebotenes kurzes Geräusch führte auch in Experiment 2
zu einer signifikanten Verbesserung des Bewegungseindrucks. Insgesamt ergab ein Vergleich
der Ergebnisse keine signifikanten Unterschiede zwischen Experiment 1 (bei dem die
Geräuschdarbietung räumlich zwischen den beiden Lichtpunkten erfolgte) und Experiment 2
(bei dem die Geräuschdarbietung von 90° links, entfernt von den visuellen Stimuli erfolgte).
Das
vorliegende
Ergebnis
spricht
somit
klar
gegen
einen
räumlich-neuronalen
Erklärungsansatz, der auf der gemeinsamen neuronalen Abbildung von räumlichen
Informationen
aus
dem
auditiven
und
visuellen
System
innerhalb
eines
modalitätsübergreifenden räumlichen Bezugsrahmens (Mazzoni et al., 1996; Stricanne et al.,
1996; Mullette-Gillman et al., 2005) basiert: Ein räumlich und zeitlich zwischen den beiden
Lichtpunkten dargebotenes Geräusch (Experiment 1) sollte demnach innerhalb dieses
gemeinsamen Bezugsrahmens eine Position zwischen den beiden Lichtpunkten einnehmen
und somit den Eindruck eines zusammenhängenden audiovisuellen Objekts in Bewegung
begünstigen. Bei einem zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten, aber räumlich getrennt
von diesen dargebotenem Geräusch (Experiment 2) sollte dagegen kein Erleichterungseffekt
auftreten, da das Geräusch hier auch auf neuronaler Ebene getrennt von den visuellen
Ereignissen abgebildet werden sollte. Statt eines zusammenhängenden audiovisuellen Objekts
sollte hier eine Interpretation des Geräuschs als ein auditives Ereignis, das ohne
Zusammenhang zu den visuellen Ereignissen stattfindet, nahe liegen. Entgegen dieser
Hypothese trat in Experiment 2 ein Erleichterungseffekt aber auch bei räumlich entfernter
Geräuschdarbietung auf, der räumlich-neuronale Erklärungsansatz des Effekts konnte somit
widerlegt werden. Für den in beiden Experimenten aufgetretenen Erleichterungseffekt scheint
also die räumliche Position des Geräuschs keine Rolle zu spielen, ausschlaggebend erscheint
alleine die zeitliche Position zwischen den beiden Lichtpunkten.
4. Experiment 2
48
Obwohl der Einfluss der einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 1 und 2 trotz der
veränderten räumlichen Position des auditiven Reizes sehr ähnlich ausfiel, zeigte sich aber
auch ein Unterschied zwischen den beiden Versuchen: Während in Experiment 1 lediglich die
Darbietung eines Geräuschs zwischen V1 und V2 zu einer signifikanten Zunahme des
Bewegungseindrucks im Vergleich zu einer rein visuellen Kontrolldarbietung führte, kam es
in Experiment 2 zusätzlich auch bei zeitgleicher Geräuschdarbietung mit V2 zu einer
signifikanten Zunahme (auch in Experiment 1 kam es hier zu einer Zunahme der
Bewegungsberichte gegenüber der Kontrollbedingung, die Differenz verfehlte aber die
statistische Signifikanz). Diese beiden Bedingungen unterschieden sich dabei nicht signifikant
voneinander, auch wenn bei Darbietung zwischen V1 und V2 tendenziell häufiger eine
Bewegung berichtet wurde als bei zeitgleicher Darbietung mit V2.
Dieses Ergebnis war unerwartet: Allen & Kolers (1981) zeigten, dass ein zeitgleich mit V2,
aber räumlich inkompatibel zu V2 dargebotenes Geräusch im Vergleich zu einer rein
visuellen Kontrollbedingung zu keiner signifikanten Veränderung führte. Dem folgend wurde
auch in der vorliegenden Untersuchung kein Effekt eines zeitgleich mit V2 dargebotenen
Geräuschs erwartet. Allerdings wurde in der vorliegenden Untersuchung das Geräusch von
90° links, also entfernt vom visuellen Geschehen dargeboten, Allen & Kolers (1981)
präsentierten das Geräusch dagegen jeweils an der Position des ersten visuellen Stimulus. Die
beiden Untersuchungen sind daher auch nur bedingt vergleichbar. Der Effekt eines mit V2
dargebotenen Geräuschs unterstreicht aber, dass audiovisuelle Interaktionen durchaus den
Eindruck einer visuellen Scheinbewegung – insbesondere bei längeren ISOI im Bereich von
100 bis 250 ms - erleichtern können. Frühere Untersuchungen (Allen & Kolers, 1981; Staal &
Donderi, 1983; Ohmura, 1987; Strybel & Vatakis, 2004) hatten dagegen keinen
erleichternden, teilweise sogar einen hemmenden Einfluss auditiver Reize auf die
Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen in diesem ISOI Bereich gefunden. Allerdings
wurden in den genannten Untersuchungen (mit Ausnahme von Allen & Kolers, 1981)
ausschließlich ein auditiver Reiz zeitgleich mit dem ersten visuellen Reiz oder zwei auditive
Reize zeitgleich mit den beiden visuellen Reizen dargeboten. Diese Stimulusanordnungen
scheinen gerade für eine Erleichterung der Bewegungswahrnehmung ungünstig zu sein: In
den Untersuchungen mit zwei auditiven Reizen könnten die beiden Geräusche gerade die
Getrenntheit der beiden distinkten visuellen Reize betont und dadurch den Eindruck zweier
sukzessiv aufleuchtender Punkte begünstigt haben. Bei nur einem auditiven Reiz, der
4. Experiment 2
49
gekoppelt an den ersten visuellen Reiz dargeboten wird, wurde einfach der Zeitpunkt für eine
audiovisuelle Interaktion ungünstig gewählt.
Die Tatsache, dass in Experiment 2 neben der Geräuschdarbietung zwischen V1 und V2 auch
in etwas geringerem Ausmaß die Geräuschdarbietung mit V2 zu einer Erleichterung des
Bewegungseindrucks führte, beinhaltet auch theoretische Implikationen: Geht man davon aus,
dass dem Erleichterungseffekt in beiden Versuchsbedingungen der gleiche Mechanismus zu
Grunde liegt, so spricht dass gegen einen temporalen Ventriloquismuseffekt als Erklärung des
Phänomens. Da der auditive Stimulus hier zeitgleich mit dem zweiten visuellen Stimulus
dargeboten wurde, kann es hier nicht zu einer subjektiven Verschiebung des
wahrgenommenen Zeitpunkts des visuellen in Richtung des auditiven Stimulus gekommen
sein. Auch eine subjektive Verkürzung gefüllter Pausen erscheint hier als Erklärung des
Phänomens unplausibel, da das Geräusch bei Darbietung mit V2 nicht in die Pause zwischen
den beiden Lichtpunkten, das ISOI, fiel.
Zusammenfassend zeigte Experiment 2, dass ein zwischen V1 und V2 dargebotenes kurzes
Geräusch - unabhängig von dessen räumlicher Position - zu einer Erleichterung des
Bewegungseindrucks führt. Der in Experiment 2 zusätzlich aufgetretene Erleichterungseffekt
durch ein mit V2 dargebotenes Geräusch zeigte aber auch, dass audiovisuelle Interaktionen
bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen nicht ausschließlich bei einem Zeitpunkt
der Geräuschdarbietung in der Mitte des ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten zu einer
Erleichterung des Bewegungseindrucks führen können. Erklärungsansätze, die einen solchen
Erleichterungseffekt nur durch die räumlich und/oder zeitlich mittige Position des Geräuschs
zwischen den Lichtpunkten erklären können (also die o.g. Erklärungen durch temporalen
Ventriloquismus und räumlich-neuronale Komponenten), scheiden daher als theoretische
Grundlage des Phänomens aus. In einem dritten Experiment sollte nun vor allem die Rolle
von kognitiven Faktoren sowie Aufmerksamkeitseffekten näher untersucht werden.
50
5. Experiment 3
In den vorangehenden beiden Experimenten wurde gezeigt, dass ein kurzes klickartiges
Geräusch die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen in einer Weise beeinflussen kann,
die insbesondere bei längeren ISOI den Bewegungseindruck begünstigt.
Das von Welch & Warren (1980) vorgeschlagene Konzept der assumption of unity bietet als
kognitiver Faktor eine mögliche Erklärung für diesen Erleichterungseffekt (s. auch Abschnitt
2.6.5): die Beobachter könnten die audiovisuellen Stimuli auf Grund der zeitlichen Nähe im
Sinne der assumption of unity als ein zusammenhängendes Ereignis interpretiert haben, also
ein visuelles Objekt, das während einer Bewegung von der einen zu einer anderen Position
ein Geräusch produziert. Falls ein solcher kognitiver Faktor bei der Erklärung des Phänomens
eine Rolle spielt, sollte auch bei einem kontinuierlichen, über die gesamte Zeitdauer vom
Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten visuellen Stimulus dargebotenem Geräusch ein
Erleichterungseffekt auftreten: eine solche Darbietung entspricht Situationen im Alltag, bei
denen aus Sicht des Beobachters ein bewegtes Objekt durch ein Hindernis teilweise verdeckt
wird, aber trotzdem während der gesamten Bewegung hörbar ist. Beispiele hierfür sind ein
fahrendes Auto, das durch ein Hindernis wie ein am Straßenrand parkendes Auto teilweise
verdeckt wird, oder ein Tier, das hinter einem Baum herläuft, und während dieses Moments
zwar nicht sichtbar ist, aber trotzdem hörbare Geräusche verursacht. Die assumption of unity
auf Seiten des Betrachters sollte also gerade bei einer Darbietung des Phi-Phänomens mit
einem zusätzlichem kontinuierlichen Geräusch eine Interpretation der audiovisuellen Stimuli
als ein Objekt in Bewegung stark begünstigen, der Bewegungseindruck durch das
„verbindende“ Geräusch zwischen V1 und V2 erleichtert werden.
Experiment 3 untersuchte diesen Ansatz durch Darbietung eines kontinuierlichen Geräuschs,
das mit V1 einsetzte und mit V2 endete. In einer weiteren Geräuschbedingung wurde in
Anlehnung an die ersten beiden Experimente zusätzlich zu diesem kontinuierlichen Geräusch
in der Mitte des ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten ein kurzer, lauterer Klicklaut
dargeboten.
Diese
Erleichterungseffekts
Bedingung
durch
ist
einen
ein
kritischer
Test
für
eine
Aufmerksamkeitsablenkungseffekt.
