Otto Ohlendorf

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Otto Ohlendorf
Otto Ohlendorf
OSTERN 2008
VON DR. REGINA REINSPERGER
WWW.EGOISTEN.DE
„ Man fragt sich hier, wie es um
das Moralverständnis von
Anthroposophen bestellt ist, die
Massenmord entschuldigen und
behaupten, dass Menschen sich so
verstricken können und keine andere
Wahl mehr haben, als Verbrechen
dieser Dimension zu begehen.“
„Gralshüter des Nationalsozialismus“ und Freund
der Anthroposophen ?
um Ohlendorf rankt. Der Artikel gliedert sich in
3 Teile. Die Literaturangaben finden sich
ausführlich am Schluss des 3. Teils der Arbeit
aufgelistet.
Über Otto Ohlendorf berichten
einige Anthroposophen in ihrer
Biographie und zeichnen ein
beschönigendes Bild von einem
Mann, der angeblich der
„anthroposophischen Sache“ in
„schwerer Zeit“ beigestanden hat.
TEIL 1
Aus diesem Grund wohl werden Ohlendorfs
Opfer bei einigen völlig ausgeblendet, und
Ohlendorf, der als Leiter der Einsatzgruppe D,
den Tod von 90 000 Menschen zu verantworten
hat und auch bei Massenexekutionen persönlich
anwesend war, wird sogar als Retter von
zehntausenden von Juden in Rumänien dargestellt
und als Opfer einer „Siegerjustiz“ bedauert.
Deshalb möchte ich Ohlendorfs Leben und seine
Taten etwas ausführlicher an Hand der aus der
Literatur zu entnehmenden Fakten darstellen.
Am Schluss will ich aufzeigen, welche
anthroposophische Legendenbildung sich konkret
Kurzbiographie von Otto Ohlendorf
Otto Ohlendorf ist im selben Jahr wie
Friedrich Benesch, am 2. Februar 1907, in der
Kleinstadt Hoheneggelsen bei Hannover geboren
worden. Sein Vater war Landwirt und besaß
einen mittelständigen Betrieb. Die Familie war
nationalkonservativ eingestellt und protestantisch.
Der älteste Bruder studierte Naturwissenschaften,
der Zweite sollte den väterlichen Betrieb
übernehmen und die Schwester führte einen
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kaufmännischen Betrieb. Otto Ohlendorf
studierte Jura und Volkswirtschaft. Mit 16 Jahren
leitete er eine Jugendgruppe der
deutschnationalen Volkspartei, im Mai 1925
wechselte er zur NSDAP, bekam die
Mitgliedsnummer 6531 und wurde Leiter des
Ortsgruppenverbandes. Mit vier anderen SAMitgliedern wurde Ohlendorf ausgesucht, die
erste SS-Gruppe in seiner Heimat aufzustellen.
Damals war die SS noch ein kleines Anhängsel
der SA. Ohlendorf wechselte also von der SA zur
SS und bekam dort die Mitgliedsnummer 880. Er
studierte in Göttingen und Leipzig Rechts- und
Volkswirtschaft und leitete an der Universität
politische Schulungsabende und
Gesprächsabende.
Arbeitsgemeinschaften. 1936 vermittelte Jenssen
Ohlendorf eine Stelle als Wirtschaftsreferent und
Mitarbeiter von Professor Reinhard Höhn, dem
Leiter der Zentralabteilung II 2 im SDHauptamt (=Sicherheitsdienst der SS), dort baute
Ohlendorf den SD-Inland mit Höhn auf. (Der
SD-Inland sammelte aktuelle Stimmungsberichte
aus der Bevölkerung, die „Meldungen aus dem
Reich“, um politischen Fehlentwicklungen
gegensteuern zu können.)
Am 10.6.1936 heirateten Otto Ohlendorf &
Käte Wolpers. Ende 1936 wird Ohlendorf
Stellvertreter Höhns und baut die Gruppen der
o.a. Abteilung fast selbstständig auf. Er wird zum
SS-Sturmbannführer (Major) ernannt, 1938 zum
Obersturmbannführer (Oberstleutnant) im
RSHA. Im Jahr 1938 verliert Professor Höhn
aufgrund einer internen Intrige sein Amt,
Ohlendorfs Abteilung wurde daraufhin
reformiert und beschnitten, was ihm nicht
zusagte. Aufgrund seiner Bekanntschaft mit
Franz Hayler, dem Leiter der Reichsgruppe
Handel im Reichwirtschaftsministerium ( RWM),
konnte er eine Stelle als Geschäftsführer der
Reichsgruppe Handel antreten. Reinhard
Heydrich, der Chef des SD, weigerte sich jedoch
ihn zu entlassen, sodass er dann als Kompromiss
hauptamtlich im RWM arbeitete, aber als
Aufsichtsperson auch die Leitung des Amtes III
(SD-Inland) des im September 1939 gegründeten
Reichssicherheitshauptamt der SS (RSHA)
übernahm. Ohlendorf nahm an allen wichtigen
Besprechungen auf Führungsebene teil, wie sich
aus den Protokollen u.a. Dokumenten belegen
lässt. 1939 wurde er zum Hauptgeschäftsführer
der Reichsgruppe Handel im RWM ernannt.
1940 erfolgte die Ernennung zum
Standartenführer (Oberst) im RSHA. 1941/42
für ein Jahr Unterbrechung dieser Tätigkeiten
durch Übernahme der Leitung der
Einsatzgruppe D. In dieser Zeit hat Ohlendorf
die Ermordung von 90.000 Menschen zu
Bei den Kreiswahlen 1929 im Gau SüdHannover gelang es ihm, für die NSDAP die
absolute Mehrheit zu gewinnen. Ab 1930 zog er
sich aus der politischen Arbeit etwas zurück und
ging 1931 für ein Jahr an die Universität Padua.
1933 wurde er als Direktorial-Assistent die
„rechte Hand“ des Nationalökonomen Jens
Jenssen im Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Parteipolitische Differenzen und Konflikte am
Institut ließen Jensen und Ohlendorf 1934 nach
Berlin wechseln, wo Jenssen aus der
Handelsschule heraus eine eigene wirtschaftswissenschaftliche Forschungseinrichtung, die
Wirtschaftsfachhochschule gründen sollte, mit
ihm als Direktor und Ohlendorf als
Abteilungsleiter. Aufgrund einer Kampagne
Rosenbergs und gegen Jenssen gerichtete
Propaganda im „Völkischen Beobachter“
scheiterte dieses Vorhaben. Ohlendorf nahm bis
1936 verschiedene, ihn nicht befriedigende
Aufgaben wahr: er baute die Bibliothek des
Berliner Institutes für angewandte
Wirtschaftswissenschaften auf, leitete ein Referat
in der Parteiamtlichen Prüfungskommission im
Bereich der Vorzensurstelle für politische und
weltanschauliche Prüfung und leitete Studenten2/ 16
verantworten, wie er am 3.1.1946 im Nürnberger
Prozess zugab.
sich der gelernte Jurist selbst und versuchte
darzulegen, dass nicht der Nationalsozialismus als
Ideologie verkommen wäre, sondern die Männer,
die die Schlüsselstellungen der politischen Macht
innehatten, er selbst habe diese Macht als
interner Regime-Kritiker nie erlangen können.
Aus dieser Verteidigungsstrategie kann man
ersehen, wie sehr Ohlendorf die verbrecherische
Rassenideologie verinnerlicht hatte, folgerichtig
findet er daher als „hoch gebildeter Mann“ kein
Wort des Bedauerns für seine Opfer. In einem
Brief vom 22.5.1949 schreibt Ohlendorf
(Klein,“Begegnungen“, Seite 114): „ Nicht das
Gefängnis ist für mich schwerstes Leiden. Mein
Leiden ist vielmehr zu keiner Zeit grösser
gewesen als in den letzten Kriegsjahren in
äußerer Freiheit und rastloser Tätigkeit in
großem Kreis.“ – nämlich als er durch den
Kriegsverlauf erkennen musste, dass die
Ideologie des Nationalsozialismus nicht zu halten
sein wird, was er der Unfähigkeit der Männer der
NS-Regierung zuschrieb. Am 10.4.1948 wurde
Ohlendorf im Einsatzgruppenprozess für
schuldig „des Verbrechens an der
Menschlichkeit“ gesprochen und am 8.6.1951 in
Landsberg/Lech hingerichtet, in demselben
Gefängnis, in dem Adolf Hitler 1924 seine
Strafe absaß und dabei zusammen mit Rudolf
Heß sein Buch „Mein Kampf“ geschrieben hatte.
