Band V

Transcription

Band V
JOSEF GABRIEL RFIEINBERGER
BRIEFE UND DOKUMENTE SEINES LEBENS
V
Herausgegeben von
Harald Wanger und Hans-Josef Irmen
PRISCA VERLAG, VADUZ
1984
© 1984 by PRISCA VERLAG, VADUZ
(Prisca Verlag, Vaduz, Fürst Johannesstrasse 25, FL-9494 Schaan)
Alle Rechte vorbehalten / Printed in Liechtenstein
4''T 44.;4p,;,.r,r.''.r.'
Odeonsplatz in Miinchen (links das Königlichc Odeon)
Zeitgenössischer Stahistich
Vorwort
Der vorliegende 5. Band der Dokwnente zu Leben und Werk
Josef Gabriel Rheinbergers behandelt die Zeitspanne zwi-
schen 1874 und 1884. Es ist die Zeit der Etablierung des
zu Berüh.mtheit gelangten Komponisten und Lehrers. Schein-
bar ohne bedeutende Höhen und Tief en läuft das Leben in
München ab zwischen koinpositorischen Erfolgen, Lehrtätigkeit im Cxleon, gesundheitlichen Schwierigkeiten und bürgerlicher Häuslichkeit. Die Gattin Fanny von Hoffnaass be-
tätigt sich weitgehend als spiritus rector, gibt Anregun-
gen, pflegt den Kontakt mit Freunden und Bekannten und
sammelt und ordnet den Schriftverkehr ihres Gatten. Aufenthalte in Wildbad Kreuth und im heimatlichen Vaduz bringen Abwechslung und Erholung in das von Arbeit gekennzeichnete Leben Rheinbergers. Abgesehen von einer erneuten schweren Erkrankung der rechten Hand des Komponisten scheint al-
les zum Besten bestellt zu sein. Er kann es sich leisten,
eine Berufung nach Frankfurt am Main nur unter der Voraussetzung abzulehnen, dass in München für sein Verbleiben an
der Königlichen Musikschule gewisse Bedingungen erfüllt
werden. Trotz dieser àusseren Erfolge zeigt sich, wenn auch
vorerst nur andeutungsweise, die allmählich beginnende Vereinsamung: Rheinberger scheut sich mit zunehmendem Alter,
in semen geliebten Heimatort Vaduz zu fahren, wo der Tod
grosse Lücken in seine Familie gerissen hat. Nur bei äusseren Anlässen reist er dahin, etwa wenn er zu den Trauerfeierlichkeiten seines verstorbenen Vaters die von ibm entworfene neue Orgel der Pfarrkirche erstmals spielt.
EditionstechniSch ergaben sich für diesen Band vermehrte
Schwierigkeiten. Durch die grosse Zahl der für die behandelte Zeitspanne vorliegenden Dokumente war eine strenge
Auslese erforderlich. In den Briefsaminlungen Fanny Rheinbergers (in der Bayerischefl Staatsbibliothek München) und
der Familie Rheinberger (im Josef Rheinberger-Archiv Vaduz)
findet sich manches für die Biographie Unwichtige: belanglose Brief e von Schülezn, Korrespondenzen mit Verlegern,
Bitten urn Empfehlungen usw. Um der besseren Lesbarkeit und
ITL
Uebersichtlichkeiit willen wurde Nebensächliches und Unbedeutendes weggelassen; in einigen wenigen Fallen rnussten
auch Briefe gekürzt werden, wobei Weglassungen jedesmal
ekennzeichnet sind (/. .1).
.
Auch die Veräffentlichung dieses 5. Bandes ware nicht znöglich gewesen ohne die Mitarbeit der Familien Rheinberger
in Vaduz, der Bayerischen Staatsbibliothek München und des
Josef Rheinberger-Archivs Vaduz, sowie die finanzielle Unterstützung durch die Fürstliche Regierung Vaduz, der Gemeinden Vaduz und Schaan wie auch em weiteresmal durch
die "Stiftung fürstl. Kommerzienrat Guido Feger". Ihnen
ist wiederum herzlich zu danken.
Schaan (Liechtenstein), im Herbst 1984
Die Herausgeber
BRIEFE UND DOKUMENTE
5. Teil:
1.1.1874 - 28.10.1884
ANHANG:
Musikalischer Brief
"Lieber Johnnie" vom
11.1. 1874
Fanny Rheinberger "Wagenfahrt Uber den
Arlberg" (Entstehung
unserer Legende Christophorus)
Bericht Uber die Gesundheitsverhältnisse
von Josef Rheinberger
/T.B.3,12/ 1./Januar 1874/.
Eben kommen wir vom Hoftheater zurück, wo die sieben Raben mit groBem Enthusiasmus aufgenornmen wurden. Das Haus
war gedrängt you. Curt hatte grol3e Freude, daB sein alter Gönner, Prof.v.Schafhäutl ausnahmsweise auch irn Theater war. Wüllner hatte die Direktion. Die Stehie war
eminent bei Stimme. Die Kerkerscene erschütterte uns
wieder sehr. Die schluchzende Viola ist Curt's Lieblingsstelle.
Vormittag hatte Curt in der Hofkirche sein Tui. stint coeli
gehört.
/T.B.3, 15/ 4./Januar 1874/.
Curt hat Catarrh und versagt er sich der morgigen, erstmaligen Aufführung von Thürmers Töchterlein in Graz beizuwohnen.
Josepf Rheinberger schreibt folgenden Neujahrsbrief an
Franz von Holstein:
den 4. Januar 1874
Sehr geehrter Freund!
Es ist em guter alter Brauch, sich das neue Jahr anzuwUnschen, wie sehr man auth in unsrer aufgeklärten
Zeit dagegen mit Neujahrswunschenthebungskarten ankämpft - man denkt unwillkürlich zurück an All das,
was sich seit dem letzten Neujahr ereignet; man schaut
in sich, urn sich, hinter sich - und gewahrt mancherlei,
das zu Freud oder Leid, oder Beherzigung oder Warnung
dient. Indem ich nun urn mich schaute, entdeckte ich mit
Entsetzen unter meinen Briefschulden die gräulichste
- die Briefschuld an Sie, verehrtester Freund. Wenn ich
auch nun em paar Tage zu spat kornine, so hoffe ich doch,
daI3 Sie meine besten GiLickwünsche für Sie und Ihre geehrte Frau nicht weniger herziich aufnehrnen werden.
Wie steht es denn eigentlich mit Ihrern "Erben von Morley"? Da die "Genoveva" nun glUckiich Uberwunden 1st,
so soilte ich meinen, daf keine weiteren Hindernisse
rnehr wären.
Indessen kommt em
land und fllhrt uns
setzlicher Verlust
für München). Fri.
tUckischer Freiherr aus Norddeutschdie Stehle weg - em geradezu uner(nicht für Norddeutschland, sondern
Stehie singt nämlich in jeder
2
Vorstellung besser als das vorige Mal - ich glaube, sie
thut es uns zum Trotz; sie bleibt übrigens hier - singt
also vielleicht hie und da in einem Concert. Unser Heldentenor Nachbaur 1st aus Cholerafurcht durchgebrannt.
Nichts als die Erinnerung an em hohes
ye!
hinterlassend. Meine bessere Hälfte und meine schiech-
tere (letztere bin ich selbst) arbeiten jetzt an einer
Chor- und Soloballade. Sonst schreibe ich
gem
lustige
Sachen, da ich das musikalische Bauchweh, Weltschmerz
genannt, nicht ausstehen kann, so beharrlich dessen Apostel es uns vorzeigen lassen und lobpreisen - kommt nun
auf eininal so em bezopfter (kommt von Zopf mit einem
F) ilberwundener Komponist, namens Haydn, (em
"grol3er"
Mann hat ihn elnmal elnen Lakalen geheif3en) und fUhrt
uns am Christkmndtag seine Jahreszeiten vor - "geistreich wars zwar nicht, hat auch niernand Kopfweh oder
KrHmpfe bekornmen, aber em Jubel war in dern Publikum,
dai3 sich fast niemand dem gewaltigen Eindruck entziehen
konnte ... sah ich sogar em Mitglied "eines Komponistenvereins" verschEmt hinter einer SHule applaudieren
(der Arme wird kuriose Bu2e tun).
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fif Bum
Dieses kleine geniale Impromtu 1st mit unsaglich verschämtem Ausdruck zu begmnnen, mit titanenhaf tern Crescendo bis zum grof3en Bum durchzukHmpfen, bei welchem
drei grof3e Trommein mit elnern "welterlösenden" (germ-
ger können wir's nimmer tun, die Nachf rage ist zu stark)
Krach das endlose, aligerneine "Nichts" in nebel(nibel)-
-3haftes Crauen und woiltistiges Dämmern auflösen. So etwas
bringt em "Lakai" nicht zustande. Im Heruntersteigen
Uber die Treppe des Odeons äuf3erte sich em genialisch
aussehender junger Mann (bleich und langhaarig, die ungeloste Wonnedifferenz sichtlich im Busen tragend) zu
seiner ihm angeschmiegten Begleiterin: "Das 1st alles
nichts als Musik - wir aber wolien Ideen, grofe, weltbeherrschende Ideen" - und wie ähnliches Geschwafei lautete. Der arme Tropf! Was wUrde er zu meiner Ideentrilogie sagen, womit ich (wenn das Zeitalter erst reif
genug ist ) die Welt in Erstaunen zu setzen gedenke! Meine Ideentrilogie hei6t: I. "Der Urschlamm", II. "Die
schreckiichen Folgen der nattirlichen Zuchtwahi", III.
"Der Affe".
Die dern Ganzen vorangehende Ouverture dauert 2 1/2 Stunden und schildert "den Kampf urns Dasein". Sie beginnt
mit dem Wahnsinnsmotiv.
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Eriassen Sie mir, geliebter Freund, die weitere Schilderung, es greift rnich zu sehr an. Nur eines erlaube
ich mir anzudeuten: die zerschmetternde Wirkung im
7611. Takt, wo sichgenanntesWahnslnnsrnotiv mit dem
Cholerarnotiv kreuzt! Diese Modulation werden wenige
tiberieben!
I. Abend. Vorhang auf - Biihne
leer - nichts ais Urschlamm, soweit das Auge reicht.
- Der Dirigent klopft, er beginnt mit einer General-
pause von genau 15 Minuten, weiche er mit dem Chrono-
meter in der Hand gewissenhaft auszutaktieren hat man strengt sich an zu hören und hört doch nichts es 1st eben das groBe, gewaltige Nichts, aus dem erst
alles werden soil; - nach diesen 365 Takten Generalpause 5/4 Adagio beginnen die KontrabEsse mit dem
tie f en
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-4-
durch 212 Takte; weitere Generalpause von 119 Takten,
dann antwortete eine Flöte mit
,9. Q.
-
durch ebenfalls 212 Takte - der Hörer fängt an nervös
zu werden; - er sieht starr auf den Urschlamm, derselbe teilt sich in Tausende von Molekillen, weiche immer
festere Gestalt annehmen und sich whrend der folgenden' Musik berelts zu "Muscheln" gestalten:
Flöte
Contrabass
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Bemerken Sie, wie bier das Werden aus dem Nichts geschieht? Graut Ihnen schon? Mir auch! Sie können sich
den Reichtum an Ideen des II. Satzes denken, wenn die
Muschel und die Muschelin allein 500 Metamorphosen
durchzumachen haben, bis wir beim III. Tell angelangt
-5-
sind. Die Introduktion zu demselben malt das werdende
SelbstbewuBtsein des Darwinschen Starnmvaters, dessen
Kummer Uber semen letzten RUckenwirbel, der ihm das
bequeme Sitzen unmoglich rnacht - seine Seelenkämpfe,
dieses UberflUssige los zu werden urn sich dadurch zurn
Menschen aufzuschwingen. Glauben Sie mir, die 24 Tonarten reichen nicht bin, urn alle diese titanischen
Kämpfe zu malen. Erlassen Sie mir das Ubrige. Ich habe
bewiesen, daa es nicht an riesigen Ideen fehit. Wie
harmios nehmen sich dagegen die Haydn'schen Versuche
aus - wie kindisch ist nicht diese sogenannte absolute
Musik, so ungefähr träumte mir nach Auffiihrung der Jabreszeiten. Wie em Alp rang es sich mir von der Brust
- ich wurde wach und empfand mit Entzücken, dal3 ich
nicht an der Schwelle des Jahres 1974, sondern 1874
war.