Erklärung
des
Im
des
Falle
durchgehend kontinuierlichen Geräuschs sollte keine Ablenkung der Aufmerksamkeit
auftreten, da das Geräusch während des gesamten Durchgangs konstant bleibt. Demnach
5. Experiment 3
51
sollte hier auch kein Erleichterungseffekt auftreten. Der zusätzliche kurze Klicklaut könnte
dagegen die Aufmerksamkeit vom visuellen Geschehen ablenken und sollte demnach zu einer
Erleichterung des Bewegungseindrucks führen.
Zusätzlich wurden noch zwei weitere Geräuschbedingungen untersucht. Hier wurde das
Geräusch nach dem Ende des ersten bis zum Beginn des zweiten visuellen Stimulus, also
während der Bildschirm zwischen den beiden Lichtpunkten schwarz blieb, leiser bzw. lauter.
Beide Bedingungen ließen sich kognitiv gut im Sinne einer Bewegung interpretieren: Ein
Hindernis, das teilweise die Sicht auf ein bewegtes Objekt verdeckt, könnte auch einen Teil
des Schalls schlucken und somit ein leiser werden erklären. Das Lauterwerden des Geräuschs
könnte dagegen im Sinne einer Kompensation der fehlenden visuellen Information
interpretiert werden.
5. Experiment 3
52
5.1 Methode
5.1.1 Versuchspersonen
Am dritten Experiment nahmen insgesamt 16 Personen teil, überwiegend Studenten der
Fakultät für Psychologie. Die Stichprobe setzte sich aus 10 weiblichen und 6 männlichen
Versuchspersonen im Alter zwischen 20 und 39 Jahren zusammen (Durchschnittsalter 26,2
Jahre). Drei weibliche und zwei männliche Probanden hatten bereits an Experiment 2
teilgenommen, die anderen Teilnehmer waren naiv in Hinblick auf die Untersuchung. Die
Versuchspersonen wiesen nach eigenen Angaben keine bekannten permanenten Hörschäden
oder sonstige aktuelle Beeinträchtigungen des Gehörs oder des Sehvermögens auf. Die
Studenten der Fachrichtung Psychologie erhielten für ihren zeitlichen Aufwand eine
Versuchspersonenstunde.
5.1.2 Versuchsaufbau
Versuchsaufbau, Apparatur und Stimuli entsprachen exakt dem bereits in Experiment 1
geschildertem
Vorgehen,
mit
Ausnahme
der
auditiven
Stimuli.
In
den
Experimentalbedingungen wurde hier das gleiche bandpassgefilterte weiße Rauschen (obere
Cut-Off Frequenz 4 kHz, untere Cut-Off Frequenz 100 Hz) wie in den ersten beiden
Experimenten verwendet, allerdings setzte die Geräuschdarbietung jeweils mit dem ersten
visuellen Stimulus ein und dauerte bis zum Ende des zweiten visuellen Stimulus an. Neben
dieser kontinuierlichen Geräuschbedingung gab es drei weitere Experimentalbedingungen, bei
denen das Geräusch wie folgt modifiziert wurde: In einer Versuchsbedingung setzte nach
genau der Hälfte des ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten ein kurzer Klicklaut von 20 ms
Dauer ein, es handelte sich dabei um nicht bandpassgefiltertes weißes Rauschen mit
Frequenzanteilen von 0 – 48 kHz. Der Pegel war dabei gegenüber dem kontinuierlichen
Geräusch (71dB(A)) um 14,5 dB erhöht. Zudem wurde in zwei weiteren Bedingungen die
Lautstärke des kontinuierlichen Geräuschs vom Ende des ersten bis zum Einsetzen des
zweiten visuellen Stimulus verändert. In einer abnehmenden Bedingung wurde der Pegel
während des Interstimulus Intervalls (ISI) zwischen den beiden Lichtpunkten um 14 dB
reduziert, und in einer zunehmenden Bedingung um 5,5 dB erhöht (jeweils mit einer An/Abstiegsflanke von 5 ms). Die Geräuschdarbietung erfolgte dabei wieder frontal durch
Stereodarbietung der wie in Experiment 1 links und rechts vom Display angeordneten
5. Experiment 3
53
Lautsprecher. Zudem gab es wie in den ersten beiden Experimenten eine rein visuelle
Kontrollbedingung. Abbildung 8 stellt die einzelnen Versuchsbedingungen schematisch dar.
1s
visuelle Stimuli
0.1 s
Fixationskreuz
ISOI
V1
V2
kontinuierlich
mit zusätzlichem Klick
zwischen V1 und V2 leiser
zwischen V1 und V2 lauter
Kontrollbedingung
Abbildung 8: Schematische Darstellung der Versuchsbedingungen in Experiment 3. Nach einem Fixationskreuz
erschienen zwei visuelle Stimuli V1 und V2, die durch ISOI zwischen 0 und 350 ms voneinander getrennt
waren. Zusätzlich wurden Geräusche dargeboten, die mit V1 einsetzten und mit V2 endeten. Das Geräusch
konnte dabei während der Darbietungsdauer konstant sein, einen zusätzlichen kurzen Klicklaut zwischen V1 und
V2 aufweisen, oder während des Interstimulus Intervalls zwischen V1 und V2 leiser bzw. lauter werden. In der
Kontrollbedingung wurden nur die visuellen Stimuli dargeboten.
Anzumerken ist, dass bei 0 ms ISOI die Bedingungen mit kontinuierlichem, abnehmendem
und zunehmendem Geräusch identisch waren.
Die rein visuelle Kontrollbedingung wurde wie in den ersten beiden Experimenten als
separater Block vor bzw. nach dem Experimentalblock mit Geräuschdarbietung präsentiert.
Innerhalb des Experimentalblocks gab es vier Versuchsbedingungen und damit eine
Bedingung weniger als in den vorangehenden beiden Experimenten, die Anzahl der
Versuchsdurchgänge
reduzierte
sich
damit
im
Experimentalblock
auf
256
(4
Geräuschbedingungen x 8 ISOI x 8 Wiederholungen), die in vier Unterblöcken mit je 64
Durchgängen dargeboten wurden.
5. Experiment 3
54
5.1.3 Versuchsdurchführung, Datenauswertung und Statistik
Versuchsinstruktion und Versuchsdurchführung sowie Datenauswertung und Statistik folgten
dem in Experiment 1 beschriebenen Vorgehen, allerdings war ein statistischer Vergleich der
Ergebnisse von Experiment 3 mit den vorangehenden beiden Experimenten hier natürlich
nicht möglich, da es sich um völlig unterschiedliche Versuchsbedingungen handelte.
5.2 Ergebnisse
Die Verteilung der vier Antwortkategorien über den untersuchten ISOI Bereich fiel ähnlich
aus wie in den beiden vorangehenden Experimenten. Der prozentuale Anteil der „glatte
Bewegung“ Antworten als Funktion von ISOI und Geräuschbedingung wird in Abbildung 9
dargestellt. Im Vergleich zur rein visuellen Kontrollbedingung traten im Bereich zwischen
100 und 250 ms ISOI Scheinbewegungen häufiger in den Geräuschbedingungen mit einem
kontinuierlichen Geräusch, einem zusätzlichen Klicklaut zwischen V1 und V2, sowie einem
zwischen Darbietung der beiden Lichtpunkte lauter werdendem Geräusch auf. Diese drei
Bedingungen unterschieden sich dabei nur geringfügig voneinander. So lag der Anteil der
„glatte Bewegung“ Antworten in der Kontrollbedingung beispielsweise bei 100 ms ISOI bei
57%, bei kontinuierlichem sowie lauter werdendem Geräusch dagegen jeweils noch bei 75%,
auch die Bedingung mit zusätzlichem Klicklaut erreichte hier noch 74%. Die Bedingung mit
einem zwischen V1 und V2 leiser werdendem Geräusch unterschied sich im Gegensatz zu
den anderen drei Geräuschbedingungen kaum von der Kontrollbedingung. Bei 100 ms ISOI
wurden hier beispielsweise 63% „glatte Bewegung“ Antworten erreicht (vs. 57% in der
Kontrollbedingung).
5. Experiment 3
55
Abbildung 9: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ in Abhängigkeit vom ISOI für
alle getesteten Versuchsbedingungen in Experiment 3. Die einzelnen Datenpunkte zeigen die gemittelten Werte
über alle Versuchspersonen (N = 16).
Eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung bestätigte den starken Einfluss
der Geräuschbedingung auf den Wahrnehmungseindruck „glatte Bewegung“. Es zeigten sich
signifikante Haupteffekte der beiden Faktoren ISOI (F[3, 45] = 63.04; p < 0.001) und
Geräuschbedingung (F[4, 60] = 3.86; p = 0.007). Die Interaktion von ISOI und
Geräuschbedingung verfehlte dagegen klar die statistische Signifikanz (F[12, 180] = 0.63; p =
0.814). In dieser fehlenden Wechselwirkung der beiden Faktoren zeigt sich der annähernd
identische Verlauf der Geräuschbedingungen mit kontinuierlichem Geräusch, zwischen V1
und V2 lauter werdendem Geräusch, sowie mit einem Klicklaut zwischen den beiden
Lichtpunkten im untersuchten ISOI Bereich von 100 bis 250 ms.
5. Experiment 3
56
Abbildung 10: Prozentuale Häufigkeit der Antwortkategorie „glatte Bewegung“ für die einzelnen
Geräuschbedingungen in Experiment 3. Die Balken zeigen die gemittelten Werte über die ISOI, bei denen ein
Einfluss der Geräuschbedingung erwartet wurde (100, 150, 200, 250 ms). Die Fehlerbalken zeigen
Standardfehler vom Mittelwert (SE) über die Versuchspersonen (N = 16).
Die gemittelte Häufigkeit der „glatte Bewegung“ Antworten über die ISOI 100, 150, 200, und
250 ms zeigt Abbildung 10 für die einzelnen Geräuschbedingungen. Im Vergleich zur rein
visuellen Kontrollbedingung (Mittelwert 32,8%, SE +/-4,8%) war der prozentuale Anteil der
„glatte Bewegung“ Antworten höher in den Bedingungen mit einem kontinuierlichen
Geräusch (Mittelwert 43,6%, SE +/-5,8%; t[15] = 2.40; p = 0.030), einem zusätzlichen
Klicklaut zwischen V1 und V2 (Mittelwert 44,0%, SE +/-6,2%; t[15] = 2.19; p = 0.045),
sowie einem zwischen den beiden Lichtpunkten lauter werdenden Geräusch (Mittelwert
42,4%, SE +/-5,4%; t[15] = 2.23; p = 0.042), wobei diese drei Bedingungen sich nicht
voneinander unterschieden. Die verbleibende Experimentalbedingung mit einem zwischen V1
und V2 leiser werdendem Geräusch lag dagegen auf dem Niveau der rein visuellen
Kontrollbedingung (Mittelwert 32,2%, SE +/-4,0%; t[15] = 0.14; p = 0.892).
