Otto Ohlendorf
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Otto Ohlendorf
Otto Ohlendorf OSTERN 2008 VON DR. REGINA REINSPERGER WWW.EGOISTEN.DE „ Man fragt sich hier, wie es um das Moralverständnis von Anthroposophen bestellt ist, die Massenmord entschuldigen und behaupten, dass Menschen sich so verstricken können und keine andere Wahl mehr haben, als Verbrechen dieser Dimension zu begehen.“ „Gralshüter des Nationalsozialismus“ und Freund der Anthroposophen ? um Ohlendorf rankt. Der Artikel gliedert sich in 3 Teile. Die Literaturangaben finden sich ausführlich am Schluss des 3. Teils der Arbeit aufgelistet. Über Otto Ohlendorf berichten einige Anthroposophen in ihrer Biographie und zeichnen ein beschönigendes Bild von einem Mann, der angeblich der „anthroposophischen Sache“ in „schwerer Zeit“ beigestanden hat. TEIL 1 Aus diesem Grund wohl werden Ohlendorfs Opfer bei einigen völlig ausgeblendet, und Ohlendorf, der als Leiter der Einsatzgruppe D, den Tod von 90 000 Menschen zu verantworten hat und auch bei Massenexekutionen persönlich anwesend war, wird sogar als Retter von zehntausenden von Juden in Rumänien dargestellt und als Opfer einer „Siegerjustiz“ bedauert. Deshalb möchte ich Ohlendorfs Leben und seine Taten etwas ausführlicher an Hand der aus der Literatur zu entnehmenden Fakten darstellen. Am Schluss will ich aufzeigen, welche anthroposophische Legendenbildung sich konkret Kurzbiographie von Otto Ohlendorf Otto Ohlendorf ist im selben Jahr wie Friedrich Benesch, am 2. Februar 1907, in der Kleinstadt Hoheneggelsen bei Hannover geboren worden. Sein Vater war Landwirt und besaß einen mittelständigen Betrieb. Die Familie war nationalkonservativ eingestellt und protestantisch. Der älteste Bruder studierte Naturwissenschaften, der Zweite sollte den väterlichen Betrieb übernehmen und die Schwester führte einen 1/ 16 kaufmännischen Betrieb. Otto Ohlendorf studierte Jura und Volkswirtschaft. Mit 16 Jahren leitete er eine Jugendgruppe der deutschnationalen Volkspartei, im Mai 1925 wechselte er zur NSDAP, bekam die Mitgliedsnummer 6531 und wurde Leiter des Ortsgruppenverbandes. Mit vier anderen SAMitgliedern wurde Ohlendorf ausgesucht, die erste SS-Gruppe in seiner Heimat aufzustellen. Damals war die SS noch ein kleines Anhängsel der SA. Ohlendorf wechselte also von der SA zur SS und bekam dort die Mitgliedsnummer 880. Er studierte in Göttingen und Leipzig Rechts- und Volkswirtschaft und leitete an der Universität politische Schulungsabende und Gesprächsabende. Arbeitsgemeinschaften. 1936 vermittelte Jenssen Ohlendorf eine Stelle als Wirtschaftsreferent und Mitarbeiter von Professor Reinhard Höhn, dem Leiter der Zentralabteilung II 2 im SDHauptamt (=Sicherheitsdienst der SS), dort baute Ohlendorf den SD-Inland mit Höhn auf. (Der SD-Inland sammelte aktuelle Stimmungsberichte aus der Bevölkerung, die „Meldungen aus dem Reich“, um politischen Fehlentwicklungen gegensteuern zu können.) Am 10.6.1936 heirateten Otto Ohlendorf & Käte Wolpers. Ende 1936 wird Ohlendorf Stellvertreter Höhns und baut die Gruppen der o.a. Abteilung fast selbstständig auf. Er wird zum SS-Sturmbannführer (Major) ernannt, 1938 zum Obersturmbannführer (Oberstleutnant) im RSHA. Im Jahr 1938 verliert Professor Höhn aufgrund einer internen Intrige sein Amt, Ohlendorfs Abteilung wurde daraufhin reformiert und beschnitten, was ihm nicht zusagte. Aufgrund seiner Bekanntschaft mit Franz Hayler, dem Leiter der Reichsgruppe Handel im Reichwirtschaftsministerium ( RWM), konnte er eine Stelle als Geschäftsführer der Reichsgruppe Handel antreten. Reinhard Heydrich, der Chef des SD, weigerte sich jedoch ihn zu entlassen, sodass er dann als Kompromiss hauptamtlich im RWM arbeitete, aber als Aufsichtsperson auch die Leitung des Amtes III (SD-Inland) des im September 1939 gegründeten Reichssicherheitshauptamt der SS (RSHA) übernahm. Ohlendorf nahm an allen wichtigen Besprechungen auf Führungsebene teil, wie sich aus den Protokollen u.a. Dokumenten belegen lässt. 1939 wurde er zum Hauptgeschäftsführer der Reichsgruppe Handel im RWM ernannt. 1940 erfolgte die Ernennung zum Standartenführer (Oberst) im RSHA. 1941/42 für ein Jahr Unterbrechung dieser Tätigkeiten durch Übernahme der Leitung der Einsatzgruppe D. In dieser Zeit hat Ohlendorf die Ermordung von 90.000 Menschen zu Bei den Kreiswahlen 1929 im Gau SüdHannover gelang es ihm, für die NSDAP die absolute Mehrheit zu gewinnen. Ab 1930 zog er sich aus der politischen Arbeit etwas zurück und ging 1931 für ein Jahr an die Universität Padua. 1933 wurde er als Direktorial-Assistent die „rechte Hand“ des Nationalökonomen Jens Jenssen im Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Parteipolitische Differenzen und Konflikte am Institut ließen Jensen und Ohlendorf 1934 nach Berlin wechseln, wo Jenssen aus der Handelsschule heraus eine eigene wirtschaftswissenschaftliche Forschungseinrichtung, die Wirtschaftsfachhochschule gründen sollte, mit ihm als Direktor und Ohlendorf als Abteilungsleiter. Aufgrund einer Kampagne Rosenbergs und gegen Jenssen gerichtete Propaganda im „Völkischen Beobachter“ scheiterte dieses Vorhaben. Ohlendorf nahm bis 1936 verschiedene, ihn nicht befriedigende Aufgaben wahr: er baute die Bibliothek des Berliner Institutes für angewandte Wirtschaftswissenschaften auf, leitete ein Referat in der Parteiamtlichen Prüfungskommission im Bereich der Vorzensurstelle für politische und weltanschauliche Prüfung und leitete Studenten2/ 16 verantworten, wie er am 3.1.1946 im Nürnberger Prozess zugab. sich der gelernte Jurist selbst und versuchte darzulegen, dass nicht der Nationalsozialismus als Ideologie verkommen wäre, sondern die Männer, die die Schlüsselstellungen der politischen Macht innehatten, er selbst habe diese Macht als interner Regime-Kritiker nie erlangen können. Aus dieser Verteidigungsstrategie kann man ersehen, wie sehr Ohlendorf die verbrecherische Rassenideologie verinnerlicht hatte, folgerichtig findet er daher als „hoch gebildeter Mann“ kein Wort des Bedauerns für seine Opfer. In einem Brief vom 22.5.1949 schreibt Ohlendorf (Klein,“Begegnungen“, Seite 114): „ Nicht das Gefängnis ist für mich schwerstes Leiden. Mein Leiden ist vielmehr zu keiner Zeit grösser gewesen als in den letzten Kriegsjahren in äußerer Freiheit und rastloser Tätigkeit in großem Kreis.