pdf-Ausgabe: Bruck unterm Hakenkreuz

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pdf-Ausgabe: Bruck unterm Hakenkreuz
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
STAND: MONTAG, 22. SEPTEMBER 2014, 10:00 UHR
Bruck
unterm Hakenkreuz
Bruck an der Großglocknerstraße 1930 - 1945
1
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Mit Unterstützung von:
2
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Inhalt
1
Einleitung ........................................................................................................ 5
2
Die 1930er Jahre ............................................................................................. 6
2.1
Wirtschaftliche Lage in der Region ........................................................... 6
2.1.1
2.2
Bau der Großglockner-Hochalpenstraße .......................................... 7
Politische Lage in der Region ................................................................... 9
2.2.1
Die NSDAP - Struktur in Bruck ........................................................ 10
2.2.2
Kommunistische Tätigkeit im Land Salzburg 1936 während des
Austrofaschismus .......................................................................................... 11
3
4
Der „Anschluss“, März 1938 ........................................................................ 12
3.1
„Mit Gott und unserem Führer ‚Adolf Hitler‘ in eine glückliche Zukunft“ .. 12
3.2
Die Bürgermeister 1936 - 1945 .............................................................. 15
3.3
Kriegsalltag im Spiegel der „Heimatbriefe“ ............................................. 17
Widerstand und Verfolgung ........................................................................ 34
4.1
Die Kirche ............................................................................................... 34
4.2
Deserteure und ihre Familien ................................................................. 34
4.2.1
Das Beispiel Josef Linsinger (jun.) .................................................. 35
4.2.2
Das Beispiel Elisabeth Lechner, verh. Oblasser ............................. 35
4.3
Die Eisenbahner ..................................................................................... 36
4.3.1
4.4
5
Das Beispiel Nikolaus Schwarz ....................................................... 38
Denunziation .......................................................................................... 39
4.4.1
Das Beispiel Anton Höller ............................................................... 39
4.4.2
Das Beispiel Johann Seeber ........................................................... 40
4.4.3
Das Beispiel Rosa Holzner ............................................................. 41
4.4.4
Arbeiter der Firma Redlich & Berger ............................................... 41
4.4.5
Das Beispiel Anton Werber ............................................................. 42
4.4.6
Das Beispiel Anna und Franz Renner ............................................. 43
Caritas Anstalt St. Anton ............................................................................. 44
5.1
Philipp Bouhler und das „NS-Euthanasieprogramms – T4“. ................... 45
5.2
„Euthanasieopfer“ aus St. Anton ............................................................ 46
3
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
6
7
5.3
Deportation im Juni 1940 ....................................................................... 47
5.4
Deportation im Mai 1941 ........................................................................ 48
5.5
Das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas Anstalt .............. 49
5.6
„Kinder-Euthanasie“ am Wiener „Spiegelgrund“ ..................................... 50
5.7
Zwangssterilisierung von „erbkranken Anstaltsinsassen“ ....................... 51
Zwangsarbeit in der Region ........................................................................ 51
6.1
Großeinsatz nach einem Spanferkeldiebstahl ........................................ 53
6.2
Zivilcourage in der Gemeinde am Beispiel Maria Eder ........................... 54
6.3
Das Beispiel Agnes Primocic ................................................................. 55
6.4
„Verbotener Umgang“ mit Kriegsgefangenen ......................................... 56
6.5
Das Schicksal von Giuseppe Groppo ..................................................... 58
Schloss Fischhorn ....................................................................................... 60
7.1
Familie Gildemeister............................................................................... 60
7.2
Fischhorn als Nebenlager des KZ Dachau ............................................. 61
7.3
Die Familie Fegelein............................................................................... 64
7.4
Böcklins „Kentaurenkampf“ .................................................................... 69
7.5
Restitution polnischer Kulturgüter........................................................... 70
7.6
Limoges-Kreuz ....................................................................................... 76
8
Die letzten Tage ............................................................................................ 77
9
Nachwort ....................................................................................................... 80
10 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................... 82
11 Danksagung .................................................................................................. 83
12 ZeitzeugInnen ............................................................................................... 83
13 Quellen .......................................................................................................... 84
13.1
Gedruckte Quellen ................................................................................. 84
13.2
Internetquellen ....................................................................................... 86
13.3
Ungedruckte Quellen, Archivmaterial ..................................................... 87
14 Namensregister ............................................................................................ 89
4
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
1 Einleitung
Die Gemeinde Bruck an der Großglocknerstraße im Land Salzburg ist eine der
ersten
Gemeinden
im
Pinzgau,
die
eine
umfassende
wissenschaftliche
Aufarbeitung ihrer Gemeinde über die Zeit während des Nationalsozialismus
durchführen lässt. Topografisch hat Bruck eine Sonderstellung in der Region. Die
Gemeinde wird vor und während der NS-Ära vor besondere Herausforderungen
gestellt. Der Bau der Großglocknerstraße, der in den 1930er Jahren tausende
Arbeitslose
in
die
Widerstandsaktivitäten
Region
der
führt;
die
Eisenbahner
Lage
bringt;
an
der
Westbahn,
die
Schloss
Fischhorn,
SS-
Remonteamt1 und Außenkommando vom Konzentrationslager Dachau; die Nähe
zu Kaprun, wo „Fremdarbeiter“ 2 , anfangs freiwillig, später unter Zwang, beim
Kraftwerksbau beschäftigt sind; das Schicksal der Kinder der Caritas Anstalt St.
Anton, die im Nationalsozialismus als „unwertes Leben“ eingestuft werden.
Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge prägen das Bild der
Kriegsjahre in Bruck: polnische Kriegsgefangene sind in der Landwirtschaft
eingesetzt; französische Zwangsarbeiter werden zum Bau der Schleppbahn
zwischen Bruck und Kaprun sowie zum Bau des Güterweges in St. Georgen
herangezogen; russische Gefangene arbeiten im Magnesitwerk bei Judendorf; KZHäftlinge müssen Renovierungsarbeiten im Schloss Fischhorn durchführen.
Gegen Ende des Krieges muss Bruck tausende Flüchtlinge aus dem Norden und
Osten aufnehmen. Führende Nationalsozialisten und Angehörige der Waffen-SS
versuchen in den letzten Tagen in der Region ihre Raubgüter zu verstecken und
sicherzustellen; Zivilisten und Soldaten der Wehrmacht sind auf der Flucht vor der
anrückenden russischen Armee und lassen sich in der Region um Bruck nieder.
1
Pferdezuchtanstalt im Schloss Fischhorn durch die Waffen-SS
Im Zeitraum 1939 bis 1945 sind laut Margit Reiter in Kaprun ca. 6.300 ausländische Arbeiter
beschäftigt, siehe dazu:
http://www.salzburg.com/wiki/index.php/NS-Zwangsarbeit_am_Beispiel_Tauernkraftwerke_Kaprun
22
5
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Die vorliegende Arbeit versucht ein Bild dieser Zeit in Bruck zu zeichnen.
Besonderes Augenmerk wird auf die Jahre vor 1938 gelegt; sie sind letztlich dafür
verantwortlich, dass es überhaupt zum „Anschluss“ kommen kann. Die
wirtschaftliche und politische Situation der 1930er Jahre ist eine der Ursachen,
dass viele Bruckerinnen und Brucker den Nationalsozialisten zujubeln. Für viele ist
Adolf Hitler „die letzte Hoffnung“ – und der Beginn der größten Katastrophe des 20.
Jahrhunderts.
Neben der im Anhang angeführten Literatur basiert die Arbeit auf Unterlagen in
folgenden
Archiven:
Landesarchiv Salzburg,
Landesarchiv
Oberösterreich,
Bezirksarchiv Pinzgau, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes,
Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz, Österreichisches
Staatsarchiv und Privatarchiv von Gernod Fuchs, das umfangreiche Dokumente
über die Gendarmerie in Salzburg während der NS-Zeit beinhaltet. Die
Aufarbeitung der Schicksale ehemaliger BewohnerInnen der Caritas Anstalt St.
Anton in der Zeit des Nationalsozialismus ist der beachtenswerten Dokumentation
von Christina Nöbauer („Opfer der Zeit“, Zell am See 2014) zu verdanken.
Darüber
hinaus
wurden
Gemeinderatsprotokolle
sowie
die
Chronik
der
Gendarmerie in Bruck im beschriebenen Zeitraum analysiert und eingearbeitet.
Gespräche mit ZeitzeugInnen versuchen ein Bild der NS-Ära, abseits der
Aktenlage, zu zeichnen.
2 Die 1930er Jahre
2.1 Wirtschaftliche Lage in der Region
Wer sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt, muss sich auch mit der Zeit der
frühen 1930er Jahre in der Region Zell am See befassen. Die Weltwirtschaftskrise,
große Hungersnot und der politische Druck vom benachbarten Deutschland
prägen ein Bild der Unzufriedenheit. Die Situation zwischen Österreich und
Deutschland ist nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland
angespannt. Im Frühjahr 1933 verschärft sich die Lage nach einer Reihe von
Anschlägen der Nationalsozialisten in ganz Österreich. Die Behörden unter dem
sich etablierenden austrofaschistischen Regime gehen hart gegen die deutschen
6
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Nationalsozialisten vor. Adolf Hitler antwortet mit wirtschaftlichem Druck: Deutsche
Staatsbürger, die Österreich besuchen wollen, müssen ab Mai 1933 eine
„Ausreisegebühr" von eintausend Reichsmark (rund das Vierfache eines
durchschnittlichen
Monatseinkommens!)
bezahlen.
Die
Folgen
dieser
„Tausendmarksperre“ sind für das Land Salzburg katastrophal: Große Verluste im
Handel, im Gewerbe und im Tourismus verschärfen die ohnehin angespannte
soziale Situation. Vor allem die Tourismusregion Zell am See ist von dieser
„Tausendmarksperre" durch den Ausfall des Fremdenverkehrs besonders
betroffen. Die Arbeitslosigkeit trifft nun auch den Bereich Tourismus. Erst im
Sommer 1936 wird die „Tausendmarksperre“ wieder aufgehoben.3
2.1.1 Bau der Großglockner-Hochalpenstraße
Als Ende der 1920er Jahre bekannt wird, dass der Bau der Großglocknerstraße
geplant ist, strömen tausende Arbeitslose in die Region, um Arbeit zu finden. Sie
übernachten in Wiesen und Ställen und hoffen auf Arbeit. Landeshauptmann
Franz Rehrl appelliert im August 1930 eindringlich an die Bundesregierung,
unverzüglich mit dem Bau zu beginnen. Der Baubeginn der Großglocknerstraße
ist
letztlich
keine
verkehrspolitische
Frage,
sondern
erfolgt
„aus
dem
Gesichtspunkt der Vermeidung der Arbeitslosigkeit“. 4 Der Ministerrat beschließt
am 4. August 1930 den Bau der Straße. Die Not und der Hunger in der Region
kann allerdings auch damit nicht eingedämmt werden. In den Jahren 1932 und
1933 kommt es im Raum Zell am See immer wieder zu Hungerdemonstrationen
und Hungermärschen, an denen hunderte PinzgauerInnen teilnehmen. 5 Auch die
Aufstockung von Gendarmeriebeamten, die diese Kundgebungen zerstreuen,
ändert nichts am Grundproblem.
1932 prüft der Rechnungshof den Straßenbau und kritisiert unter anderem den
voreiligen Baubeginn. Der Bericht an die Bundesregierung zeigt, wie angespannt
die wirtschaftliche Situation in der Region ist:
3
Vgl. Rudolf Leo: Pinzgau unterm Hakenkreuz, S 11
Vgl. Winfried R. Garscha: Zur Kontrolle der Staatsausgaben in Zeiten des drohenden
Staatsbankrotts. Streiflichter aus der Tätigkeit des Rechnungshofes vor und nach der Errichtung
des „Ständestaates“, S 8
5
Vgl. Rainer Hochhold: Zell am See, Eine historische Zeitreise, S 288
4
7
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
„Das Landesgendarmeriekommando für Salzburg meldet an das Amt
der
Salzburger
genommenen
Bauarbeiten,
angehefteten
auswärtiger
Landesregierung,
dass
ungeachtet
Warnungsplakate,
Arbeitssuchender
der
einen
zur
die
in
in
Aussicht
den
Gemeinden
starken
Zustrom
Folge
hätten.
Die
zugereisten arbeitslosen Elemente seien begreiflicher Weise
sehr enttäuscht, wenn sie ihre Hoffnung auf Arbeit betrogen
sähen. Da ihnen für die Heimreise das Geld mangle, seien sie
gezwungen, die Mildtätigkeiten der Bevölkerung in Anspruch zu
nehmen,
so
gesprochen
dass
werden
bereits
könne.
von
Es
einer
mussten
schweren
manche
Landplage
Landwirte
die
Beherbergung von nicht selten 20-30 der zugereisten Arbeiter
übernehmen.
ihren
Da
diese
Forderungen
um
umherziehenden,
Almosen
oft
bettelnden
durch
Elemente
entsprechenden
Drohungen Nachdruck verliehen, werde die Landbevölkerung sehr
eingeschüchtert und wage in vielen Fällen gar nicht, die
Arbeitslosen abzuweisen, da sie Rache fürchte.“6
Zeitzeugin Susanne Pinn erinnert sich:
…Wenn man die Zeit von 1938 bis 1945 verstehen will, muss man schon die Jahre vorher sehen.
Nach der Weltwirtschaftskrise war eine elende Zeit. Die Hypo-Banken haben Wucherzinsen – bis
zu 10 Prozent – verlangt. Da sind viele Bauern zugrunde gegangen. Überall herrschte Hunger. Die
Bettler sind zu uns auf den Hof gekommen und gefragt, ob sie bei der Heuernte mithelfen können.
(…) Der Schütthofbauer hat sich wegen der Schulden erschossen; jetzt ist dort der Porsche
drinnen…
7
Zeitzeuge Matthias Katsch, Sohn eines Eisenbahners:
„Es war erschreckend: Die jungen Leute, besonders die Männer waren auf der ‚Walz‘, von Haus zu
Haus betteln. Die Männer, die Bauernknechte waren, bekamen im Monat 5 Schilling und vielleicht
im Jahr ein paar Schuhe und einen Anzug. Der Schuster und der Schneider kamen zu den
Bauernhöfen, um dort ihre Sachen anzufertigen, weil es dann für die Bauern billiger war.“
8
6
Winfried R. Garscha: Zur Kontrolle der Staatsausgaben in Zeiten des drohenden Staatsbankrotts.
Streiflichter aus der Tätigkeit des Rechnungshofes vor und nach der Errichtung des
„Ständestaates“, S 7 ff
7
Zeitzeugininterview Susanne Pinn, 10.2.2014
8
Schriftliche Aufzeichnungen Matthias Katsch und Zeitzeugeninterview 10.2.2014
8
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
2.2 Politische Lage in der Region
Die Wahlergebnisse der frühen 1930er Jahre für die Nationalsozialisten (NSDAP)
in der Region Zell am See sind beachtlich. Mehr als 700 Menschen votieren in Zell
am See bei der Landtagswahl 1932 für die NSDAP. Das entspricht einem
Wähleranteil von 20,53 Prozent. Damit zählt Zell am See zu den Hochburgen der
Nationalsozialisten im Land Salzburg. Mit 229 Stimmen für die NSDAP liegt Bruck
– damals noch ohne die Stimmen von St. Georgen – an zweiter Stelle im
Gerichtsbezirk Zell am See. 9
Quelle: „Salzburger Volksbote“, 1. Mai 1932, Nr. 18, S 6; Statistische Nachrichten, Sonderheft zu den
Nationalratswahlen vom 9. November 1939, (Hg.) Republik Österreich Bundesministerium für Inneres,
Wien 1, Herrengasse 7, Abt. 35
Auch in der Zeit des Austrofaschismus, als alle Parteien verboten sind,
organisieren sich die Nationalsozialisten in der Region. Sie treffen sich auf
Berghütten oder halten in der Nacht Versammlungen in Heustadeln ab.
Zeitzeuge Matthias Katsch erinnert sich:
9
St. Georgen, bis 1939 eine eigene Gemeinde, wurde dem Gerichtsbezirk Taxenbach zugerechnet.
Entwicklung der NSDAP-Stimmen in St. Georgen: NR-Wahl 1930: 3, LT-Wahl 1932: 36
9
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
„Als ich einmal vom Stall zurückging, sah ich gegenüber der Salzach bei einem Heustadel Licht.
Hab mich dort hingeschlichen und bei einem Spalt hineingeschaut. Da waren 7 oder 8 Männer, die
ich kannte. Was sie genau besprochen haben, konnte ich nicht verstehen, da sie sich ganz ruhig
unterhalten haben.
Habe das der Mutter erzählt und die hat mir sofort verboten, nichts weiter zu sagen und am
nächsten Tag alles dem Vater sagen. Der Vater sagte, das sind alles Nazi und ich darf niemanden
etwas davon erzählen, das könnte ihn seinen Posten bei der Eisenbahn kosten.“
10
2.2.1 Die NSDAP - Struktur in Bruck
Josef Frauscher wird am 12.9.1906 in Grödig geboren. Er findet als Elektriker bei
der SAFE eine Anstellung und übersiedelt nach Bruck. Bereits 1931 tritt der
damals 25-Jährige der NSDAP bei und gründet die Ortsgruppe Bruck. Während
der „Verbotszeit“ ist er Mitglied der SA, und Ortsgruppenleiter und wird ab 1938
stellvertretender Ortsgruppenleiter. Ortsgruppenleiter ist – mit einer Unterbrechung
zwischen 1942 und 1943 – Otto Ploner. Er wird in dieser Zeit von seinem Amt
enthoben und Frauscher übernimmt seine Funktion. 11 Von 1938 bis 1945 ist
Frauscher auch Obmann der „Deutschen Arbeitsfront“. Ihm und vor allem dem
Revierinspektor Baumgartner der Gendarmerie Bruck ist es zu verdanken, dass
die Struktur der NSDAP in Bruck dokumentiert werden kann. Bei einer
Hausdurchsuchung im Juli 1947 in der Wohnung Frauschers wird das
Mitgliederbuch der NSDAP sichergestellt.
Auszug aus dem Mitgliedsbuch der NSDAP. Des Sepp Frauscher
aus
Bruck
i.Pzg.,
Mitgliedsnummer
511186
vom
8.5.1933
(eingetragen auf einer freien Seite).
„Zur Erinnerung an die Kampfzeit in Deutschösterreich, meine
illegalen Mitkämpfer in meiner Ortsgruppe.
Bruck a.d.Glocknerstraße (Mai 1936 bis März 1938)
Es folgen nachstehende eigenhändige Unterschriften!
Engelbert Solchinger, e.h.12
Franz Heigerer, e.h.
13
Wilhelm Rupnik, e.h.
Peter Lederer, e.h.16
10
Schriftliche Aufzeichnungen Matthias Katsch und Zeitzeugeninterview 10.2.2014
Bestätigung von Bürgermeister Lederer, vom 15.5.1948, OÖLA, LG Linz Vg 8 Vr 2852/47, Seite
37
12
In einer zweiten Liste auch „Sochinger“ genannt, Bruck, Nr. 25
11
10
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Ferdl Bittner, e.h.14
Peter Hutter, e.h.
Sepp Kreuzberger, e.h.
Franz Pölz, e.h.
Peter Lederer, e.h.
Albert Tichy, e.h.17
Adolf Linhart, e.h.
Franz Horner, e.h.
Hans Rupnik, e.h.
Franz Maßwohl, e.h.
Adolf Lafenthaler, e.h.
Josef Grübl, e.h.
Anna Mayr, e.h.
15
Georg Lackner, e.h.
Josef Hutter, e.h.
Otto Ploner, e.h.
Für die Richtigkeit des Auszugs, bzw. der Abschrift!
Bruck, am 4. Juli 1947, Rev. Insp. Baumgartner18
Das NSDAP-Mitglied Josef Frauscher wird nach dem Krieg, am 20. Mai 1948, vom
Landesgericht Linz wegen „Hochverrats“ zu 14 Monaten schwerem Kerker
verurteilt (siehe dazu Kapitel Denunziation).
2.2.2 Kommunistische Tätigkeit im Land Salzburg 1936 während des
Austrofaschismus
Im Sommer 1936 kommt es im Land Salzburg zu einer groß angelegten
Verhaftungswelle von kommunistischen Funktionären im gesamten Bundesland
Salzburg. Dutzende KPÖ-Funktionäre werden von den Sicherheitskräften des
austrofaschistischen Regimes verhaftet. Als Zentren kommunistischer Tätigkeiten
werden Hallein, Bischofshofen und Saalfelden ausgemacht. Am 1. September
1936 berichtet der Sicherheitsdirektor für das Bundesland Salzburg unter der
Aktenzahl
7447/21
"Kommunistische
Tätigkeit
in
Salzburg"
an
das
Bundeskanzleramt,
"...daß es nunmehr auf Grund der nachhaltigen Recherchen und
ausgezeichneten
Arbeit
Landesgendarmeriekommandos
der
Salzburg
Erhebungsgruppe
gelungen
ist,
des
die
13
Zell am See, Angestellter der Bezirkshauptmannschaft
Sohn von Peter Lederer
14
In einer zweiten Liste auch „Büttner“ genannt
15
In einer zweiten Liste auch „Maier“ genannt
17
In einer zweiten Liste auch „Tichie“ genannt
18
OÖLA, LG Linz Akt Vg 8 Vr 2852/47
16
11
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Bezirksleitungen und kommunistischen Zellen in den Bezirken
Pongau und Pinzgau sowie in der Stadt Hallein mit Umgebung
auszuheben und deren Funktionäre und Mitglieder dingfest zu
machen, so daß tatsächlich die Tätigkeit der kommunistischen
Organisationen
Salzburgs
zumindest
für
längere
Zeit
vollkommen zerstört erscheint."
Unter den Verhafteten finden sich auch der Brucker Bergarbeiter Alois Duxner,
geb. 18.12.1902, sowie der St. Georgener Hilfsarbeiter Karl Öttl, geb.17.9.1917.
Beiden wird „kommunistische Tätigkeit“ vorgeworfen.
19
3 Der „Anschluss“, März 1938
3.1 „Mit Gott und unserem Führer ‚Adolf Hitler‘ in eine glückliche
Zukunft“
Zeitzeugin Susanne Pinn:
…Ich bin in Fusch in die Schule gegangen. Ich weiß noch genau wie der Hitler gekommen ist, hat
der Lehrer auf einmal gesagt, das heißt ab jetzt nicht mehr ‚Grüß Gott‘ sondern ‚Heil Hitler‘. Er hat
uns auch gezeigt wie man die Hand dabei halten muss. (…) Und in der Schule ist plötzlich eine
riesige Hakenkreuzfahne heruntergelassen worden… (…) Dann ist es zum Marschieren gewesen.
Wir haben immer in Dreierreihe marschieren müssen…
20
In der Nacht vom 12. auf den 13. März 1938 marschieren deutsche Truppen in
Salzburg ein. Die Nationalsozialisten übernehmen die Macht in Österreich.
Zentrale Funktionen der Gemeinde und der Verwaltung werden mit parteitreuen
Funktionären besetzt. Der Feuerwehrkommandant in St. Georgen,21 Franz Welley,
wird vom Kaufmann Johann Pichler abgelöst. 22 Der Brucker Volksschuldirektor,
Oberlehrer Johann Thurner, wird als „politisch unzuverlässig“ in den Ruhestand
versetzt; ihm folgt vorerst Rudolf Ueberreither und später Elfriede Kasper (verh.
19
Vgl. Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Bd. 1, S 119 und DÖW 19.787/2
Zeitzeugeninterview Susanne Pinn, 10.2.2014
21
St. Georgen ist bis Ende 1938 eine eigenständige Gemeinde, bevor sie von den
Nationalsozialisten als Ortsteil in die Gemeinde Bruck an der Großglocknerstraße eingegliedert
wird. In der vorliegenden Arbeit wird sie deshalb als Ortschaft von Bruck behandelt.
22
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 394
20
12
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Haslauer).23 Auch der Leiter der Landwirtschaftsschule in Bruck, Georg Kirchner,
wird
wegen
„politischer
Unzuverlässigkeit“
suspendiert,
der
Betrieb
der
Bubenschule während der Kriegsjahre eingestellt. 24 Brucks Bürgermeister Josef
Hutter wird noch am Tag der Machtübernahme seines Amtes enthoben. Die Partei
holt am 13. März 1938 Anton Posch, der jedoch nur bis 7. Juni im Amt bleibt. Sein
Nachfolger wird bis zum Ende der NS-Ära der Kaufmann Peter Lederer.25 Am 14.
März 1938, Stunden nach dem so genannten „Anschluss“, findet unter der Leitung
von Bürgermeister Anton Posch eine Gemeinderatssitzung statt. Das Protokoll der
Sitzung vermerkt am Beginn: „Mit Gott und unserem Führer ‚Adolf Hitler‘ in eine
glückliche Zukunft“.26
Das NS-Regime handelt rasch. Schon Wochen nach der Machtübernahme
werden alle wesentlichen Schlüsselstellen in Politik und Verwaltung mit
parteinahen Funktionären besetzt. Am 27. April 1938 werden in Berlin
Personalpläne für alle Landeshauptmannschaften und Bezirkshauptmannschaften
in Österreich zusammengestellt. Berlin hat alle Informationen der Betroffenen in
Österreich bereits gesammelt. Ein umfangreicher „Reisebericht“ aus der
„Ostmark“ mit den Personalverhältnissen in den österreichischen Behörden liegt
dem zuständigen Reichsminister des Inneren in Berlin vor. 27 Am 10. März 1938
versehen in der Landeshauptmannschaft Salzburg insgesamt 40 höhere Beamte
ihren
Dienst.
Die
Regierungsdirektoren
Valentin
und
Negrelli,
sie
sind
offensichtlich „politisch unzuverlässig“, werden ihres Amtes enthoben und in die
Wasserechtsabteilung versetzt. Die Autoren des „Reiseberichts“ kommen zu dem
Schluss:
"Von
den
5
Bezirkshauptmann
Bezirkshauptmännern
in
Bezirkshauptmannschaften
Salzburg
sind
neu
ist
geblieben;
besetzt.
lediglich
der
die
übrigen
(...)
Gleiche
23
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 79 f
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 116
25
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 344; der Kaufmann Peter Lederer übernimmt
vorerst die kommissarische Leitung der Gemeinde und wird am 9. Jänner 1939 offiziell von
Landrat Allerberger als Bürgermeister angelobt (siehe Sitzungsprotokoll der Gemeinde Bruck
vom 9.1.1939)
26
Sitzungsprotokolle der Gemeinde Bruck 1936-1939; Protokoll des kommissarischen
Gemeindetages Bruck vom 14. März 1938
27
„Reisebericht“ aus der „Ostmark“, DÖW 20.209
24
13
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Maßnahmen sind auch für die Landeshauptmannschaft getroffen,
wo in stärkerem Mass Änderungen in den Abteilungsvorständen
durchgeführt sind. Versetzungen der jüngeren Beamten von Land
zu Land scheint in Salzburg ebenfalls geboten. Auch hier ist
der Beamtenkörper stark C.V. mässig durchsetzt..."28
Der Salzburger Regierungskommissär Franz Gasteiger wird verhaftet und ins
Konzentrationslager Dachau eingeliefert, Oberregierungsrat Rudolf Dworzak vom
Dienst enthoben und ebenfalls in Dachau interniert. Das Personal der
Bezirkshauptmannschaft in Zell am See wird von Berlin folgendermaßen
eingeschätzt:
Hauptmann Regierungskommissär Allerberger "Einwandfrei"
Regierungskommissär
Lang
"Christlich-sozial,
Frau
Nationalsozialistin; er selbst politisch nicht hervorgetreten.
Gesundheitlich schwer beeinträchtigt"
Regierungskommissär Weninger "Politisch nicht hervorgetreten"
Regierungskommissär Wiltner "Politisch einwandfrei"
provisorischer
Regierungskommissär
Graf
Manzano
"Politisch
nicht hervorgetreten"29
Auch in den Reihen der Gendarmerie beginnen in diesen Tagen systematische
„Säuberungsaktionen“ durch die Nationalsozialisten. Der Sicherheitsapparat spielt
für die Machthaber eine zentrale Rolle. Am 21. und 22. April 1938 findet in der der
Stadt Salzburg eine Besprechung der Geheimen Staatspolizei statt. 18 NSDAPnahe Gendarmen aus allen Teilen Salzburgs werden dazu eingeladen; Ihre
Aufgabe besteht darin, in zwei Tagen eine Liste aller Gendarmen des Landes
zusammenzustellen und deren politische und persönliche Einstellung zu beurteilen.
444 Gendarmeriebeamte des Landes werden in einer 22 Seiten umfassenden
28
29
„Reisebericht“ aus der „Ostmark“, DÖW 20.209
„Reisebericht“ aus der „Ostmark“, DÖW 20.209
14
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Liste nach fachlichen, persönlichen und vor allem politischen Einstellungen
beurteilt.30
Für 75 Gendarmeriebeamte des Landes Salzburg hat diese „Beurteilung“ ihrer
Kollegen fatale Folgen: Neun Beamte werden in ein Konzentrationslager
eingeliefert, fünf Beamte verhaftet, 29 Beamte in den Ruhestand versetzt, 29
Beamte in andere Dienststellen versetzt, drei Beamte vom Dienst enthoben. Auch
für den Brucker Gendarmen Hermann Schachner, geb. 9.8.1909, er ist seit 1931
am
Posten
Bruck
bzw.