/T.B.3, 17/ 5./Januar 1874/
Auf Brahms' Verlangen (durch Levi) die Partitur der Quverture der 7 Raben nach Wien geschickt.
Johannes Brahms beabsichtigte, Rheinbergers Ouverture
im Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
am 25. Januar 1874 aufzuführen,und schrieb an den Hofkapelimeister Hermann Levi in München:
Januar 1874
Lieber Freund,
Das 7 Raben-Vorspiel mugte ich den l9ten hier haben
und könnte es den 26ten zurückschicken. Ich bin nun
durchaus nicht für das Ausleihen von Novitäten. Aber
du hast keine Vorstellung, wie es hier jetzt aussieht.
Der Krach hangt immer dunkler und schwerer über unsern
Häuptern. Nun babe ich den Winter fast alles für die
Konzerte neu anzuschaffen gehabt. M/eine/ Dlrektion
tut mir wirklich leid. Ich möchte die Ouvertüre so
gem machen und müf3te doch mit einer andern fürlieb
nehmen, wenn ich sie nicht leihen könnte.
Falls ich sie im nächsten Winter nicht wiederhole, tut
dies jedenfalls Dessoff, der Rheinbergers Musik sehr
liebt. Wir sind überhaupt höchst Uppig im Anschaffeñ!
-6
,f ESELLSCHAFT DER JMUSIKFREUNDE.
onntag, ben 25.
ãaner 1874:
Drittes
(krr115rbaft-(fuurrrt
miter der Leitung des artistiseben Directors, Herrit
JOHANNES BRAHMSX
Mitwirkende: Frau Caroline Gomperz.Bettelheim, k. k. Kammersthigerin,
Frau Marie Wilt, k k. Hofopernsngerin,
Herr Gustav Walter, k. k. Kammer- und Hofopern.
siinger,
Herr Josef Helimeaberger, k. k. Concertrneister,
(Viollndirigent),
Singverein'
PROGIRAMM:
1.
Ujeinøerer
Vorspiel zur Oper: ,,Die sieben Raben".
2.
otbmarft
.,FrUhlingshymne",
dicIn. 1-n
Maibetraclitungen ;tus dern Schwe-
Geijer, fiji Aitsolo, Clior iiiiilk )rchester.
Neu. (rte Auffillirung. - Solo : 1au
Bettelheim.
Gomperz-
Untr pei-sunlicher Leitung des Corn-
j)fliSt('1i.
3.
Uot
,,Davidde penitente", Cantat& tiir Suli, Clior und Orchester.
Soli: Frau Wilt, Frau Gomperz-Bettelheim, Herr
Walter.
Streichinsti-unente: Lemböck. - Texts umatehend.
Viertes Gesellschafts-Concert:
ounta, ben 19.
prif 1874,
*15
1
r
flittae.
-7-
Vielleicht tut R/heinberger/ selbst in Anbetracht unsrer höchst betrUbten Börsenzustände em Ubriges und
legt seine Stimmen noch dazu./. . .1
Levi antwortet Brahms u.a.:
München, 13.1.74
Lieber Freund!
Wir sind durch einen fortwährend grofen Krankenstand
am Theater dermal3en reduciert, data für Freitag oder
Sonntag die "7 Raben" unsere einzige Hoffnung sitid.
Die Stimmen k6nnen also nicht entbehrt werden. Da ich
aber die Lieferung einmal übernommen, habe ich dafür
gesorgt, daf sie Dir auf anderem Wege Freitag, aller-
spätestens Smstag zukommen. Du darfst Dich ganz sicher darauf verlassen.
I...'
Uber die Auffuhrung von Rheinbergers Oper in Graz berichtet der Direktor des Landestheaters in Graz in einem Schreiben an Rheinberger:
Graz, 6.1.74
Euer Wohlgeboren!
Es gereicht rair zum besonderen VergnUgen, die Hit theilung machen zu können, dass Ihre Oper: Des ThUrmers
Töchterlein gestern mit gutem Erfolg zur AuffUhrung
kam. Mein ister Kapeilmeister Herr Stolz hat die Oper
mit besonderer Vorliebe einstudirt, und die Snger
haben mit Lust und Liebe ihre Parthien exekutirt. Ich
habe das Orchester verstärkt und das Moglichste für
die Ausstattung gethan, somit war der Erfoig em sehr
günstiger! Bei öfterer Wiederholung, bis dem Publikum
die Musik besser ins Gehör geht, wird sich der Beifall
steigern, weil die Instrumentierung eine hbchst vorzügliche ist. Donnerstag werde ich die Oper repetiren
und hoffe auf guten Erfoig.
Ich fUhie mich verpflichtet, Ihnen meinen besonderen
Dank für die Ueberlassung der Oper auszusprechen und
werde nicht ermangein, selbe dem Direktor unseres Hofoperntheaters zu empfehlen und hoffe, dass dieselbe
dort zur AuffUhrung kommen wird.
8
Mich Ihrem freundlichen Wohiwollen anempfehiend, verharre ich mit besonderer Hochachtung ergebenster
Ed. Kreibig, Th. Direktor.
/T.B.3, 19/ 9./Januar 1874/
Josef Rheinberger an Verleger Cranz in Bremen:
Montag, den 5. ging Thilrmers Töchterlein in Graz mit
sehr gUnstigem Erfolg in Scene und wurde gestern wiederholt. Wie weit ist der Clavierauszug gediehen? Wie
ich höre, sind meine Clavierstiicke op. 67 längst erschienen; ich habe sie aber noch nicht zu Gesicht bekommen, bitte mir dieselben zu schicken.
Jos. Rheinberger.
Curt hat heute das Frauenterzett, an weiches sich der
Chor schlief3t zu Frau Itha (Traumgesicht) fertig compoflirt und
ausgeschrieben. Er las in Wiener Zeitung gunstige Berichte über die Aufführung seines Töchterleins
in Graz. An den guten Schwiegervater in Vaduz einen
grol3en Theaterzettel geschickt, der ihn jedenfalls
freuen wird.
Franz von Holstein schreibt an Josef Rheinberger:
Leipzig, 21. Januar 1874
Verehrtester Freund
Meine Frau schreibt eben der Ihrigen, und da nehme ich
die Gelegenheit wahr, em Biättchen in das Couvert
gleiten zu lassen, weiches Ihnen meinen Dank aussprechen soll für Ihre freundliche Zuschrift. So dick dieseibe mit Urschlamm überzogen war, sah doch genug von
Ihrer künstlerischen und freundschaftlichen Gesinnung
daraus hervor, um vom Empfänger mit Freude begrül3t zu
werden. Sie sind uns künstlerisch in ietzter Zeit mehrfach nahe gewesen, ohne recht eine Ahnung davon gehabt
zu haben. Fri. Menter (juniora) spieite Ihr schdnes
Clavierquartett im Deutschen Musikerverein recht bray,
und die lieben Walchen-See-Lieder haben wir ohnlängst
schlecht und recht Abends in unserem Kränzchen gesungen und uns weidlich daran ergotzt. Vom besten Erfolg
-9
Ihres Töchterleins in Cratz meldeten ja die Zeitungen,
und sage ich dazu meinen herzlichen Gltickwunsch.
Nächste Woche wird Brahms hier erwartet. Er war lange
nichthierund wird beferen Empfang finden als fri.iher
und als Mancher ihm vielleicht wünscht. Das Publikum
ist jetzt mehr an seine Sachen gewöhnt, das Requiem,
die Walzer und Magellonen-Romanzen haben das ihrige
dazu gethan. Die meisten Kritiker hingegen stehen auf
dem absoluten Brahms-Schwärmerei-Standpunkt, was ibm
zu Gute kommen wird. In demselben Konzert, wird das
neue sächsische Königspaar sich dem Leipziger Publikum zum ersten Male zeigen, also das InTteresse wohl
etwas getheilt sein. Nit den besten Wtinschen für Ihr
Wohiergehen und herzllchen GrUl3en an Ihre liebe Frau
ganz der Ihrige
F.v. Holstein.
/T.B.3, 35/ 30. /Januar 1874/
Eben komme ich vom Theater heim, wo ich Wallensteins
Lager sah und den ersten Satz der Wallensteinsinfonie
zum Einzug der beiden Piccolomini hörte.
Curt war nicht im Theater. Er fürchtete sich, es nicht
qenügend aufführen zu hören, und da er von Stuttgart
aus die Bitte erhalten, einen Männerchor zu schreiben,
socomponirteer mittlerweile einen Chor zu Reinick's
"Feuriger Liebe".
/T.B.3, 37/ 6./Februar 1874/
Curt componirte für den Pfälzer Sängerbund Robert Reinick's "Künstlergrul3 an die Frauen" zu 4 Stimmen für
Manner und schickte denselben heute noch ab.
7. /Februar 18 74/
Schöner musikalischer Abend bei uns. Wüllners, Marie
Schmidtlein, Prof. Berneis und Bruckner. Curt schwelgte mit Bruckner in Mozart'schen Violinsonaten. Curt
war dabei ganz selig. Ja, mein Herzens-Mozart, du hast
doch das tiefste Gemüth. Curt rie.f ganz begeistert
aus: 0 Wonne in dieser Musik, zum Teufel mit aller
reizender Abend,
schopenhauerschen Musik. Es war em
- 10 -
/T.B.3, 38/ 8. Februar 1874/
Curt war so angeregt durch die gestrigen Sona ten von
Mozart, daB er heute Skizzen entwarf zu einer Violinsonate und dieselbe auch ausführen will. Es hat stets
EinfluJ3 auf ihn, wenn er etwas Schönes hart. So entstand das Duo und das Quartett unmittelbar nach Gehörtem.
9. /Februar 18 74/
Curt hat heute wieder einige Takte weiter an seiner
Violinsonate componirt.
11. /Februar 1874/
Heute liegt Curt in Banden einer zu entstehenden Violinsonate. Ich durfte im Zimmer bleiben, während er
sich seine Ideen niederspielte - es sprudelte, irnrner
wieder sah er mich leuchtend an, und wenn ich mit dern
Kopf nickte, dann quoll es reicher und begeisterter.
Wunderbar ist solch em Schaffen. Alle Themas lassen
sich verrenden, rief er, und wenn er sich an den
Schreibtisch setzte, dann vibrirte er die Finger, als
ob der Geist in ibm zapple - und Alles ohne Affektation - aber aufreibend ist's - er darf gut dabei ge-
nährt werden!
19. /Februar 1874/
Die Violinsonate 1st nicht nur bereits componirt, sondern sic liogt schon in vollendeter Reinschrift da.
Franziska Rheinberger schreibt an ihren Schwager:
Lieber David!
19. 2. 1874
Curt ist gegenwärtig durch eine Noten-Arbeit so hingeBrief zu danken, was ich nun statt seiner thue und mich
umso mehr beeile, als es uns drängt, sogleich eine kleine Gabe für die armen Schaaner zu schicken. 20 Mark von
Curt und 20 Mark von inir. Vielleicht kdnnte man urn die
Hälfte Kleidungsstucke kaufen - doch wie Du es am besten glaubst.
nommen, daB er nicht dazu kornrnt, Dir selbst für Deinen
Curt: hat schon vor einigen Tagen das Feldkircher Telegramm vom Brande Schaans in einer österreichischen ZeiLung gelesen und war sehr ergriffen davon. Immer wieder
sprach er die Besorgnis aus, oh auch der guten Tante kein
Leids geschehen.