- Auch der erste Bundespräsident Theodor
Heuss hat sich für eine Umwandlung der
Todesstrafe Ohlendorfs in ein „lebenslänglich“
ausgesprochen, aber nicht, weil er dieses Urteil
für nicht gerechtfertigt ansah, sondern weil er
grundsätzlich gegen die Todesstrafe kämpfte.
1942 erfolgte die Ernennung zum
Brigadeführer (Generalmajor) im RSHA und
1943 wurde er im RWM als Ministerialdirektor
Abteilungsleiter und stellvertretender
Staatssekretär (unter Hayler) und unter Funk
„heimlicher Minister“ als Chef für die Planung
der wirtschaftlichen Nachkriegsordnung, hieran
arbeitete er in Kooperation mit den
verschiedensten Wirtschaftsfachleuten u.a. auch
mit Ludwig Erhard. Nach dem Krieg wollte
Himmler weg von der „total bolschewistischen“
staatlichen Wirtschaftslenkung und besonders das
mittelständige Unternehmertum stärken. 1944
wurde Ohlendorf im RSHA zum
Gruppenführer (Generalleutnant) und
gleichzeitig zum Generalleutnant der Polizei
ernannt. - Seine Karriere ging also vor und auch
nach der Einsatzgruppenleitung in beiden
Behörden „steil nach oben“, erstaunlich, da er
nach eigenen Angaben im RSHA der SS fast
nur von politischen Gegnern und persönlichen
Feinden umgeben sein wollte – und: zur
Beförderung im RWM im November 1943
gratulierte auch Heinrich Himmler und
übermittelte Ohlendorf aus diesem Anlass
„herzliche Wünsche“.
Folgende Orden und Ehrenzeichen wurden
Otto Ohlendorf verliehen:
Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern,
Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern,
Dienstauszeichnungen der NSDAP in Silber und
Bronze, Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP,
SS-Ehrenring, Ehrendegen des Reichsführers-SS,
KVK I. Klasse und Stern Rumäniens mit Silber
am Bande.
Otto Ohlendorf und die
Anthroposophie
Während Otto Ohlendorf 1925 im Alter von
18 Jahren der NSDAP beigetreten war und 1926
der SS, war sein 12 Jahre älterer Bruder Heinrich
1929 Mitglied der Anthroposophischen
Gesellschaft geworden. Nach Aussage des Sohnes
Im Nürnberger Prozess war Ohlendorf einer
der Hauptzeugen der Anklage, da er im Detail
die Massentötungen seiner Einsatzgruppe
schilderte. Im Einsatzgruppenprozess verteidigte
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von Heinrich Ohlendorf, konnte sein Vater
damals dem Bruder keine Bewunderung für die
Anthroposophie abgewinnen. Ab November
1935 war die Anthroposophische Gesellschaft
verboten und da ist es verständlich, dass Otto
Ohlendorf sich jetzt für die AG interessierte, da
sein Bruder dort langjähriges Mitglied war und
das aufgrund der üblichen Sippenhaftung und
Sippenhaft bei den Nationalsozialisten für ihn
selbst eine potentielle Gefährdung und
Karrierehindernis sein konnte: die Mitgliedskarte
seines Bruders lag jetzt in der beschlagnahmten
Mitgliederkartei der Anthroposophischen
Gesellschaft bei der Gestapo, und wegen der
unendlich vielen internen Macht- und
Kompetenz-Intrigen fühlte sich Otto Ohlendorf
gefährdet, da er selbst auch schon angegriffen
worden war.
finden sich folgende Vermerke: Ohlendorf lehne
die Weltanschauung der Anthroposophie restlos
ab, aber man solle das Gute aus ihren Lehren,
wenn nicht übernehmen, so doch prüfen. Das
solle bei den Waldorfschulen durch namhafte
Nationalsozialisten wie Bäumler geschehen (siehe
Wikipedia: Alfred Bäumler). Auf den Gebieten
der Heilbehandlung, der biologisch-dynamischen
Düngung und der Kristallisationsmethode müsse
man zunächst sehen, inwiefern aus diesen
„biologischen Erkenntnissen“ praktische
Folgerungen gezogen und auf
nationalsozialistischer Basis übernommen werden
könnten. Daher solle man zunächst von
Maßnahmen gegen die Anthroposophie absehen.
Nach dem Flug von Rudolf Heß bekamen
die Anthroposophie-Gegner die Übermacht und
es wurde das Verbot der noch bestehenden
Initiativen (Christengemeinschaft, DemeterBewegung, Heilmittelfirma Weleda) angestrebt.
In den Akten des RSHA findet sich ein Bericht
vom 20.5.1941 im Amt III des RSHA unter der
Verantwortung Ohlendorfs verfasst. Er schlägt
vor, Astrologie, Spiritismus Okkultismus,
Wahrsagerei u.ä. sofort zu verbieten, für die
Anthroposophie und biologisch-dynamische
Wirtschaftsweise schlug er die Bildung einer
Arbeitsgemeinschaft vor, die in einigen Wochen
zu einem Vorschlag kommen sollte. Während
Ohlendorf seinen Bericht allen Ämtern im
RSHA zugehen ließ, schickte das Amt IV
(Gegner-Erforschung und Bekämpfung) unter
Federführung von Heinrich Müller einen Bericht
direkt an Heydrich, der das sofortige Verbot der
anthroposophischen Einrichtungen forderte.
Diese Vorgänge scheinen die spätere Darstellung
Otto Ohlendorfs zu bestätigen, dass sein
Eintreten für die Anthroposophen entscheidend
für seine Abkommandierung als Chef der
Einsatzgruppe D war.
In Berlin hatte er sich 1936/37 wie auch
Hans Frank (siehe Wikipedia: Hans Frank) den
anthroposophischen Arzt Wilhelm zur Linden als
Hausarzt genommen und erfahren, dass dieser
im Zusammenhang mit den Bestrebungen um die
Wiederzulassung der Anthroposophischen
Gesellschaft in Deutschland mit Ministerialrat
Lotar Eickhoff vom SD Gespräche geführt hatte.
Im Zusammenhang mit dem Funktionstrennungs- Erlass vom 1.7.1937 veranlasste
Heydrich das Gestapo-Amt, alle die
Anthroposophie betreffenden Akten an das SSSicherheitsdienst-Hauptamt (SD) abzugeben. Im
Dezember 1937 hatte Ohlendorf dann erreicht,
dass Heydrich an Heß mit dem Ansinnen
herantrat, die „Vorschläge der Anthroposophen“
überprüfen zu lassen. Dabei sollte Ohlendorf als
Vertreter des SD und des Gestapoamtes gelten.
Über diesen SD-internen Vorgang gibt es
ausführliche Aktenvermerke, aus denen
hervorgeht, dass es Otto Ohlendorf wichtig war,
nur als Beauftragter für eine zentrale
Aktensammlung bezeichnet zu werden und nicht
etwa als Sachverständiger für Anthroposophie. Es
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Jedoch: „Inwieweit sein Verhalten zu den
Anthroposophen für diese Versetzung ausschlaggebend war,
steht nicht eindeutig fest, auch wenn es immer wieder –
auch von ihm selbst – behauptet wurde.“( Dieser Absatz
hat als Grundlage das Kapitel „Otto Ohlendorf
Einstellung“ und Seite 335 aus dem Buch des
Anthroposophen Uwe Werner
„Anthroposophen in der Zeit des
Nationalsozialismus, München 1999.)
Heydrich Order nur, um sich nicht weiterhin als
„Ungedienter“ dem Vorwurf der Feigheit
auszusetzen.“, schreibt Höhn auf Seite 327 und
stützt sich dabei auf mündliche Äußerungen der
Witwe Käthe Ohlendorf. Höhne berichtet
weiter: „Die Ironie aber wollte, dass nur die
einzigen beiden unkonventionellen Amtschefs des
RSHA, Nebe und Ohlendorf, den Judenmord im
Osten praktizierten. Ihre Kollegen wussten besser
Zurückhaltung zu üben: Die Amtschefs Franz Six
(Vorkommando Moskau) und Heinz Jost
(Einsatzgruppe A) verließen ihre Einheiten schon
nach einigen Wochen östlicher Praxis, während
sich die Amtschefs Heinrich Müller, Bruno
Streckenbach, Walter Schellenberg und Dr.
