1512 – Der Kaiser in Trier!
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1512 – Der Kaiser in Trier!
1512 – Der Kaiser in Trier! Reichstag, Heiliger Rock und Reformation Inhaltsverzeichnis Der Rundgang im Stadtmuseum Simeonstift Trier Station I: Station II: Station III: Station IV: Station V: Eine Stadt und der Kaiser Eine Stadt zwischen Mittelalter und Neuzeit Eine Stadt baut Aufbruch in die Neuzeit Der Kaiser kommt! 02 03 – 04 05 – 06 07 – 08 09 – 11 12 – 13 Der Reisebericht des Peter Maier 14 – 16 Station VI: Der Heilige Rock und die Trierer Wallfahrten Station VII: Die Krise des 16. Jahrhunderts Station VIII: Reformation und Humanismus Station IX: Caspar Olevian und der Reformationsversuch Station X: Niederlage im Kampf um die städtische Unabhängigkeit 17 – 18 19 – 20 21 – 22 23 – 24 25 – 26 Literaturhinweise27 02 Der Rundgang im Stadtmuseum Simeonstift Trier Der Reichstag von 1512 war der erste und zugleich einzige Reichstag, der jemals in Trier stattfand. Der damalige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Maximilian I. von Habsburg, hatte zu diesem für die Stadt Trier überaus geschichtsträchtigen Ereignis geladen. Das Ansehen und der Bekanntheitsgrad der Moselstadt stieg daraufhin beträchtlich, was für die Stadt einen großen Gewinn bedeutete, auch wenn andere Reichstage politisch entscheidender waren und in der Forschung mehr Beachtung fanden. Doch für immerhin einige Wochen stand die beschauliche Stadt an der Mosel im Mittelpunkt der Reichsgeschichte. Das Jahr 1512 steht in der Trierer Stadtgeschichte noch für ein weiteres Großereignis, das eng mit der Versammlung der Reichsstände verknüpft ist: die Entdeckung des Heiligen Rocks in der Domkirche zu Trier. Die erste öffentliche Zeigung des Leibgewands Christi zog zusätzlich zu den durch den Reichstag bedingten Menschenmassen eine große Zahl an Pilgern und Schaulustigen an. Damit feiert die Stadt Trier in diesem Jahr ein zweifaches 500-jähriges Jubiläum: 500 Jahre Heilig-RockWallfahrt und 500 Jahre Trierer Reichstag. Anlässlich der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012, die wie bei der letzten Zeigung im Jahr 1996 Hunderttausende von Besuchern anlocken wird, bietet das Stadtmuseum Simeonstift Trier einen thematischen Rundgang durch seine Dauerausstellung an, der die Geschehnisse des Jahres 1512 vor ihrem historischen Hintergrund näher beleuchtet. Der Rundgang deckt einen Zeitraum von nahezu einhundert Jahren ab und zeigt Ihnen Trier als eine Stadt an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Zehn Stationen vor markanten Ausstellungsobjekten führen Sie durch diese Zeit. Das Stadtmuseum lädt Sie ein, diese Schwelle zu überschreiten. Abb. 1: Blick in den Trebetasaal des Stadtmuseums Trebetasaal des Stadtmuseums Simeonstift Trier. Seit Mai 2007 präsentiert sich das Museum mit einer vollständig überarbeiteten Konzeption der stadtgeschichtlichen Ausstellung. Station I: Eine Stadt und der Kaiser 03 Die Einberufung eines Reichstags nach Trier im Jahr 1512 durch Kaiser Maximilian I. (1459 – 1519) war ein politisches Großereignis für die Stadt. Maximilian von Habsburg, seit 1477 Herzog von Burgund, ist auch als „der letzte Ritter“ bekannt. Am 16. Februar 1486 wurde er in Frankfurt am Main zum König gewählt, am 9. April erfolgte seine Krönung in Aachen. Nach dem Tod des Vaters, Kaiser Friedrichs III. (1415 – 1493), trat er dessen Nachfolge als römisch-deutscher König an. Im Jahr 1508 nahm Maximilian I. im italienischen Trient die Kaiserwürde an. Der Reichstag von 1512 war die erste Versammlung der Reichsstände des Heiligen Römischen Reichs nach der Kaiserkrönung Maximilians. Seit 1489 bestand ein Reichstag aus drei Kollegien: dem Kurfürstenrat, dem Reichsfürstenrat und dem Städterat. Als Austragungsort wurden in der Regel Städte ausgewählt, die sich zum einen durch eine zentrale Lage, zum anderen durch Erfahrung bei der Organisation solcher Veranstaltungen auszeichneten. Zu solchen Städten zählten neben Frankfurt am Main und Nürnberg beispielsweise auch Worms oder Augsburg. Trier erfüllte keine der genannten Voraussetzungen. Doch ein drohender Konflikt mit dem Herzogtum Geldern zwang Maximilian, den Reichstag an einen Ort einzuberufen, von dem aus er im Zweifelsfall relativ schnell nach Geldern reisen könne. So fiel seine Wahl nicht zuletzt aus strategischen Gründen auf Trier. Außerdem war in dieser Zeit in verschiedenen deutschen Städten die Pest ausgebrochen, Trier dagegen galt als „garantiert seuchenfrei“, was ein gesundheitlich risikoarmes Zusammentreffen versprach. Per Schiff erreichte der Kaiser mit seinem Hofstaat von Frankfurt aus kommend am 4. März 1512 zunächst Koblenz. Die Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Mosel, ebenfalls im kurtrierischen Territorium gelegen, wäre wohl ein alternativer Austragungsort zu Trier gewesen, doch lag sie weiter entfernt von Geldern, was vermutlich den finalen Ausschlag für Trier gab. Bereits einen Tag später ging es, wieder per Schiff, weiter (mit mehrmaligen Zwischenstopps und Übernachtungen) nach Klüsserath, von wo aus der Kaiser mit seinem Gefolge die Reise zu Pferde fortsetzte. In Trier kam der gesamte Tross am 10. März 1512 an. Für Maximilian war es nicht der erste Besuch in der Moselstadt. Bereits 1473 hatte in Trier ein Fürstentag stattgefunden, auf dem Kaiser Friedrich III. und Karl der Kühne (1433 – 1477), Herzog von Burgund, die Hochzeit ihrer Kinder vereinbarten: Maximilian, damals gerade 14 Jahre alt, sollte die 16-jährige Maria von Burgund (1457 – 1482) heiraten. Die Ehe wurde vier Jahre später 1477 geschlossen, doch nach nur fünf Jahren starb Maria bei einem tragischen Jagdunfall. Ein solcher Fürstentag mit Besuch des Kaisers verlangte der Stadt Trier einen erheblichen organisatorischen Aufwand ab. Tausende Gäste kamen in die Stadt, die angemessen untergebracht und ausreichend verpflegt werden wollten. Daneben richtete die Stadt Festlichkeiten und Belustigungen zur Unterhaltung des Publikums aus. Prunkvolle Einritte ließ Hunderte Schaulustige in die engen Gassen Triers strömen. Der Einzug des Kaisers samt seines Trosses zählte zweifelsfrei zu den Höhepunkten und dürfte beim Reichstag von 1512 noch weitaus mehr Zuschauer angelockt haben, als es bereits 1473 der Fall gewesen war. Abb. 2: Zinnfiguren-Diorama zum Fürstentag in Trier 1473, 39,5 x 121,8 x 17,3 cm, hergestellt von Ulrich Lehnart, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Ein von Ulrich Lehnart gefertigtes Diorama zeigt den festlichen Einritt Kaiser Friedrichs III. durch die heutige Simeonstraße im Jahr des Fürstentags 1473. Berittene Fahnenträger begleiten ihre Fürsten. Die prachtvollen Rüstungen sind poliert und glänzen eindrucksvoll. Die frühere Simeonsgasse reichte vom nördlichen Eingang der Altstadt, der Porta Nigra, bis zum Trierer Hauptmarkt. Im Zentrum der Häuserreihe ist das sogenannte Dreikönigenhaus zu sehen, ein spätromanisches, um 1220 errichtetes Patrizierhaus, dessen prächtige Fassade 1938 rekonstruierend wiederhergestellt wurde. Leider fehlen im Diorama die Zuschauer, die zweifelsfrei der Parade als Schaulustige am Straßenrand und an den Fenstern der Häuser beigewohnt haben. Kinderstation – Der Kaiser in Trier Vor 500 Jahren war Deutschland, wie ihr es heute kennt, ein Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Über dieses herrschte ein Kaiser. Im Jahr 1512, also vor genau 500 Jahren, hieß er Maximilian I. Er besuchte in jenem Jahr die Stadt, in der ihr heute auch seid: Trier. Hierhin hatte er zu einem Reichstag eingeladen, auf dem er sich mit Rittern und mächtigen Fürsten traf, um sich mit ihnen über wichtige politische Entscheidungen zu beratschlagen. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, war der Besuch eines Kaisers für die Trierer ein aufregendes Ereignis. Die ganze Stadt war festlich geschmückt, es wurde auf den Straßen gefeiert und aufwändige Festessen veranstaltet, die manchmal mehrere Stunden dauerten. Besonders toll war natürlich der Einzug des Kaisers mit seinen Rittern hoch zu Pferd. Ein solcher Aufmarsch ist im Modell zu sehen. Es zeigt jedoch den Einzug von Kaiser Friedrich III., dem Vater von Maximilian, der bereits 1473 Trier besuchte. Maximilian war damals auch schon dabei, gerade einmal 14 Jahre alt. Die Rüstungen wurden extra blank poliert, damit sie schön funkelten, es wurden bunten Fahnen geschwenkt und Musik gespielt. Die Banner zeigten an, woher die Ritter und Fürsten stammten und wer sie waren. So viel wie damals war selten in Trier los. 04 05 Station II: Eine Stadt zwischen Mittelalter und Neuzeit Als Maximilian im März 1512 Trier erreichte, fand er eine stark mittelalterlich geprägte Stadtstruktur vor. Von der einstigen Größe und Pracht der Kaiserresidenz des 4. Jahrhunderts war kaum etwas übrig geblieben. In der Spätantike hatte die vollständig ummauerte Stadtfläche 285 Hektar umfasst und konnte eine Reihe von Prachtbauten aufweisen: Amphitheater, Barbara- und Kaiserthermen, der römische Circus und die Palastaula. Von den einstigen Großbauten war im Jahr 1512 zwar noch mehr als heute, dennoch vergleichbar wenig erhalten. Bereits seit Jahrhunderten hatten sie der Bevölkerung als Steinbruch gedient. Zudem zeigte sich Trier im Frühmittelalter als offene Stadt, d.h. als Stadt ohne schützende Stadtmauer. Um 1500 dürfte die Trierer Bevölkerung nicht mehr als 6.000 bis 7.000 Einwohner gezählt haben. Die mittelalterliche Stadtmauer des 12./13. Jahrhunderts umschloss eine Fläche von rund 138 Hektar, die in etwa der nördlichen Hälfte der Römerstadt entsprach. Auch die klare Ordnung des quadratischen Straßennetzes der Römerzeit bestand im frühen 16. Jahrhundert nicht mehr. Aus Trampelpfaden, die über Jahrhunderte entstanden waren, hatte sich ein neues Gassengefüge entwickelt, das zentral auf den Marktplatz zulief. Die wichtigsten Bauten waren nun Kirchen und Klöster, die sich sowohl inner- als auch außerhalb der Stadtmauern angesiedelt hatten. Ansonsten war die Bebauung innerhalb der Mauern eher spärlich und beschränkte sich im Wesentlichen auf die Säumung der Wege. Kaiser Maximilian betrat daher 1512 eine nur mittelgroße Stadt seines Reiches. Der Tross des Kaisers zog durch das Simeonstor in die Stadt ein. Dieses war als Ersatztor für die Porta Nigra, das ehemalige nördliche Stadttor der Römerzeit, errichtet worden, nachdem die Porta kurz nach 1035 zur Doppelkirchenanlage St. Simeon umgestaltet worden war. Vorbei an jubelnden Menschenmengen wird Kaiser Maximilian durch die Simeonsgasse in Richtung Marktplatz gezogen sein, wie schon nahezu 40 Jahre zuvor sein Vater Friedrich III. mit seinem Hofstaat. Abb. 3: Die Ostseite des Hauptmarktes in der Zeit um 1490 mit Blick auf den Dom. Links ist der Turm Jerusalem, ein mittelalterlicher Wohnturm aus dem 11. Jahrhundert, zu sehen. Der Bogen hinter dem Marktkreuz zeigt den Beginn der Domimmunität an. (Rekonstruktionszeichnung von Lambert Dahm, Quelle: Lambert Dahm: Trier, Stadt und Leben im Mittelalter, 1997). Der Marktplatz war seit dem 10. Jahrhundert der wirtschaftliche Mittelpunkt Triers, auf den sternförmig alle wichtigen Straßenverbindungen zuliefen. Als Zeichen der erzbischöflichen Oberhoheit und des rechtlichen Schutzes aller Marktbesucher wurde 958 unter Erzbischof Heinrich I. (956 – 964) ein Marktkreuz errichtet (Abb. 4). Zusammen mit dem Dombering, dem Bereich um Dom und Liebfrauenkirche, bildete der Marktplatz das Zentrum der Stadt. Damit war auf den ersten Blick für alle erkennbar, von wem die größte Macht in dieser Stadt ausging: von der Kirche, in Person vertreten durch den Erzbischof. So kam im Jahr 1512 dem gerade frisch gewählten und noch nicht einmal geweihten Erzbischof Richard von Greiffenklau (1511 – 1531) die Ehre zu, als Gastgeber des Kaisers zu fungieren. Abb. 4: Marktkreuz, 958, Muschelkalk, 87 x 87 x 27 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Noch heute besteht der mittelalterliche Marktplatz als Hauptmarkt und markiert das Zentrum der Altstadt. Mit der Errichtung des Marktkreuzes durch Erzbischof Heinrich, einem entfernten Verwandten Kaiser Ottos des Großen, wurde die Stadt symbolisch unter den Schutz des Erlösers gestellt. Daneben manifestiert das Kreuz die erzbischöfliche Markthoheit. 06 Der Sandsteinsockel und die Granitsäule, eine Spolie aus römischer Zeit, stehen auch heute noch an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort. Lediglich das hier im Stadtmuseum zu sehende Kreuz samt Kapitell wurden aus konservatorischen Gründen vor Ort durch farbige Kopien ersetzt. Das Relief auf der Schauseite zeigt das Lamm Gottes mit Kreuzstab und Kreuzbanner. Die übrigen Inschriften und Reliefs, auch das des Stadtwappens, wurden erst rund 500 Jahre später angebracht. Das Marktkreuz ist das älteste stadtgeschichtliche Objekt des Museums. Kinderstation – Der Trierer Marktplatz Seit mehr als 1000 Jahren befindet sich der Trierer Hauptmarkt an dem Platz, an dem er heute noch liegt. Im Jahr 958 wurde er vom Trierer Erzbischof Heinrich geschaffen. Um den Einwohnern und Besuchern des Markts deutlich zu machen, dass er der Herr über diesen Platz ist, errichtete er auf seiner Mitte ein großes Marktkreuz. Dieses steht noch heute an fast der gleichen Stelle wie damals. Es ist allerdings nur eine Kopie. Das mittelalterliche Original siehst du hier im Museum. Es wurde nach drinnen gebracht, um es besser zu schützen. Denn wie du erkennst, sieht es schon ganz schön mitgenommen aus. Aber es ist ja auch schon über 1000 Jahre alt! Kannst du das Tier auf dem Kreuz erkennen? Es ist ein Schaf mit einem Heiligenschein – das Lamm Gottes. Auf dem Stab mit dem Fähnchen erkennt man ein Kreuz. Wenn das Fähnchen noch farbig wäre, so wie früher, würdest du ein rotes Kreuz auf weißem Grund sehen. Das war das Wappen der Trierer Erzbischöfe. Das Lamm ist zudem noch ein Zeichen für den Frieden, in diesem Fall für den Marktfrieden. Der war für ein gerechtes Handeln auf dem Markt unbedingt notwendig. Vielleicht findest du später noch Zeit, zusammen mit deinen Eltern den Trierer Hauptmarkt zu besuchen. Abb. 5: Trier um 1500: Weltliche und kirchliche Einrichtungen, nach Frank G. Hirschmann Station III: Eine Stadt baut 07 Neben dem Erzbischof als eine der mächtigsten und einflussreichsten Personen im hoch- und spätmittelalterlichen Trier erwuchs in der Stadt eine zweite aufstrebende Kraft: das städtische Bürgertum bzw. die Stadtgemeinde. Diese trat seit dem frühen 12. Jahrhundert in Erscheinung und verfügte spätestens seit 1149 über ein eigenes Siegel. Es ist eines der ältesten, wenn nicht sogar das älteste Stadtsiegel in Europa und mit seinem Durchmesser von 12,4 cm zudem das größte. In der Zeit um 1500 sind weite Teile der Stadt von großen öffentlichen Bauten geprägt. Denn die sich langsam wandelnden Machtverhältnisse machen sich auch im Stadtbild bemerkbar. So wird erstmals im Jahr 1364 ein städtisches Rathaus, Sinnbild für ein aufstrebendes und selbstbewusstes Bürgertum, in einer Steuerliste erwähnt. Dieses Rathaus befand sich in der heutigen Fleischstraße, nahe dem Kornmarkt. Mitte des 15. Jahrhunderts erfolgte an gleicher Stelle ein Neubau. An der Nordseite des Platzes umfasste der Komplex schon bald mehrere Verwaltungs- und Lagergebäude. Der Flügel in der Fleischstraße war seit dem 17. Jahrhundert unter der Bezeichnung „Kaufhaus“ bekannt, denn in der großen offenen Halle im Erdgeschoss boten fremde Kaufleute ihre Waren an; darüber befand sich ein Festsaal. Bei dem in derselben Gasse gelegenen St. Jakobshospital handelt es sich ebenfalls um eine spätmittelalterliche städtische Institution. Ursprünglich diente das Gebäude der Versorgung und Unterbringung von Pilgern und Reisenden. Daneben wurden dort arme und bedürftige Einwohner der Stadt betreut. Um 1430 wurde die sogenannte Steipe am Hauptmarkt errichtet. Markant sind die Spitzbögen im Erdgeschoss des Bauwerks, die Zinnen am Dach und die Steinfiguren an ihrer Fassade. Die Steipe fungierte als Repräsentationshaus der Trierer Stadtgemeinde sowie als Fest- und Empfangshaus der Trierer Bürgerschaft. Hier wurden Hochzeiten gefeiert, Trauerfeiern abgehalten und wichtige Gäste begrüßt. Zudem diente das Gebäude als Tagungsort der Ratsherren und Gerichtssitz. An der Mosel wurden städtische Mühlenanlagen betrieben, zeitgleich entstand in der Brotgasse (der heutigen Brotstraße) ein städtisches Brauhaus. Die heutige Frauenstraße hingegen erhielt ihren Namen aufgrund des städtischen Bordells, das im Jahr 1477 in diesem damals eher dünn besiedelten Stadtviertel betrieben wurde. Auf Sockeln in den Spitzbogenzwickeln der Steipe zieren vier Sandsteinfiguren die aufwändig gestaltete Fassade. Sie schuf Meister Steffan um 1480. Der heilige Jakobus, mit Jakobsmuschel und Pilgerstab, vertritt symbolisch die Trierer Jakobusbruderschaft, die den Bau zum größten Teil finanziert hatte. Daneben blickt gütig die heilige Helena, Mutter des römischen Kaisers Konstantin des Großen, auf die Besucher herab. Der Überlieferung nach soll sie neben anderen wichtigen Reliquien, wie den drei Nägeln vom Kreuze Christi, auch den Heiligen Rock nach Trier gebracht haben. Es folgt Petrus als Patron der Stadt – mit Schlüssel und Buch – und zuletzt Paulus mit dem Schwert, der Schutzheilige der Trierer Universität. Gerahmt werden die vier Steinfiguren von zwei deutlich größeren, den sogenannten Steipenriesen. Beide tragen eine wehrhafte Rüstung und sind mit Schwert und Lanze bewaffnet. Der linke Ritter hat das Visier seines Helms geöffnet und bewachte aufmerksam das Markttreiben, der rechte hingegen trägt das Visier geschlossen und blickte drohend in Richtung Dom. Vor Ort an der Fassade der Steipe sind heute Kopien angebracht, die Originale stehen hier im Museum. Abb. 6: Die Steipenfiguren: Hl. Jakobus, Hl. Helena, Hl. Petrus, Hl. Paulus; Meister Steffan, um 1480, Metzer Kalkstein, Höhe jeweils ca. 117 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. 