“ – nämlich als er durch den Kriegsverlauf erkennen musste, dass die Ideologie des Nationalsozialismus nicht zu halten sein wird, was er der Unfähigkeit der Männer der NS-Regierung zuschrieb. Am 10.4.1948 wurde Ohlendorf im Einsatzgruppenprozess für schuldig „des Verbrechens an der Menschlichkeit“ gesprochen und am 8.6.1951 in Landsberg/Lech hingerichtet, in demselben Gefängnis, in dem Adolf Hitler 1924 seine Strafe absaß und dabei zusammen mit Rudolf Heß sein Buch „Mein Kampf“ geschrieben hatte. - Auch der erste Bundespräsident Theodor Heuss hat sich für eine Umwandlung der Todesstrafe Ohlendorfs in ein „lebenslänglich“ ausgesprochen, aber nicht, weil er dieses Urteil für nicht gerechtfertigt ansah, sondern weil er grundsätzlich gegen die Todesstrafe kämpfte. 1942 erfolgte die Ernennung zum Brigadeführer (Generalmajor) im RSHA und 1943 wurde er im RWM als Ministerialdirektor Abteilungsleiter und stellvertretender Staatssekretär (unter Hayler) und unter Funk „heimlicher Minister“ als Chef für die Planung der wirtschaftlichen Nachkriegsordnung, hieran arbeitete er in Kooperation mit den verschiedensten Wirtschaftsfachleuten u.a. auch mit Ludwig Erhard. Nach dem Krieg wollte Himmler weg von der „total bolschewistischen“ staatlichen Wirtschaftslenkung und besonders das mittelständige Unternehmertum stärken. 1944 wurde Ohlendorf im RSHA zum Gruppenführer (Generalleutnant) und gleichzeitig zum Generalleutnant der Polizei ernannt. - Seine Karriere ging also vor und auch nach der Einsatzgruppenleitung in beiden Behörden „steil nach oben“, erstaunlich, da er nach eigenen Angaben im RSHA der SS fast nur von politischen Gegnern und persönlichen Feinden umgeben sein wollte – und: zur Beförderung im RWM im November 1943 gratulierte auch Heinrich Himmler und übermittelte Ohlendorf aus diesem Anlass „herzliche Wünsche“. Folgende Orden und Ehrenzeichen wurden Otto Ohlendorf verliehen: Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern, Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern, Dienstauszeichnungen der NSDAP in Silber und Bronze, Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP, SS-Ehrenring, Ehrendegen des Reichsführers-SS, KVK I. Klasse und Stern Rumäniens mit Silber am Bande. Otto Ohlendorf und die Anthroposophie Während Otto Ohlendorf 1925 im Alter von 18 Jahren der NSDAP beigetreten war und 1926 der SS, war sein 12 Jahre älterer Bruder Heinrich 1929 Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft geworden. Nach Aussage des Sohnes Im Nürnberger Prozess war Ohlendorf einer der Hauptzeugen der Anklage, da er im Detail die Massentötungen seiner Einsatzgruppe schilderte. Im Einsatzgruppenprozess verteidigte 3/ 16 von Heinrich Ohlendorf, konnte sein Vater damals dem Bruder keine Bewunderung für die Anthroposophie abgewinnen. Ab November 1935 war die Anthroposophische Gesellschaft verboten und da ist es verständlich, dass Otto Ohlendorf sich jetzt für die AG interessierte, da sein Bruder dort langjähriges Mitglied war und das aufgrund der üblichen Sippenhaftung und Sippenhaft bei den Nationalsozialisten für ihn selbst eine potentielle Gefährdung und Karrierehindernis sein konnte: die Mitgliedskarte seines Bruders lag jetzt in der beschlagnahmten Mitgliederkartei der Anthroposophischen Gesellschaft bei der Gestapo, und wegen der unendlich vielen internen Macht- und Kompetenz-Intrigen fühlte sich Otto Ohlendorf gefährdet, da er selbst auch schon angegriffen worden war. finden sich folgende Vermerke: Ohlendorf lehne die Weltanschauung der Anthroposophie restlos ab, aber man solle das Gute aus ihren Lehren, wenn nicht übernehmen, so doch prüfen. Das solle bei den Waldorfschulen durch namhafte Nationalsozialisten wie Bäumler geschehen (siehe Wikipedia: Alfred Bäumler). Auf den Gebieten der Heilbehandlung, der biologisch-dynamischen Düngung und der Kristallisationsmethode müsse man zunächst sehen, inwiefern aus diesen „biologischen Erkenntnissen“ praktische Folgerungen gezogen und auf nationalsozialistischer Basis übernommen werden könnten. Daher solle man zunächst von Maßnahmen gegen die Anthroposophie absehen. Nach dem Flug von Rudolf Heß bekamen die Anthroposophie-Gegner die Übermacht und es wurde das Verbot der noch bestehenden Initiativen (Christengemeinschaft, DemeterBewegung, Heilmittelfirma Weleda) angestrebt. In den Akten des RSHA findet sich ein Bericht vom 20.5.1941 im Amt III des RSHA unter der Verantwortung Ohlendorfs verfasst. Er schlägt vor, Astrologie, Spiritismus Okkultismus, Wahrsagerei u.ä. sofort zu verbieten, für die Anthroposophie und biologisch-dynamische Wirtschaftsweise schlug er die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft vor, die in einigen Wochen zu einem Vorschlag kommen sollte. Während Ohlendorf seinen Bericht allen Ämtern im RSHA zugehen ließ, schickte das Amt IV (Gegner-Erforschung und Bekämpfung) unter Federführung von Heinrich Müller einen Bericht direkt an Heydrich, der das sofortige Verbot der anthroposophischen Einrichtungen forderte. Diese Vorgänge scheinen die spätere Darstellung Otto Ohlendorfs zu bestätigen, dass sein Eintreten für die Anthroposophen entscheidend für seine Abkommandierung als Chef der Einsatzgruppe D war. In Berlin hatte er sich 1936/37 wie auch Hans Frank (siehe Wikipedia: Hans Frank) den anthroposophischen Arzt Wilhelm zur Linden als Hausarzt genommen und erfahren, dass dieser im Zusammenhang mit den Bestrebungen um die Wiederzulassung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland mit Ministerialrat Lotar Eickhoff vom SD Gespräche geführt hatte. Im Zusammenhang mit dem Funktionstrennungs- Erlass vom 1.7.1937 veranlasste Heydrich das Gestapo-Amt, alle die Anthroposophie betreffenden Akten an das SSSicherheitsdienst-Hauptamt (SD) abzugeben. Im Dezember 1937 hatte Ohlendorf dann erreicht, dass Heydrich an Heß mit dem Ansinnen herantrat, die „Vorschläge der Anthroposophen“ überprüfen zu lassen. Dabei sollte Ohlendorf als Vertreter des SD und des Gestapoamtes gelten. Über diesen SD-internen Vorgang gibt es ausführliche Aktenvermerke, aus denen hervorgeht, dass es Otto Ohlendorf wichtig war, nur als Beauftragter für eine zentrale Aktensammlung bezeichnet zu werden und nicht etwa als Sachverständiger für Anthroposophie. Es 4/ 16 Jedoch: „Inwieweit sein Verhalten zu den Anthroposophen für diese Versetzung ausschlaggebend war, steht nicht eindeutig fest, auch wenn es immer wieder – auch von ihm selbst – behauptet wurde.“( Dieser Absatz hat als Grundlage das Kapitel „Otto Ohlendorf Einstellung“ und Seite 335 aus dem Buch des Anthroposophen Uwe Werner „Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, München 1999.) Heydrich Order nur, um sich nicht weiterhin als „Ungedienter“ dem Vorwurf der Feigheit auszusetzen.“, schreibt Höhn auf Seite 327 und stützt sich dabei auf mündliche Äußerungen der Witwe Käthe Ohlendorf. Höhne berichtet weiter: „Die Ironie aber wollte, dass nur die einzigen beiden unkonventionellen Amtschefs des RSHA, Nebe und Ohlendorf, den Judenmord im Osten praktizierten. Ihre Kollegen wussten besser Zurückhaltung zu üben: Die Amtschefs Franz Six (Vorkommando Moskau) und Heinz Jost (Einsatzgruppe A) verließen ihre Einheiten schon nach einigen Wochen östlicher Praxis, während sich die Amtschefs Heinrich Müller, Bruno Streckenbach, Walter Schellenberg und Dr. Nockemann – vollends an jedem SS-konformen Heldentum vorbeidrückten.