In der gestrigen Zeitung steht auch, daB em Orgelkonzert
auf der neuen Vaduzer Orgel stattgefunden. Wie .freuen wir
uns, wenn Curt einmal darauf.spielen wird. Ginge nur auch
mein sehnsüchtiger Wunsch wegen des Geburtshauses in Erfüllung.
Rheinberger dachte in dieser Zeit daran - von seiner Frau
unterstUtzt - sein Elternhaus in Vaduz käuflich zu erwerben. Da dieser Plan zunächst nicht zu verwirklichen war,
beauftragte er semen Bruder David, nach einern anderen
passenden Objekt Ausschau zu halten. David schiug vor, die
Villa Salome, die nach dem Tode ihrer Besitzer zum Verkauf
stand, zu ersteigern. Da sich aber mehrere Interessenten
meldeten, net David Rheinberger von diesem Projekt ab.
Darauf wurde die Villa Salorne am 30.8.1875 von Walser aus
Schaan urn 10. 100 fi. ersteigert. Den Wunsch, in seiner
Heimat em Haus zu erwerben, gab der Komponist dennoch
lange Jahre nicht auf.
Obwohl sich Rheinberger bereits seit mehr als zwanzig Jahren in MUnchen aufhält, ist seine lebhafte Anteilnahrne an
den Ereignissen in Liechtenstein und dem Schicksal seiner
von fortwährenden Krankheiten heimgesuchten Familienangehorigen unverändert. Als im Mrz 1874 Rheinbergers Vater
sich auf das Sterbebett legt, entschlie6t sich der Komponist spontan, nach Vaduz zu reisen und schreibt an semen
Bruder:
Lieber David!
Dein heutiger Brief gibt uns wieder etwas Hoffnung für
Vaters Leben; möge die Besserung anhalten!
Nächsten Freitag komme ich (mit dern Nachmittagszug) nach
Vaduz; Herrn Landesverweser habe ich die Orgelübernahrne
telegraphisch für Samstag, den 28. März zugesagt.
-
12
-
Mit den herzlichsten WUnschen für Vaters Genesung und
Crüfen an Maly
Dein Dich liebender Bruder Curt
MUnchen d. 22.3.74
Fanny schliel3t sich meinen WUnschen und GrUBen an.
Am 25. Mirz 1874 starb in Vaduz der Fürstl. Liechtensteinische Rentmeister Johann Peter Rheinberger.
/T.B.3, 73/
Curt war vorn schmerzhaften Freitag d. 27.März bis 31.
März in seiner Heirnath Vaduz, urn die Trauerfeierlichkeiten für semen geliebten Vater beizuwohnen. Die
neue, herrliche dreimanualige Orgel spielte er zum
ersten Male für das Requiem des Vaters. Der Landesverweser hatte ihn dringend gebeten, auch den Liechtensteinern vorzuspielen und so spielte Curt über eine
Stunde lang sich selbst in tiefste Entzückung hinein.
Es sel das herrlichste Orgeiwerk, das er kenne. DaB
gerade Curt 's Geburtsort soich eine Prachtorgel hat,
ist em schönes Zusarnrnentreffen.
Die Liechtensteinische Wochenzeitung vom 3. April 1874
schreibt:
Vaduz, 31. März. (Eingesendet.) Das einforrnige Stillleben unseres Dorfes wurde in den letzten Tagen auf
eine angenehme Weise unterbrochen, indem uns musikalische Genüsse sich boten, urn die uns rnanche Stadt
beneiden würde. Es ist nämlich die für unsere neuerbaute herrliche Kirche von unserern Fürsten bestithmte
längst ersehnte Orgel fertig geworden und f and am
letzten Sarnstag die Uebernahrne derselben durch den
eigens hierzu berufenen Hrn. Professor Rheinberger am
Konservatorium zu München, elnengeborenen Vaduzer,
statt. Dieses wirkliche Kunstwerk entstammt dem Ateher der Herren Steinmeyer und Comp. in Dettingen in
Baiern und ist deren 120. Werk, das den Erbauern wirklich Ehre macht; die Aufstehlung durch einen Compagnon
und 2 Mitarbeiter, tuchtige, fleil3ige, bescheidene
Manner, die nur em gutes Andenken bei uns hinterliei3en, nahrn über 4 Wochen in Anspruch.
- 13 -
Auf den Tag, wo das prachtvolle Werk durch die Meister-
hand Rheinbergers seine Tone alle solite erklingen las-
sen, warteten Viele mit Spannung und fanden gewif3 ihre
Erwartung iibertroffen sowohi beziiglich des vollendeten
Spiels als auch des ausgezeichneten Werkes selbst. Hr.
Rheinberger, der uns nur Klassisches eigener Kompositionen und anderer beriihmter Meister zu hOren gab, setz-
te uns bald in Erstaunen durch die Majestät des vollen
Werkes mit seiner Ftille und Aligewalt, seinem Clanz
und semen donnernden, gigantischen Bssen, bald versetzte er uns in andächtige Stimmung durch die zarten
Register, die wie Tone aus einer Uberirdischen Welt
herniederkiangen, zum Ohre der Zuhörer. Das war em
Genulfl Auch der als sehr guter Organist an der Stadtpfarrkirche zu Feldkirch bekannte Hr. Briem fand Gelegenheit, seine Kunstfertigkeit auf der neuen Orgel zu
bekunden.
Am Palmsonntag diente das Instrument zum erstenmale zur
Begleitung des Kirchengesanges, wo Rheinberger ebenfalls
die Orgelbegleitung zu einer von ihm schon 1856 componirtën Messe Ubernahm und wo Componist und Sängerperso-
nal mit aller Hingebung sich die gute Durchführung dieser Composition angelegen sein liel3en. Die Orgel und
das kunstvolle Spiel derselben befriedigten die versammelte Gemeinde, deren meiste Glieder sie zum erstenmale hörten, im hOchsten Grade. Am Montag, Nachmittag
4 Uhr, erfreute uns der KUnstler noch durch em Uber
eine Stunde dauerndes Orgelkonzert, wobei er seine Virtuosität und die ganzliche Beherrschung des Instrumentes in glänzender Weise wieder zu zeigen Gelegenheit
hatte, und wobei viele Bewohner Liechtensteins und der
benachbarten Schweiz sich eingefunden hatten. MOge der
gefeierte Componist undKtinstler, den seine Berufsgeschäfte heute wieder nach MUnchen riefen, seinenHeimatsort bald wieder besuchen und uns bei längerer Dauer seines Aufenthaltes noch Of ter soiche Kunstgentisse
bereiten!
Uns tiber das Orgeiwerk des Weiteren auszusprechen, 1st
unsere Aufgabe nicht; vielleicht findet der hierüber
erstattete Bericht der dazu Berufenen auch den Weg in
die Oeffentlichkeit; aber die Gemeinde Vaduz mag sich
zu erneuter Dankbarkeit gegen unsern edlen Landesfür-
- 14 -
sten, der in wahrhaft fürstlicher Weise auch diese
Orgel ihr zum Geschenke machte, verpflichtet fUhien
und sich freuen, em soiches Kunstwerk zu besitzen.
/T.B.3, 75, 6. April 1874/
Curt schickte das Gutachten über die neue Orgel nach
Vaduz.
/T.B.3, 74/ 13. April /1874/
Curt probirte heute zum ersten Male im Oratorien-Verein
Cherubini's grol3e Messe in D moll.
15. /April 1874/
Im englischen Garten spazieren. Hofcapellmeister Maier
begegnet. Er sagte, zwei Sorten von Menschen fürchtet
er: Tenoristen & Hornbläser. "Seh'n Se, wenn so'n Kerl
anfängt, Horn zu blasen, stöi3t er Dähne aus, die unbe-
schreiblich sind. Sieht er dann später em, wie er eigentlich blasen solite, denn verläl3t'n die Courage und
denn blast er noch unbeschreiblichere Tone".
/T.B.3, 74/ 18./April 1874/
Eben kommen wir vom Odeonsconcert nach Hause, wo unter
anderem zum erstenmale als Concertstücjç Curt's Quverture zur Zähmung der Widerspänstigen gegeben wurde.
Levi war krank geworden, so übernahm Wüllner schnell
und machte es sehr zu Dank.
/T.B.3, 100/ 29./Mai 1874/
Curt hat begonnen, em Quintett für Streichinstrumente
zu componiren. Der erste Satz ist schon fertig, doch
läf3t ihn das bevorstehende Oratorienvereinsconcert mit
Cherubini 's D-moll Messe, die bier zum ersten Male zur
Aufführung kommt, keine Rube zurn Arbeiten.
Von Haus kamen wieder melancholische Berichte über die
nunmehr krànkelnde, äuf3erst melancholische Schwester
Maly. Curt rief ganz bitter aus, als er den Brief gelesen: Ich werde mir von nun an alle Briefe aus der
Heima th verbi tten.
- 15 -
/T.B.3, 100/ 4./Juni 1874/
Curt ist nahezu mit dem Adagio des Quintetts fertig, obgleich er sich die Zeit dazu stehien muJ3. Wenn wir ausgehen, ruft er plötzlich aus: "Mein Quintettl schreit,
ich muI3 helm."
/T.B.3, 102/ 25. Juni /1874/
ileute beendete Curt sein Streichquintett. Der letzte
Satz hatte ibm viel zu schaf.fen gemacht. Morgens hatte
er noch keinen Schlui3, als sein junger Copist, Mediziner
Bühler aus Chur, ihm die 3 Sátze und einen Theil des 4.
brachte. "Kommen Sie abends urn 6 Uhr wieder, dann können
Sie den Rest holen", sagte ibm Curt und zwang sich so
selbst, den letzten Satz zu beenden. Ich vrhielt mich
still am Nähtisch und hörte ihn nur am Clavier kämpfen
- da rief er mich hinaus, schob dann noch 2 Takte em
und machte den definitiven Schluf3. Er war froh.
Gestern besuchte uns Bülow, der mit ungeheurer Achtung
von Curt sprach. Er nennt ihn den ersten Contrapunktisten und Lehrer Deutschlands. Wir wären fast em bischen in Streit gekommen wegen Wagner, aber Curt's Rube
brachte es in's Gleichgewicht.
/T.B.3, 102/ 13./Juli 1874/
Herrliches Zusammensein mit Ambros aus Wien. Beseligend,
wenn die eigenen Kunstanschauungen, mit denen man einsam
im modernen Strome steht, von einem gelehrten braven
Manne vollständig bestätigt werden. Ambros brauchte sogar Curt's eigene Worte: "Der Teufel hole die 'geistreiche' Musik, wenn sie nicht zugleich schön ist." (Jber
Wagners Walküre ist er ebenso empört wie wir, vom sittl.
Standpunkt.
Curt hat sein Streichquintett für 200 Thir. verkauft.
/T.B.3, 113. Ende Juli 1874/
In Curt's Cantate, die er als junger Mensch componirte
(Jephta's Tochter) ist em 3-st. Frauenchor, den ich
sehr liebe; ihn ausgeschrieben, em Regina coeli drunter
geschrieben und Curt componirte eine neue Orgelbegleitung zu. Nun wird es zunächst in das Kioster der ewigen
Anbetung nach Innsbruck wandern.
- 16 -
/T.B.3, 114/
Heute hat er an das Ministerium die Eingabe qemacht, daJ3
seine Stellung eine definitive mit pragmatischen Rechten
werde, was nach elner fünfzehnjährigen Thätigkeit an einer Anstalt in Wahrheit nicht mehr zu früh ist.
/Oktober 18 74/
Am 20.8., da sich Curt Morgens in Kreuth entschloi3, nach
Florenz zu gehen, erhielt er eine Einladung von der Società d'orchestra, eine Sinfonie für Florenz zu componi eren.