Fusch,
hat
die
Beurteilung
durch
seine
nationalsozialistischen Kollegen Konsequenzen. Er wird als „Systemschwein,
Kriechernatur, radikaler Gegner der NSDAP, hat Spionage getrieben gegen das
Reich, dachaureif“ denunziert und nach St. Gilgen strafversetzt. Von 1940 bis
1945 versieht er als Feldgendarm seinen Dienst an der Ostfront, wo er schließlich
in
russische
Kriegsgefangenschaft
gerät.
Am
9.
Juli
1949
kommt
er,
gesundheitlich schwer beeinträchtigt, nach Hause. Bis zu seiner Pensionierung ist
er Gendarmerie-Hauptwachtmeister in St. Gilgen, wo er 1985 stirbt.31
3.2 Die Bürgermeister 1936 - 1945
Bürgermeister in Bruck:32
April 1936 bis März 1938 – Josef Hutter (Gaferlbauer)
März 1938 bis Juni 1938 – Anton Posch
Juni 1938 bis April 1945 – Peter Lederer (Kaufmann)
Die Bürgermeister werden vom NSDAP-Reichsstatthalter, bestellt. Sie sind
vollständig von der NSDAP abhängig. Durch die Installierung so genannter
„Beigeordneter“ ist ihr politischer Handlungsspielraum gering. Die Bestellung von
fähigen, parteinahen Bürgermeistern im Pinzgau ist für die Nationalsozialisten bei
der Machtübernahme 1938 nicht einfach. In einigen Gemeinden werden die alten
30
Vgl. Gernod Fuchs: Die Salzburger Gendarmerie von der „Kampfzeit“ der NSDAP bis zur
Entnazifizierung. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, 2003,
S 273 - 336
31
Vgl. Gernod Fuchs: Die Salzburger Gendarmerie von der „Kampfzeit“ der NSDAP bis zur
Entnazifizierung. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, 2003,
S 273 – 336 und Fuchs Privatarchiv
32
Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 344
15
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Bürgermeister nach dem „Anschluss“ abgelöst und durch loyale Parteigenossen
ersetzt.
Der Landrat von Zell am See, Dr. Bernhard Allerberger, liefert am 2. März 1939
eine
„fachliche
Beurteilung“
aller
Pinzgauer
Bürgermeister
an
die
Landeshauptmannschaft in Salzburg. Daraus geht hervor, welche fachliche,
politische und menschliche Einschätzung über die aktiven Bürgermeister getroffen
werden. Die „politische Verlässlichkeit“ wird durch Vertrauenspersonen der Partei
überprüft. Nachfolgend die Einschätzung des Brucker Bürgermeisters durch den
Landrat:
In Entsprechung des Erlasses vom 22. Feber 1939 (...) wird
folgender Bericht erstattet.:
Bruck
a.d.Gl.
Str.
2482
Einwohner,
Bürgermeister
Peter
Lederer Kaufmann, geb. 29. Mai 1895. Fachlich gut ebenso
gesinnungsmässig gut, aber etwas zu selbstherrlich.33
Die
Gendarmerieabteilungen
müssen
regelmäßig
Auskünfte
über
die
Bürgermeister der Orte an den Landrat abliefern. Am 9. September 1940 werden
auf „mündl. Auftrag“ Erhebungen über die Bürgermeister im Pinzgau durchgeführt.
Gerüchte und persönliche Eindrücke über deren Persönlichkeit werden schriftlich
an den Landrat weitergeleitet. Bruck, so Landesrat Allerberger, gilt als
„musterhafte Gemeinde“:
Auszug aus der Gemeinderatssitzung am 10. Oktober 1942:
„…Zum Schluß ergriff der Landrat, Dr. Allerberger das Wort
und
erklärt,
Gemeinde
daß
des
die
Gemeinde
Bezirkes
zu
Bruck
zählen
zur
ist.
bestverwalteten
Als
besondere
Anerkennung für die musterhafte Gemeindeverwaltung übergibt
der
Landrat
[Parteigenosse,
auftragsgemäß
Anm.
R.L.]
unserem
Peter
Bürgermeister,
Lederer
das
Pg
Kriegs-
Verdienstkreuz II. Klasse. Der Landrat bemerkte noch, daß
auch dem Kanzleipersonal der Gemeinde ein besonderer Dank für
33
SLA, HB Akte, Karton 107; 004, 1943
16
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
die unermüdliche Mitarbeit ausgesprochen werden muß, speziell
Dank der Gemeindesekretärin Pg Mizzi Astner und den sonstigen
Mitarbeitern. Der Landrat wünscht ein weiteres gutes und (…)
Zusammenarbeiten.“34
3.3 Kriegsalltag im Spiegel der „Heimatbriefe“
Die „Heimatbriefe“ von Ortsgruppenleiter Otto Ploner an die Brucker Soldaten an
der Front zeichnen ein Bild vom Alltag in der Gemeinde. Die Schreiben werden
vom NS-System als Propagandamittel eingesetzt und müssen quellenkritisch
betrachtet werden. Stellvertretend sind hier zwei dieser Briefe aus dem Jahr 1940
angeführt:35
NSDAP ORTSGRUPPE BRUCK
a.d. Glstr.
Der Ortgruppenleiter
2. HEIMATBRIEF
Liebe Kameraden !
Das ist eine Freude!! Täglich laufen jetzt bei mir von
allen
Seiten
ersehen
Eure
kann,
Briefe
welch‘
und
guten
Karten
ein,
Anklang
aus
die
denen
ich
Idee
der
„Heimatbriefe“ bei Euch gefunden hat! Am liebsten möchte ich
ja jeden einzelnen Brief spezielle beantworten – aber leider
mangelt mir dazu doch die nötige Zeit, denn einerseits werden
die an mich gestellten Anforderungen immer grösser, während
mit
andererseits
auch
immer
wieder
engere
Mitarbeiter
entzogen werden für die ich dann nur schwer oder überhaupt
keine
Vertretung
finde.
So
ist
z.B.
auch
unser
Schulungsleiter Pg. TETSCH vor wenigen Wochen eingerückt – er
hat ohnehin schon hart darauf gewartet, denn bei dem Tempo
der Siege war er schon immer in Ängsten, dass er nicht mehr
rechtzeitig „drankommt“ – ich aber habe in doppelter Hinsicht
das Nachsehen gehabt: Erstens weil ich nun selbst sein Amt
34
35
Sitzungsprotokoll 2.3.1940 - 16.9.1946 S 53 (Gemeinderat Bruck)
Pinzgauer Bezirksarchiv, Heimatbriefe vom 15.7.1940 und
Rechtschreibfehler im Original)
31.8.1940
(Tipp-
und
17
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
übernehmen muss und zweitens --- nun ja – es wird vielleicht
so mancher von Euch nicht wissen, dass ich seinerzeit in
Ausübung
meines
„nebenbei“
Berufes
auch
noch
(Ihr
wisst
Förster
bin)
ja,
dass
einen
ich
so
regelrechten
Kopfschuss abbekommen habe, der mir zwar so weiters heute
keine allzugrossen Beschwerden mehr macht, aber mit Rücksicht
darauf,
dass
bei
der
Operation
ein
gutes
Stück
der
Schädeldecke dran glauben musste, bin ich ausserstande, einen
Stahlhelm zu tragen und dies ist auch der Grund, warum ich
bei der Musterungskommission durchgefallen bin.
Inzwischen habe ich aber einsehen gelernt, dass man auch in
der Heimat sehr viel Positives leisten kann und muss und es
geht mir eben so wie den Kameraden, die momentan in Polen
sind – einige von ihnen haben mir ganz besonders herzlich
geschrieben und ganz richtig zum Ausdruck gebracht, dass man
überall, wo man vom FÜHRER hingestellt wird, Gelegenheit hat,
seine Pflicht voll und ganz zu erfüllen. Dafür sind mir aber
jetzt die von Euch einlaufenden Briefe und Karten eine ganz
besondere Freude
- sie lassen mich wenigstens so teilnehmen
an Euren grösseren und kleineren Erlebnissen, sei es nun bei
bestandenen Kämpfen oder bei Arbeiten des Aufbaues – und mit
mir freuen sich meine Mitarbeiter, denen ich die Briefe lesen
lasse
(ich
Rahmen
will
vorlesen)
sie
und
gelegentlich
so
hilft
ach
in
wieder
einem
einmal
grösseren
in
echter
Kameradschaft einer dem anderen: Ihr freut Euch über die
Heimatbriefe und wir freuen uns alle über Eure Nachrichten,
ganz besonders, wenn wir hören, dass Ihr gesund und wohlauf
seid.
Kamerad HOFER JOHANN schreibt mir allerdings, dass er
sich in einem Lazarett befindet – glücklicherweise berichtet
er aber auch, dass er bereits auf dem Wege der Besserung ist
und ich sende ihm unser aller aufrichtigste Wünsche für eine
baldige Genesung!
Von einem Kameraden muss ich Euch berichten, dass er
FÜR FÜHRER UND VOLK DEN HELDENTOT ERLITTEN HAT ! Es ist dies
der
22
Jahre
ale
SA-Mann
Franz
S
T
E
G
E
R,
Sohn
des
Stuhlerbauer in St.Georgen, der am 28.Mai bei den harten
18
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Kämpfen um Narvik gefallen ist! Es ist dies der erste Kamerad
unserer Ortsgruppe, der seinen Einsatz für uns alle mit dem
Leben bezahlt hat und wir wollen seiner immer in Dankbarkeit
gedenken!--Für
die
Eltern
des
gefallenen
FRANZ
STEGER
ist
das
Opfer umso grösser, als ach kürzlich deren Tochter, Frau
MARIA LEYERER, Sägewerksbesitzergattin, Mutter von 2 kleinen
Kindern, nach ganz kurzer Krankheit gestorben ist.--Nun darf ich Euch aber auch wieder etwas Erfreuliches
mitteilen: Der Euch sicherlich allen bekannte Hans F e r s t
l, Beamter der Firma Hermann & Müller, dzt. Feldwebel in
einem
Gebirgsjägerregiment
in
Frankreich,
wurde
mit
dem
EISERNEN KREUZ II.KLASSE ausgezeichnet, wozu ich ihm sowohl
in meinem Namen, als auch im Namen aller Brucker herzlichst
gratuliere! Wie mir mitgeteilt wurde, hat FERSTL auch an der
Erstürmung
der
Maginotlinie
teilgenommen
und
sich
hiebei
diese Auszeichnung verdient. Es ist dies die 1.Auszeichnung
eines Kameraden unserer Ortsgruppe, von der ich erfahre und
jeweils berichten und solche Begebenheiten nicht in gänzlich
unrichtiger Bescheidenheit verschweigen (auch von FERSTL habe
ich es nur auf Umwegen erfahren!). Wir wissen hier alle, dass
man
in
dem
Ringen,
in
dem
jeder
Einzelne
sich
selbst
übertroffen hat, nicht so leicht zu Auszeichnungen kam und
wir wollen uns dann jedenfalls alle mitfreuen!--Während
dieser
Brief
entsteht,
gesellte
sich
ein
zweiter E.K.-Träger hinzu: Gefreiter Hans R A I N E R, der
zur Zeit nach seiner Armverwundung, die er in Calais erlitt,
auf
Urlaub
hier
ist,
Verwundeten-Medaille
erhielt
von
das
seinem
E.K.II.Klasse
Hauptmann
in
die
und
die
Heimat
übersendet. Auch ihm gilt unser aller Glückwunsch.
Einige
Kameraden
haben
mir
sehr
anschaulich
von
überstandenen Kämpfen im Westen geschrieben und insbesondere,
wie sie „DAS GANZE HALT!“ erlebten.
Ja Kameraden! In diesem Jahr wurden zur Sonnenwende auf
unseren
Berggipfeln
Gründen
keine
Feuer
aus
Fusch
abgebrannt
sicherlich
–
umso
begreiflichen
stärker
und
unauslöschlicher aber waren die Feuer, die in uns entzündet
19
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
wurden durch die Grösse der Stunden von Cimpiégne! Es war
d i e Sonnenwende des Deutschen Volkes, die wir aber nur dank
unseres
geliebten
FÜHRERS
und
Eurer
übermenschlichen
Leistungen erleben durften und in uns allen zu einem grossen
Gebet wurde: LANG LEBE DER FÜHRER !! ---Und
hier
will
ich
auch
jenes
Kameraden
unter
Euch
gedenken, der mir ebenfalls von der Westfront aus schrieb und
bekannte, dass er einmal andersgläubig w a r – jawohl, war!!
Jetzt
aber
gehört
er
ganz
zu
uns
–
in
der
Zeit
des
Entscheidungskampfes unseres Volkes hat er, voll seinen Mann
stellend, die letzten Zweifel überwunden und heimgefunden in
die grosse Kameradschaft von FÜHRER UND VOLK! Kamerad! Ich
danke Dir für dieses Bekenntnis und mit meinen aufrichtigsten
Wünschen für Dein weiteres Ergehen drücke ich dir im Geiste
die Hand!—
Es ist wirklich merkwürdig: Da heisst es sonst, „mit
dem Reden kommen die Leut`z`samm!“ – mir kommt aber fast vor,
als ob wir mit dem Schreiben noch besser zusammen kämen als
mit dem Reden! Das mit dem Reden ist halt so eine Sache! Erst
unlängst – höre ich – hat man in einer Gesellschaft gesagt:
„Ja, der Plener wär`ja so weiters ganz recht, aber er hat
manchmal nicht den richtigen Kontakt mit den Leuten – sie
können mit ihm nicht so recht warm werden!“ – Ja – es ist
schon so und ich habe das auch selber manchmal gespürt – aber
es ist einem oft beim besten Willen nicht gegeben, beim Reden
alles so zum Ausdruck zu bringen, wie man es gern möchte und
auch wirklich fühlt. Und ich glaube, dass es auch manchem von
Euch so ähnlich geht und es ist mir daher eine doppelte
Freude,
dass
die
„Heimatbriefe“
dazu
beitragen,
uns
näherzubringen! Ich muss ehrlich sagen, dass ich auch in
manchem von Euch nicht das gesucht hätte, was ich nun in den
Briefen zum Ausdruck gebracht finde und ich danke Euch für
das grosse Vertrauen, das Ihr mir darin entgegenbringt und
bitte
Euch,
mir
entgegenzubringen
und
dieses
auch
Vertrauen
mit
allen,
auch
was
Euch
weiterhin
eventuell
unklar ist, zu mir zu kommen. Vielleicht ist dem einen oder
anderen
dieses
oder
jenes
Problem
oder
dies
oder
jene
20
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Gesetzgebung des Nationalsozialismus nicht recht verständlich
und will darüber genauere Aufklärungen haben – zu Hause seid
Ihr ja auch meist alle so mitten im Alltag drin gewesen, da
nahm man sich nicht so viel Zeit um so viel nachzudenken –
jetzt geht das vielleicht besser, ich will alle derartigen
Anfragen (ohne Namensnennung) nach bestem Wissen beantworten
und es braucht sich deshalb keiner weniger klug vorkommen,
denn Ihr wisst ja, dass ich den Nationalsozialismus auch
nicht
mit
der
Muttermilch
eingesogen
habe,
sondern
erst
entsprechend geschult wurde und dauernd weiter geschult werde
–
und
wir
alle
müssen
uns
unser
Leben
lang
noch
weiter
schulen, damit wir als Volk jene Ziele erreichen können, die
uns unser FÜHRER gesteckt hat. Also fragt nur frisch und
fröhlich drauf los – ich antworte gern! Und wer alles richtig
versteht und begreift, warum dieses oder jenes notwendig ist,
unterbleibt
oder
verboten
ist,
der
hat
ja
auch
mehr
vom
Leben! ---Mehrere Exemplare meines 1.Briefes sind zurückgekommen,
weil die Adressen nicht richtig waren. Ich bin nun um die
neuen
Adressen
bemüht
und
schicke
diesen
Kameraden
dann
gleich den ersten und meinen heutigen Brief zugleich.- Bei
dieser
Gelegenheit
bitte
ich
Euch
auch,
mich
über
Eure
Adressen immer auf dem Laufenden zu halten.Und nun will ich Euch die weiteren Nachrichten von der
Heimat nicht länger vorenthalten:
DER STORCH
Hat einen Sohn JOSEF der Karoline und dem Josef SCHMUCK,
derzeit Soldat, gebracht. Herzlichste Gratulation!
Ferner
wurde
der
Kristina
und
dem
Johann
LECHNER,
Hocheggbauer in St.Georgen ein Mädchen geboren.GEHEIRATET HABEN.
Ferdinand ERLER, Gendarmeriebeamter mit Maria BERNSTEINER,
Hotelierstochter aus Ferleiten.
21
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Letztesmal
habe
ich
auch
vergessen
anzuführen,
dass
unser „Linhart Adi“ nicht mehr zu den „Einschichtigen“ gehört,
sondern mit Hanny WALLNER, verw. SCHRANTZ verheiratet ist.
Und ein Kamerad, der derzeit in Polen ist, hat mir zu
meiner
Freude
mitgeteilt,
dass
er
meinen
„Wink
mit
dem
Zaunpfahl“ von wegen der „Einschichtigen“ gut verstanden hat
–
er
gelobt
Besserung
und
will
im
September
heiraten
–
natürlich eine Bruckerin! Allerdings verbleibt er vorläufig
in
Polen
und
schaffen.
Ich
ist
jetzt
sende
damit
ihm
beschäftigt,
schon
heute
ein
die
Heim
zu
herzlichsten
Glückwünsche der Heimat!
AN TODESFÄLLEN BEKLAGEN WIR.
Die bereits erwähnte Frau MARIA LEYERER, 34 Jahre alt,
Peter EMBACHER, Landarbeiter aus Fusch, 69 Jahre alt.SONSTIGES.
Am 23.6. konnten im Rahmen einer schlichten Feier 9
Jungen in die HJ und 3 Mädels in den BdM überführt werden.
Überhaupt – diese Jugend! Prächtig wächst sie heran und ist
mit Begeisterung überall dabei, wo es gilt anzupacken und zu
helfen! Und dafür, dass die Bäumchen nicht allzurasch in den
Himmel wachsen und sich zu früh als „erwachsen“ gebärden, ist
auch gesorgt – durch HJ, BdM und vor allem durch strenge
Jugendgesetze. Nach 9 Uhr abends z.B.darf kein Jugendlicher
allein im Freien oder gar in Lokalen angetroffen werden –
ebenso strenge ist natürlich das Alkohol- und Rauchverbot!—
Einmal
hier
zu
hatten
Gast
wir
und
inzwischen
vergangenen
wieder
die
Sonntag
NS-Gaubühne
bracht
die
NS-
Gaufilmstelle wieder die neuesten Wochenschauen – „Einzug der
deutschen
etc.etc.
Truppen
–
ahnt
in
Paris“
Ihr,
mit
–
der
„Akt
welcher
von
Cimpiégne“
Begeisterung
wir
–
da
eigentlich mitten unter Euch sind?—
Den SA-Kameraden teile ich noch mit, dass 22 Mann trotz
aller Hindernisse, die ihnen durch den Krieg erwuchsen, sich
das
SA-Wehrsportabzeichen
errangen
und
ihnen
dieses
anlässlich eines SA-Aufmarsches in Zell am See vor 14 Tagen
vom Oberführer GLÜCK überreicht wurde.-
22
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Von
unseren
Feuerwehr-Kameraden
habe
ich
Euch
versprochen Näheres zu berichten:
Die
Hauptübung
wurde
gemeinsam
mit
dem
Löschzug
St.Georgen am 19.Mai abgehalten, bei welcher Gelegenheit auch
die Motorpumpe, sowie 4 Hydranten eingesetzt wurden, sodass
das angenommene Brandobjekt (Kirche und Landw.Schule) aus 11
Schlauchlinien angegriffen werden konnte. Die Übung klappte
tadellos und fand allgemeine Anerkennung. Anschliessend fand
die Vereidigung statt – 76 Mann waren angetreten. Nach dem
offiziellen
Teil
gab
es
natürlich
noch
einen
„gemütlichen“ bei der Post, wobei die Feuerwehr-Kameraden den
Beweis
erbachten,
dass
sie
j e d e n Brand zu löschen imstande sind!
Am 9. Juni fand durch den Kreisführer MÜHLDORF eine
Inspizierung mit darauffolgender Übung und Defilierung statt.
In der folgenden Nacht gab es dann gleich eine realistischpraktische
Übung:
Der
Blitz
hatte
das
aus
Holz
erbaute
Transformatorenhaus bei Fischhorn entzündet – aber die rasche
und gut funktionierende Feuerwehr konnte die Lokalisierung
dieses Brandes in kurzer Zeit bewältigen.Ein
besonderes
Frauenschaft
Loblied
anstimmen
und
muss
dies
ich
nicht
noch
auf
bloss
die
aus
NS-
reiner
Höflichkeit: In den Händen der NS-Frauenschaft liegt nämlich
die Organisation der Erntehilfe und wenn ich Euch sage, dass
bisher über 3000 Leistungsstunden an freiwilliger Erntehilfe
allein von den Frauen und über 500 Stunden von den noch hier
befindlichen Männern geleistet wurden, dann brauche ich dazu
wohl kein weiteres Wort zu verlieren! Die anfänglich noch
etwas
misstrauisch
gewesenen
Bauern
überzeugen
sich
auch
immer mehr nicht nur von der Hilfsbereitschaft, sondern auch
von den tatsächlichen Leistungen. Ihr seht daraus jedenfalls,
dass
überall
der
beste
Wille
herrscht
und
dass
Ihr
Euch
deshalb werden uns keinerlei Sorgen zu machen braucht. Nur
macht uns allen das stete Regenwetter, das das Heu aufhält,
ziemlich zu schaffen.Nun muss ich aber Schluss achen – aber nicht bevor ich
Euch ersuche, nicht zu vergessen bei mir vorbeizukommen, wenn
23
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Ihr auf Urlaub oder gleich ganz zurückkommt – inzwischen
schreibt mir aber auch wieder fleissig!
Die mir aufgetragenen Grüsse habe ich ausgerichtet und
soll
sie
herzliche
auch
erwidern,
Grüsse
und
wie
gute
ich
Wünsche
Euch
für
überhaupt
Euer
recht
ferneres
Wohlergehen sende von allen Bruckern, besonders aber
Von Eurem Ortsgruppenleiter:
Bruck a.d.Glstr., 15.7.1940
24
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
NSDAP ORTSGRUPPE BRUCK
a.d. Glstr.
Der Ortgruppenleiter
3. HEIMATBRIEF
Liebe Kameraden !
Seit meinem letzten Heimatbrief ist die Mappe, in der
ich
die
von
säuberlich
Euch
einlangenden
registriere
und
Briefe
aufhebe,
und
schon
Karten
ganz
fein
mächtig
angeschwollen und täglich kommen noch neue dazu. Inzwischen
sind auch verschiedene von Euch hier auf Urlaub gewesen und
haben mich besucht, was mir immer eine ganz besondere Freude
war – überhaupt muss ich sagen, dass mir noch keine meiner
Arbeiten
so
viel
Freude
bereitet
hat,
wie
die
mit
den
Heimatbriefen- dies ist einmal eine Sache, bei der auch der
„innere Mensch“ nicht zu kurz kommt!Von
allen
Seiten
sind
wieder
Eure
Berichte
an
mich
gelangt und ich habe wieder an vielen Eurer Erlebnisse etc.
teilnehmen dürfen. Dabei seid Ihr nur aus einem kleinen Dorf
unseres mächtigen Grossdeutschen Reiches und Euer bisheriges
Leben war vielfach hart und bot – speziell für die Älteren
unter Euch – wenig oder gar keine Möglichkeiten, um Euch
durch Schulen, Vorträge, Kurse, Ausstellungen etc., wie sie
in
jeder
grösseren
bildungsmässig
zu
Stadt
helfen,
geboten
sondern
werden,
auch
dem,
nicht
was
ich
nur
den
„inneren Menschen“ nenne, etwas zu geben – das was Ihr aber
trotzdem geworden seid, das seid Ihr ausschliesslich aus Euch
selbst geworden! Umso grösser ist mein Staunen und meine
Bewunderung
über
Eure
Briefe
und
den
darin
zum
Ausdruck
gebrachten Gedankenreichtum und ganz besonders beeindruckt es
mich
zu
sehen,
wie
tief
sich
nationalsozialistischen
Gedankengut bereits in Euch festgewurzelt hat. Ehrlich gesagt
– ich habe mich früher manchmal gefragt, ob unser FÜHRER in
der
Beurteilung
unseres
Volkes
nicht
doch
manchmal
zu
optimistisch sei – heute fühle ich zu tiefst, w i e recht er
25
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
hatte, dass er an die gesunde Kraft unseres Volkes so fest
glaubte und für dieses die gigantischesten Zukunftspläne hegt.
Und ich glaube und hoffe, dass mancher unter Euch nach
seiner Rückkehr gerne mein Mitarbeiter werden wird, denn nach
dem Kriege beginnt ja erst der richtige innere Aufbau unseres
Reiches und die NSDAP mit allen ihren Gliederungen wird hiezu
der
Kraftquell
sein.
Die
kommende
Grösse
und
Macht
Grossdeutschlands können wir bisher nur ahnen – sie wird uns
aber allen zur grossen Verpflichtung, denn unser Volk wird ja
das
führende
Volk
der
Welt
werden
und
dazu
braucht
es
Menschen, die sich der Grösse der dadurch gestellten Aufgaben
bewusst
sein
und
bleiben
–
Menschen,
auf
die
man
sich
allerorts und zu jeder Zeit verlassen kann, die – wo immer
man sie hinstellt – wieder anderen in selbstlosester Weise
Beispiel und Führung sein werden. Was ist da naheliegender,
als in erster Linie an Euch zu denken, die Ihr Euren Mut und
Opfersinn bereits so heldenhaft bewiesen habt? …
Denn
eines
dürfen
wir
niemals
mehr
vergessen:
Der
Schlüssel zu den bereits errungenen Erfolgen liegt in der
grossen Opferbereitschaft und –Fähigkeit unseres Volkes und
so lange wir an dieser Wahrheit, die uns unser geliebter
FÜHRER
unentwegt
nicht
nur
vorlebt,
immer
wieder
festhalten
einprägte,
und
auch
sondern
unsere
auch
Kinder
in
diesem Sinne erziehen, braucht uns um die Zukunft unseres
Vaterlandes nie mehr bange zu werden! Wie tief aber ein Volk
herabsinken kann, das nur aus Einzelmenschen bestehen will,
die in erster und letzter Linie immer nur an ihr eigenes
persönliches
Allgemeinheit
Wohlergehen
scheuen
denken
–
davon
und
jedes
können
Opfer
sich
für
gerade
die
jene
Kameraden unter Euch, die sich jetzt in Frankreich befinden,
sehr praktisch überzeugen.Eine direkte Anfrage hat bisher nur ein Kamerad an mich
gestellt
Schreiben
und
die
welches
Antwort
mir
findet
unser
er
in
Bürgermeister
dem
als
beiliegenden
Beitrag
zu
meinem Brief an Euch übermittelt hat – Ihr findet da einen
ausführlichen Bericht über die Tätigkeit unserer Gemeinde,
der sicherlich Euer vollstes Interesse finden wird.
26
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Und
nun
gleich
Bürgermeister,
PG.
eine
Peter
grosse
LEDERER
Neuigkeit:
hat
am
Unser
10.September
Hochzeit! Seine Braut ist die Gastwirtstochter Maria HUBER
aus Kirchberg i.T. und aus Angst vor zu vielen Gratulanten
findet die Hochzeit in München statt. Wir freuen uns hier
alle sehr über dieses Ereignis, denn abgesehen davon, dass es
nicht
gut
ist,
dass
der
Mensch
allzulange
allein
sei,
bekommen nun auch seine beiden herzigen Mäderln wieder eine
gute Mutter.Von den „Einschichtigen“ unter Euch haben mir ja auch
wieder verschiedene Besserung gelobt und ich glaube, nach dem
Kriege wird unser Standesamt Hochbetrieb haben – bei etwas
gutem
Willen
wird
schon
noch
jeder
seine
„bessere
Hälfte“ finden, denn als zurückgekehrte Sieger und Helden
habt Ihr ja dann doppelten Anwert!
Und nun zu den weiteren Begebenheiten in Bruck:
DER STORCH
Hat eine Tochter ANNA der Kreszenzia und dem Alois de
Ambros, Hinterlandbauer, gebracht, eine Rochter MICHAELA der
Helene
und
dem
Josef
Haitzmann,
Strassenarbeiter,
eine
Tochter PAULA der Theresia und dem Alexander SCHERER, Bauer
in
Fusch,
einen
Sohn
RUDOLF
der
Theresia
und
dem
Josef
Voglstätter, Zimmermann, einen Sohn HELLMUT (das 8.Kind!) der
Margarethe und dem Anton Grabmayer, Reichsbahnangestellter,
einen Sohn KARL-HEINRICH der Anna und dem Karl Prieschl, dzt.
Soldat,
einen
Sohn
FRANZ
der
Katharina
und
dem
Josef
Bründlinger, einen Sohn JOHANN der Maria und dem Georg HUTTER,
dzt. Soldat, eine Tochter ANNELORE der Julie und dem Hermann
Zichler, Tischlermeister, dzt.T.N. und einen Sohn PETER (das
12.Kind!!!)
der
Franziska
und
dem
Jakob
Hasenauer,
Kellnerbauer in St. Georgen.AN TODESFÄLLEN BEKLAGEN WIR.