08 Abb. 7: Die Simeonskirche um 1500. (Rekonstruktionszeichnung von Lambert Dahm, Quelle: Lambert Dahm: Trier, Stadt und Leben im Mittelalter, 1997). Kinderstation – Die Steipe und die Steipenfiguren Abb. 8: Abdruck des Großen Siegels der Stadt Trier, Kunststoff, ca. 12 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Mittig ist Christus im Segnungsgestus zu erkennen. In seiner linken Hand hält er den Schlüssel der Stadt, das eigentliche Zentrum der Darstellung. Auch die beiden Stadtpatrone Petrus und Eucharius, der erste Bischof von Trier, berühren andächtig dieses Symbol. Doch noch vier weitere Figuren strecken ihre Hände nach dem Schlüssel aus. Deutlich kleiner als die Heiligen nur knapp über die Zinnen der Stadtmauer ragend, stehen sie für die Bürgerschaft. Auf der Mauer ist die Inschrift Sancta Treveris („Heiliges Trier“) zu lesen. Die Umschrift lautet: Dominus benedicat urbem Trevericam et plebem („Der Herr segne die Stadt Trier und die Einwohner“). Die Stadtgemeinde erscheint in dieser Darstellung als Sakralgemeinde. Das auffälligste Haus am Trierer Hauptmarkt ist die Steipe: ein großes, weißes Gebäude mit eckigen Zinnen wie bei einer Burg und einem überdachten Weg vor der Fassade. Dessen Dach wird von Stützen getragen, die in spitz zulaufenden Bögen enden. Die Stützen wurden früher in Trier auch Stypen genannt, daher leitet sich der heutige Name „Steipe“ ab. Eigentlich ist das Haus schon vor über 500 Jahren gebaut worden. Im Zweiten Weltkrieg wurde es jedoch vollständig zerstört, so dass es wieder komplett neuerrichtet werden musste. Im Mittelalter war die Steipe das Fest- und Empfangshaus der Trierer Bürger. Hier wurden z.B. große Hochzeiten gefeiert oder Feste zu Ehren wichtiger Persönlichkeiten abgehalten. Gleichzeitig diente die Steipe als Gerichtsgebäude. Auch eine Einheit der Stadtpolizei hatte hier ihren Sitz. Von dort rückte sie auch aus, wenn in der Stadt ein Feuer ausbrach, denn eine eigene Feuerwehr gab es damals noch nicht. An der Steipe standen die großen Figuren, vor denen du jetzt gerade stehst. Sie sind schon mehr als 500 Jahre alt und wurden zu ihrem Schutz ins Museum gebracht. Aus demselben Grund ist auch das Marktkreuz hierher gewandert, wie du ja schon weißt. Die Personen, die die Statuen darstellen, waren für die Trierer Bevölkerung sehr wichtig. Links steht der Heilige Jakobus – zu erkennen an seiner Pilgermuschel –, daneben die Heilige Helena, die Mutter des römischen Kaisers Konstantin, der einst in Trier regierte. Sie hält drei Nägel, die vom Kreuze Christi stammen sollen, in den Händen. Außerdem wird gesagt, dass sie den Heiligen Rock gefunden und nach Trier gebracht habe. Von ihm wirst du später noch mehr erfahren. Dann kommt der Heilige Petrus, mit den Schlüsseln zum Himmelstor in der Hand. Er ist der Stadtpatron Triers. Das Schwert hält der Heilige Paulus. Er ist sowohl ein Patron der Stadt als auch der Trierer Universität. Die zwei bewaffneten Männer in den Rüstungen sind die Steipenriesen. Sie bewachten den Marktplatz. Station IV: Aufbruch in die Neuzeit 09 Im Mittelalter wurde die Gründung einer Stadt häufig mit einer außergewöhnlichen, oft fantastischen Geschichte verbunden. In Trier erdachten während des 11. Jahrhunderts Kleriker der Trierer Abtei St. Eucharius/St. Matthias einen Gründungsmythos, der durch Aufnahme in zahlreiche Chroniken Verbreitung fand. Der Legende nach gründete der assyrische Königssohn Trebeta die Moselstadt, als er auf der Flucht vor den Nachstellungen seiner Stiefmutter Semiramis nach langer Irrfahrt das Moseltal erreichte. Die Geschichte soll sich 1300 Jahre vor der Entstehung Roms zugetragen haben, womit Trier die bei Weitem älteste Stadt Europas gewesen wäre und sogar das berühmte Rom in den Schatten gestellt hätte. Selbstbewusst dokumentiert die Stadt auf diese Weise ihren altersbedingten Vorrang auch vor den konkurrierenden Bistumsstädten Reims, Köln und Mainz. Bis in die Neuzeit hinein wurde an dieser Legende mit Überzeugung festgehalten. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde in Trier eine Universität gegründet. Bereits 1455 kam Papst Nikolaus V. (1447 – 1455) der Bitte des Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck (1439 – 1456) nach, eine Universität einrichten zu dürfen. Doch weder er noch sein Nachfolger Johann von Baden (1456 – 1503) ließen Taten folgen. Zumindest bestätigte Johann im Jahr 1473, von der Stadt 2000 Gulden erhalten zu haben. Dem städtischen Magistrat übergab er im Gegenzug die päpstliche Bulle mit der oben genannten Genehmigung. Mit diesem Schritt wurde der Stadt die Rolle des Universitätsgründers übertragen. Für die neue Universität stellte die Gemeinde, obwohl in dieser Zeit finanziell angeschlagen, Teile des ehemaligen Schöffenhofes in der heutigen Dietrichstraße zur Verfügung. In unmittelbarer Nähe entstanden Wohnund Kosthäuser für Studenten, die sogenannten Bursen. Jedoch begann der Studienbetrieb in den ersten Jahrzehnten trotz der Berufung einer Reihe bekannter, humanistisch gebildeter Lehrer nur zögerlich. Zu den bekanntesten damals in Trier lehrenden Humanisten gehörten etwa Thomas Murner (1475 – 1537), Johannes Eck (1486 – 1543) und Bartholomäus Latomus (1485 – 1570). Zwischen den Jahren 1493 und 1495 brachten Pest und Seuchen den Lehrbetrieb ganz zum Erliegen. Die Gründung einer Universität kann auch als Zeichen des Umbruchs gewertet werden. Es ist der Beginn der Frühen Neuzeit, in der Trier seinen Weg aus dem Mittelalter hinaus findet. Zeitgleich bedeuteten das Ende des 15. bzw. der Anfang des 16. Jahrhunderts auch Krisenzeiten für Trier, denn der kurfürstliche Hof Abb. 9: Trebeta – Der sagenhafte Gründer der Stadt Trier, Claudius Markar, 1684, 155 x 197,5 cm, Ölgemälde, Stadtmuseum Simeonstift Trier. verlagerte sich zunehmend nach Koblenz. Missernten trafen die Weinwirtschaft der Moselregion. Zudem kam es seit Anfang des 15. Jahrhunderts vermehrt zur Ermordung und Vertreibung von Juden. Diese waren kurz vor der Weihe des Erzbischofs Otto von Ziegenhain (1418 – 1430), wohl auch auf Wunsch der Trierer Stadtgemeinde, sowohl aus Trier als auch aus den Orten des Erzstifts ausgewiesen worden. 