Die Società Orchestrale Fiorentina schrieb an Josef
Rheinberger in Kreuth folgenden Brief in etwas gekUnsteltem, bisweilen fehierhaf ten Französisch:
Florenze, 10 via Nenezia
20 Aot 1874.
Monsieur,
Je n'ai pas 1'honneur de vous connaltre personnelement,
mais le bruit de votre brillante renomme, justifiêe
par les belles oeuvres arrives jusqu±
n.is,- m'encouragent a vous adresser ces quelques lignes qui ont
pour but de vous demander une bien grande faveur et de
vous exprimer par la mme circonstanse mes profonds
sentiments de veritable admiration!
Directeur d'une SociêtC orchestrale, composêe de 70
membres tous professeurs assortissants des premiers
artistes florentines dont le seul intert, l'unique
pense, est le bien, le progrês de l'Art, j'ose venir
en son nom et au mien interceder aupras de vous, Monsieur, et vous reclamer l'appui de votre puissant concours en vous priant de vouloir bien nous faire l'Honneur de composer pour la dite Societe un morceau quelconque! Un andante, une Symphonie, en un mot quoique ce
soit
Nous serons en ne peut plus flattes de cette
marque de bienvieillance! Dêjà plusieurs cêlbres compositeurs ont bien voulu cooperer a cette grande oeuvre,
et nous sommes bien convainquus que notre demande sera
bien accueillie.
Dans cet espoir, veuillez agrêer, Monsieur, mes remer!
- 17 -
ciments anticips et croere
ma vive reconnaissance!
Votre serviteur!
Jefte Stolci.
Aus Mailand schreibt Rheinberger von seiner Oberitalienreise an semen Bruder in Vaduz:
Mein lieber David!
ehrenfester, fUrsichtiger und frumber Bruder!
Da ich Dir in meinem ganzen Leben (Das thut voile 35
Jahre) noch keinen Brief von Mailand (Milan heigens die
Weischen) aus geschrieben habe, so geschieht das nun
hiemit in ailem Vorbedacht.
Em wohiweiser Dichter, Ciaudius der "Wandsbecker" sang
vor bald 100 Jahren: "wenn Einer elne Reise that" usw.
darum that ich auch für heuer das Reisen wähien, nahm
meinen Stock und Hut und schiug den Weg gen Weischiand
em, Uber den sonnigen Brenner, bei dem konzilsberUhmten Trient vorUber, hinten bei der Veroneser Clause
(wo weiland Otto von Witteisbach die Weischen so ins
Gebet nahm) herum ins italienische Etschland, so man
zur Nibelungenzeit "Bern" nannte, d.h. Verona. Die romantische Stadt Romeos und Julias ist bei Weitem charakteristischer als Maiiand, das modernste universale Gro2stadt 1st; wenn Einer in Verona fUnf Schritte auf der
Stral3e maclit, ohne dreimal angebettelt zu werden, so
soil man diesen Mann als em Phänomen bewundern - man
könnte aile Tage elnen Centner Kupfer loswerden. Auf
weit elegantere Art aber könnte man in Mailand im Hotel
Cavour, vor weichem ich Freund und Feind warne, dieselbe Gewichtsmasse Silber los werden, weshaib wir, meine
tapfere GefHhrtin und ich, daseibst schon nach einer
Nacht Reisaus nahmen, uns in das Hotel S. Marco fiUchteten, wo uns em Wirth, Names Conrad im anheimeinden
Churer-Deutsch ansprach; im dritten Stock genannten
Haus befindet sich die behagliche Zelle, von weicher
aus dieser Schreibebrief semen Flug gen Vaduz beginnt.
Die Schönste in Verona 1st die Gegend, und dabei wieder
der Giardino Giusti mit der Aussicht auf die Felder von
Santa Lucia, Somma Campagna und Custozza, was eine ei-
- 18 -
gene Stimmung hervorruft. Mailand hingegen liegt youstandig in der lombardischen Ebene, aus weicher sich
der Dom wie em Eisgletscher hervorhebt. Letzterer 1st
Uber alle Beschreibung und lä2t Alles, was ich in dieser Art gesehen, weit hinter sich. Von der Höhe des
Daches aus hat man einen fast unbegrenzten Fernblick,
zugleich natürlich auch em unvergleichliches Panorama
der Stadt selbst. Nach Tisch besuchten wir heute die
Pinacoteca, die nebst den berühmtesten und schönsten
alten Bildern noch einemoderne Exposition enthielt,
die uns aber einen weniger gUnstigen Eindruck der neuitalienischen Malerei machte. Sodann besuchten wir das
ehemalige Refektorium mit dem weltberUhmten Abendmahl
Leonardo da Vincis, das in seiner jetzigen, verwitterten Gestalt noch einen tiefen Eindruck zu machen vermag.
Wir gehen von hier nach Bologna, Florenz und Venedig,
um gegen Ende September über den Brenner zurückzukehren. Bisher hat mir Italien sehr gut gefallen, auch
von den andern genannten Städten verspreche ich mir
sehrviel. Mein Frau spricht italienisch wie eine Emgeborene und das hilft denn doch Uber Vieles hinweg.
Wie hat dir Dein Aufenthalt in Disentis bekommen? Es
mut3 Dich doch gefreut haben, nach circa 34 Jahren das
alte Nest wieder zu sehen. Wenn Du mir allenfalls
nach Italien noch schreiben wilist, so merke Dir, da2
ich post restant - Briefe (mit der Bemerkung: "ferma
in posta") vom 13. - 18. in Florenz, oder vom 19. 23. in Venedig bekomnien kann.
GrUI3 mir Maly und Peter's Alle; lebewohl und bleibe
gesund. Meine Frau schliel3t sich meinen GrUlen an.
Dein alter Bruder Kurt.
Milano, d. 6.9.74
-
19 -
Nach seiner RUckkehr sendet Rheinberger folgenden Reisebericht nach Vaduz:
Lieber Bruder David!
Deinen letzten Brief erhielt ich in Venedig, da ich
die allenfalls noch nachträglich nach Florenz kommenden Briefe nach Venedig senden liel3; als ich zum erstenmal per Gondel unter der SeufzerbrUcke durch nach
der Post fuhr, wartete Dein Brief schon auf mich.
Von Mailand fuhren wir nach Bologna, elner Stadt, die
noch einen gewiBen ehrbar-mittelalterlichen Eindruck
macht. Das Sehenswtirdigste dort ist die Gemäldegalene, und in dieser wiederum die Sta. Cäcilica von Rafael, dieselbe, weiche Fanny auf die Vaduzer Kirchenfahne sticken 1ief. Ferner hochinteressant ist das
alte Universitätsgebaude mit semen Sammiungen, semen
wjssenschaftljchen historischen Räumlichkejten - z.B.
das Zirnmer, in welchem Galvani den Galvanismus entdeckte usw. - von Kirchen, geraden und schiefen ThUrmen nicht zu reden. Sodann ist Bologna die Stadt der
Barbiere und Friseure; jeder andere Laden dient diesen herrlichen Geschäf ten; da meine Mähne für das
italienische Klima zu lang und dicht war, so lieB ich
mich dort auch scheren. Im Bahnhof kaufte ich mir die
Ailgememne Zeitung, (da mir das politische "Trumm"
ausgegangen war) für 1/2 Franc (was eine schwere Hand
voll Kupfergeld ausmacht) und so dampf ten wir durch die
6 Tunnels der Apeninnen-Bahn, weiche durch ihre KUhnheit die Brennerbahn Ubertrifft. In den Apeninnen
sieht es stellenweis doch recht "fradiavolisch" aus, da
in ziemlich derselben Gegend im August eine Socialdemokratenbande den Eisenbahnzug tiberfiel und plUnderte,
so waren alle Stationen militärisch besetzt. Auf der
Hdhe des Gebirges hat man, aus elnem halbstUndigen Tunell kommend, einen unbeschreiblich hernlichen Buck
Uber Pistoja, das ganze Arnothal, Florenz in der Ferne, - gerade so, wie man's manchmal träumt. In Florenz
blieben wir 5 Tage. Die Gemäldegalerien in den Uff izien und im Palazzo Pitti sind die schtinsten, die ich
bis dahin gesehen, trotz Dresden und Wien - sowas läI3t
- 20 -
sich gar nicht beschreiben; hingegen enttäuschte uns
der Dom grundlich: In der Kirche Santa Croce wird einem wunderlich zu Nuth, wenn man so die Grabmäler von
Michelangelo, Dante, Machiavelli, Galilei, Cherubini
usw. nebeneinander sieht - sowas haben wir in Deutschland gar nicht. Am meisten Eindruck machte mir aber
die Zelle Savonarolas im (aufgehobenen) Kloster San
Marco - dort sind seine Reliquien, auch noch em Stuck
von dem halbverbrannten Kreuz, das er bei seiner Verbrennung in der Hand hielt! Von dieser engen Zelle
aus beherrschte dieser seitsame arme Mönch das reiche,
machtige und aufgeklarte Florenz fast 4 Jahre lang!
Die Zellen (22 an der Zahl) sind von Fra Angelico Fiesole, der auch dort Mönch war, ausgemalt - wunderbar!
Ebenso herrlich 1st em Blick von den Höhen von San
Niniato, (3/4 Stunde von Florenz) wo Michelangelo Befestigungswerke anlegte, die noch vorhanden sind; man
sieht von da, wenn man an eiflem so herrlichen Abend,
wie wir ihn batten, oben 1st, die Apeninnen sich gegen Rom bin verlieren und hat dabei ganz Florenz mit
dem Arnothal zu Fti1en!
Wir fuhren dann nach Bologna zuriick und ohne Aufent-
halt nach Venedig, wo wir noch eine Woche blieben.
Wenn man das adriatische Meer sehen will, so fährt
man mit dem Dampfschiff noch eine halbe Stunde auf
dem Lido - wir batten immer prachtvolles Wetter - und
so war auch dieser Anblick wunderschön. Die Fischer
zogen eben em viertelstund-langes Netz zusammen, in
dem tausende von Sardellen, gr5ere Fische und andere
Meerungeheuer waren - während man von unabsehbarer Ferne die Orientdampfer daherkommen sah. Der Dom San Mar-
co, der Dogenpalast, die Academie - Alles ist herrlicb,
aber Armuth und Gebettel ganz entsetzlich. Auf der
Rückfahrt hielten wir einen Tag in Botzen und einen
in Innsbruck - das Wetter war anhaltend prachtvoll und so batten wir in 23 Tagen des.Schönen und Herr-
lichen fast zu viel gesehen!
Nun bin ich wieder im Geschirr. Sage Maly, die ich
herzlichst grue, dal3 die junge Frau Monten, die ich
heute condoliren besuchte, sich sehr nach ihr erkundigteundsie grUl3en läl3t. Wir sind wohi und gesund
- 21 -
was wir auch von Euch und Peter's hoffen und grtil3en
Euch aufs Beste. Gott befohien!
Dein Dich liebender Bruder
Kurt.
München, d. 13.10.74
Die Reorganisation der Kgl. Musikschule betrifft Rheinbergers Steliung unmittelbar. Aus dem Kgl. Bayer. Ministerium des Inneren erhält er folgenden Erlass:
Euer Hochwohlgeboren
Nachdem durch das Allerhöchst sanktionirte Budget der
XII-ten Finanz-Periode zur Umwandlung der bisher aus
der k. Cabinetskasse dotirten k. Musikschule in em
Staats-Institut die erforderlichen Geidmittel bewil-
ligt worden sind, soil nunmehr diese Umwandlung in's
Werk gesetzt werden.
Wenn es sich auch empfehlen wird, die bisherige Organisation der Anstalt in Bezug auf Lehrer, Schiiler
und Unterrichtsertheilung, weiche nach den hieriiber
gemachten Erfahrungen sich im Ganzen bewhrt haben
soil, vorerst im Wesentiichen beizubehalten, so ist es
doch geboten, schon jetzt diejenigen Modificationen
in der Organisat ion der Musikschule eintreten zu lassen, welche durch den veränderten Character des In-
stituts bedingt erscheinen.