Karl FRUHSTORFER, 63 Jahre alt, Besitzer des asthofs Post,
Matthias FRÄNZL, Landarbeiter, 62 Jahre alt,
Theresia INFELD, 6 Jahre alt
und
Andreas EBERL, Bartlhofspächter in St. Georgen.SONSTIGES:
27
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Bei uns sind schon seit einiger Zeit 22 Kinder aus Köln
untergebracht, die sich hier sehr gut erholen und recht wohl
fühlen.Zur
weiteren
Erntehilfe
Tragtier-Erg.Staffel
hier
Betrieb,
mit
der
Pferde
befindet
und
oder
jeder
ohne
sich
jetzt
eine
landwirtschaftliche
Personal,
sei
es
für
kürzere oder längere Zeit braucht, hat dies nur anzumelden,
die Zuweisung erfolgt sofort. Über Mängel an Arbeitskräften
oder hiezu nötigen Pferden wird sich also niemand zu beklagen
haben.Am
20.v.M.
hatten
wir
eine
sehr
gut
besuchte
Mitgliederversammlung, in der Untergauführer Pg.KASERER sehr
interessant
über
die
weiteren
Aufgaben
und
Ziele
der
Heimatfront sprach. Auch die NS-Gaufilmstelle war inzwischen
wieder
einigemale
hier
und
hat
uns
durch
schöne
Filme,
besonders aber durch die Wochenschauen wieder frohe Stunden
gebracht.Das wäre diesmal alles, was ich Euch an Neuigkeiten
berichten kann.Kamerad Peter NEUREITER hat mir geschrieben, dass sich
unser Gauleiter Dr. RAINER als Gefreiter bei ihm in Norwegen
befindet
–
und
möchte
Dich
bitten,
herzliche
Grüsse
zu
übermitteln – wir sind stolz auf ihn und bemühen uns alle,
hier in der Heimat voll und ganz unsere Pflicht zu erfüllen!Aus mehreren von Euren Briefen habe ich entnommen, dass
einige
von
Euren
Brucker
Kameraden
scheinbar
bisher
noch
keinen Heimatbrief erhalten haben und ich bitte Euch, mir
solche
Namen
und
Adressenänderungen
Adressen
bitte
ich
stets
Euch,
aufzugeben
mir
immer
(auch
gleich
bekanntzugeben) denn ich sende ja die Breife ausnahmslos an a
l l e mit bekannten Kameraden, die das deutsche Ehrenkleid
tragen.Und nun muss ich für heute wieder Schluss machen! Die
Grüsse, die Ihr mir aufgegeben habt, habe ich ausgerichtet
und soll sie herzlichst erwidern, wie Euch überhaupt alle
Brucker wieder herzlichst grüssen lassen. Schreibt mir nur
wieder fleissig und kommt nur ungeniert mit allem zu mir –
28
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
ich erachte es als meine vornehmste Pflicht, Eure Sorgen und
Wünsche
zu
den
meinen
zu
machen
und
jede
Frage
zu
beantworten!
Es grüsst Euch herzlichst mit
Heil Hitler!
Euer Ortsgruppenleiter
1 Beilage!
Bruck a.d.Glstr., am 31.8.1940
29
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
DER BÜRGERMEISTER
Bruck a.d.
Grossglocknerstrasse
BEILAGE
ZUM
3.HEIMATBRIEF
Liebe Soldaten!
Sicherlich
warum
ich
Beitrag
hat
als
sich
mancher
Bürgermeister
leiste.
Ich
weiss
von
Euch
für
die
aus
eigener
schon
gefragt,
Heimatbriefe
einen
Erfahrung
vom
Weltkriege her nur zu gut, welche Freude es jedem Soldaten
macht, welcher fern der Heimat im dienste des Volkes seine
Pflicht
erfüllt,
wenn
er
über
das
Geschehen
in
seiner
Heimatgemeinde etwas erfahren kann. Nun – soweit es unsere
standesamtlichen
Euch
diese
berichtet.
und
unser
Wollte
sonstigen
Neuigkeiten
Ortsgruppenleiter
ich
Euch
nun
Pg.
berichten
angelangt,
PLONER
um
hat
laufend
wieviel
die
Arbeiten in der Gemeindekanzlei selbst gestiegen sind, so
würde dies gewiss nicht Euer Interesse hervorrufen, seid Ihr
doch von all den jetzt erforderlichen Massnahmen, soweit es
die schriftlichen Anforderungen, welche eben jede Gemeinde
betreffen, weit ab und Ihr wollt doch wissen, was ausserhalb
der Gemeindestube während Eurer Abwesenheit geleistet wurde.
Also soweit es mir nur einigermassen möglich war, Arbeiten
durchzuführen, wurden dieselben trotz aller gegenwärtig durch
die
kriegswirtschaftlicher
Massnahmen
bedingter
Schwierigkeiten in Angriff genommen.
Seit
dem
Herbst
des
vorigen
Jahres
wird
an
der
Ortswasserleitung gearbeitet, die Erfassung neuer ausgiebiger
Quellen im Rettenbachgraben wurde durchgeführt und Dank der
Unterstützung unseres Gauleiters Dr.RAINER ist es uns auch
noch
gelungen,
erhalten,
Einbruch
so,
des
die
dass
Winters
hiezu
die
dem
neu
erforderlichen
erfassten
bereits
Eisenrohre
Quellen
bestehenden
noch
Behälter
zu
vor
am
30
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Bruckerberg
zugeführt
werden
welchem
Wasserversorgungs-Schwierigkeiten
der
Wintermonate
der
war
nach
Währende
Jahren
Somit
Gemeindegebiet
keine
vielen
konnten.
wurden
erste
für
für
das
Winter,
den
in
bestanden.
Bau
eines
Reservebehälters am Lukaspalfen 20 Waggon Schotter, Zement
und Eisen bereitgestellt, um mit Eintritt des Frühjahres auch
diesen Bau in Angriff nehmen zu können. Auch dieses Werk ist
nunmehr vollendet und stolz wie ein Bunker blicht er nun in
Dorf,
im
sicheren
Bewusstsein,
dieser
Bevölkerung
für
Generationen hinaus dienstbar zu sein. Bis zum Spätherbst
hoffen wir noch mit den verschiedenen Rohrverlegungen, welche
sich
jetzt
auf
den
Feldern
nicht
durchführen
lassen,
einigermassen fertig zu werden.
Die Gemeindestrassen wurden in den letzten Monaten neu
beschottert und gewalzt und sind in schönster Ordnung, zudem
werden sie auch laufend von einem Gemeindearbeiter betraut.
Ein ganz besonderes Kapitel jedoch bildet das Bauwesen
für VOLKSWOHNUNGEN in der Gemeinde. Und gerade dafür wird für
viele
unter
Euch
liebe
Soldaten
besonderes
Interesse
vorliegen. Aus den gegenwärtigen Wohnverhältnissen weiss ich
zur Genüge, dass sicher deine oder andere von Eich in einer
nicht ganz passablen Wohnung befindet und sich demzufolge
auch
nach
seiner
Heimkehr
danach
sehnt,
menschenwürdig
untergebracht zu werden – andere von Euch haben jetzt in der
Kriegszeit erst geheiratet und haben den Wunsch, nach der
Heimkehr durch Zuweisung einer Wohnung die Möglichkeit zu
erhalten, sich das Familienleben häuslich einzurichten und
schliesslich sind so verschiedene Dritte mit ihren Gedanken
damit beschäftigt, nach Kriegsende ihre Braut heimzuholen –
hegen
aber
heute
schon
den
Wunsch,
ihre
Hochzeit
wegen
Wohnungsmangel nicht allzulange aufschieben zu müssen.
All diese Wünsche muss ich trachten, nach Möglichkeit
zu erfüllen. Ich weiss, diese mir gestellte Aufgabe ist gross
und
kann
nicht
im
Handumdrehen
bewältigt
werden.
Das
Wohnbauprogramm ist bis ins letzte Detail fertiggestellt, ja
sogar
schon
Massnahmen
und
kommissioniert,
Einschränkungen
doch
lassen
die
kriegsbedingten
jetzt
auch
in
den
31
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
dringlichsten
Fällen
keine
Ausnahme
zu,
bis
Bauverbote
aufgehoben werden, aber auch diese – ich nehme an nicht mehr
allzulange Zeit – wird noch verstreichen.
Auf
jeden
Fall
möge
es
allen,
welche
in
eine
der
vorerwähnten drei Wunschkategorien fallen, eine Beruhigung
sein, wenn ich Euch sage, dass die Erbauung von ausreichenden
Volkswohnungen für mich die vordringlichste Aufgabe ist,an
welcher ich schon seit 2 Jahren arbeite, deren Erfolg jedoch
durch den Ausbruch des Krieges gestoppt wurde. Nun, er bleibt
nicht aus und ich habe auf Grund meiner wiederholten Eingaben
und Fürsprachen nunmehr erreicht, dass die Gemeinde Bruck in
Bezug auf die Erbauung von Volkswohnungen in das dringliche
Sofortprogramm
eingereiht
wurde,
wonach
sofort
nach
Kriegsende, oder auch schon bei eventueller Lockerung der
gegenwärtigen Bauverbote 30 Volkswohnungen als vordringlich
und zwar bis zum Jahr 1942 erbaut werden müssen. Ihr sehr
also liebe Kameraden, dass ich bemüht bin, Euren Wünschen
Rechnung zu tragen, seid auch versichert, dass ich nichts
unterlassen
werde,
um
gerade
meine
schönste
Aufgabe,
die
Erbauung von Wohnungen, mit allen mir zur Verfügung stehenden
Mitteln zu fördern.
Auch
von
St.Georgen
will
ich
Euch
noch
berichten,
soweit ich auch fort meine Vorhaben durchführen will: Vorerst
habe ich den Auftrag zur Ausarbeitung eines Projektes für
eine neue Ortswasserleitung gegeben, welcher in Salzburg von
den zuständigen Stellen bereits in Angriff genommen wurde.
Allerdings wird noch etwas Zeit verstreichen, bis dasselbe
vollends
ausgearbeitet
ist,
zumal
jetzt
alle
in
Frage
kommenden Fachbüros mit Arbeiten überlastet sind und zudem
auch Mangel an Arbeitskräften haben.
Ein
weiteres
Projekt
wäre
der
Strassenbau
für
St.Georgen, doch leider konnte ich bis heute von den hiefür
zuständigen Stellen noch keinen Ingenieur bekommen, welcher
die
Trassierung
vornehmen
sollte,
wenngleich
ich
diese
Angelegenheit wiederholt betrieben habe, weil ich annehme,
dass
gerade
durchführbar
jetzt
und
mit
den
nebstbei
Kriegsgefangenen
auch
wesentlich
dieser
Bau
billiger
als
32
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
ansonsten zu stehen käme. In den kommenden Tagen wird jedoch
abermals
mit
den
zuständigen
Stellen
verhandelt
werden,
vielleicht gelingt es dennoch, auch dieses Projekt spruchreif
werden zu lassen.
Jedes einzelne Vorhaben gibt eben vorerst viel Arbeit
und zudem auch Sorgen, doch soll uns all` dies nicht erlahmen
lassen,
alles
einzusetzen,
schon
aus
der
alleinigen
Erkenntnis heraus, dass es der Gesamtheit der Gemeinde von
Nutzen und Vorteil sein muss.
Zwar
vermute
ich,
dass
Euch
liebe
Kameraden
mein
Bericht nicht so befriedigt, wie Ihr es Euch erwartet habt,
schon deswegen nicht, weil ich eben in diesem oder jenem
Belange noch nicht mit den entsprechenden Verwirklichungen
aufwarten kann. Noch ist aber Krieg und der gewaltige Kampf
um unser Volkes glückliche Zukunft nähert sich dem ende.
Gewaltige
Leistungen
wurden
vollbracht,
sie
sind
in
der
Geschichte eines so grossen und tüchtigen Volkes einmalig –
doch
all`
diese
ungeheuren
Erfolge
hätten
nicht
erzielt
werden können, wenn nicht jeder einzelne unserer Feldgrauen
seinen Teil dazu beigetragen hätte, indem er immer wieder
neue Opfer und Härten auf sich genommen hat. Auch wir in der
Heimat
müssen
verstehen,
all`
dass
die
das
auf
geniale
uns
nehmen,
Führung
wir
vorerst
wisse
den
und
äusseren
Bestand des Reiches und Volkes sichert und dann auch wieder
den Privatwünschen Rechnung tragen wird, welche in unserer
Gemeindedahin lauten, dass wir bald mit unseren Bauvorhaben
beginnen dürfen.
Also
darum
liebe
Soldaten,
seid
wie
in
so
manchen
anderen Dingen auch in diesem Belange geduldig, wir werden
es , sobald es eben möglich ist, schon schaffen.
Heil Hitler !
Euer
Bürgermeister36
36
Pinzgauer Bezirksarchiv, Heimatbrief vom 31.8.1940
33
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
4 Widerstand und Verfolgung
4.1 Die Kirche
Widerstand und Anpassung an das NS-System ist im Land Salzburg eng
miteinander verbunden. Die Führung der Amtskirche in Salzburg weiß nicht
wirklich, wie mit dem neuen politischen System umgegangen werden soll. Der
Druck des NS-Systems ist enorm. Beim Einmarsch der Nationalsozialisten im
März 1938 stürmen SA-Leute das Erzbischöfliche Palais in Salzburg. Im gesamten
Bundesland kommt es zu Übergriffen auf kirchliche Einrichtungen: Kruzifixe
werden aus den Klassenzimmern entfernt, Klöster und katholische Schulen
geschlossen, Mönche misshandelt, die Religionsausübung gestört. Der Gruß in
den Schulen heißt ab nun „Heil Hitler“ statt „Grüß Gott“. Auch Bruck ist davon
betroffen.37
Die private, katholische Mädchenschule in Bruck wird bereits am 27. August 1938
geschlossen, Schwester Iphigenia Steingruber in Pension geschickt, und ihre
Kolleginnen mit einer geringen Abfertigung nach Hause entlassen. Die
Begründung der Nationalsozialisten: Ab dem kommenden Schuljahr „müsse das
Schulwesen einheitlich im nationalsozialistischen Geiste ausgerichtet werden und
das werde durch Ordensschwestern nicht gewährleistet.“38
Am 11. März 1941 wird Pater Anton Weißenbacher vom Franziskanerkloster
verboten, Konfessionsunterricht zu erteilen. Auch der Ortspfarrer Josef Lugsteiner
erhält Unterrichtsverbot und darf keine Kinder mehr unterrichten.39
4.2 Deserteure und ihre Familien
Die Topografie des Pinzgaus bietet Männern, die genug vom Krieg haben, gute
Bedingungen sich zu verstecken und damit dem Dienst an der Front zu entgehen.
37
Vgl. Rudolf Leo: Pinzgau unterm Hakenkreuz, Salzburg 2013, S 87
Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 103
39
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 79
38
34
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Sie verstecken sich in Höhlen, Almhütten oder finden Schutz bei abgelegenen
Bergbauernhöfen.
4.2.1 Das Beispiel Josef Linsinger (jun.)
Am 13. November 1940 vernimmt Gendarmerie-Kreisführer Josef Hohenwartner
im Amtsgericht Zell am See den inhaftierten Josef Linsinger (sen.) neuerlich. Er
möchte wissen, wo sich Linsingers Sohn, der den Wehrdienst verweigert,
versteckt hält. Unter Zwang gesteht der Vater, dass sich sein fahnenflüchtiger
Sohn Josef (jun) im Raum Saalfelden bei einer Familie Wieser aufhält. Der
25jährige Josef Linsinger aus Zell am See wird am Freitag, den 29. November
1940 um ca. 11 Uhr 30, auf der Großglocknerstraße bei Bruck von einer
Gendarmeriestreife
angehalten.
Die
Gendarmen
eröffnen
sofort
bei
der
Festnahme das Feuer und verletzen Linsinger durch zwei Schüsse in den
Oberschenkel. Sprengelarzt Dr. Winkler leistet erste ärztliche Hilfe. Linsinger – so
die Gendarmerie – stirbt beim Transport in das Krankenhaus Schwarzach. Im Akt
finden sich auch Unterlagen über Peter Mitteregger aus Bachwinkl, der von
August bis Oktober 1939 mit Linsinger zusammen ist. Der Vater Josef Linsinger
sen. wird im November 1940 wegen Wehrkraftzersetzung zu zwei Jahren
Zuchthaus verurteilt.40
Zeitzeugin Susanne Pinn:
…Er hätte einrücken müssen und hat sich auf einer Alm versteckt, sein Vater war Jäger und hat
ihm immer Essen gebracht. Dann ist man ihm draufgekommen, er ist mit dem Fahrrad Richtung
Bruck geflüchtet. Die Gendarmerie von Fusch hat die Kollegen in Bruck aber bereits informiert.
Mein Vater kam am Abend ganz empört nach Hause und hat erzählt, in Bruck draußen haben sie
sogar noch geprotzt, dass sie ihn vom Fahrrad geschossen haben. Das ganze muss so in der
Gegend vor oder nach der Brücke passiert sein. (…) Sein Vater, der Jäger, ist dann ins KZ
gekommen. Nach dem Krieg ist er wieder nach Hause gekommen…
41
4.2.2 Das Beispiel Elisabeth Lechner, verh. Oblasser
Die Bergbauerntochter zu Hochegg in St. Georgen, Elisabeth Lechner, geb.
31.5.1908, heiratet 1936 Johann Oblasser, geb. 26.12.1902, Bergbauer des
40
41
Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945 Bd. 1 S 569, 570, 626 und DÖW E 18.666
Zeitzeugininterview Susanne Pinn, 10.2.2014,
35
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Vorderbrandstätthofs in Taxenbach. Das Ehepaar versteckt und versorgt während
der letzten Kriegsjahre die Deserteure Karl Rupitsch (vulgo Karl Paus), Peter
Ottino, Franz Unterkirchner, Georg Kößner und Richard Pfeiffenberger. Im Juni
1944 kommt es in der Region zu einer groß angelegten Razzia von Männern der
Waffen-SS. Mehrere Menschen werden im Zuge dieser Fahndung getötet,
zahlreiche Familienangehörige in Konzentrationslager eingeliefert. Peter Ottino
wird bei seiner Festnahme erschossen. Karl Rupitsch wird am 28. Oktober 1944
im Konzentrationslager Mauthausen hingerichtet.42 Franz Unterkirchner kann sich
bis Kriegsende verstecken, Richard Pfeiffenberger wird am 13. September 1944
vom Feldkriegsgericht zum Tode verurteilt, seine Strafe wird allerdings in 15 Jahre
Zuchthaus umgewandelt. Er wird einer Feldstrafgefangenenabteilung zugeteilt und
stirbt an der Front. Georg Kößner wird am 30. Oktober 1944 zum Tode verurteilt
und am 8. März 1945, wenige Wochen vor Kriegsende, auf dem Schießplatz
Salzburg-Glanegg hingerichtet.43 Auch Johann Oblasser wird in das KZ Dachau
eingeliefert und später ins KZ Buchenwald überstellt. Nur der Einsatz des
Sprengelarztes Siegfried Schernthaner kann die Verhaftung der Bäuerin durch die
Gestapo verhindern. Sie muss ihre vier Kinder während der kommenden Monate
alleine aufziehen, wird von fanatischen Nachbarn beschimpft und bedroht. Johann
Oblasser gelingt 1945 die Flucht bei einem der berüchtigten Todesmärsche und
kommt – schwer traumatisiert – im Juni 1945 wieder nach Hause.44
4.3 Die Eisenbahner
Während des Nationalsozialismus im Pinzgau zählen die Salzburger Eisenbahner
zur größten Widerstandsgruppe. Sie sind gewerkschaftlich sehr gut organisiert
und eine wesentliche Stütze im Kampf gegen die Nationalsozialisten. Die
Eisenbahner haben rechtzeitig Vorkehrungen getroffen und begonnen, ihre
illegalen Gruppen in kleine, überschaubare Gruppen mit drei, höchstens fünf
42
Vgl. Rudolf Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz, Otto Müller Verlag, Salzburg 2013 S 105
Vgl. Widerstand und Verfolgung in Salzburg, Bd. 2, S 540 und 624; siehe auch Michael
Mooslechner:
Wehrmachtsdeserteure
auf
Salzburger
Almen.
http://www.schlossgoldegg.at/fileadmin/schlossgoldegg/design/images/2juli1944/Wehrmachtsde
serteure_auf_Salzburger_Almen__M.Mooslechner.pdf
44
Vgl. Chronik: „Vom Vorderbrandstätthof und dem Schicksal des Bergbauern Johann Oblasser,
Lieselotte von Eltz-Hoffmann, Salzburg 2004
43
36
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Parteifreunden zu organisieren.45 Sowohl SozialistInnen als auch KommunistInnen
leisten aktiven Widerstand. Die Eisenbahn ist für die organisierte Fluchthilfe und
für die Verteilung illegaler Güter notwendig. Im Raum Zell am See sind
Eisenbahner aktiv. Im Frühjahr 1942 startet die Gestapo eine groß angelegte
Verhaftungswelle im Land Salzburg. Im Februar und März 1942 werden im
Pinzgau mehrere Personen aus politischen Gründen festgenommen. Unter ihnen
befinden sich auch die Eisenbahner Leopold Lösch (geb. 3. Jänner 1897) und
Hermann Dünser (geb. 1. März 1903). Beide werden, wie alle anderen Inhaftierten,
am 14. Oktober 1942 vom Oberlandesgericht Wien zu hohen Zuchthausstrafen
verurteilt. Leopold Lötsch erhält acht Jahre Zuchthaus, Hermann Dünser wird zu
sieben Jahren verurteilt. Beide werden im Juli 1943 einer Strafeinheit überstellt
und in Frankreich zur Zwangsarbeit eingesetzt. 46
Josef Kaut nennt rund 300 SozialistInnen, die längere Zeit in Haft waren, und
spricht von 47 Todesurteilen, „von denen vierzig vollstreckt worden sind“. 47 Auch
Maria Szecini und Karl Stadler gehen davon aus, dass die Zahl der Todesopfer
dieser sozialistischen Widerstandsgruppe in Salzburg zwischen 40 und 45 liegt. 48
Zu
den
letzten
Opfern
aus dieser Berufsgruppe
gehört der
45jährige
Reichsbahninspektor Nikolaus Schwarz aus Bruck. Er wird am 3. Dezember 1943
vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Schwarz, so der Vorwurf, habe im April
1943 einen staatsfeindlichen Aufruf verfasst und diesen in die Hände
französischer Kriegsgefangener kommen lassen. Er wird deshalb wegen
landesverräterischer Begünstigung des Feindes zum Tode und zu lebenslangem
Ehrverlust verurteilt.49
Eine exakte Opferzahl der Eisenbahner im Land Salzburg ist nicht verfügbar, da
zahlreiche Aktivisten von der Gestapo ohne Gerichtsverfahren inhaftiert und
ermordet werden. Eine Gedenktafel am Hauptbahnhof in Salzburg erinnert an 28
45
Vgl. Josef Kaut: „Der steinige Weg“, Geschichte der sozialistischen Bewegung im Lande
Salzburg, Wien 1961 S 145
46
SLA, HB Akte, Karton 103; HB 450-452, 1942 und Vgl. Widerstand und Verfolgung in Salzburg
1934-1945, Bd. 1, S 398 und 617; DÖW 8632
47
Josef Kaut: „Der steinige Weg“, Geschichte der sozialistischen Bewegung im Lande Salzburg,
Wien 1961 S 147
48
Vgl. Maria Szecsi, Karl Stadler: Das einsame Gewissen. Die NS-Justiz in Österreich und ihre
Opfer, Wien - München, 1962 S 64
49
Vgl. Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Bd. 2, S 396 und DÖW 19.793/173
37
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Eisenbahner aus dem Bundesland, die von den Nationalsozialisten ermordet
worden sind:
„Dem steten Gedenken unserer Kameraden aus dem Land Salzburg,
welche für ihre Idee und Überzeugung im Kampfe gegen den
Faschismus
in
den
Jahren
1938-1945
ihr
Leben
lassen
mussten.“50
4.3.1 Das Beispiel Nikolaus Schwarz
Nikolaus Schwarz wird am 28. Februar 1898 in Fließ in Tirol geboren. 1922 tritt
Schwarz in den Dienst der österreichischen Bundesbahn. 1939 wird er zum
technischen Reichsbahninspektor befördert und nach Bruck versetzt. Bereits in
Bruck fällt dem NS-Regime die kritische Haltung des Reichsbahninspektors auf;
1943 wird Schwarz deshalb nach Salzburg strafversetzt. Dort lernt Schwarz einen
Mann namens Bariniak kennen, der laut Anklageschrift „ein französischer
Kriegsgefangener polnischen Volkstums“ ist. Ihn ersucht Schwarz, den Entwurf
eines Schreibens ins Französische zu übersetzen. Der Entwurf des Schreibens
wird im April 1943 von einem Kriminalbeamten im Zuge einer Hausdurchsuchung
bei einem Freund Baraniaks gefunden. Der Text ist offensichtlich an befreundete
französische Kriegsgefangene in Bruck gerichtet:
„Kameraden!
Wie
Ihr,
so
sind
auch
wir
Österreicher
in
das
Unglück
gestürzt worden durch die Nazi- und Hitlerbanditen. Daß wir
uns in Gedanken einig sind, weiß ich wie ihr, nur haben mich
die Banditen schon wieder zum zweiten Mal strafweise versetzt.
Ich bin gegenwärtig in Salzburg und warte auf die Stunde der
Abrechnung mit den Banditen und wenn es sich ausgeht, werde
ich mit dem ersten Zug zu meiner Kompanie und zu euch nach
Bruck kommen. Haltet Euch derzeit nur an den Bäcker, wir
stehen ständig in Verbindung. Der Sammelplatz ist vor dem
Bahnhof, denn das erste ist, was wir besetzen, die Post und
Bahnhof wegen dem Telefon. Um Waffen für Euch werden wir
50
Vgl. Josef Kaut: „Der steinige Weg“, Geschichte der sozialistischen Bewegung im Lande
Salzburg, Wien 1961 S 147, 161
38
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
schon sorgen. Das Sammelzeichen ist in der Nacht drei Schüsse
vor Eurer Baracke, oder mündlich, denn wir werden vorher die
Banditen einzeln überfallen, damit wir genug Waffen bekommen
für Euch. Also Sammelplatz für Euch vor dem Bahnhof, Samstag
und Sonntag komme ich bereits immer.
Euer Freund und Kamerad der Einigkeit“51
In der Gendarmeriechronik der Gemeinde Bruck ist am 6. April 1943 die
Verhaftung des Eisenbahners vermerkt:
„…Nikolaus Schwarz, wurde wegen staatsfeindlicher Betätigung
mit franz. Kriegsgefangenen von der Staatspolizei in Salzburg
verhaftet.“52
Am 3. Dezember 1943 kommt es zur Verhandlung vor dem Volksgerichtshof. Der
45jährige
Nikolaus
Schwarz
wird
wegen
„Hochverrats“
und
„Feindbegünstigung“ angeklagt und zum Tode sowie zu lebenslangem Ehrverlust
verurteilt.
53
Anmerkung der Gendarmerie in Bruck: „der Hingerichtete war
verheiratet und hatte 4 Kinder im Alter von 1 - 16 Jahren“.54
4.4 Denunziation
Das NS-System ist auf Hinweise von Freunden, Bekannten, Nachbarn oder der
eigenen Familie angewiesen. Gestapo, Polizei und Gendarmerie haben zu wenig
Personal um eine lückenlose Überwachung durchzuführen. Vor allem im
ländlichen Raum muss sich das NS-System auf die Information der unmittelbaren
Nachbarn und NS-FunktionärInnen verlassen.
4.4.1 Das Beispiel Anton Höller
Der 35jährige Fabriksarbeiter Anton Höller aus Bruck kritisiert im Sommer 1939
die Arbeitsbedingungen seiner Arbeitsstelle bei den Aluminiumwerken in Lend.
51
Aus der Anklageschrift gegen Schwarz zitiert, DÖW 19.793/173
Gendarmeriechronik Bruck, 6.4.1943
53
DÖW 19.793/173
54
Gendarmeriechronik Bruck, 6.4.1943
52
39
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Zitat: „Da hier ist es schon über Dachau“. Blockobmann Matthias Bubendorfer
meldet die Kritik Höllers der Gendarmerie in Lend. Wegen „Aufwiegelung“ wird
Höller dafür vom 28. Juli bis 25. August 1939 im Amtsgericht Zell am See
inhaftiert.55 Am 6. Juli 1943 steht Anton Höller erneut vor Gericht. Höller wird vom
Oberlandesgericht Wien wegen „Hochverrats“ zu drei Jahren Zuchthaus und drei
Jahren Ehrverlust verurteilt. Der Angeklagte, so das Oberlandesgericht,
„hat in der Zeit vom Ende März bis Ende Mai 1941 in Lend an
Albert Salzmann für die Rote Hilfe Beiträge in der Höhe von 3
RM geleistet. Er hat hiedurch den kommunistischen Hochverrat
vorbereitet.56
4.4.2 Das Beispiel Johann Seeber
Der 38jährige Hilfsarbeiter Johann Seeber aus Gries im Pinzgau wird am 22. April
1940 von der Gendarmerie Bruck wegen „Hausierens und Heimtücke“ verhaftet.