“ Six und Jost räumten ihre Posten mit und ohne Genehmigung Heydrichs, selbst mindere Dienstgrade konnten sich dem Mordbefehl entziehen. SD-Professor Six bezeugt: „Man konnte zumindest versuchen, von einer Einsatzgruppe wegversetzt zu werden. Auf jeden Fall wurde niemand deshalb erschossen.“ Fest steht jedenfalls, dass Otto Ohlendorf nach 1941 nichts mehr gegen das Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft und ihrer Töchter unternommen hat. Abkommandierung als „Strafversetzung“? Heinz Höhne hat mit seinem Buch „Der Orden unter dem Totenkopf – die Geschichte der SS“, München 2002 , ein allgemein anerkanntes Standardwerk über die SS geschrieben. Auch er geht auf Ohlendorf ein, er schildert ihn folgendermaßen: „ Der fast zierliche Ohlendorf, in dem viele Parteigenossen des Typ des neurotischen, stets etwas säuerlichen und besserwisserischen Intellektuellen sahen, witterte tödliche Gefahren für die innere Gesundheit des Nationalsozialismus. Er wähnte sich im Innern von zwei Seiten bedroht: von kollektivistischen Strömungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie von staatsabsolutistischen Tendenzen in der Verfassungspolitik…Schlagwort „Bolschewismus“. Himmlers Sekretär, Rudolf Brandt, überlieferte: „Ohlendorf versteht den Reichsführer nicht zu behandeln.“ – Andrej Angrick veröffentlichte 2003 sein umfangreiches Buch: „Besatzungspolitik und Massenmord – Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941-1943“. Dort berichtet er auch ausführlich, wie die Einsatzgruppen aufgestellt wurden, diese Darstellung beruht auf fundiertem Aktenstudium und dort ist von einer Strafversetzung wegen Ohlendorfs Eintreten für die Anthroposophie oder einer Intrige Heydrichs oder Himmlers gegen Ohlendorf keine Rede. Bereits ab Sommer 1940 war das Reichssicherheitshauptamt der SS (RSHA) mit der vorläufigen Aufstellung der Einsatzgruppen beschäftigt. Da das RSHA ab 1940 in großer Zahl Fachpersonal, nämlich ausgebildete Beamte der Kripo und Gestapo an die Geheime Feldpolizei (GFP) abgeben musste, versuchte man später, möglichst kein Personal mehr abzutreten, Wegen seines Räsonierens als übellauniger „Gralshüter des Nationalsozialismus“ , wie Ohlendorf in einer Mischung aus Respekt und Ironie im RSHA bezeichnet wurde, war er 1941 bei Himmler in Ungnade gefallen, hatte zweimal einen Osteinsatz abgelehnt und parierte der 5/ 16 damit die laufenden Dienstgeschäfte und die Kontrolle über die neu eroberten Gebiete überhaupt gewährleistet werden konnte. Auch die im Herbst 1940 für das RSHA rekrutierten 2500 SS-Reservisten mussten entweder den Einsatzgruppen oder der Waffen-SS zur Verfügung gestellt werden. Das RSHA war also bereits vor der eigentlichen territorialen Besetzung der Sowjetunion an der Grenze seiner personellen Ressourcen angelangt. Im April 1941 begann man konkret mit der Aufstellung von drei Einsatzgruppen analog der Gliederung des deutschen Ostheeres. der tatsächliche personelle Bestand oft soweit von der ursprünglichen Namensliste ab, dass Wochen vergingen, bis im Personalamt selbst Klarheit über die wirkliche Zusammenstellung bestand.“ Otto Ohlendorf schilderte vor dem Nürnberger Gerichtshof, dass seine Ernennung zum Leiter der Einsatzgruppe D eine gegen ihn zielende Intrige Himmlers und Heydrichs gewesen wäre. Er habe bereits zweimal eine Aufforderung zum Osteinsatz abgelehnt und wäre dann der dritten gefolgt, da man ihn bei nochmaliger Weigerung als „Feigling“ angesehen hätte. Um einer tiefen Demütigung und dem möglichen Amtsverlust vorzubeugen, habe er der Abordnung notgedrungen zugestimmt. Dies kommentiert Andrick auf Seit 92 wie folgt: Doch während der Zusammenstellung der Personallisten trat ein Problem auf: seit März 1941 regte sich eine massive deutschfeindliche Opposition in Jugoslawien, wo es zu einem unblutigen Staatsstreich und Machtübernahme durch die bisherige politische Opposition kam. Diese versuchte die deutschfeindlichen Ausschreitungen zu unterbinden, doch Hitler befahl am 27. März 1941 die Zerschlagung des jugoslawischen Staates und am 6. April begann der Angriff der in Bulgarien stationierten 12. Armee auf Jugoslawien. Aufgrund dieser Ereignisse musste das RSHA eine zusätzliche Einsatzgruppe aufstellen. Das bewirkte in dieser Behörde rege Geschäftigkeit, aber auch ein Höchstmaß an Desorganisation, da fast alle Chefs der Einsatzgruppen und auch die Kommando-Führer persönliche Wünsche hinsichtlich ihrer künftigen Mitarbeiter hatten, denen das Personalamt prompt nachzukommen versuchte. Kam es dabei zum krankheitsbedingten Ausfall eines Leiters, so fand ein Ringtausch statt, da der Nachfolger wiederum seine „eigenen Leute“ mitbrachte. „Diese Darstellung Ohlendorfs – die, wie viele seiner Äußerungen, in der Literatur vielfach unkritisch wiedergeben worden ist- liefert kein zutreffendes Bild der Ereignisse, sondern trägt den Charakter einer Schutzbehauptung. – Wenn Ohlendorf wirklich das Opfer einer Intrige gewesen wäre, warum war er dann nicht von Anfang an zum Leiter einer Einsatzgruppe, wie Rasch oder Stahleck bestimmt gewesen? Wieso wurde nicht Ohlendorf als Ersatz für den verletzten Hans Nockemann abgestellt, sondern Nebe? Auch stellte die Übernahme einer Einsatzgruppe bzw. eines Einsatzkommandos durch einen Amtschef des RSHA keineswegs eine Ausnahme dar. Ohlendorfs Ernennung zum Führer der Einsatzgruppe D dürfte daher aus zweckmäßigen Erwägungen Himmlers heraus zudem kurzfristig veranlasst worden sein, befanden sich doch in dem Gebiet, für das die neuaufgestellte Einsatzgruppe D vorgesehen war, neben vielen volksdeutschen Siedlungen auch verschiedene heterogene Völkerschichten, über die Himmler informiert werden wollte. Und wer war dazu besser geeignet, als der Mann, der mit den „Meldungen aus dem Reich“ die bisweilen für die Führung unbequemen Stimmungen der Bevölkerung erfasste, redigierte und vorlegte? Es Der ehemalige Amtschef 1 Streckenbach beschrieb die Situation so: „ Beim Abrücken der Kommandos in die Bereitstellungsräume wich 6/ 16 ist jedenfalls nirgends aus den Dokumenten zu entnehmen, dass der „alte Kämpfer“ und Karrierist Ohlendorf, der vielen als der einflussreichste Amtschef innerhalb des RSHA galt, durch Heydrich oder Himmler direkt gezwungen worden war, die Führung einer Einsatzgruppe zu übernehmen, damit er „moralisch vernichtet“ werden sollte. Vielmehr bot die Leitung einer Einsatzgruppe die Möglichkeit, die Karriere zu forcieren.