Berlin erweitert deinen Horizont
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Berlin erweitert deinen Horizont
People Interview mit dem Schauspieler Oliver Mommsen, der derzeit die Berliner Theaterszene erobert Kennen Sie unser Magazin, Herr Mommsen? Klar, ich habe es schon häufiger in den Geschäften in der Friedrichstraße gesehen. Auf einem meiner vielen Spaziergänge durch die Stadt. Sind Sie denn häufig in der Friedrichstraße? Auch, aber eigentlich bin ich überall in der Stadt unterwegs – mit meinem kleinen Buch hier (zeigt seine Kladde). Um meinen Text zu lernen, muss ich mich bewegen. Ich laufe von Kreuzberg nach Mitte, über den Prenzlauer Berg, nach Schöneberg, zurück nach Kreuzberg usw. Sechs bis sieben Stunden können da schon einmal zusammenkommen. Zuhause bereite ich mich auf meine Rolle vor und versuche zu verstehen, wie die Figur, die ich spiele, tickt. Aber wenn es darum geht, den Text zu lernen, laufe ich mit meinem kleinen Büchlein durch die Stadt. Momentan lernen Sie den Text für … … eine bitterböse Komödie, „Fettes Schwein“. Das Stück hat am 19. Februar Premiere in der Komödie am Kurfürstendamm, dann spielen wir en-suite bis zum 1. April 2012. Ich genieße das sehr, tagsüber proben, abends spielen, danach nach Hause gehen. Ein ganz geregelter Tagesablauf. Das ist neu und sehr schön für mich. Ich habe Sie kürzlich in „Gut gegen Nordwind“ zusammen mit Tanja Wedhorn im Theater gesehen, dann habe ich mir vor ein paar Tagen noch den vorletzten Bremer Tatort angesehen. Beides hat mir sehr gut gefallen. Das war „Der illegale Tod“ – den mochte ich auch sehr. Da durfte ich mich als Kommissar Stedefreund einmal von einer ungewöhnlichen Seite zeigen. Eigentlich ist Stedefreund ja ein sehr korrekter, integrer und geradliniger Mensch mit einem großen Gerechtigkeitsbewusstsein. Dass der tatsächlich mal verkatert und schwer Theater, Film oder Fernsehen – was machen Sie am liebsten? Die Mischung macht es aus. Im Theater darf ich die Sau rauslassen, wenn wir drehen, muss ich meine Energie eher deckeln. Aber beides ist schön. Die Energie am Theater genieße ich sehr, angeschlagen durch die Gegend läuft, war für aber auch das konzentrierte Arbeiten auf den mich ganz wunderbar zu spielen. So langsam Moment hin beim Film mag ich. darf Stedefreund auch mal Gefühle zeigen. Das ist schön, wenn man nach zehn Jahren andere Wie sieht es mit Kino aus? Bisher gab es leider nur einen Kinofilm: JuniTüren aufstößt. mond im Jahr 2001 mit der großartigen Laura Ihr wievielter Tatort war das? Tonke. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Am 12. Februar hat die ARD den 20. Tatort mit Der Film, ein ganz trauriger Film, ein Melodramir als Assistent von Sabine Postel alias Inga ma, ist damals zwar fürchterlich gefloppt, aber Lürsen gezeigt, für Sabine war das der 25. Tatort. ich bin mal so frech zu sagen: Wir waren einfach Am Anfang hat sie mehrere Assistenten auspro- unserer Zeit noch ein wenig voraus. biert und drei von ihnen verschlissen. Daher hat es lange gedauert, bis ich daran geglaubt habe, Außerdem machen Sie auch noch Lesungen. dass mein Job in Bremen von Dauer ist. Und Das stimmt, unter anderem mit dem norwegijetzt bin ich tatsächlich schon elf Jahre dabei. schen Schriftsteller Jo Nesbø, mit dem ich schon viermal auf Tour war. Auch im Kulturkaufhaus Momentan spielen Sie vor allem Theater. Hat Dussmann haben wir gelesen. Das macht einen man da auch schon einmal einen schlechten