Nockemann – vollends an jedem SS-konformen
Heldentum vorbeidrückten.“ Six und Jost
räumten ihre Posten mit und ohne Genehmigung
Heydrichs, selbst mindere Dienstgrade konnten
sich dem Mordbefehl entziehen. SD-Professor
Six bezeugt: „Man konnte zumindest versuchen,
von einer Einsatzgruppe wegversetzt zu werden.
Auf jeden Fall wurde niemand deshalb
erschossen.“
Fest steht jedenfalls, dass Otto Ohlendorf
nach 1941 nichts mehr gegen das Verbot der
Anthroposophischen Gesellschaft und ihrer
Töchter unternommen hat.
Abkommandierung als
„Strafversetzung“?
Heinz Höhne hat mit seinem Buch „Der
Orden unter dem Totenkopf – die Geschichte
der SS“, München 2002 , ein allgemein
anerkanntes Standardwerk über die SS
geschrieben. Auch er geht auf Ohlendorf ein, er
schildert ihn folgendermaßen: „ Der fast zierliche
Ohlendorf, in dem viele Parteigenossen des Typ
des neurotischen, stets etwas säuerlichen und
besserwisserischen Intellektuellen sahen, witterte
tödliche Gefahren für die innere Gesundheit des
Nationalsozialismus. Er wähnte sich im Innern
von zwei Seiten bedroht: von kollektivistischen
Strömungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik
sowie von staatsabsolutistischen Tendenzen in der
Verfassungspolitik…Schlagwort
„Bolschewismus“. Himmlers Sekretär, Rudolf
Brandt, überlieferte: „Ohlendorf versteht den
Reichsführer nicht zu behandeln.“ –
Andrej Angrick veröffentlichte 2003 sein
umfangreiches Buch: „Besatzungspolitik und
Massenmord – Die Einsatzgruppe D in der
südlichen Sowjetunion 1941-1943“. Dort
berichtet er auch ausführlich, wie die
Einsatzgruppen aufgestellt wurden, diese
Darstellung beruht auf fundiertem Aktenstudium
und dort ist von einer Strafversetzung wegen
Ohlendorfs Eintreten für die Anthroposophie
oder einer Intrige Heydrichs oder Himmlers
gegen Ohlendorf keine Rede.
Bereits ab Sommer 1940 war das
Reichssicherheitshauptamt der SS (RSHA) mit
der vorläufigen Aufstellung der Einsatzgruppen
beschäftigt. Da das RSHA ab 1940 in großer
Zahl Fachpersonal, nämlich ausgebildete Beamte
der Kripo und Gestapo an die Geheime
Feldpolizei (GFP) abgeben musste, versuchte man
später, möglichst kein Personal mehr abzutreten,
Wegen seines Räsonierens als übellauniger
„Gralshüter des Nationalsozialismus“ , wie
Ohlendorf in einer Mischung aus Respekt und
Ironie im RSHA bezeichnet wurde, war er 1941
bei Himmler in Ungnade gefallen, hatte zweimal
einen Osteinsatz abgelehnt und parierte der
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damit die laufenden Dienstgeschäfte und die
Kontrolle über die neu eroberten Gebiete
überhaupt gewährleistet werden konnte. Auch die
im Herbst 1940 für das RSHA rekrutierten 2500
SS-Reservisten mussten entweder den
Einsatzgruppen oder der Waffen-SS zur
Verfügung gestellt werden. Das RSHA war also
bereits vor der eigentlichen territorialen
Besetzung der Sowjetunion an der Grenze seiner
personellen Ressourcen angelangt. Im April 1941
begann man konkret mit der Aufstellung von drei
Einsatzgruppen analog der Gliederung des
deutschen Ostheeres.
der tatsächliche personelle Bestand oft soweit von
der ursprünglichen Namensliste ab, dass Wochen
vergingen, bis im Personalamt selbst Klarheit
über die wirkliche Zusammenstellung bestand.“
Otto Ohlendorf schilderte vor dem
Nürnberger Gerichtshof, dass seine Ernennung
zum Leiter der Einsatzgruppe D eine gegen ihn
zielende Intrige Himmlers und Heydrichs
gewesen wäre. Er habe bereits zweimal eine
Aufforderung zum Osteinsatz abgelehnt und
wäre dann der dritten gefolgt, da man ihn bei
nochmaliger Weigerung als „Feigling“ angesehen
hätte. Um einer tiefen Demütigung und dem
möglichen Amtsverlust vorzubeugen, habe er der
Abordnung notgedrungen zugestimmt. Dies
kommentiert Andrick auf Seit 92 wie folgt:
Doch während der Zusammenstellung der
Personallisten trat ein Problem auf: seit März
1941 regte sich eine massive deutschfeindliche
Opposition in Jugoslawien, wo es zu einem
unblutigen Staatsstreich und Machtübernahme
durch die bisherige politische Opposition kam.
Diese versuchte die deutschfeindlichen
Ausschreitungen zu unterbinden, doch Hitler
befahl am 27. März 1941 die Zerschlagung des
jugoslawischen Staates und am 6. April begann
der Angriff der in Bulgarien stationierten 12.
Armee auf Jugoslawien. Aufgrund dieser
Ereignisse musste das RSHA eine zusätzliche
Einsatzgruppe aufstellen. Das bewirkte in dieser
Behörde rege Geschäftigkeit, aber auch ein
Höchstmaß an Desorganisation, da fast alle
Chefs der Einsatzgruppen und auch die
Kommando-Führer persönliche Wünsche
hinsichtlich ihrer künftigen Mitarbeiter hatten,
denen das Personalamt prompt nachzukommen
versuchte. Kam es dabei zum
krankheitsbedingten Ausfall eines Leiters, so fand
ein Ringtausch statt, da der Nachfolger
wiederum seine „eigenen Leute“ mitbrachte.
„Diese Darstellung Ohlendorfs – die, wie
viele seiner Äußerungen, in der Literatur vielfach
unkritisch wiedergeben worden ist- liefert kein
zutreffendes Bild der Ereignisse, sondern trägt
den Charakter einer Schutzbehauptung. – Wenn
Ohlendorf wirklich das Opfer einer Intrige
gewesen wäre, warum war er dann nicht von
Anfang an zum Leiter einer Einsatzgruppe, wie
Rasch oder Stahleck bestimmt gewesen? Wieso
wurde nicht Ohlendorf als Ersatz für den
verletzten Hans Nockemann abgestellt, sondern
Nebe? Auch stellte die Übernahme einer
Einsatzgruppe bzw. eines Einsatzkommandos
durch einen Amtschef des RSHA keineswegs
eine Ausnahme dar. Ohlendorfs Ernennung zum
Führer der Einsatzgruppe D dürfte daher aus
zweckmäßigen Erwägungen Himmlers heraus
zudem kurzfristig veranlasst worden sein,
befanden sich doch in dem Gebiet, für das die
neuaufgestellte Einsatzgruppe D vorgesehen war,
neben vielen volksdeutschen Siedlungen auch
verschiedene heterogene Völkerschichten, über
die Himmler informiert werden wollte. Und wer
war dazu besser geeignet, als der Mann, der mit
den „Meldungen aus dem Reich“ die bisweilen
für die Führung unbequemen Stimmungen der
Bevölkerung erfasste, redigierte und vorlegte? Es
Der ehemalige Amtschef 1 Streckenbach
beschrieb die Situation so: „ Beim Abrücken der
Kommandos in die Bereitstellungsräume wich
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ist jedenfalls nirgends aus den Dokumenten zu
entnehmen, dass der „alte Kämpfer“ und
Karrierist Ohlendorf, der vielen als der
einflussreichste Amtschef innerhalb des RSHA
galt, durch Heydrich oder Himmler direkt
gezwungen worden war, die Führung einer
Einsatzgruppe zu übernehmen, damit er
„moralisch vernichtet“ werden sollte. Vielmehr
bot die Leitung einer Einsatzgruppe die
Möglichkeit, die Karriere zu forcieren.“
(Kreuzburg an der Bistritz) in den Ost-Karpaten
im Bezirk West-Moldau/Rumänien , ab August
1941 Olschanka in der Westukraine an der
Grenze zu Moldawien, ab September 1941 in
Mykolajiw (Nikolajew) in der südlichen Ukraine
am Zusammenfluss des Inhul mit dem Bug am
Schwarzen Meer, ab November 1941 in
Simferopol, der Hauptstadt der Krim und ab
August 1942 in Stawropol (Woroschilowsk).