Seine Excellenz der k. Staatsminister des Innern für
Kirchen- und Schulangelegenheiten haben mir den Auf-
trag ertheilt, diese Modification mit den geehrten
Herren, weiche bisher mit der Verwaltung und artistischen Leitung der k. Musikschule betraut waren, zu
berathen und festzustellen.
Demgemäl3 erlaube ich mir, an Euer Hochwohlgeboren
das ergebenste Ansuchen zu richten, zu den erwähnten
Zwecken Montag, den 19. Oktober laufenden Jahres Nachmittags 5 Uhr Sich in meinem Geschäftslocale, Zimmer
No 119, gefälligst einfinden zu wollen.
Euer Hochwohlgeboren ergebenster
MUnchen den 15. Oktober 1874.
Dr. Huller
Ministerialrath.
- 22 -
In die Verhandlungen urn Rheinbergers Dienststellung an
der Kgl. Musikschule in Milnchen brachte der Betroffene
selbst unmi1verständ1ich seine Forderungen em, wie aus
nachfolgendem Entwurf eines Schreibens an den Freiherrn
von Perfall hervorgeht.
Eure Excellenz
In den unter dem Vorsitz Ew. Excellenz abgehaltenen
Sitzungen irn kgl. Staatsministeriurn des Innern für Kirchen- & Schulangelegenheiten wurde unter anderrn festgestelit, daf zwei Inspektoren der kgl. Musikschule ernannt werden soilten, der eine für die artist. Controle der Gesang- und Instrumentalkiassen ( wornit die Leitung der Concerte verbunden), der andere für die artistische Controle der Clavier- & Theoriekiassen. Ich erlaube mir hier auf den §5 der neuen Organisation der
Anstalt hinzuweisen. Es 1st wohi selbstverstHndlich, da1
diese Stellen nur coordinirt zu denken sind. In der
jUngst ergangenen Ministeria1entsch1ie1ung bin ich nun
ohne weitere Bezeichnung zu einern zweiten Inspektor ernannt , was die Bedeutung einer subordinirten Stellung
dern ersten gegenUber nicht nur zuläf3t, sondern fast
voraussetzt. Urn nun in keine falsche Stellung zu gerathen, bitte ich Ew. Excellenz beirn kgl. Ninisterium
die geeigneten Schritte zu thun, dal3 die Ernennung korrigirt werde.
Euer Exc. ghst. erg. Rhbg.
den 14.12.74
Den nachfolgenden Erlaf3 des Kgl. Bayer. Ministeriurns
des Inneren kann Rheinberger als Erfoig seiner Bernühhung für sich buchen:
Verehrtester Herr Professor
Ich beeile mich, Ihnen die erfreuliche Mittheilung zu
machen, daB Seine Majestät der König Allergnädigst geruht haben, Sie zum Inspector der Musiktheorie- und
Clavierciasse, sowie zurn Professor des Contrapuncts
und des Orgeispiels mit einem Anfangsgehalt von jährlich 1600 f 1. und bis zum Einrücken in eine höhere Gehaltsclasse mit einem jährlichen Functionsbezug von
- 23 -
300 f 1. an der k. Musikschule vom 1. October angefangen
zu ernennen.
Es gereicht mir zum besonderen VergnUgen, Ihnen zur Erfüllung des langst von Ihnen gehegten Wunsches nach
pragmatischer Staatsanstellung meinen herzlichen Gitickwunsch auszudrticken. Mit der Versicherung ausgezeichneter Hochachtung bin ich
Ihr ergebener
Dr. Huller
Minist. Rath.
Als Erinnerung an den Besuch am
Juli
1874
in Mün-
chen widmet Rheinberger August Wilhelm Ambros
(1816 -
1876)
12.
in Wien, dem bedeutendsten deutschen Musikhisto-
riker des 19. Jahrhunderts, sein Streichquintett in
a-moll, op
82,
mit folgenden Zeilen:
Wie Sie an beiliegendem Notenheft ersehen, habe ich
mir erlaubt, das Titelblatt meines neuen Quintetts mit
Ihrem allverehrten Namen zu schmticken, sowohl in Er-
innerung an den mit Ihnen verlebten Abend, als auch
urn meinen Dank, den mir Ihre belehrenden und genu8reichen Schrif ten erweckten, Ausdruck zu geben.
Indem ich lebhaft wUnsche, da8 Ihnen das Werk gefallen
möge, gestehe ich eben so of fen, da1 ich mir dabei Muhe gab, etwas Ihrem Namen nicht Unwerthes zu schaffen.
Mbchte es Ihnen Freude machen
Seit Lhrem Hiersein hatten wir die unvorhergesehene
Freude, in Kreuth Frau Bärenreither begrtif3en zu dtirfen;
sie war zwei Wochen mit ihrem jtingsten Sohn täglich in
unserer Gesellschaft, da war viel von Ihnen die Rede.
Es war mir und meiner Frau sehr leid, daB die Badesaison so geschwind zu Ende ging; denn wir verehren Frau
Bärenreither ganz au6erordentlich. Den Monat Septem-
ber brachten wir in Italien zu, d.h. Oberitalien; fUr
Rom und Neapel reichte die Zeit wohi nicht bin. Wir
machten die Rundreise: Verona, Mailand, Bologna, Florenz, Venedig & Verona zurtick und sahen so viel des
Schönen, daB wir Beide noch jetzt ganz erfUllt davon
sind. Car oft dachte ich an das von Ihnen im zweiten
Band der bunten Bltter Gesagte Gegenwärtig schreibe
!
- 24 -
ich an einer Sinfonie, weiche zu meiner Uberraschung
die Societâ orchestrale di Firenze bei mir bestelite;
hat doch noch keine deutsche Geseiischaft je etwas bei
mir bestelit.
Gestern Abend sah ich zum erstenmale die von Ihnen erwihnte Oper Le Roi i'a dit von Delibes; sie wurde nicht
schiecht gegeben ( die Tempi hätten hie und da etwas
ieichter beschwingt sein dflrf en) und gefiel dem Publikum, d.h. jenem Theil des Publikums, das noch andres
goutiren kann, ais Wagner'sche Orchester- & Vocal-Eruptionen. Ich selbst finde den musikal. Theii der Oper
geistreich witzig und pikant im guten Sinne. Schade,
daB nicht zur Abwechseiung hie und da eine gefühiswarme, tiefere Melodie auftaucht. Leidenschaft ist eben
doch die Seele der Musik und solite auch in der komischen Oper nicht ganz verbannt sein. Die CantatenEpisode "Furien" wirkte ganz kostiich; übrigens darf
jeder Componist seinem Librettisten für soiche Situationen dankbar sein. Von guter Wirkung war auch das
groBe Duett von Jonath und Benoit.
Wie haben Sie, hochverehrter Herr, den Nachsommer zugebracht? Der "wunderthätige Magus" ist nicht eingetroffen. Sie verzeihen die kieine Mahnung!
Wohi weiB ich, wie sehr [hre Zeit in Anspruch genommen 1st, trotzdem hoffe ich auf einen recht baidigen
Brief. Von meiner Frau herziichste Empfehiung; auch
bei mir ist es nicht bios Redensart, wenn ich mich
nenne
Ihr hochachtungsvoil und herziichst ergebener
Jos. Rheinberger
München, 10.10.1874
Ambros sendet Rheinberger foigenden Dankesbrief:
Theurer Freund
Hart vor dem Einsteigen in den Reisewagen, oder richtiger in den Eisenbahnwaggon, erhieit ich Ihr Quintett; und, nachdem ich gestern wieder aus dem Eisenbahnwaggon ausgestiegen bin, benUtze ich den ersten
- 25 -
ruhigen Moment, urn Ihnen von ganzem Herzen für die grofe Freude und Uberraschung zu danken, weiche Sie rnir
bereitet haben. Die Composition selbst habe ich trotz
allem Reisezwanges sofort durchgesehen - geistreiche,
interessante Zllge funkelten mir gleich in Menge entgegen. Sie haben der Welt und der Kunst wieder em edles
Werk geschenkt, wie wir es von Ihnen eben gewöhnt sind.
In's Detail werde ich jetzt erst eingehen konnen; ich
schreibe Ihnen dann ausführlicher. Nicht als ob ich mir
einbildete, da1 rneine Beurtheilung des Werks einen besonderen Werth für Sie haben könnte - em echter
KUnstler muf ( wie der Tugendhafte) den besten Lohn in
sich selbst finden - aber ich weiI, wie gerne man einern soichen Echo aus Freundes Mund lauscht, sei es auch
nur, urn zu sehen, ob man verstanden worden.
"ThUrmer's Töchterlein" find ich allerliebst, em romantisch gefarbtes Opern-Lustspiel mit bedeutendem historischen Hintergrund. Uber die Kraft der Kornik, welche in der Figur des Stadtschreibers und seiner alten
Amalia Sie zu entwickeln verstanden haben, bin ich erstaunt; ungeachtet ich nach der "Kapuziner-Predigt"
Ihrer Wallenstein-Symphonie das Beste erwarten konnte.
Die edel-sentirnentalen Sachen sind zurn Theil von gröfter Schönheit - das Ganze ist em so farbenfrisches
und farbenreiches Lied, daf ich höchst begierig bin,
dessen Wirkung von der Bühne aus zu erfahren. Da unsere
unselige entschlafende komische Oper kürzlich wieder
ihre fröhliche Urstnde gefeiert hat, so werden wir ja
wohi "Thürrner's Töchterlein" zu hören bekommen. Ich
habe kürzlich mit dem musikalischen Director des Institutes, Sucher, eindringlich Uber die Sache gesprochen.
Der "Wunderthätige Magus" hat bloI deswegen auf sich
warten lassen, well ichwuBte, dal3 Sie nicht in MUnchen
sind. In wenigen Tagen wird er, begleitet von einer
Missa und einigen (gedruckten) Liederhef ten seine Aufwartung machen. Ich werde der Sendung einen dicken Band
(sämrntliche Messen Josquins in Partitur) beilegen, mit
der Bitte, letzteren an Herren Bibliothekar Julius
Mayer zu übergeben, der davon (glaube ich) eine Abschrift für die kön. Bibliothek nehmen lassen will.
- 26 -
gutes StUck Italien gesehen, freut mich
sehr. Sie haben wohi gethan, sich auf Florenz zu beschränken - ich bewundere jene Eilreisenden, weiche
Data Sie em
von Mailand bis Palermo fliegen und zu Hause dann mitreden wollen. Den Gedanken an Rom und Neapel dUrf en
Sie aber ja nicht zu den abgethanen Dingen legen. Ich
selbst babe etwa vor 2 Monaten meine italienischen
EindrUcke wenigstens durch Venedig und das ibm nahe
Padua aufgefrischt. Und jetzt eben komme ich von Coin,
Frankfurt, Nürnberg helm. Ware ich nicht gar so sehr
durch tausend Rücksichten und Pflichten gebunden, wUrde ich den RUckweg von letzterer Stadt über München
genoimnen haben, urn Sie zu sehen. Aber Coin insbesondere hielt mich mit semen architektonischen Denkmalen und semen Schätzen bildender Kunst länger auf,
als im Reiseprograiningestandenhatte, und ebenso das
mir besonders werthe NUrnberg, und schlieBlich muIte
ich sehen, wieder nach Wien zu komrnen. Sehr reich an
EindrUcken war die ganze Reise, den Rhein sah ich bei
herrlichstem Wetter. Hiller in COin hat eben em neues Pianoforte-Concert fertig gemacht. In NUrnberg wollte Pauline Fichtner-Erdmannsdörfer Beethoven's Esdur-Concert spielen - es war eine grol3e Noth urn einen
zweiten Fagottisten, der, glaube ich, aus Bamberg verschrieben werden muBte. Idyllische Musikzustände!