Auszug aus dem Gendarmeriebericht:
Johann Seeber, welcher am 6.4.1940 bei den Bergbauern in St.
Georgen i.Pzg. unbefugt mit Schuhriemen hausierte, äußerte
sich an diesem Tage zu dem in Steinach Nr. 6 ansässigen
Bauern Ägyd Sulzenberger, wie folgt:
„Die
Illegalen
sind
überhaupt
nicht
an
der
Front,
diese
müssen zu Hause auf die Leute aufpassen. Die Alten, die den
Krieg schon mitgemacht haben, werden wohl keine Freude daran
haben
und
auch
ungern
hinausgehen.
Die
SS.
ist
auch
nur
hinter der Front und nur zu dem Zwecke eingesetzt, um dort
die militärischen Truppen, falls diese versagen oder sonst
nicht vorgehen wollen, hineinzutreiben. England hat leicht
Krieg führen, die haben genug Geld aber bei uns muß dieses
Geld mehr oder weniger vom Volk herausgepreßt werden.“57
55
DÖW 15.991
DÖW 8.633
57
DÖW 16.011
56
40
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Seeber wird wegen „Vergehens nach dem Heimtückegesetz“ in das Amtsgericht
Taxenbach eingeliefert. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Ägyd
Sulzenbacher, dem Seeber einige Eier geschenkt hat, wird „wegen Verkaufs von
bezugsscheinpflichtigen Lebensmitteln (Eiern)“ beim Landrat in Zell am See
angezeigt.58
4.4.3 Das Beispiel Rosa Holzner
Rosa Holzner lebt in Fusch; der aus Südtirol stammenden 41jährigen
Hausbesorgerin wird eine kritische Bemerkung in Bruck über die Reichsregierung
zum Verhängnis. Gegenüber der Reiterbäuerin Barbara Rattensberger äußert sie
sich am 28. September 1939:
„Es schaut für uns (Kriegslage) nicht gut aus, dem Hitler
haben sie das Meer gesperrt, es kann nichts mehr zu uns her,
es
wurde
Baumwolle
uns
schon
ein
abgefangen,
Schiff
es
mit
sind
vielen
mehrere
Tausend
Schiffe
Tonnen
und
Unterseeboote versenkt worden, wir haben schon 150.000 Tote
und sind uns uns schon 400 Flugzeuge abgeschossen worden.“59
Die Reiterbäuerin meldet den Vorfall umgehend der Gendarmerie, umfangreiche
Ermittlungen werden eingeleitet. Am 4. Oktober wird Frau Holzer von der Gestapo
festgenommen. Am 23. November 1939 findet eine Sondergerichtsverhandlung in
Salzburg statt. Rosa Holzner wird nach dem „Heimtückegesetz“ angeklagt. Über
das Urteil und das weitere Schicksal ist in den einschlägigen Archiven leider nichts
mehr zu finden.60
4.4.4 Arbeiter der Firma Redlich & Berger
Ein Gespräch im März 1941 unter Arbeitskollegen bringt auch drei Arbeiter der
Firma Redlich & Berger in Bruck vor Gericht. Vor Arbeitsbeginn äußern sich die
Arbeiter kritisch gegenüber dem Regime. Mehrere Kollegen denunzieren den
52jährigen Josef Oberlader, den 52jährigen Johann Zaisberger und den
58
DÖW 16.011
DÖW 16.036
60
DÖW 20.491/75
59
41
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
48jährigen Josef Herzog bei den Behörden. Am 10. Februar 1942 kommt es im
Oberlandesgericht
Wien
zu
einem
Prozess
wegen
„Vorbereitung
zum
Hochverrat“ gegen die drei Arbeiter aus Bruck. Josef Oberlader wird zu vier
Jahren, Johann Zaisberger zu drei Jahren und Josef Herzog zu einem Jahr und
neun Monaten Zuchthaus verurteilt. Johann Zaisberger verbüßt seine dreijährige
Haftstrafe im Zuchthaus Amberg und wird anschließend, im August 1944, in das
Konzentrationslager Dachau eingeliefert, wo er bis zur Befreiung interniert ist.61
Nach dem Krieg kommt es zu zahlreichen Prozessen vor dem Volksgericht in Linz
wegen Denunziation im NS-Staat. Auch Bruckerinnen und Brucker sind davon
betroffen.
4.4.5 Das Beispiel Anton Werber
Der 64jährige Fürsorgebeamte und Altbürgermeister von Zell am See, Anton
Werber, ist im Frühjahr 1945 dienstlich in Bruck unterwegs. Dabei wird er von
Josefa Schobersteiner, geb. 2.1.1895, angesprochen und in eine Diskussion über
den Kriegsverlauf verwickelt. Werber tröstet sie und sagt, „dass das nicht mehr
lange dauern wird, weil der Krieg seinem Ende zugeht und sowieso schon
verloren sei.“62 Josefa Schobersteiner, Mitglied der NSDAP und Blockleiterin der
Deutschen Arbeitsfront, meldet die Äußerung Werbers an die Leitung der Partei.
Werber wird am 29. April 1945, Stunden vor dem Selbstmord Hitlers, von SS und
Gendarmerie verhaftet und der Gestapo übergeben. Die Hinrichtung Werbers wird
noch für denselben Tag angeordnet. Mit der offensichtlichen Unterstützung des
Gestapobeamten Fötschl gelingt Werber die Flucht nach Salzburg.63
Am 2. April 1946 wird gegen Josefa Schobersteiner vom Landesgericht Linz als
Volksgericht ein Verfahren wegen Denunziation eingeleitet. Tathergang laut
Gendarmerie:
"Josefa Schobersteiner hat im Februar oder März 1945 den
Leiter
des
Fürsorgeamtes
in
Zell
am
See
Anton
Werber,
61
DÖW 8.199 und 18.833
OÖLA, LG Linz, Vg 8 Vr 1249/46, Vernehmungsniederschrift Anton Werber, S 3
63
OÖLA, LG Linz, Vg 8 Vr 1249/46, Vernehmungsniederschrift Anton Werber, S 3 ff
62
42
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
wohnhaft in Zell am See, Brückengasse 112, wegen politischer
Äußerungen im Wege der Kreisfrauenschaftsleiterin Grießenauer
in Zell am See zur Anzeige gebracht, worauf gegen denselben
von der Gestapo ein Verfahren eingeleitet wurde und Werber lt.
seinen
eigenen,
beigegeschlossenen
niederschriftlichen
Angaben, noch am 29.4.1945 hätte liquidiert werden sollen,
welchen Verfahren er sich noch im letzten Moment durch Flucht
entziehen konnte."64
Josefa Schobersteiner wird am 1. Oktober 1946 zu sechs Monaten Kerker und
dem Ersatz der Kosten für das Verfahren verurteilt.65
4.4.6 Das Beispiel Anna und Franz Renner
Die 37jährige Hausfrau Anna Renner, geb. Hutter, in Fusch, ist im Mai 1943 bei
Näharbeiten in der Werkstatt von Marianne Grabmayer, als ein ihr damals
unbekannter Mann eintritt. Sie kommen ins Gespräch und Anna Renner erklärt:
"Es ist höchste Zeit, mit dem Krieg aufzuhören. Das wäre
nicht so schlimm, wenn die Russen reinkämen, denn die Russen
und Kommissare sind auch Menschen. Den bei uns befindlichen
Russen und Ukrainern geht es ja auch nicht gut. Wenn der
Krieg
verloren
wird,
kommt
im
übrigen
Otto
von
Habsburg
wieder und dann geht es uns wieder gut. Die Großköpfigen sind
alle gleich und der Führer ist nicht besser als Stalin und
das alles ist nur Propaganda. Das war auch nicht notwendig,
daß wir mit den Juden so umgegangen sind."66
Ihr Gesprächspartner ist Alfred Maier, geb. 9.10.1920, in Saalfelden, wohnhaft in
Fusch, NSDAP Mitglied und Mitglied der SA. Er meldet den Vorfall mündlich und
schriftlich dem damaligen Ortsgruppenleiter Josef Frauscher67. Frau Renner wird
am 28.1.1944 deshalb wegen "Vergehens gegen das Heimtückegesetz" zu einer
64
OÖLA, LG Linz, Vg 8 Vr 1249/46, Anzeige der Gendarmerie Bruck an die Staatsanwaltschaft
OÖLA, LG Linz, Akt Vg 8 Vr 1249/46, Urteil des Landesgerichtes Linz als Volksgericht,
1.10.1946
66
OÖLA, LG Linz, Vg 8 Vr 2852/47, Haftbefehl Sondergericht LG Salzburg, 12.1.1944
67
Der stellvertretende Ortsgruppenleiter Josef Frauscher ist in den Jahren 1942 und 1943 offiziell
Ortgruppenleiter in Bruck.
65
43
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
16 monatigen Zuchthausstrafe verurteilt. Bei dieser Verhandlung wird ihr auch das
Verhalten ihres Mannes, der 1941 zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt wurde, als
erschwerend angelastet. Auch Franz Renner habe sich damals kritisch gegenüber
dem Regime geäußert.68
Im Mai 1948 kommt es zur Anklage in der „Strafsache gegen Alfred Maier, geb.
9.10.1920, in Saalfelden, wohnhaft in Fusch, Hilfsarbeiter und Josef Frauscher,
geb. 12.9.1906, in Grödig wohnhaft in Bruck, Elektriker.“ Alfred Maier und der
stellvertretende Ortsgruppenleiter Josef Frauscher werden wegen Denunziation
von Frau Renner von der Staatsanwaltschaft am 20. Mai 1948 angeklagt. Josef
Frauscher, NSDAP Mitglied seit 1931, Ortsgruppenleiter in Bruck, und Mitglied der
SA wird ebenfalls wegen Hochverrats angeklagt. Alfred Maier wird vom
Volksgericht Linz wegen Denunziation zu dreieinhalb Monaten, Josef Frauscher
wegen Hochverrats zu 14 Monaten Kerker verurteilt. Vom Vorwurf der
Denunziation wird Frauscher freigesprochen.69
5 Caritas Anstalt St. Anton
Im August 1921 kauft der Caritasverband das so genannte „Traunergut“ in
Hundsdorf. Das Gut liegt unmittelbar neben dem Franziskanerkloster. 1922, ein
Jahr später, wird am Gut eine „Anstalt für schwachsinnige Kinder“ gegründet. Die
Kinder werden von den „Vöcklabrucker Schulschwestern“ betreut.70 Die Nachfrage
nach Heimplätzen ist nach dem ersten Weltkrieg, der große wirtschaftliche
Probleme, Hunger und Elend nach sich zieht, sehr groß; die Zimmer sind ab
Herbst 1923 überfüllt: 45 Zöglinge werden von 10 Schwestern betreut. Weiters
leben sieben Obdachlose der Gemeinde Bruck und 18 Angestellte in der Anstalt.71
68
OLG, LG Linz, Vg 8 Vr 2852/47, Vernehmungsniederschrift Renner, Gendarmerie Bruck,
6.6.1946
69
OLG, LG Linz, Vg 8 Vr 2852/47, Urteil 20.5.1948
70
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 6 ff
71
Vgl.
Inghwio
aus
Schmitten:
http://bidok.uibk.ac.at/library/schmittenschwachsinnig.html#idp9934960
44
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
5.1 Philipp Bouhler und das „NS-Euthanasieprogramms – T4“.
Im Gefolge von Hermann Göring befindet sich im Mai 1945 auch das Ehepaar
Philipp und Josephine Bouhler im Pinzgau. SS-Obergruppenführer Philipp Bouhler,
Beauftragter
des
nationalsozialistischen
Euthanasieprogrammes,
geb.
11.
September 1899 in München, tritt bereits 1922 der NSDAP und am 20. April 1933
der SS bei. 72 1934 wird Bouhler zum Polizeipräsidenten in München ernannt.
Dieses Amt tritt er nie an, da er von Adolf Hitler persönlich nach Berlin bestellt wird,
um die Leitung einer neuen „Kanzlei des Führers“ zu übernehmen. Bouhler gilt als
Bürokrat und ehrgeiziger Parteigenosse. Anfang 1939, wenden sich die Eltern
eines schwer behinderten Babys an die Kanzlei des Führers und bitten um den
Gnadentod für das Baby. Dieser Fall bildet eine der Grundlagen des so genannten
„NS-Euthanasieprogramms – T4“. Die Zentrale wird aus Tarnungsgründen von der
Kanzlei des Führers getrennt. Hitler will damit nicht persönlich in Verbindung
gebracht werden. Die Zentrale arbeitet seit 1940 in Berlin-Charlottenburg,
Tiergartenstraße 4 und erhält die Kurzbezeichnung „T4“. Da Hitler die
Angelegenheit geheim halten will, kommt die übliche Form der Bevollmächtigung
durch einen Führer-Erlass oder ein Gesetz nicht in Frage. Ende Oktober 1939
unterschreibt Hitler auf privatem Briefpapier einen auf 1. September 1939
zurückdatieren Geheimbefehl:
„Reichsleiter
Bouhler
und
Verantwortung
beauftragt,
Dr.
die
med.
Brandt
Befugnisse
sind
unter
namentlich
zu
bestimmender Ärzte so zu erweitern, daß nach menschlichem
Ermessen unheilbar Kranker bei kritischer Beurteilung ihres
Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“
73
In den Jahren 1941 und 1942 werden in diesem Programm rund 70.000 geistig
und körperlich behinderte Menschen ermordet. Im Mai 1945 werden Bouhler und
seine Frau gemeinsam mit Hermann Göring von amerikanischen Soldaten
festgenommen und in das Schloss Fischhorn gebracht. Beim Transport in das
72
73
Vgl. http://verwaltungshandbuch.bayerische-landesbibliothek-online.de/bouhler-philipp
Vgl. Jeremy Noakes: „Philipp Bouhler und die Kanzlei des Führers der NSDAP“, In: Dieter
Rebentisch, Karl Teppe (Hg.): Verwaltung contra Menschenführung im Staat Hitlers, Studien
zum politisch-administrativen System, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986 S 208-237
45
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Internierungslager Dachau, am 19. Mai 1945, begeht Philipp Bouhler Selbstmord
mit einer Zyankalikapsel.74 Josephine Bouhler wählt Wochen später den Freitod im
Schloss Fischhorn. Sie stürzt sich aus dem Fenster des Schlosses.
Gendarmeriebericht vom 3. Juni 1945
„Selbstmord
der
32
jährigen
Josefine
Bouhler,
Gattin
des
gefangenen (?) Reichsleiter Phillip Bouhler durch Sprung (…)
im
IV
Fenster…“
Stockwerks
des
Schlosses
Fischhorn
gelegenen
75
5.2 „Euthanasieopfer“ aus St. Anton
Die Caritas Anstalt St. Anton in Bruck beherbergt beim „Anschluss“ 1938 rund 40
„Hilfsschüler“ und rund 35 Arbeitszöglinge, die geistig und teilweise auch
körperlich beeinträchtigt sind. Hitlers Geheimbefehl trifft auch BewohnerInnen der
Caritas Anstalt St. Anton. Christina Nöbauer:
„Die von der Caritas geführte Anstalt und ihre BewohnerInnen
gerieten nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs bald ins Visier der
nationalsozialistischen ‚Ausmerzungs‘- und Tötungsmaschinerie.
Beamte des Regimes unterzogen die Anstalt während der NS-Zeit
mehrfach einer Visitation. Wahrscheinlich im ersten Halbjahr
1940 – der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt – mussten, wie
in anderen Anstalten auch, in der CA St. Anton für alle
BewohnerInnen Meldebögen ausgefüllt werden, die die Basis für
die Selektion bildeten.
Mindestens 45 ehemalige BewohnerInnen der Caritasanstalt St.
Anton verloren in der Zeit des Nationalsozialismus durch die
„Euthanasie“ ihr Leben. Sechs der insgesamt 45 Opfer waren im
Juni 1940 in St. Anton untergebracht und wurden gemeinsam von
St.
Anton
in
die
Landesheilanstalt
Niedernhart
in
Linz
gebracht. Dort starben zwei und in Hartheim die anderen vier
7474
75
Vgl. http://verwaltungshandbuch.bayerische-landesbibliothek-online.de/bouhler-philipp
Gendarmeriechronik Bruck, 3.6.1945
46
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
aus
dieser
Gruppe.
Sie
waren
die
ersten
Opfer,
die
auf
Salzburger Boden abtransportiert wurden.
Die anderen 38 von insgesamt 45 Opfern hatten vor Juni 1940
kürzer oder länger in St. Anton verbracht und lebten zur Zeit
ihrer Deportation nicht mehr in St. Anton, sondern in anderen
Anstalten oder bei ihren Eltern. Zwei von diesen 38 Opfern
kamen
Rahmen
in
der
der
Kinderfachabteilung
‚Kinder-Euthanasie‘
‚Am
zu
Spiegelgrund‘
Tode,
drei
in
76
im
der
Landesheilanstalt Niedernhart. Alle anderen starben in der
Vernichtungsanstalt Hartheim.
(…)
Mindestens eine Bewohnerin wurde auf Grund eines Beschlusses
des
Salzburg‘
‚Amts-
als
zwangssterilisiert,
diesbezügliche
Verfahren
mit
Erbgesundheitsgericht
bei
einem
einer
weiteren
derzeit
das
unbekannten
Ergebnis durchgeführt.“77
5.3 Deportation im Juni 1940
Anfang Mai 1940 werden in der Tötungsanstalt Hartheim in Oberösterreich die
ersten Opfer ermordet; ein Monat später, im Juni 1940, erfolgt die Deportation der
Kinder aus der Caritas Anstalt St. Anton. Christina Nöbauer hat in ihrer
Dokumentation das Schicksal der Opfer in St. Anton recherchiert:78
-
Franz Födinger, geb. 12. Juli 1920 in Schörfling am Attersee (OÖ), kommt
1926 im Alter von sechs Jahren nach St. Anton, wo er bis zur Deportation
1940 lebt. Er wird in Hartheim ermordet.
-
Anna Hochleitner, geb. 25. Oktober 1910 in Ort im Innkreis (OÖ), kommt
1923 im Alter von 13 Jahren nach St. Anton, wo sie bis zur Deportation
1940 lebt. Sie wird in Hartheim ermordet.
76
Psychiatrische Anstalt „Am Steinhof“ in Wien
Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 58 ff
78
Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 18 ff
77
47
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
-
Hermann Leidlmeier (Leidlmair?), geb. 27. Mai 1929 in Wels (OÖ), kommt
1935 im Alter von sechs Jahren nach St. Anton, wo er bis zur Deportation
1940 lebt. Er wird in Hartheim ermordet.
-
Emma Reithmeier, geb. 27. Februar 1925 in Uttendorf (OÖ), kommt 1938
im Alter von 13 Jahren nach St. Anton, wo sie bis zur Deportation 1940 lebt.
Sie wird in Hartheim ermordet.
-
Alois Wiesmaier (Wiesmayr?), geb. 2. Dezember 1911 in Wernstein (OÖ),
kommt 1927 im Alter von 16 Jahren nach St. Anton, wo er bis zur
Deportation 1940 lebt. Er stirbt in Niedernhart und ist vermutlich ein Opfer
der „NS-Euthanasie“.
-
Theresia Winklbauer, geb. 7. Jänner 1923 in St. Marienkirchen (OÖ),
kommt 1931 im Alter von achteinhalb Jahren nach St. Anton, wo sie bis zur
Deportation 1940 lebt. Sie stirbt wenige Tage später in Niedernhart. Auch
sie ist vermutlich ein Opfer der „NS-Euthanasie“.79
5.4 Deportation im Mai 1941
Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wird das vom Orden der
„Barmherzigen
Schwestern“
Nationalsozialisten
aufgelöst.
geleitete
Die
„Konradinum
dort
Eugendorf“
untergebrachten
von
den
behinderten
und
pflegebedürftigen Kinder werden in den Anstalten Mariathal bei Kramsach (Tirol),
Schloss Schernberg in St. Veit im Pongau und die Caritas Anstalt St. Anton in
Bruck untergebracht.80 Am 25. Mai 1941 werden auch sie mit zwei Autobussen
nach Hartheim deportiert und dort ermordet:
-
Leonhard Hollaus, geb. 4. Juni 1924 in Piesendorf, Bezirk Zell am See
-
Wilhelm Höpfinger, geb. 19. Jänner 1933 in der Stadt Salzburg
-
Georg Michael Schwaighofer, geb. 11. Februar 1928 in Hallwang, Bezirk
Salzburg
79
80
-
Johann Seeber, geb. 7. Mai 1929 in St. Veit im Pongau
-
Franziska Speckinger, geb. 1916 in der Stadt Salzburg
-
Katharina Wagner, geb. 1901 in der Stadt Salzburg
-
Siegfried Walcher, geb. 7. April in Westendorf, Tirol
Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 18 ff
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 20
48
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
-
Franz Zopf, geb. 5. November 1931 in Straßwalchen, Bezirk Salzburg 81
Im selben Transport sind auch ehemaligen BewohnerInnen der Caritas Anstalt St.
Anton. Diese BewohnerInnen sind seit 1939 im Kloster Mariathal bei Kramsach
untergebracht. Am 25. Mai 1941 werden auch sie nach Hartheim deportiert und
ermordet:
-
Hermann Auer, geb. 20. November 1920 in Au, Gemeinde St. Martin bei
Lofer, Bezirk Zell am See
-
Otto Haidler, geb. 2. Juli 1924
-
Rudolf Orthner, geb. 28. Jänner 1920 in der Stadt Salzburg
-
Albert Rangetiner, geb. 14. Juni 1934 in Bramberg am Wildkogel, Bezirk
Zell am See
-
Mathias Rottensteiner, geb. 3. September 1923 in Tamsweg, Bezirk Lungau
-
Rupert Zanelli, geb. 14. September 1923 in Mühlegg, Salzburg82
5.5 Das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas Anstalt
Ehemalige BewohnerInnen der Caritas Anstalt, die vor der ersten Deportation im
Juni 1940, aus St. Anton zu ihren Eltern entlassen oder in anderen Anstalten
untergebracht sind, werden ebenso nach Hartheim bzw. Niedernhart gebracht und
ermordet. Es sind dies: Peter Altmann (geb. 16. März 1913 in Maishofen), Richard
Aspöck (geb. 14. Juni 1919 in Salzburg), Johann Böckl (geb. 5. April 1921 in St.
Gilgen), Herta Maria Buchmair (geb. 5. Oktober 1924 in Landeck), Peter Buchner
(geb. 24. Jänner 1915 in Kaprun), Maria Egger (geb. 20. März 1908 in Innsbruck),
Johann Haunschmied (geb. 16. Mai 1914 in Freistadt), Josef Hoch (geb. 2. März
1921 in Liefering), Therese Klammer (geb. 5. Juni 1914 in Wien), Peter Kocher
(geb. 27. Juni [Juli?] 1917), Erich Meglitsch (geb. 26. April 1919 in St.
Margarethen Stmk.), Franz Neudorfer (geb. 30. Juni 1911 in Attnang Puchheim),
Gertraud Oberreiter (geb. 11. Juni 1924 in St. Johann im Pongau), Maria
Oppeneiger (geb. 24. Juni 1921 in Böckstein bei Bad Gastein), Ingeborg Ortner
(geb. 1. März 1925 in Salzburg) Ursula Ortner (geb. 2. April 1913 in Flachau im
Pongau), Josef Prentner (geb. 29. Mai 1924 in Pichl bei Windischgarsten), Michael
81
82
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 20 ff
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 22 ff
49
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Scharfetter (geb. 25. September 1919 in Muhr Bezirk Tamsweg), Heinrich
Schauer (geb. 12. Juli 1927 in Vöcklabruck OÖ), Hildegard Schmalnauer (geb. 26.
Juni 1916 in Strobl, Salzburg), Mathilde Traunwieser (geb. 14. Dezember 1924 in
Neumarkt am Hausruck), Aloisia Wallmann (geb. 16. Juni 1912 in Gnigl,
Salzburg).83
5.6 „Kinder-Euthanasie“ am Wiener „Spiegelgrund“
Die Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund“ befindet sich im Gelände der „Heilund Pflegeanstalt Am Steinhof“ auf der Baumgartnerhöhe im 14. Wiener
Gemeindebezirk. Dort werden in der Zeit des Nationalsozialismus an die 800
Kinder im Alter von null bis 18 Jahren mit angeblicher körperlicher oder geistiger
Behinderung ermordet. Nachweislich 14 der Opfer stammen aus Salzburg. Unter
dem verharmlosenden Begriff der "Euthanasie" (griechisch für "schöner Tod")
töten ÄrztInnen all jene Kinder, die von ihnen als "bildungsunfähig" und
"Dauerkosten" verursachend eingestuft werden oder interessantes medizinisches
Material für die Gehirnforschung abgaben.
84
Zwei namentlich bekannte
Bewohnerinnen der Caritas Anstalt St. Anton werden „Am Spiegelgrund ermordet:
-
Gertrude Siebinger wird am 10. Februar 1925 in Langenlois (NÖ) geboren.
Das damals 10jährige Mädchen ist vom 10. Dezember 1934 bis 28. Juni
1936 in der Caritas Anstalt St. Anton untergebracht und besucht dort die
Hilfsschule. Im Oktober 1941 wird Gertrude Siebinger in Steinhof
aufgenommen. Die Aufnahmeuntersuchung führt Dr. Heinrich Gross durch.
Am 17. März 1942 stirbt Gertrude Siebinger im Alter von 17 Jahren.85
-
Christine Pfeffer wird am 28. Dezember 1930 in Fusch an der
Großglocknerstraße geboren. Das damals 5jährige Mädchen ist vom 1.
September 1935 bis 23. Juli 1936 in der Caritas Anstalt St. Anton
untergebracht. Nach verschieden Aufenthalten bei ihren Eltern und der
Landesnervenklinik Salzburg wird Christine Pfeffer im Frühjahr 1943 in
83
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 24 ff
Vgl. https://www.wien.gv.at/kultur/archiv/geschichte/spiegelgrund/ und Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“ S 34
85
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 33 ff
84
50
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Steinhof aufgenommen. Am 16. Juni 1943 stirbt Christine Pfeffer im Alter
von 12 Jahren.86
5.7 Zwangssterilisierung von „erbkranken Anstaltsinsassen“
Bis heute ist wissenschaftlich unklar, wie viele Menschen im Bundesland Salzburg
Opfer der Zwangssterilisierung durch die Nationalsozialisten geworden sind.
Christina Nöbauer konnte zumindest einen Fall in der Caritas Anstalt St. Anton
dokumentieren: Elisabeth Hemetsberger wird am 16. August 1914 in Linz geboren.
Die
aus
ärmlichen
Verhältnissen
stammende
Elisabeth
Hemetsberger
durchwandert mehrere Pflegeplätze und wird schließlich als Fünfzehnjährige in
der Caritas Anstalt St. Anton aufgenommen. Am 15. Mai 1943 teilt der Amtsarzt in
Zell am See der Leitung der Caritas mit, dass „eine Aufschiebung der
Unfruchtbarmachung
nicht
zugelassen
wird.“
87
Die
19jährige
Elisabeth
Hemetsberger wird trotz der Versuche der Verantwortlichen in der Caritas Anstalt
die Zwangssterilisation zu verhindern oder diese wenigstens aufzuschieben, im
Sommer 1943 im Landeskrankenhaus Salzburg zwangssterilisiert. 88
Christina Nöbauer geht davon aus, dass dies kein Einzelfall ist. Zwischen 1942
und 1943 ordnet der Betreiber der Zwangssterilisationen, Amtsarzt Dr. Josef
Zillner in Zell am See, drei Transporte mit BewohnerInnen der Caritasanstalt St.
Anton in die Landesheilanstalt Salzburg-Lehen an.89
6 Zwangsarbeit in der Region
In den Kriegsjahren lässt sich die Versorgung mit Lebensmitteln nur mehr mit dem
Einsatz von ZwangsarbeiterInnen in der Landwirtschaft aufrechterhalten, da die
Bauern und deren Söhne an der Front sind. Das Ortsbild in der Region ist in
diesen
Jahren
geprägt
von
zahlreichen
Kriegsgefangenen
und
ZwangsarbeiterInnen, die in endlosen Märschen in der Region hin- und
hergeschoben werden. In der Landwirtschaft werden vor allem polnische
ZwangsarbeiterInnen
eingesetzt.
Aber
auch
französische
und
englische
86
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 34
Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 51
88
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 43 ff
89
Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“ S 56 ff
87
51
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Kriegsgefangene, die beispielsweise in der Caritasanstalt zum Einsatz kamen,
werden zur Landarbeit gezwungen.90 ZwangsarbeiterInnen werden allerdings auch
für wirtschaftliche Projekte eingesetzt: 1941 wird mit dem Bau der Schleppbahn
zwischen Bruck und Kaprun begonnen; sie ist für die Errichtung des Kraftwerkes
Kaprun notwendig. Für den Streckenbau werden vor allem französische
Kriegsgefangene herangezogen.91 Zwischen 1940 und 1942 wird der Güterweg St.
Georgen, die Verbindungsstraße von der Salzachtal Bundesstraße nach St.