5. Experiment 3
57
5.3 Diskussion
Auch in Experiment 3 erleichterte die Darbietung von Geräuschen die Wahrnehmung
visueller Scheinbewegungen. Die Geräuschdarbietung unterschied sich dabei von den ersten
beiden Experimenten: statt eines kurzen, klickartigen Geräuschs war der auditive Reiz hier
von Beginn des ersten bis Ende des zweiten Lichtpunkts präsent. Von den vier untersuchten
Geräuschbedingungen führten dabei gleichermaßen ein durchgehend kontinuierliches
Geräusch, ein Geräusch mit einem zusätzlichen kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2, sowie
ein zwischen der Darbietung der beiden Lichtpunkte lauter werdendes Geräusch zu einer
signifikanten Zunahme des Bewegungseindrucks gegenüber einer rein visuellen Darbietung.
Ein zwischen den Lichtpunkten leiser werdendes Geräusch führte dagegen zu gleichen
Ergebnissen wie die rein visuelle Darbietung.
Die Ergebnisse dieses Experiments zeigen also zunächst einmal, dass die Wahrnehmung einer
visuellen Scheinbewegung nicht nur durch ein kurzes klickartiges Geräusch (wie in den
vorangehenden beiden Experimenten), sondern auch durch einen während der gesamten
Zeitdauer vom Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten visuellen Stimulus dargebotenen
auditiven Reiz erleichtert werden kann. Dieser Befund stellt daher eine Erweiterung des
Phänomens dar. Eine umfassende Theorie, die den Ergebnissen in allen drei Experimenten
gerecht werden will, dürfte also nicht von der Zeitdauer des Geräuschs abhängen.
Zur Erklärung des Erleichterungseffekts durch ein kurzes, zwischen V1 und V2 dargebotenes
Geräusch,
wurde
neben
aufmerksamkeitsorientierten,
räumlichen
und
kognitiven
Erklärungsansätzen auch ein temporaler Ventriloquismuseffekt (s. auch Abschnitt 2.6.4)
herangezogen, der aber dieses Kriterium nicht erfüllt. Dieser Ansatz geht davon aus, dass ein
zwischen V1 und V2 dargebotenes Geräusch die beiden Lichtpunkte in der zeitlichen
Dimension angezogen und somit zu einer subjektiven Verkürzung des ISOI zwischen den
beiden Lichtpunkten geführt haben könnte (Morein-Zamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder,
2004). In Experiment 3 führte nun aber auch ein durchgehend kontinuierliches Geräusch zu
einer Erleichterung des Bewegungseindrucks. Hier kann es also nicht zu einer subjektiven
zeitlichen Verschiebung der visuellen in Richtung des auditiven Reizes gekommen sein, da
keine temporale Diskrepanz zwischen visueller und auditiver Information vorlag. Unter der
Voraussetzung, dass dem Erleichterungseffekt in allen drei Experimenten der gleiche
5. Experiment 3
58
Mechanismus zu Grunde liegt, spricht das vorliegende Ergebnis also klar gegen einen solchen
Erklärungsansatz.
Die zudem in Experiment 3 aufgetretene Erleichterung des Bewegungseindrucks durch ein
Geräusch mit einem kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2 sowie durch ein zwischen den
beiden Lichtpunkten lauter werdendes Geräusch ließe sich zunächst gut durch einen
Aufmerksamkeitsablenkungseffekt (s. auch Abschnitt 2.6.1) erklären. In audiovisuellen
Stimulussituationen kann ein auditiver Reiz Aufmerksamkeit vom visuellen Geschehen
ablenken und somit zu einer reduzierten kognitiven Verarbeitung der visuellen Stimuli führen
(Massaro & Warner, 1977; Tellinghuisen & Nowak, 2003). Plausibel erscheint eine solche
Ablenkung der Aufmerksamkeit in den Geräuschbedingungen mit einem Klicklaut und einem
lauter werdenden Geräusch wegen der abrupten Pegeländerungen in diesen beiden
Bedingungen. Durch die plötzlichen Veränderungen des Geräuschs könnten die auditiven
Reize also in diesen Bedingungen Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und somit zu einer
reduzierten Verarbeitung der beiden visuellen Stimuli (und des Zeitintervalls dazwischen)
geführt haben. Dadurch könnte die bei längeren ISOI üblicherweise deutlich erkennbare
„Lücke“ zwischen den beiden Lichtpunkten weniger Aufmerksamkeit erlangt haben und
somit der Eindruck einer Bewegung begünstigt worden sein.
Die Zunahme des Bewegungseindrucks durch ein kontinuierliches Geräusch lässt sich
dagegen aber durch einen solchen Aufmerksamkeitsablenkungseffekt nur schwer erklären.
Hier blieb das Geräusch während der gesamten audiovisuellen Reizdarbietung konstant und
erscheint daher weniger geeignet, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. In dieser Bedingung
wäre daher ein Ausbleiben des Erleichterungseffekts oder zumindest eine deutliche
Abschwächung gegenüber den Bedingungen mit einem zusätzlichen Klicklaut sowie einem
lauter werdenden Geräusch zu erwarten gewesen. Diese drei Bedingungen führten jedoch in
gleicher Stärke zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks. Dagegen blieb in der
Bedingung mit einem zwischen den beiden Lichtpunkten leiser werdenden Geräusch ein
Erleichterungseffekt aus. In dieser Bedingung wäre aber auf Grund der plötzlichen
Pegeländerung analog zur Bedingung mit lauter werdendem Geräusch eine Ablenkung der
Aufmerksamkeit und somit auch eine Erleichterung des Bewegungseindrucks zu erwarten
gewesen. Insgesamt kann der differenzierte Einfluss von Geräuschen in diesem Experiment
durch die Aufmerksamkeitsablenkungshypothese nicht ausreichend erklärt werden.
5. Experiment 3
59
Ein kognitiver Faktor wie das von Welch & Warren (1980) vorgeschlagene Konzept der
assumption of unity (s. auch Abschnitt 2.6.5) bietet dagegen eine plausible Erklärung der
Geräuschwirkung in Experiment 3. Gemeint ist mit der assumption of unity die üblicherweise
starke Annahme eines Beobachters, dass räumlich-zeitlich nahe beieinander liegende Stimuli
einen gemeinsamen Ursprung haben (Welch & Warren, 1980). Im vorliegenden Experiment
setzte das Geräusch jeweils mit dem ersten visuellen Stimulus ein und endete mit dem
zweiten visuellen Stimulus. Eine Interpretation der audiovisuellen Reize als ein
zusammenhängendes Objekt könnte dadurch stark begünstigt worden sein, das Geräusch als
eine Art „verbindendes Element“ zwischen den beiden Lichtpunkten gewirkt haben. Die dabei
entstehende Diskrepanz, ein visuelles Objekt, das nacheinander an zwei verschiedenen
Positionen erscheint, kann kognitiv gut durch die Annahme gelöst werden, dass sich das
Objekt von der einen zur anderen Position bewegt hat, was insbesondere bei längeren ISOI
den Eindruck einer Scheinbewegung erleichtern würde. Eine solche Annahme auf Seiten des
Betrachters erscheint plausibel, wenn man bedenkt, das reale Objekte während einer
Bewegung teilweise von einem Hindernis verdeckt sein können, dabei aber trotzdem hörbar
bleiben.
Für den Erleichterungseffekt in Experiment 3 spielte es dabei keine Rolle, ob das Geräusch
während der Darbietung konstant blieb, einen kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2 aufwies,
oder im Zeitintervall zwischen den beiden Lichtpunkten lauter wurde. Unterschiede zwischen
den drei Bedingungen wären hier aber auch nicht zu erwarten, da sich alle drei Bedingungen
gleichermaßen im Sinne der assumption of unity als Bewegung interpretieren lassen. Das
lauter werden des Geräuschs könnte intuitiv vielleicht wie eine Kompensation der
zwischenzeitlich fehlenden visuellen Information wirken, der kurze Klicklaut wie ein
während der Bewegung produziertes zusätzliches Geräusch. Die Veränderung des Geräuschs
in diesen beiden Bedingungen gegenüber der Bedingung mit konstantem Geräusch könnte
aber auch einfach deswegen keine Auswirkungen haben, da sich dadurch für den Beobachter
die Ausgangslage nicht ändert: ein auditiver Reiz, der zwei visuelle Ereignisse miteinander
„verbindet“. Demgegenüber könnte in der Bedingung mit leiser werdendem Geräusch gerade
die damit verbundene Abschwächung dieses „verbindenden Elements“ dazu geführt haben,
dass hier kein Erleichterungseffekt auftrat. Auch hier hätte man analog zu den drei anderen
Bedingungen eine Erleichterung des Bewegungseindrucks erwarten können, wenn das leiser
werden im Sinne der assumption of unity beispielsweise als eine Ablenkung des Schalls durch
ein Hindernis, das gleichzeitig das bewegte Objekt teilweise verdeckt, interpretiert wird. Die
5. Experiment 3
60
deutliche Abnahme des Pegels im Zeitintervall zwischen den beiden Lichtpunkten könnte
aber gerade das getrennte Aufleuchten der beiden Punkte hervorgehoben haben und dadurch
den Eindruck zweier getrennter audiovisueller Ereignisse begünstigt haben. Mit
Einschränkungen lässt sich diese Bedingung mit einer Präsentation des Phi-Phänomens
vergleichen, bei der jeweils simultan mit den beiden Lichtpunkten zwei kurze auditive Reize
dargeboten werden. Bei einer solchen Stimulusanordnung zeigt sich üblicherweise bei
längeren ISOI auch keine Verbesserung des Bewegungseindrucks (Allen & Kolers, 1981),
sondern allenfalls eine Verschlechterung (Staal & Donderi, 1983; Strybel & Vatakis, 2004).
61
6. Gesamtdiskussion
In allen drei durchgeführten Experimenten beeinflussten Geräusche die Wahrnehmung
visueller Scheinbewegungen. Dabei kam es insbesondere bei längeren ISOI zu einer
Erleichterung des Bewegungseindrucks durch auditive Stimuli.
