Ist Hartz IV am Ende? - Kölner Erwerbslose in Aktion
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Ist Hartz IV am Ende? - Kölner Erwerbslose in Aktion
8. Jahrgang, Nr 68 Frühjahr 2010 Engagierte Zeitschrift von Erwerbslosen für Erwerbslose und solche, die es werden könnten Das Bundesverfassungsgericht zum Hartz-IV-Regelsatz – S. 4 Wie hoch schwappt die Westerwelle? – S. 5 Von einem, der auzog, das Fürchten zu lehren... – S. 8 Impressum Impressum Herausgeber: Die KEAs Kölner Erwerbslose in Aktion e.V. Redaktion: Kölner Erwerbslosen Anzeiger Steprathstr. 11, 51103 Köln [email protected] www.die-keas.org Der Kölner ErwerbslosenAnzeiger erscheint dreimonatlich im Selbstverlag. Redaktion: Antje Löschke (Chefredakteurin), HP Fischer, Hansi Hirsch, Uwe Klein, Jochen Lubig. Berichte / Briefe Ihr habt etwas Unglaubliches in der ArGe oder der Agentur erlebt? Ihr wolltet schon immer mal die Presse einschalten, doch die Presse ignoriert Euch? Schreibt uns per Email oder Post. Adressen siehe oben. Offenes Treffen Jeden Donnerstag veranstalten wir ein offenes Treffen für Interessierte: Beginn: 17:00 Uhr im Naturfreundehaus, Kapellenstr. 9a (Köln-Kalk). Editional Liebe Leser, außergewöhnlich lange haben wir mit dem KEA für das Frühjahr 2010 gewartet. Das hatte einen guten Grund. Unser Redaktionsteam hatte das alte Format komplett überarbeitet und in ein neues Gewand gesteckt. Der KEA wird zukünftig alle drei Monate erscheinen und verfügt ab jetzt über feste Rubriken wie beispielsweise „Aus dem Rat“ oder „Aus der ARGE“. Zwei (rasende) KEA-Reporter freuen sich auf regelmäßige Besuche im Rat unter anderem im Sozial- bzw. Jugendausschuss und werden berichten. Außerdem erscheint der KEA mit dieser Ausgabe 12-seitig. Dafür haben wir uns entschieden, damit auch größeren Grafiken und längeren Texten, die veröffentlicht werden können. In der Zwischenzeit werden unregelmäßig aus aktuellem (politischem oder lokalem) Anlass kürzere Extrablätter erscheinen. Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist – wie soll es anders sein – die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Berechnungsgrundlage der Regelsätze im ALG II. Liest man das Urteil, stellt man fest, wie absurd die Berechnungsgrundlage überhaupt war. Prozentuale Pauschalbeträge wie Unterrichtsstunden für Segelflugzeuge wurden aus dem Regelbedarf herausgenommen. Die festgestellten Mietkosten wurden in der Berechnung gekürzt, ohne nachvollziehbaren Grund. Welcher Verrückte hat diese Statistik ausgewertet? Ein pauschalierter Bedarf ist schon deswegen irreal, weil die alltäglichen Bedürfnisse durch Unfälle, Krankheiten, Pannen und viele weitere reale Unwägbarkeiten völlig - von einer Sekunde auf die andere verändert sein können. Die „Berücksichtigung atypischer Bedarfe“ widerspricht jeder menschlichen Individualität. Was ist ein typischer Bedarf? Ganz abgesehen davon dass, das zu erwartende Antragsverfahren, jeden kurzfristigen, dringend notwendigen atypischen Bedarf ausbremst. Auch eine kleine Westerwelle schlägt unser Reporter Uwe Klein. Redaktionell ist dazu noch zu sagen: Wir wollen keine Maßregelungen, wie wir zu leben haben. Kein Arbeitszwang um jeden Preis. Auch nicht wenn wir gesund und arbeitsfähig sind. Das Titelbild zeigt eine Skulptur, die im Innenhof der Argentur für Arbeit an der Luxemburger Straße steht. Foto: Jochen Lubig arbeiterfotografie.com Hartz IV ist menschenverachtend und verstößt gegen die Verfassung. Wir sind gespannt, was auf uns zukommt. Der Kampf geht weiter! Eure Antje Löschke Inhalt DAS THEMA Das Bundesverfassungsgericht zum Hartz-IV-Regelsatz Ein bisschen ist es so, als würde das Hohe Gericht den Hartz IV-Politikern bescheinigen: „Ihr habt alles richtig gemacht, nur falsch begründet!“ Also, eine „Ohrfeige“ sieht anders aus. Von Uwe Klein. ................................................................................................4 Wie hoch schwappt die Westerwelle? Westerwelles Geschwätz über „soziale Gerechtigkeit“ und „spätrömische Dekadenz“ ist möglicher Weise der Rettungsfallschirm für die FDP, unmittelbar vor den Landtagswahlen in NRW. Gar nicht auszudenken, wenn dieser Fallschirm sich nicht geöffnet hätte. Von Uwe Klein. ...................................................................................................... 5 Der SSM und die GEZ Rundfunkgebühren für Geringverdiener müssen nicht sein. Sprüche wie „ich würde mich schämen, Sozialleistungen zu beziehen“ müssen jedoch auch nicht sein. Von Hans-Detlev v. Kirchbach. ............................................................................... 12 DER BERICHT Von einem, der auszog, das Fürchten zu lehren... Wie zwei ARGEn ein Dreivierteljahr brauchten, um eine Arbeitsaufnahme zu ermöglichen. Von Heinz Weber. .................................................................................................. 8 AUS DER ARGE Sanktion Kölner Erwerbslose sanktionieren die Chefin der ARGE Köln-Mitte. Von Jochen Lubig. ...... 6 AUS DEM RAT Sozialhaushalt unsicher Ganz oben auf der Tagesordnung der Sitzung des Sozialausschusses am 4. März 2010 stand der Sozialhaushalt der Stadt. Da die Finanzkrise wohl auch nicht an der Stadt Köln spurlos vorbei gezogen ist, entwickelte sich eine hitzige Diskussion unter den anwesenden Teilnehmern. Von Hansi Hirsch. ........................................................7 Einschulungshilfen für Erstklässler • ARGE feiert große Erfolge...................................... 