“ (Kreuzburg an der Bistritz) in den Ost-Karpaten im Bezirk West-Moldau/Rumänien , ab August 1941 Olschanka in der Westukraine an der Grenze zu Moldawien, ab September 1941 in Mykolajiw (Nikolajew) in der südlichen Ukraine am Zusammenfluss des Inhul mit dem Bug am Schwarzen Meer, ab November 1941 in Simferopol, der Hauptstadt der Krim und ab August 1942 in Stawropol (Woroschilowsk). Hitler hatte im März 1941 dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler im Hinblick auf die geplante Endlösung der Judenfrage Sondervollmachten erteilt. Dazu hieß es in den Richtlinien auf Sondergebieten zur Weisung Nr.21 des Oberkommandos der Wehrmacht vom 13.3.1941: Das geschah auch. Wie aus der oben im Lebenslauf angegebenen Beförderungsliste ersichtlich ist, erlebte Ohlendorf keinerlei Karriereknick, er wurde auch während seiner Einsatzgruppenzeit und auch nach seiner Rückkehr ins Reichssicherheitshauptamt der SS (RSHA) und ins Reichswirtschaftsministerium (RWM) in beiden Behörden kontinuierlich weiter befördert. „ Im Operationsgebiet des Heeres erhält der Reichsführer SS zur Vorbereitung der politischen Verwaltung Sonderaufgaben im Auftrag des Führers, die sich aus dem endgültigem Kampf zweier entgegengesetzter politischer Systeme ergeben. Im Rahmen dieser Aufgaben handelt der Reichsführer SS selbstständig und in eigener Verantwortung…Der Reichsführer SS sorgt dafür, dass bei der Durchführung dieser Aufgaben die Operationen nicht gestört werden.“ TEIL 2 Struktur, Einsatzgebiet und Aufgabe der Einsatzgruppe D Die Einsatzgruppe D, deren Führer SSStandartenführer (Oberst) Otto Ohlendorf von Juni 1941 bis Juli 1942 war , umfasste ca. 600 Mann aus folgenden Berufsgruppen: Waffen-SS, Kradfahrer, Verwaltung, Sicherheitsdienst, Kripo, Gestapo, Hilfspolizei, Ordnungspolizei, Dolmetscher, Fernschreibekräfte und Funker. Die Einsatzgruppe war in 5 Teilkommandos untergliedert: die Einsatzkommandos 10a, 10b, 11a, 11b und 12, die jeweils von einem Sturmbannführer (Major) befehligt wurden. Näheres wurde im OKH-Befehl vom 28.4.1941 des Generalfeldmarschall von Brauchitsch geregelt: „Die Durchführung besonderer sicherheitspolizeilicher Aufgaben außerhalb der Truppe macht den Einsatz von Sonderkommandos der Sicherheitspolizei (SD) im Operationsgebiet erforderlich…. Aufgaben: a) im rückwärtigen Armeegebiet: Die Einsatzgruppe D operierte im Bereich der 11. Armee, zu Beginn in Rumänien, dann in der südlichen Ukraine, Bessarabien, Kischinew und der Krim. Der Standort des Stabes von Ohlendorf war ab 5.7.1941 in: Pjatra Neamt Sicherstellung vor Beginn von Operationen festgelegter Objekte (Material, Archive, Karteien von reichs- oder staatsfeindlichen Organisationen, Verbänden, Gruppen usw.) sowie besonders wichtiger Einzelpersonen 7/ 16 (führende Emigranten, Saboteure, Terroristen usw.)…… „Tätigkeitsaufnahme“ der Einsatzgruppe D in Rumänien Vom rumänischen Staat wurde Otto Ohlendorf der Orden KVK I. Klasse und Stern Rumäniens mit Silber am Bande verliehen, die Annahme des Ordens musste genehmigt werden, das Tragen des Ordens bedurfte einer extra Genehmigung, die sich Ohlendorf ebenfalls einholte, damit er diesen Orden auch tragen konnte. Da sich um den Rumänieneinsatz Ohlendorfs eine anthroposophische Legendenbildung rankt, sehen wir also nach, wofür Ohlendorf diese Ehrung erhielt, dabei betrachten wir aber nur einen minimalen Ausschnitt des Geschehens. b) im rückwärtigen Heeresgebiet: Erforschung und Bekämpfung der staats- und reichsfeindlichen Bestrebungen, soweit sie nicht der feindlichen Wehrmacht eingegliedert sind, sowie allgemeine Unterrichtung der Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete über die politische Lage…… Die Sonderkommandos sind berechtigt, im Rahmen ihrer Aufgabe in eigener Verantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung Exekutivmaßnahmen zu treffen….“ Die letztgenannte Vollmacht wurde den Chefs und dem Führungspersonal der Einsatzgruppen „als Geheime Reichssache“ am 17.6.1941 mündlich erteilt. Sie beinhaltet nichts anderes als die Liquidierung der kommunistischen Funktionäre, die physische Vernichtung sämtlicher Juden vom Kind bis zum Greis und die weitgehende Liquidierung aller „rassisch Minderwertigen.“ In einem überlieferten Schreiben Heydrichs vom 2.7.1941 an die Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) wurden diese über die Weisungen an die Einsatzgruppen informiert, um eine reibungslose Zusammenarbeit von Sicherheitspolizei, Ordnungspolizei und Zivilverwaltung sicherzustellen. In diesem Schreiben heißt es: Der Vormarsch der Einsatzgruppe D in die Ukraine ging zügig, aber nicht gehetzt ab Juni 1941 vonstatten. Die Marschroute führte über Wien, Budapest, ungarisch Siebenbürgen und rumänisch Siebenbürgen, dort über Mühlbach bei Hermannstadt nach Schäßburg. Man fand in Siebenbürgen ausgiebig Zeit um zu rasten, Strandstühle aufzustellen und ein Sonnenbad in Badekleidung zu nehmen, wie Fotos zeigen, die im Archiv der Staatsanwaltschaft München liegen. Am 4.7.41 erreichte die Einsatzgruppe Pietra Neamt (Kreuzburg an der Bistritz) im Westen der Provinz Moldau. Dort nahm sie Kontakt mit der 11. Armee auf und erhielt die Nachricht von einem „Judenaufstand“ in der am Fluss Pruth gelegenen Stadt Jasi, der in Wirklichkeit ein von der rumänischen Geheimpolizei initiiertes Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung der Stadt Jasi war, was die Deutschen aber nicht interessierte. Ab dem 28.6. bis 8.7.1941 wütete die rumänische 14. Division gemeinsam mit deutschen Truppen der 11. Armee in der Stadt, sie erschossen und erschlugen die Menschen auf den Straßen, drangen in Wohnungen ein - 4000 bis 5000 Menschen wurden auf diese Weise umgebracht. Um die Stadt Jasi „Judenrein“ zu machen, wurden die jüdischen Männer, Frauen und „Zu exekutieren sind alle Funktionäre der Komintern (wie überhaupt die kommunistischen Berufspolitiker schlechthin), die höheren, mittleren und radikalen unteren Funktionäre der Partei, des Zentralkomitees, der Gau- und Gebietskomitees, Volkskommissare, Juden in Partei- und Staatsstellungen, sonstigen radikalen Elemente (Saboteure, Propagandeure, Heckenschützen, Attentäter, Hetzer usw.)“ Außerdem wurden der Leitung der Kriegsgefangenlager Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD zur Aussonderung der Gefangenen zur Verfügung gestellt. 