Hitler hatte im März 1941 dem Reichsführer
SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich
Himmler im Hinblick auf die geplante
Endlösung der Judenfrage Sondervollmachten
erteilt. Dazu hieß es in den Richtlinien auf
Sondergebieten zur Weisung Nr.21 des
Oberkommandos der Wehrmacht vom
13.3.1941:
Das geschah auch. Wie aus der oben im
Lebenslauf angegebenen Beförderungsliste
ersichtlich ist, erlebte Ohlendorf keinerlei
Karriereknick, er wurde auch während seiner
Einsatzgruppenzeit und auch nach seiner
Rückkehr ins Reichssicherheitshauptamt der SS
(RSHA) und ins Reichswirtschaftsministerium
(RWM) in beiden Behörden kontinuierlich weiter
befördert.
„ Im Operationsgebiet des Heeres erhält der
Reichsführer SS zur Vorbereitung der politischen
Verwaltung Sonderaufgaben im Auftrag des
Führers, die sich aus dem endgültigem Kampf
zweier entgegengesetzter politischer Systeme
ergeben. Im Rahmen dieser Aufgaben handelt
der Reichsführer SS selbstständig und in eigener
Verantwortung…Der Reichsführer SS sorgt
dafür, dass bei der Durchführung dieser
Aufgaben die Operationen nicht gestört werden.“
TEIL 2
Struktur, Einsatzgebiet und Aufgabe
der Einsatzgruppe D
Die Einsatzgruppe D, deren Führer SSStandartenführer (Oberst) Otto Ohlendorf von
Juni 1941 bis Juli 1942 war , umfasste ca. 600
Mann aus folgenden Berufsgruppen: Waffen-SS,
Kradfahrer, Verwaltung, Sicherheitsdienst,
Kripo, Gestapo, Hilfspolizei, Ordnungspolizei,
Dolmetscher, Fernschreibekräfte und Funker. Die
Einsatzgruppe war in 5 Teilkommandos
untergliedert: die Einsatzkommandos 10a, 10b,
11a, 11b und 12, die jeweils von einem
Sturmbannführer (Major) befehligt wurden.
Näheres wurde im OKH-Befehl vom
28.4.1941 des Generalfeldmarschall von
Brauchitsch geregelt:
„Die Durchführung besonderer
sicherheitspolizeilicher Aufgaben außerhalb der
Truppe macht den Einsatz von
Sonderkommandos der Sicherheitspolizei (SD)
im Operationsgebiet erforderlich….
Aufgaben: a) im rückwärtigen Armeegebiet:
Die Einsatzgruppe D operierte im Bereich
der 11. Armee, zu Beginn in Rumänien, dann in
der südlichen Ukraine, Bessarabien, Kischinew
und der Krim. Der Standort des Stabes von
Ohlendorf war ab 5.7.1941 in: Pjatra Neamt
Sicherstellung vor Beginn von Operationen
festgelegter Objekte (Material, Archive, Karteien
von reichs- oder staatsfeindlichen
Organisationen, Verbänden, Gruppen usw.)
sowie besonders wichtiger Einzelpersonen
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(führende Emigranten, Saboteure, Terroristen
usw.)……
„Tätigkeitsaufnahme“ der
Einsatzgruppe D in Rumänien
Vom rumänischen Staat wurde Otto
Ohlendorf der Orden KVK I. Klasse und Stern
Rumäniens mit Silber am Bande verliehen, die
Annahme des Ordens musste genehmigt werden,
das Tragen des Ordens bedurfte einer extra
Genehmigung, die sich Ohlendorf ebenfalls
einholte, damit er diesen Orden auch tragen
konnte. Da sich um den Rumänieneinsatz
Ohlendorfs eine anthroposophische
Legendenbildung rankt, sehen wir also nach,
wofür Ohlendorf diese Ehrung erhielt, dabei
betrachten wir aber nur einen minimalen
Ausschnitt des Geschehens.
b) im rückwärtigen Heeresgebiet:
Erforschung und Bekämpfung der staats- und
reichsfeindlichen Bestrebungen, soweit sie nicht
der feindlichen Wehrmacht eingegliedert sind,
sowie allgemeine Unterrichtung der Befehlshaber
der rückwärtigen Heeresgebiete über die
politische Lage…… Die Sonderkommandos sind
berechtigt, im Rahmen ihrer Aufgabe in eigener
Verantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung
Exekutivmaßnahmen zu treffen….“
Die letztgenannte Vollmacht wurde den
Chefs und dem Führungspersonal der
Einsatzgruppen „als Geheime Reichssache“ am
17.6.1941 mündlich erteilt. Sie beinhaltet nichts
anderes als die Liquidierung der
kommunistischen Funktionäre, die physische
Vernichtung sämtlicher Juden vom Kind bis zum
Greis und die weitgehende Liquidierung aller
„rassisch Minderwertigen.“ In einem
überlieferten Schreiben Heydrichs vom 2.7.1941
an die Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF)
wurden diese über die Weisungen an die
Einsatzgruppen informiert, um eine reibungslose
Zusammenarbeit von Sicherheitspolizei,
Ordnungspolizei und Zivilverwaltung
sicherzustellen. In diesem Schreiben heißt es:
Der Vormarsch der Einsatzgruppe D in die
Ukraine ging zügig, aber nicht gehetzt ab Juni
1941 vonstatten. Die Marschroute führte über
Wien, Budapest, ungarisch Siebenbürgen und
rumänisch Siebenbürgen, dort über Mühlbach
bei Hermannstadt nach Schäßburg. Man fand in
Siebenbürgen ausgiebig Zeit um zu rasten,
Strandstühle aufzustellen und ein Sonnenbad in
Badekleidung zu nehmen, wie Fotos zeigen, die
im Archiv der Staatsanwaltschaft München
liegen. Am 4.7.41 erreichte die Einsatzgruppe
Pietra Neamt (Kreuzburg an der Bistritz) im
Westen der Provinz Moldau. Dort nahm sie
Kontakt mit der 11. Armee auf und erhielt die
Nachricht von einem „Judenaufstand“ in der am
Fluss Pruth gelegenen Stadt Jasi, der in
Wirklichkeit ein von der rumänischen
Geheimpolizei initiiertes Pogrom gegen die
jüdische Bevölkerung der Stadt Jasi war, was die
Deutschen aber nicht interessierte. Ab dem 28.6.
bis 8.7.1941 wütete die rumänische 14. Division
gemeinsam mit deutschen Truppen der 11.
Armee in der Stadt, sie erschossen und
erschlugen die Menschen auf den Straßen,
drangen in Wohnungen ein - 4000 bis 5000
Menschen wurden auf diese Weise umgebracht.
Um die Stadt Jasi „Judenrein“ zu machen,
wurden die jüdischen Männer, Frauen und
„Zu exekutieren sind alle Funktionäre der
Komintern (wie überhaupt die kommunistischen
Berufspolitiker schlechthin), die höheren,
mittleren und radikalen unteren Funktionäre der
Partei, des Zentralkomitees, der Gau- und
Gebietskomitees, Volkskommissare, Juden in
Partei- und Staatsstellungen, sonstigen radikalen
Elemente (Saboteure, Propagandeure,
Heckenschützen, Attentäter, Hetzer usw.)“
Außerdem wurden der Leitung der
Kriegsgefangenlager Einsatzkommandos der
Sicherheitspolizei und des SD zur Aussonderung
der Gefangenen zur Verfügung gestellt.
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Kinder mit Lastwagen der 11. Armee zum
Bahnhof gefahren und in mehrere Güterzüge
eingeschlossen. Die Züge, jeweils mit zehn bis
zwölf Güterwaggons und bis zu 2000 Menschen
beladen, sollten gen Westen fahren, hatten wegen
der Truppentransporte des Militärs jedoch keine
freie Fahrt und wurden in der Gegend umher
gefahren und dann einfach auf einem Abstellgleis
in sommerlicher Gluthitze stehen gelassen, bis
alle tot waren. Einer dieser Züge wurde nach
Pietra Neamt, dem Standort des Stabes von Otto
Ohlendorf, umgeleitet und auch einfach auf dem
Bahnhofsgelände stehen gelassen, bis alle
Menschen tot waren. Erst als unerträglicher
Leichengestank aus den Waggons drang und der
Zug Stadtgespräch war, mussten Zigeuner die
Waggons leeren und die Toten begraben.
immer wieder Exekutionen durch das
rumänische Militär statt.