Zu einem solchen Erleichterungseffekt kam es dabei in Experiment 1 bei einem zeitlich und
räumlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenen kurzen klickartigen Geräusch. Die
Darbietung des Geräuschs kurz vor dem ersten, zeitgleich mit dem ersten oder zweiten, oder
kurz nach dem zweiten Lichtpunkt führte dagegen zu keiner Veränderung gegenüber einer
rein visuellen Darbietung.
In Experiment 2 wurde die räumliche Position der auditiven Reizdarbietung gegenüber dem
ersten Experiment variiert: Die Geräuschdarbietung erfolgte hier nicht räumlich frontal
zwischen den beiden Lichtpunkten, sondern räumlich entfernt vom visuellen Geschehen von
der linken Seite. Auch bei dieser Anordnung führte die Geräuschdarbietung zeitlich zwischen
den beiden Lichtpunkten zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks. Zudem trat in
Experiment 2 auch eine signifikante Erleichterung bei zeitgleicher Darbietung mit dem
zweiten Lichtpunkt auf. Die Darbietungen kurz vor dem ersten, zeitgleich mit dem ersten,
oder kurz nach dem zweiten Lichtpunkt unterschieden sich aber auch hier nicht von einer rein
visuellen Darbietung. Insgesamt fiel der Einfluss der Geräuschbedingungen in beiden
Experimenten sehr ähnlich aus, signifikante Unterschiede zwischen den Ergebnissen der
beiden Versuche gab es nicht.
Ein Erleichterungseffekt trat auch in Experiment 3 auf. Die Geräuschdarbietung erfolgte hier
wieder räumlich frontal zwischen den beiden Lichtpunkten, allerdings unterschied sich die
Art der Geräusche von den ersten beiden Versuchen: Die Geräusche dauerten hier jeweils
vom Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten Lichtpunkts an. Für das Auftreten des
Erleichterungseffekts spielte es dabei keine Rolle, ob das Geräusch während der Darbietung
konstant blieb, einen zusätzlichen kurzen Klicklaut zwischen den beiden Lichtpunkten
aufwies, oder zwischen den beiden Lichtpunkten (also während der Bildschirm zwischen den
Darbietungen der beiden visuellen Stimuli schwarz blieb) lauter wurde. Ein zwischen den
6. Gesamtdiskussion
62
beiden Lichtpunkten leiser werdendes Geräusch führte dagegen zu keinen Veränderungen
gegenüber einer rein visuellen Darbietung.
Hinweise für den in Experiment 1 aufgetretenen Erleichterungseffekt durch ein räumlich und
zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes kurzes Geräusch berichtete bereits
Getzmann (persönliche Mitteilung) im Rahmen einer unveröffentlichten Untersuchung aus
dem Jahre 2002. Auch in der damaligen Untersuchung führte ein räumlich-zeitlich zwischen
zwei aufeinander folgenden Lichtpunkten dargebotenes kurzes Geräusch zu einer deutlichen
Zunahme des Bewegungseindrucks, wobei dieser Effekt bei 166 ms ISOI sein Maximum
erreichte und auch bei 300 ms ISOI noch existent war. Zwischen diesen beiden Werten gab es
in der Untersuchung von Getzmann (persönliche Mitteilung) aber keine Darbietungen, so dass
der zeitliche Verlauf des Effekts hier nicht näher bestimmt werden konnte. Ziel der
vorliegenden Untersuchung war es zunächst, diesen von Getzmann (persönliche Mitteilung)
beschriebenen Erleichterungseffekt zu replizieren. Das ist in Experiment 1 gelungen: Bei
einer feineren Abstufung des ISOI trat auch in Experiment 1 ein Erleichterungseffekt durch
ein räumlich-zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten platziertes Geräusch auf; in der
Differenz zu einer rein visuellen Darbietung erreichte der Effekt hier bei 150 ms ISOI sein
Maximum, was mit dem zeitlichen Verlauf des Effekts in der Untersuchung von Getzmann
(persönliche Mitteilung) übereinstimmt. Experiment 1 stellt somit eine Replikation des
früheren Befundes dar. Interessant ist der in Experiment 1 aufgetretene Effekt durch ein
räumlich-zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch deshalb, da hier
eine Förderung des Bewegungseindrucks durch einen auditiven Stimuli auftrat, und zwar
insbesondere bei längeren ISOI. Frühere Untersuchungen zum Einfluss audiovisueller
Interaktion auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen fanden dagegen durchweg
keine Erleichterung des Bewegungseindrucks durch Geräusche (Allen & Kolers, 1981; Staal
& Donderi, 1983; Ohmura, 1987; Strybel & Vatakis, 2004). Allerdings erfolgte die
Geräuschdarbietung in diesen Untersuchungen ausschließlich gekoppelt an die räumliche und
zeitliche Position der beiden visuellen Stimuli.
Nach der gelungenen Replikation des von Getzmann (persönliche Mitteilung) berichteten
Erleichterungseffekts in Experiment 1 war nun das weitere Ziel der Untersuchung, mögliche
Erklärungsansätze für das Phänomen empirisch näher zu untersuchen. Zur Erklärung des
Erleichterungseffekts durch ein räumlich-zeitlich zwischen den beiden Lichtpunkten
dargebotenes
Geräusch
wurden
neben
Aufmerksamkeitseffekten
(Ablenkung
der
6. Gesamtdiskussion
63
Aufmerksamkeit, subjektive Verkürzung gefüllter Pausen) auch Ansätze herangezogen, die
auf dem Zeitpunkt oder der räumlichen Position der Darbietung aufbauen, sowie kognitive
Faktoren (s. auch Abschnitt 2.6). Diese fünf Erklärungsansätze werden im Folgenden
zusammenfassend zunächst getrennt unter Berücksichtigung der vorliegenden Ergebnisse
diskutiert.
Ablenkung der Aufmerksamkeit
Ein
irrelevanter
auditiver
Stimulus
kann
Aufmerksamkeit
von
einer
visuellen
Stimulusdarbietung ablenken und somit zu einer reduzierten kognitiven Verarbeitung der
visuell dargebotenen Information führen (Massaro & Warner, 1977; Tellinghuisen & Nowak,
2003). Beim Phi-Phänomen könnte die Darbietung eines kurzen Geräuschs in der Mitte des
ISOI zwischen den beiden Lichtpunkten also Aufmerksamkeit von dieser Verzögerung
ablenken, und damit auch von der einer Bewegung widersprechenden Information längerer
Verzögerungen zwischen den beiden Lichtpunkten.
Ein solcher Aufmerksamkeitsablenkungseffekt könnte gerade in der von Getzmann
(persönliche Mitteilung) geschilderten Untersuchung stark begünstigt worden sein (s. auch
Abschnitt 2.6.1): die gemischte Darbietung von Versuchsdurchgängen mit einem und zwei
Geräuschen, wobei das einzelne Geräusch relativ selten auftrat und zudem lauter war als in
den Durchgängen mit zwei Geräuschen, könnte gerade in diesen Durchgängen die
Aufmerksamkeit auf das Geräusch gelenkt haben. In der vorliegenden Untersuchung
(Experiment 1 und 2) unterschieden sich die Durchgänge innerhalb eines Versuchsblocks aber
nur hinsichtlich des Zeitpunkts der Geräuschdarbietung, so dass ein solches methodisch
bedingtes „Hervorstechen“ der Durchgänge mit einem Geräusch zwischen V1 und V2
ausgeschlossen war. Ein Erleichterungseffekt trat dennoch auch hier in beiden Versuchen auf
und kann daher nicht auf diese methodische Besonderheit in der früheren Untersuchung
zurückgeführt werden.
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sprechen darüber hinaus auch eindeutig gegen
die Aufmerksamkeitsablenkungshypothese. Theoretisch sollte der Ablenkungseffekt am
stärksten bei Geräuschdarbietung zu Beginn des Zeitintervalls zwischen V1 und V2 auftreten:
In diesem Fall würde die Aufmerksamkeit gleich zu Beginn der Pause (also der einer
Bewegung widersprechenden Information) abgelenkt und diese am ehesten an der kognitiven
6. Gesamtdiskussion
64
Verarbeitung gehindert. In Experiment 1 und 2 hatte aber die Darbietung eines Geräuschs
kurz vor oder zeitgleich mit V1 keinen Einfluss auf die Bewegungswahrnehmung, in
Experiment 2 (mit räumlich entfernter Geräuschdarbietung) führte stattdessen ein zeitgleich
mit V2 dargebotenes Geräusch zu einer Verbesserung des Bewegungseindrucks. Insbesondere
das Ergebnis von Experiment 2 kann die Hypothese nicht erklären, da bei zeitgleicher
Darbietung mit V2 eine Ablenkung ja erst auftreten könnte, nachdem die Pause zwischen V1
und V2 bereits vorüber ist. In der vorliegenden Untersuchung gab es allerdings keine
Geräuschdarbietung zum theoretisch günstigsten Zeitpunkt kurz nach V1. Eine frühere
Untersuchung von Ohmura (1987) zeigte aber bereits, dass auch bei dieser zeitlichen
Anordnung (Geräuschdarbietung kurz nach V1) kein Erleichterungseffekt auftritt.
Zudem kann die Aufmerksamkeitsablenkungshypothese auch die Ergebnisse des dritten
Experiments nicht erklären, bei dem die Geräuschdarbietung über den gesamten Zeitraum von
Beginn des ersten bis Ende des zweiten Lichtpunkts erfolgte: hier führte ein gleich bleibend
kontinuierliches Geräusch gleichermaßen zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks
wie ein zwischen den Lichtpunkten lauter werdendes Geräusch und ein Geräusch mit einem
zusätzlichen kurzen Klicklaut zwischen V1 und V2; ein leiser werdendes Geräusch
erleichterte
die
Bewegungswahrnehmung
dagegen
nicht.
Eine
Ablenkung
der
Aufmerksamkeit ist aber in der kontinuierlichen Geräuschbedingung weniger zu erwarten als
in den drei anderen Bedingungen, bei denen die abrupte Pegeländerung die Aufmerksamkeit
auf das Geräusch lenken sollte.
Subjektive Verkürzung gefüllter Pausen
Der Erleichterungseffekt könnte auf eine subjektive Verkürzung der durch den auditiven
Stimulus zwischen den beiden Lichtpunkten gefüllten Pause zurückzuführen sein. Durch
einen solchen Effekt würde das ISOI subjektiv kürzer erscheinen, was insbesondere bei
längeren ISOI den Eindruck einer Bewegung begünstigen könnte.