8/ 16 Kinder mit Lastwagen der 11. Armee zum Bahnhof gefahren und in mehrere Güterzüge eingeschlossen. Die Züge, jeweils mit zehn bis zwölf Güterwaggons und bis zu 2000 Menschen beladen, sollten gen Westen fahren, hatten wegen der Truppentransporte des Militärs jedoch keine freie Fahrt und wurden in der Gegend umher gefahren und dann einfach auf einem Abstellgleis in sommerlicher Gluthitze stehen gelassen, bis alle tot waren. Einer dieser Züge wurde nach Pietra Neamt, dem Standort des Stabes von Otto Ohlendorf, umgeleitet und auch einfach auf dem Bahnhofsgelände stehen gelassen, bis alle Menschen tot waren. Erst als unerträglicher Leichengestank aus den Waggons drang und der Zug Stadtgespräch war, mussten Zigeuner die Waggons leeren und die Toten begraben. immer wieder Exekutionen durch das rumänische Militär statt. Doch weiter zu den Ereignissen im Juli und August 1941: Ohlendorfs Einsatzgruppe D wurde aufgeteilt: Einsatzkommando EK 10a wurde dem XXX. Armeekorps zugeteilt, in dessen Einsatzbereich auch Jasi lag. EK 10b wurde zur 3. Rumänischen Armee abgeordnet, EK 11a zur 4. Rumänischen Armee, EK 11b und EK 12 wurden zunächst beim Stab in Pietra Neamt belassen. Das EK 10 b erreichte Anfang Juli Czernowitz, die Hauptstadt der Bukowina/ Rumänien und Heimatstadt von Rose Ausländer (Lyrikerin) und Paul Celan (Lyriker) und vielen anderen bekannten Persönlichkeiten. Czernowitz war kriegszerstört und noch Kampfgebiet gegen die sowjetische Armee. Soldaten der 3. Rumänische Armee zogen planlos marodierend durch die Straßen. Auch das Vorgehen gegen die Juden war völlig planlos. Das EK 10b begann jetzt gemäß seiner oben beschriebenen Aufgabe in der Stadt und in den Dörfern und Kleinstädten der Umgebung systematisch mit organisierten „Exekutivmaßnahmen“, nämlich Massenerschießungen. Ohlendorf selbst, der nach dem Zeugnis eines Schulfreundes (Höhn, Seite 315) über die „Reichskristallnacht“ vom 9.11.38 „tief empört“ gewesen sein soll, gab jetzt dem Führer des EK 10b den Befehl, die Hauptsynagoge von Czernowitz nieder zu brennen, was auch geschah. Vor der Staatsanwaltschaft München I gab ein EKAngehöriger 1962 zu Protokoll: „Wir gewannen die Meinung, dass die Juden nicht deswegen beseitigt werden sollten, weil sie Juden waren, sondern weil sie wegen der ihrer Art eigenen Veranlagung und Einstellung gefährlich waren für die Sicherheit unserer eigenen Soldaten.“ Dieser angebliche „Judenaufstand“ war der Beginn eines auf Befehl von Staatschef Antoniescu von der rumänischen Geheimpolizei, dem Serviciul Special de Informatuini (SSI), initiiertes Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung unter Leitung von Eugen Cristescu, das die Aussiedlung oder Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Rumänien zum Ziel hatte. Begonnen wurde mit der Vernichtung und Aussiedlung der jüdischen Bevölkerung der Provinzen Bukowina, Moldau und Bessarabien. Deutsche und Rumänische Truppen hatten im Juli 1941 Transnistrien, das schmale Land zwischen Dnjestr und Bug, eingenommen. Ein zwischen dem Deutschen Reich und Rumänien geschlossener Vertrag unterstellte das Gebiet von 1941 – 1944 rumänischer Verwaltung. Das Land wurde zum Massengrab der ab August 1941 dorthin Umgesiedelten, von ca. 400 000 Menschen starben bis 1944 ca. 350 000. Die Menschen wurden in Dörfern angesiedelt, mussten in Schweineställen oder Erdhöhlen kampieren, es gab nur unzureichend Essen und Trinken, keine Kleidung, kein Heizmaterial, keine Arbeit, Seuchen brachen aus und es fanden Ohlendorf bestätigte am 1.8.1941 noch einmal ausdrücklich den Befehl, den er allen Einsatzkommando-Chefs schon gegeben hatte, 9/ 16 und zwar: „dass in Zukunft alle erfassten Juden aus rassischen Gründen zu erschießen seien“ (Angrick, Seite 181) Im Juli 1941 hatten die Rumänen begonnen, im Rahmen ihrer „Autarkiepolitik“, die keine „fremde Bevölkerungsgruppen“ duldete, Juden über die Grenzen in die Ukraine zu treiben. In dem Gebiet war der Dnjestr Grenzfluss. Die Rumänen gingen davon aus, dass die Deutschen die Juden nach Westen in ihre Lager abtransportierten. Zu dieser Zeit wurden jedoch alle Züge für den Deutschen Truppentransport gebraucht und auch die Vernichtungslager in Polen waren noch nicht ausreichend ausgebaut. Ein Tross von 5-6000 Juden passierte am 29.7.1941 die Brücke über den Dnjestr bei Jampol, überflutete den Ort und suchte verzweifelt nach Nahrung. – Dr. Elisabeth Klein, Ehefrau eines Christengemeinschafts-Pfarrers, Anthroposophin und Waldorflehrerin, schreibt 1978 (!) in ihrem Buch: „Begegnungen“ (siehe egoisten-Artikel) über Ohlendorf: „Er wurde strafversetzt und kam an die Ostfront. Als Beauftragter der an die 11. Armee angeschlossenen Polizeitruppe erhielt er von dort seinen Einsatzbefehl: Rückwärtige Säuberung der Front von Partisanen. Das hieß nicht nur Vernichtung ganzer Dörfer, wenn dort ein Schuss gefallen war, sondern häufig auch das Töten von Juden und Zigeunern, die generell als Partisanen angesehen wurden. Aller Widerstand, den er gegen den Befehl geleistet hatte, erwies sich als vergeblich. Es gelang ihm aber, Zehntausende von Juden zu retten, indem er sie auf rumänisches Gebiet zurückführen ließ und so vor dem sicheren Tod bewahrte.“ Dieser Vorfall erschreckte den Generalstab der 11. Armee dermaßen, dass Ohlendorf und die Einsatzgruppe D den Befehl erhielt, die abgeschobenen Juden in Zusammenarbeit mit der Feldgendarmerie wieder nach Westen auf rumänisches Territorium zurückzuführen und weitere Abschiebungen durch die Rumänen zu verhindern, die bei anderen Flussübergängen erwartet wurden und auch tatsächlich dort eintrafen. Anfangs wurden die Juden in kleinen Gruppen, nur wenige hundert bis tausend, dort, wo sie über den Dnjestr gekommen waren, wieder zurückgeschickt und daraufhin vom Rumänischen Militär erschossen. In kurzer Zeit wurden jedoch aus Bessarabien und der Bukowina, und dann auch aus Ungarn, teilweise über extra errichtete Pontonbrücken über den Dnjestr, rund 29 000 Menschen, wie die Einsatzgruppe D meldete, in das deutsch besetzte Gebiet abgeschoben. Rumänische und Deutsche Militärs einigten sich dann im August 41, die Juden nach Transnistiren zu deportieren. Bis zum Jahr 1978 waren mehrere Einsatzgruppenprozesse gelaufen: die Hauptprozesse Ende der 40er Jahre und die Ulmer Prozesse Anfang der 60er Jahre. Menschen guten Willens konnten also 1978 über die Tatsachen informiert sein: Ohlendorf war nicht irgendein „Beauftragter“ sondern Chef der Einsatzgruppe D, der „Einsatzbefehl“ bezüglich der Aufgaben kam nicht von der 11. Armee, diese schrieb ihm lediglich die Marschrute und die Einsatzorte vor, sondern wie oben dargestellt direkt von Hitler, Himmler und Heydrich. Die „Vernichtung ganzer Dörfer“ erfolgte auch, ohne dass „dort ein Schuss gefallen war“ und das Töten von Juden und Zigeunern erfolgte nicht „häufig“ sondern generell und systematisch. Sehen wir bei so viel Realitätsverfälschung noch nach, wie es mit den Zehntausenden von Ohlendorf angeblich geretteten Juden verhält, da auch Rudolf Hauschka in seiner Biographie: „Wetterleuchten einer Zeitenwende“ 1966 (!) auf Seite 101 über Ohlendorf schreibt: „Er soll Tausende Juden gerettet haben.