Doch weiter zu den Ereignissen im Juli und
August 1941: Ohlendorfs Einsatzgruppe D
wurde aufgeteilt: Einsatzkommando EK 10a
wurde dem XXX. Armeekorps zugeteilt, in
dessen Einsatzbereich auch Jasi lag. EK 10b
wurde zur 3. Rumänischen Armee abgeordnet,
EK 11a zur 4. Rumänischen Armee, EK 11b und
EK 12 wurden zunächst beim Stab in Pietra
Neamt belassen. Das EK 10 b erreichte Anfang
Juli Czernowitz, die Hauptstadt der Bukowina/
Rumänien und Heimatstadt von Rose Ausländer
(Lyrikerin) und Paul Celan (Lyriker) und vielen
anderen bekannten Persönlichkeiten.
Czernowitz war kriegszerstört und noch
Kampfgebiet gegen die sowjetische Armee.
Soldaten der 3. Rumänische Armee zogen
planlos marodierend durch die Straßen. Auch das
Vorgehen gegen die Juden war völlig planlos. Das
EK 10b begann jetzt gemäß seiner oben
beschriebenen Aufgabe in der Stadt und in den
Dörfern und Kleinstädten der Umgebung
systematisch mit organisierten
„Exekutivmaßnahmen“, nämlich
Massenerschießungen. Ohlendorf selbst, der
nach dem Zeugnis eines Schulfreundes (Höhn,
Seite 315) über die „Reichskristallnacht“ vom
9.11.38 „tief empört“ gewesen sein soll, gab jetzt
dem Führer des EK 10b den Befehl, die
Hauptsynagoge von Czernowitz nieder zu
brennen, was auch geschah. Vor der
Staatsanwaltschaft München I gab ein EKAngehöriger 1962 zu Protokoll: „Wir gewannen
die Meinung, dass die Juden nicht deswegen
beseitigt werden sollten, weil sie Juden waren,
sondern weil sie wegen der ihrer Art eigenen
Veranlagung und Einstellung gefährlich waren
für die Sicherheit unserer eigenen Soldaten.“
Dieser angebliche „Judenaufstand“ war der
Beginn eines auf Befehl von Staatschef
Antoniescu von der rumänischen Geheimpolizei,
dem Serviciul Special de Informatuini (SSI),
initiiertes Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung
unter Leitung von Eugen Cristescu, das die
Aussiedlung oder Vernichtung der jüdischen
Bevölkerung in Rumänien zum Ziel hatte.
Begonnen wurde mit der Vernichtung und
Aussiedlung der jüdischen Bevölkerung der
Provinzen Bukowina, Moldau und Bessarabien.
Deutsche und Rumänische Truppen hatten im
Juli 1941 Transnistrien, das schmale Land
zwischen Dnjestr und Bug, eingenommen. Ein
zwischen dem Deutschen Reich und Rumänien
geschlossener Vertrag unterstellte das Gebiet von
1941 – 1944 rumänischer Verwaltung. Das Land
wurde zum Massengrab der ab August 1941
dorthin Umgesiedelten, von ca. 400 000
Menschen starben bis 1944 ca. 350 000. Die
Menschen wurden in Dörfern angesiedelt,
mussten in Schweineställen oder Erdhöhlen
kampieren, es gab nur unzureichend Essen und
Trinken, keine Kleidung, kein Heizmaterial,
keine Arbeit, Seuchen brachen aus und es fanden
Ohlendorf bestätigte am 1.8.1941 noch
einmal ausdrücklich den Befehl, den er allen
Einsatzkommando-Chefs schon gegeben hatte,
9/ 16
und zwar: „dass in Zukunft alle erfassten Juden
aus rassischen Gründen zu erschießen
seien“ (Angrick, Seite 181)
Im Juli 1941 hatten die Rumänen begonnen,
im Rahmen ihrer „Autarkiepolitik“, die keine
„fremde Bevölkerungsgruppen“ duldete, Juden
über die Grenzen in die Ukraine zu treiben. In
dem Gebiet war der Dnjestr Grenzfluss. Die
Rumänen gingen davon aus, dass die Deutschen
die Juden nach Westen in ihre Lager
abtransportierten. Zu dieser Zeit wurden jedoch
alle Züge für den Deutschen Truppentransport
gebraucht und auch die Vernichtungslager in
Polen waren noch nicht ausreichend ausgebaut. Ein Tross von 5-6000 Juden passierte am
29.7.1941 die Brücke über den Dnjestr bei
Jampol, überflutete den Ort und suchte
verzweifelt nach Nahrung. –
Dr. Elisabeth Klein, Ehefrau eines
Christengemeinschafts-Pfarrers, Anthroposophin
und Waldorflehrerin, schreibt 1978 (!) in ihrem
Buch: „Begegnungen“ (siehe egoisten-Artikel)
über Ohlendorf: „Er wurde strafversetzt und kam an
die Ostfront. Als Beauftragter der an die 11. Armee
angeschlossenen Polizeitruppe erhielt er von dort seinen
Einsatzbefehl: Rückwärtige Säuberung der Front von
Partisanen. Das hieß nicht nur Vernichtung ganzer Dörfer,
wenn dort ein Schuss gefallen war, sondern häufig auch
das Töten von Juden und Zigeunern, die generell als
Partisanen angesehen wurden. Aller Widerstand, den er
gegen den Befehl geleistet hatte, erwies sich als vergeblich.
Es gelang ihm aber, Zehntausende von Juden zu retten,
indem er sie auf rumänisches Gebiet zurückführen ließ und
so vor dem sicheren Tod bewahrte.“
Dieser Vorfall erschreckte den Generalstab
der 11. Armee dermaßen, dass Ohlendorf und
die Einsatzgruppe D den Befehl erhielt, die
abgeschobenen Juden in Zusammenarbeit mit
der Feldgendarmerie wieder nach Westen auf
rumänisches Territorium zurückzuführen und
weitere Abschiebungen durch die Rumänen zu
verhindern, die bei anderen Flussübergängen
erwartet wurden und auch tatsächlich dort
eintrafen. Anfangs wurden die Juden in kleinen
Gruppen, nur wenige hundert bis tausend, dort,
wo sie über den Dnjestr gekommen waren,
wieder zurückgeschickt und daraufhin vom
Rumänischen Militär erschossen. In kurzer Zeit
wurden jedoch aus Bessarabien und der
Bukowina, und dann auch aus Ungarn, teilweise
über extra errichtete Pontonbrücken über den
Dnjestr, rund 29 000 Menschen, wie die
Einsatzgruppe D meldete, in das deutsch besetzte
Gebiet abgeschoben. Rumänische und Deutsche
Militärs einigten sich dann im August 41, die
Juden nach Transnistiren zu deportieren.
Bis zum Jahr 1978 waren mehrere
Einsatzgruppenprozesse gelaufen: die
Hauptprozesse Ende der 40er Jahre und die
Ulmer Prozesse Anfang der 60er Jahre.
Menschen guten Willens konnten also 1978 über
die Tatsachen informiert sein: Ohlendorf war
nicht irgendein „Beauftragter“ sondern Chef der
Einsatzgruppe D, der „Einsatzbefehl“ bezüglich
der Aufgaben kam nicht von der 11. Armee,
diese schrieb ihm lediglich die Marschrute und
die Einsatzorte vor, sondern wie oben dargestellt
direkt von Hitler, Himmler und Heydrich. Die
„Vernichtung ganzer Dörfer“ erfolgte auch, ohne
dass „dort ein Schuss gefallen war“ und das
Töten von Juden und Zigeunern erfolgte nicht
„häufig“ sondern generell und systematisch.