Riesenspaß. Nesbø ist ein toller Typ, ein SportfaTag? natiker, ursprünglich war er Broker, dann MusiNa klar, aber das Adrenalin gleicht alles wieder ker, dann hat er angefangen zu schreiben. Heute aus. Letzten Samstag war ich z. B. nach der Vor- ist er einer der weltweit am häufigsten gelesenen stellung mit einem alten Lehrer aus meiner In- Krimiautoren. ternatszeit auf der Piste. Wir sind so ins Reden – und auch ins Trinken – gekommen, dass ich am Sonntag zur Nachmittagsvorstellung um 16 Uhr mehr oder weniger auf die Bühne gekrochen bin – und wie nach einem Jungbrunnen die Bühne anschließend verlassen habe. Es kann so wunderschön sein, da oben zu stehen, wenn alles läuft, wenn ein Austausch mit dem Publikum stattfindet. Es kann aber auch genauso an einem zehren, gerade wenn man eine Komödie spielt und die ersten drei Pointen sitzen nicht. Stattdessen: Totenstille. Dann fängst du oben auf der Bühne an zu sterben. Was war Ihr bisher schönster Versprecher? Da ist mir wirklich neulich etwas Lustiges passiert. Tanja fragt mich in unserem letzten Stück „Gut gegen Nordwind“: „Wo waren Sie die letz- 10 berlin Friedrichstraße no. 01 | frühling 2012 Kirsten Waldheim und Oliver Mommsen trafen sich im Februar zwischen den Proben am Nachmittag und der Abendvorstellung im Café Dressler am Kurfürstendamm. Foto: Michael Meudt. „Berlin erweitert deinen Horizont“ ten beiden Wochen?“ Darauf hätte ich antworten sollen: „Ich war in Amsterdam mit Marlene“. Raus kam – und das voller Inbrunst: „Ich war in Marlene“. Dann habe ich noch versucht, irgendwie aus der Nummer wieder rauszukommen: „Ich war in Marlene mit Amsterdam“, aber das passte auch nicht recht und ich dachte nur: Irgendetwas stimmt hier nicht. Diesen Gedankengang hat das Publikum offenbar auch mitbekommen und fing an zu lachen. Das hat dann wiederum Tanja aus der Kurve geschmissen und ich war sowieso schon in Schweiß gebadet. So etwas gibt es nur live. Foto: Bettina Volke. Seit elf Jahren ermittelt Oliver Mommsen (43) alias Kommissar Stedefreund an der Seite von Sabine Postel im Bremer Tatort. Am 20. Februar 2012 zeigte die ARD die 20. Folge mit den beiden Bremer Kommissaren. berlin Friedrichstraße no. 01 | frühling 2012 11 People Gibt es noch andere Berliner Theater, an denen man Sie sehen kann? Noch nicht, aber ich bin in engem Kontakt mit Dieter Hallervorden vom Schlossparktheater und ich hoffe, dass Horst Filohn vom Renaissance-Theater langsam auf mich aufmerksam wird. Das sind im Wesentlichen die Berliner Bühnen, die sich an Fernseh-Fuzzis herantrauen. In Ihrem neuen Stück, „Fettes Schwein“, welche Rolle spielen Sie da? Ich spiele den Carter, ein ziemliches Arschloch – seien Sie gespannt. Es spielen außerdem mit Andreas Schmidt, Marie Schöneburg und Nicola Ransom. le, die von Kurt Hahn gegründet wurde, einem großartigen Pädagogen. Da durfte ich bis zum Abitur bleiben, wobei die Lehrer das eine oder andere Auge zugedrückt haben, unter anderem auch, weil ich in der Theater-AG meinen Platz gefunden hatte. Einmal hat mich der Schulleiter zu sich zitiert und gesagt: „Herr Mommsen, ich würde Sie jetzt sofort von der Schule schmeißen, aber Sie spielen die Hauptrolle in unserem Theaterstück. Also, reißen Sie sich gefälligst am Riemen.