Mit der Bitte, Ihre liebe verehrte Frau von mir auf's
herzlichste zu grül3en, schliei3e ich und bleibe
Ihr treuer
A.W. Ambros
Franz von Holstein hatte die Miinchener Auffuhrung seiner Oper "Der Erbe von Morley" besucht und schreibt an
Rheinberger:
Leipzig, d.1. Dez. 1874
Lieber verehrter Freund!
Recht sehr leid that es mir, MUnchen verlassen zu mUssen, ohne Ihnen noch einmal die Hand driicken und Lebe-
wohi sagen zu kOnnen. Wir haben uns zu rneinem Bëdauern
seltener gesehen, als mir lieb war. Mich beschHftigten
die Proben. Ihnen die kostbare Zeit zu stehlen, trug
- 27 -
ich ohnehin Scheu. Für die schönen Nachmittagsstunden,
die wir bei Ihnen verleben durften, lassen Sie sich
nachtragiich noch recht herzlich danken, sowie Ihnen
die Freude Uber Ihre "Wasserfee" auszusprechen, deren
vorzllgiiche VorfUhrung irn Konzert der Vokalkapeile
mich entzückte. Eben kommt em Briefchen mit CluckwUnschen von Ihrer lieben Frau. Ja, wir sind mit frohem,
dankbaren Herzen heimgereist und fanden auch die Mama
recht hUbsch munter. Jetzt, nach dern guten Erfoig meines "Erben" kornmt es Ihnen vielieicht unbegreiflich
vor, daf wir mit der Besetzung unzufrieden, urn das
Ausfalien der Vorsteilung besorgt waren. Htten Sie
die Generaiprobe gehört, wo kaum em StUck ohne mehrfaches Abkiopfen vortiber ging, und Ktinig und Fri. Cott-
iieb fast aiie Einsätze verfehite, Sie würden unsere
Sorge begreifen. Die Persönlichkeiten der beiden jungen Sänger paI3ten ja im Grunde vortrefflich zu den
Rollen, nur ihre Zaghaftigkeit, SchUchternheit und
die durch das Einreden von allen Seiten erzeugte musikaiische Unsicherheit machten uns bange. Dann auch
die Stimmung des Pubilkums namentlich gegen Herrn KU-
fig. Da1 auch Andere unsere Sorge theliten, merkte ich
in Mllnchen, und hier nach unserer Rückkehr, wo Lachner
die Besetzung als sehr bedenklich erklärt hatte, und
unsere Freunde voller Besorgnil3 der Entscheidung harrten. Wohi wird ihrem feinen Ohr nicht entgangen sein,
data Fri. Cottlieb am Ende des Quiritetts mit ihrern Athern
zu Ende war und Fri. Radecke den SchluI3 überlassen muI3te, daf3 sie die Schiu1takte des Wiedersehens-Duetts
verfehlte, beim Aktschlul3 ganz fortblieb, irn letzten
Finale urn 8 Takte zu spat auftrat etc. Auch KUnig hu-
delte einige Male gehorig. Aber das thut ja nichts. Die
beiden lieben jungen KUnstler stürzten sich mit einem
wahren Todesmuth in ihre Aufgaben und waren besser im
Spiel ais nur annähernd in den Proben. Man lernt in
Theaterdingen eben nicht aus. Schminke, KostUm und das
GefUhl "Es gilt" verrnögen gar viel. Das bewies rnir vor
allern die Schefzky, weiche in den Proben voliständig
kalt und iangweilig, am Abend der Aufführung vorzUglich
war. Dal der Parthie des Charles der helle, freudige
Tenorklang fehite, den namentlich das Duett im ersten
Akt fordert, das hUrt freilich riur heraus, wer die
- 28 -
Musikkenntund schorr hörte - vor allem aber der Komponist. So wirkten denn auch Uberhaupt die von Levi mit
feinster Nuancierung studierten Ensembles mehr als die
Solostücke. Da13 es so gut ging, da1 Fri. Gottiieb und
König gefielen, freut mich fast eben so urn diese Beiden, als meinetwegen. Sie waren geradezu rUhrend in
den Proben in jhrem Eifer und dem Bekenntnis ihrer elgenen Unzulängiichkeit, was mir eben keinen Muth machte, so sehr ich die Bescheidenhejt zu schätzen wu1te,
die es ihnen diktierte. Bruiiiot hat wieder mit semen
feinsinnigen Arrangements Gro2es geieistet. So dankbar
ich für die Aufführung alien Betheiiigten bin, muI3 ich
im Stiilen (ganz unter uns gesagt) doch Levi darin
Recht geben, da1 Leute wie Kindermann, yogi und die
Stehle noch ganz andern Eindruck gemacht haben wUrden.
Die Gottijebhatteaber etwas so RUhrendes, weii sie
sich seibst spielte. König that das Möglichste, aus
sich herauszugehen, und das Ensemble war schön, da1
ich, wie gesagt, sehr giUckiich darflber bin. Nur darin
muB ich Perfail unrecht geben, daB wir die jungen Leute eingeschüchtert hatten. Wir haben sie nur ermuthigt,
wenn Andere sie einschUchterten. Nun Addio für heute
Nochmals tausend Dank für alies Freundliche, was uns
von Ihnen widerfahren, und herzlichste GrUBe Ihrer
lieben Frau
Aufrichtigst der Ihrige
F. v. Hoist em.
Am 21. Dezember 1874 brachte Rheinberger im Münchener
Oratorienverein Händeis "L'Aliegro, ii Pensieroso ed
ii Moderato" zur Aufführung, eine Partitur, die Robert
Franz (1815 - 1892) bearbeitet hatte. Begeistert
schreibt Franz an Rheinberger:
Mein theuerer, hochverehrter Herr
Nicht beschreiben iäBt' sich's, weiche Weihnachtsfreude Sie mir mit Ihrem lieben Briefe gemacht haben! Wenn
ich Ihnen die Versicherung gebe, daB Sie der Erste unter den vielen KUnstlern Deutschiands sind, weicher
aus freien Stücken eine meiner Bearbeitungen nicht nur
- 29 -
der Beachtung gewürdigt, sondern ihr auch em of fenba-
res Interesse entgegengebracht hat, so warden Sie obi-
gen Ausruf begreifen. Lief en doch kurz nach seinern Erscheinen über den Allegro von den einflul3reichsten
Seiten her sehr bedenkliche Referate bei dem Verleger
em, die dem Werke alien künstlerischen Werth absprachen und es für absolut langweilig erklärten. So wenig
mich auch dergleichen Phrasen in meinen Uberzeugungen
beirren konnten, übten sie doch einen sehr nachtheiligen EinfluB auf Handel und Wandel aus, was denn weiter
zur Foige hatte, dat3 mir die Verleger Engstlich aus
dem Wege gingen. Allerdings lieI3 sich das Gewandhaus
mit Ach und Krach dazu bewegen, den Allegro vor circa
3 Jahren nach meiner Bearbeitung aufzuführen, leider
jedoch in einer so castrirten Form, daB diese Leistung
der Ausgabe rnehr Schaden als Nutzen gebracht hat. Wurde
doch, urn nur em Beispiel anzugeben, das zweite Fagott
aus sHmmtlichen Solonummern geworf en, angeblich im In-
teresse der Erleichterung des Basses!!! Wie wenig bei
derartigen Mif3griffen und RUcksichtlosigkeiten von einer den lyrischen Absichten Handel's entsprechenden
Wiedergabe die Rede sein konnte, liegt auf der Hand:
das Werk ist, unter uns gesagt, damals geradezu todtgegähnt worden. Sie haben es nun wieder lebendig gemacht - dafür sage ich Ihnen aus Herzensgrunde meinen
Dank. Ihren tiefen Einsichten in das Wesen der contrapunktisch-polyphonen Schreibart dürfte es schweriich
entgangen sein, daB es keine ganz leichte Aufgabe ist,
mit dergleichen strengen Mittein einen stimrnungsvollen
Tonsatz herzustellen, daB as sogar seine Schwierigkeiten hat, die gegenwartigen OrchesterkrEfte zu einer
ausdrucksvollen Wiedergabe desselben zu bewegen. Daher
kann ich mich denn nicht glücklich genug schätzen, in
Ihnen einen gesinnungstUchtigen Interpreten solcher Bestrebungen gefunden zu haben. Ganz besonders werthvoll
ist mir aber Ihre AusfUhrung angesichts der hämischen
Hetzereien unserer historischen Schule, die doch im
Grunde genommen froh sein solite, wenn man heutzutage
überhaupt amer retrospektiven Richtung huldigt, ohne
dabei bis auf's TUpfelchen ihre sogenannten "historisch - correkten Darstellungen" zu beabsichtigen. NatUrlich behalten diese ledernen Burschen so lange Recht,
- 30 -
als sich unsere Musikdirektoren durch jener Machtspruche einschüchtern lassen. Hoffentljch wird sich das
mit der Zeit auch ändern und verspreche ich mir besonders guten Erfoig von einer nächstens erscheinenden
Broschtire, weiche diese Materie en passant recht grUndlich behandelt. Der Tite]. derselben 1st: "Rob. Franz
und das deutsche Volks- und Kirchenijed von A. Saran",
Leipzig bei F.E.C. Leuckart. In den ersten Abschnitten
weist der Autor meine engen Beziehungen zum deutschen
Volks-undKirchenljede nach, im letzten werden die
Bearbeitungen besprochen. Dem Text sind 6 altdeutsche
Lieder und 6 Chorale in elner Bearbeitung von mir beigegeben, die em merkwürdiges Licht auf die Vergangenheit, wie auf die Gegenwart werf en. Wenn ich hier Ihre
Aufmerksamkeit auf das Buch lenken suche, geschieht es
nicht aus eltien Absichten, sondern nur des höchst interessanten Gegenstandes wegen.
Ihrem Wunsche, Handel's "Acis und Galathea" zu bearbeiten, werde ich leider nicht mehr nachkommen können. Es
wird Ihnen wohi nicht unbekannt geblieben sein, dal3
ich vom Schicksal schwer heimgesucht worden bin. Der
Zustand meines Gehörs macht es mir ganz unmoglich, dergleichen Aufgaben jetzt noch mit Aussicht auf Erfoig zu
lösen. Das für Bach's und Handel's Vokalwerke herzustellende Accompagnement fordert eine materielle Controlle des Tonsatzes - eine solche ist für mich nicht
tnehr vorhanden! So viel ich weil3, existirt ja aber von
Mozart eine Bearbeitung dieser Idylle - soilte sie Ihnen
in Nünchen nicht zugänglich sein? Dabei fällt mir em
anderer Vorschlag em, für dessen Accept ich Ihnen ungemeiri dankbar sein würde. In Halle bei H. Karmrodt ist
nähmlich Handel's Jubilate in einer Bearbeitung von
mir erschienen, auf die ich einigen Werth legen darf.
Stünde Ihnen bei den AuffUhrungen des Oratorienvereins
eine Orgel zur Verfflgung, so kann ich für einen colossalen Effekt bUrgen. In Betreffs derBesetzungist nur für
die erste Chornummer em tUchtig geschulter Contra-Alt
notwendig - die später im Ensemble mitwirkenden Tenorund Ba13-Soli sind kinderleicht.
Doch muB ich fürchen, Ihnen mit dieser langen Epistel
beschwerlich zu fallen. Vielleicht finden Sie sich durch
- 31 -
die oben erwähnte Hülflosigkeit ineiner Lage veranlaBt,
die von mir herausgegebenen älteren Tonwerke einer Prüfung zu unterziehen: was zuerst als persönliche Theilnahme gelten könnte, wird sich rasch in eine sachliche
verwandein; die hier gebotenen Stoffe sind ja so wundervoller Art, dal3 man sich selbst der höchsten Ehren durch
deren Verbreitung werth macht.
Mit den herzlichsten GrUf3en
Halle, d. 27. Dec. 74.