Sehen wir bei so viel Realitätsverfälschung noch
nach, wie es mit den Zehntausenden von
Ohlendorf angeblich geretteten Juden verhält,
da auch Rudolf Hauschka in seiner Biographie:
„Wetterleuchten einer Zeitenwende“ 1966 (!) auf
Seite 101 über Ohlendorf schreibt: „Er soll
Tausende Juden gerettet haben.“
Ohlendorf ließ die Menschen sammeln und
in einem langen und beschwerlichen Fußmarsch
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entlang des Dnjestr nach Jampol führen. Er
befahl, alle Juden, die für einen zügigen
Vormarsch hinderlich waren, zu erschießen:
„1265, zum Teil jüngere, erschossen“, meldete er
nach Berlin, und: „bei Jampol etwa 27.500 Juden
in rumänisches Gebiet zurückgetrieben.“ Die
Menschen wurden vom Rumänischen Militär in
Empfang genommen und mussten in einem
Todesmarsch, ohne ausreichende Verpflegung
und Kleidung unter ständiger Misshandlung
nach Transnistrien marschieren. Etwa 17.000
Menschen überlebten diesen Marsch nicht und
von denen, die Transnistrien erreichten, starben
ca. 80% in den nächsten 3 Jahren.
zeigen, dass diese den Nationalsozialismus auch
im Nachhinein nicht rational aufgearbeitet haben
und nur den fatalen deutschtümelnden
Idealismus gesehen haben und den Kern der NSIdeologie, die verbrecherische Rassenideologie,
ignorant ausblendeten.
Eine ganz offensichtliche Falschinformation
über Otto Ohlendorf bringt Rudolf Hauschka in
seiner Biographie „Wetterleuchten einer
Zeitenwende“ 1966. Er schreibt über seine,
Kleins und Bocks Entlassung aus der GestapoHaft auf Seite 101 (siehe hierzu auch den
egoisten Artikel: Emil Bock und der
Nationalsozialismus, Teil 1):
Das eben Dargestellte ist selbstverständlich
nur ein minimaler Abriss der Untaten der
Einsatzgruppe D. Es bleibt die Frage, warum
Klein und Hauschka, beide Akademiker, in ihren
Biographien weit nach dem Krieg solche
Geschichtsverfälschungen kolportieren: „Es
gelang Ohlendorf aber, Zehntausende von Juden
zu retten, indem er sie auf rumänisches Gebiet
zurückführen ließ und so vor dem sicheren Tod
bewahrte.“ (Klein) und „Er soll Tausende Juden
gerettet haben.“ (Hauschka) Man kann das
vielleicht damit erklären, dass sie den Kern des
Nationalsozialismus nicht erkannt haben, weil sie
über ihre anthroposophischen Interessen nicht
hinausschauen konnten und sich so auch nie
gedanklich mit dem Nationalsozialismus und
seinen Untaten auseinander gesetzt haben.
„Dass alles so glimpflich ablief, verdanken wir
unserem Freund Otto Ohlendorf…. In einer
„Führerbesprechung“ soll sich Otto Ohlendorf zum Wort
gemeldet und so geschickt plädiert haben, dass anders
entschieden wurde – sehr zum Ärger von Himmler und
Heydrich. Diese sollen geäußert haben: „Diesen Burschen
müssen wir härten!“ Sie setzten eine Strafversetzung in die
Ukraine durch, wo er auf Befehl Juden-Liquidationen
organisieren sollte. Man erzählte, er sei vor dem Dilemma
gestanden, sich zu weigern und selbst liquidiert zu werden,
oder vielleicht in dieser Hölle noch einiges Gute zu tun. Er
soll Tausende Juden gerettet haben.“
Dass die beschriebene Szene in der
Führerbesprechung nicht so abgelaufen sein
kann, belegt ein Schreiben „NSDAP, Stab des
Stellvertreters des Führers an den Reichsführer
SS, Chef des RSHD: gez.: Bormann vom
7.7.1939. Darin teilt Bormann eine Äußerung
Hitlers mit:
Teil 3
„Ein Volksgenosse (Anm.: Almar von
Wistinghausen), der wegen Zugehörigkeit zur
Anthroposophischen Gesellschaft als Offizier des
Beurlaubtenstandes abgelehnt worden war, hatte sich an
den Führer gewandt. Der Führer hat folgende
Entscheidung getroffen: Mitglieder der Anthroposophischen
Gesellschaft sind wie Logenangehörige zu behandeln; sie
sind nach Meinung des Führers oft noch gefährlicher als
Logenangehörige, weil sie mit ihren Ideen viel mehr Leute
Otto Ohlendorf in der Darstellung
einiger Anthroposophen
Auch die folgenden Berichte der
Anthroposophen: Emil Bock, Leiter der
Christengemeinschaft, Rudolf Hauschka,
Gründer der Heilmittel- und Kosmetik- Firma
Wala, Dr. Elisabeth Klein, Waldorflehrerin, und
Wilhelm zur Linden, anthroposophischer Arzt,
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ansteckten. Wenn ein Straßenkehrer Mitglied der AG
gewesen sei, dann spiele das auch heute keine Rolle; in der
Partei oder in der Wehrmacht wolle der Führer dagegen
frühere Mitglieder der AG nicht haben. …..Ein
gleichlautendes Schreiben haben das oberste Parteigericht
und der Herr Reichsschatzminister erhalten.“
machen. Das war die Methode, mit der Hitler viele an sich
anständige Menschen korrumpiert und an sich gefesselt
hat. Er wollte, dass seine Leute kriminell schuldig würden,
damit er sie jederzeit in der Gewalt hatte.“
Hans Frank wurde am 1.10.1946 im
Nürnberger Prozess zum Tode verurteilt, wegen
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit. Laut Urteil war er: „ein williger
und wissender Mitwirkender sowohl bei der
Anwendung des Terrors in Polen, wie bei der
wirtschaftlichen Ausbeutung Polens auf eine Art
und Weise, die zum Hungertod einer großen
Anzahl von Menschen führte; ferner bei der
Deportation von mehr als einer Million Polen als
Sklavenarbeiter nach Deutschland und in
Ausführung eines Pogroms, das den Mord von
mindestens drei Millionen Juden zur Folge hatte.“
Im Teil 2 dieses Artikels habe ich bereits
ausführlich dargelegt, dass auch eine
„Strafversetzung“ Ohlendorfs in die Ukraine
nicht stattgefunden hat und Franz Six vom
Vorkommando Moskau sagte aus, dass niemand
erschossen worden ist, der dem
Abkommandierungs- Befehl nicht
nachgekommen ist. (Und jeder Leser mag für
sich selbst entscheiden, ob er sich eventuell lieber
selbst hätte erschießen lassen (theologisch
formuliert: sich selbst geopfert hätte) oder ob er
Tausende liquidieren wollte um der Karriere
willen.) Wie es sich mit der Rettung der
„Tausende Juden“ verhält, haben wir im vorigen
Abschnitt gesehen.
Man fragt sich hier, wie es um das
Moralverständnis von Anthroposophen bestellt
ist, die Massenmord entschuldigen und
behaupten, dass Menschen sich so verstricken
können und keine andere Wahl mehr haben, als
Verbrechen dieser Dimension zu begehen. Ein
„Nein“ und ein freiwilliger Amts- oder
Machtverlust scheint einfach nicht denkmöglich
zu sein.
Ähnlich ignorant wie Hauschka über
Ohlendorf, urteilt der anthroposophische Arzt
Wilhelm zur Linden 1964 in seiner
Autobiographie „Blick durchs Prisma“ auf Seite
109 über den Reichsminister Dr. Hans Frank
(siehe Wikipedia-Artikel), dessen Kinder er in
Berlin als Hausarzt behandelte:
Doch zurück zu Otto Ohlendorf: Elisabeth
Klein gibt in ihren „Erinnerungen“ auf Seite 117
einen Ausschnitt aus einem handschriftlichen
Brief Emil Bocks an den in Landsberg
inhaftierten Ohlendorf wieder. Bock schrieb am
13. Mai 1948:
„Dr. Frank, der Juristenführer, kann wohl als
tragische Gestalt bezeichnet werden. Zufällig hatte er in der
Anfangszeit der nationalsozialistischen Bewegung als
Rechtsanwalt die Prozesse Hitlers zu führen gehabt.
Dadurch kam er in der Bewegung hoch; sonst wäre er
sicher ein kleiner Münchner Rechtsanwalt geblieben, der
niemals jemand etwas zuleide getan hätte. Natürlich
unterlag auch er der Faszination, die von Hitler ausging.