“ Gehen Ihre Kinder in Kreuzberg zur Schule? Nein, wir gehören zu diesen verachteten Eltern, die ihre Kinder auf bilinguale Privatschulen schicken. In der Ausbildung der Kinder liegt unsere Zukunft, das ist mein kleines Erbe, das ich den Kindern vorher schon auszahle. Ich habe von meinen Eltern die bestmögliche Ausbildung bekommen und wir möchten das auch bei unseren Kindern so machen. Die Schulsituation, die wir in Kreuzberg vorgefunden haben, ist genauso schlimm, wie es die Zeitungen beschreiben – da wollten wir nicht mitmachen. Wie ist es, wenn Sie in Berlin unterwegs sind – erkennen die Leute Sie? Ein bisschen schwebt über mir wohl noch die Tarnkappe (lacht). Seit zwei, drei Jahren ändert sich das ein bisschen. Aber schließlich bin ich auch nicht George Clooney. Und so langsam wird auch die Presse aufmerksam und die Leute drehen sich auch schon einmal auf der Straße um. Welche Bedeutung hat Berlin als Film- und Medienstadt? Eine große – fast alle sind hier. Ich selbst drehe zwar nur knapp vier Prozent meiner Filme in Berlin, aber wenn ich durch die Stadt laufe – was ich ja wirklich viel mache – dann sehe ich jedes Mal mindestens ein Filmteam irgendwo stehen. Die Stadt ist nun einmal bunt, abwechslungsreich und vielseitig. Sechzig Prozent meiner Klischees, die ich aus der Schule oder Erziehung mitgebracht habe, hat Berlin zum Glück wieder eingerissen. Diese Energie will man auch im Film haben. Sie selbst waren in den Elite-Internaten Salem und Louisenlund. Haben Sie sich dort wohl gefühlt? Pudelwohl. In Salem habe ich mich sogar so wohl gefühlt, dass ich aus der Schule geflogen bin. Dann kam Louisenlund, auch eine Schu- Fotos: Bettina Volke. Herr Mommsen, Sie sind geborener Düsseldorfer und bekennender Berlin-Liebhaber. Seit wann leben Sie hier? Seit 1990. In Berlin habe ich an der Schauspielschule Maria Körber meine Ausbildung gemacht. Mit meiner Familie lebe ich in Berlin-Kreuzberg. Ich liebe die Gegend und unsere Wohnung mit Zugang zu einem kleinen Hinterhofgarten, Grill und Schaukel und allem, was dazu gehört. Für uns ist das unser kleines Piratenschiff. Die Vielfalt, auch der Menschen hier, ist einfach toll. Mein Sohn Oskar, 14 Jahre alt, hat gesagt, dass er nie von dort weg will. Vor kurzem wollte er sich schon „Kreuzberg“ auf den Arm tätowieren lassen. Für mich gab es in der Kindererziehung immer zwei Alternativen: Entweder ein Kind, das in der Natur seine Staudämme baut, oder die kleine freche gewitzte Bordstein-Pflanze, die mit allen Wassern gewaschen ist. Jetzt habe ich Letzteres in doppelter Ausführung zuhause. Lotte ist als 9-Jährige natürlich noch relativ behütet, aber Oskar weiß definitiv, was alles geht in der Stadt – der brennt. Wenn er einen neuen Text lernt, läuft Mommsen oft stundenlang durch die Stadt. Hier macht er Pause an der Weidendammer Brücke. 12 berlin Friedrichstraße no. 01 | frühling 2012 Nennen Sie mir ein Beispiel? Nehmen wir mal jemanden, der nachlässig gekleidet irgendwo an der Ampel steht und man denkt: Wo kommt der arme Kerl denn her? Und zwei Tage später ist er im Kulturteil im Tagesspiegel abgelichtet und man liest, dass eben dieser Mann der Intendant vom HAU1 ist. Oder man sieht zwei Typen aus der Gothic-Szene, die schieben einen schwarzen Kinderwagen vor sich her und man sagt sich: Na klar, auch die kriegen Kinder – natürlich, du Vollidiot. Berlin erweitert enorm den Horizont, hier sind Menschen aus der ganzen Welt. Ich mag auch München oder meine Heimatstadt Düsseldorf sehr gerne, aber wenn man dort nicht richtig gekleidet ist oder nicht den Richtigen kennt, kommt man in bestimmte Locations nicht rein. In Berlin ist das anders: Solange man