1519 ließ sich die Stadtgemeinde nochmals die Verbannung der jüdischen Bevölkerung von Richard von Greiffenklau bestätigen, nachdem ihre Ansiedlung in Koblenz wieder zugelassen worden war. 10 Das sogenannte Trebeta-Gemälde schuf Claudius Markar (um 1650/55 – 1724) im Jahr 1684. Ihm diente eine Darstellung aus dem Jahr 1559 als Vorbild, die jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Den Auftrag, das ältere Gemälde zu kopieren, erhielt Markar vom Stadtrat. Zentral ist der legendäre Stadtgründer Trebeta zu sehen. Über seinem Haupt thront eine stilisierte Ansicht der Stadt Trier: Deutlich sind die Stadtmauer, ein mittelalterlicher Wohnturm und Kirchtürme (u.a. der der Simeonskirche) zu erkennen. Darüber finden sich die Wappen des Kurfürsten Johann Hugo von Orsbeck (1676 – 1711), des Statthalters Johann Philipp Freiherr von Walderdorff und der Stadt selbst. In seinen Händen bzw. auf seinen Knien präsentiert Trebeta die angeblich Trier tributpflichtigen Städte Köln, Mainz und Worms. In seitlichen Spruchtafeln ist die Gründungslegende nachzulesen. Dazwischen sind die römischen Götter Merkur und Jupiter zu erkennen, darunter Stadtansichten von Basel und Straßburg – weitere Städte, von denen Trier angeblich Abgaben einzufordern berechtigt war (zumindest nach Meinung der Stadt). Den Rahmen des Gemäldes zieren Wappen der Ratsmitglieder, die 1684 im Amt waren. Abb. 10: Medaille zur 500-Jahrfeier der Universität Trier, Bruno Schulz, 1973, Bronze, Durchmesser 19 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Der Abdruck des alten Trierer Universitätssiegels (Sigillum Almi Studii Treverensis) entstand anlässlich der Feierlichkeiten zum 500-jährigen Jubiläum der Universitätsgründung. Die Legende am Rand des Siegels drückt selbstbewusst das Verdienst der Stadt um die Universität aus: Treveris Ex Vrbe Devs Complet Dona Sophie („Von der Stadt Trier aus vollendet Gott der Weisheit Gaben“). Hinter den zinnenbewehrten Mauern erhebt sich der Apostel Paulus, in den Händen Schwert und Buch haltend. Gerahmt wird er von den beiden Kirchenvätern Ambrosius und Augustinus. Die beiden Wappen zeigen das Trierer Kreuz des Erzbischofs und den Apostel Petrus als Patron der Stadtgemeinde. Abb. 11: Erste Seite der Trierer Gutenberg-Bibel mit der Vorrede des Übersetzers Hieronymus. F-Initiale, Mainz um 1454, Trier, Stadtbibliothek, StB Inc. 1924 2°. 11 Abb. 12: Kettenbuch Liber physicorum, 292 Bl., 21 x 15,2 cm, Halblederband mit 5 Bünden, Stempeln und Strichen zur Verzierung, Messingleisten und einer Messingschließe, Trier (?), 15. Jh., Trier, Stadtbibliothek, StB Hs. 1063/1282 8°. Kostbare als auch weniger wertvolle Prachthandschriften, vor allem aber oft benutzte Lehrbücher, lagen in den Bibliotheken des Mittelalters auf schrägen Lesepulten. Als Schutz vor Diebstahl waren die Bücher meist angekettet. Kinderstation – Die Legende von der Stadtgründung Triers Im Mittelalter ließen sich Menschen vieles einfallen, um die Bedeutung ihrer Stadt besonders hervorzuheben. Aus diesem Grund wurde auch dieses riesige Gemälde geschaffen. Siehst du den Mann in der Mitte, der auf seinem Kopf einen Turban mit einer Krone trägt? Das ist Trebeta, über den eine Geschichte behauptet, dass er ein Königssohn aus dem fernen Reich Assyrien sei. Doch es gab ihn nicht wirklich, die Trierer haben ihn sich als Gründer ihrer Stadt nur ausgedacht. Nach langer Irrfahrt soll er auf der Flucht vor seiner Stiefmutter Semiramis an die Mosel gekommen sein. Hier fand er es so schön, dass er eine Stadt gründete. Der Stadt gab er seinen Namen: Treberis, was dann zu Trier wurde. Die Geschichte spielte angeblich 1300 Jahre vor der Gründung der Stadt Rom. Damit wäre Trier älter als Rom, die mächtigste Metropole der Antike und des Mittelalters. Das Alter sollte die Wichtigkeit Triers unterstreichen. Viele Jahrhunderte hielt man die Geschichte für echt. In Wahrheit ist Trier aber nur etwas mehr als 2000 Jahre alt und damit nicht ganz so alt wie Rom. Aber 2000 Jahre sind ja auch schon sehr, sehr viel. Übrigens: Der König mit dem langen grauen Bart unter Trebeta ist sein Vater Ninus. 12 Station V: Der Kaiser kommt! In Krisenzeiten bietet ein Kaiserbesuch und ein damit verbundener Reichstag eine mehr als willkommene Abwechslung. Genauso verhielt es sich auch 1512, der Reichstag war das Großereignis schlechthin. Am Mittwoch, 10. März 1512 traf Maximilian in Trier ein, am 28. März nahm er gemeinsam mit den bereits anwesenden Kurfürsten und Botschaftern an einer Messe in St. Matthias teil. Sechs Tage später, am 3. April, wurde der offizielle, feierliche Einritt des Kaisers mit 400 Reitern in Trier zelebriert. Am 16. April kam es dann endlich zur feierlichen Eröffnung des Reichstags mit den sogenannten Propositionen, d.h. der öffentlichen Bekanntgabe der Gründe für die Einberufung dieses Reichstags. Für die Sitzungen war das damalige Universitätsgebäude in der Dietrichstraße hergerichtet worden. Dort trug der Kaiser persönlich die zu diskutierenden Themen vor. Die wichtigsten Punkte waren Beratungen über eine Reichexekutionsordnung, die den Landfrieden im Reich sichern sollte, und über eine Reichskriegsverfassung, in der der Kaiser ein stehendes Heer von 50.000 Mann forderte sowie die Unterstützung des Papstes beim Kampf gegen Venedig. Neben den Beratungen vergnügten sich der Kaiser und die Fürsten auf Ausflügen in die nähere Umgebung, wie z.B. zur Grimburg, nach Schillingen oder St. Wendel. Außerdem fanden etliche Jagdgesellschaften statt, u.a. bei Dagstuhl, Beckingen und Zerf. Ein Kuriosum stellte die Inszenierung einer Seehundjagd in einem Weiher beim Trierer Herrenbrünnchen dar, für die eigens ein Seehund herbeigeschafft wurde. Von einem weiteren, eher ungewöhnlichen Programmpunkt berichtet der Trierer Weihbischof Johannes Enen. Ihm zufolge ließ Kaiser Maximilian eigens ein Geschütz vorfahren, um damit römische Ruinen südlich der Stadt zu beschießen. So wollte der Kaiser, der sehr an der antiken Kultur interessiert war, deren Standhaftigkeit und herausragende Bedeutung unter Beweis stellen. In der Osterwoche (4. – 11. April) nahm der Kaiser an den kirchlichen Festlichkeiten teil, er besuchte die Passionsspiele und pilgerte nach St. Maximin und St. Paulin, beide nördlich vor der Stadtmauer Triers gelegen. Am Ostersonntag fand ein festlicher Gottesdienst im Dom statt, am darauffolgenden Mittwoch (14. April) kam es – noch vor der Eröffnung des Reichtags – zur Auffindung des Heiligen Rockes (siehe Station VI). Letztendlich erfolgte jedoch eine relativ zügige Verlagerung des Reichstags aus Trier hinaus. Im niederländisch-burgundischen Herrschaftsbereich brachen Unruhen aus. Dort musste sich Maximilians Tochter Margarethe, die als Statthalterin eingesetzt war, gegen Herzog Karl von Geldern zur Wehr setzen. Zeitgleich schwelten Erbstreitigkeiten um die Nachfolge des 1511 kinderlos verstorbenen Herzog Wilhelm IV. Abb. 13: Zinnfiguren-Diorama zum Fürstentag in Trier 1473, hergestellt von Klaus Gerteis (Ausschnitt). von Jülich-Berg. Am 17. Mai reiste der Kaiser in Richtung Niederlande ab, um seine Tochter bei den Verhandlungen zu unterstützen. Der Reichstag wurde zunächst ohne ihn fortgeführt. Am 30. Juni allerdings erreichte die in Trier Verbliebenen ein Schreiben Maximilians, in dem er die Stände aufforderte, binnen acht bis neun Tagen nach Köln zu kommen, um den Reichstag dort fortzuführen. Dieser Forderung kamen bereits vier Tage später die ersten Versammlungsteilnehmer nach. Ob der Grund für die Verlagerung möglicherweise auch eine drohende Epidemie war, ist heute umstritten. Kaiser Maximilian selbst traf jedenfalls am 15. Juli in Köln ein. Am 16. August erfolgte der sogenannte Hauptabschied, der sowohl die in Trier als auch in Köln getroffenen Verhandlungsergebnisse festhielt, zehn Tage später der ergänzende Nebenabschied. Ein beeindruckendes und zudem sehr lebendiges Zeugnis der Ereignisse im Jahre 1512 liefert ein erhaltener Augenzeugenbericht von Peter Maier, einem Koblenzer Schöffen und Schultheißen. Seit 1481 war er in der Kanzlei des Trierer Kurfürsten als Schreiber tätig, im Jahr 1502 war er zu dessen persönlichem Sekretär befördert worden. Abb. 14: Ansicht der Stadt Trier, Niederländischer Maler, um 1600, 58 x 82 cm, Ölgemälde, Stadtmuseum Simeonstift Trier. 13 Der Reisebericht des Peter Maier Uff Donnerstag nach Invocavit 4. Martii umb viere Uren nach Mittage ist Kais. Majestät [Kaiser Maximilian I.] den Ryne [Rhein] herabe komen fahren in Coblenz angelangt. Im deutschen Haus den Leger genommen. Daselbst in Abwesenheit des Erwelten von Trier und von Seiner kurfürstlichen Gnaden [Erzbischof Richard von Greiffenklau] wegen empfangen haben Kais. Majestät: Wilhelm, Herr zu Isenburg; Johann, Herr zu Eltz; Doctor Johann Gutmann, Offizial in Coblenz; Doctor Liting; R. von Rile; C. von Dievelich; R. vom Burgdor; der Siegeler und D. von Dietze mit anderen und Ihrer Majestät geschenkt ein Fuder Wynes und etliche Fische. Kais. Majestät hat durch seinen Hofmarschalk Windischgretzer den Trierischen antwurten lassen, Ihre Majestät nehme das Geschenk in Gnaden an und wulte dem Erwählten ein gnädigster Kaiser sein. Bei dem Kaiser seyn gewest: Pfalzgraf Friedrich, Herzog Ulrich von Würtemberg, Herzog von Braunschweig, Zollern, Mansfeld, Monfort, Nassau, Büdingen und vil Grafen und Herrn. Den Fritage zu Coblenz stille gelegen und im Teutschen Haus Messe singen lassen. Samstags hat syn Majestät zu St. Florin Erzbischof Jakoben zu Trier [Jakob von Baden (Reg.Zeit 1503 – 1511)] Requiem lassen singen. Nach der