Man sollte ihm aber nicht vergessen, dass er 1941 in einer
mutigen Rede den letzten Versuch gemacht hat, den
Gedanken des Rechtsstaates zu verteidigen. Daraufhin
nahm ihm Hitler alle seine Ämter und Funktionen ab, und
er wurde als Generalgouverneur von Polen nach Krakau
strafversetzt. In dieser Stellung sollte und musste er sich
durch die dort üblichen Ungesetzlichkeiten strafbar
„… Sie sind auf den Wegen Ihres Schicksals
vielfältig mit dem Schicksalskreis in Berührung gekommen,
in welchem wir leben und wirken. Große, überpersönliche
Zeitalter-Schicksale haben in diese Begegnung
hineingewirkt und es mit sich gebracht, dass Sie an Plätze
gerieten, wo Sie zum Exponenten gigantisch tragischer
Entwicklungen wurden. Sie sollen wissen, dass in unserem
Kreis angesichts der Gestalt, die das Schicksal nunmehr für
Sie annimmt, alle trennenden Fragen und Bedenken getilgt
werden. Es soll nur auf die Tatsache der Blick gerichtet
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berichtet Uwe Werner in seinem Buch
„Anthroposophen in der Zeit des
Nationalsozialismus“ 1999. Auf Seite 205 zitiert
er einen Brief des Berliner WaldorfschulKollegiums an die Freie Waldorfschule in
Stuttgart vom 20.6.1936:
sein, dass Ihr Schicksal sich mit dem unsrigen real berührt
hat, und dass Sie…..bestrebt waren, unseren Bestrebungen
hilfreich zu sein. Wir möchten darin ein Hervortreten der
latenten Schicksalszusammengehörigkeit sehen, die wir an
unserem Teile für jetzt und zukünftig bejahen und durch
Positivität des Herzens real machen möchten….“
„Wir bitten Sie davon Kenntnis zu nehmen, dass wir
von jetzt ab mit weiteren Initiativen und Unternehmungen
von Frau Dr. Klein nichts mehr zu tun haben…..Jede
Orientierung der Behörden über Rudolf Steiner und sein
Werk ist selbstverständlich wertvoll. Jede Teil-Erlaubnis
verwischt den geistigen Charakter der Gesamt-Situation.
Sie schafft unklare Zustände, wo einheitliche Klarheit der
Gesamtlage- und sei diese noch so tragisch – auf jeden
Fall geistig notwendig ist.“
Emil Bock sieht also eine konkrete
Schicksalsverbindung der Christengemeinschaft
mit der Person und den Taten eines
Massenmörders und geht damit über die
Verbindung eines Seelsorgers, der mit einem
Menschen kraft Christi Auftrag durch sein Amt
„überpersönlich“ verbunden ist, weit hinaus. Er
sieht deshalb auch nur „gigantische tragische
Entwicklungen“, aber keine konkreten toten
Menschen, für die er folgerichtig auch nirgends
ein Wort des Bedauerns übrig hatte und ist auch
nicht in der Lage rational mit der NS-Zeit
umzugehen. Auf einer Jugendtagung 1947 in
Stuttgart sagte Emil Bock (Schroeder, Seite 119):
„Der Enthusiasmus und die Begeisterung, die damals in
der deutschen Jugend herrschten, waren doch in
Ordnung!...Die Popanze jedoch, die als die sogenannten
Führer diesen Idealismus auf sich zogen, die waren die
eigentliche Katastrophe!“.
Auch so wurde also das Verhandeln mit den
Machthabern, zu denen ja auch Otto Ohlendorf
gehörte, gesehen. Die Mehrheit der
Anthroposophen, für die Fritz Götte
repräsentativ war, sah jegliches Paktieren mit den
nationalsozialistischen Machthabern als
charakterlos an. (Uwe Werner, Seite 297)
Elisabeth Klein konnte daher nach dem Krieg
keine Stelle als Waldorflehrerin finden. Erst auf
Fürsprache von Emil Bock und Ernst Weißert
erhielt sie 1950 eine Stelle in der Waldorfschule
Hannover, die sie bis zu ihrer Pensionierung 1965
behalten konnte (Klein, Seite 111)
Hier argumentiert Emil Bock ganz im Sinne
des ihm wohl auch intellektuell überlegenen Otto
Ohlendorf, der nicht den Nationalsozialismus als
verkommen ansah, sondern die Männer, die die
Schlüsselstellung inne hatten. Emil Bock
jedenfalls sieht auf dieser Jugendtagung 1947
„verantwortliche Führer“ und nicht nur ein
anonymes System ohne eigentliche
Verantwortliche, wie er es 1946 im Heft der
Christengemeinschaft dargestellt hatte, er
argumentiert also durchaus ambivalent.
Der Nürnberger Prozess
Über diesen Prozess sagte Herbert Kraus, ein
ehemaliger Verteidiger beim Internationalen
Militärgerichtshof Nürnberg (in: 50 Jahre
Deutsche Geschichte, Seite 9):
„Ein wirklich großer Gedanke liegt dem Nürnberger
Strafverfahren zugrunde: Wer als Treuhänder für Staat
und Volk tätig wird, soll die Verantwortung für sein Tun
nicht auf den Staat, dieses abstrakte unpersönliche Gebilde
abwälzen können. Er soll selbst mit Leib, Leben und Ehre
dafür einstehen müssen, dass die Schranken und Gebote
Dass auch unter Anthroposophen schon
während der NS-Zeit anders gedacht wurde,
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nicht missachtet werden, die Moral und Recht aufgerichtet
haben. Das bezieht sich auf den, der sich schuldhaft an
der Entfesselung eines Angriffskrieges beteiligt, vor allen
Dingen auch auf jene, welche Unmenschlichkeiten
befehlen, ausführen oder dulden, obgleich ihnen die
Verhinderung solcher Missetaten möglich war. Wir denken
dabei besonders an Massendeportationen,
Rassenverfolgung, Zerstörung von Städten,
Konzentrationslagergräuel, Bluturteile oder Euthanasie.“
korrespondierte mit ihm und schickte ihm Literatur. Der
Gefängnisarzt, der an den Gesprächen der Häftlinge
teilnahm, kam dadurch zur Anthroposophie Rudolf
Steiners. Otto Ohlendorf wurde als letztes Opfer der
Nürnberger Justiz am 7. Juni 1951 hingerichtet. Ich
bewahre ihm ein freundschaftliches und dankbares
Gedenken.“
Diesem unsäglichen Text braucht man wohl
nichts hinzuzufügen: der berufsbedingte
Massenmörder, verantwortlich für 90.000 Tote,
der sich von seiner nationalsozialistischen
Ideologie ausdrücklich nicht trennt, versteht nun
die Anthroposophie und die „ewige menschliche
Entität“ und wird „letztes Opfer der Nürnberger
Justiz“.
Emil Bock hingegen, der sich als Vertreter
„der wirklich zukunftswilligen Menschen in
Deutschland“ fühlt, schrieb im schon zitierten
Heft „Die Christengemeinschaft“, Heft 2, vom
Juni 1946 auf Seite 57:
„Das Unheilssystem, die große Maschine des
„Verwaltungsmassenmordes“, ist nicht bewusst erfunden
oder inauguriert worden. Nicht durch Himmler, ja nicht
einmal durch Hitler. Es hat sich sozusagen selbst
geschaffen, wodurch die gespensterhafte Anonymität des
Systems zustande kam.“
Auch Emil Bock äußert sich im Brief an
Käthe Ohlendorf am 21. Juni 1951 in Hauschkas
Sinne und schreibt (Klein, „Erinnerungen“, Seite
118):
„…Trotzdem habe ich bis zum letzten Augenblick
gehofft, dass sich letzte Regungen von Menschlichkeit und
Gerechtigkeit gegen die kalten politischen Berechnungen
durchsetzen könnten. Es ist anders gelaufen. Eine Tragik
kam zustande, in der sich Kälte und Herzlosigkeit, die aus
der heute üblichen Denkungsart resultiert, weltgeschichtlich
symbolisiert. Fast noch deutlicher als durch die
Hinrichtung selbst, ist die Strategie des Totschweigens
zutage getreten, durch die man erreicht hat, dass weite
Kreise der Weltöffentlichkeit schließlich meinen mussten, es
handelt sich um eine Bagatelle, wo es sich in Wirklichkeit
um ein Zeichen der Zeit allerersten Ranges handelte.