Georgen, von französischen Kriegsgefangenen errichtet.92 In Judendorf sind rund
20 russische Kriegsgefangene im Einsatz, sie müssen unter Tage im
Magnesitwerk arbeiten. 93 Im September 1944 werden 150 Häftlinge aus dem
Konzentrationslager Dachau für das von der Waffen-SS verwaltete Schloss
Fischhorn in die Region gebracht und werden gezwungen, Bauarbeiten in den
Wirtschaftsgebäuden zu verrichten. Ebenso werden 17 Häftlinge aus dem
Konzentrationsaußenlager Hallein
„Deislsteinbruch“, laut Zeitzeugin
Agnes
Primocic, für den Bau eines Luftschutzbunkers in der Region herangezogen. Die
Häftlinge sind im fünf Kilometer entfernten Aufhausen in Holzbaracken
untergebracht und müssen den täglichen Marsch zum Schloss und wieder zurück
zu Fuß antreten.94 ZeitzeugInnen erinnern sich:
Zeitzeugin Susanne Pinn:
…Zwangsarbeiter, vor allem Polen und Ukrainer waren bei den Bauern eingesetzt. (…) Ist es ein
guter Bauer gewesen, haben es die Gefangenen auch gut gehabt und ist es ein schlechter Bauer
gewesen, dann ist es allen schlecht gegangen… Auch bei der Schleppbahntrasse zwischen Bruck
und Kaprun waren sie beschäftigt (…) Die Behandlung der Nationen war unterschiedlich… Jene
Länder, die von den Deutschen besetzt waren, hatten es besser… Einige haben gesungen und
waren lustig. (…)
Das Gegenteil war: Jeden Tag, wenn wir in die Schule gingen, ist uns ein Trupp mit etwa 20
Russen von der Nachtschicht entgegengekommen. Der Trupp wurde von einem halbinvaliden,
Einäugigen mit einem Gewehr bewacht.
95
Sie waren hinter Judendorf im Magnesitwerk eingesetzt.
90
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 160
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 511
92
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 55 und Gendarmeriechronik Bruck, undatiert 1941
93
Zeitzeugeninterview Susanne Pinn, 10.2.2014, (Aufzeichnung beim Verfasser)
94
Vgl. Rainer Hochhold: Zell am See, Eine historische Zeitreise, S 333 ff
95
Für die Bewachung der Kriegsgefangenen wird aus Personalmangel bei der Gendarmerie eine
so genannte „Landwacht“ eingeführt; sie untersteht direkt der Gendarmerie und besteht
hauptsächlich aus wehruntauglichen Personen. 1942 sind in Bruck 5 Männer dafür abgestellt.
(Gendarmeriechronik Bruck, 1.3.1942)
91
52
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Gewohnt haben sie in einem ganz alten, verfallenen Bauernhaus. Das Werk hat einem gewissen
Plattner von Tirol gehört. Das Glück für die Russen war, dass der Obersteiger
96
früher mal in
Russland war und Russisch gekonnt hat und immer für seine Arbeiter zu den Bauern Kartoffeln
betteln gegangen ist. Er hat immer gesagt, er braucht etwas für „seine Leit“. So hat er sie
genannt…
97
Zeitzeuge Matthias Katsch:
…an einen ganz scharfen SS Oberscharführer aus Piesendorf, er war verwundet und hatte nur ein
Auge, kann ich mich noch genau erinnern. Er war in der Limbergsperre in Kaprun eingesetzt, dort
waren die Gefangenen untergebracht. Ich war da einmal beim Mittagessen, als ich gesehen habe,
wie zwei Gefangene von ihm aus dem Kühlraum gebracht wurden. Wenn die Gefangenen etwas
ausgefressen haben, hat man sie in den Kühlraum gesperrt. Ich weiß noch genau, ganz weiß und
starr sind die Beiden gewesen…
98
Die Versorgung der Zwangsarbeiter mit ausreichenden Lebensmitteln ist
offensichtlich nicht gegeben. Berichte der Gendarmerie dokumentieren die
Zustände der Zeit in der Region. Zwangsarbeiter leiden unter Hunger und
versuchen durch Einbrüche und Diebstähle von Lebensmitteln ihre Situation zu
verbessern: Die Zwangsarbeiter versuchen sich auf eigene Faust zu ernähren. In
der Nacht zum 20. Oktober 1944 beispielsweise wird in die Bäckerei Leeb
eingebrochen und Brot entwendet. Als Täter werden zwei russische KZ-Häftlinge
aus dem Arbeitslager Weißsee im Stubachtal ausgeforscht. Lisitsch 99 und Leonit
Tscherkassow werden aufgegriffen und festgenommen.100
6.1 Großeinsatz nach einem Spanferkeldiebstahl
Am 23. April 1943 werden beim Wimmbauern Johann Hutter zwei Spanferkel
gestohlen. Der Verdacht fällt sofort auf vier russische Kriegsgefangene, die in der
Nacht davor aus dem Lager Zeferet in Kaprun geflüchtet sind. Dabei handelt es
sich um die vier sowjetischen Offiziere Sodko, Bjetni, Makuschin und Gutkow.
Gendarmen aus Kaprun, Bruck, Fusch, Taxenbach und Lend durchkämmen die
Gegend. Südlich von Bruck werden zwei russische Kriegsgefangene bei der
96
Steiger ist Aufsichtsperson im Bergbau
Zeitzeugeninterview Susanne Pinn, 10.2.2014,
98
Zeitzeugeninterview Matthias Katsch 10.2.2014
99
Vorname in der Gendarmeriechronik unleserlich
100
Gendarmeriechronik Bruck, 23.10.1944
97
53
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Zubereitung der Ferkel ertappt. Einer der Gefangenen wird sofort erschossen, der
zweite kann flüchten. Makuschin und Gutkow werden in Rauris festgenommen
und am 9. Mai 1943 in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Gutkow
gelingt ein zweites Mal die Flucht.101 Der Gefangene Wefil (?) Bjetni, erschießt bei
einem Einbruchsversuch den Gendarmen Johann Reinel in Thumersbach und
flüchtet. Beim Ronachgut in Thumersbach wird er von einem einheimischen
Fronturlauber erschlagen.102
6.2 Zivilcourage in der Gemeinde am Beispiel Maria Eder
Nicht alle sehen der schlechten Behandlung der ZwangsarbeiterInnen tatenlos zu.
Die 59jährige Bergbäuerin Maria Eder, Mutter von 13 Kindern, Trägerin des
goldenen
Ehrenkreuzes
der
deutschen
Mutter,
Mitglied
des
Deutschen
Frauenwerks und Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), ist
politisch unverdächtig. Sie zeigt Zivilcourage: Am 8. Jänner 1940 schreibt sie eine
Postkarte an die „Salzburger Landeszeitung“. Das Schreiben der Bergbäuerin
Eder gibt Einblick in die Lebenssituation der Gefangenen:
„Ihren Zeitungsantrag weise ich zurück, verwende dafür das
Geld zur Erleichterung des Loses der armen Gefangenen in
Kaprun, die doch auch nichts dafür können, daß sie da sein
müssen.
Eine
solche
Behandlung
ist
eine
Schande
für
uns
Deutsche. Aller Mittel entblößt, ohne Socken und Handschuhe
auf
dem
Bau
arbeiten
bei
der
Kälte
und
der
Kost
uneingemachtes Kraut und Wrukensuppe zum Mittagessen, wo doch
immer geschrieben wird, daß es keine Not gibt im Lande.“103
Am 17. Jänner 1940 wird Maria Eder auf Grund der Postkarte von der Gestapo
wegen „Vergehens nach dem Heimtückegesetz, bzw. Verbreitung falscher
Gerüchte“ verhaftet und in das Amtsgericht Zell am See eingeliefert. 104 Frau Eder
101
Vgl. Christina Nöbauer: „NS-Zwangsarbeit in Kaprun“ S 234, In: „Kaprun im Wandel“,
Redaktion: Waltraud Moser-Schmidl/ Hannes Wartbichler (Hg.) Gemeinde Kaprun 2013
102
Gendarmeriechronik Bruck 1.5.1943
103
DÖW 16.008, Postkarte von Maria Eder
104
Vgl. Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Bd. 2, S 384 und DÖW 16.008
54
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
hat Glück. Sie trifft auf einen Gendarmen, der sie schließlich wieder nach Hause
schickt.
Auch der junge Schupferbauer hat Glück. Sein „Vergehen“ besteht aus Mitgefühl
mit russischen Kriegsgefangenen; er schenkt ihnen eine Zigarette und wird dabei
beobachtet. Eine Anzeige von Ing. Weissag vom 25. April 1942 beschäftigt
deshalb Kreisleiter, Gendarmerie und Landrat:
„Am
17.4.42
um
15:00
Uhr
wurde
der
junge
Schupferbauer,
Bruck-Krössenbach, betroffen wie er drei bei der Schleppbahn
eingesetzte
Sowjet-Gefangene
Zigaretten
schenkte...
(...)
Allerstrengste Verwarnung wird empfohlen.“105
Die Angelegenheit wird mit einer strengen Verwarnung zu den Akten gelegt.
6.3 Das Beispiel Agnes Primocic
„Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht“ 106 , so lautet das Lebensmotto von
Agnes Primocic. Ab 1944 werden im Schloss Fischhorn, einem Außenlager des
Konzentrationslagers Dachau, rund 150 Häftlinge zu Bauarbeiten herangezogen
(siehe auch Kapitel Fischhorn). Die Häftlingsbaracken befinden sich nicht direkt im
Schloss, sondern im etwa fünf Kilometer entfernten Aufhausen. Mit den Häftlingen
aus Dachau sind im Lager auch 17 Häftlinge des Halleiner KZ-Außenlagers
„Deislsteinbruch“ untergebracht. Sie werden, so die Erinnerung von Frau Primocic,
gezwungen einen Luftschutzbunker in Fischhorn zu errichten.107 Agnes Primocic,
am 30. Jänner 1905 in Hallein geboren, ist Kommunalpolitikerin der KPÖ und
Widerstandskämpferin. Sie rettet mehreren KZ Häftlingen das Leben und will auch
den Häftlingen in Fischhorn helfen. Sie versucht, gemeinsam mit einer Freundin,
den Häftlingen Kleider zukommen zu lassen. Primocic erinnert sich:
105
SLA, HB Akte, Karton 101; 1942 213,301-303,402-409
Michaela Zehetner (Hg.): Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht. Die Lebenserinnerungen
von Agnes Primocic; Salzburg 2004
107
Vgl. Rainer Hochhold: Zell am See, Eine historische Zeitreise, S 333 f
106
55
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
„Jedenfalls haben die Ziegleder Mali und ich zwei Koffer
voller
Bruck
Kleider
im
zusammengebracht
Pinzgau
gebracht.
hineingebracht
haben,
gewesen.
ich
Aber
sind
habe
und
Und
im
Bruck
das
Zug
haben
es
war
so.
schon
gekannt,
hinein
Als
immer
ich
war
nach
wir
es
Kontrollen
einmal
am
Glockner – und habe mir gedacht, das ist ohnehin so ein
kleiner Bahnhof am Land draußen. Aber nichts – anders is es
gewesen. Der Bahnhof war abgesperrt mit zwei Seilen und man
konnte nicht außen herumgehen.“108
Agnes Primocic, Ehrenbürgerin von Hallein, stirbt im April 2007 im Alter von 102
Jahren in ihrer Geburtsstadt. 2005 wird sie für ihr Engagement mit dem Goldenen
Verdienstkreuz des Landes Salzburg ausgezeichnet.
6.4 „Verbotener Umgang“ mit Kriegsgefangenen
Jeder Umgang mit Kriegsgefangenen und osteuropäischen ZivilarbeiterInnen ist
im NS-Staat verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Die Durchsetzung dieser
Regelung ist nur durch die Mitarbeit der Bevölkerung möglich. Denunziation und
die Bereitschaft gegenseitiger Überwachung sind dafür Grundvoraussetzung. Der
Kontakt zwischen der einheimischen Bevölkerung und AusländerInnen ist
unerwünscht. Das beginnt bereits beim Geben von Trinkgeldern, Zigaretten oder
Getränken. Das Verbot des sexuellen Kontaktes zwischen Deutschen und
AusländerInnen betrifft alle Nationen, wird jedoch unterschiedlich geahndet. Bei
Betroffenen
etwa
aus
Holland,
Frankreich,
Norwegen
etc.
wird
keine
Strafverfolgung eingeleitet, sie werden den „germanischen Völkern“ zugeordnet.
„Westlichen“ ZivilarbeiterInnen aus Italien, Frankreich, Ungarn, Spanien etc. ist der
sexuelle Kontakt prinzipiell erlaubt. Für Polen oder sowjetische Kriegsgefangene
bedeutet der sexuelle Umgang mit deutschen Frauen in der Regel die Todesstrafe
für die Gefangenen.109
108
Michaela Zehetner: Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht. S 57; zit. in: Rainer Hochhold: Zell
am See, Eine historische Zeitreise, S 334
109
Vgl. Alois Nußbaumer: „Fremdarbeiter“ im Pinzgau, Salzburg/Wien 2011, S 108
56
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Zwischen 1941 und 1943 finden mehrere Sondergerichtsverhandlungen wegen
„Verbrechens des verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen“ am Landesgericht
Salzburg statt. „Deutsche Frauen aus dem Pinzgau“, so die Anklageschrift,
werden dabei zu Haftstrafen zwischen drei Monaten und drei Jahren verurteilt.
Ihnen
wird
sexueller
Kontakt
mit Kriegsgefangenen
vorgeworfen.
110
Im
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes finden sich Unterlagen
zu zahlreichen derartigen Prozessen in Salzburg. Als Beispiel sei hier das
Schicksal von Anna W. angeführt: Am 25. Juni 1941 kommt es im Landesgericht
Salzburg zur Hauptverhandlung gegen Anna W., aus Bruck, geb. am 21.7.1920
wegen Vergehens nach der Wehrkraftschutzverordnung. Ihr wird verbotener
Umgang mit Kriegsgefangenen vorgeworfen. Auszug aus der Beilage des
Verhandlungsprotokolls:
„Die Angeklagte bekennt sich schuldig, mit dem französischen
Kriegsgefangenen Henry Dunglas im Februar 1941 5-bis 6mal im
Vorhaus des Gastwirtes Hirschenwirt in Bruck geschlechtlich
verkehrt zu haben (...)“111
Sie wird von Georg Heinz, ihrem Lebensgefährten, bei der Polizei angezeigt. Die
Frau wird am 25. Juni 1941 vom Landesgericht Salzburg zu drei Jahren
Zuchthaus verurteilt.112
Der Historiker Alois Nußbaumer hat in den Tauf- und Sterbebüchern allein in den
Gemeinden Bruck, Saalfelden, Maishofen und Kaprun 163 Kinder von
„osteuropäischen Frauen“ gefunden, die in den Jahren zwischen 1941 und 1946
geboren werden. 20 dieser Kinder sterben bereits in den ersten Lebensmonaten,
20 weitere innerhalb eines Jahres. Die überlebenden Kinder bleiben entweder bei
ihren Müttern oder werden als Pflegekinder bei einheimischen Familien
untergebracht.113
110
Vgl. Alois Nußbaumer: „Fremdarbeiter“ im Pinzgau, Salzburg/Wien 2011, S 111
Vgl. Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Bd. 2, S 412 und DÖW 20.491/48
112
Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Bd. 2, S 414 und S 617; siehe auch
Salzburger Landeszeitung vom 28.6.1941, S 7
113
Vgl. Alois Nußbaumer: „Fremdarbeiter“ im Pinzgau, Salzburg/Wien 2011, S 131 und 134
111
57
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
6.5 Das Schicksal von Giuseppe Groppo
Giuseppe Groppo wird am 24. Oktober 1926 in Mason, Provinz Vicenza,
geboren.114 Als 1943 deutsche Truppen Norditalien besetzen flüchtet Groppo in
den Untergrund. Der damals 16jährige kommt in Gefangenschaft und wird am 5.
Juni 1944 als Zwangsarbeiter zum Kraftwerksbau nach Kaprun verschleppt.
Im Juli 1944 versucht er, schlecht ausgerüstet, hungrig und erschöpft, über die
Alpen in seine Heimat zu flüchten. Mit einem schlichten Leinensack und
ungeeigneter Kleidung irrt er im Gebiet zwischen Imbachhorn und Roßkar in der
Nähe der Wachtbergalm (Gemeindegebiet Fusch/Bruck) umher. Er unterschätzt
die alpinen Gefahren und stirbt an den Folgen von Hunger und Kälte im Gebirge.
Die damals 14jährige Susanne Pinn und ihre Freundin Anni Ullmer finden die
Leiche im Juli 1944 bei der Suche nach Almrosen und verständigen die
Gendarmerie. Der junge Italiener wird schließlich, "nach Freigabe durch die
Behörde", wie es im Bericht der Gendarmerie heißt, direkt am Fundort beerdigt.
Zeitzeugin Susanne Pinn erinnert sich:
…Im Juli 1944 bin ich mit der Münchnerin Anni Almrosen pflücken gegangen. Dann sehe ich auf
einmal Schuhe. Da sitzt wer. Dann hab ich der Ullmer Anni, ich war damals 14 Jahre, gerufen. Wir
haben zuerst geglaubt es ist eine Frau, weil sie so lange schwarze Haare hatte, die aus
Liebeskummer da sitzt. Dann hab ich beim Näherkommen gesehen, dass nur mehr Knochen in
den Schuhen drinnen sind. Daneben lag ein Leinensack. Wir sind davongelaufen und zur
Reiteralm hinunter und haben es einem Jäger gesagt. Dann haben wir es der Gendarmerie in
Fusch gemeldet. Ich habe später erfahren, dass es ein 19jähriger Italiener war, der aus Kaprun
geflüchtet ist. Er wird die alpine Gegend nicht gekannt haben und ist offenbar erfroren. Die
Gendarmen haben dem Schosser
115
vom Bäcker Anderl fünf Mark gegeben und der hat ihn dann
oben eingegraben. (…) Und mich hat oft das Gewissen gedrückt, dass ich mir gedacht habe, dass
seine Leute nichts von ihm wissen. Ich glaub nicht, dass die Gendarmerie es hinuntergemeldet hat.
Das war ganz sicher im Juli 1944, weil, wie wir nach Hause gekommen sind, das weiß ich noch,
haben sie gesagt, dass auf den Hitler ein Attentat verübt wurde...
116
Gendarmeriebericht vom 25. Juli 1944, Gendarmerie Fusch:
114
Bezirksgericht Bassano del Grappa
Schosser ist neben dem Hirter und dem Melcher ein Bediensteter auf einer Alm; er ist für die
Sauberkeit der Alm verantwortlich
116
Zeitzeugeninterview Susanne Pinn, 10.2.2014
115
58
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
„wurde zwischen Imbachhorn u. Roßkar, ca. 400 m oberhalb der
Wachtbergalmhütte ein männl. Skelett aufgefunden. Dieses ist
nach Freigabe durch die Behörde an der Fundstelle beerdigt
worden. Nach umfangreichen Ermittlungen wurde festgestellt,
daß der aufgefundene Tote mit Giuseppe Groppo, 24.10.1926 in
Mazen 117 (Schrift unleserlich Anm. RL) - Italien geb., ident
ist. Er war als ital. H.A. in Kaprun beschäftigt und ist am
17.6.44
von
seiner
Imbachhorngebiet
erlegen sein.“
dürfe
Arbeitsstelle
er
abgestürzt
u.
geflüchtet.
den
Im
Verletzungen
118
Sein Name ist im „Bergopfer-Verzeichnis“ der Gemeinde Fusch angeführt. Neben
dem Musikpavillon des Ortes ist eine mehrteilige Metallplatte zu finden, die neben
Giuseppe Groppo zahlreichen Bergopfern aus dem In- und Ausland gedenkt.
„Groppo Giuseppe, Italien, abgest. [abgestürzt Anm. RL] 25.7.1944, Imbachhorn“
Nachtrag:
Nach Recherchen in Pfarren, Archiven und Meldeämtern in Italien kann die
Familie Groppo nach 70 Jahren über das Schicksal von Giuseppe Groppo im
Februar 2014 informiert werden. Zwei seiner Brüder leben heute, nach
Informationen der Gemeinde, in Italien bzw. Australien; drei Neffen leben in Italien.
1951 wird Giuseppe Groppo offiziell als vermisst gemeldet.
Laut Auskunft der Familie Groppo im August 2014 wurde der älteste Bruder von
Giuseppe, G. Battista Groppo, am 27. April 1945, wenige Tage vor dem
Selbstmord Adolf Hitlers, von deutschen Soldaten beim Rückzug in der Nähe
seines Hauses ermordet.
117
Richtig ist Mason. Nach Angabe des Meldeamtes in Mason (Italien), ist in Mason am
24.10.1926 ein Kind mit dem Namen Giuseppe Groppo zur Welt gekommen. Er wurde im Jahr
1951 von den Registern des Dorfes nach einer Volkszählung gestrichen und im Jahr 1952 als
vermisst in Deutschland, nach Angaben eines Aktes des Bezirksgerichtes von Bassano del
Grappa, deklariert.
118
Gendarmeriechronik, Fusch an der Großglocknerstraße, 25.7.1944
59
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
7 Schloss Fischhorn
Bekannt ist Fischhorn vor allem durch Reichsmarschall Hermann Göring. Er wird
am Dienstag, den 8. Mai 1945, von amerikanischen Soldaten festgenommen und
nach Fischhorn gebracht.
Das Anwesen am westlichen Ortsende von Bruck spielt eine wesentliche Rolle in
den letzten Tagen der NS-Ära. Führende SS-Funktionäre sind dort anwesend, da
es in den letzten Kriegsjahren als SS-Remonteamt119, eine SS-Reitschule, benutzt
wird, bevor es die Amerikaner im Frühjahr 1945 als Quartier in Beschlag nehmen.
Um das Schloss ranken sich zahlreiche Legenden, Mythen und Gerüchte. Vor
allem die Suche nach dem Bernsteinzimmer
120
beschäftigt Schatzsucher,
Kunsthistoriker und Journalisten seit Jahren; in diesem Zusammenhang wird in
der Literatur auch der Pinzgau genannt. Der ehemalige Gendarmeriebeamte
Herbert Gold geht davon aus, dass das Bernsteinzimmer in zwei Transporten von
SS-Männern nach Fischhorn geliefert worden ist. Er beruft sich auf die Aussagen
zweier Zeitzeuginnen im Schloss; wissenschaftliche Beweise dafür konnten bisher
nicht erbracht werden.121
7.1 Familie Gildemeister
In der Nacht des 21. September 1920 bricht im Schloss Fischhorn ein
verheerender Brand aus, der das „Märchenschloss“, wie es in Bruck genannt wird,
bis auf die unteren Stockwerke zerstört. Das Feuer vernichtet alle wertvollen
Möbel sowie die Bibliothek des Schlosses. Henrique (Heinrich) E. Gildemeister
erwirbt das völlig zerstörte Gebäude ein Jahr später, im Jahr 1921 (Kaufvertrag
vom 4.VI.1921).122 Gildemeister, geb. 2.11.1880, ein wohlhabender peruanischer
Staatsbürger, ist Botschafter Perus in Deutschland.123 Gildemeister verfügt über
119
Zuständige Behörde die den Pferdebestand für das deutsche Heer regelt
Das Bernsteinzimmer, ein im Auftrag des ersten Preußenkönigs Friedrich I. gefertigter Raum mit
Wandverkleidungen aus Bernsteinelementen, ist ursprünglich im Berliner Stadtschloss eingebaut.
Im Jahr 1716 wird es vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. an den russischen Zaren Peter
den Großen verschenkt. Fast zwei Jahrhunderte lang befindet es sich im Katharinenpalast bei
Sankt Petersburg. Ab 1942 ist es im Königsberger Schloss ausgestellt, seit dem Ende des
Zweiten Weltkrieges ist es verschollen.
121
Vgl. Herbert Gold: Das Bernsteinzimmer, Geheimtransporte in den Pinzgau, Eigenverlag 2004
122
SLA, Auszug aus dem Grundbuch (B Blatt) der KG Hundsdorf EZ 31, Schreiben vom 23.4.2007,
Zahl 20004-3365/7-2007
123
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 302, 304
120
60
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Besitzungen in Chile und Peru, sein Vermögen erwirtschaftet er aus dem Handel
mit Salpeter, Reis und Baumwolle.124 Er erwirbt im selben Jahr auch das Schloss
Kaprun. Den Bezug zum Pinzgau erhält der Unternehmer über den Handel von
Pinzgauer Rinder, die er bereits in den frühen 1920er Jahre nach Peru
exportiert.125 Das Schloss bleibt auch nach dem „Anschluss“ 1938 bis zum Jahr
1942
im
Besitz
Gildemeisters.
Laut
dem
Brucker
Lokalhistoriker,
Bezirkshauptmann a.D., Max Effenberger sind die abgebrochenen diplomatischen
Beziehungen zwischen Peru und Deutschland im Jahr 1942 die Ursache, für die
Rückkehr Gildemeisters nach Peru. Im Jahr 1942 übersiedelt Gildemeister mit
seiner Familie nach Lima, Peru. Nach dem Krieg, 1945, holt sich Gildemeister
einen Architekten aus Bremen, der das Schloss in der ursprünglichen Form wieder
renoviert. Das Anwesen und der Gutsbetrieb 126 werden von seinen beiden
Töchtern weitergeführt. Gildemeister stirbt im Alter von 84 Jahren am 25.
November 1964 in Lima.127
7.2 Fischhorn als Nebenlager des KZ Dachau
Am 1. Mai 1943 wird die Liegenschaft Fischhorn vom Reichsführer SS, Heinrich
Himmler,
für
die
SS-Pferdezucht
beschlagnahmt.
128
Diese
„Zweckentfremdung“ wird in einem Schreiben der Kreiswirtschaftsberater vom 13.
Juli 1943 kritisiert. In einem Brief von Kreiswirtschaftsberater Josef Faistauer an
Gauleiter Scheel heißt es:
„…Ich erachte es daher als Kreiswirtschaftsberater als meine
Pflicht, auf die dadurch entstehenden Nachteile aufmerksam zu
machen…“129
124
Österreichisches Staatsarchiv, Bericht der Gendarmerie in Zell am See, vom 5.9.1935, GZ
356.412 GD, St.B. 35
125
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 303
126
Laut Effenberger umfasst der Gutsbetrieb Fischhorn verteilt auf die Gemeindegebiete Bruck,
Fusch, Piesendorf und Kaprun 7790 Hektar.
127
Vgl. Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 304, 305
128
Pinzgauer Bezirksarchiv, Schreiben Breitkopf an Bürgermeister von Zell am See, 16.2.1944
129
Pinzgauer Bezirksarchiv, Schreiben Faistauer an Scheel, 13. Juli 1943
61
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Faistauer will, dass Fischhorn landwirtschaftlich genutzt wird und der Besitz an die
Landesbauernschaft übergeht. Er schlägt vor, den SS-Haflinger-Pferdehaltungshof
nach Tirol zu verlegen.
„…Oder nach Galizien wo ein ähnlich gleiches Pferd gezüchtet
wird, das für Kriegszwecke sehr geeignet ist.“130
Das Ansinnen bleibt ohne Erfolg. Die SS bleibt auf dem Anwesen. 1944 versucht
der Bürgermeister von Zell am See, das Anwesen für einen Friedhof für
Kriegsgefangene und Ausländer zu erhalten. Auch er setzt sich nicht durch. In
einem Schreiben von Max Breitkopf, Bevollmächtigter von Gildemeister in Berlin,
wird dem Bürgermeister am 16. Februar 1944 mitgeteilt:
„In
Beantwortung
des
Schreibens
vom
8.d.M.
teile
ich
ergebenst mit, daß die Liegenschaft Fischhorn mit Wirkung vom
1.
Mai
1943
vom
Reichsführer
SS
und
Chef
der
Deutschen
Polizei aufgrund der Bestimmungen des Reichsleistungsgesetzes
für die Waffen SS beschlagnahmt und in Anspruch genommen
worden ist.
Mit Rücksicht hierauf bin ich nicht in der Lage, namens des
Grundstückeigentümers, Se. Exzellenz Herrn H.E.Gildemeister,
Ihrer
Anfrage
Inanspruchnahme
nähertreten
des
Gutes
zu
können,
Fischhorn
alle
da
nach
der
anderweitigen
Rechtsgeschäfte nach dem Reichsleitungsgesetz rechtsunwirksam
sind.
Heil Hitler!“131
Schloss Fischhorn dient in der Zeit vom 6. September 1944 bis zur Befreiung im
Mai 1945 als Nebenlager des Konzentrationslagers Dachau. 50 männliche
Häftlinge werden in einem ersten Transport am 9. September 1944 nach
Fischhorn gebracht, am 18. September erfolgt der zweite Transport mit weiteren
100 männlichen Häftlingen. Diese 150 Häftlinge werden zur Renovierung des
Schlosses, zum Bau der Pferdeställe für das SS-Remonteamt und zur
130
131
Pinzgauer Bezirksarchiv, Schreiben Faistauer an Scheel, 13. Juli 1943
Pinzgauer Bezirksarchiv, Schreiben Breitkopf an Bürgermeister von Zell am See, 16.2.1944
62
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
landwirtschaftlichen Arbeit herangezogen.