“ Ohlendorf ließ die Menschen sammeln und in einem langen und beschwerlichen Fußmarsch 10/ 16 entlang des Dnjestr nach Jampol führen. Er befahl, alle Juden, die für einen zügigen Vormarsch hinderlich waren, zu erschießen: „1265, zum Teil jüngere, erschossen“, meldete er nach Berlin, und: „bei Jampol etwa 27.500 Juden in rumänisches Gebiet zurückgetrieben.“ Die Menschen wurden vom Rumänischen Militär in Empfang genommen und mussten in einem Todesmarsch, ohne ausreichende Verpflegung und Kleidung unter ständiger Misshandlung nach Transnistrien marschieren. Etwa 17.000 Menschen überlebten diesen Marsch nicht und von denen, die Transnistrien erreichten, starben ca. 80% in den nächsten 3 Jahren. zeigen, dass diese den Nationalsozialismus auch im Nachhinein nicht rational aufgearbeitet haben und nur den fatalen deutschtümelnden Idealismus gesehen haben und den Kern der NSIdeologie, die verbrecherische Rassenideologie, ignorant ausblendeten. Eine ganz offensichtliche Falschinformation über Otto Ohlendorf bringt Rudolf Hauschka in seiner Biographie „Wetterleuchten einer Zeitenwende“ 1966. Er schreibt über seine, Kleins und Bocks Entlassung aus der GestapoHaft auf Seite 101 (siehe hierzu auch den egoisten Artikel: Emil Bock und der Nationalsozialismus, Teil 1): Das eben Dargestellte ist selbstverständlich nur ein minimaler Abriss der Untaten der Einsatzgruppe D. Es bleibt die Frage, warum Klein und Hauschka, beide Akademiker, in ihren Biographien weit nach dem Krieg solche Geschichtsverfälschungen kolportieren: „Es gelang Ohlendorf aber, Zehntausende von Juden zu retten, indem er sie auf rumänisches Gebiet zurückführen ließ und so vor dem sicheren Tod bewahrte.“ (Klein) und „Er soll Tausende Juden gerettet haben.“ (Hauschka) Man kann das vielleicht damit erklären, dass sie den Kern des Nationalsozialismus nicht erkannt haben, weil sie über ihre anthroposophischen Interessen nicht hinausschauen konnten und sich so auch nie gedanklich mit dem Nationalsozialismus und seinen Untaten auseinander gesetzt haben. „Dass alles so glimpflich ablief, verdanken wir unserem Freund Otto Ohlendorf…. In einer „Führerbesprechung“ soll sich Otto Ohlendorf zum Wort gemeldet und so geschickt plädiert haben, dass anders entschieden wurde – sehr zum Ärger von Himmler und Heydrich. Diese sollen geäußert haben: „Diesen Burschen müssen wir härten!“ Sie setzten eine Strafversetzung in die Ukraine durch, wo er auf Befehl Juden-Liquidationen organisieren sollte. Man erzählte, er sei vor dem Dilemma gestanden, sich zu weigern und selbst liquidiert zu werden, oder vielleicht in dieser Hölle noch einiges Gute zu tun. Er soll Tausende Juden gerettet haben.“ Dass die beschriebene Szene in der Führerbesprechung nicht so abgelaufen sein kann, belegt ein Schreiben „NSDAP, Stab des Stellvertreters des Führers an den Reichsführer SS, Chef des RSHD: gez.: Bormann vom 7.7.1939. Darin teilt Bormann eine Äußerung Hitlers mit: Teil 3 „Ein Volksgenosse (Anm.: Almar von Wistinghausen), der wegen Zugehörigkeit zur Anthroposophischen Gesellschaft als Offizier des Beurlaubtenstandes abgelehnt worden war, hatte sich an den Führer gewandt. Der Führer hat folgende Entscheidung getroffen: Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft sind wie Logenangehörige zu behandeln; sie sind nach Meinung des Führers oft noch gefährlicher als Logenangehörige, weil sie mit ihren Ideen viel mehr Leute Otto Ohlendorf in der Darstellung einiger Anthroposophen Auch die folgenden Berichte der Anthroposophen: Emil Bock, Leiter der Christengemeinschaft, Rudolf Hauschka, Gründer der Heilmittel- und Kosmetik- Firma Wala, Dr. Elisabeth Klein, Waldorflehrerin, und Wilhelm zur Linden, anthroposophischer Arzt, 11/ 16 ansteckten. Wenn ein Straßenkehrer Mitglied der AG gewesen sei, dann spiele das auch heute keine Rolle; in der Partei oder in der Wehrmacht wolle der Führer dagegen frühere Mitglieder der AG nicht haben. …..Ein gleichlautendes Schreiben haben das oberste Parteigericht und der Herr Reichsschatzminister erhalten.“ machen. Das war die Methode, mit der Hitler viele an sich anständige Menschen korrumpiert und an sich gefesselt hat. Er wollte, dass seine Leute kriminell schuldig würden, damit er sie jederzeit in der Gewalt hatte.“ Hans Frank wurde am 1.10.1946 im Nürnberger Prozess zum Tode verurteilt, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Laut Urteil war er: „ein williger und wissender Mitwirkender sowohl bei der Anwendung des Terrors in Polen, wie bei der wirtschaftlichen Ausbeutung Polens auf eine Art und Weise, die zum Hungertod einer großen Anzahl von Menschen führte; ferner bei der Deportation von mehr als einer Million Polen als Sklavenarbeiter nach Deutschland und in Ausführung eines Pogroms, das den Mord von mindestens drei Millionen Juden zur Folge hatte.“ Im Teil 2 dieses Artikels habe ich bereits ausführlich dargelegt, dass auch eine „Strafversetzung“ Ohlendorfs in die Ukraine nicht stattgefunden hat und Franz Six vom Vorkommando Moskau sagte aus, dass niemand erschossen worden ist, der dem Abkommandierungs- Befehl nicht nachgekommen ist. (Und jeder Leser mag für sich selbst entscheiden, ob er sich eventuell lieber selbst hätte erschießen lassen (theologisch formuliert: sich selbst geopfert hätte) oder ob er Tausende liquidieren wollte um der Karriere willen.) Wie es sich mit der Rettung der „Tausende Juden“ verhält, haben wir im vorigen Abschnitt gesehen. Man fragt sich hier, wie es um das Moralverständnis von Anthroposophen bestellt ist, die Massenmord entschuldigen und behaupten, dass Menschen sich so verstricken können und keine andere Wahl mehr haben, als Verbrechen dieser Dimension zu begehen. Ein „Nein“ und ein freiwilliger Amts- oder Machtverlust scheint einfach nicht denkmöglich zu sein. Ähnlich ignorant wie Hauschka über Ohlendorf, urteilt der anthroposophische Arzt Wilhelm zur Linden 1964 in seiner Autobiographie „Blick durchs Prisma“ auf Seite 109 über den Reichsminister Dr. Hans Frank (siehe Wikipedia-Artikel), dessen Kinder er in Berlin als Hausarzt behandelte: Doch zurück zu Otto Ohlendorf: Elisabeth Klein gibt in ihren „Erinnerungen“ auf Seite 117 einen Ausschnitt aus einem handschriftlichen Brief Emil Bocks an den in Landsberg inhaftierten Ohlendorf wieder. Bock schrieb am 13. Mai 1948: „Dr. Frank, der Juristenführer, kann wohl als tragische Gestalt bezeichnet werden. Zufällig hatte er in der Anfangszeit der nationalsozialistischen Bewegung als Rechtsanwalt die Prozesse Hitlers zu führen gehabt. Dadurch kam er in der Bewegung hoch; sonst wäre er sicher ein kleiner Münchner Rechtsanwalt