….Wir müssen es uns zur Aufgabe machen, im
Spirituellen, wenn auch in aller Stille Gegentatsachen zu
schaffen gegen die Taten des Ungeistes, die das politische
Feld heute mehr denn je beherrschen.“
In diesem Sinne urteilten auch unsere schon
erwähnten Anthroposophen. Rudolf Hauschka,
der Gründer der Wala-Heilmittel-Fabrik,
schildert in seinen Erinnerungen auf Seite 109:
„Bald wüteten vor dem interalliierten Gerichtshof die
Nürnberger Prozesse. Otto Ohlendorf hatte sich gemeldet
und ohne Beschönigung angegeben, was er getan hatte. Er
wurde in der Festung Landsberg gefangen gehalten. Im
Prozess traten eine große Anzahl Zeugen für ihn ein, aus
allen Teilen Deutschlands kamen Zeugnisse, auch ich
selbst machte in einer Eingabe an den Gerichtshof geltend,
was er für die Verfolgten des Nazi-Regimes getan hatte.
Trotz allem wurde er zum Tode verurteilt. Er hatte schon
mehrmals die Nacht in der Todeszelle verbracht, da aber
aus aller Welt Gnadengesuche eintrafen, wurde die
Hinrichtung immer wieder verschoben. Wie muss sich ein
Mensch seiner Potenz geläutert haben, wenn er so oft dem
Tode Auge in Auge gegenüber gestanden hatte! Er war in
dieser Zeit Halt und der ruhende Pol für seine
Mitgefangenen. Er arbeitete mit ihnen Anthroposophie und
gab ihnen so eine Ahnung ihrer menschlichen Entität. Ich
Ob dieser Verdrehung der Realität fragt man
sich unwillkürlich, wie Emil Bock spirituelle
Gegentatsachen schaffen will, wenn er einen
solch verbogenen Gerechtigkeitsbegriff hat und
Ohlendorfs 90.000 Opfer als Hinrichtungsgrund
einfach ignoriert. Die Zahl der Opfer scheint für
Bocks Bewusstsein entschieden zu hoch zu sein.
14/ 16
Mit einem Einzelschicksal kann er sich leicht
verbinden, aber schwieriger ist es, 90 tausendmal
ein Einzelschicksal zu sehen. Und schließlich
kannte Emil Bock, der damals schon drei Bücher
über das Alte Testament geschrieben hatte, ja
auch das Gebot: „Du sollst nicht töten“ und in
der alten Geschichte von Kain und Abel fragt
Gott nach nur einem Menschen: „Kain, wo ist
dein Bruder Abel?“
eines Menschen bezieht: in diesem Fall auf
irreale NS-Volkstums-Definitionen und
Volkstums-Bestrebungen (die rein gar nichts mit
dem von Rudolf Steiner definierten Begriff des
deutschen Volksgeistes zu tun haben). Und in den
NS-Volkstums-Bestrebungen ist die
verbrecherische Rassenlehre immer immanent.
Das übersieht Schroeder bei seinen NS –
Interpretationen völlig. - Schroeder stellt
Friedrich Benesch in Siebenbürgen vorwiegend
als „Sonntagsredner des Volksbundes der
Deutschen in Ungarn“ dar, gesichert ist
mittlerweile aber auch, dass auch er, wie sein
Vorgesetzter Gassner, die jungen Leute in seinem
Einflussbereich beredet hat, sich zur Waffen-SS
zu melden, bei der auch sein eigener Bruder
gedient hat. Die Meisten dieser jungen
Menschen sind dann im Krieg gefallen. – Wie
heißt es doch im Bestattungsritual der
Christengemeinschaft:
Nach diesem Dargestellten fällt es nicht
schwer zu glauben, dass Emil Bock keinerlei
Probleme hatte, Friedrich Benesch oder Werner
Georg Haverbeck zu weihen.
Und auch Hans-Werner Schroeder bewegt
sich gedanklich mit seinem Benesch – Buch in
der Tradition Emil Bocks, der ja auch ihn in
jungen Jahren geweiht hat. Auch sein Buch ist
geprägt von „Verschiebungen“ der Realität, er
denkt sie sich quasi in seinem Sinne zurecht. Ein
Beispiel: er bezeichnet den Professor für
Vorgeschichte in Halle, Hans Hahne, der bereits
in den 20er Jahren der NSDAP und SA beitrat
und zu den Wissenschaftlern gehörte, die die NSRassenkunde mit entwickelt haben, auf Seite 57
als „vollständig integre, lautere Persönlichkeit“.
In diesem Urteil liegt eine Verschiebung
moralischer Werte: ein Mensch, der die
verbrecherische Rassenideologie gutheißt und
sogar mitentwickelt, ist eben nicht „integer“ und
„lauter“, günstigstenfalls kann man ihn als
verblendet bezeichnen. Bezüglich Benesch
schreibt Schroeder auf Seite 62: „Nun traf er
(Benesch) in Hans Hahne einen hervorragenden
Vertreter idealistischer VolkstumsBestrebungen…, der ihm aber sicher auch ein
idealistisches Bild der Nazibewegung und ihres
„Führers“ vermittelte.“ Wie schon Emil Bock
1947, geht auch Schroeder davon aus, dass der
Idealismus gut ist und zeigt damit, dass er aus
der Geschichte des 20. Jahrhundert nicht gelernt
hat, dass man den Idealismus nicht per se als gut
bezeichnen kann, sondern immer mit beurteilen
muss, auf welche Denkinhalte sich der Idealismus
„Bedenke, o Mensch, dass du dem Geiste verpflichtet
bist, für alles, was du vollbringst, in Gedanken, Worten
und im Tun.“
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Quellen:
Andrej Angrick: „Besatzungspolitik und
Massenmord – Die Einsatzgruppe D in der
südlichen Sowjetunion 1941-1943“
Hamburger Edition 2003, 795 Seiten
Hans-Werner Schroeder: „Friedrich
Benesch – Leben und Werk 1907 – 1991“,
Verlag Johannes Mayer, Stuttgart 2007
Uwe Werner: „Anthroposophen in der Zeit
des Nationalsozialismus (1933-1945)“,
Oldenburg-Verlag, München 1999
Johann Böhm: „DiHeße Gleichschaltung
der Deutschen Volksgruppe in Rumänien und
das „Dritte Reich“ 1941 – 1944“ Verlag Peter
Lang, Frankfurt/Main et al. 2003
Internet:
Wikipedia-Artikel:
-Einsatzgruppen
der Sicherheitspolizei und des SD; Transnistrien
(Zweiter Weltkrieg); Alfred Bäumler; -Hans Frank; (alle Artikel
lohnen zu lesen)
„Die Christengemeinschaft“ – Neue Folge
Heft 3 – Juli/August 1946, Verlag Urachhaus,
Stuttgart
„50 Jahre Deutsche Geschichte- Vom
Wiederaufbau bis heute“, (Begleitmaterial zu
einer Fernsehreihe zur Deutschen Geschichte
des Wissenschaftsjournalisten Rüdiger Proske,
ausgestrahlt 1989), Archiv Verlag,
Braunschweig 1989
Mag. Dr. Gernot Haupt, MAS:
„Deportation rumänischer Roma nach
Transnistrien 1942-1944“, http://
www.erinnern.at/e_bibliothek/miscellen/
795_gernot
Rudolf Hauschka: „Wetterleuchten einer
Zeitenwende“, Verlag Klostermann,
Frankfurt/M 1966
„Die Vernichtung der Juden in Bessarabien
und Transnistrien im II.Weltkrieg“ http://
www.shoa.de/index2.php?
option=com_content&task=view&id=689&po
p=1&p
Heinz Höhne: „Der Orden unter dem
Totenkopf – Die Geschichte der SS“, OrbisVerlag, München 2002
Forschungsstelle Kulturimpuls: Biographie
von Rudolf Hauschka und Elisabeth Klein
Elisabeth Klein: „Begegnungen –
Mitteilenswertes aus meinem Leben“ , Verlag
Die Kommenden, Freiburg i.Br. 1978
Wilhelm zur Linden: „Blick durchs Prisma
– Lebensbericht eines Arztes“, Verlag
Klostermann, Frankfurt/M 1964
℅ Dr. Regina Reinsperger
16/ 16