132
Im Dokumentationsarchiv des
österreichischen Widerstandes finden sich Dokumente zu einigen der in Fischhorn
internierten Häftlinge:
Im Schloss Fischhorn, dem KZ Außenlager Dachau, wurden unter anderen folgende
Personen interniert:
Gebert
Julius
Julius Gebert, geb. am 26. Juli 1911, in Gross Debschütz,
„Schutzhäftling“, Zugangsdatum 25.11.1940 Außenlager Hallein, befreit in
Fischhorn [DÖW 51.257]
Hofmann
Egon
Egon Hofmann, geb. am 20. September 1914, in Mainz, „Polizeiliche
Sicherheitsverwahrung“, Zugangsdatum 26.2.1942 Außenlager Hallein,
befreit in Fischhorn [DÖW 51.257]
Koch
Karl
Der Chauffeur Karl Koch, geb. am 4. November 1906 in Pölfing/Brunn
(Steiermark) wird am 26.4.1941 als „Schutzhäftling“ in das Außenlager
Neustift und Hallein eingeliefert. Befreit in Fischhorn. Gestorben am
26.9.1986 in Graz [DÖW 51.257 und Landauer: Lexikon der österr.
Spanienkämpfer]
Medvecek
Johann
Johann Medvecek, geb. am 23. Juli 1904 in Wecheiner (Jugoslawien)
wird am 18.3.1942 in das Außenlager Hallein als
„Schutzhäftling“ eingeliefert. Befreit in Fischhorn. [DÖW 51.257]
Mrugacz
Kasimir
Kasimir Mrugacz, geb. am 25. Jänner 1915 in Bytomska (Polen), wird am
22.11.1941 als „Schutzhäftling“ in das Außenlager Hallein eingeliefert.
Befreit in Fischhorn. [DÖW 51.257]
Rettenbacher
Alfred
Der Geographiestudent Alfred Rettenbacher, geb. am 28. Februar 1913 in
Innsbruck, wird am 4.11.1940 als „Schutzhäftling“ in Dachau eingeliefert.
Einsatz im Außenlager Neustift und Hallein. Befreit in Fischhorn. Danach
übt er den Beruf als Mittelschullehrer aus. [DÖW 51.257 und Landauer:
Lexikon der österr. Spanienkämpfer]
Schober
Rupert
Rupert Schober, am 14. August 1912 in Gmünd (Niederösterreich)
geboren, wird im Mai 1941 in das Konzentrationslager Dachau
eingeliefert; im Dezember 1944 wird Schober dem Kommando Fischhorn
überstellt. Nach der Befreiung lebt Schober als Betriebsratsobmann bei
Siemens und als Angestellter der OMV in Wien.
[DÖW 20.000/ S 333 und DÖW 20.227a und DÖW 20.000/S333 und
DÖW 20.100/10.562 und Landauer: Lexikon der österr. Spanienkämpfer]
Slizankeiwicz
Stefan
Stefan Slizankeiwicz, am 18. Dezember 1920 in Bendzin (Polen)
geboren, wird am 5.3.1943 als „Schutzhäftling“ in Flossenbürg
132
Vgl. Albert Knoll: „Fischhorn“, In: Wolfgang Benz, Barbara Distel, Der Ort des Terrors, Frühe
Lager-Dachau-Emslandlager, München 2005, Bd.2, S 324-326, hier S 324 ff
63
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
eingeliefert. Über das Außenlager Hallein kommt er nach Fischhorn, wo
er schließlich befreit wird. [DÖW 51.257]
Staffenberger
Johann
Der Mechaniker Johann Staffenberger, am 16. Mai 1913 in Kematen (NÖ)
geboren, wird als „Schutzhäftling“ am 2.5.1941 in das
Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Einsatz in den Außenlagern
Neustift und Hallein. Befreit in Fischhorn. Nach der Befreiung
Gemeinderat der KPÖ Amstetten. Gestorben am 30.6.2003. [DÖW
51.257 und Landauer: Lexikon der österr. Spanienkämpfer]
Tichy
Karl
Der Schneider Karl Tichy, geb. am 2. März 1917 in Wien, wird am
3.7.1941 als „Schutzhäftling“ nach Dachau gebracht. Seine weiteren
Stationen: Fleischfabrik Wülfert; Schloß Fusch; Hallein und Fischhorn, wo
er schließlich befreit wird. [DÖW 51.257]
Ulmerich
Josef
Josef Ulmerich, geb. am 16. September 1906 in Filsdorf (Luxemburg)
wird am 10.10.1941 in das Außenlager Hallein eingeliefert. Befreit in
Fischhorn [DÖW 51.257]
York
Franz
(früher Sasek)
Der Spanienkämpfer Franz York, am 12. April 1911 in Wien geboren, ist
seit November 1941 Häftling im Konzentrationslager in Dachau. York
kommt im März 1945 als Häftling von Dachau nach Fischhorn, wo ihm am
7. Mai 1945 die Flucht gelingt. 1945 bis 1946 Staatspolizist in Wien,
danach Dolmetscher und Handelsvertreter. York stirbt am 10.2.1979 in
Wien [DÖW 19187/6 DÖW 20.000/Y1 + Y2 und DÖW 19.186 und DÖW
19.187/1-6 und DÖW 20.227ª und DÖW 20.11/13.798 und Landauer:
Lexikon der österr. Spanienkämpfer]
Zipperer
Ernst
Ernst Zipperer, Kommunist, am 7. Juli 1912 in Wien geboren, wird am 22.
Mai 1942 in Dachau eingeliefert; Zipperer wird bis zur Befreiung im Jahr
1945 im Schloss Fischhorn eingesetzt. [DÖW 20.000/Z 57 DÖW 8.126
und DÖW 20.000/E 161 und DÖW 20./000/Z 57 und DÖW 20.100/13.980
und DÖW 51.257 und Gestapo-Datei G 11108-1]
7.3 Die Familie Fegelein
Schloss Fischhorn untersteht dem Kommando von SS-Gruppenführer Otto
Hermann Fegelein, geb. am 30.10.1906. Er ist Generalleutnant der Waffen-SS,
Verbindungsoffizier direkt zum Führerhauptquartier und Schwager von Eva
Braun. 133 Fegelein tritt am 15. Mai 1933 der Allgemeinen SS bei. 1936 wird
Fegelein von Heinrich Himmler zum Kommandeur der SS-Hauptreitschule ernannt.
Nach Kriegsbeginn wird er Kommandeur der SS-Totenkopf-Reiterstandarte und
erhält im März 1940 den Rang eines SS-Obersturmbannführers. Seine Aufgabe ist
der Kampf gegen Partisanen und Banden in Polen; unter Fegeleins Kommando
133
Vgl. Heike B. Görtemaker: Eva Braun: Leben mit Hitler, München, 4. Auflage, 2010 S 254
64
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
werden mehr als 40.000 Menschen getötet 134 . Nach mehreren Verwundungen
wird
Fegelein
–
inzwischen
SS-Gruppenführer
–
am
21.
Juni
1944
Verbindungsoffizier zwischen Himmler und Hitler im Führerhauptquartier. Im
selben Monat heiratet er Gretl Braun, die Schwester von Eva Braun. Hermann
Fegelein wird am 29. April 1945 auf Befehl Hitlers im Garten des Auswertigen
Amtes in Berlin von einem Kommando der Waffen-SS hingerichtet.135
Die Eltern Fegeleins sowie führende SS-Funktionäre wohnen ab 1943 im
Schloss.136 Hans Fegelein, Vater von Hermann Fegelein, geb. am 17.11.1876, ist
Besitzer einer bekannten Reitschule in München. Die Söhne Hermann und
Waldemar erzielen bei Reitturnieren zahlreiche Siege. Während des Krieges
übersiedelt Hans Fegelein mit seiner Reitschule nach Bruck und führt sie in der
Nähe des Schlosses Fischhorn weiter.137 Waldemar Fegelein, geb. am 9.1.1912,
jüngerer Bruder von Hermann, ist Ausbildner in der SS-Hauptreitschule in
München. Waldemar Fegelein wird am 9. Mai 1945 von amerikanischen Soldaten
in Zell am See festgenommen.138
SS-Hauptsturmführer Franz Konrad ist Verwaltungsführer in Fischhorn – SSHauptsturmführer Erwin Haufler ist Leiter des SS-Remonteamtes. 139 Mehrere
junge Frauen, vermutlich Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten, sind im Schloss
als „Hausmädchen“ beschäftigt.140 Knapp vor der Kapitulation werden zahlreiche
Kunstgegenstände von Berchtesgaden auf Schloss Fischhorn gebracht. Darunter
Möbel, Bilder, Koffer, Kisten und Privatgepäck von Adolf Hitler, Eva Braun, Joseph
Goebbels, Heinrich Himmler und anderen NS-Größen.141
134
Vgl. Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoa. Die Waffen-SS und die Judenvernichtung 19391945, Darmstadt 2011, 2. Auflage, S 203
135
Vgl. Mario Morgner: Verlorenes Weltwunder, Das Bernsteinzimmer, Norderstedt, 2011 S 133 ff
136
Vgl. Pinzgauer Bezirksarchiv, Einvernahme von SS-Rottenführer Franz Schuller, Nürnberg
11.12.1945 S 320
137
Vgl. Mario Morgner: Verlorenes Weltwunder, Das Bernsteinzimmer, Norderstedt, 2011 S 133
138
Vgl. Mario Morgner: Verlorenes Weltwunder, Das Bernsteinzimmer, Norderstedt, 2011 S 133
139
Vgl. Pinzgauer Bezirksarchiv, Einvernahme von unbekanntem SS-Funktionär, S 345
140
Vgl. Pinzgauer Bezirksarchiv, Einvernahme von SS-Rottenführer Franz Schuller, Nürnberg
11.12.1945 S 321
141
Vgl. Pinzgauer Bezirksarchiv, Einvernahme von SS-Hauptsturmführer Hans-Otto Mayer,
Nürnberg 12.12.1945 S 318
65
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Während des Warschauer Aufstandes 1944 plündern SS-Soldaten im Beisein von
SS-Gruppenführer Hermann Fegelein polnische Museen, Paläste und Häuser.
Insgesamt werden 16 Eisenbahnwaggons, voll beladen mit Beutekunst, nach
Fischhorn gebracht. Als die Amerikaner am 8. Mai 1945 Schloss Fischhorn
übernehmen, sind lediglich zwölf Eisenbahnwaggons vorzufinden, die nach
Warschau rücküberstellt werden. Der Rest wird durch die SS gestohlen oder von
der einheimischen Bevölkerung geplündert. 481 Gemälde, 2.124 Grafiken, 81
Gobelins, 376 Kunstobjekte ohne nähere Bezeichnung, 46 Skulpturen, 313
Porzellangegenstände, 164 Möbelstücke, 17.000 Bücher, 2.584 Archivmappen
und zahlreiche Orientteppiche werden von den amerikanischen Soldaten im
Schloss
und
in
den
angrenzenden
Baracken
vorgefunden.
142
Die
Gendarmeriechronik vom 5. Mai 1945 dokumentiert die Plünderungen dieser
Tage:
„Auf dem Gute Fischhorn (…) beginnt die Ausgabe von in vielen
Baracken
aufgespeicherten
und
aus
vielen
Ländern
zusammengerafften Lebensmittel, Alkohol, Immobilien, Autos,
Möbel etc. und artet dieser Vorgang später zu Plündereien
aus. Zu diesem Zwecke treffen Leute mit Fahrzeugen aus dem
ganzen Pinzgau ein.“143
Auch der Brucker Bezirkshauptmann a.D. Max Effenberger erinnert sich in seinem
Brucker Heimatbuch an die Plünderungen der letzten Tage:
„In den Räumen des Schlosses und in den neu aufgestellten
Baracken - Truppenunterkünften und Lagerräume - wurden große
Mengen
sogenanntes
Parteistellen,
Privateigentum
wertvolle
Teppiche
hoher
und
und
höchster
Kunstgegenstände,
hauptsächlich aus den besetzten Ostgebieten, gelagert. Bei
Kriegsende hat die SS mit der Ausgabe von Lebensmitteln und
von anderen Gütern an die Bevölkerung begonnen. Es kam aber
das Ende zu schnell, so daß nur ein Anfang gemacht werden
konnte. Nach Abzug der Waffen-SS wurden diese aufgestapelten
142
143
Vgl. Mario Morgner: Verlorenes Weltwunder, Das Bernsteinzimmer, Norderstedt, 2011 S 132
Gendarmeriechronik Bruck, 5.5.1945
66
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Güter von Menschen, die aus verschiedenen Gebieten angereist
kamen, mit Fahrzeugen weggeholt. Es ist besser, über diese
ganzen bedauernswerten Vorfälle nichts mehr zu erwähnen, weil
man sich eigentlich darüber aufrichtig schämen müßte.“144
Die Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner verlaufen auf Schloss Fischhorn
hektisch. Die SS-Funktionäre auf dem Schloss sind bestrebt, belastende Spuren
zu vernichten. SS-Uniformen, Akten, persönliche Briefe Eva Brauns an Adolf Hitler
und anderes Material werden oder sollen verbrannt werden. Aus den
Vernehmungen führender SS-Funktionäre durch amerikanische Soldaten geht
hervor, dass jedoch nicht alles, was zur Verbrennung bestimmt ist, auch wirklich
vernichtet wird. SS-Hauptsturmführer Franz Konrad gibt im Zuge einer dreitägigen
Vernehmung im Jänner 1946 in Zell am See zu, Wertsachen, die zur Verbrennung
bestimmt sind, „an einen sicheren Ort“ nach Schladming zu seiner Mutter gebracht
zu haben. Ob es sich dabei um mehrere LKW-Transporte handelt, wie es seine
Kollegen aussagen, oder bloß um ein paar Koffer, wie er selber angibt, bleibt
dabei offen.145
Im September 1945 wird der polnische Offizier Bohdan Tadeusz Urbanowicz von
der polnischen Regierung nach Bruck entsandt. Sein offizieller Auftrag:
„Erkennung,
Inventarisierung
und
Sicherung
von
Kunstgegenständen, welche in das Deutsche Reich ausgeführt
worden waren und sich gegenwärtig in der amerikanischen Zone
auf
dem
Gebiet
des
Schlosses
Fischhorn
bei
Salzburg
befindet.“146
Seinen Eindruck bei der Ankunft in Schloss Fischhorn beschreibt Urbanowicz
folgendermaßen:
144
Max Effenberger: Brucker Heimatbuch, S 304 f
Vgl. Einvernahme von SS-Hauptsturmführer Franz Konrad, Zell am See, 6.7.8.1.1946 S 305 ff
146
Bhodan Tadeusz Urbanowicz: „Der Kampf um die Werte der Kultur. Warschau 1939-1945“ (S
337) zit. in: Walka o dobra kultury: Warszawa 1939 – 1945. Ksiega zbiorowa. Pod red
Stanislawa Lorentza. (Warszawa:) Panstw. Inst. Wyd 1970 (Übersetzung Anna Ofner)
145
67
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
„Langsam
fahren
wir
über
die
gewundene,
dicht
bewachsene
Allee auf den Platz vor dem Schloss ein. Um uns herum ein
Durcheinander
Abfallhaufen
aus
verstreuten
und
Bergen
von
Kisten,
Strohballen,
rostigen
Metallteilen.
Oberleutnant Hartt hält den Wagen an und zieht aus einem Berg
von
Unrat
ein
großes
bronzenes
Reliquiar
aus
dem
Nationalmuseum hervor. Wir betreten das Schloss, welches von
den Offizieren der Rainbow Division besetzt ist, durch das
Eingangstor. Der amerikanische Torwärter öffnet uns die Tür
zum Parterre-Saal des Turmes. In der Dämmerung kann ich Berge
von umgestürzten Büchern erkennen. Auf den Büchern verstreut
liegen weiße Halbbüsten aus Marmor. Auf dem Festerbrett sehe
ich
Zigarettenstummel
der
Marke
‚Lucky
Strike‘
und
eine
kleine Metallplatte. Weiß-blaues Email aus Limoges. Auf der
Rückseite eine Inventarnummer aus Goluchow. Ich betrachte die
Bücher,
vergoldete
Ledereinbände,
Signaturen
aus
Wilanow
(Bibliothek des Grafen Stanislaw Kostka Potocki). Auf den
marmornen
Halbbüsten
(finde
ich)
Inventarstempel
des
Königschlosses in Warschau. Der Torwärter schließt die Tür
hinter
uns
und
Offiziere,
wir
welche
gehen
weiter
mit
Gemälden
durch
die
und
Wohnräume
antiken
der
Möbeln
ausstaffiert sind. Wir gehen weiter zur Baracke. Die heraus
gestemmte Tür verwehrt niemandem den Eintritt. Es gibt keinen
Türwärter. Im Inneren herrscht schreckliche Unordnung. Berge
von Holzbrettern, zerbrochene Kisten, Stroh und zerknülltem
Papier.
Auf
Schichten
den
Balken
aufgestapelt.
des
Der
Sparrendachs
vom
sind
Gutshof
Gemälde
in
herbeigeholte
Deutsche (Österreicher)nimmt das oberste Gemälde von einem
Stapel. Wir springen alle zurück, denn von dem Bild stürzen
Wasserinnsale
auf
uns
herunter.
Es
ist
ein
dekoratives
Panneau. Der Österreicher nimmt nun das nächste Bild herunter.
– ein Selbstbildnis, gemalt von Jan Matejka. Auf den Sparren
des Daches entdecken wir die Altane gemalt von Aleksander
Gierymski, die Störche gemalt von Jozef Chelmonski, ein mit
einem Messer zerschnittenes Portrait der Stieftochter Henryk
68
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Radakowskis 147 . Aus dem Stroh lesen wir eine zerknittertes,
aus dem Keilrahmen geschnittenes und grünlich verschimmeltes
Bild auf – Gra w More, gemalt von Aleksander Gierymski148. Das
war die Geschichte meines ersten zweistündigen Besuchs auf
Fischhorn.149
Zeitzeugin Susanne Pinn:
„…Die letzten Tage waren ein richtiges Chaos. Ich kann mich noch gut erinnern, dass der Melker
Wastl Katsch im Auftrag von Fegelein mit zwei Rössern bei uns auf den Hof gekommen ist und die
Sachen bei uns versteckt hat. Das waren alles Dinge aus dem Schloss: Likör, Schnaps,
Fischdosen und Stoffe. Lauter feine Sachen. Ich habe mir aus dem Stoff, wie viele andere in der
Gegend, ein Kleid nähen lassen. (…) Alle in der Region haben sie damals Sachen genommen. (…)
Am Schluss ist dann noch ein SSler mit einem Rucksack gekommen und hat uns gefragt, ob er ihn
bei uns verstecken kann…“
150
Zeitzeuge Matthias Katsch:
„Ich habe einiges erfahren, wie es nach dem Kriegsende war. Im Schloss Fischhorn waren ja die
SS Leute. Dort wurden Baracken gebaut, wo das Beutegut aus dem Osten gelagert wurde. Nach
Kriegsende wurde geplündert und gestohlen. Die Bauern sind mit Pferd und Wagen hingefahren
und haben alles, was sie brauchen konnten, mitgenommen. Die Gemeinde hat auch große Ballen
Stoff geholt, die an die Heimkehrer für Anzüge verteilt wurden. Ein Bauernschneider hat mir dann
einen Anzug genäht, auf den ich sehr stolz war.“
151
7.4 Böcklins „Kentaurenkampf“
Die amerikanischen Vernehmungsbeamten erfahren auch von einem LKW mit
Ölgemälden, der von Berchtesgaden nach Fischhorn gebracht worden ist. Bei der
Einvernahme eines unbekannten SS-Angehörigen gibt dieser an:
147
Original: Henryk Radakowski: Portret pasierbicy artysty, Leonii Bluhdorn, 1871 (engl.: Portrait
oft the Artist’s Stepdaughter, Leonia Blühdorn, 1871)
148
Engl.: Aleksander Gierymski: Game of Morra, 1874
149
Bhodan Tadeusz Urbanowicz: „Der Kampf um die Werte der Kultur. Warschau 1939-1945“, S
338 (Übersetzung Anna Ofner)
150
Zeitzeugeninterview Susanne Pinn, 10.2.2014)
151
Schriftliche Aufzeichnungen Matthias Katsch und Zeitzeugeninterview 10.2.2014
69
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
„Von
Sachen,
die
sonst
aus
Berchtesgaden
nach
Fischhorn
gekommen sind, weiß ich nur von einem LKW mit Ölgemälden, der
vom Berghof aus nach Fischhorn gekommen sein soll.“152
Am 8. September 1945 wird, so die „Pinzgauer und Pongauer Nachrichten“, ein
gestohlenes Bild des Malers Arnold Böcklin im Wert von (damals) zwei Millionen
Mark in Bruck an der Großglocknerstraße, nahe dem Schloss Fischhorn, gefunden.
Das Bild stammt aus dem Jahr 1878:
„Gestohlener Böcklin gefunden
Schätzwert 2 Millionen Mark
Zell am See, 6. September 1945. In Bruck a. Glocknerstraße
wurde Böcklins Meisterwerk ‚Kentaurenkampf‘ aus dem Jahr 1878
aufgefunden. Das Bild war aus seinem Rahmen geschnitten und
angeblich von einem SS-Mann vergraben worden. Die dadurch
entstandenen Schäden dürften zu reparieren sein.
Wer der letzte Besitzer war, ist im Augenblick noch unbekannt.
Vor 30 Jahren war nach dem Katalog E. Meiner in Leipzig
Eigentümer. Wer war der letzte rechtmäßige Besitzer?
Das Gemälde, das nach einer Schätzung einen Wert von etwa 2
Millionen Mark besitzt, ist das letzte der drei gleichnamigen
Bilder
Böcklins.
1873
schuf
er
in
München
seinen
ersten
‚Kentaurenkampf‘. Alle drei Motive sind von einer Wucht und
Schönheit
und
verkörpern
das
Rasen
der
entfesselten
Elementarmächte.“153
Das Bild ist nicht jenes, das heute im Kunstmuseum Basel ausgestellt ist. Ein
Vergleich mit dem Foto in den Pinzgauer und Pongauer Nachrichten zeigt, dass
es eine andere Ausführung des „Kentaurenkampfes“ von Böcklin ist.
7.5 Restitution polnischer Kulturgüter
Im Frühjahr 1946 gelingt es dem polnischen Offizier Bhodan Tadeusz Urbanowicz,
einen Erlass durch die amerikanischen Behörden zu bewirken, der den
152
153
Pinzgauer Bezirksarchiv, Einvernahme von unbekanntem SS-Funktionär, S 345
Pinzgauer und Pongauer Nachrichten, Nr. 5. Samstag 8. September 1945
70
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Einwohnern in Bruck und Umgebung vorschreibt, die geraubten Gegenstände
innerhalb einer klar begrenzten Zeit zurückzugeben. Um den Erlass zu
verdeutlichen, werden Militärstrafen angedroht, sollten nach Einhaltung der
Rückgabefrist Gegenstände gefunden werden. Der Erlass führt dazu, dass
Fuhrwerke, beladen mit Kunstgegenständen und Möbel aus dem Schloss, bei den
Gemeindeämtern und Rathäusern vorfahren.154 Von den insgesamt 16 Waggons
mit Raubgütern aus Polen können zwölf Waggons rückerstattet werden. Am 23.
April 1946 verlässt ein Zug mit zwölf Waggons die Stadt Salzburg Richtung
Warschau. Die Waggons sind randvoll beladen mit Büchern, Archivbeständen,
antiken
Möbel
und
Teppichen,
polnischer
und
ausländischer
Malerei,
kleinformatigen Kunstgegenständen, wertvollem Porzellan, Waffen, Textilien sowie
naturwissenschaftlichen Sammlungen. Am 24. April 1946 kommt der Transportzug
in Warschau an. Das Gebiet, aus welchem die Restitutionsbestände stammen,
sind Schloss Fischhorn und Umgebung (Zell am See, Taxenbach, Kaprun, Bruck
u.a.) sowie das Salzburger Naturkundliche Museum (Haus der Natur). Geliefert
werden:155
Bücher: Insgesamt 351 Kisten, ca. 17.000 Bände
davon
aus der Warschauer Nationalbibliothek: 56 Kisten
aus der Warschauer Universitätsbibliothek: 211 Kisten, 5.000 Bände. Davon sehr viele
Bücher aus dem 16. und 17. Jh. Darunter für die polnische Literaturgeschichte immens
bedeutende Werke von Mikolaj Rej156und Jan Kochanowski157 und viele andere.
66 Alben mit Grafik; Original-Radierungen, Stichen und Lithographien, stammend aus
einer Abteilung der Universitätsbibliothek (Grafikkabinett, gegründet im 18. Jh. durch den
polnischen König und Kunstmäzen Stanislaw Poniatowski), wurden rückerstattet.
154
Vgl. Bhodan Tadeusz Urbanowicz: „Der Kampf um die Werte der Kultur. Warschau 19391945“ S 343 (Übersetzung Anna Ofner)
155
Bhodan Tadeusz Urbanowicz: „Der Kampf um die Werte der Kultur. Warschau 1939-1945“ S
378 (Übersetzung Anna Ofner)
156
Mikolaj Rej (auch Mikolaj Rey; geb.4.2.1505 in Zurawno bei Halicz; gest. zw. 8. 9. und
5.10.1569) war ein bedeutender polnischer Dichter, Poet, Politiker und Musiker der
Renaissance des 16. Jh. (Anm.d.Ü.)
157
Jan Kochanowski (geb 1530 bei Radom; gest. 22.8. 1584 in Lublin) war einer der
bedeutendsten polnischen Dichter des 16. Jh. (Anm. d. Ü.)
71
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Aus der Bibliothek im Palais Wilanow: 7.000 Bände und (aufgrund der großen Anzahl) eine
noch nicht gezählte Sammlung von nicht gebundenen Original-Radierungen, Stichen usw.
Aus der Bibliothek der Grafen Zamoyski (in Kozlowka): 2.500 Bände
Aus der Bibliothek der Sammlung Krasinski: 1.500 Bände (davon 96 Alben, unter anderen
mit Stichen von Daniel Chodowiecki)
Aus der Bibliothek der Fürsten Czetwertynski: 550 Bände
Aus der Bibliothek des Tadeusz Michalski: 200 Bände; v.a. Bücher mit Schwerpunkt
Indologie, unter anderen Papyri, eine persische und zwei chinesische Handschriften. Es
wurden auch Teile der Handschrift von Emir Tadz-el-Feher Rzewuski in arabischer und
französischer Sprache wiedergefunden.
Aus der Sammlung des Warschauer Nationalmuseums: 34 illuminierte Miniaturen
Sowie: Handschriften der polnischen Nationaldichter aus der Epoche der Romantik: von
Adam Mickiewicz „Grazyna“ und von Julius Slowacki „Genezis z Ducha“, „Balladyna“,
„Beatrix Cenci“, „Zlota Czaszka“.
Aus der Sammlung der Ossolinski- Nationalbibliothek Breslau (kurz: Ossolineum, Anm.
d.Ü.): wertvolle Sammlungen von Briefen, Dichtungen und Notizen. Rückerstattet wurden
auch die Noten eines verschollenen Konzertes von Karol Szymanowski.
Archive: 65 Kisten, ca. 1.200 Bände
davon 3 Kisten mit Pergamentschriften
Antike Möbel: 154 Exponate
v.a. aus dem 18. Jh., stammend aus
den Palästen Lazienki und Belvedere: 46 Stück
dem Königlichen Schloss in Warschau: 13 Stück
dem Sitz des Ministerrates158: 26 Stück
dem Museum der Stadt Warschau: 4 Stück
dem Nationalmuseum: ein Klavier von Frederic Chopin
Andere: 64 Stück
Alle Möbel, viele davon aus dem 18. Jh., die in den bedeutendsten Palästen Warschaus,
z.B. dem Königlichen Schloss und dem Palais Lazienki vor dem Krieg als repräsentative
158
Poln.: „Prezydium Rady Ministow“ (Anm. d. Ü.)
72
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Objekte gedient hatten, wurden in sehr schlechtem Zustand im Schloss Fischhorn
aufgefunden. Sie waren zumeist stark beschädigt bzw. fehlten Teile der Möbel.
Gemälde: 408 Stück
davon stammten aus
der Nationalen Kunstsammlung und dem Königlichen Schloss in Warschau: 29 Bilder
aus den Palästen Lazienki und Belvedere: 65 Bilder
aus der Sammlung Szucha J.T.: 17 Bilder
aus der Sammlung Goluchow: 2 Bilder
aus der Sammlung Zacheta: 6 Bilder (von der Plünderung der Sammlung Zacheta ist ein
Foto erhalten)
aus dem Nationalmuseum: 36 Bilder
aus der Sammlung Rotwand: 5 Bilder
aus dem Königlichen Schloss Wawel in Krakau: 1 Bild
aus der Sammlung Krosnowski: 3 Bilder
aus dem Museum der Stadt Warschau: 6 Bilder
aus dem Museum der Gesellschaft der Freunde der Schönen Künste in Krakau159: 1 Bild
aus der Sammlung Przezdziecki: 1 Bild
aus dem Palast des Ministerrates: 1 Bild
aus der Sammlung des Grafen Pninski: 1 Bild
Andere (in diesem Artikel durch den Verfasser nicht aufgezählte Bilder, aber in den
Inventarlisten auf Polnisch und Englisch erfasst): 234 Bilder
Nur einige der großen Namen der polnischen und europäischen Kunst werden als
Beispiele erwähnt:
KünstlerIn
Jozef
Chelmonski
Artur Grottger
Jan Matejko
159
Jahr
Marian 1875
1900
1860
Titel (Polnisch)
Babie Lato
Bociany
Ucieczka
Henryka
Walezego z Polski
1892? Selbstbildnis
1885 Chmielnicki i Tuchaj – Bej
pod Lwowem
Titel (Englisch)
Indian Summer
Storks
Escape of Henry of Valois
Bohdan Chmielnicki and
Tuhaj-Bej at Lviv
Towarzystwo Przyjaciol Sztuk Pieknych w Krakowie (kurz TPSP), (Anm. d. Ü.)