freundlich ist und die Ausstrahlung stimmt, kommt man überall rein. Das erweitert natürlich den Spielraum. Außerdem kann ich mir hier immer aussuchen, wonach mir gerade der Sinn steht. Wenn ich im August die Oranienstraße entlang laufe, dann Foto: Michael Meudt. Steckbrief Oliver Mommsen • Alter: 43 • Familie: Seit 2008 verheiratet mit Nicola Mommsen, mit der er seit 18 Jahren zusammenlebt. Zwei Kinder: Oskar (14) und Lotte (9). Ururenkel von Theodor Mommsen, Historiker und Literatur-Nobelpreisträger. • Ausbildung: Internat Schloss Salem, Internat Louisenlund, Schauspielschule Maria Körber Berlin. • Wohnort: Wahl-Berliner seit 1990. bin ich am Bosperus und genieße die südländische Leichtigkeit. Wenn ich gucken will, was modetechnisch der letzte Schrei ist, dann stelle ich mich an den Hackeschen Markt und wundere mich, dass alle das Gleiche anhaben. Das traditionelle, freche, teilweise auch etwas ruppige Berlin finde ich, wenn ich durch Charlottenburg-Wilmersdorf schlendre. Kommen Sie übrigens aus Berlin? Nein, aber ich lebe seit Mitte der 80er Jahre hier. Darum beneide ich Sie – diese Zeit, als in Berlin noch die Mauer war, hätte ich gerne hier erlebt. Sind Sie viel in Berlin-Mitte unterwegs? Auf jeden Fall. Vor allem muss ich immer lachen, wenn ich vergleiche, wie deprimierend z. B. der Hackesche Markt vor 20 Jahren ausgesehen hat – und jetzt sieht man dort nur schöne Menschen, allerdings alle ein bisschen unter Stress. Die Mischung macht es – und da ist für mich Berlin einzigartig. Möglicherweise trete ich jetzt den Hamburgern auf die Füße, aber die haben natürlich den Hafen. Eine andere tolle Stadt für Schauspieler mit einer sehr hohen Lebensqualität ist übrigens Wien. Haben Sie ein paar Tipps für Berlin-Mitte? Ihre Lieblingsbars und -restaurants? Natürlich den Klassiker – das Borchardts in der Französischen Straße. Wir haben dort so viele schöne Abende verbracht, ein absolut lässiger Laden. Im Grill Royal in der Friedrichstraße kann man, wenn man sich seinen Kellner ein bisschen auf Augenhöhe geklopft hat, auch seinen Spaß haben. Schön ist es auch, einen Abstecher in die Bar Tausend am Schiffbauer Damm zu machen – da ist man auch als 43-Jähriger noch ganz gut aufgehoben. Man kann dort essen, es gibt hervorragende Cocktails und Live-Musik. Dann bin ich ein großer Fan von Monsieur Vuong in der Schönhauser Straße und auch das Entrecote in der Schützenstraße ist ein hervorragendes Restaurant. Ein sehr gutes türkisches Restaurant ist DaDa-Falafel in der Linienstraße. So, jetzt muss ich mich noch einmal eine Stunde aufs Ohr legen, in zwei Stunden ist unsere nächste Vorstellung. Herr Mommsen, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit Ihrem nächsten Stück. Das Interview führte Kirsten Waldheim. www.print-screen-net.de Anzeige_Golf_Stolpe_89x130.indd 24.02.2012 12 Berliner Golfclub Stolper Heide Foto: Michael Meudt. Golfschnupperjahr 2012 Oliver Mommsen kann man gemeinsam mit Andreas Schmidt, Marie Schöneburg und Nicola Ransom noch bis zum 1. April 2012 live erleben in der KOMÖDIE AM KURFÜRSTENDAMM Kurfürstendamm 206/209 10719 Berlin komoedie-berlin.de 1 Jahr komplettes Nutzungsrecht der Golfanlage Stolper Heide zum Super-Kennenlernpreis von 997,- Euro* Berliner Golfclub Stolper Heide Am Golfplatz 1 16540 Hohen Neuendorf OT Stolpe Tel: 03303 - 549 214 [email protected] www.bgcsh.de * zzgl. Mitgliedsbeitrag von 128,- Euro berlin Friedrichstraße no. 01 | frühling 2012 13