Missen an das Schiff gnädigsten Herrn, das an der Brucken gehalten, geritten, daran gesessen und die Mosel uß [hinauf] gefahren. Syn Majestät hat ungeverlich bei Ihr gehabt in die 400 Pferde. Gemelts Samstags im Mittage ist Kais. Majestät ad Cathenas [Cattenes] kommen, da gefutert, der von Trier [Erzbischof Richard von Greiffenklau] die Mosel herab gefahren in Meinung, den Kaiser zu Coblenz zu empfangen. Da [dort] der Kaiser Trier gnediglich angesprochen und ime erlaubt, gen Coblenz zu fahren und über drei Tage nachzukommen. Die Nacht hat der Kaiser zu Cochem gelegen. Den Sonntag Reminiscere [7. März] gen Zell. [...] Den Montag gen Cusa [Bernkastel-Kues] gefahren und die Nacht in des Kellners Haus zu Bernkastel gelegen, genannt Friedrich Schwane, der Ihrer Majestät von Triers [des Kurfürsten] wegen 20 Hecht und viel schöner Forellen geschenkt. Kais. Majestät hat ihn mit 6 Gulden und syn Frauwe mit 2 Gulden verehrt. Uff de Tag fuhr der von Trier [der Kurfürst] von Coblenz uß in seynem roten Schiffgen, und ich versäumt das Schiff und mußt nachlaufen bis gen Niederfell. Dienstags zu Neumagen blieben in des von Isenburgs Haus. Mittwochs bis gen Clüßart [Klüsserath] gefaren, daselbst uffgesessen, gen Trier geritten und der Leger im Pallast begriffen. Donnerstags in Trier. Freitags hat Ihre Majestät im Dome Misse discantieren lassen und den Abent dem von Trier [Richard von Greiffenklau], der eben gen Pfalzel ankommen war, zu entboten, er wulle dem von Trier Samstags zu Morgen in das Feld gegen Pfalzel entgegen reiten und in in [nach] Trier führen, und daß bei Ihrer Majestät denselben Morgen der von Trier essen sulten. Trier hat dafür, daß Ihre Majestät ime entgegen reyten wulle, untertäniglich gebetten, und er wulle bei Ihrer Majestät essen. Samstags zu Morgen ist Trier von Pfalzel uß mit 60 Pferden gen Trier geritten, Syner kurfürstlichen Gnaden syn von des Kaisers Majestät wegen entgegen kommen bede Grafen von Zollern und Mansfeld und syn zu Sand Symeons Porten in Trier über den Markt zum Pallast zu geritten. Kais. Majestät den von Trier empfangen. Trier hat sich im Pallast by Matern Burggrafen ußgetan, zu morgen mit dem Kaiser gessen. Nach Tisch ist Kais. Majestät mit obgenannten Fürsten und Trier über Brück uffs Beitzen geritten mit Falken. Den Abend wieder inkommen und Trier synen Leger by dem Domdechant von Crichingen genommen. Uff Sonntag Oculi [14. März] hat Ihre Kais. Majestät in dem Pallast Misse figurieren lassen. Der von Trier hat des Kaisers Trompetern, deren mit dem Heerpaukenschlager 13 waren, thun schenken 13 Goldgulden. Fritags darnahe ist Kais. Majestät mit obengenannten Kur- und Fürsten zu Sand Maximin geritten. Daselbst Misse figuriren lassen und nach der Missen das Heiltumbund des Klosters Privilegia gesehen. Samstags ist Kais. Majestät uß Trier mit wenig Folcks geritten gen Berberg zu dem von Werdenberg Grave Felix. Von dannen gehen Diedenhoven und vort ghen Metz und daselbst syn Tribut von den von Metz, welichs sie niemals dann einem Kaiser selbs liebern. [...] Sonntags uff „Letare Jerusalem“ [21. März] ist der Rat von Cöllen kommen faren. Uff Montags nach Letare haben by Tirer zu Morgen gessen und also gesessen: Pfalzgraf Kurfürst; Herzog Friedrich syn Bruder, Grave Itel Friedrich von Hohenzollern, Trier, Grave Philipp von Nassauwe, der ältere Rhyngrave. Die Essen waren: 1. Mandelsuppe 2. Grundeln 3. Pasteden mit Aalen 4. Blaue Hechte mit einer grüner Salze 5. Störe mit Rüben 6. Gesotten Forellen 7. Karpfen in einer Negelbrue 8. Eine Pfannengebacks 9. Gebacken Grundeln in einer Gelbe 10. Galentin 11. Gebraten Forellen 12. Krebs 13. Tarten. Desselben Tags umb die Zeit hat die Trierisch Cantzley 14 zu Gast gehabt des Kaisers Sänger, neun an der Zahl, cum 10 iuvenibus. Die ihnen vorgestellte Gerichte waren: Mandelsuppe, Kappesmus, heiße Karpen, Backfisch, Hecht mit einer Salze, Salnen in Pfeffer, gebackene Bieren, Galentin, Fladen. Donnerstag nach Annunziazionis Marie [25. März] sind außer obgenannten Kur- und Fürsten noch zu Trier gewest: Die Bottschafter des Königs von Frankreich, des Herzogs von Ferrara, das Bapstes, des Königs zu Hispanien, der Stadt Speier. NB. Der Kaiser nannte zu dieser Zeit den König zu Frankreich Bruder und, ehe der Reichstag ußginge, wurden sie Feinde. Fritag ist der Kaiser widder kommen. Samstag ist Herzog Johannes von Bayern zu Sponheim mit 40 Pferden ankommen und Herzog Alexanders zu Veldenz Botschaft: Doctor Philipp Sommer. Uff Sonntag Judica [28. März] ist der Kaiser mit allen Kur- und Fürsten und Botschafter nach Sand Mattheis zur Messen geritten. Der Kaiser hat abgeredet zwischen den beiden Botschafter von Frankreich und Hispanien, daß, wann Kais. Majestät zur Kirchen steht, je ein Botschaft umb die andere und nit beide erscheinen sullen, wiewol das, als [wie] hiernach steht, nit gehalten worden „propter superbiam Galli“. Den Tag sind angekommen die Botschafter des Herzogs zu Lothringen und der Stadt Worms. [...] Dienstags ist Kais. Majestät uß Trier geritten mit den Falken zu beitzen; die Nacht zu Grimburg, Mittwoch zu St. Wendel, Donnerstag gegen Schillingen gelegen und den Freitag wiederum gegen Trier kommen. Donnerstags zum Morgenessen hat der Kurfürst zu Gast gehabt: Herzog Hans von Bayern, Würtemberg, Braunschweig, Brandenburg und die Grafen zu Büdingen. Die Essen waren: Mandelsoppe, heiß Grundeln, Basteden mit Aale, heiß Hecht, Stör mit Pfeffer, ein Pfannengebäcks, heiß Karpen, ein Mandelei, gebacken Grundeln, ein grün Mus, Hausen mit Essig, gebratene Fische, ein Krebsmus, gebackene Bieren, Galantin, Krebs. Des Tags syn ankommen: der Bischof von Gurk und ein ander Hispanisch Botschaft. Samstag ist kommen ryten umb vier Uren nach Mittag der Erzbischof zu Mainz, Uriel, dem der Kaiser mit den Kur- und Fürsten entgegen gezogen. Uff den heiligen Palmtag [4. April] ist Kais. Majestät im Dom zu Kirchen gewest mit nachfolgenden Kur- und Fürsten und Botschafter. Die kaiserlich und würtembergischen Sänger haben das Offizium und Passion figurirt und übermaßen wol. Der Stand in dem Dom war: a dextris [zur Rechten] Kaiser, Mainz, Trier, Pfalz, Herzog Friedrich, Herzog Hans, Würtemberg, Braunschweig, a sinistris [zur Linken] die Botschafter des Bapstes, Frankreich, Spanien, Navarra, der Bischof von Gurk, Oesterreich, Walachei. Der Esel ist wie von alters umgeführt und dem vor gefiedelt und die Lauten geschlagen worden. [...] Karfreitags hat Bruder Cuno, Predigerordens, um 6 Uhr vor dem Kaiser im Beisein Trier und Gurk und vieler Grafen und Herrn die Passion bis an die 8 Uhr gepredigt. [...] Um Ablaß zu verdienen, bin ich gegangen in die coenae domini [8. April] in 4 Stunden: Zum heiligen Kruze, zu St. Matthias, zu Löwenbrücken, zu den Carthusern, zu St. Johann, in das Deutschhaus, zu St. Martin, zu St. Simeon, zu St. Mergen [St. Marien], zu St. Paulin, zu St. Maximin, in den Dom, zu Unser Lieben Frauwen; uff Charfreitag zu den Predigern [Dominikaner], Knödelern [Franziskaner], Augustinern, Karmeliter, Samstags in die Pfarrkirchen zu St. Laurenzie, Gervasius, Antoni, Gangulf, Paulus, zu unser Lieben Frauwen. Gemelten Samstags ist Kais. Majestät langs der Stadt Graben, ihr Gebet gangen gen St. Maximin und St. Paulin, das Salve singen, orgeln und drummeln lassen. Ihre Majestät hat dem Prior zu St. Mathys gebeichtet. Mainz und Trier sind in der Ostermette gewesen. Uff dem heiligen Ostertag ist Kais. Majestät im Pallast blieben, und der Kurfürst zu Trier, Mainz und Herzog Hans in den Dom gangen. [...] Mittwochs [14. April] unter dem Morgenessen ist ryten ankommen Erzbischof Philipp von Cölln mit 108 Pferden. Den Abend haben Mainz und Cöln bei dem Kaiser gessen. Nach dem Essen syn by dem Kaiser gewest Trier, Mainz, Cölen und Pfalz bis 9 Uhren. [...] Den Tag [16. April] hat Kais. Majestät allen Kur- und Fürsten und Botschaften ansagen lassen, zu 3 Uhren nach Mittage uffm Rathause zu erscheinen. Welich Rathuß zugericht war in dem Collegio in Sand Diedrichs Gassen, zierlich und eerlich mit viel Gemächern. [...] Zu 4 Uhren hat Kais. Majestät proponieren lassen Ursache dies Reichstags und damit den Reichstage angehoben. Geschieden zwischen 5 und 6 Uhren. Samstags syn Kur- und Fürsten und Botschaften des morgens um 8 Uhren uffem Hus zu Rate gewest sine Caesare. Der Rat von Trier hat morgens und nach Mittage mit Drank und Confect den Herren eerlich collation zugericht, wiewol sie des nit