Inwieweit eine solche subjektive Verkürzung des ISOI für das Auftreten des
Erleichterungseffekts eine Rolle spielt, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse
nicht eindeutig klären. In Experiment 2 (bei räumlich entfernter Geräuschdarbietung) trat eine
Erleichterung der Bewegungswahrnehmung aber auch bei einem zeitgleich mit dem zweiten
Lichtpunkt dargebotenem Geräusch auf. Zumindest hierfür kommt eine subjektive
6. Gesamtdiskussion
65
Verkürzung gefüllter Pausen als Ursache nicht in Frage, da der auditive Stimulus ja hier nicht
in die Pause zwischen den beiden Lichtpunkten fiel. Auch das Ausbleiben eines
Erleichterungseffekts durch ein leiser werdendes Geräusch in Experiment 3 ist nicht
kompatibel zur Verkürzungshypothese: Auch in dieser Bedingung füllte ein Geräusch die
komplette Pause zwischen den beiden Lichtpunkten, es ist daher unter der Hypothese unklar,
warum nicht auch in dieser Bedingung eine subjektive Verkürzung der Pause auftreten sollte.
Geht man davon aus, dass den Erleichterungseffekten in allen drei Experimenten der gleiche
Mechanismus zu Grunde liegt, erscheint die Verkürzungshypothese als Erklärung daher
unplausibel.
Diese Einschätzung wird größtenteils auch durch die Forschung zur subjektiven Verkürzung
gefüllter Pausen gestützt: Die für das Phi-Phänomen relevanten ISOI liegen im
Millisekundenbereich, eine Verkürzung gefüllter Pausen wird aber oftmals ausschließlich für
längere Pausen ab 5 s Dauer berichtet (Ihle & Wilsoncroft, 1983). Bei kürzeren Pausen wird
dagegen teilweise sogar eine subjektive Verlängerung berichtet (Thomas & Brown, 1974; Ihle
& Wilsoncroft, 1983), die dann logischerweise zu einer Verschlechterung des
Bewegungseindrucks führen müsste. Eindeutig ist die Forschungsliteratur an dieser Stelle
allerdings nicht: Im Rahmen einer Untersuchung zur audiovisuellen phänomenalen Kausalität
(s. auch Abschnitt 2.6.2) berichten Guski & Troje (2003) gerade für den hier relevanten
Zeitbereich bei einer Verzögerung von 200 ms eine subjektive Verkürzung durch einen
auditiven Stimulus. Ob und in welcher Richtung ein zusätzlicher Reiz die wahrgenommene
Zeitdauer einer Pause beeinflusst, scheint also größtenteils auch durch die jeweilige
Stimulusanordnung beeinflusst. Es sollte daher in einer Folgeuntersuchung geklärt werden, ob
die hier verwendete Versuchsanordnung zu einer subjektiven Verkürzung der Pausen
zwischen den beiden Lichtpunkten durch die dargebotenen Geräusche führt.
Gemeinsame räumliche Repräsentation der audiovisuellen Stimuli
Ein Erleichterungseffekt bei der Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen wurde
ursprünglich von Getzmann (persönliche Mitteilung) für ein räumlich und zeitlich zwischen
den beiden Lichtpunkten dargebotenes Geräusch berichtet. Experiment 2 der vorliegenden
Untersuchung sollte klären, inwieweit die räumliche Position zwischen den Lichtpunkten
dabei ausschlaggebend für das Auftreten des Effekts ist.
6. Gesamtdiskussion
66
Denkbar wäre ein Bezug zu Befunden aus der Neurophysiologie, die eine gemeinsame
modalitätsübergreifende Abbildung räumlicher Informationen aus dem visuellen und
auditiven System im posterioren Parietallappen nahe legen (Mazzoni et al., 1996; Stricanne et
al., 1996; Mullette-Gillman et al., 2005): Ein räumlich zwischen den beiden Lichtpunkten
dargebotenes Geräusch würde demnach auch innerhalb einer gemeinsamen neuronalen
Repräsentation der audiovisuellen Stimuli eine Position zwischen denen der beiden
Lichtpunkte einnehmen und somit die räumliche „Lücke“ zwischen den beiden Lichtpunkten
schließen (s. auch Abschnitt 2.6.3). Dies könnte den Eindruck einer Scheinbewegung
begünstigen, da das Geräusch die beiden Lichtpunkte somit räumlich miteinander verbindet.
Experiment 2 widerlegt diese These allerdings eindeutig, da der Erleichterungseffekt hier
auch bei räumlich entfernter Darbietung in gleicher Weise auftrat wie in Experiment 1 bei
räumlicher Darbietung zwischen den Lichtpunkten. Die Repräsentation des Geräuschs an
einer Position räumlich zwischen den Lichtpunkten kann für das Zustandekommen des
Erleichterungseffekts also nicht verantwortlich sein.
Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass in Experiment 2 ein
Erleichterungseffekt auch bei einem zeitgleich mit dem zweiten Lichtpunkt dargebotenem
Geräusch auftrat. In Experiment 1 führte dagegen nur die Darbietung zeitlich zwischen den
beiden Lichtpunkten zu einer Erleichterung. Zur weiteren Untersuchung dieses Phänomens
fehlten allerdings in der vorliegenden Arbeit weitere Abstufungen der räumlichen und
zeitlichen Position des Geräuschs. Weitere Experimente sollten daher klären, inwieweit das
Auftreten des Erleichterungseffekts durch eine Interaktion von räumlicher und zeitlicher
Position des Geräuschs beeinflusst wird. Dazu könnten in einer nachfolgenden Studie die
räumliche Position in feinerer Abstufung zwischen den beiden Positionen zwischen V1 und
V2 (0°) und 90° links variiert werden, sowie die zeitlichen Positionen der Geräuschdarbietung
um einen Zeitpunkt kurz vor V2 ergänzt werden. Dadurch könnte einerseits untersucht
werden, ob bei räumlich entfernter Geräuschdarbietung ein Erleichterungseffekt auch im
Zeitbereich zwischen den in Experiment 2 signifikant hervorgetretenen Zeitpunkten zur Mitte
des ISOI und zeitgleich mit V2 auftritt. Andererseits könnte so festgestellt werden, in welcher
Weise sich der Erleichterungseffekt durch eine systematischen Veränderung der räumlichen
Position verändert.
6. Gesamtdiskussion
67
Die zeitliche Komponente: temporaler Ventriloquismus
Die Tatsache, dass ein zeitlich zwischen zwei aufeinander folgenden Lichtpunkten
dargebotenes
kurzes
Geräusch
beim
Phi-Phänomen
zu
einer
Erleichterung
des
Bewegungseindrucks führt, legt auf theoretischer Ebene zunächst einen Zusammenhang mit
einem temporalen Ventriloquismuseffekt nahe, bei dem der subjektive Zeitpunkt visueller
Reize in Richtung eines auditiven Reizes verschoben erscheint (Morein-Zamir et al., 2003;
Vroomen & de Gelder, 2004). Einen solchen temporalen Ventriloquismuseffekt zeigten
Morein-Zamir et al. (2003) für die Diskriminationsleistung bei der Beurteilung der zeitlichen
Reihenfolge zweier visueller Stimuli (s. auch Abschnitt 2.6.4): Die Darbietung eines kurzen
Geräuschs vor dem ersten und nach dem zweiten visuellen Stimulus verbesserte die
Diskriminationsleistung, wohingegen die Darbietung der beiden Geräusch im Zeitintervall
zwischen den beiden Lichtpunkten die Leistung verschlechterte, jeweils im Vergleich zu
zeitgleicher Darbietung mit den beiden Lichtpunkten. Dieser Effekt beruht offenbar auf einer
subjektiven Verschiebung des Zeitpunkts der visuellen in Richtung der auditiven Stimuli, die
im ersten Fall das Interstimulus Intervall größer und im zweiten Fall kleiner erscheinen lässt.
Analog hierzu könnte das Geräusch zwischen den beiden Lichtpunkten beim Phi-Phänomen
die Lichter auf der zeitlichen Dimension „angezogen“ haben und dadurch zu einer subjektiven
Verkürzung des ISOI geführt haben, was insbesondere bei längeren ISOI den
Bewegungseindruck begünstigen sollte: Das subjektiv wahrgenommene ISOI würde nun
wieder in den für die Bewegungswahrnehmung günstigen Zeitbereich fallen.
Inwieweit der Erleichterungseffekt beim Phi-Phänomen tatsächlich auf einen solchen
temporalen Ventriloquismuseffekt zurückgeführt werden kann, wurde in der vorliegenden
Untersuchung eingehend überprüft. Theoretisch wäre demnach bei Darbietung des Geräuschs
kurz vor dem ersten bzw. kurz nach dem zweiten Lichtpunkt durch eine subjektive
Verlängerung des ISOI auch eine Verschlechterung des Bewegungseindrucks zu erwarten.
Experiment 1 der vorliegenden Untersuchung überprüfte diese Hypothese. Zu der unter der
Ventriloquismushypothese erwarteten Verschlechterung kam es hier allerdings nicht, was
ganz offensichtlich einen starken Widerspruch zur Hypothese darstellt: falls sich die Befunde
von Morein-Zamir et al. (2003) auf das Phi-Phänomen übertragen ließen, hätte es auch hier zu
einer zeitlichen Beeinflussung der visuellen Stimuli kommen müssen. Experiment 1 spricht
daher klar gegen einen temporalen Ventriloquismuseffekt als Ursache der erleichterten
Bewegungswahrnehmung durch ein Geräusch zwischen den beiden Lichtpunkten.
6. Gesamtdiskussion
68
Bekräftigt wird diese Einschätzung zusätzlich durch die Ergebnisse in Experiment 3, das
ebenfalls ein kritischer Test für die Ventriloquismushypothese war: In Experiment 3 setzten
die Geräusch mit dem ersten Lichtpunkt ein und endeten mit dem zweiten Lichtpunkt, d.h.
eine zeitliche Verschiebung der visuellen in Richtung der auditiven Information war hier nicht
möglich, da keine Diskrepanz zwischen beiden Modalitäten bestand. Das Auftreten des
Erleichterungseffekts in Experiment 3 kann daher durch die Ventriloquismushypothese nicht
erklärt werden. Zudem ist auch die Erleichterung der Bewegungswahrnehmung durch ein
zeitgleich
mit
V2
dargebotenes
Geräusch
in
Experiment
2
durch
die
Ventriloquismushypothese nicht erklärbar: Auch in diesem Fall lag keine zeitliche Diskrepanz
zwischen auditiver und visueller Information vor, die zu einer Verschiebung der visuellen in
Richtung der auditiven Information hätte führen können.