7 HARTZ IV Nur die halbe Miete 3 Zu den Kosten der Unterkunft. Von Jochen Lubig. ..................................................... 10 Notizen Geschäft mit der Armut • Gebühren wegen Erfolg. Von HP Fischer. ............................. 11 Menschen unter 25... ... müssen erzogen werden. Von Jochen Lubig. .........................................................11 Das Thema Das Bundesverfassungsgericht zum Hartz-IV-Regelsatz Ein bisschen ist es so, als würde das Hohe Gericht den Hartz IV-Politikern bescheinigen: „Ihr habt alles richtig gemacht, nur falsch begründet!“ Also, eine „Ohrfeige“ sieht anders aus. UWE KLEIN Zur Debatte stand nicht der Regelsatz des Arbeitslosengeld 2. Weder im Allgemeinen, noch der für Kinder im Speziellen. Lediglich die Berechnungsmethode und – „Oh“ und „Ja“ – die Berücksichtigung sogenannter „atypischer Bedarfe“ standen auf dem Prüfstand. Mit Verlaub, da wirkt die Heranziehung des Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“) schon sehr weit her geholt. Sie ist antastbar und sie wird Tag für Tag angetastet! effektiv nicht billiger ist, als das Geld in die Verantwortung der Betroffenen zu geben. Im Gegenteil, die erfinderisch machende Not konstruiert bisweilen solidarische Netzwerke der Selbsthilfe, die staatliche Care-Pakete finanziell gar nicht toppen können. Also geht es nicht ums Sparen, sondern darum, den Armen auch nierende Erziehungsmaßnahme, wo der Mensch in (Billig-) Arbeit zurückfinden oder in diversen Trainingsmaßnahmen beschäftigt werden soll, um bloß keinen anderen Blödsinn machen zu können. Medial gepushte und durchaus millionenschwere Geschütze, wie Sozialneid- und Schmarotzer-Kampagnen tragen ihren Teil dazu bei. Und zwar strategisch gezielt und gewollt. Westerwelle und Sarazin ziehen zeitweilig die Empörung der Armen auf sich, bis sie zu gegebener Zeit – nicht minder strategisch – zum Bauernopfer werden. Die sind einfach zu laut und verraten geradezu das Lächeln, das so mancher Politiker vor sein widerliches Welt- und Menschenbild schiebt. Im Namen des Volkes! Wie anders soll man denn das zynische Gejohle der schwarz-gelben Regierung verstehen, die sich nunmehr dazu veranlasst sieht, die bedürftigen Menschen zukünftig mit ArmenGutscheinen und Sachmitteln, wie Schulranzen u.ä., zu demütigen und öffentlich zu stigmatisieren? Nicht erst unter Ursula von der Leyen (CDU-Ministerin für Arbeit und Soziales) verkommt das „Soziale“ zum „Gedöns“, weshalb sie folgerichtig auf ihrer Homepage jubeln darf: „Endlich Rechtssicherheit durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.“ Da zeigt sich, wie subjektiv Begriffe wie „Recht“ und „Gerechtigkeit“ sein können. Es gibt Studien, die lange festgestellt haben, dass eine zentrale Vergabe von Gutscheinen und Sachmitteln noch den letzten Rest an Selbst- und Eigenverantwortung (z.B. für die Familie) einfach abzusprechen. Und das lässt sich dieser Staat tatsächlich einiges kosten. Dafür bemüht man gerne den Generalverdacht vom saufenden und Salzstangen fressenden Arbeitslosen auf dem heimischen Sofa, der seine Kinder hungern und verwahrlosen lässt. Ein strategisches Manöver, um die reale Angst zu kaschieren vor der durchaus gegebenen Möglichkeit, dass uns dieses System im Prinzip jederzeit um die Ohren fliegen kann. Hartz IV ist kein politisches Unvermögen Nein, es geht nicht um „Recht“ oder „Gerechtigkeit“, sondern um Ordnung und Sicherheit. Hartz IV war nie anders gedacht, als eine diszipli- Hartz IV ist kein politisches Unvermögen der Eliten in diesem Land, sondern das kalkulierte Manöver „Reich gegen Arm / Oben gegen Unten.“ Der oberste Richter des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, verwies in seiner Urteilsbegründung am 9. Februar auf die Verantwortung der Politik. Aber wehe, die Armen und die von Armut Bedrohten in diesem Land werden sich ihrer Verantwortung für Politik bewusst! Das Thema Wie hoch schwappt die Westerwelle? Anfang März konnte sich die FDP in ihren Umfragewerten bei 9 Prozent wieder stabilisieren, nachdem sie zuvor von 14 auf 8 fürchterlich abgestürzt war. Insofern ist Westerwelles Geschwätz über „soziale Gerechtigkeit“ und „spätrömische Dekadenz“ möglicher Weise der Rettungsfallschirm für die FDP, unmittelbar vor den Landtagswahlen in NRW. Gar nicht auszudenken, wenn dieser Fallschirm sich nicht geöffnet hätte. Uwe Klein Dass das alles Blödsinn ist, was Westerwelle in der sogenannten „Sozialstaatsdebatte“ von sich gibt, ist nunmehr zur Genüge von vielen seriösen und halbseriösen Medien analysiert worden. Alles nur Wahlkampf, alles nur Strategie, mit der Hoffnung, frustrierte Wähler aus dem steuerzahlenden Mittelstand bis hin zum rechten Rand abzuschöpfen. Zwei Prozent potenzielle Neuwähler wurden also mitunter gewonnen, die sechs Prozent verloren gegangenen Wähler hingegen, scheinen sich bis auf Weiteres unwiederbringlich politisch neu orientiert zu haben. Auch Nicht-Wählen kann eine politische Orientierung sein! „Das ist kein Tsunami, das ist nur eine Westerwelle.