nötig zu tun. In der Osterwochen ist uns Herrn Jesu Christi Rock fonden, quae (ut fertur) aliquantulum putrefacta et lacerata est, cum una preciosissima cruce aurea et aliis reliquiis notabilibus. Quasimodo [18. April] hat Kais. Majestät mit den Cartusern Misse figurieren und orgeln und den Basse nit einer Basune darinne blasen lassen. Montags syn Kurfürst, Fürsten und Stände des Reichs uff das Hus zu Rate geritten. Der Kaiser uff das Gerichts gegen Dagstuhl, Dinstags gegen Beckingen, den Mittwoch zu Hausbach 15 gelegen, Donnerstagzu Mittag zu Zerve gezehrt und um 6 Uhr wider gen Trier komme. Jetz gemelt Montags haben zu Mittag bei Trier gesessen Gurk und Serantiner. Denselben Montag ist kommen ryten Bischof Wilhelm von Straßburg mit 40 Pferden. Die Stände des Reichs haben einen Ausschuß verordnet, der ist Dienstag zu morgen zu Rat geritten, von Trier wegen Johann von Eltz, nachmittags die Kur- und Fürsten selbst. Des Herzogen von Jülich, Grave Wilhelm von Wied, Friedrich von Brambach und der Kanzler sind den Tag ankommen. Mittwoch ist ein ander französisch Botschaft köstlich ankommen. Die haben entfangen und ihr entgegen geritten von des Kaisers wegen Herzog Friedrich und der von Zollern mit anderen kaiserlichen Räten und ist zu St. Maximin losiert. Freitags in die Georgii [23. April] syn alle Kur-, Fürsten und Stende des Reiches uffm Hus zu Rate gewest, den Nachmittag der Ussschoß [Ausschuss]. Gemelt Tags hat der Kaiser in Beisein Kur- und Fürsten die französisch Botschaft und ihre Werbung gehört. Samstags ist man uffm Huse zu Rate gewest. By Cölln haben gessen Trier, Mainz und Pfalz, und hat 18 Gerichten geben. Den Tag hat der Kaiser einen Seehund in dem Weiher bei dem Daufborn hetzen lassen, der die Honde genommen, under das Wasser gezogen. Deshalben man den Weiher ußlassen müssen, sondt wäre er nit erlegt worden. [...] Montags ist man uff das Hus zu Rat geritten. Bei Trier [Erzbischof Richard von Greiffenklau] haben gessen Mainz, Bamberg und Straßburg. Nach dem Abendessen ist unser gnädiger Herr zum Kaiser in dene Pallast gangen, 800 Knecht halber, so zu Euren lagen, die Trier gerne uß dem Lande gehabt hätte. Uff den Tag ist Herrn Jakob von Eltz von Rom mit dem Pallio. Um 3 Uhren ist der Kaiser mit viel Fürsten zu St. Simeons-Porten ußgeritten lengs den Graben zu den Cartusern, da Vesper gehört, darna in das Feld beitzen geritten und um 7 Uhren wider kommen. [...] Das Landgrafen von Hessen zu Spangenberg Hus ist mit 20 Pferden und 11 Wagen ankommen. Mittwoch, Donnerstags, Freitags iterum ad consilium. [...] Der Kaiser hat eigener Person in Beisein Kur- und Fürsten Dienstags und Donnerstags nach der Missen sie Sach berüren des Grafen von Sonnenberg Totschlag zwischen dem Truchsessen von Walpurg und Grave Felix von Werdenburg nach der Länge verhört und nach Beschluß den Abschied gegeben, Ihre Majestät hab die Sache gehört, wolle nun darin handeln, wie sich gebüre. Montags Inventionis Crucis [3. Mai] hat im Dome Kais. Majestät der Kaiserin Frau Maria Blanka Begengnis tun lassen. Dienstags begehen lassen Erzbischofe Jakob zu Trier und andere Ihre das Jahr verstorbene Räte und Diener fast köstlich und zierlich. Den Tage ist der Kaiser zu Lützenburg geritten, die Nacht zu Machern gelegen. Den Nachmittag sind die Fürsten zu Rate gangen. [...] Mittwochs ist der Kaiser widder kommen. Donnerstags und Freitags iterum zu Rat. Zu Mittage Laurentius Campeius, orator Papae, bei Trier [Richard von Greiffenklau] gessen. Samstags ist der Ußschoß uffm Hus gewest. Sonntags Cantate [9. Mai] hat der Kaiser im Pallast Misse gehöret, die ist diskantieret, darin mit Zinken und Basune geblasen, in Beisein Trier, Mainz, Cöllen, Pfalz [...]. Nach der Missen und in Beisein Kur- und Fürsten hat der Kaiser der Schweiz Botschaft gehört. Trier hat den Morgen bei Würtemberg gegessen. Montag ist Pfalz anheim geritten. Die andern Kur- und Fürsten uffs Hus zu Rat. Dienstags ist Herzog H. hinweg geritten. Vor und nach Mittage ist man zu Rat gewest beüren Veränderonge diß Richstags gen Cölln, wie dann nachfolgendes auch geschehen.“ 16 17 Station VI: Der Heilige Rock und die Trierer Wallfahrten Schon im Mittelalter war Trier – neben Köln und Aachen – das wichtigste Pilgerziel im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Im Jahr 1127 war die Entdeckung des Grabes des Apostels Matthias in der Benediktinerabtei St. Eucharius inszeniert worden, was zu einem Doppelpatrozinium der Abtei in St. Eucharius/St. Matthias führte. Eine weitere bedeutende Reliquie lag mehr als 300 Jahre unberührt im Hauptalter des Trierer Doms: Das Gewand Christi, der Heilige Rock. Der Legende nach fand Helena, die Mutter des römischen Kaisers Konstantin des Großen, diese wertvolle Reliquie und brachte sie nach Trier. Auf Drängen Kaiser Maximilians erfolgte im Beisein vieler Bischöfe, Prälaten und einer Vielzahl weltlicher und geistlicher Amtsträger am 14. April 1512 die Öffnung des Hauptaltars. Ein Priester musste in einen Raum unter dem romanischen Hochaltar im Ostchor des Doms kriechen, um das Heiligtum zu bergen. Dort entdeckte er drei versiegelte Kisten, die neben dem Heiligen Rock Reliquien des heiligen Maternus, Teile der Geburtskrippe und Reste vom Gewand Marias enthielten. Am 2. Mai verkündete Weihbischof Johann Enen das Heiltum, einen Tag später wurde der Heilige Rock während des Gottesdienstes zum Jahresgedächtnis der verstorbenen Gemahlin des Kaisers, Maria Bianca Sforza, zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Die Präsentation des Rocks zog in den kommenden Wochen etwa 100.000 Gläubige, Pilger und Schaulustige an. Von nun an fanden Heiltumsweisungen jährlich, ab 1517 im Sieben-Jahres-Rhythmus analog zu den Wallfahrten nach Aachen statt. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die Abstände unregelmäßiger. Die letzte Zeigung erfolgte im Jahr 1996, zu der abermals Hunderttausende von Pilgern in die Stadt und den Dom strömten. a b c d e f Abb. 15: Trierer Wallfahrtsandenken Das Stadtmuseum verwahrt zahlreiche Andenken früherer HeiligRock-Wallfahrten, die aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert stammen. Abb. 15a: Angerührtes Applikationsbild mit dem Hl. Rock, 1765, Papier, Metallfolie, Drahtarbeit, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Abb. 15b: Kastenbild Hl. Rock, 1810, Pappe, Seide, Pailetten, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Abb. 15c: Andenkenbild mit Darstellung der Hl. Helena, 1844, Dembour und Gangel, Metz, Lithographie, koloriert, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Abb. 15d: Andenkenbild zur HeiligRock-Ausstellung 1891, 1891, Pappe, Samt, Lamé, Seide, Glas, Messing, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Abb. 15e: Tonplakette mit dem Hl. Rock, von zwei Engeln gehalten, 1933, Speicher, salzglasiertes Steinzeug, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Abb. 15f: Pilgerandenken an die Wallfahrt 1996, 1996, Hl. Rock, in Keramik geformt, Stadtmuseum Simeonstift Trier. 18 Abb. 16: Erzbischof Richard von Greiffenklau zeigt Kaiser Maximilian den Heiligen Rock, Hans Burgkmair, 1512/13, Faksimile des Holzschnitts aus der Weisskunig, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Kinderstation – Der Heilige Rock Die berühmteste Reliquie in Trier ist der „Heilige Rock“. Sie wird im Dom aufbewahrt. Falls ihr nicht so genau wisst, was Reliquie eigentlich bedeutet: Eine Reliquie ist ein Gegenstand, der sich einst im Besitz einer heiligen Person befand. Auch ein Körperteil eines Heiligen kann als Reliquie verehrt werden, wie etwa ein Armknochen, oder Stoffreste seiner Kleidung. Der Heilige Rock, der in diesem Jahr in Trier erstmals seit 16 Jahren wieder gezeigt wird, ist eine ganz besondere Reliquie. Schon seit Hunderten von Jahren wird er als Gewand von Jesus Christus verehrt. Er soll von der Heiligen Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, in Jerusalem entdeckt und dann nach Trier gebracht worden sein. Damit ihm nichts passiert, wurde das Gewand im Trierer Dom aufbewahrt. Millionen von Menschen kamen und kommen seitdem von weit her, um den Heiligen Rock zu sehen. So ist es auch in diesem Jahr. Als Erinnerung an ihre Reise nehmen sich viele kleine Andenken mit. Eine Auswahl solcher Erinnerungsstücke kannst du in der Vitrine vor dir sehen. Station VII: Die Krise des 16. Jahrhunderts 19 Ereignisse wie die Heiltumsweisungen verdeutlichen