Insgesamt betrachtet widerlegten also alle drei Experimente die Hypothese, dass ein
temporaler Ventriloquismuseffekt die Ursache für den aufgetretenen Erleichterungseffekt ist,
eine Übertragbarkeit dieses Konzepts auf das Phi-Phänomen erscheint nicht möglich.
Assumption of unity: Ein kognitiver Erklärungsansatz
Mit der assumption of unity ist die üblicherweise starke Annahme eines Beobachters gemeint,
dass räumlich-zeitlich nahe beieinander liegende Stimuli einen gemeinsamen Ursprung haben,
also ein zusammenhängendes Ereignis abbilden (Welch & Warren, 1980). Dieser kognitive
Faktor könnte den Erleichterungseffekt durch ein zwischen den Lichtpunkten dargebotenes
Geräusch begünstigt haben: Die Beobachter könnten die audiovisuellen Stimuli auf Grund der
räumlich-zeitlichen Nähe in Experiment 1 als ein Ereignis interpretiert haben, etwa als ein
bewegtes Objekt, dass während der Bewegung ein Geräusch produziert (s. auch Abschnitt
2.6.5). In Experiment 2 kann eine solche Interpretation im Sinne eines bewegten Objekts
allerdings nur auf die zeitliche Nähe der audiovisuellen Stimuli zurückgeführt werden: Die
Geräuschdarbietung erfolgte hier räumlich entfernt von den visuellen Stimuli. Die assumption
of unity führt jedoch oft auch bei intersensorisch diskrepanten Stimulusinformationen zur
Aufrechterhaltung eines einheitlichen Wahrnehmungseindrucks (Welch & Warren, 1980). In
Experiment 2 könnte die räumliche Trennung von auditiven und visuellen Stimuli daher
unerheblich gewesen sein, die diskrepante räumliche Information des Geräuschs auf Grund
der vergleichsweise geringen räumlichen Auflösung des auditiven Systems (Welch & Warren,
1980; Kubovy, 1988) ignoriert worden sein.
6. Gesamtdiskussion
69
Während also der Erleichterungseffekt durch ein zeitlich zwischen V1 und V2 dargebotenes
Geräusch in Experiment 1 und 2 plausibel durch die assumption of unity erklärt werden kann,
ist die Erleichterung durch ein zeitgleich mit V2 dargebotenes Geräusch in Experiment 2 aber
auch für den kognitiven Erklärungsansatz problematisch. Unklar ist, warum eine zeitgleiche
Darbietung mit V2 nur bei räumlich entfernter Position des Geräuschs (Experiment 2), nicht
aber bei einer Position zwischen den Lichtpunkten (Experiment 1) zu einer Erleichterung
führen sollte.
Anders als in den ersten beiden Experimenten setzte in Experiment 3 die Geräuschdarbietung
mit dem ersten Lichtpunkt ein und endete mit dem zweiten Lichtpunkt. Das Auftreten des
Erleichterungseffekts bei dieser Stimulusanordnung wurde der assumption of unity folgend
dagegen erwartet: auch reale Objekte können während einer Bewegung teilweise verdeckt
sein, obwohl sie während der kompletten Bewegung hörbar bleiben. Eine Interpretation der
Stimuli im Sinne eines bewegten Objekts sollte hier also nahe liegend sein. Das Ausbleiben
des Erleichterungseffekts bei einem zwischen den Lichtpunkten leiser werdendem Geräusch
ist dabei nur scheinbar ein Widerspruch zu dieser Hypothese: In dieser Bedingung wurde
durch die höhere Lautstärke während der Darbietung der Lichtpunkte gerade die Getrenntheit
dieser beiden Ereignisse betont, ähnlich wie bei Darbietungen des Phi-Phänomens mit zwei
kurzen Geräuschen, die zeitgleich mit den beiden Lichtpunkten präsentiert werden (Allen &
Kolers, 1981; Staal & Donderi, 1983; Strybel & Vatakis, 2004); auch dabei kommt es
üblicherweise nicht zu einer Erleichterung des Bewegungseindrucks. In den anderen
Bedingungen stand dagegen die „Verbindung“ der Lichtpunkte durch das Geräusch im
Vordergrund.
Zusammenfassend betrachtet demonstrierte die vorliegende Untersuchung den Einfluss
irrelevanter Geräusche auf die Wahrnehmung visueller Scheinbewegungen. Der bereits von
Getzmann (persönliche Mitteilung) berichtete Befund, dass ein räumlich-zeitlich zwischen
den
beiden
Lichtpunkten
präsentiertes
Geräusch
zu
einer
Erleichterung
des
Bewegungseindrucks führt, konnte dabei repliziert und erweitert werden: auch bei räumlich
entfernter Geräuschdarbietung und für längere Geräusche über die gesamte Dauer eines
Durchgangs konnte ein Erleichterungseffekt nachgewiesen werden.
6. Gesamtdiskussion
70
Als Ursache dieses Erleichterungseffekts sind reine Aufmerksamkeitsablenkungseffekte
sowie Erklärungen auf alleiniger Grundlage der zeitlichen (im Sinne eines temporalen
Ventriloquismuseffekts) oder räumlichen Position (im Sinne einer gemeinsamen räumlichen
Repräsentation der audiovisuellen Stimuli) auszuschließen.
Die Erleichterung der Bewegungswahrnehmung durch irrelevante Geräusche ist stattdessen
im Zusammenhang mit der assumption of unity als kognitivem Faktor zu sehen: Die
Stimulusanordnungen in der vorliegenden Untersuchung begünstigten eine Interpretation der
audiovisuellen Stimuli als ein zusammenhängendes Ereignis – als ein Objekt in Bewegung.
Zukünftige Untersuchungen sollten aber die Rolle solcher kognitiver Faktoren im
Zusammenhang
mit
audiovisuellen
Interaktionen
bei
der
Wahrnehmung
visueller
Scheinbewegungen weiter klären. Anbieten würde sich alltagsnäheres Stimulusmaterial,
beispielsweise kann eine Scheinbewegung auch durch alternierende Darbietung einer Glocke
an zwei Positionen induziert werden. Interessant wäre hier, ob ein natürliches Geräusch, das
Läuten der Glocke, eine Scheinbewegung stärker begünstigt als ein unnatürliches Geräusch
wie etwa ein weißes Rauschen. Anzunehmen wäre, dass Stimuli, die sich aus der
Alltagserfahrung heraus leicht als bewegtes Objekt interpretieren lassen, auch häufiger eine
Scheinbewegung induzieren als abstrakte audiovisuelle Stimuli, wie die in der vorliegenden
Untersuchung verwendeten. Derartige Experimente wären geeignet, die Rolle kognitiver
Faktoren näher zu beleuchten.
Zudem sollten zukünftige Untersuchungen aber auch einen möglichen Einfluss einer
subjektiven Verkürzung gefüllter Pausen sowie einer Interaktion zwischen räumlicher und
zeitlicher Position des auditiven Stimulus weiter abklären. Insbesondere die Erleichterung der
Bewegungswahrnehmung durch ein zeitgleich mit dem zweiten Lichtpunkt von einer
räumlich entfernten Position dargebotenem Geräusch bedarf weiterer Klärung: Bei
Darbietung an den räumlichen Positionen der beiden Lichtpunkte (Allen & Kolers, 1981)
sowie zwischen diesen (Experiment 1 der vorliegenden Untersuchung) trat ein solcher
Erleichterungseffekt nämlich nicht auf.
In Bezug auf die Ziele der vorliegenden Untersuchung ist aber trotz der angesprochenen
weiter offenen Forschungsfragen ein positives Fazit zu ziehen. Im Gesamtkontext der
Forschungsliteratur zu audiovisuellen Interaktionen bei der Wahrnehmung visueller
Scheinbewegungen betrachtet leistet die vorliegende Untersuchung vor allem dadurch einen
6. Gesamtdiskussion
71
wichtigen Beitrag, als hier erstmals eine Erleichterung der Bewegungswahrnehmung bei
längeren ISOI durch irrelevante auditive Stimuli demonstriert wurde. Darüber hinaus liefert
sie wie oben diskutiert aber auch erste empirische Erkenntnisse zu den diesem Phänomen zu
Grunde liegenden Mechanismen. Dabei stellt die Arbeit auch einen Bezug zu anderen
audiovisuellen Wahrnehmungsphänomenen her, wie der audiovisuellen phänomenalen
Kausalität (Guski & Troje, 2003) und temporalen Ventriloquismusphänomenen (MoreinZamir et al., 2003; Vroomen & de Gelder, 2004). Die Ziele der Untersuchung, nämlich die
Replikation der Ergebnisse von Getzmann (persönliche Mitteilung) sowie die empirische
Untersuchung möglicher Erklärungsansätze des Erleichterungseffekts, konnten somit erreicht
werden.
72
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8. Anhang
8.1 Instruktionen
Liebe Versuchsteilnehmerin, lieber Versuchsteilnehmer,
vielen Dank, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben an unserem Experiment teilzunehmen.
Sie werden gleich eine Reihe kurzer Filme sehen: Diese zeigen jeweils zwei Punkte, die kurz
hintereinander aufleuchten. Zur Veranschaulichung folgen nun ein paar Beispiele. Lassen Sie
diese Sequenzen erst einmal ganz entspannt auf sich wirken.
Zur Fortsetzung drücken Sie bitte jeweils die ENTER-Taste.
(Bildschirm 1)
Ihre Aufgabe ist es nun zu beschreiben, was Sie gesehen haben. Dazu sollen Sie nach jeder
Sequenz Ihren Eindruck einer Kategorie zuordnen. Geben Sie bitte jeweils an, was Sie
wahrgenommen haben:
1) zwei gleichzeitig aufleuchtende Lichter,
2) ein Licht, das sich in einer kontinuierlichen, glatten Bewegung von der einen zur anderen
Seite bewegt,
3) ein Licht, das sich in einer unterbrochenen, ruckartigen Bewegung von der einen zur
anderen Seite bewegt,
4) zwei sukzessive, hintereinander aufleuchtende Lichter
Weiter mit ENTER.
(Bildschirm 2)
8. Anhang
78
Beschreiben Sie bitte nach jedem Durchgang Ihren Eindruck.
Nennen Sie uns dazu diejenige Kategorie, die Ihrem Eindruck am nächsten kommt:
Zwei gleichzeitige Lichter (gleichzeitig)
->
Taste 0
Eine kontinuierliche, glatte Bewegung (glatt)
->
Taste 1
Eine unterbrochene Bewegung (gebrochen)
->
Taste 2
Zwei sukzessive Lichter (hintereinander)
->
Taste 3
Zur Veranschaulichung folgen nun noch einmal die Beispiele. Zum Fortsetzen drücken Sie
bitte jeweils die entsprechende Taste.