“, rief Horst Seehofer (CSU) beim politischen Aschermittwoch aus der Bütt. Das ist interessant, wenn man sich mal das Verhalten eines Tsunamis vor Augen hält. Da geht das Wasser im Ozean nämlich zuerst beachtlich zurück, bevor es mit einer gewaltigen Welle Land überfluten wird. Nach den NRWWahlen am 9. Mai könnte es so passieren. Die Regierungsparteien verlieren Prozente, weil sie eigentlich bis zu den Wahlen stillhalten und nichts verraten von ihren Konzepten, die fertig in den Schubfächern der Staatskanzlei liegen und darauf warten, Land zu überfluten. Und wen wird es treffen? Die, die ganz unten sind, zuerst! Bundesrat, ohne dessen Zustimmung kein Gesetz der Regierung umgesetzt werden kann. So gesehen, mutet der innenpolitische Außenminister Westerwelle an wie der Füllstoff eines Sommerlochs. Notorischer Nörgler, Klammer auf, ungefährlich, Klammer zu. Außer den Sportsendungen im deutschen Fernsehen ist bisher nahezu jede Unterhaltungssendung auf dieser Westerwelle geritten. Westerwelle, weitermachen! So gesehen, entschärft er ja möglicher Weise sogar die verheerende Wirkung des politischen Tsunamis, indem er bereits im Vorfeld die Dämme der Macht unterhöhlt, um schon mal kräftig Druck abzulassen. Die Regierungsparteien wirken uneins; zudem sie sich einzig mit sich selbst beschäftigen. Das könnte tatsächlich beachtliche Folgen haben. Verliert nämlich Schwarz-Gelb wegen des Debakels die NRW-Wahl, dann verliert Schwarz-Gelb auch die Mehrheit im Holbein d. J.: Totentanz 49 - Der Bettler Aus der ARGE Sanktion Dienstag morgen in der ARGE. Zwielichtige Gestalten verteilen gelbe Flugblätter. Ein neuer Vorstoß der FDP für mehr soziale Gerechtigkeit? Nein! Es handelt sich um eine Information Kölner Erwerbsloser. Sie informieren über das Vorgehen der Chefin der ARGE Köln-Mitte. J OCHEN L UBIG Die Standortleiterin der ARGE Mitte hatte im vergangenen Jahr eine Diabetikerin ohne Geld dastehen lassen. Der hilflosen „Kundin“ der ARGE halfen spontan einige Kölner Erwerbslose, die im Hause in einer anderen Angelegenheit zu tun hatten. Anstatt nun einsichtig zu sein und die Notlage zu beseitigen, versuchte die Standortleiterin, die Beistände zu beseitigen. Sie ließ die Polizei rufen. Die ARGE und die Polizei Die Polizei tat, was sie eben tut und am Ende hieß es: Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Geldstrafe für die Helfer. Sanktion für die Standortleiterin Zum Glück gab es auch eine Geldstrafe für die Standortleiterin wegen Sozialfriedensbruch, Widerstand gegen die Vernunft und unterlassener Hilfeleistung und zudem eine dreimonatige Sanktion von 30%. – Ach ne, das habe ich wohl geträumt. Natürlich gab es keinerlei Sanktionen gegen die Verursacherin des ganzen Schlamassels. Oder doch? Am 16. März gab es eine Sanktion in Form eines Flugblatts. Das Flugblatt Da steht zu lesen: „Gabriele K. [es folgen der volle Name, Funktion, Zimmernummer und eine Personenbeschreibung] gilt unter ARGE- Mitarbeiterinnen als 'nette Kollegin'. Wir sehen das anders.“ Weiter heißt es: „Unser Vorwurf: Unterlassene Hilfeleistung und die Gefährdung von Leben“. Nun wird der Fall geschildert, klargestellt, dass sie zwar nur eine von Vielen ist, aber dennoch persönlich für ihre unmenschliche Entscheidung verantwortlich ist. Das Flugblatt endet mit dem Satz „Wer so handelt, muss sich nicht wundern, […] geoutet zu werden.“ Die Reaktionen Zur Aktion ist nur wenig zu sagen. Es wurde in drei Standorten verteilt, die Reaktionen waren nicht wirklich überraschend, ein paar knüllten das Flugblatt zusammen; einige beflissene Sachbarbeiter eilten direkt zum jeweiligen Chef, das Corpus Delicti in der Hand; einer verlangte „Ihren Ausweis bitte“; aber die meisten bedankten sich artig für die Information. Gelesen haben das Flugblatt wohl alle. Häschen in der Grube In der ARGE Mülheim warnte ein aufmerksamer Wachdienst jedoch die Mitarbeiter der Armutsverwaltung und diese schlossen sich in ihre Büros ein. Früher hätte man sie darob wegen Feigheit vor dem Feind belangt, heute ist man humaner und amüsiert sich über diese ängstlichen Hässchen und schiebt das Flugblatt unter der Tür durch. Personalausweis kostenlos Wer Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II bezieht, ist von den Gebühren für die Ausstellung eines Personalausweises befreit. Die Stadt Köln folgt damit einer Vorgabe des Bundesinnenministeriums. Aber sie folgt nicht gerne. Stadt verschweigt Im Internetauftritt der Stadt Köln finden sich keinerlei Hinweise zur Befreiung. Ebenso wird man bei der Beantragung eines neuen Personalausweises nicht auf eine mögliche Befreiung hingewiesen. Vielmehr muss man selbst darauf hinweisen – Glück für den, der es weiß, Pech für den, der es nicht weiß. Callcenter weiß nicht Bescheid Ruft man das Callcenter der Stadt Köln an, wird es richtig interessant. Testanrufe der Redaktion haben ergeben, dass die Palette von „das ist eine Einzelentscheidung, bringen Sie den ALG-Bescheid mit“ über „wenden Sie sich an die ARGE“ bis zu „da gibt es keinerlei Ermäßigung oder Befreiung“ reicht. Die Stadt hat eben kein Interesse daran, ihre (armen) Bürger richtig zu informieren, denn das würde ja Mindereinnahmen verursachen. Fazit Beim Beantragen eines Personalausweises immer den ALG-Bescheid mitbringen (Kölnpass reicht nicht) und Gebührenbefreiung verlangen. Die Kosten für das Passbild und Kosten für einen Reisepass muss man selbst tragen. Jochen Lubig Beschwerdestelle Die Beschwerdestelle der ARGE Köln ist in der Luxemburger Str. 121 zu finden. Zuständig sind