Ihr ergebener
Rob. Franz.
Im Januar und Februar 1875 komponierte Rheinberger seine
tiFlorentiner Sinfonie", op. 87, deren Partitur am 23.2.
1875 beendet wurde. Dassch6ngebundene Autograph in der
Bayerischen Staatsbibliothek 1st mit einer programmatischen Dichtung von Rheinbergers Gattin als Prolog emgeleitet und jedem der vier Sätze wurde em groBes zeitgenössisches Foto von Florenz vorangestelit.
Die Uraufführung des Werkes f and am Ostersonntag (28.3.)
1875 1n MUnchner Odeon unter Leitung des Komponisten
statt:
Der Bayerische Kurier vom 1. April 1875 schreibt Uber
das letzte ttpastenkonzert der Musikalischen Akademie":
Die Eröffnungsnummer dieses Conzertes 1st em beredtes
Zeugnhl3 für den Ruf der MUnchener Kunst im Ausland. Wir
möchten die Sinfonie Rheinbergers, weiche bier zum ersten
Male aufgefUhrt wurde, als den Boten einer neuen Zeit betrachten, der Herrschaft des deutschen Geistes auf dem
Gebiet der Instrumentalmusik in dem Land, das als die
Wiege der abendländischen Musik gilt, eine neue Wohnstätte gewinnen hilft. Durch den ehrenvollen Auftrag der So-
cietâ orchestrale in Florenz 1st nicht allein Josef
Rheinberger, den wir mit Stolz den unsern nennen, geehrt,
auch die Gesamnitheit der deutschen KUnstler empfangt damit einen Impuls zu neuem, kräftigen Aufschwung.
- 32 -
Die Augsburger Abendzeitung vom 3. April 1875 schreibt:
Das letzte Abonnementskonzert der musikalischen Akademie
am Ostersonntag brachte fast ausschlielllich grötere Orchesterwerke und zwar stand an der Spitze des Programmes eine neue Symphonie von Jos. Rheinberger in f-dur
mit vier Sätzen: Allegro con fuoco, Adagio; Menuetto
pastorale; Finale, geschrieben im Auftrage - nicht etwa
eines hiesigen oder sonstigen deutschen Konzert-Vereines,
sondern der società orchestrale in Florenz, wo unseres
heimischen Meisters Werk durch Hans v. Billow und G.
Buonamici mit dem glticklichsten Erfolge eingebUrgert wurde. Mehr als acht Jahre sind verfiossen, seit Rheinbergers "Wallenstein"- Symphonie in den Räumen des kgl.
Odeons zum ersten Male aufgefiihrt worden. Der gediegene
KUnstier ist seit dieser Zeit mit zwei gröi3eren musikalischen Werken und einer reichhaltigen, bunten Reihe
kleiner Kompositionenvordas Publikum getreten und hat
sich wohl mit jedem Werke dessen steigende Achtung als
em die Technik volikommen beherrschender, origineller,
feinsinniger und geschmackvoller Meister errungen. Em
neues symphonisches WerkdesKomponisten durfte also
im Voraus eines sympathischen Interesses sicher sein und
die musikalische Akademie hat demselben einen wohlthuenden Ausdruck gegeben, indem Sie das Pult des Dirigenten
- der Komponist leitete die AuffUhrung seines Werkes persönlich - mit einem Lorbeerkranze schmUckte. Rheinberger
hat diesmal darauf verzichtet, seinem Werke durch Benennung des Ganzen und Ueberschrif ten zu den einzelnen Theilen einen bestiminten, die Vorstellung des Hörers Uber das
rein Musikalische hinausweisenden Charakter zu geben.
Gleichwohl legten manche Stellen den Verdacht nahe, als
seien dem Komponistenauchhier wieder konkrete Gestalten während des musikalischen Schaff ens vorgeschwebt,
welche derselbe diesmal nur dem Hörer zu bezeichnen UnterlieB. Ware, wenn dem so ist, nicht vielleicht die
ausdrUckliche Benennung doch vorzuziehen gewesen? Namentlich im letzten Satze entbehrte man einen derartigen
Anhaltspunkt; ohne einen solchen scheint bier, wenigstens
beim erstmaligen Hören, der streng einheitliche Zusammenhalt in Form und Gedanken einer Reihe von tnusikalischen
- 33 -
Einfällen geopfert zu sein, die, obwohl an sich geist-
reich und mit glnzender Geschicklichkeit verbunden, den
H6rer doch nicht recht zur Rube und das Werk trotz der
groi3en aufgewandten Mittel nicht zur höchsten Steigerungkommen lassen. Der erste Satz der Symphonie ist in
der That em bedeutender Wurf: das lebensvoll spriihende,
in scharf markirtem Rhythmus sich bewegende, zuweilen
fast an eine Tanzweise edeisten Styles aufklingende
Hauptthema und das diesem festlichen Gepränge gegenUber-
gestelite, urn die Hlfte langsamer auftretende, ernste
und mahnende Gegenthema sind gliicklich erfunden und mit
vollendeter Kunst durchgeftihrt und verarbeitet. Mächtig
ergreifend wirkt auch das breite, reichgestaltete Adagio.
Thema und Rhytmus des dritten Satzes sind etwa die einer
frei behandelten Mazurka und der pastorale Charakter
tritt dem Hörer zunächst im Trio entgegen. Glänzend ist
an dem ganzen Werke, weiches einer vorwiegend heiteren
Stimmung Ausdruck gibt, die Tonwirkung; gerade bier
zeigt sich so manchen Werken moderner Komponisten gegen-
iiber der feine, ktinstlerische Sinn Rheinbergers: er kennt
alle verfiigbaren Mittel, aber er weil3 damit Ma13 zu halten. Frei von Schwulst und Ueberladung wirkt er aber
ebensosehr mit seiner Orchester-Behandlung als mit einer
einfachen, reichen und immer wohllautenderi Harmonie nicht
selten wahrhaft groartig. Das Publikurn hat denn auch
die vielfachen Vorztige des Werkes bereitwillig anerkannt,
dem Komponisten nach jedem Satze reichlichen Beifall gespendet und denselben am Schiusse verdientermafen zweimal gerufen. Das Orchester, dem ob seiner vortrefflichen AusfUhrung der keineswegs leichten Aufgabe gewit
em
guter Antheil an dem schönen Erfolge gebuhrt, verdiente
in der That bel dieser und den tibrigen Nummern alle Anerkennung.
Der Verleger Johann Andre bestätigt den Erhalt des Ma-
nuskriptes am 21. Mai 1875, macht jedoch Einwendungen
und bittet urn Anderung der beiden letzten Sätze der Sinfonie. Der Komponist antwortet ihrn:
Da Ihnen meine Sinfonie in ihrer jetzigen Gestalt nicht
convenirt, ich aber durchaus keine Veranlassung habe,
etwas an derselben zu ändern, da ich ihre Wirkung auf
- 34 -
das Publikum kennengelernt habe, ersuche ich Sie, mir
dieselbe wieder umgehend zurückzusenden zu wollen.
Josef Rheinberger.
22. Mal 1875.
/T.B.4, 60/
Einige Tage später schickte André 1000 Mark für die Sinfonie, die er nun doch behält. - Clavierauszug nachqesandt.
Josef Pembaur (1848-1923), seit 1875 Direktor der
Musikschule des Musikverelns Innsbruck, schreibt an
semen ehemaligen Lehrer Rheinberger:
Innsbruck, 13. MHrz 1875.
Geehrtester Herr Professor!
Meine Geschäftssorgen und Arbeiten lassen mich erst
heute zur Erfullung der angenehmen Pflicht kommen,
Ihnen und Ihrer geschatzten Frau Gemahlin für deren
freundliche Zuschrift zu danken.
Am 16. habe ich mein 3. Abonnementsconcert und de1haib gerade jetzt viel zu thun. Nach Ostern, 26. April,
gehen mehrere Musiker von hier fort. Da es im Theater
für sie den Sominer über kein Verdienst gibt, so wird
natürlich auch mein Orchester ganz unvollstandig. Aus
diesem Anlasse und in Anbetracht, daB der hiesige
Chor zahlreich und gut, zu allem recht verwendbar ist,
kam ich auf die Idee, auch mit dem Chor allein em
Concert zu geben, für welches mir elne Ihrer Compositionen gerade doppelt erwünscht 1st.
Doch da hier eine Bach'sche Motette nie gehort wurde
und in em derartiges Programm doch derartig altklassisches aufgenommen werden soilte, so erlaubte ich
mir die Bitte an Herrn Professor urn allenfalsige Entlehnung eines solchen Stückes aus dem Archiv des Oratorienvereins.
Die Bach-Ausgabe 1st derart theuer, daB wir sie nicht
kaufen können und ich weil3 wirk1ich nicht, wo sonst
derartiges etwa einzeln erschienen ist.
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Wenn ich nur in Partitur etwas leihweise bekärne, ich
wiirde schnellstens und sorgfältig kopieren und zurUckgeben. Ich nehme mir die Freiheit, von Herrn Professor
vielleicht durch meinen Freund Glötzle elne diesbezUgliche Antwort auszubitten.
Ich möchte für den Fall eines Vokalconcertes das Programrn nach Art der dortigen Vokalkapelle einrichten;
freilich dUrfte dasselbe erst in Mal stattfinden, da
unsre Studjen nicht so rasch sich abthun lassen.
Nochmals herzljchen Dank für das Ubersendete, mit der
Bitte, uns die Stinijr,en so lange zu llberlassen, als
sich unsre AuffUhrung etwa verzögern dürfte.
Hochachtungsvoll ergebenst
zeichnet sich
Josef Pembaur.
Zu Pfingsten 1875 komponierte Rheinberger seine dritte
Orgelsonate in G-dur, die sogenannte "Pastoralsonate"
Am 7. Juni fUhrte er im MUnchener Oratorjenverein Ferdinand Hillers (1811-1885) Oratorium "Die Zerstörung
Jerusalems" auf. Hiller schreibt an Rheinbergers Cattin:
Stockholm, 19.6. 75.
Verehrteste Frau
Ihr sehr lieber Brief hat elne Vergnügungsreise Uber
Coin und - Christiania gemacht, urn mich gestern Abend
hier zu erreichen, in letzterer Stadt hat er sich sogar eine Weile aufgehalten. Aber sein verspätetes Emtreffen hat es zu keinem weniger erfreulichen gemacht
und ich danke Ihnen auf's herzlichste für Ihre Mittheilungen, Ihrem Gernahi für seine aufopfernde Tätigkeit. Da ich gar keine Ahnung von einer auch nur projektirten AuffUhrung meiner ZerstOrung bei Ihnen hatte, so war Ihre Botschaft zugleich die angenehmste
Uberraschung. Am Abend der AuffUhrung war ich mit
meiner Tochter und Gades von Copenhagen aus nach dem
hUbschen Bade Schlangenberg gefahren und wir gingen
dort in einem prachtvollen Buchenwald spatzieren.
In Christiana waren wir aber garnicht, es wurde uns
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zu viel für die gegebene Zeit und wir haben uns mit
Dänemark und Schweden begnügt.
Hoffentljch sehe ich Sie beide recht bald einmai wieder. A propos, gerade gestern Nachmittag bezeichnete
ich dem hiesigen Gesangs-Chor-Professor Gunther mehrere Werke Ihres Gemahies, da er nach Chorkompositionen mit Piano-begleitung besonderes Verlangen trug.
Mit freundschaftlichstem hochachtungsvollsten Gru(
Ihr altergebener
Ferd. Hiller.
Im Juli 1875 komponierte Rheinberger für das Florentinerquartett Jean Becker sein Streichquartett in
c-moll, op. 89, das am 1.2.1876 in Amsterdam "in de
groote Zaai" der Societät Amicitia zur Uraufführung
kam.
Die Sommerferien verbrachte Rheinberger zusammen mit
seiner Frau wieder in Kreuth.