geblieben, der niemals jemand etwas zuleide getan hätte. Natürlich unterlag auch er der Faszination, die von Hitler ausging. Man sollte ihm aber nicht vergessen, dass er 1941 in einer mutigen Rede den letzten Versuch gemacht hat, den Gedanken des Rechtsstaates zu verteidigen. Daraufhin nahm ihm Hitler alle seine Ämter und Funktionen ab, und er wurde als Generalgouverneur von Polen nach Krakau strafversetzt. In dieser Stellung sollte und musste er sich durch die dort üblichen Ungesetzlichkeiten strafbar „… Sie sind auf den Wegen Ihres Schicksals vielfältig mit dem Schicksalskreis in Berührung gekommen, in welchem wir leben und wirken. Große, überpersönliche Zeitalter-Schicksale haben in diese Begegnung hineingewirkt und es mit sich gebracht, dass Sie an Plätze gerieten, wo Sie zum Exponenten gigantisch tragischer Entwicklungen wurden. Sie sollen wissen, dass in unserem Kreis angesichts der Gestalt, die das Schicksal nunmehr für Sie annimmt, alle trennenden Fragen und Bedenken getilgt werden. Es soll nur auf die Tatsache der Blick gerichtet 12/ 16 berichtet Uwe Werner in seinem Buch „Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus“ 1999. Auf Seite 205 zitiert er einen Brief des Berliner WaldorfschulKollegiums an die Freie Waldorfschule in Stuttgart vom 20.6.1936: sein, dass Ihr Schicksal sich mit dem unsrigen real berührt hat, und dass Sie…..bestrebt waren, unseren Bestrebungen hilfreich zu sein. Wir möchten darin ein Hervortreten der latenten Schicksalszusammengehörigkeit sehen, die wir an unserem Teile für jetzt und zukünftig bejahen und durch Positivität des Herzens real machen möchten….“ „Wir bitten Sie davon Kenntnis zu nehmen, dass wir von jetzt ab mit weiteren Initiativen und Unternehmungen von Frau Dr. Klein nichts mehr zu tun haben…..Jede Orientierung der Behörden über Rudolf Steiner und sein Werk ist selbstverständlich wertvoll. Jede Teil-Erlaubnis verwischt den geistigen Charakter der Gesamt-Situation. Sie schafft unklare Zustände, wo einheitliche Klarheit der Gesamtlage- und sei diese noch so tragisch – auf jeden Fall geistig notwendig ist.“ Emil Bock sieht also eine konkrete Schicksalsverbindung der Christengemeinschaft mit der Person und den Taten eines Massenmörders und geht damit über die Verbindung eines Seelsorgers, der mit einem Menschen kraft Christi Auftrag durch sein Amt „überpersönlich“ verbunden ist, weit hinaus. Er sieht deshalb auch nur „gigantische tragische Entwicklungen“, aber keine konkreten toten Menschen, für die er folgerichtig auch nirgends ein Wort des Bedauerns übrig hatte und ist auch nicht in der Lage rational mit der NS-Zeit umzugehen. Auf einer Jugendtagung 1947 in Stuttgart sagte Emil Bock (Schroeder, Seite 119): „Der Enthusiasmus und die Begeisterung, die damals in der deutschen Jugend herrschten, waren doch in Ordnung!...Die Popanze jedoch, die als die sogenannten Führer diesen Idealismus auf sich zogen, die waren die eigentliche Katastrophe!“. Auch so wurde also das Verhandeln mit den Machthabern, zu denen ja auch Otto Ohlendorf gehörte, gesehen. Die Mehrheit der Anthroposophen, für die Fritz Götte repräsentativ war, sah jegliches Paktieren mit den nationalsozialistischen Machthabern als charakterlos an. (Uwe Werner, Seite 297) Elisabeth Klein konnte daher nach dem Krieg keine Stelle als Waldorflehrerin finden. Erst auf Fürsprache von Emil Bock und Ernst Weißert erhielt sie 1950 eine Stelle in der Waldorfschule Hannover, die sie bis zu ihrer Pensionierung 1965 behalten konnte (Klein, Seite 111) Hier argumentiert Emil Bock ganz im Sinne des ihm wohl auch intellektuell überlegenen Otto Ohlendorf, der nicht den Nationalsozialismus als verkommen ansah, sondern die Männer, die die Schlüsselstellung inne hatten. Emil Bock jedenfalls sieht auf dieser Jugendtagung 1947 „verantwortliche Führer“ und nicht nur ein anonymes System ohne eigentliche Verantwortliche, wie er es 1946 im Heft der Christengemeinschaft dargestellt hatte, er argumentiert also durchaus ambivalent. Der Nürnberger Prozess Über diesen Prozess sagte Herbert Kraus, ein ehemaliger Verteidiger beim Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg (in: 50 Jahre Deutsche Geschichte, Seite 9): „Ein wirklich großer Gedanke liegt dem Nürnberger Strafverfahren zugrunde: Wer als Treuhänder für Staat und Volk tätig wird, soll die Verantwortung für sein Tun nicht auf den Staat, dieses abstrakte unpersönliche Gebilde abwälzen können. Er soll selbst mit Leib, Leben und Ehre dafür einstehen müssen, dass die Schranken und Gebote Dass auch unter Anthroposophen schon während der NS-Zeit anders gedacht wurde, 13/ 16 nicht missachtet werden, die Moral und Recht aufgerichtet haben. Das bezieht sich auf den, der sich schuldhaft an der Entfesselung eines Angriffskrieges beteiligt, vor allen Dingen auch auf jene, welche Unmenschlichkeiten befehlen, ausführen oder dulden, obgleich ihnen die Verhinderung solcher Missetaten möglich war. Wir denken dabei besonders an Massendeportationen, Rassenverfolgung, Zerstörung von Städten, Konzentrationslagergräuel, Bluturteile oder Euthanasie.“ korrespondierte mit ihm und schickte ihm Literatur. Der Gefängnisarzt, der an den Gesprächen der Häftlinge teilnahm, kam dadurch zur Anthroposophie Rudolf Steiners. Otto Ohlendorf wurde als letztes Opfer der Nürnberger Justiz am 7. Juni 1951 hingerichtet. Ich bewahre ihm ein freundschaftliches und dankbares Gedenken.“ Diesem unsäglichen Text braucht man wohl nichts hinzuzufügen: der berufsbedingte Massenmörder, verantwortlich für 90.000 Tote, der sich von seiner nationalsozialistischen Ideologie ausdrücklich nicht trennt, versteht nun die Anthroposophie und die „ewige menschliche Entität“ und wird „letztes Opfer der Nürnberger Justiz“. Emil Bock hingegen, der sich als Vertreter „der wirklich zukunftswilligen Menschen in Deutschland“ fühlt, schrieb im schon zitierten Heft „Die Christengemeinschaft“, Heft 2, vom Juni 1946 auf Seite 57: „Das Unheilssystem, die große Maschine des „Verwaltungsmassenmordes“, ist nicht bewusst erfunden oder inauguriert worden. Nicht durch Himmler, ja nicht einmal durch Hitler. Es hat sich sozusagen selbst geschaffen, wodurch die gespensterhafte Anonymität des Systems zustande kam.