für die Buchstaben: A-E: Herr Herzogenrath, Telefon (02 21) 94 29-82 10, Zimmer 1002 F-N: Frau Gehde, Telefon (02 21) 94 29-83 78, Zimmer 1001 O-Z: Frau Grevers-Pieck, Telefon (02 21) 94 29-83 81, Zi. 1003. Aus dem Rat Sozialhaushalt unsicher Ganz oben auf der Tagesordnung der Sitzung des Sozialausschusses am 4. März 2010 stand der Sozialhaushalt der Stadt. Da die Finanzkrise wohl auch nicht an der Stadt Köln spurlos vorbei gezogen ist, entwickelte sich eine hitzige Diskussion unter den anwesenden Teilnehmern. Die Sozialdezernentin Marlis Bredehorst (Bündnis 90/Die Grünen) hielt sich zu diesem Thema sehr bedeckt und wollte sich erst nach interner Absprache mit der Verwaltung auf einer späteren Sitzung zum Thema äußern. Doppelhaushalt und Einsparungen Heftig diskutiert wurde auch über einen angedachten Doppelhaushalt 2010/2011 für den September bis Oktober 2010. Man schien sich nicht so recht einigen zu können, wo man weitere Einschnitte und Einsparungen vornehmen solle um die leeren Kassen wieder zu füllen. Durch das Hinauszögern, die Intransparenz der Verwaltung zum aktuellen Haushalt und das Anstreben eines Doppelhaushaltes gestaltet es sich sehr schwierig nun schon Einsparungen vorzunehmen. Es ist zu befürchten, dass dies wieder dort passieren wird, wo schon jetzt kein Geld mehr vorhanden ist. Einschnitte beim Köln-Pass? Die vor den letzten Wahlen beschlossenen und hochgelobten Vergünstigungen für Köln-Pass Besitzer sollen wieder beschnitten oder ganz eingespart werden. Um die Konsequenzen der Finanzkrise abzuwenden greift man also wieder einmal dort zu, wo es ohnehin schon brennt. Dies zeigt ein weiteres mal, dass Wahlversprechungen nichts wert sind. Es fiel sogar der Satz, dass es „politisch nicht klug sei“, 2010 schon eine „Kürzungsorgie“ zu veranstalten (dies dann aber wohl ein Jahr später). Verbraucherberatung überlastet Auch über die Überlastung der Verbraucherberatungsstellen wurde gesprochen, da sich dort immer mehr sozial schwache Familien mit KölnPass einfinden, um sich beraten zu lassen. Viele müssten wieder abgewiesen werden. Eine Umstrukturierung wurde angedacht, wie diese aussehen soll blieb jedoch weitestgehend ungeklärt. Einschulungs- ARGE feiert „große Erfolge“ hilfen für Erstklässler Eine Diskussion zum Thema Köln als „Optionskommune“ befand Frau Bredehorst in der Sitzung des Sozialausschusses als uninteressant, da die Stadt Köln sehr gern mit der ARGE zusammenarbeitet und mit dieser auf Augenhöhe eine Neuregelung anhand eines "Kölner Modells" erarbeiten möchte, um diese Vorschläge dann nach Berlin zu tragen. Bisher noch zu wenig Anklang fand die beschlossene Einschulungshilfe für Erstklässler. Eltern mit Köln-Pass können bei der Einschulung ihrer Kinder einen einmaligen Zuschuss von bis zu 160 Euro für Schulmaterialien beantragen. Dies wurde am 30. Juni 2009 beschlossen. Der Antrag ist beim Amt für Soziales und Senioren der Stadt Köln schriftlich zu stellen. Ein Vordruck liegt in den Bürgerämtern der Stadt Köln sowie in den Standorten der ARGE Köln aus. Abgeben kann man sie in den Bürgerämtern (Eingangsbestätigung auf der Kopie nicht vergessen!) oder man schickt sie an folgende Adresse: Stadt Köln, Amt für Soziales und Senioren, Köln-Pass (501/114) Ottmar-Pohl-Platz 1 51103 Köln Alle Beiträge auf dieser Seite stammen von unserem Ratsreporter HANSI HIRSCH. Nach dieser Liebesbekundung wurde eine fulminant blasierte Inszenierung statistischer Onanie von ARGE-Chef Klaus Müller-Starmann zum Besten gegeben, als er sein „Strategisches Integrationsprogramm 2010“ darbot. Als erstes wurden die Erwerbslosen (liebevoll als „die Hilfebedürftigen“ betitelt) in Kategorien gepresst und ausgezählt um auch genau zu benennen und zu klären, wer denn nun besondere „Integrationshilfe“ benötigt. Statistik Vollständig auf dem Arbeitsmarkt integriert gilt man laut Aussage Müller-Starmanns übrigens nach sechs Wochen in Arbeit und nach Abmeldung bei der ARGE. Bei den heutigen prekären Arbeitsmarktbedingungen hätte man sich sämtliche Statistiken und Vorschläge zum Thema „Integration“ auch direkt schenken können. Nach der Beweihräucherung der Statistik „Was haben wir erreicht?“ folgte eine Übersicht für „Mehr Qualität in der Arbeit mit Menschen“ welche sich in die Unterpunkte „Profiling“ (übersetzt: drücke dein Opfer in ein Profil und erkenne seine Schwächen), „Ziel- festlegung“ (drücke deinem Opfer ein Ziel auf), „Strategieauswahl“ (plane den Weg zum „Erfolg“) und last but not least die „Umsetzung“ (dränge dein Opfer dazu eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben und lass es Spießruten laufen). Zielgruppen Ausgewählte gesondert behandelte Zielgruppen der ARGE sind hierbei übrigens die U25-Abteilung, Alleinerziehende (damit Eltern auch ja keine Zeit mehr für ihre Kinder haben) und Menschen mit Migrationshintergrund. Maßnahmen Der – vor Amtsantritt als Lobbyist der Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger tätige – Müller-Starmann, stellte nun noch seine ausgefeilte Maßnahmenplanung dar, welche eine Kostenaufstellung von diversen Maßnahmenträgern und eine künstlich geschaffene Reserve von etwa 7 Mio. Euro für weitere Maßnahmen beinhaltete. Man sieht also, so schlecht laufen die Geschäfte auf den Rücken der Kölner Erwerbslosen gar nicht. Wir können alle stolz auf uns sein! Der Bericht Von einem, der