73
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
1867
1879
1865
1873
Henryk Rodakowski
1871
Henrik Siemiradzki
1897
Pantaleon Szyndler
1882
Stanislaw Wyspianski
Olga Boznanska
(Jozef oder Antoni?,
Anm. d. Ü.) Brodowski
Wladyslaw Czachorski
Julian Falat
Juliusz Kossak
Jacek Malczewski
Aleksander Orlowski
Jan Stanislawski
Leon Wyczolkowski
Wyrok na Matejke
Sentencing Matejko to
Death
Portret zony
Portait of Artist´s Wife
Ociemnialy Wit Stwosz z Blind Wit Stwosz with His
wnuczka
Granddaughter
Portret
dr. Portrait
of
Tadeusz
Orzechowskiego
Oksza-Orzechowski
Portret pasierbicy artysty, Portrait of the Artist´s
Leonii Bluhdorn
Stepdaughter,
Leonia
Blühdorn
Dirce chrzescijanska
Christian Dirce
Portret Cypriana Norwida Portait of Cyprian Norwid
Sw. Stanislaw, (?)
St. Stanislaus (?)
Sowie Malerei des 18. Jhs.: Marcello Bacciarelli, Canaletto, Josef Mathias Grassi,
(Johann Baptis oder Franz Xaver, Anm.d.Ü.) von Lampi u.a.
Auch französische Malerei aus verschiedenen Perioden, die Teil polnischer
Sammlungen
war,
ist
vorhanden,
z.B.
Diana
de
Poitiers
(Schule
von
Fontainebleau), flämische Malerei (Schule von Rubens), holländische (Schule von
Rembrandt)
sowie
deutsche
und
italienische
Meister,
die
wichtigen
Repräsentanten sind: Giuliano Bugiardini, Giovanni Pannini, Paris Bordone, Frans
Snyders, Gustave Courbet.
Teppiche: 68 Stück
aus der Sammlung Goluchow (vor allem aus Flandern und Aubusson): 25
Gobelins
aus der Sammlung Krosnowski: 1 Teppich
16 große orientalische Teppiche und 7 kleine wertvolle orientalische Teppiche
Skulpturen aus Marmor und Bronze: 43 Stück
74
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
aus Repräsentationsgemächern. 13 Stück
aus dem Nationalmuseum: 10 Stück
aus dem Palais Lazienki: 3 Stück
aus dem Palais Wilanow: 4 Stück
Andere: 13 Stück
Kleinere Kunstgegenstände: 4 Kisten, 250 Stück
In einer Kiste waren besonders wertvolle Kunstgegenstände verpackt: goldene
und vergoldete gotische (sakrale?) Kelche, silberne und vergoldete Reliquiare
sowie Emaille aus Limoges, kleine Figuren und andere Gegenstände (ägyptische,
chinesische und japanische Kunst aus Silber und Elfenbein).
In den restlichen drei Kisten befanden sich v.a. archäologische Funde: griechische,
etruskische und römische Funde aus China, Japan und Ägypten aus der
Sammlung Goluchow.
Porzellan: 275 Stück
China und Delft (Krüge, Vasen, Teller und Schalen): 81 Stück
Chinesische Teller mit Signaturen (Nanking, Peking, Sonore): 16 Stück
Vasen aus Sevres, Worcester, Wien, Ginari: 19 Stück
Tischporzellan: Giesche: 27 Stück
Cmielow: 41 Stück
Meisen: 18 Stück
Sevres, Wien und Russland: 12 Stück
Porzellan aus:
Deutschland 18 Stück
Tschechien: 32 Stück
Luxemburg: 1 Stück
Ohne Signaturen: 26 Stück
Fayencen: 20 Stück
Waffen: 2 Kisten, 97 Stück
75
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Säbel aus Polen, Türkei und Persien
Waffen aus Japan, Java und Malaysia
Uhren: 1 Kiste, 9 Uhren
Textilien: 1 Kiste, 40 Stück
Davon: bestickte Sluzker Gürtel160 aus der Sammlung Goluchow: 17 Stück
Kirchliche und türkische Stickereien: 17 Stück
Naturkundliche Sammlung: 4 Kisten
Aus dem Naturkundlichen Museum in Salzburg („Haus der Natur“) zurückgebracht
ins Naturkunde Museum in Warschau.
Bücher: 47 Stück
Abgüsse des Neandertaler-Schädels: 19 Stück
Ausgestopfte Vögel: 148 Stück
Ausgestopfte Tiere:
Wildschwein: 1 Stück
Wisent: 3 Stück 161
7.6 Limoges-Kreuz
Im August 2007 wird – es ist dies bisher der letzte Fund – ein kostbares, rund 800
Jahre altes Limoges-Kreuz entdeckt. 2004 findet Lydia Gruber in Zell am See das
vergoldete
Kupferkreuz
im
Zuge
einer
Wohnungsauflösung
in
einem
160
Poln.: „pasy sluckie“: dekorative Schärpen, Gürtel (meist aus Seide mit Goldstickereien), welche
v.a. im 17. und 18. Jh. Teil der Garderobe des polnischen Adels waren. Die heutige
weißrussische Stadt Sluzk war damals für die Herstellung besonders wertvoller Gürtel bekannt.
(Anm. d. Ü.)
161
Vgl. Bhodan Tadeusz Urbanowicz: „Der Kampf um die Werte der Kultur. Warschau 19391945“ S 378 (Übersetzung Anna Ofner)
76
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Sperrmüllcontainer. Drei Jahre später zeigt sie ihren Fund einem Nachbarn, der
sie darauf aufmerksam macht, dass es sich um ein wertvolles Kunstwerk handelt.
Der Kustos des Bergbaumuseums Leogang schaltet die Polizei ein: das
Landeskriminalamt Salzburg nimmt Ermittlungen auf
und mit Hilfe des
Kunsthistorischen Museums wird die Herkunft recherchiert. Das Kreuz stammt aus
dem Beutegut der Nationalsozialisten. Es befindet sich bis 1941 im Besitz der
polnischen Adeligen Izabella Elzbieta von Czartoryski-Dzalinska. Neben anderen
Kunstschätzen wird das Kreuz nach dem Warschauer Aufstand nach Österreich in
das Schloss Fischhorn gebracht. Im Mai 2008 wird es der polnischen Adelsfamilie
zurückgegeben.162
8 Die letzten Tage
Am 30. April 1945, um 15:30 Uhr, begeht Adolf Hitler in Berlin Selbstmord. Die
letzten Tage verlaufen im gesamten „Reich“ turbulent und chaotisch. In Bruck
findet zwei Stunden später (hier ist zu dieser Stunde noch nichts vom Suizid
Hitlers bekannt) eine Gemeinderatssitzung statt. In der Region Bruck sind
tausende
Flüchtlinge
aus
dem
Osten
Richtung
Tirol
unterwegs.
Der
diensthabende Gendarm in Bruck notiert: „Anzeichen eines Zusammenbruches
machen sich immer deutlicher bemerkbar.“163 Bürgermeister Peter Lederer richtet
ein Schreiben an seine Mitarbeiter. Es dokumentiert, was in diesen Stunden in
Bruck vor sich geht:
„Wenn
ich
Sie
heute
so
kurzfristig
zu
dieser
Aussprache
zusammengerufen habe, so hat mich hiezu ausschließlich die
gegenwärtige Lage hiezu veranlasst. Sie alle wissen genau so
wie
ich
die
schrecklichsten
Kriegslage,
aller
bisher
über
den
dagewesenen
Ausgang
Kriege
dieses
sind
wir
gewiss im Klaren, es dürfte wol nur eine Frage von Tagen,
vielleicht auch nur Stunden sein, bis wir vor die Tatsache
einer
Katastophe
von
noch
nicht
vorstellbaren
Ausmassen
stehen.
162
Vgl. Mario Morgner: Verlorenes Weltwunder, Das Bernsteinzimmer, Books on Demand GmbH,
Norderstedt, 2011 S 131 ff und ORF Salzburg, http://salzburg.orf.at/stories/275284/
163
Gendarmeriechronik Bruck, 1.4.1945
77
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Es gilt gerade in diesen Stunden für uns in erster Linie
klaren Blick und ruhig Blut zu bewahren und auf dem Posten
auszuharren, bis wir durch neue Männer ersetzt werden. In
dieser Eigenschaft haben wir jetzt die grösste Verantwortung
zu tragen in Bezug auf alle sich auftürmenden Fragen welche
unsere eigene Gemeinde berühren. (…)
Die Gerüchte jagen sich nun gegenseitig, sie mögen richtig
oder
falsch
sein,
wir
dürfen
uns
momentan
nicht
beirren
lassen davon und uns die Aufgaben vor Augen halten, die uns
noch zustehen, und uns zugleich verpflichten, bis zur letzten
Stunde nichts zu unterlassen, was der Gemeinde jetzt und
vielleicht auch für später nur von Vorteil sein kann.
Wie Sie alle wissen, sind wir mit Flüchtlingen nicht nur voll,
sondern darüberhinaus übervoll. Es gibt kein Haus mehr, wo
nicht solche aufgenommen und untergebracht sind, ausserdem
sind unsere grössten Häuser mit KLV-Lager 164 und Lazaretten
besetzt, zudem hat der Zustrom von Flüchtlingen bis heute
nicht ausgesetzt.
Dass hiemit die Ernährungslage, welche schon zum Zerreissen
angespannt ist, diesem Ansturm nicht mehr gewältigen kann,
ist
für
uns
alle
eine
Selbstverständlichkeit.
Aus
meiner
geschäftlichen Praxis kann ich Ihnen abermals sagen, dass
Bezugsscheine für Lebensmittel (von anderen Warengattungen
sei schon gar keine Rede mehr) soviel wie fast nichts mehr
beliefert werden können, so, dass wir schon in den nächsten
Tagen ohne Zufuhren und Nachschub sein können.
Es
ergab
treffen,
sich
daher
welche
die
eine
Lebensmittelgrundlage
Notwendigkeit
weitere
hinanhält.
eine
Massnahme
Beanspruchung
Aber
schon
zu
unserer
allein
mit
Rücksicht darauf, dass der Ort zum springen mit Menschen
vollgestopft ist, fand ich es demzufolge für notwendig, dass
164
Kinderlandverschickung, Anm. d.V.
78
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
neue weitere Aufnahmen, welche ohnedies nicht mehr möglich
sind, auf Grund meiner am Freitag gegebenen Weisung gänzlich
gesperrt. Es werden demzufolge für solche Flüchtlinge, welche
jetzt noch zuwandern, in der Kartenstelle keine Karten mehr
verabfolgt. Hiebei ist zu betonen, dass jede Marke, welche
noch eingelöst wird, der hiesigen Bevölkerung entzogen wird.
Ausserdem
habe
ich
nach
verfügt,
dass
weder
Rücksprache
Schlacht-
mit
noch
dem
Bauernführer
Nutzvieh
aus
dem
Gemeindebereich verkauft werden darf, weil ich überzeugt bin,
dass früher oder später ein Eingriff in unsere Viehbestände,
wenn eben andere Lebensmittel nicht mehr zur Verfügung stehen
erforderlich sein wird.
Was dabei ein Eingriff in die Viehbestände in der Versorgung
mit
Milch
und
Fett
für
den
Ortsbereich
bedeuten
würde,
brauche ich wol nicht gesondert zu erwähnen.
Es wird auch unsere Aufgabe sein müssen, Verwüstungen und
Zerstörungen
welche
keinen
Zweck
haben
zu
vermeiden.
Wir
dürfen uns insoweit noch glücklich schätzen, dass wir von
Bombenangriffen verschont geblieben sind und es wird auch
niemand
unter
uns
sein,
der
noch
das
Bedürfnis
hätte
in
letzter Minute durch einen sinnlos gewordenen Befehl etwas
auzuführen, was nur zum grössten Schaden der Ganzen Gemeinde,
wenn nicht zur gänzlichen Vernichtung derselben führen sollte.
Halten
wir
uns
vor
Augen,
dass
all
das
Zerstörte
wieder
aufgebaut werden muss und dies kann stets nur auf Kosten der
Algemeinheit erfolgen.
Sie sehen aus meinen Ausführungen wie bitter ernst die Zeit
an
uns
herangerückt
ist
und
wir
haben
die
Schlüssel
um
Bestand oder Verderb unserer Heimatgemeinde selbst in der
Hand! Wir und nur wir allein haben zu entscheiden, es trifft
uns eine Verantwortung, wie sie Männer einer Gemeinde noch
vor,
noch
nach
Verbundenheit
mit
uns
zu
unserem
tragen
haben
Heimatort
werden,
lässt
uns
doch
die
in
den
79
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
kritischesten Augenblicken die einzig mögliche und richtige
Entscheidung treffen.165
Noch Tage nach den letzten Kampfhandlungen sind in Bruck Opfer zu beklagen:
Der Soldat Albert Homberger (geb. 29. April 1911) stirbt am 10. Mai 1945;
Ferdinand Fritsch (geb. 30. Oktober 1922) am 14. Mai 1945; Julius Flerko (geb. 21.
Mai 1924) am 16. Mai 1945; Peter Posch (geb. 10. Jänner 1926) am 18. Mai 1945;
Walter Reichmann (geb. 26. April 1922) am 23. Mai 1945; Ernst Gille (geb. 23. Mai
1905) am 27. Mai 1945; Josef Sedlmeier (geb. 29. September 1920) am 8. Juni
1945. Die Männer sind in Gräbern nebeneinander am Friedhof in Bruck begraben.
Ein Einzelgrab hat der aus Kassel stammende Karl Heinz Schanze (geb. 5.
September 1920), er stirbt am 30. Mai 1945, knapp vor seinem 25. Geburtstag.
Die jungen Männer erliegen offenbar in einem der in Bruck gelegenen Lazarette 166,
den Folgen ihrer Verletzungen.
Am 27. Juli 1945 wird der Gendarmerieabteilungsleiter in Bruck, Oberstleutnant
Simon Löcker, wegen seiner illegalen Partei- und SS-Zugehörigkeit vom Dienst
enthoben und von seinen Kollegen festgenommen. Über sein weiteres Schicksal
ist nichts bekannt.167
9 Nachwort
Nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft leben Opfer, MitläuferInnen und
Täter Haus an Haus in enger Nachbarschaft. Gemeinsam teilen sie das
Schweigen über die letzten Jahre. Eine Aufarbeitung findet unter diesen
Voraussetzungen
nicht
statt.
Die
Kriegsheimkehrer
müssen
mit
ihren
traumatischen Erfahrungen alleine zurechtkommen. In der Ortschronik fehlt das
Kapitel über die NS-Zeit; in den Schulen wird das Schweigen fortgesetzt: der
Geschichtsunterricht endet noch Jahrzehnte später meist mit dem Jahr 1918.
165
Sitzungsprotokoll 2.3.1940 – 16.9.1946 S 80 f (Gemeinde Bruck); Text im Original mit Tipp- und
Rechtschreibfehler übernommen.
166
Ab April 1945 werden in der Volksschule und im beschlagnahmten Gasthaus „Zur
Post“ Lazarette eingerichtet. (Gendarmeriechronik Bruck, 8.4.1945)
167
Gendarmeriechronik Bruck, 27.7.1945
80
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Bruck nimmt in den Jahren zwischen 1930 und 1945, im Gegensatz zu anderen
Gemeinden im Pinzgau, durch seine geografische Lage eine besondere Stellung
ein: Der Bau der Großglocknerstraße bringt tausende Arbeitslose in die Region;
durch die Einrichtung eines Außenlagers des Konzentrationslagers Dachau im
Schloss Fischhorn werden KZ-Häftlinge nach Bruck deportiert; die Errichtung des
Wasserkraftwerks
bringt
ZwangsarbeiterInnen
nach
Bruck.
KZ-Häftlinge,
Kriegsgefangene und ZwangsarbeiterInnen prägen in den Kriegsjahren das Bild
der Gemeinde.
Eines der grausamsten Ereignisse in der Geschichte der Gemeinde während der
NS-Zeit beginnt im Behindertenheim St. Anton: mindestens 45 ehemalige
BewohnerInnen der Caritas Anstalt St. Anton werden von den Nationalsozialisten
ermordet. Das Leben der Behinderten, meist Kinder und Jugendliche, endet im
Zuge der „NS-Euthanasie“ in den Tötungsanstalten Hartheim oder „Am
Spiegelgrund“ in Wien.
Auch hier wird über Jahrzehnte der Mantel des Schweigens gebreitet. Der
politische Alltag beginnt.
Am 25. November 1945 finden die ersten freien Wahlen für den Nationalrat und
den Landtag statt. In Bruck einschließlich St. Georgen erhält die ÖVP 653 (53
Prozent), die SPÖ 535 (43 Prozent), die KPÖ 43 (4 Prozent) der Stimmen.
Ehemalige Mitglieder der NSDAP sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Die
Gendarmerie notiert: „Der Wahltag verlief ruhig.“168
Die Bilanz der Gendarmerie Bruck am Jahresende 1945 lautet:
„56
Verhaftungen,
davon
35
politischer
Natur,
bzw.
von
ehemaligen Funktionären der NSDAP und Angehörigen der SS, 25
Gerichtsanzeigen, 6 Anzeigen wegen Verwaltungsübertretungen,
54 Strafverfügungen, 320 Erhebungsberichte für Gerichte und
Verwaltungsbehörden,
168
45
Hausdurchsuchungen
aus
eigenem
Gendarmeriechronik Bruck, 25.11.1945
81
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Antrieb. Insgesamt wurden über 1.000 Dienststücke erledigt
und
außerdem
über
2.000
Identitätsausweise
für
die
Bevölkerung ausgestellt.“169
Die juristische Aufarbeitung der NS-Zeit erfolgt im Landesgericht Linz,
Volksgerichtssenat Salzburg. Drei Brucker NationalsozialistInnen werden 1946
und
1947
wegen
Denunziation
bzw.
„Hochverrat“
angeklagt.
Ein
Nationalsozialisten wird zu dreieinhalb Monaten Haft verurteilt, ein weiterer zu 14
Monaten. Eine Nationalsozialistin wird zu sechs Monaten Haft verurteilt.
Für Bruckerinnen und Brucker, wie für alle anderen im Land, geht es in der NSZeit um einen Grenzgang zwischen „Anständigkeit“ und der nackten Angst ums
Überleben. Viele riskieren durch Menschlichkeit und humanitäres Verhalten
inhaftiert oder im Konzentrationslager interniert zu werden. Andere erstarren in
politischem Schweigen, enthalten sich jeglicher Meinung und äußern sich nicht –
um sich und ihre Familien zu schützen.
Einige werden „Mitläufer“ – andere laden Schuld auf sich, die sie ein Leben lang
begleitet. Doch letztendlich gilt: „Am Ende war niemand dabei“.
10 Abkürzungsverzeichnis
BM – Bürgermeister
CA – Caritas Anstalt St. Anton
CV – Cartellverband
DÖW – Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Gestapo – Geheime Staatspolizei
KPÖ – Kommunistische Partei Österreichs
KZ – Konzentrationslager
LG – Landesgericht
NSDAP – Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
OÖLA – Oberösterreichisches Landesarchiv
169
Gendarmeriechronik Bruck, „Diensterfolge im Jahr 1945“
82
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
ÖVP – Österreichische Volkspartei
SA – Sturmabteilung
SAFE – Salzburger Aktiengesellschaft für Elektrizitätswirtschaft
SLA – Salzburger Landesarchiv
SPÖ – Sozialistische Partei Österreich
SS – Schutzstaffel
Vg – Volksgericht
11 Danksagung
In alphabetischer Reihung:
Aydt-Haßlinger, Sabine: Dolmetscherin (italienisch-deutsch)
Burgschwaiger, Herbert: Bürgermeister Bruck
Dorigato, Alessandra: Dolmetscherin (italienisch-deutsch)
Hochwimmer, Karin: Vizebürgermeisterin Bruck
Katsch, Matthias: Zeitzeuge
Kuretsidis-Haider, Claudia: Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes
Linhuber, Marlene: Übersetzung Kurrentschrift
Neudorfer, Josef: Gemeinderat Bruck
Nöbauer, Christina: Studie Caritas Anstalt St. Anton
Ofner, Anna: Kulturhistorikerin, Dolmetscherin (polnisch)
Pinn, Susanne: Zeitzeugin
Prodinger, Peter: AI, Polizeiinspektion Bruck
Scholz, Horst: Cav. Bezirksarchiv Zell am See
Schwaiger, Alois: Bergbaumuseum Leogang
Vogelreiter, Friedrich: Amtsleiter Gemeinde Bruck
Zukunftsfonds der Republik Österreich
12 ZeitzeugInnen
Die Informationen der Zeitzeugen müssen selbstverständlich quellenkritisch
betrachtet werden. Die Informationen geben nur die persönliche Sicht und die
subjektive Wahrnehmung des/der ZeitzeugIn wieder. Sowohl der Zeitfaktor
83
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
(inzwischen sind Jahrzehnte vergangen) als auch die Ausnahmesituation (Leben
in einer Diktatur) in den Jahren des Nationalsozialismus müssen im Erzählten
berücksichtigt werden. Die Interviews mit den ZeitzeugInnen wurden offen, ohne
Fragebogen, durchgeführt. Die oft stundenlangen Erzählungen wurden auf
Tonband aufgenommen und sofern notwendig, sprachlich gestrafft, bearbeitet und
zusammengefasst. Originalzitate sind unter Anführungszeichen gesetzt.
Matthias Katsch (sen.), geb. 1926 (Gespräch am 10.2.2014)
Susanne Pinn, geb. 1930 (Gespräch am 11.2.2014)
13 Quellen
13.1 Gedruckte Quellen
Cüppers, Martin: Wegbereiter der Shoa. Die Waffen-SS und die Judenvernichtung
1939-1945, primus Verlag, Darmstadt 2011, 2. Auflage
Eltz-Hoffmann von Lieselotte: „Vom Vorderbrandstätthof und dem Schicksal des
Bergbauern Johann Oblasser“, Eigenverlag, Salzburg 2004
Effenberger,
Max:
Brucker
Heimatbuch;
Aufzeichnungen
zum
Erinnern,
Nachdenken und zum gegenseitigen Verstehen, (Hg.): Gemeinde Bruck an der
Großglocknerstraße, undatiert (ca. 1980)
Fuchs, Gernod: Die Salzburger Gendarmerie von der „Kampfzeit“ der NSDAP bis
zur Entnazifizierung. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde,
Salzburg, 2003. S 273 - 336
Garscha, Winfried R.: Zur Kontrolle der Staatsausgaben in Zeiten des drohenden
Staatsbankrotts. Streiflichter aus der Tätigkeit des Rechnungshofes vor und nach
der Errichtung des „Ständestaates“. In: 250 Jahre – Der Rechnungshof.
Unabhängig. Objektiv. Wirksam. Gestern – Heute – Morgen, Selbstverlag des
Rechnungshofs, Wien 2011, S. 169-181
84
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Gold, Herbert: Das Bernsteinzimmer, Geheimtransporte in den Pinzgau,
Eigenverlag 2004
Görtemaker, Heike B.: Eva Braun: Leben mit Hitler, C.H.Beck Verlag, 4. Auflage,
München 2010
Hochhold, Rainer: Zell am See, Eine historische Zeitreise, (Hg.) Stadtgemeinde
Zell am See, Zell am See 2013
Nöbauer, Christina: „NS-Zwangsarbeit in Kaprun“ S 234, In: „Kaprun im Wandel“,
Redaktion: Waltraud Moser-Schmidl/ Hannes Wartbichler (Hg.) Gemeinde Kaprun
2013
Nöbauer,
Christina:
„Opfer
der
Zeit“.
Über
das
Schicksal
ehemaliger
BewohnerInnen der Caritas Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus.
Eigenverlag, Zell am See 2014
Nußbaumer, Alois: „Fremdarbeiter“ im Pinzgau, Edition Tandem, Salzburg/Wien
2011
Landauer, Hans; Hackl, Erich: Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer
1936-1939, 2. Erweiterte Auflage, Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft, Wien
2008
Leo, Rudolf: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz, Otto Müller Verlag, Salzburg 2013
Morgner, Mario: Verlorenes Weltwunder, Das Bernsteinzimmer, Books on
Demand GmbH, Norderstedt, 2011
Noakes, Jeremy: „Philipp Bouhler und die Kanzlei des Führers der NSDAP“, In:
Dieter Rebentisch, Karl Teppe (Hg.): Verwaltung contra Menschenführung im
Staat Hitlers, Studien zum politisch-administrativen System, Vandenhoeck &
Ruprecht, Göttingen 1986 S 208-237
85
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Pinzgauer und Pongauer Nachrichten, Nr. 5, Samstag, 8.9.1945
Salzburger Landeszeitung vom 28.6.1941
Szecsi, Maria; Stadler, Karl: Das einsame Gewissen. Die NS-Justiz in Österreich
und ihre Opfer, Verlag Herold, Wien - München, 1962 S 64
Urbanowicz, Bhodan Tadeusz: „Der Kampf um die Werte der Kultur. Warschau
1939-1945“ In: Walka o dobra kultury: Warszawa 1939 – 1945. Ksiega zbiorowa.
Pod red Stanislawa Lorentza. (Warszawa:) Panstw. Inst. Wyd 1970; (Übersetzung
Anna Ofner, Kulturhistorikerin)
Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Band 1 und 2; (Hg.):
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes; Wien 1991
Zehetner, Michaela (Hg.): Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht. Die
Lebenserinnerungen von Agnes Primocic; Akzente Salzburg 2004
13.2 Internetquellen
ORF Salzburg, http://salzburg.orf.at/stories/275284/ (Heruntergeladen 5.5.2008)
DÖW Datenbank „politisch Verfolgte“, http://doew.at
http://verwaltungshandbuch.bayerische-landesbibliothek-online.de/bouhler-philipp
(Heruntergeladen 10.3.2014)
Ingwio aus Schmitten, Caritas Anstalt St. Anton:
http://bidok.uibk.ac.at/library/schmitten-schwachsinnig.html#idp9934960
(Heruntergeladen 13.8.2014)
Spiegelgrund: https://www.wien.gv.at/kultur/archiv/geschichte/spiegelgrund/
(Heruntergeladen 19.8.2014)
86
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Kraftwerksbau
Kaprun:
http://www.salzburg.com/wiki/index.php/NS-
Zwangsarbeit_am_Beispiel_Tauernkraftwerke_Kaprun
(Heruntergeladen 2.9.2014)
Michael Mooslechner: Wehrmachtsdeserteure auf Salzburger Almen. Die Gruppe
um Karl Rupitsch in Goldegg und ihre Zerschlagung am 2. Juli 1944
http://www.schlossgoldegg.at/fileadmin/schlossgoldegg/design/images/2juli1944/
Wehrmachtsdeserteure_auf_Salzburger_Almen__M.Mooslechner.pdf
(Heruntergeladen 22.8.2014)
13.3 Ungedruckte Quellen, Archivmaterial
Auszug aus dem Grundbuch (B Blatt) der KG Hundsdorf EZ 31, Salzburger
Landesarchiv, Schreiben vom 23.4.2007, Zahl 20004-3365/7-2007
Chronik
des
k.k.
Gendarmeriepostens
Bruck
im
Pinzgau;
K.k.
Landesgendarmeriekommando Nr. 11, Abteilung Salzburg
Chronik des Gendarmeriepostens Fusch an der Großglocknerstraße
Pinzgauer Bezirksarchiv, Horst Scholz, Dokumentation „Schloss- und Gut
Fischhorn in der NS- und Nachkriegszeit“
Pinzgauer Bezirksarchiv: Einvernahme eines unbekannten SS Funktionärs, S 345
Einvernahme von SS-Rottenführer Franz Schuller, Nürnberg 11.12.1945, S 320
Einvernahme von SS-Hauptsturmführer Hans-Otto Mayer, Nürnberg 12.12.1945 S
318
Einvernahme von SS-Hauptsturmführer Franz Konrad, Zell am See, 6.7.8.1.1946
S 305 ff
Einvernahme von SS-Rottenführer Franz Schuller, Nürnberg 11.12.1945 S 321
Pinzgauer Bezirksarchiv: Heimatbriefe vom 15.7.1940 und 31.8.1940 von NSOrtsgruppenleiter Otto Ploner an die Brucker Soldaten an der Front
87
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Schreiben von Frau Eder, DÖW 16.008
Sitzungsprotokolle des Gemeinderates der Gemeinde Bruck 1936-1939 und 19401946
Österreichisches Staatsarchiv, GZ 351.763 GD, St.B. 35 (Kopie bei Verf.)
Österreichisches Staatsarchiv, GZ 356.412 GD, St.B. 35 (Kopie bei Verf.)
Schreiben Breitkopf an Bürgermeister von Zell am See, 16.2.1944, Pinzgauer
Bezirksarchiv (Kopie bei Verf.)
Schreiben Faistauer an Scheel, 13. Juli 1943, Pinzgauer Bezirksarchiv (Kopie bei
Verf.)