(Bildschirm 3)
Im Folgenden werden Ihnen 5 Blöcke mit jeweils 80 bzw. 64 Sequenzen dargeboten.
Zwischen den Blöcken können Pausen eingelegt werden.
Lassen Sie die einzelnen Sequenzen jeweils kurz auf sich wirken und ordnen Sie Ihren
Eindruck ganz spontan einer der vier Kategorien zu. Bei den meisten Sequenzen werden
zusätzlich zu den beiden Lichtpunkten Geräusche dargeboten. Lassen Sie sich davon nicht
ablenken und achten Sie nur auf die Lichtpunkte.
Bitte bedenken Sie: Es geht alleine um Ihren Eindruck und es gibt deshalb keine richtigen
oder falschen Antworten.
Wenn Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte jetzt an uns. Weiter mit ENTER.
(Bildschirm 4)
8. Anhang
79
8.2 Statistische Auswertung
Tabelle 1: Varianzanalyse zur Bestimmung der Einflüsse von ISOI (4-stufig: 100, 150, 200,
250ms) und Geräuschbedingung (6-stufig: vor V1, mit V1, Mitte, mit V2, nach V2,
Kontrollbedingung
ohne
Geräuschdarbietung)
auf
die
Zuordnung
Wahrnehmungseindrucks zur Kategorie „glatte Bewegung“ in Experiment 1.
Innersubjektfaktoren
Maß: MASS_1
Bedingung
Kontroll
vor V1
mit V1
Mitte
mit V2
nach V2
ISOI
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
Abhängige
Variable
b0_100
b0_150
b0_200
b0_250
b1_100
b1_150
b1_200
b1_250
b2_100
b2_150
b2_200
b2_250
b3_100
b3_150
b3_200
b3_250
b4_100
b4_150
b4_200
b4_250
b5_100
b5_150
b5_200
b5_250
des
8. Anhang
80
Mauchly-Test auf Sphärizitätb
Maß: MASS_1
Epsilon
Innersubjekteffekt
Bedingung
ISOI
Bedingung * ISOI
Mauchly-W
,043
,500
,000
Approximierte
s Chi-Quadrat
34,912
8,127
.
df
14
5
119
Signifikanz
,002
,151
.
Greenhous
e-Geisser
,577
,749
,416
a
Huynh-Feldt
,759
,913
,843
Untergrenze
,200
,333
,067
Prüft die Nullhypothese, daß sich die Fehlerkovarianz-Matrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen
proportional zur Einheitsmatrix verhält.
a. Kann zum Korrigieren der Freiheitsgrade für die gemittelten Signifikanztests verwendet werden. In der Tabelle mit
den Tests der Effekte innerhalb der Subjekte werden korrigierte Tests angezeigt.
b.
Design: Intercept
Innersubjekt-Design: Bedingung+ISOI+Bedingung*ISOI
Tests der Innersubjekteffekte
Maß: MASS_1
Quelle
Bedingung
Fehler(Bedingung)
ISOI
Fehler(ISOI)
Bedingung * ISOI
Fehler(Bedingung
*ISOI)
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Quadratsum
me vom Typ III
1,397
1,397
1,397
1,397
2,794
2,794
2,794
2,794
13,265
13,265
13,265
13,265
1,623
1,623
1,623
1,623
,516
,516
,516
,516
3,671
3,671
3,671
3,671
df
5
2,883
3,793
1,000
65
37,484
49,303
13,000
3
2,247
2,739
1,000
39
29,205
35,604
13,000
15
6,243
12,639
1,000
195
81,159
164,308
13,000
Mittel der
Quadrate
,279
,484
,368
1,397
,043
,075
,057
,215
4,422
5,905
4,843
13,265
,042
,056
,046
,125
,034
,083
,041
,516
,019
,045
,022
,282
F
6,501
6,501
6,501
6,501
Signifikanz
,000
,001
,000
,024
106,266
106,266
106,266
106,266
,000
,000
,000
,000
1,826
1,826
1,826
1,826
,033
,101
,045
,200
8. Anhang
81
Tabelle 2: t-Test für gepaarte Stichproben zur post hoc Bestimmung des Einflusses der
einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 1, wobei die gemittelte Häufigkeit der
Antwortkategorie „glatte Bewegung“ im Bereich von 100 – 250 ms ISOI zwischen den
einzelnen Versuchsbedingungen verglichen wurde.
Test bei gepaarten Stichproben
Gepaarte Differenzen
Paaren
1
Paaren
2
Paaren
3
Paaren
4
Paaren
5
Paaren
6
Paaren
7
Paaren
8
Paaren
9
Paaren
10
Paaren
11
Paaren
12
Paaren
13
Paaren
14
Paaren
15
Kontroll vor V1
Kontroll mit V1
Kontroll Mitte
Kontroll mit V2
Kontroll nach V2
vor V1 Mitte
mit V1 Mitte
Mitte - mit
V2
Mitte nach V2
vor V1 mit V1
mit V1 mit V2
mit V1 nach V2
vor V1 mit V2
mit V2 nach V2
vor V1 nach V2
95% Konfidenzintervall
der Differenz
Untere
Obere
Mittelwert
Standardab
weichung
Standardfe
hler des
Mittelwertes
,06027
,14423
,03855
-,02301
,14355
1,563
13
,142
,00893
,20817
,05564
-,11126
,12912
,160
13
,875
-,13170
,19310
,05161
-,24319
-,02021
-2,552
13
,024
-,06473
,20008
,05347
-,18026
,05079
-1,211
13
,248
-,08482
,19590
,05236
-,19793
,02829
-1,620
13
,129
-,19196
,09161
,02448
-,24486
-,13907
-7,841
13
,000
-,14063
,11284
,03016
-,20578
-,07547
-4,663
13
,000
,06696
,11423
,03053
,00101
,13292
2,193
13
,047
,04688
,13130
,03509
-,02894
,12269
1,336
13
,205
-,05134
,09699
,02592
-,10734
,00466
-1,981
13
,069
-,07366
,13007
,03476
-,14876
,00144
-2,119
13
,054
-,09375
,13427
,03589
-,17128
-,01622
-2,612
13
,021
-,12500
,08923
,02385
-,17652
-,07348
-5,241
13
,000
-,02009
,16699
,04463
-,11651
,07633
-,450
13
,660
-,14509
,10444
,02791
-,20539
-,08479
-5,198
13
,000
T
df
Sig. (2-seitig)
8. Anhang
82
Tabelle 3: Varianzanalyse zur Bestimmung der Einflüsse von ISOI (4-stufig: 100, 150, 200,
250ms) und Geräuschbedingung (6-stufig: vor V1, mit V1, Mitte, mit V2, nach V2,
Kontrollbedingung
ohne
Geräuschdarbietung)
auf
die
Zuordnung
Wahrnehmungseindrucks zur Kategorie „glatte Bewegung“ in Experiment 2.
Innersubjektfaktoren
Maß: MASS_1
Bedingung
Kontroll
vor V1
mit V1
Mitte
mit V2
nach V2
ISOI
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
Abhängige
Variable
b0_100
b0_150
b0_200
b0_250
b1_100
b1_150
b1_200
b1_250
b2_100
b2_150
b2_200
b2_250
b3_100
b3_150
b3_200
b3_250
b4_100
b4_150
b4_200
b4_250
b5_100
b5_150
b5_200
b5_250
des
8. Anhang
83
Mauchly-Test auf Sphärizitätb
Maß: MASS_1
Epsilon
Innersubjekteffekt
Bedingung
ISOI
Bedingung * ISOI
Mauchly-W
,197
,167
,000
Approximierte
s Chi-Quadrat
13,141
15,588
.
df
14
5
119
Signifikanz
,535
,009
.
Greenhous
e-Geisser
,607
,502
,329
a
Huynh-Feldt
,901
,572
,690
Untergrenze
,200
,333
,067
Prüft die Nullhypothese, daß sich die Fehlerkovarianz-Matrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen
proportional zur Einheitsmatrix verhält.
a. Kann zum Korrigieren der Freiheitsgrade für die gemittelten Signifikanztests verwendet werden. In der Tabelle mit
den Tests der Effekte innerhalb der Subjekte werden korrigierte Tests angezeigt.
b.
Design: Intercept
Innersubjekt-Design: Bedingung+ISOI+Bedingung*ISOI
Tests der Innersubjekteffekte
Maß: MASS_1
Quelle
Bedingung
Fehler(Bedingung)
ISOI
Fehler(ISOI)
Bedingung * ISOI
Fehler(Bedingung
*ISOI)
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Quadratsum
me vom Typ III
1,457
1,457
1,457
1,457
1,361
1,361
1,361
1,361
13,166
13,166
13,166
13,166
2,834
2,834
2,834
2,834
,451
,451
,451
,451
2,674
2,674
2,674
2,674
df
5
3,034
4,504
1,000
50
30,343
45,044
10,000
3
1,507
1,717
1,000
30
15,072
17,167
10,000
15
4,940
10,346
1,000
150
49,405
103,460
10,000
Mittel der
Quadrate
,291
,480
,323
1,457
,027
,045
,030
,136
4,389
8,735
7,669
13,166
,094
,188
,165
,283
,030
,091
,044
,451
,018
,054
,026
,267
F
10,710
10,710
10,710
10,710
Signifikanz
,000
,000
,000
,008
46,456
46,456
46,456
46,456
,000
,000
,000
,000
1,685
1,685
1,685
1,685
,060
,157
,092
,223
8. Anhang
84
Tabelle 4: Varianzanalyse zur Bestimmung des Einflusses der veränderten räumlichen
Position der Geräuschdarbietung in Experiment 2 (räumlich entfernt) gegenüber Experiment 1
(räumlich frontal). Neben dem Zwischensubjektfaktor Experiment (1 vs. 2) gingen das ISOI
(100, 150, 200, 250 ms) und die Geräuschbedingung (vor V1, mit V1, Mitte, mit V2, nach
V2, Kontrollbedingung ohne Geräuschdarbietung) in die Analyse ein.