auszog, das Fürchten zu lehren... Nach dem vollen Hartz-IV-Programm seit 2005 mit etwa 600 erfolglosen Bewerbungen in meiner gelernten Berufssparte und dem dringenden Bedürfnis etwas verändern zu müssen, habe ich mich Anfang 2009 bei einer Security-Firma beworben. Für diese Tätigkeit im Luftsicherungsbereich ist eine neue viermonatige Ausbildung nötig – die Ausbildungskurse beginnen in der Regel monatlich. Ich bekam tatsächlich noch während des Vorstellungsgespräches eine schriftliche Arbeitsplatzzusage unter der Bedingung eines erfolgreichen Abschlusses der Security-Ausbildung, die von der ARGE finanziert werden kann. Auch wurde ich darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Schichtzeiten, die zum Teil nachts um 03.00 Uhr enden, erhebliche Probleme mit den öffentlichen Verkehrsmitteln geben könnte und ein Auto quasi unumgänglich sei, da ich zudem nicht in Köln wohne und die umliegenden Städte diesbezüglich noch schlechter versorgt seien. HEINZ WEBER Zehn Tage später hatte ich dann einen Termin bei meiner Fallmanagerin. Meine schriftlichen Nachweise über die Verkehrsverbindungen überzeugen und auch sie erkennt die Notwendigkeit eines Autos. Ich habe jedoch keines und schlage daher vor, mittels eines ARGEseitigen Darlehens einen fahrbaren Untersatz zu finanzieren. Aber sie winkt ab. Sie hätte damit schlechte Erfahrungen gemacht: die „Leute“ kaufen sich für € 3.000,-- eine Schrottkiste, die nach drei Wochen irreparabel liegen bleibt und dann wären wir genauso weit wie vorher. Aber sie erklärt sich bereit die Ausbildung zu genehmigen und stellt sofort einen Bildungsgutschein aus. Ich mache das Beste aus der Situation und biete ihr an, meine privaten Auto-Optionen im Bekannten- und Verwandtenkreis abzuklären. Damit ist sie einverstanden und stellt für diesen Fall die Übernahme von KFZ-Steuer, KFZVersicherung und Benzingeld in Aus- sicht. Ich will hierzu die Osterfeiertage nutzen. Vielleicht findet sich ja ein Verrückter, der mir dafür Geld gibt oder sein Auto für ein halbes Jahr verleiht. Meine Fallmanagerin generiert einen weiteren Termin für den 21.04.2009, um dann alles zu klären und die Ausbildung auf den Weg zu bringen. Zumutbare Bedingungen? Der Osterhase lies sich bei mir nicht blicken. Kein Auto, nicht geliehen, nicht geschenkt und auch nicht auf Pump. Mittlerweile missfiel mir ohnehin der Gedanke mich für einen Arbeitsplatz vorher auch noch extra zu verschulden. Der vereinbarte Termin am 21.04. findet also ohne greifbare Ergebnisse statt. Sie argumentiert, ich könne doch für die Zeit ruhig mal die Zähne zusammen beissen und die Ausbildung mit Bus und Bahn abschliessen – dass ich hierbei teilweise über vier Stunden unterwegs wäre, scheint wohl für sie weniger dramatisch zu sein... Ich habe mich aber zwischenzeitlich entschie- den, für diesen Job nach Köln umzuziehen, weil ein Auto nicht nur für die Zeit der Ausbildung, sondern auch in Zukunft finanziert sein will und der zu erwartende Nettoverdienst im Security-Bereich eher bescheiden ist – auch nach der Probezeit. Die Fallmanagerin ist über den Vorschlag eines Umzugs nach Köln sichtlich überrascht und sogar etwas beeindruckt, da ich den Arbeitgeber mit der Sachlage bereits konfrontiert hatte, der aber die Arbeitsplatzzusage trotzdem aufrecht erhielt. Sie weist mich darauf hin, dass ich in Köln dann alles neu beantragen müsse: Wohnung, ALG2-Neuantrag, Bildungsgutschein... Ich erspare mir die Nachfrage, ob ich mein soziales Umfeld für Köln auch neu beantragen kann... Und sie könne dann gar nichts mehr für mich tun. Aber es ist natürlich die Billig-Variante, da auf meine alte ARGE keinerlei Kosten mehr zukommen und ich von der Liste gestrichen werden kann. Relativ begeistert generiert sie darauf hin eine erforderli- Der Bericht che Bescheinigung über die Notwenigkeit eines Umzugs wegen Arbeitsplatzzusage, die mich in die Lage versetzt eine neue Wohnung zu suchen und damit einen genehmigten Umzug durchzuführen. Sie gibt mir dafür per Eingliederungsvereinbarung Zeit bis maximal Ende Juli. Wohnungssuche und Bewerbungsmarathon Meine erste Aktion danach war die schriftliche Beantragung eines Wohnberechtigungsscheins bei der Stadt Köln, rein vorsorglich per Einschreiben. Die Kölner sind bestimmt nicht entzückt über zuziehende Hartzies. Dann folgte ein Bewerbungsmarathon bei Kölner Wohnungsbaugesellschaften und freien Maklern – schriftlich, persönlich, telefonisch. Parallel hierzu der samstägliche Check im Wohnungsmarkt des Kölner Stadtanzeigers. Langsam wurde mir klar, dass mit der Wohnungssuche in Köln eine schier unmögliche Hürde zu nehmen ist. So hörte ich von Müttern mit ihren Kindern in Notunterkünften und Wartelisten für Wohnungen mit und ohne Priorität, für Kölner BürgerInnen wohlgemerkt! Auch lagen die Ergebnisse meiner Wohnungsbewerbungen glatt bei Null – auf den auswärtigen Hartzie wartete in Köln wirklich Niemand. Aber schliesslich kam Mitte Juni mit Briefdatum vom 04.06.2009 der lang ersehnte Wohnberechtigungsschein. Die Liste der Vermieter mit ARGE-seitig bezahlbaren Wohnraum war jedoch schnell abgearbeitet und so ganz allmählich freundete ich mich mit dem Gedanken an, die Umzugsabsicht wieder aufzugeben, denn mittlerweile tobte der Sommer, und die mit meiner Fallmanagerin im April abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung lief in knapp drei Wochen aus. Die Wohnung ist ein Loch Dann passierte das Unfassbare: Am 15.07. ruft ein Vermieter an und bietet kurzfristig einen Wohnungsbesichtigungstermin. Wir einigen uns auf Freitag, den 17.07. Die Wohnung ist ein Loch: Baujahr 1950, unrenoviert, Ofenheizung ohne Öfen, die zudem mieterseitig zu stellen sind, drei Aussenwände, die Kaminanschlüsse sind nicht versiegelt und die ganze Bude stinkt nach dem Siff des schwarz-gelben Teer-Kondensats unvollständiger Holz- und Brikettvergasung. Ach ja, und € 2.000,- Genossenschaftsanteile sind dann auch noch zu zahlen... Ich sehe aber auch, dass mit viel Arbeit und Mühe aus der Bude was werden könnte – und schliesslich ist es die einzige Wohnung, die mir überhaupt angeboten wurde. Also sage ich spontan ja und vereinbare mit dem Genossenschaftsangestellten einen Mietbeginn zum 15.09.2009. Er will für das Loch auch noch eine SCHUFA-Auskunft und sagt zu, dass mir kurzfristig ein Mietangebot ausgestellt wird, um bei den ARGEn die Genossenschaftsanteile und die Übernahme der Mietkosten beantragen zu können. Vom Teergeruch noch leicht betäubt, fahre ich nach Hause, checke den Briefkasten, darin ein Brief meiner ARGE. Die Fallmanagerin will mit mir „über meine berufliche Situation“ sprechen und lädt mich für den 30.07.2009 ein. Mietobergrenze und Realität Am 21.07. erhalte ich das Mietangebot des Vermieters über 51,22 qm bei € 317,76 Kaltmiete inklusive sämtlicher Kaltnebenkosten. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Wohnung damit € 6,76 und 6,22 qm über der Mietobergrenze der Stadt Köln für eine Bedarfsgemeinschaft mit einer Person. bestätigt die Entscheidung der Sachbearbeiterin. Ich argumentiere, dass normalerweise ein „Spielraum“ von bis zu 10 % der Mietobergrenze ausgeschöpft werden könne und verlange eine detaillierte Einzelfallüberprüfung. Die Teamleiterin bestätigt diesen Spielraum. Jedoch gelte dieser nur für Kölner Bürger, man sei nicht verpflichtet für Zuzüge aus den umliegenden Städten und Gemeinden diese 10 % anzuwenden. Dann drückt mir die Sachbearbeiterin noch ein Merkblatt „Umzug“ in die Hand und hat es jetzt ziemlich eilig, endlich ins Wochenende zu kommen. Wird in den ARGEn noch Interesse an der Beendigung der Hilfebedürftigkeit geweckt werden können? Werden Arbeitgeber und Vermieter die Geduld aufbringen, bis die hoch qualifizierten Spezialisten der ARGEn soweit sind? Wird der Protagonist der Geschichte schon mal auf Verdacht seine alte Wohnung kündigen? Und wie werden die KEAs mit der Sachlage umgehen? Kein Spielraum? Am 24.07. spreche ich persönlich bei Das alles und noch viel der ARGE Köln zwecks Anerkennung mehr in der nächsten der Kosten der Unterkunft vor, Warte- Ausgabe! marke ziehen, zwei Stunden warten, dann erkläre ich der Sachbearbeiterin die Gesamtsituation und weise explizit auf die Arbeitsplatzzusage und auf das damit zu erwartende Ende der Hilfebedürftigkeit hin. Selbstverständlich wird mir bescheinigt, dass das vorgelegte Mietangebot nicht innerhalb der erforderlichen Mietobergrenze liegt. Damit kann der Mietvertrag nicht unterschrieben werden, da meine ARGE den Umzug nur bei Einhaltung der Mietobergrenze genehmigen wird. Ich schicke diese Sachbearbeiterin zu ihrer Teamleitung. Die Teamleiterin Heinrich Zille: Trockenwohner Hartz IV Nur die halbe Miete 3 In der letzen Folge wurden Miethöhe, Nebenkosten und Mietzahlung behandelt. Hier folgen die Themen zu hohe Miete, Umzug, U-25. – Von Jochen Lubig Zu hohe Miete oder zu hohe Heizkosten Ist die Miete nach Ansicht der ARGE zu hoch, so kann sie auffordern, die Kosten zu senken. Dies wird meist nur durch einen Umzug möglich sein. Andere Möglichkeiten wären, unterzuvermieten oder bei der Heizung zu sparen. In der KdU-Richtlinie heißt es: „Die Forderung nach einem sozialrechtlich erforderlichen Wohnungswechsel ist eine einschneidende Maßnahme. Bevor eine solche gefordert werden kann, bedarf es einer eingehenden Einzelfallprüfung, in der der Sachverhalt, die Ermessensanwendung und die Entscheidung über den geforderten Wohnungswechsel festgehalten sind. “ Weiter heißt es: „Hierbei ist zu beachten, dass die betroffenen Personen bei einem ‚erzwungenen‘ Umzug ggflls. aus einem funktionierenden sozialen Netzwerk her- ausgerissen werden und dass es Hilfefälle geben kann (z.B. voraussichtlich kurze Laufzeit des Hilfefalles, Bekannte oder Verwandte in der Nachbarschaft betreuen die Kinder und ermöglichen eine Arbeitsaufnahme/Teilzeitarbeit), in denen eine differenzierte Abwägung zwischen Umzug und Verbleib in der Wohnung erfolgen muss. Da ein Umzug wiederum weitere Kosten nach sich zieht, ist zu prüfen, ob nicht durch mildere Mittel eine Kostensenkung herbeigeführt werden kann. Dies kann erreicht werden durch: • Untervermietung von Wohnraum, soweit der Vermieter einverstanden ist und geeignete Räume vorhanden sind, • Aushandlung eines geringeren Mietzinses mit dem Vermieter • oder auf andere Weise (Aufnahme von Verwandten und/oder anderen Personen).