die Macht und das Ansehen, die geistliche Institutionen auch im 16. Jahrhundert in Trier noch innehatten, obwohl sich die erzbischöfliche Residenz bereits unter den Regierungen von Kuno II. von Falkenstein (1362 – 1388) und Werner von Falkenstein (1388 – 1418) zunehmend nach Koblenz verlagert hatte. Dieser Umstand wirkte sich auch auf die Stadtentwicklung aus. Eine schwere militärische Auseinandersetzung musste die Stadt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts überstehen, als Trier von einem großen Heer unter Franz von Sickingen (1481 – 1523) belagert wurde. Sickingen war 1522 von der Versammlung der südwestdeutschen Reichsritterschaft zu ihrem Hauptmann gewählt worden. Da Sickingen – nach eigener, überlieferter Aussage – ein eigenes Fürstentum gewinnen und selbst Kurfürst zu werden wünschte, begann er eine Fehde gegen einen der mächtigsten Fürsten des Reiches, den Trierer Erzbischof. Sickingen stand den reformatorischen Gedanken nahe. Hätte er gesiegt, wären der Reformation die Tore ins Rheinland weit geöffnet worden. Die Belagerung Triers begann am 8. September 1522. Franz von Sickingen errichtete seine Lager bei St. Matthias und in der Nähe Olewigs. Zum Schutz der Belagerten und um ein freies Schussfeld zu haben, beschlossen der Erzbischof und der Stadtrat, die Vororte Zurlauben, Maar, Barbeln, die Trierer Kartause sowie Stallung und Scheune von St. Maximin niederzubrennen. Sickingen hingegen ließ Aufforderungsschreiben mittels Armbrust über die Stadtmauer schießen, die Tore zu öffnen und sich zu ergeben. Den Bolzen folgten Kanonenkugeln, die Belagerer beschossen die Stadt von den östlichen und nordöstlichen Höhenlagen, wie – so die Überlieferung – auch vom Petrisberg aus. Noch heute wird der dort befindliche Hügel „Franzensknüppchen“ bzw. Franzensköppchen genannt. Vermutlich diente dieser Hügel Sickingen allenfalls als Befehlsstandpunkt, denn Kanonenkugeln dürften von dort aus aufgrund ihrer damaligen Reichweite kaum ihr Ziel erreicht haben. Die Stadt unter Führung des Erzbischofs leistete erbitterten Widerstand. Bereits am 14. September zog Franz von Sickingen mit seinen Truppen ab und kehrte in seine Burg Landstuhl zurück, die daraufhin vom vereinten Heer des Trierer Kurfürsten, des hessischen Landgrafen und des pfälzischen Kurfürsten belagert wurde. Während der Blockade kam Sickingen am 7. Mai 1523 ums Leben. Abb. 17: Das Stadtmodell „Trier um 1800“, Maßstab 1:333, Albert Kiefer, 1954 – 1973, Holz, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Insgesamt 19 Jahre Arbeit stecken in dem von Albert Kiefer gefertigten Stadtmodell, das Trier in der Zeit um 1800 zeigt. Zwar stand die Stadt damals bereits unter französischer Herrschaft, Klöster und Stifte waren aber noch nicht aufgehoben. Die Säkularisierung fand erst 1802/03 statt. Daher spiegelt das Stadtmodell noch im Wesentlichen den Zustand des Hoch- und Spätmittelalters wider. Lediglich einige barocke Anlagen, wie der Südflügel des Kurfürstlichen Palais oder der Kornmarkt, sind zu erkennen. Vor allem im Westen der Stadt, am Moselufer, lagen noch einige große Flächen innerhalb des Mauerberings unbebaut brach. Meist wurden sie als Gärten genutzt. 20 Die das Stadtbild dominierenden Gebäude waren sowohl im Mittelalter als auch in der Frühen Neuzeit die Sakralbauten: der Dom und die Liebfrauenkirche, das Kurfürstliche Palais mit der Basilika und die 21 Klöster, Kommenden und Stifte, die sich innerhalb der Stadtmauer befanden. Abb. 18: Bartholomaeus Latomus: Factio memorabilis francisci ab Siccingen cum Treuirorum osidione. Köln: Cervicornus 1523. Eingeklebtes Porträt von Franz von Sickingen aus einer Kupferstichfolge – Trier, Stadtbibliothek 1/74 8 (Provenienz Franz Xaver Kraus). Abb. 19: „Plan der Hauptstadt Trier mit ihren Gegenden, D. Fischbach den Sohn“, um 1800, kolorierte Handzeichnung, 46,4 x 69,4 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Station VIII: Reformation und Humanismus 21 Im Jahr 1521, neun Jahre nach der ersten Zeigung des Heiligen Rocks, traf Martin Luther (1483 – 1546) auf dem Wormser Reichstag auf Richard von Greiffenklau. Kaiser Karl V. persönlich (1500 – 1558) hatte Luther nach Worms zitiert, damit er dort seine 1517/19 formulierten Thesen öffentlich widerrufe. Der Trierer Erzbischof Greiffenklau war als Schiedsrichter zur Anhörung geladen. Aus dem Jahr 1522 ist von Martin Luther eine Predigt in Erfurt überliefert, in der er auf den Heiligen Rock, den „Rock Christi zu Trier“ eingeht. Mit diesem, so Luther, habe man „ein sunderlich fest und grewlich spiel angerichtet“. Unmissverständlich sprach er sich gegen die wieder aufkommenden und von der katholischen Kirche groß initiierten Wallfahrten aus. Das 16. Jahrhundert muss daher auch als Zeit des Umbruchs, als Zeitalter des Humanismus gewertet werden. Letzterer fand gerade in Trier in der beginnenden Antikenrezeption seinen Ausdruck. Aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert ist ein lateinisches Gedicht erhalten, das der berühmte Wiener Professor Conrad Celtis (1459 – 1508) verfasste. In diesem rühmt er die Vergangenheit Triers, indem er auf ihre antiken Ruinen, Götterbilder, römischen und griechischen Inschriften und auf Grabfunde eingeht. Während des Reichstags 1512 befand sich auch der Humanist Willibald Pirckheimer (1470 – 1530), ein enger Berater Kaiser Maximilians I., in der Stadt, um antike Inschriften zu erforschen. Erstmals nach den Gesta Treverorum des frühen 12. Jahrhunderts, erschien 1514 unter dem Titel Medulla Gestorum Trevirensium wieder eine Stadtgeschichte – noch dazu in deutscher Sprache. Eine lateinische Übersetzung folgte 1517. Die Medulla ist ein Heiltumsdruck, der übersetzte Texte zu Trebeta, Helena und Eucharius aus den Gesta enthält. Ihr Verfasser war Johann Enen, Trierer Weihbischof und Rektor der Universität, dessen eigene Beobachtungen, etwa zu den Barbarathermen oder zum Amphitheater, ebenfalls mit in die Texte einflossen. Als Maximilian im Jahr 1517 ein weiteres Mal Trier besuchte, ließ er sich die Altertümer der Stadt ausführlich erläutern. Weitaus später, bereits im 19. Jahrhundert, schuf Johann Anton Ramboux (1790 – 1866) beeindruckende Ansichten Triers, die uns den damaligen Zustand der antiken Bauten vor Augen führen. 20 Abb. 20 – 21: Trier-Ansichten Johann Anton Ramboux Aus der Zusammenarbeit des Künstlers Ramboux und des Trierer Gelehrten Johann Hugo Wyttenbach (1767–1848) entstand das Projekt Malerische Ansichten der merkwürdigsten Alterthümer und vorzüglicher Naturanlagen im Moselthale bey Trier. Das erste Heft dieser lithographischen Reihe erschien im Jahr 1824. Abb. 20: Amphitheater, Johann Anton Ramboux, 1824 – 1827, Lithographie, 38 x 50,5 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Ab 1816 wurden die noch erhaltenen Reste des römischen Amphitheaters freigelegt. Zu sehen sind in dem Werk von Ramboux die Ruinen des ehemaligen Südeingangs. Abb. 21: Römische Bäder (Kaiserthermen), Johann Anton Ramboux, 1824 – 1827, Lithographie, 38,6 x 50 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. 21 Die Reste der römischen Kaiserthermen wurden ab 1817 freigelegt. Partien einer mittelalterlicher Bebauung wurden entfernt, die im Hochmittelalter zunächst als Sitz eines Trierer Burggrafen, später als Eckbastion und Tor der Stadtbefestigung gedient hatten. Ähnlich wie beim Blatt mit der Porta Nigra gibt Ramboux auch hier das römische Mauerwerk minutiös wieder. 