Innersubjektfaktoren
Maß: MASS_1
Bedingung
Kontroll
vor V1
mit V1
Mitte
mit V2
nach V2
ISOI
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
Abhängige
Variable
b0_100
b0_150
b0_200
b0_250
b1_100
b1_150
b1_200
b1_250
b2_100
b2_150
b2_200
b2_250
b3_100
b3_150
b3_200
b3_250
b4_100
b4_150
b4_200
b4_250
b5_100
b5_150
b5_200
b5_250
Zwischensubjektfaktoren
N
Experiment
1
2
14
11
8. Anhang
85
Mauchly-Test auf Sphärizitätb
Maß: MASS_1
Epsilon
Innersubjekteffekt
Bedingung
ISOI
Bedingung * ISOI
Mauchly-W
,346
,377
,000
Approximierte
s Chi-Quadrat
22,401
21,179
153,446
df
14
5
119
Signifikanz
,072
,001
,036
Greenhous
e-Geisser
,687
,607
,511
a
Huynh-Feldt
,857
,685
,824
Untergrenze
,200
,333
,067
Prüft die Nullhypothese, daß sich die Fehlerkovarianz-Matrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen
proportional zur Einheitsmatrix verhält.
a. Kann zum Korrigieren der Freiheitsgrade für die gemittelten Signifikanztests verwendet werden. In der Tabelle mit
den Tests der Effekte innerhalb der Subjekte werden korrigierte Tests angezeigt.
b.
Design: Intercept+Experiment
Innersubjekt-Design: Bedingung+ISOI+Bedingung*ISOI
Tests der Innersubjekteffekte
Maß: MASS_1
Quelle
Bedingung
Bedingung *
Experiment
Fehler(Bedingung)
ISOI
ISOI * Experiment
Fehler(ISOI)
Bedingung * ISOI
Bedingung * ISOI *
Experiment
Fehler(Bedingung*
ISOI)
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Quadratsum
me vom Typ III
2,777
2,777
2,777
2,777
,085
,085
,085
,085
4,154
4,154
4,154
4,154
26,208
26,208
26,208
26,208
,210
,210
,210
,210
4,457
4,457
4,457
4,457
,729
,729
,729
,729
,230
,230
,230
,230
6,346
6,346
6,346
6,346
df
5
3,434
4,285
1,000
5
3,434
4,285
1,000
115
78,978
98,561
23,000
3
1,822
2,056
1,000
3
1,822
2,056
1,000
69
41,904
47,294
23,000
15
7,665
12,367
1,000
15
7,665
12,367
1,000
345
176,306
284,435
23,000
Mittel der
Quadrate
,555
,809
,648
2,777
,017
,025
,020
,085
,036
,053
,042
,181
8,736
14,385
12,746
26,208
,070
,115
,102
,210
,065
,106
,094
,194
,049
,095
,059
,729
,015
,030
,019
,230
,018
,036
,022
,276
F
15,372
15,372
15,372
15,372
,470
,470
,470
,470
Signifikanz
,000
,000
,000
,001
,798
,730
,770
,500
135,254
135,254
135,254
135,254
1,085
1,085
1,085
1,085
,000
,000
,000
,000
,361
,342
,347
,308
2,641
2,641
2,641
2,641
,833
,833
,833
,833
,001
,010
,002
,118
,640
,570
,619
,371
8. Anhang
86
Tests der Zwischensubjekteffekte
Maß: MASS_1
Transformierte Variable: Mittel
Quelle
Konstanter Term
Experiment
Fehler
Quadratsum
me vom Typ III
74,467
,366
12,184
Mittel der
Quadrate
74,467
,366
,530
df
1
1
23
F
140,577
,691
Signifikanz
,000
,414
Tabelle 5: t-Test für gepaarte Stichproben zur post hoc Bestimmung des Einflusses der
einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 2, wobei die gemittelte Häufigkeit der
Antwortkategorie „glatte Bewegung“ im Bereich von 100 – 250 ms ISOI zwischen den
einzelnen Versuchsbedingungen verglichen wurde.
Test bei gepaarten Stichproben
Gepaarte Differenzen
Paaren
1
Paaren
2
Paaren
3
Paaren
4
Paaren
5
Paaren
6
Paaren
7
Paaren
8
Paaren
9
Paaren
10
Paaren
11
Paaren
12
Paaren
13
Paaren
14
Paaren
15
Kontroll vor V1
Kontroll mit V1
Kontroll Mitte
Kontroll mit V2
Kontroll nach V2
vor V1 Mitte
mit V1 Mitte
Mitte - mit
V2
Mitte nach V2
vor V1 - mit
V1
mit V1 mit V2
mit V1 nach V2
vor V1 - mit
V2
mit V2 nach V2
vor V1 nach V2
95% Konfidenzintervall
der Differenz
Untere
Obere
Mittelwert
Standardab
weichung
Standardfe
hler des
Mittelwertes
,07955
,12132
,03658
-,00196
,16105
2,175
10
,055
-,03977
,12271
,03700
-,12221
,04266
-1,075
10
,308
-,15625
,18006
,05429
-,27722
-,03528
-2,878
10
,016
-,09375
,09980
,03009
-,16080
-,02670
-3,115
10
,011
-,07386
,11377
,03430
-,15030
,00257
-2,153
10
,057
-,23580
,13648
,04115
-,32748
-,14411
-5,730
10
,000
-,11648
,12110
,03651
-,19784
-,03512
-3,190
10
,010
,06250
,13693
,04129
-,02949
,15449
1,514
10
,161
,08239
,11798
,03557
,00312
,16165
2,316
10
,043
-,11932
,08006
,02414
-,17310
-,06553
-4,943
10
,001
-,05398
,08511
,02566
-,11116
,00320
-2,103
10
,062
-,03409
,08321
,02509
-,09000
,02181
-1,359
10
,204
-,17330
,11470
,03458
-,25035
-,09624
-5,011
10
,001
,01989
,07689
,02318
-,03177
,07154
,858
10
,411
-,15341
,11563
,03486
-,23109
-,07573
-4,400
10
,001
T
df
Sig. (2-seitig)
8. Anhang
87
Tabelle 6: Varianzanalyse zur Bestimmung der Einflüsse von ISOI (4-stufig: 100, 150, 200,
250ms) und Geräuschbedingung (5-stufig: kontinuierlich, Klicklaut, leiser, lauter,
Kontrollbedingung
ohne
Geräuschdarbietung)
auf
die
Zuordnung
Wahrnehmungseindrucks zur Kategorie „glatte Bewegung“ in Experiment 3.
Innersubjektfaktoren
Maß: MASS_1
Bedingung
Kontroll
kontinuierlich
Klicklaut
leiser
lauter
ISOI
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
100
150
200
250
Abhängige
Variable
b0_100
b0_150
b0_200
b0_250
b1_100
b1_150
b1_200
b1_250
b2_100
b2_150
b2_200
b2_250
b3_100
b3_150
b3_200
b3_250
b4_100
b4_150
b4_200
b4_250
des
8. Anhang
88
Mauchly-Test auf Sphärizitätb
Maß: MASS_1
Epsilon
Innersubjekteffekt
Bedingung
ISOI
Bedingung * ISOI
Mauchly-W
,354
,403
,000
Approximierte
s Chi-Quadrat
13,917
12,480
94,537
df
9
5
77
Signifikanz
,128
,029
,167
Greenhous
e-Geisser
,656
,731
,520
a
Huynh-Feldt
,808
,861
,930
Untergrenze
,250
,333
,083
Prüft die Nullhypothese, daß sich die Fehlerkovarianz-Matrix der orthonormalisierten transformierten abhängigen Variablen
proportional zur Einheitsmatrix verhält.
a. Kann zum Korrigieren der Freiheitsgrade für die gemittelten Signifikanztests verwendet werden. In der Tabelle mit
den Tests der Effekte innerhalb der Subjekte werden korrigierte Tests angezeigt.
b.
Design: Intercept
Innersubjekt-Design: Bedingung+ISOI+Bedingung*ISOI
Tests der Innersubjekteffekte
Maß: MASS_1
Quelle
Bedingung
Fehler(Bedingung)
ISOI
Fehler(ISOI)
Bedingung * ISOI
Fehler(Bedingung
*ISOI)
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Sphärizität angenommen
Greenhouse-Geisser
Huynh-Feldt
Untergrenze
Quadratsum
me vom Typ III
,901
,901
,901
,901
3,505
3,505
3,505
3,505
15,327
15,327
15,327
15,327
3,647
3,647
3,647
3,647
,151
,151
,151
,151
3,587
3,587
3,587
3,587
df
4
2,626
3,234
1,000
60
39,388
48,505
15,000
3
2,192
2,582
1,000
45
32,883
38,736
15,000
12
6,235
11,154
1,000
180
93,529
167,315
15,000
Mittel der
Quadrate
,225
,343
,279
,901
,058
,089
,072
,234
5,109
6,991
5,935
15,327
,081
,111
,094
,243
,013
,024
,014
,151
,020
,038
,021
,239
F
3,857
3,857
3,857
3,857
Signifikanz
,007
,020
,013
,068
63,044
63,044
63,044
63,044
,000
,000
,000
,000
,631
,631
,631
,631
,814
,711
,803
,440
8. Anhang
89
Tabelle 7: t-Test für gepaarte Stichproben zur post hoc Bestimmung des Einflusses der
einzelnen Geräuschbedingungen in Experiment 3, wobei die gemittelte Häufigkeit der
Antwortkategorie „glatte Bewegung“ im Bereich von 100 – 250 ms ISOI zwischen den
einzelnen Versuchsbedingungen verglichen wurde.
Test bei gepaarten Stichproben
Gepaarte Differenzen
Paaren 1
Paaren 2
Paaren 3
Paaren 4
Paaren 5
Paaren 6
Paaren 7
Paaren 8
Paaren 9
Paaren 10
Kontroll kontinuierlich
Kontroll Klicklaut
Kontroll leiser
Kontroll lauter
kontinuierlich Klicklaut
kontinuierlich leiser
kontinuierlich lauter
Klicklaut leiser
Klicklaut lauter
leiser - lauter
95% Konfidenzintervall
der Differenz
Untere
Obere
Mittelwert
Standardab
weichung
Standardfe
hler des
Mittelwertes
-,10742
,17896
,04474
-,20278
-,01206
-2,401
15
,030
-,11133
,20379
,05095
-,21992
-,00273
-2,185
15
,045
,00586
,16933
,04233
-,08437
,09609
,138
15
,892
-,09570
,17172
,04293
-,18721
-,00420
-2,229
15
,042
-,00391
,12493
,03123
-,07048
,06267
-,125
15
,902
,11328
,19327
,04832
,01029
,21627
2,345
15
,033
,01172
,10574
,02644
-,04463
,06807
,443
15
,664
,11719
,22750
,05688
-,00404
,23842
2,060
15
,057
,01563
,12910
,03227
-,05317
,08442
,484
15
,635
-,10156
,16673
,04168
-,19041
-,01272
-2,437
15
,028
T
df
Sig. (2-seitig)