“ Auch Emil Bock äußert sich im Brief an Käthe Ohlendorf am 21. Juni 1951 in Hauschkas Sinne und schreibt (Klein, „Erinnerungen“, Seite 118): „…Trotzdem habe ich bis zum letzten Augenblick gehofft, dass sich letzte Regungen von Menschlichkeit und Gerechtigkeit gegen die kalten politischen Berechnungen durchsetzen könnten. Es ist anders gelaufen. Eine Tragik kam zustande, in der sich Kälte und Herzlosigkeit, die aus der heute üblichen Denkungsart resultiert, weltgeschichtlich symbolisiert. Fast noch deutlicher als durch die Hinrichtung selbst, ist die Strategie des Totschweigens zutage getreten, durch die man erreicht hat, dass weite Kreise der Weltöffentlichkeit schließlich meinen mussten, es handelt sich um eine Bagatelle, wo es sich in Wirklichkeit um ein Zeichen der Zeit allerersten Ranges handelte. ….Wir müssen es uns zur Aufgabe machen, im Spirituellen, wenn auch in aller Stille Gegentatsachen zu schaffen gegen die Taten des Ungeistes, die das politische Feld heute mehr denn je beherrschen.“ In diesem Sinne urteilten auch unsere schon erwähnten Anthroposophen. Rudolf Hauschka, der Gründer der Wala-Heilmittel-Fabrik, schildert in seinen Erinnerungen auf Seite 109: „Bald wüteten vor dem interalliierten Gerichtshof die Nürnberger Prozesse. Otto Ohlendorf hatte sich gemeldet und ohne Beschönigung angegeben, was er getan hatte. Er wurde in der Festung Landsberg gefangen gehalten. Im Prozess traten eine große Anzahl Zeugen für ihn ein, aus allen Teilen Deutschlands kamen Zeugnisse, auch ich selbst machte in einer Eingabe an den Gerichtshof geltend, was er für die Verfolgten des Nazi-Regimes getan hatte. Trotz allem wurde er zum Tode verurteilt. Er hatte schon mehrmals die Nacht in der Todeszelle verbracht, da aber aus aller Welt Gnadengesuche eintrafen, wurde die Hinrichtung immer wieder verschoben. Wie muss sich ein Mensch seiner Potenz geläutert haben, wenn er so oft dem Tode Auge in Auge gegenüber gestanden hatte! Er war in dieser Zeit Halt und der ruhende Pol für seine Mitgefangenen. Er arbeitete mit ihnen Anthroposophie und gab ihnen so eine Ahnung ihrer menschlichen Entität. Ich Ob dieser Verdrehung der Realität fragt man sich unwillkürlich, wie Emil Bock spirituelle Gegentatsachen schaffen will, wenn er einen solch verbogenen Gerechtigkeitsbegriff hat und Ohlendorfs 90.000 Opfer als Hinrichtungsgrund einfach ignoriert. Die Zahl der Opfer scheint für Bocks Bewusstsein entschieden zu hoch zu sein. 14/ 16 Mit einem Einzelschicksal kann er sich leicht verbinden, aber schwieriger ist es, 90 tausendmal ein Einzelschicksal zu sehen. Und schließlich kannte Emil Bock, der damals schon drei Bücher über das Alte Testament geschrieben hatte, ja auch das Gebot: „Du sollst nicht töten“ und in der alten Geschichte von Kain und Abel fragt Gott nach nur einem Menschen: „Kain, wo ist dein Bruder Abel?“ eines Menschen bezieht: in diesem Fall auf irreale NS-Volkstums-Definitionen und Volkstums-Bestrebungen (die rein gar nichts mit dem von Rudolf Steiner definierten Begriff des deutschen Volksgeistes zu tun haben). Und in den NS-Volkstums-Bestrebungen ist die verbrecherische Rassenlehre immer immanent. Das übersieht Schroeder bei seinen NS – Interpretationen völlig. - Schroeder stellt Friedrich Benesch in Siebenbürgen vorwiegend als „Sonntagsredner des Volksbundes der Deutschen in Ungarn“ dar, gesichert ist mittlerweile aber auch, dass auch er, wie sein Vorgesetzter Gassner, die jungen Leute in seinem Einflussbereich beredet hat, sich zur Waffen-SS zu melden, bei der auch sein eigener Bruder gedient hat. Die Meisten dieser jungen Menschen sind dann im Krieg gefallen. – Wie heißt es doch im Bestattungsritual der Christengemeinschaft: Nach diesem Dargestellten fällt es nicht schwer zu glauben, dass Emil Bock keinerlei Probleme hatte, Friedrich Benesch oder Werner Georg Haverbeck zu weihen. Und auch Hans-Werner Schroeder bewegt sich gedanklich mit seinem Benesch – Buch in der Tradition Emil Bocks, der ja auch ihn in jungen Jahren geweiht hat. Auch sein Buch ist geprägt von „Verschiebungen“ der Realität, er denkt sie sich quasi in seinem Sinne zurecht. Ein Beispiel: er bezeichnet den Professor für Vorgeschichte in Halle, Hans Hahne, der bereits in den 20er Jahren der NSDAP und SA beitrat und zu den Wissenschaftlern gehörte, die die NSRassenkunde mit entwickelt haben, auf Seite 57 als „vollständig integre, lautere Persönlichkeit“. In diesem Urteil liegt eine Verschiebung moralischer Werte: ein Mensch, der die verbrecherische Rassenideologie gutheißt und sogar mitentwickelt, ist eben nicht „integer“ und „lauter“, günstigstenfalls kann man ihn als verblendet bezeichnen. Bezüglich Benesch schreibt Schroeder auf Seite 62: „Nun traf er (Benesch) in Hans Hahne einen hervorragenden Vertreter idealistischer VolkstumsBestrebungen…, der ihm aber sicher auch ein idealistisches Bild der Nazibewegung und ihres „Führers“ vermittelte.“ Wie schon Emil Bock 1947, geht auch Schroeder davon aus, dass der Idealismus gut ist und zeigt damit, dass er aus der Geschichte des 20. Jahrhundert nicht gelernt hat, dass man den Idealismus nicht per se als gut bezeichnen kann, sondern immer mit beurteilen muss, auf welche Denkinhalte sich der Idealismus „Bedenke, o Mensch, dass du dem Geiste verpflichtet bist, für alles, was du vollbringst, in Gedanken, Worten und im Tun.“ 15/ 16 Quellen: Andrej Angrick: „Besatzungspolitik und Massenmord – Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941-1943“ Hamburger Edition 2003, 795 Seiten Hans-Werner Schroeder: „Friedrich Benesch – Leben und Werk 1907 – 1991“, Verlag Johannes Mayer, Stuttgart 2007 Uwe Werner: „Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945)“, Oldenburg-Verlag, München 1999 Johann Böhm: „DiHeße Gleichschaltung der Deutschen Volksgruppe in Rumänien und das „Dritte Reich“ 1941 – 1944“ Verlag Peter Lang, Frankfurt/Main et al. 2003 Internet: Wikipedia-Artikel: -Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD; Transnistrien (Zweiter Weltkrieg); Alfred Bäumler; -Hans Frank; (alle Artikel lohnen zu lesen) „Die Christengemeinschaft“ – Neue Folge Heft 3 – Juli/August 1946, Verlag Urachhaus, Stuttgart „50 Jahre Deutsche Geschichte- Vom Wiederaufbau bis heute“, (Begleitmaterial zu einer Fernsehreihe zur Deutschen Geschichte des Wissenschaftsjournalisten Rüdiger Proske, ausgestrahlt 1989), Archiv Verlag, Braunschweig 1989 Mag. Dr. Gernot Haupt, MAS: „Deportation rumänischer Roma nach Transnistrien 1942-1944“, http:// www.erinnern.at/e_bibliothek/miscellen/ 795_gernot Rudolf Hauschka: „Wetterleuchten einer Zeitenwende“, Verlag Klostermann, Frankfurt/M 1966 „Die Vernichtung der Juden in Bessarabien und Transnistrien im II.Weltkrieg“ http:// www.shoa.de/index2.php? option=com_content&task=view&id=689&po p=1&p Heinz Höhne: „Der Orden unter dem Totenkopf – Die Geschichte der SS“, OrbisVerlag, München 2002 Forschungsstelle Kulturimpuls: Biographie von Rudolf Hauschka und Elisabeth Klein Elisabeth Klein: „Begegnungen – Mitteilenswertes aus meinem Leben“ , Verlag Die Kommenden, Freiburg i.Br. 1978 Wilhelm zur Linden: „Blick durchs Prisma – Lebensbericht eines Arztes“, Verlag Klostermann, Frankfurt/M 1964 ℅ Dr. Regina Reinsperger 16/ 16