Landesarchiv Salzburg: HB Akte, Karton 107; 004, 1943
Landesarchiv Salzburg: HB Akte, Karton 103; HB 450-452, 1942
Landesarchiv Salzburg: HB Akte, Karton 101; 1942 213,301-303,402-409
Landesarchiv Oberösterreich: LG Linz Vg 8 Vr 2852/47; gegen Josef Frauscher
und Alfred Maier; Karton LG Sondergerichte VgVr 1947, Zl. 2841 - 2869, Nr. 257
Landesarchiv Oberösterreich: LG Linz Vg 8 Vr 1249/46; gegen Josefa
Schobersteiner; Karton LG Sondergerichte VgVr 1946, Zl. 1238-1222, Nr. 26
88
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
14 Namensregister
Nachname
Vorname
Status
Information
Altmann
Peter
„Euthanasie“
Der 10jährige Peter Altmann aus Maishofen, Bewohner
der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in Hartheim
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Aspöck
Richard
„Euthanasie“
Der 22jährige Richard Aspöck aus der Stadt Salzburg,
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Auer
Hermann
„Euthanasie“
Der 21jährige Hermann Auer aus St. Martin bei Lofer,
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Böckl
Johann
„Euthanasie“
Der 20jährige Johann Böckl aus St. Gilgen, Bewohner
der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in Hartheim
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Buchalka
Ferdinand
Politisch verfolgt Ferdinand Buchalka, geb. 17.6.1902 in Szekesfehevar
(Ungarn) flüchtet 1938 von Österreich nach Spanien.
Als Spanienkämpfer wird Buchalka vom 1.5.1941 bis
29.4.1945 im KZ Dachau interniert. Buchalka stirbt am
29.5.1990 in St. Georgen Pzg. [Landauer: Lexikon der
österr. Spanienkämpfer]
Buchmair
Herta Maria
„Euthanasie“
Die 16jährige Herta Maria Buchmair aus Landeck in
Tirol, Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, wird
1940 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“]
Buchner
Peter
„Euthanasie“
Der 26jährige Peter Buchner aus Kaprun, Bewohner
der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in Hartheim
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Duxner
Peter
Deserteur
Der Bauernsohn Peter Duxner, geb. 13.6.1915, wird
am 3.9.1944 auf dem Anwesen seines Bruders in St.
Georgen wegen „Fahnenflucht“ von der Gendarmerie
festgenommen und einer Wehrmachtsstreife aus
Saalfelden übergeben. [Gendarmeriechronik Bruck,
3.9.1944]
Eder
Maria
Kritikerin
Die Bergbäuerin Maria Eder, geb. 1883, in Pfarrwerfen,
wohnhaft in Bruck, Mitglied des Deutschen
Frauenwerkes und Trägerin des goldenen
Ehrenkreuzes der deutschen Mütter, wird am 17.
Jänner 1940 von der Gestapo verhaftet und in das
Amtsgericht Zell am See überstellt. Der Grund: Frau
89
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Eder hat in einer Postkarte an die „Salzburger
Landeszeitung“ die unerträglichen Zustände der
Kriegsgefangenen in Kaprun angeprangert. [DÖW
16.008 und Widerstand und Verfolgung Bd. 2 S 384]
Sie wird nach einigen Tagen Arrest von der
Gendarmerie nach Hause entlassen.
Egger
Maria
„Euthanasie“
Die 33jährige Maria Egger aus Innsbruck, Bewohnerin
der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in Hartheim
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Etzer
Anton
„Euthanasie“
Anton Etzer, geb. 12.8.1872, St. Georgen/Pzg., wird
am 17. April 1941 von der Landesheilanstalt SalzburgLehen in die Tötungsanstalt Hartheim überstellt.
[Quelle: Transportliste Widerstand und Verfolgung Bd.
2 S 580 und National Archivs, Microcopy, T 1021 R 17,
F 108 DÖW Film 123/3]
Födinger
Franz
„Euthanasie“
Der 20jährige Franz Födinger aus Schörfling (OÖ),
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton wird 1940 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Frauscher
Josef
NS-Funktionär
Der Elektriker Josef Frauscher, geb. 12.9.1906, SAMitglied, stellvertretender Ortsgruppenleiter und
Ortsgruppenleiter (1942/43) der NSDAP in Bruck, wird
am 20. Mai 1948 vom Volksgericht Linz, Außensenat
Salzburg gemeinsam mit Alfred Maier wegen
Hochverrats und Denunziation angeklagt. Das Gericht
verurteilt Frauscher wegen Hochverrats zu 14 Monaten
Kerker; vom Vorwurf der Denunziation wird er
freigesprochen. [OÖLA, LG Linz, Vg 8 Vr 2852/47]
Groppo
Giuseppe
Zwangsarbeiter
Der 18jährige italienische Zwangsarbeiter flüchtet 1944
von seiner Arbeitsstätte im Kraftwerk Kaprun. Groppo
stirbt an Hunger und Kälte im Juli 1944 in den Bergen
Nähe Kapruns; sein Leichnam wird im Auftrag der
Gendarmerie in der Nähe der Wachtbergalm begraben.
[Chronik Gendarmerie Fusch 25.7.1944 und
Zeitzeugeninterview Susanne Pinn]
Haidler
Otto
„Euthanasie“
Otto Haidler, Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton,
wird 1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer:
„Opfer der Zeit“]
Haunschmied
Johann
Psychiatrie
Der 29jährige Johann Haunschmied aus Freistadt,
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, stirbt 1943 in
Niedernhart (Landesnervenklinik Wagner Jauregg,
Linz). [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Hemetsberger
Elisabeth
Zwangs-
Elisabeth Hemetsberger („Post-Liesl“), geb. 16.8.1914
90
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
sterilisation
in Linz, wird 1929 in der Caritas Anstalt St. Anton
aufgenommen. Am 23. Juni 1940 wird Elisabeth
Hemetsberger, gemeinsam mit anderen
oberösterreichischen Kindern und Jugendlichen, nach
Niedernhart gebracht. Im Gegensatz zu den anderen,
die in Niedernhart bzw. Hartheim ums Leben kommen,
kommt sie – offenbar nach Intervention des ehemaligen
Pflegeleiters Prälat Dr. Franz Fiala – wieder zurück in
die Caritas Anstalt St. Anton. Am 15. Mai 1943 teilt der
Amtsarzt in Zell am See, Dr. Zillner, der Caritasanstalt
mit, dass „eine Aufschiebung der Unfruchtbarmachung
nicht zugelassen wird“. Im Sommer 1943 wird Elisabeth
Hemetsberger zwangssterilisiert. [Christina Nöbauer:
„Opfer der Zeit“]
Herzog
Josef
Kritiker
Der Arbeiter Josef Oberlader, geb. 25.10.1889, aus
Rosental wird gemeinsam mit seinen Kollegen Johann
Zaisberger (im Akt auch Zeisberger), geb. 15.1.1889,
aus Bruck und Josef Herzog, geb. 25.10.1893,
ebenfalls aus Bruck verhaftet. Ihnen wird Hochverrat
vorgeworfen. Die Arbeiter der Firma Redlich und
Berger in Bruck haben sich während der Pause abfällig
über das NS Regime geäußert. Die „staatsfeindlichen
Gespräche“ brachten den Arbeitern mehrjährige
Haftstrafen ein. Josef Oberlader wurde zu 4 Jahren
Zuchthaus, Johann Zaisberger zu 3 Jahren Zuchthaus,
Johann Herzog zu 1 Jahr Zuchthaus verurteilt.
Gemeinsam mit den drei Angeklagten wird Peter
Mösenlechner ebenfalls aus Bruck wegen
„kommunistischer Mundpropaganda an der
Arbeitsstelle“ festgenommen. [DÖW 8199; 18833 und
Widerstand u V Bd.1 S 434 ff/619]
Hoch
Josef
„Euthanasie“
Der 20jährige Josef Hoch aus Liefering (Sbg.),
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Hochleitner
Anna
„Euthanasie“
Die 30jährige Anna Hochleitner aus Ort im Innkreis
(OÖ), Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, wird
1940 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“]
Hollaus
Leonhard
„Euthanasie“
Der 19jährige Leonhard Hollaus aus Piesendorf,
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
91
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Höller
Anton
Politisch verfolgt Im Februar 1943 kommt es im Raum Pinzgau zu einer
großen Verhaftungswelle kommunistischer
Funktionäre. Neben dem Tischler Josef Scherleitner,
geb. 1911, in Lend, werden am 13. Februar 1942
mehrere KPÖ Funktionäre festgenommen. Scherleitner
wird am 28.10.1942 wegen Hochverrats zum Tode
verurteilt. Ein Gnadengesuch wird am 26. November
1942 abgelehnt. Am 30. April 1943 wird Scherleitner im
Strafgefängnis München-Stadlheim hingerichtet [DÖW
E19.793/3 und Widerstand und Verfolgung Bd. 1 S 401
ff]. Mit Scherleitner werden folgende Personen
verhaftet: Albert Salzmann, Maishofen; Rupert Rindler,
Taxenbach; Johann Kendlbacher, Taxenbach; Josef
Riedlberger, Leogang; Anton Höller, Bruck; Leopold
Lösch, Stall i. Mölltal/Ktn; Dünser Hermann, Ludesch
Bludenz [DÖW 675 und 684 und 8.633 und 15.991 und
18.186]
Holzner
Rosa
Kritikerin
Die Hausbesorgerin Rosa Holzner, geb. 1.8.1898,
äußert sich am 28. September 1939 kritisch gegen das
NS-Regime. Sie wird von Barbara Rattenberger bei der
Gendarmerie angezeigt. Tage später wird sie von der
Gestapo festgenommen und „wegen Vergehen gegen
das Heimtückegesetz“ vor ein Sondergericht in
Salzburg gestellt. Über den Ausgang des Verfahrens ist
nichts bekannt. [DÖW 16.036 und DÖW 20.941/75]
Höpflinger
Wilhelm
„Euthanasie“
Der 8jährige Wilhelm Höpflinger aus der Stadt
Salzburg, Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird
1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“]
Hutter
Josef
Bürgermeister
Brucks Bürgermeister Josef Hutter wird noch am Tag
der Machtübernahme von seinem Amt enthoben. Die
Nationalsozialisten ernennen am 13. März 1938 Anton
Posch, der jedoch nur bis 7. Juni im Amt bleibt. Seine
Nachfolge übernimmt bis zum Ende der NS-Zeit der
Kaufmann Peter Lederer. [Max Effenberger: Brucker
Heimatbuch, S 344 und DÖW 20./497/03]
Kirchner
Georg
Lehrer
Der Leiter der Landwirtschaftsschule, Georg Kirchner,
wird wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ abberufen;
der Betrieb der Bubenschule wird während der
Kriegsjahre eingestellt. [Max Effenberger: Brucker
Heimatbuch, S 116]
Klammer
Therese
Psychiatrie
Die 26jährige Therese Lammer aus Wien, Bewohnerin
der Caritas Anstalt St. Anton, stirbt 1940 in Niedernhart
92
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
(Landesnervenklinik Wagner Jauregg, Linz). [Christina
Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Kocher
Peter
„Euthanasie“
Der 24jährige Peter Kocher, vermutlich aus
Bischofshofen, Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton,
wird 1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer:
„Opfer der Zeit“]
Kowalczky
Alfreda
Zwangsarbeit
Die polnische Zwangsarbeiterin Alfreda Kowalczky wird
vom Melker Peter Embacher verdächtigt, eine
Brieftasche mit 180 RM gestohlen zu haben. Auch der
Pferdeknecht Anton Prossegger belastet die Polin und
gibt an, dass sie ihm bereits 1 (!) Zigarette gestohlen
hat. Die Staatsanwaltschaft Salzburg stellt das
Verfahren schließlich ein. Frau Kowalczky wird an ihren
Arbeitsplatz zurückgeschickt. [Zwangsarbeit im
Pinzgau, (Hg.): Historikerkommission S 345]
Kronewitter
Andreas
Eisenbahner
Briefe an seinen Sohn Wilhelm, der an der Ostfront
stationiert ist, kosten dem Reichsbahnbeamten
Andreas Kronewitter, aus Zell am See, geb.6.8.1894 in
Bruck, das Leben. Der Inhalt der Briefe reicht für ein
Verfahren wegen „Wehrkraftzersetzung“. Im Schreiben
vom 14. August 1943 rät er zur Vorsicht: „…Schau nur
zu, wenn gar nicht anders möglich, daß Du in größere
Kommandos nach hinten kommst...“ In einem zweiten
Schreiben vom 17. August 1943 äußert sich
Kronewitter kritisch über einen Nationalsozialisten in
Zell am See und erwähnt einen Luftangriff auf Wiener
Neustadt. Für das Gericht ist dies Grund genug, um
„Wehrkraftzersetzung“ zu erkennen. Andreas
Kronewitter wird in den letzten Kriegsmonaten am 21.
November 1944 in Wien hingerichtet. [DÖW 19.793/96]
Auch gegen den 20jährigen Sohn Wilhelm wird ein
Verfahren wegen „Wehrkraftzersetzung“ eingeleitet. Er
wird am 13. April 1944 von einem Feldkriegsgericht
wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zu einem Jahr
Gefängnis verurteilt. [DÖW E 18.574 und DÖW 18.318
und DÖW 21.202 vgl. Widerstand und Verfolgung Bd. 1
S 267, 319 ff, 585, 611, 627]
Lechner verh.
Elisabeth
Oblasser
Johann
Deserteurshilfe
Die Bergbauerntochter zu Hochegg in St. Georgen,
Elisabeth Lechner, geb. 31.5.1908 heiratet 1936
Johann Oblasser, geb. 26.12.1902, Bergbauer des
Vorderbrandstätthofs in Taxenbach. Das Ehepaar
versteckt und versorgt während der Kriegsjahre zwei
93
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Deserteure aus dem Raum Goldegg. Im Juni 1944
kommt es in der Region zu einer groß angelegten
Razzia der SS. Mehrere Menschen werden dabei
getötet, zahlreiche Familienangehörige in
Konzentrationslager gebracht und hingerichtet. Auch
Johann Oblasser wird in den KZs Dachau und
Buchenwald interniert. Die Verhaftung Elisabeth
Lechners durch die Gestapo wird vom Sprengelarzt
Siegfried Schernthaner verhindert. Johann Oblasser
gelingt 1945 die Flucht bei einem der berüchtigten
Todesmärsche und kommt im Juni 1945 wieder nach
Hause. [Chronik: „Vom Vorderbrandstätthof und dem
Schicksal des Bergbauern Johann Oblasser,
Eigenverlag, Salzburg 2004 und DÖW 18.467]
Leidlmeier
Hermann
„Euthanasie“
Der 20jährige Hermann Leidlmeier aus Wels (OÖ),
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1940 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Linsinger jun.
Josef
Deserteur
Aus dem Schreiben der Gendarmerie Bruck an die
Kriminalpolizei betreffend Erschießung von Josef
Linsinger jun. bei seiner Festnahme: Josef Linsinger,
geb. 14.4.1915, in Zell am See, wird am Freitag, den
29. November 1940 um ca 11 Uhr 30 auf der
Großglocknerstraße bei Bruck von einer
Gendarmeriestreife angehalten. Linsinger wird wegen
Fahnenflucht gesucht. Die Gendarmen eröffnen bei der
Festnahme das Feuer und verletzen Linsinger mit zwei
Schüssen in den Oberschenkel. Sprengelarzt Dr.
Winkler leistet erste ärztliche Hilfe. Linsinger - so die
Gendarmerie - stirbt beim Transport in das
Krankenhaus Schwarzach. Im Akt finden sich auch
Unterlagen über Peter Mitteregger aus Bachwinkl, der
von August bis Oktober 1939 mit Linsinger zusammen
ist. Der Vater Josef Linsinger sen. wird im November
1940 wegen Wehrkraftzersetzung zu 2 Jahren
Zuchthaus verurteilt. [DÖW E 18.666 und Widerstand
und Verfolgung Bd. 1 S 569, 570, 626 und DÖW
19.787/1-6]
Machreich
Josef
Politisch verfolgt Der Gastwirt Josef Machreich, geb. 22.11.1882, Bruck,
wohnhaft in Bischofshofen, wird am 1. September 1944
von der Gestapo in „Schutzhaft“ genommen. Machreich
stirbt am 2.11.1944 im Konzentrationslager
Flossenbürg. [DÖW Datenbank „politisch Verfolgte“,
94
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
www.doew.at]
Maier
Alfred
NS-Funktionär
(auch Mair)
Der Hilfsarbeiter Alfred Maier, geb. 9.10.1920 in Fusch,
SA-Mitglied, wird am 20.5.1945 gemeinsam mit
Ortsgruppenleiter Josef Frauscher vom Volksgericht
Linz, Außensenat Salzburg, wegen Denunziation
angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, die Kritikerin Anna
Renner denunziert zu haben. Renner wurde dafür zu
16 Monaten Zuchthaus verurteilt. Alfred Maier wird zu
dreieinhalb Monaten Kerker verurteilt. [OÖLA, LG Linz,
Vg 8 Vr 2852/47]
Meglitsch
Erich
„Euthanasie“
Der 22jährige Erich Meglitsch aus St. Marienkirchen
(Stmk.), Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird
1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“]
Mösenlechner
Peter
Kritiker
Siehe Josef Herzog
Neudorfer
Franz
„Euthanasie“
Der 30jährige Franz Neudorfer aus Attnang Puchheim
(OÖ), Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird
1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“]
Oberlader
Josef
Kritiker
Siehe Josef Herzog
[DÖW 8.199 und DÖW 18.464]
Oberreiter
Gertraud
„Euthanasie“
Die 17jährige Gertraud Oberreiter, Bewohnerin der
Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in Hartheim
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Oppeneiger
Maria
„Euthanasie“
Die 20jährige Maria Oppeneiger aus Böckstein (Sbg.),
Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Orthner
Rudolf
„Euthanasie“
Der 21jährige Rudolf Orthner aus der Stadt Salzburg,
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Ortner
Ingeborg
„Euthanasie“
Die 16jährige Ingeborg Ortner aus der Stadt Salzburg,
Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Ortner
Ursula
„Euthanasie“
Die 28jährige Ursula Ortner aus Flachau, Bewohnerin
der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in Hartheim
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Pfeffer
Christine
„Euthanasie“
Die 13jährige Christine Pfeffer aus Fusch, Bewohnerin
der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1943 „Am
Spielgrund“ (Pflegeanstalt „Am Steinhof“ in Wien)
95
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Prentner
Josef
Psychiatrie
Der 17jährige Josef Prentner aus Pichl bei
Windischgarsten (OÖ), Bewohner der Caritas Anstalt
St. Anton, stirbt 1941 in Niedernhart
(Landesnervenklink Wagner Jauregg, Linz). [Christina
Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Raffetseder
Gertraud
Psychiatrie
Gertraud Raffetseder, geb. am 4. Februar 1925 in
Amstetten, wird am 27. Oktober 1934 in die Caritas
Anstalt St. Anton eingeliefert. 1942 wird sie in die
Landesheilanstalt Mauer-Öhling überstellt. [Quelle: Heft
„Kinder der Anstalt – Einweisung/Entlassung; dort unter
der lfd. Nr. 245 eingetragen] Laut Auskunft beim
Niederösterreichischen Landesarchiv befindet sich
Frau Raffetseder vom 30. September 1942 bis zu
ihrem Tod am 10. Juni 1944 in der Heil- und
Pflegeanstalt Mauer-Öhling. [Quelle: Christina
Nöbauer]
Rangetiner
Albert
„Euthanasie“
Der 7jährige Albert Rangetiner aus Bramberg am
Wildkogel (Sbg), Bewohner der Caritas Anstalt St.
Anton, wird 1941 in Hartheim ermordet. [Christina
Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Reithmeier
Emma
„Euthanasie“
Die 17jährige Emma Reithmeier aus Uttendorf,
Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1940 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Renner
Anna
Kritikerin
Anna Renner, geborene Hutter, geb. 8.4.1907 in
Fusch, kritisiert im Mai 1943 das NS-Regime, den Krieg
und den Umgang mit Juden und Jüdinnen. Sie wird von
Alfred Maier (auch Mair), Mitglied der SA, beim
Ortsgruppenleiter denunziert. Anna Renner wird am 28.
Jänner 1944 zu 16 Monaten Haft verurteilt. [OÖLA, LG
Linz, Vg 8 Vr 2852/47]
Renner
Franz
Politisch verfolgt Der Ehemann von Anna Renner wird im Juni 1941
wegen „kommunistischer Tätigkeit“ zu einem Jahr
Zuchthaus verurteilt. [OÖLA, LG Linz, Vg 8 Vr 2852/47]
Rottensteiner
Mathias
„Euthanasie“
Der 18jährige Mathias Rottensteiner aus Tamsweg,
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Schachner
Hermann
Gendarm
Der Brucker Gendarm Hermann Schachner, geb.
9.8.1909, ist seit 1931 am Posten Bruck bzw. Fusch.
Die Gestapo beurteilt ihn als „Systemschwein,
Kriechernatur, radikaler Gegner der NSDAP, hat
96
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Spionage getrieben gegen das Reich, dachaureif“. Er
wird nach St. Gilgen strafversetzt. Von 1940 bis 1945
versieht er als Feldgendarm seinen Dienst an der
Ostfront, wo er schließlich in russische
Kriegsgefangenschaft gerät. Am 9. Juli 1949 kommt er,
gesundheitlich schwer angeschlagen, wieder nach St.
Gilgen. [Privatarchiv Gernod Fuchs]
Scharfetter
Michael
„Euthanasie“
Der 22jährige Michael Scharfetter aus Muhr (Sbg.),
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Schauer
Heinrich
„Euthanasie“
Der 13jährige Heinrich Schauer aus Vöcklamarkt (OÖ),
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1940 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Schmalnauer
Hildegard
„Euthanasie“
Die 24jährige Hildegard Schmalnauer aus Strobl (OÖ),
Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1940 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Scharl
Peter
Politisch verfolgt Der Fabriksarbeiter Peter Scharl, geb. 4.6.1905,
Palting-Perwang (OÖ), wohnhaft: Bruck, wird am 15.
April 1941 von der Kriminalpolizei in das KZ Dachau
eingeliefert. Begründung: „polizeiliche
Sicherheitsverwahrung“. Scharl stirbt am 14. Jänner
1942 in Dachau. [DÖW Datenbank „politisch Verfolgte“,
www.doew.at]
Schobersteiner
Josefa
NS-Funktionärin
Josefa Schobersteiner, geborene Spöttl, geb. 2.1.1895,
wohnhaft in Bruck - NSDAP-Mitglied und Blockleiterin wird am 1. Oktober 1946 vom Landesgericht Linz als
Volksgericht wegen Denunziation zu sechs Monaten
Kerker verurteilt. Schobersteiner wird vorgeworfen, den
Leiter der Fürsorge Zell am See Anton Werber, der im
Frühjahr 1945 eine positive Bemerkung über das Ende
des Krieges tätigt, beim Ortgruppenleiter angezeigt zu
haben. [OÖL, LG Linz, Akt Vg 8 Vr 1249/46]
Schwarz
Nikolaus
Eisenbahner
Reichsbahninspektor Nikolaus Schwarz, geb. 1898,
wird am 3. Dezember 1943 vom Volksgerichtshof zum
Tode verurteilt. Schwarz, so der Vorwurf, hat im April
1943 eine staatsfeindliche Schrift verfasst und diese in
die Hände französischer Kriegsgefangener kommen
lassen. Er wird deshalb wegen landesverräterischer
Begünstigung des Feindes zum Tode und zu
lebenslangem Ehrverlust verurteilt. [DÖW 19.793/173
97
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
und Widerstand und Verfolgung Bd. 2, S 396]
Schwaighofer
Georg
„Euthanasie“
Der 13jährige Georg Schwaighofer aus Hallwang
(Sbg.), Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird
1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“]
Seeber
Johann
Heimtückegesetz Der Hilfsarbeiter Johann Seeber, geb. am 5.4.1902 in
Jochberg (Tirol), wohnhaft Gries im Pinzgau wird am
22. April 1940 von der Gendarmerie Bruck verhaftet. Er
habe sich, so der Vorwurf, beim Bauern Ägyd
Sulzenbacher abfällig über das NS-System geäußert.
Er wird wegen „Vergehen nach dem
Heimtückegesetz“ in das Amtsgericht Taxenbach
eingeliefert. Über sein weiteres Schicksal ist nichts
bekannt. [DÖW 16.011]
Seeber
Johann
„Euthanasie“
Der 12jährige Johann Seeber aus St. Veit im Pongau
(Sbg), Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, wird
1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“]
Siebinger
Gertrude
„Euthanasie“
Die 17jährige Gertrude Siebinger, vermutlich aus
Langenlois (NÖ), Bewohnerin der Caritas Anstalt St.
Anton, wird 1942 „Am Spiegelgrund“ (Pflegeanstalt „Am
Steinhof“, Wien) ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer
der Zeit“]
Speckinger
Franziska
„Euthanasie“
Die 25jährige Franziska Speckinger aus der Stadt
Salzburg, Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton,
wird 1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer:
„Opfer der Zeit“]
Thurner
Johann
Lehrer
Der Direktor der Volksschule Bruck, Johann Thurner,
seit 1903 als Lehrer an der Schule tätig, wird gleich
nach der Machtübernahme als „politisch
unzuverlässig“ eingestuft und wird in den Ruhestand
versetzt. Ihm folgt vorerst Rudolf Ueberreither, dann
Elfriede Kasper (verh. Haslauer). [Max Effenberger:
Brucker Heimatbuch, S 79 f]
Traunwieser
Mathilde
Psychiatrie
Die 15jährige Mathilde Traunwieser aus Neumarkt a.H.,
Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, stirbt 1942 in
Niedernhart (Landesnervenklinik Wagner Jauregg,
Linz). [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
W.
Anna
Verbotener
Am 25. Juni 1941 kommt es im Landgericht Salzburg
Umgang mit
zur Hauptverhandlung gegen Anna W., geb. am
Kriegsgef.
21.7.1920 in Bruck wegen Vergehens nach der
Wehrkraftschutzverordnung. Ihr wird verbotener
Umgang mit Kriegsgefangenen vorgeworfen. Sie wird
98
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
von Georg Heinz, ihrem Lebensgefährten, bei der
Polizei angezeigt und wird zu drei Jahren Zuchthaus
verurteilt. [DÖW 20.491/48]
Wagner
Katharina
„Euthanasie“
Die 40jährige Katharina Wagner aus der Stadt
Salzburg, Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton,
wird 1941 in Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer:
„Opfer der Zeit“]
Walcher
Siegfried
„Euthanasie“
Siegried Walcher, geb. 8.4.1918 in Westendorf (Tirol),
„zuletzt wohnhaft in der Caritasanstalt Bruck a.d.G.“,
wird am 17. April 1941 von der Landesheilanstalt
Salzburg-Lehen in die Tötungsanstalt Hartheim
überstellt und ermordet. [Quelle: Widerstand und
Verfolgung Bd. 2 S 581 und National Archivs,
Microcopy, T 1021 R 17, F 108 DÖW Film 123/3;
Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Wallmann
Aloisia
„Euthanasie“
Die 29jährige Aloisia Wallmann aus Gnigl (Sbg.),
Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in
Hartheim ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der
Zeit“]
Welley
Franz
Feuerwehr
Franz Welley, langjähriger Kommandant der Feuerwehr
St. Georgen, gilt als politisch unzuverlässig und wird
unmittelbar nach dem „Anschluss“ vom Kaufmann
Johann Pichler abgelöst. [Max Effenberger: Brucker
Heimatbuch, S 394]
Werber
Anton
Kritiker
Anton Werber, geb. 4.9.1881, Leiter des
Fürsorgeamtes Zell am See, ehemaliger Bürgermeister
von Zell am See, äußert sich im Frühjahr 1945
während eines dienstlichen Aufenthaltes in Bruck
gegenüber Josefa Schobersteiner, dass er froh sei,
dass „der Krieg seinem Ende zugeht und sowieso
schon verloren ist.“ Die NS-Funktionärin Josefa
Schobersteiner zeigt Werber beim Ortsgruppenleiter
an. Am 29. April 1945, wenige Stunden vor dem
Selbstmord Adolf Hitlers, wird Werber von SS und
Gendarmerie verhaftet und der Gestapo übergeben.
Noch am selben Tag sollte Werber hingerichtet
werden, kann allerdings durch die indirekte Hilfe eines
Gestapobeamten flüchten und in Salzburg
untertauchen. [OÖL, LG Linz, Akt Vg 8 Vr 1249/46]
Wiesmaier
Alois
Psychiatrie
Der 31jährige Alois Wiesmaier aus Wernstein (OÖ),
Bewohner der Caritas Anstalt St. Anton, stirbt 1942 in
Niedernhart (Landesnervenklinik Wagner Jauregg,
Linz). [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
99
Mag. Dr. Rudolf LEO - Bruck an der Großglocknerstraße 1938-1945
Winklbauer
Theresia
Psychiatrie
Die 17jährige Theresia Winklbauer aus Engelszell
(OÖ), Bewohnerin der Caritas Anstalt St. Anton, stirbt
1940 in Niedernhart (Landesnervenklinik Wagner
Jauregg, Linz). [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Zaninelli
Rupert
„Euthanasie“
Der 18jährige Rupert Zaninelli aus Mühlegg, Bewohner
der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in Hartheim
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
Zaisberger
Johann
Kritiker
Siehe Josef Herzog
[DÖW 8.199 und DÖW 18.833]
Zopf
Franz
„Euthanasie“
Der 10jährige Franz Zopf aus Straßwalchen, Bewohner
der Caritas Anstalt St. Anton, wird 1941 in Hartheim
ermordet. [Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“]
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