22 Abb. 22: Die Porta Nigra als St. Simeonskirche, Caspar Merian, 1670, Kupferstich, 28 x 37 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Nachdem das Stift St. Simeon im Jahr 1802 unter der französischen Besatzung säkularisiert worden war, ordnete Napoleon Bonaparte (1769 – 1821) die Entfernung aller mittelalterlichen Einbauten an. Zum Abschluss kamen die Arbeiten allerdings erst zwischen 1815 und 1817 unter der preußischen Regierung. Im Jahr 1822 konnte die Porta Nigra als Stadttor wiedereröffnet werden. Abb. 23: Plakette mit Brustbild Martin Luthers, wohl 19. Jh., Zinn (bemalt), 25,7 x 21,2 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Station IX: Caspar Olevian und der Reformationsversuch Einige Jahrzehnte nach dem Thesenanschlag Luthers in Wittenberg und nach dem Deutschen Bauernkrieg fand im Jahr 1559 auch in Trier ein Reformationsversuch statt. Dieser ist untrennbar mit dem Namen Caspar Olevian (1536 – 1587) verbunden, der sich selbst nach Art der Humanisten Olevianus nannte. Er wurde am 10. August 1536 im noch heute erhaltenen gotischen Haus „Wittlich“ in der Grabenstraße geboren. Zwischen 1553 und 1557 studierte er in Orléans und Bourges Jura. Nach seiner juristischen Promotion ging er in die Schweiz, um dort Theologie zu studieren. Sein Lehrer und Mentor in Genf war kein Geringerer als der bekannte Reformator Johannes Calvin (1509 – 1564), der Begründer des Calvinismus. In Zürich lernte Olevian zudem Heinrich Bullinger (1504 – 1575) kennen und schätzen. Es war Calvin, der den gebürtigen Trierer zurück in seine Heimatstadt schickte, wo ihm der Stadtrat eine Anstellung an der dortigen Fakultät anbot. Olevian sollte der Stadt bei der Durchsetzung reformatorischer Ideen behilflich sein. Seine erste große Rede ist für den 10. August 1559 überliefert. Kurz darauf wurde Olevian die Kirche des Bürgerspitals St. Jakob als Predigtraum zur Verfügung gestellt. Hier versammelte er mit der Zeit eine stetig wachsende Zahl von Anhängern. Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 besagte, dass ein Landesherr das Recht besaß, über die Konfession seiner Untertanen zu bestimmen. Am 11. September 1559 forderte daher der Trierer Erzbischof Johann VI. von der Leyen (1556 – 1567), Olevian zu verhaften. Am 3. Oktober bestritt er zudem offen das Recht der Stadt zur Reformation. Mit seinen Truppen belagerte von der Leyen Trier von seinem Amtssitz in Pfalzel aus, bis sich Olevian acht Tage später freiwillig in Haft begab – nicht zuletzt, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Am 15. November wurde dem Reformer der Prozess wegen Rebellion und Landfriedensbruch gemacht. Olevian wurde jedoch gegen eine Bußgeldzahlung am 19. Dezember freigelassen. Kurz darauf verließ er gezwungenermaßen aber „frei“ seine Heimatstadt. Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz (1559 – 1576) berief Olevian an die Universität Heidelberg, wo er zunächst als Lehrer kirchliche Dogmatik unterrichtete und später zum Leiter des Predigerseminars aufstieg. Hier entstand auch der Heidelberger Abb. 24: Portrait des Caspar Olevianus, Heinrich Hondius, 1602, Kupferstich, 19,2 x 13,1 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Auch wenn der Reformationsversuch im Jahr 1559 in Trier verhindert wurde, gilt Caspar Olevian noch heute als bedeutender Reformator aus dem Rheinland und wegweisender calvinistischer Theologe. Nach seiner Ausweisung aus der Stadt folgte er dem Ruf des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz an die Universität in Heidelberg, wo er zum Doktor der Theologie promoviert wurde und als Professor für Dogmatik lehrte. Als sich jedoch in Heidelberg die Lehre Luthers durchsetzte, musste Olevian auch diese Stadt verlassen. 23 Katechismus, das bekannteste Werk Olevians, das er zusammen mit Zacharias Ursinus (1534–1583) verfasst hatte. 1584 gründete Olevian schließlich die Hohe Schule in Herborn. In dieser Stadt starb er drei Jahre später an den Folgen eines Unfalls. Im Jahr 1560, ein Jahr nachdem Caspar Olevian seine Heimatstadt verlassen musste, begannen in Trier gegenreformatorische Maßnahmen. Erzbischof Johann VI. berief den Jesuitenorden dauerhaft in die Stadt, deren Prediger erfolgreich alle reformatorischen Ideen in der Stadt abwehrten. Gleichzeitig behauptete sich der Erzbischof gegen die zunehmenden Bestrebungen der Trierer Bürgerschaft, die Stadt Trier für reichsunmittelbar zu erklären und sich damit seinem herrschaftlichen Zugriff zu entziehen. Abb. 25: Anstellung Olevians durch den Rat der Stadt Trier 1559, Papier, 24. Juni 1559, 33 x 22 cm, Stadtarchiv Trier, Ta 24/1, Caps. A 43. 24 Station X: Niederlage im Kampf um die städtische Unabhängigkeit 25 Der Kampf zwischen Stadt und Kurfürst um die Stadtherrschaft führte 1568 zum sogenannten „Bohnenkrieg“. Während dieser Auseinandersetzung kam es zu einer erneuten Belagerung Triers durch kurfürstliche Truppen. Erst als Kaiser Maximilian II. (1564 – 1576) sich einmischte und einen kaiserlichen Kommissar entsandte, wurde das Bombardement auf die Stadt eingestellt. Es folgte der Reichsunmittelbarkeitsprozess vor dem Reichshofrat, bei dem über die seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bestehende Behauptung Triers eine freie Reichsstadt zu sein, entschieden wurde. In dem sich über zwölf Jahre erstreckenden Prozess wurden mehr als 300 Zeugen angehört. Im Jahr 1580 verkündete Kaiser Rudolf II. (1576 – 1612) dann sein Urteil: Trier blieb Landstadt, d.h. der Status als Reichsstadt wurde ihr nicht zugesprochen! Dieses Urteil bedeutete das Ende aller städtischen Unabhängigkeitsbestrebungen, Trier blieb de iure unter der Herrschaft des Kurfürsten. Am 24. Mai 1580 zog Jakob III. von Eltz (1567 – 1581) mit mehr als 600 Fußsoldaten und Reitern in Trier ein. Von den Bürgern der Stadt ließ er sich die Stadtschlüssel übergeben. Auf dem Hauptmarkt nahm er zudem die Eidesleistung von 875 Bürgern entgegen. Zwei Monate nach dem niederschmetternden Urteil erließ der Erzbischof eine neue Stadtordnung, nach ihm „Eltziana“ genannt. An der Spitze der Stadtverwaltung stand nun ein kurfürstlicher Statthalter, der den beiden Bürgermeistern übergeordnet war. Den im Rat vertretenen fünf Schöffen wurde ein erzbischöflicher Schultheiß an die Seite gestellt. Auf diese Weise kam es zu einer weitreichenden kurfürstlichen Kontrolle der Stadtverwaltung. Die neue Verfassung blieb nahezu unverändert bis in das Jahr 1794 bestehen. Seit dem 15. Jahrhundert waren sogenannte Gerechtigkeits- oder Gerichtsbilder in Gerichtssälen der deutschen Rechtsgebiete weit verbreitet. Mit solchen Darstellungen sollte den Richtern stets eine gerechte Amtsführung mahnend vor Augen geführt werden. Das dreiteilige Trierer Gerichtsbild vereint in seiner Darstellung die irdische und himmlische Gerichtsbarkeit. Nach der Niederlage im Reichsunmittelbarkeitsprozess 1580 hatte die Stadt die wichtigsten Gerichtskompetenzen verloren. Die Blut- und Kriminalgerichtsbarkeit lag alleine beim kurfürstlichen Hochgericht, das im Mittelteil gezeigt wird. Zu sehen ist der Schultheiß auf dem Richterstuhl. An seinem Revers ist das kurfürstliche Wappen zu erkennen. Ein solches trägt auch der Scharfrichter zu seiner Rechten. In der angrenzenden Darstellung thront Christus als Weltenrichter, flankiert von Maria und Johannes dem Täufer. Auf dem Erdenreich kämpfen unterdessen ein Engel und ein Teufel um die Seele eines Mannes. Rechts neben der Gerichtsszene ist die Justitia zu sehen. Der Auftraggeber dieser Tafel ist anhand des links neben der Christus als Weltenrichter-Darstellung befindlichen Wappens leicht zu identifizieren, es ist das Wappen Erzbischof Johann von Schönenbergs. Die langgestreckten Tafeln zu beiden Seiten stellen die 17 Stadtteile, geistliche Institutionen oder umgebende Abb. 26: Trierer Gerichtsbild von 1589, Kopie nach einem älteren Vorbild, 1589, Ölgemälde, 41 x 356,5 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Ortschaften des kurfürstlichen Hochgerichts dar. Großer Wert wurde auf charakteristische Erkennungsmerkmale der Gebäude gelegt. Zu sehen sind auf der linken Tafel Euren, Maar, Kürenz, St. Matthias, St. Maximin, St. Medard, St. Marien und Pallien. Die rechte Tafel zeigt Trierweiler, Fusenig, Oberkirch, Konz, Niederkirch, Heiligkreuz, Olewig, Zewen und St. Paulin. Dass die genannten geistlichen Institutionen eigene Gerichtsbarkeiten besaßen, wird in dieser Darstellung ignoriert. Abb. 27: Erzbischof Jakob III. von Eltz, 16. Jh., Öl auf Leinwand, 39,7 x 30,6 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier. Abb. 28: Erste Seite der Eltziana von 1580, Stadtarchiv Trier, Stadtarchiv Urk. L 34, Perg. 26 Literatur Anton, Hans Hubert/Haverkamp, Alfred (Hg.), Trier im Mittelalter (2000 Jahre Trier 2), Trier 1996. Aretz, Erich, u.a. (Hg.), Der heilige Rock zu Trier. Studien zur Geschichte und Verehrung der Tunika Christi, Trier 1995. Clemens, Lukas/Clemens, Gabriele, Geschichte der Stadt Trier, München 2007. Dühr, Elisabeth u.a. 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Gesta Treverorum, Bde. 1 – 8, Trier 1955 – 1965. 27 Impressum Herausgeber: Stadtmuseum Simeonstift Trier Text: Daniel Bauerfeld M.A. Redaktion Prof. Dr. Frank G. Hirschmann und Prof. Dr. Lukas Clemens Lektorat: Dr. Bernd Röder und Dr. Sonja Mißfeldt Layout: Annette Massing/Silke Jaspers, segno – visuelle kommunikation, Trier Trier, 2012 28