“ Wirtschaflichkeit des Umzugs Auch hier zitieren wir aus der KDU-Richtlinie: „Ebenso ist zu prüfen, ob der im Einzelfall zu veranlassende Wohnungswechsel wirtschaftlich ist, d.h. es ist zu prüfen, ob die durch den Wohnungswechsel verursachten und vom Sozialleistungsträger zu tragenden Aufwendungen (für Umzug und ggflls. neue Einrichtungsgegenstände, Kautionen, Kündigungsfristen der Altwohnung, Renovierungskosten etc.) in einem wirtschaftlichen Verhältnis zur zu erreichenden Mietsenkung stehen (wird unter Ziffer 3 des VD 50-01-123 abgefragt). “ Hier wird auch klar, was die ARGE im Falle eines von ihr geforderten Umzuges alles zu zahlen hat. Förmliches Verfahren Heinrich Zille: Hof im Scheunenviertel Kommt die ARGE zu dem Schluss, dass ein Wohnungs- wechsel nötig ist, so muss sie dies schriftlich mitteilen. In diesem Schreiben wird über die Unangemessenheit der zur Zeit zu leistenden Mietkosten, die Höhe angemessener Unterkunftskosten, das eingeleitete Wohnungsvermittlungsverfahren sowie die rechtlichen Konsequenzen bei Ablehnung eines Wohnungsangebotes unterrichtet. Eine einfache mündliche Auskunft „Ihre Miete ist zu hoch“ reicht da nicht. Wenn ein solches Schreiben kommt, muss man sofort eine Beratungsstelle aufsuchen. Man hat dann noch Fristen (die auch verlängert werden können), aber während dieser Fristen kann man einiges falsch machen. Man kann aber auch einiges richtig machen und vielleicht auch den Umzug vermeiden. Hier ist eine ausführliche Beratung unbedingt nötig! Fazit Die aktuelle KDU-Richtlinie spiegelt weitgehend das Verständnis der Stadt Köln bezüglich der Bürger wieder, die sich nicht aus eigenen Kräften finanzieren können. Aber immerhin sind die Bestimmungen in der Richtlinie um einiges besser, als das, was in der ARGEPraxis abläuft. Wir haben uns hier an die Richtlinie gehalten, da wir davon ausgehen, dass zumindest diese Standards eingehalten werden müssen. Es gibt laufend neue Urteile, die sicher auch einige der hier genannten Regelungen betreffen – zu unseren Gunsten, aber auch zu unseren Ungunsten. Man muss immer auf dem Laufenden bleiben und sich ständig informieren. Der Kölner Erwerbslosen-Anzeiger ist eine Möglichkeit dazu, eine andere ist das Internet. Einen Einstieg kann die Adresse www.die-keas.org sein. In der nächsten Ausgabe behandeln wir den freiwilligen (also den selbst gewollten) Umzug und aktuelle Änderungen, wie Wohnungsgröße, Warmwasserpauschale usw. Für den Bereich U-25 siehe Seite 11. Hartz IV Notizen Rotwein statt Amt fordert: Rechtsstaat Auf Antrag verzichten "Es war ein Mitternachts-BierdeckelKompromiss von beruflich unerfahrenen Menschen, die gesagt haben, die BA arbeitet mit den Kommunen 50:50 zusammen. Die Zusammenarbeit ist eine Katastrophe." Das sagte nicht irgendjemand, sondern der Chef der Bundesagentur für Arbeit Frank-Jürgen Weise vor knapp eineinhalb Jahren. Am 22.03. wurde bekannt, dass sich CDU, FDP und SPD darauf geeinigt hätten, oben genannten bei Rotwein beschlossenen Kompromiss jetzt mit einer Grundgesetzänderung zu schützen. Dass den Herrschaften unsere Verfassung weniger wichtig ist, als ihre Agenda, ist zwar nicht neu, (siehe KEA Nr. 55 Aug/2008: „Wir brauchen einen Verfassungsschutz“) erschüttert aber dennoch immer wieder. Geschäft mit der Armut Ebenfalls am 22.03. wurde sensationsheischend bekannt gemacht, dass die AWO Neumünster Geld mit 1-Euro-„Jobbern“ verdiene. Kaum hatte der NDR die entsprechende Nachricht veröffentlicht, stürzte sich die BILD auf das Thema. Man weiß im Hause Springer, was man seinen Lesern bieten muss. Immer schön abwechselnd gegen die angeblichen Sozialschmarotzer oder das Gesetz. Doch was bekannt gemacht wurde, ist nicht wirklich neu und in Erwerbslosenkreisen durchaus bekannt. Neben der Mehraufwandsentschädigung für den „1-Euro-Jobber“ erhält dessen Arbeitgeber – pardon – Maßnahmenträger ein so genanntes „Regiegeld“ von rund 200 bis 300 Euro. Viele der Maßnahmenträger aber lassen sich den Einsatz „ihrer“ 1-EuroJobber von ihren Kunden bezahlen und generieren damit zusätzliche Einnahmen. Das jetzt alle Welt empört und überrascht tut, ist heuchlerisch und verlogen. Denn bekannt ist dieses System seit Anfang an. Der Rat der Stadt Köln hatte beschlossen, Besitzern des Köln-Passes die Kosten für die Einschulung ihrer Kinder gegen Nachweis zu erstatten (bis 160 Euro). In diesem Jahr kann es passieren, dass man auf Nachfrage nach dem entsprechenden Antrag vom Amt erfährt: „Den brauchen Sie gar nicht zu stellen, es gibt kein Geld.“ Auch so etwas ist grundsätzlich nicht neu. Das kennt man auch bei Wohngeld, Sozialgeld und Arbeitslosengeld (1+2). Nicht abwimmeln lassen. Antrag stellen (geht meist auch formlos) und dann Bescheid abwarten. WIR haben kein Geld zu verschenken. Gebühren wegen Erfolg Die CDU geführten Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und SchleswigHolstein haben im Bundesrat einen Antrag eingebracht, die Gebühren für die Beratungshilfe bei Anwälten auf 20 Euro zu verdoppeln und neuerdings weitere 20 Euro Gebühr für das Aufsetzen eines Widerspruchsbescheids durch den Anwalt zu verlangen. Die Zahl der Widersprüche stieg von rund 667.000 im Jahr 2005 auf 805.000 im Jahr 2009, die der Klagen nahm im gleichen Zeitraum von rund 39.000 auf 143.000 zu. 36,3 Prozent der Widersprüche waren 2009 ganz oder teilweise erfolgreich. Von den Klagen vor den Sozialgerichten gingen 48,8 Prozent zugunsten der Betroffenen aus. Die Erfolgsquote der Klagen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, die Quote der erfolgreichen Widersprüche verharrt auf hohem Niveau. Wenn’s rechtlich schon nicht klappt, versucht man wenigstens finanziell die Klagewelle stoppen. HP Fischer Menschen unter 25 Jahren... … müssen von der ARGE erzogen werden und haben somit weniger Rechte. Auch wenn man sich nur wundern kann, wer da wen zu erziehen hat – der Gesetzgeber (und viele weitere daran beteiligte Organisationen, informiert Euch mal im Netz, wer alles dahinter steckte) hat es so bestimmt. Hier ein Zitat aus der KDU-Richtlinie: „Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn 1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder des Elternteils verwiesen werden kann, 2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder 3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt. Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht erbracht, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.“ Für alle, die noch keine 25 sind, besteht erheblicher Beratungs- und auch Handlungsbedarf. Sucht Beratungsstellen auf, informiert Euch im Netz! Wer die teils miesen Tricks der ARGEN nicht kennt, fällt auf die Schnautze! Jochen Lubig Der SSM und die GEZ Am 10. März demonstrierte die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim vor dem WDR-Gebäude am Wallrafplatz gegen die „Schikane arbeitender Geringverdiener“ durch die Gebühreneinzugszentrale GEZ. SSM-Mitglied Heinz W. hat sich bis zum Bundesverfassungsgericht gegen die bürokratischen Praktiken der GEZ durchgeklagt. HANS-DETLEV V. KIRCHBACH Noch vor wenigen Jahren konnten SSMMitglieder wie Heinz W. als Geringverdiener die GEZ-Befreiung erhalten. 2005 jedoch setzten weltfremde Bürokraten im Rundfunkstaatsvertrag eine Regelung in Kraft, nach der nur Geringverdiener von der Gebühr befreit werden können, die gesetzliche Sozialleistungen beziehen – wie etwa ALG II. Durch den Rost dieser unsozialen Regelung fallen die Mitglieder der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM). Staatliche Finanzierung Staatliche Sozialleistungen dürfen die Menschen, die oft von der Straße weg bei der SSM aufgenommen worden sind, nicht beantragen. Sonst nämlich werden sie von der SSM rausgeschmissen. Das hat aus der Sicht der SSM einen guten Grund. Die Selbsthilfeorganisation hat ihr Gelände in Mülheim von der Stadt Köln zu einem Vorzugspreis von 20 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete bekommen. Im Gegenzug zu dieser allerdings „öffentlichen Förderung“ kümmert sie sich um die Bedürftigen, die sie bei sich aufnimmt – und unterbindet, daß diese Sozialleistungen beantragen, wodurch sie der Stadt Aufwendungen erspart. Der SSM ist Erfolg zu wünschen bei dem Versuch, die GEZ-Freiheit für alle Geringverdiener durchzusetzen – im Interesse des Verfassungs-Grundrechts der Informationsfreiheit. Untertöne Dennoch muß einiges an den Untertönen der SSM-Kampagne Bedenken aus- lösen. Während Westerwelle die Medien mit seiner Agitation gegen angebliche Hartz-IV-„Schmarotzer“ beherrscht, grenzt sich der SSM geradezu demonstrativ von den Armutsopfern in dieser Gesellschaft ab, die auf gesetzlicher Grundlage öffentliche Sozialleistungen beanspruchen. Einiges aus den Erklärungen der SSM wäre durchaus auch nutzbar, um einen Gegensatz zwischen „anständigen“, nämlich „arbeitenden“, und „unanständigen“, nämlich „stützebeziehenden“, Armen aufzubauen und damit die letzten Trümmer des Sozialstaates auch noch in den Köpfen wegzuräumen. beraler Angriffe den Sozialstaat, so kritisch man die Armuts-Verwaltung auch sehen kann, als überhaupt verzichtbares Auslaufmodell abzutun. SSM-Zitate „Wir haben den Bezug öffentlicher Leistungen vor allem deshalb ausgeschlossen, weil jeder, der zu uns kommt, wissen soll, daß er bei uns sein Leben in die Hand nehmen muß“. RTL mit dabei Bemerkenswert, daß die SSM-Demo vor dem WDR von einem Kamerateam im Auftrag von RTL gefilmt wurde. Wohl weniger aus sozialer Anteilnahme, sondern eher als Schienbeintritt gegen die öffentlichrechtliche Konkurrenz. Es bleibt zu hoffen, daß von der SSM-Initiative mehr übrigbleibt als eine Instrumentalisierung durch einen privaten Konzernsender. „Ich bin der Sohn einer Bauernfamilie und bei uns gehört es zum Selbstverständnis, daß man sich durch seine eigene Arbeit ernährt. Ich könnte weder mir noch meiner Familie in die Augen blicken, wenn ich außer bei schwerer Krankheit oder ähnlichem von staatlicher Unterstützung leben würde.“ Sozialistisch? Vielleicht darf man die „Sozialistische Selbsthilfe“ SSM daran erinnern, daß die so ins Zwielicht gezogenen sozialen Rechtsansprüche die demontierten Reste historischer Errungenschaften darstellen, die in einem Jahrhundert schwerer gesellschaftlicher Kämpfe erstritten wurden. Es wäre verheerend, gerade in dieser Phase massiver neoli- Links? Eine linke Selbsthilfeorganisation sollte eher die Solidarität mit den anderen Ausgegrenzten dieser Gesellschaft suchen (und derer werden immer mehr), als von sich aus dem sozialdarwinistischen Zeitgeist frei Haus Argumente zu liefern, mit denen weit mächtigere Kampagnenzentralen die Opfer der Verhältnisse gegeneinander aufbringen und spalten können. Und der WDR? Daß aus dem WDR kein einziger der GEZ-überfinanzierten Anstaltsbeamten herauskam, um mit den Rundfunkteilnehmern der SSM wenigstens zu reden, wirft allerdings auch ein eher trübes Licht auf die Auffassung von Publikumsfreundlichkeit und Informationspflicht, die in der Kölner Sendebehörde anscheinend obwaltet. Bild: J. Lubig, arbeiterfotografie.com