Im Herbst des Jahres widmet er sich den von F.A. Muth
zugesandten Gedichten, die er für Männerchor setzt
und unter den Titeln "AmRhein", op. 90 und "Johannisnacht" op. 91 herausgibt. Ende November/Anfang
Dezember 1875 schreibt er eine Sonate für Kiavier
und Violoncello, die der Cellist Josef Werner und der
Pianist Hans Bu1meyer uraufführen. Den krönenden AbschiuB der Kompositionstätigkeit dieses Jahres bildet em Variationenwerk für Streichquartett: Thema
mit (50) Variationen op. 93, das er am 13. Dezember
1875 beendet.
An semen Bruder richtet er foigende Zeilen:
10.Dezember 1875
Lieber David!
Da es draufen noch immer schneestöbertund ich jetzt vor
Tisch em haib Stündchen frei habe, so muB ich, wenn
der Briefwechsel mit Vaduz nicht total eingefrieren
soil, denn doch meine Briefbogen aus der Schreibmappe
herauslangen. Dein ietzter Brief empfahl mir einen
Herrn Gautner; derselbe war vor ungefähr 20 Tagen da
- 37 -
urn 20 Mark zu leihen und heute wieder zu demselben
Zwecke. Er sagte, er erwartevonVaduz täglich em Stipendiumsgeld und sei, da dasselbe noch nicht angekommen
in der bittersten Noth. So gab ich ibm denn nochmals 20
Mark.- Vielleicht kannst du mittreiben, da er sein
Stipendium bekornmt - andererseits ware es ja die pure
Grausamkeit, einen jungen Menschen mittellos in eine
wildfremde Stadt zum tStudirenut zu schicken, wo er in
soicher Lage geistig und körperlich verkommen mug. Ich
kann eben für elnen Polytechniker, dessen Wirkungskreis
nothwendig dern melnigen fernsteht, nicht viel tuen, zudern sind wir sehr von alien Seiten in Anspruch genommen,
von alten kranken Leuten, Studenten, Wohltätigkeitsanstalten, Sammiungen etc. etc. ohne Ende. Seit wir von
Vaduz fort sind, war fast ununterbrochen schlecht Wetter;
nun ist schneereicher kalter Winter. Wir sind gottiob ge-
sund und hoffen von euch desgleichen. Das Maly noch nicht
ganz.besser ist, tut mir sehr leid; Fanny will ihr em
homäopatisches Mittel schicken, das jedenfalis wenigstens
unschädlich 1st.- Ihr seid gewiss auch recht eingeschneit!
Grii1e mir Maly und Peter mit gesammter Farnilie und bringe
die kommenden Feiertage froh und helter zu und hiemit
Gott gefoblen! Die Suppe steht auf dem Tisch - ich woilte,
du könntest mithalten!
Dein Bruder
Josef Rheinberger
MUnchen den
10.12. 1875.
Zu Weihnachten übersendet Rheinberger seinem alten
Lehrer Sebastian Pöhly seine III. Orgelsonate, die
er ibm widmete. Pöhly bedankt sich in rllhrender Weise mit folgenden Zeilen:
Euer Wohigeboren
Mit weicher Empfindung und Herzensfreude ich Ihre mir
gesendete "Fotografie" und die mir gewidmete "Pastoral-Sonate" mit dem verbundenen schörien Motto: "Sel-
nern lieben Lehrer Pöhiy in Schianders in freundlicher
Erinnerung an die Lehrzeit in Vaduz in den Jahren
1845-49" entgegennahrn, finde ich kelne Worte, es aus-
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drUcken zu können. Ich lege dafUr nur meinen herzlichen
und aufrichtigen Dank mit freudig perlender Thräne gem
nieder, mit der Bitte, gedenken Sie stets an Ihren alten
Jugendiehrer!
Ich schätze es für mich als "Ladlehr" von groBer Ehre,
daIs sich em
so vorragender Kflnstler in der Gegenwart
noch an semen alten Lehrer erinnert. In den Zeitungsblättern hatte ich oft Gelegenheit, Ihr "gepriesenes Lob"
zu lesen, was meinem Herzen immer recht wohi und stoiz
berührte. Ichdachte wohi fast täglich an meinen lieben
"Peppi"! Uberraschend war mir daher, daB Sie sich noch
nach Umflui3 von nahe 30 Jahren auf mich erinnerten.
Mein einziger Wunsch wâre nur noch in meinen alten Tagen,
wenn ich Sie und Ihre werthe gnädige Frau Gemahiin sehen
könnte und (mir) einmal der Kunstgenui3 bereitet würde,
diese mir gewidmete schöne aber für uns zu schwierige
und unausführbare "Sonate" von H. Meister selbst spielen
und h3ren zu kdnnen, - so wie andere Werke von Ihnen.
Allein was will em armer "Landschullehrer" von "Tirol"
machen, welcher in pekuniärer Hinsicht kaum sein Auskommen findet? Weshalb ihm nie das Glück zu Theil wird und
kann einen soichen KunstgenuB hören.
Zufällig erfuhr ich durch die Familie "Edle von Plaven"
von hier, daB Sie recht glUcklich mit einer werthen Anverwandten von derselben verehelicht sind, und dieseibe
auch eine groBe berUhmte Tonkünstlerin sein soil. Ich
kann nur meine Gratulation deshalb ausdrflcken, und ich
wUnsche von Herzen, daB es Ihnen und Ihrer werthen gnâdigen Frau Gemahlin immer recht gut ergeht.
Zum Schiusse wUnsche ich Ihnen zum herannahenden Namens-
feste "all das Beste". Bei dieser Gelegenheit kann ich
die Randglosse beizusetzen nicht unterlassen, wenn Sie
sich noch erinnern dürf ten, daB Sie an diesem Tage ais
9-jahriger Knabe die groBe Messe von Voigt unter meiner
Leitung zu Hause spielten, wo ich Ihnen in den Zwischenspielen die Akkorde ins Ohr flUsterte. 0 weiche Freude
hatte nicht Ihr werther Vater und ich dazumal. Erinnern
Sie sich noch auf das Wort, was Sie mir wEhrend des Spieles sagten: "Heute haben wir gewif3 a Kalbl bekouimen". Ich
erzählte es dem lieben Herrn Vater, und dieser sagte:
"Sehen Sie das Kind!" Leben Sie recht wohl, und ich danke
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Ihnen nochmals mit thränenvollem Auge für die mich auszeichnende Bescheerung. Eine schöne Empfehiung an Ihre
werthe gnädige Frau Gemahiin und mit tausend CrüBen mit
dem wahren Wunsche, Ihnen noch einmai sehen und sprechen
zu können; dief wird wohi nicht mehr in Erfllhlung gehen.
(Eine Fotografie werde ich Ihnen gewissenhaft bei nächster Gelegenheit senden).
Zeichne ich mich mit gröl3ter Hochachtung
Euer Wohigeboren ergebener
Seb. Pohly
Lehrer.
Schianders, am 14.2.1876.
Rheinberger sandte darauf seinem in Schianders/Tirol lebendem Lehrer elne finanzielle Beihilfe, für die sich
Sebastian Pöhly mit folgenden Zeilen bedankt:
Hochverehrtester Herr!
Nehmen Sie vor aliem die Versicherung hin, dass ich Ihr
letztes so herzliches Schreiben mit der so grossmUtigen
Beilage zu Tränen rührte. Ich finde nicht genug Worte
des innigen Dankes für die grosse Ehre, die Sie durch
Ihr freundliches herablassendes Schreibensowohl als
durch die reichliche Unterstlltzung Ihren einstigen nun
greisen Lehrer angedeihen liessen. Gott, der Vergelter
soicher edler Herzen, wird es Ihnen und Ihrer hochverehrten lieben gnHdigen Frau Gemahlin bier und jenseits
lohnen. Traurig berührten mich die Todesnachrichten von
Ihren höchst ehrenvollen mir unvergesslichen lieben Eltern und Geschwistern. Auch mein Vater 1st vor 3 Wochen
in seinem 95-ten Jahre gestorben, weichen ich trotz meinem kieinen Lehrergehalte seit 12 Jahren gänzlich erhalten habe. Jedoch, Gott sei Dank, so lange ich gesund
bin, lebe ich bei meinen kieinen BedUrfnissen doch, und
das aite Sprichwort: Gott verlässt keinen ehriichen Menschen, erwahrt sich vail bei mir, da ich nun durch Ihre
hochherzige Gabe die Krankheit und Todfailkosten van
meinem seibigen Vater mehr als bestreiten konnte. Nur
diesen Wunsch hätte ich noch var meinem Tode, dass ich
das ClUck hätte, Sie meinen edien Freund und so grossen
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Wohltäter meinen ehemaligen Schüler, und nun so grossen
KUnstler, meinen lieben Peppi noch einmal zu sehen und
jene guten alten Zeiten wachzuruf en. Ich kann Sie versichern, mir steht jeder, auch noch so unbedeutende Vorgang, weicher in Ihrem mir unvergesslichen elterlichen
Hause, indem ich so viele Wohitaten genossen, ja wie mir
Ihr nun seliger Vater oft sagte als Mitglied seiner. Famule betrachtet wurde, so kiar vor meinen Augen als
wenn alles erst gestern gewesen ware. Ich sehe ihn oft
jm Traume wie er mit seiner lieben lächelnden menschenfreundlichen Miene hinter dem Tische unter dem Spiegel
sitzt, und uns zuhorcht, wie wir miteinander verkehren,
und Ihnen zuruft: Peppe noch hundert mal ohne Unterbrechung, dann gebe ich dir einen Zwanziger, und noch 100
mal dann 2 Zwanziger und so fort. 0, Ihr guter Vater!
Mein Schritt, dass ich mich durch grosse Versprechen,
die aber bis heute nicht erfüllt wurden von Liechtenstein weglocken hess, babe ich oft und bitter bereut.
Ich wurde von einer Partei unverschuldet aufs Korn genommen, well ich meinem Charakter zuwider weder den
Heuchier noch den Betbruder spielen konnte, und zwar
so, dass ich schon im Jahre 1851 Schianders verlassen,
1/2 Stunden von Schianders entfernten Pfarrund in der
gemeinde Latsch als Suplent des Lebrers mit 85 fi. Jahresgehalt angestehit wurde. Ich hatte genug zu arbeiten,
aber wenig zu geniessen; dass ich untersolchenUmständen,
viel und oft nach Vaduz dachte, lasst sich leicht vorstehlen. Seit dem Jahre 1865 bin ich wieder in Schianders als Unterlehrer angestehit. Habe mich noch in meinem 60. Lebensjahre mit einer Person von 50Jahren verheiratet, weiche zwarkein Vermögen, aber daftir em
gutes redliches Herz hat. Als ich Ihre Sonate samt Portrait erhielt, war ich etwas unpässlich, daher ich melnen Dank nur diktieren konnte.
Von mir und meiner Gattin ahles nur erdenkhich Cute zu
Ihrem hohen Namensfeste, samt untertänigstem Handkuss
an Ihre hochverehrte gnädige Frau Gemahhin.
Ich schhiesse nun mit Wiederholung melnes innigsten
Dankes und rufe Ihnen noch mit aufrichtigstem Tiroler
Herzen aus der Ferne zu:
Gott lohn es Ihnen und Ihre hochherzigen und edlen Frau
1
- 41 -
Gemahlin. Mit grol3ter Hochachtung
Ihr dankbarer alter Lehrer
Schianders
Seb. Pöhly.
13.3.76.
Franziska Rheinberger lieI sich in der Folge Pöhlys Erinnerungen an Rheinbergers Kindheit mitteilen. (Vgl. Bd.I,
S. 26 - 37.)
Rheinberger berichtet seinem Bruder in Vaduz:
27.
Februar
1876
Mein lieber David!
I.. .1
Nachdem das gedruckte, Pöhly gewidmete Heft ankam, über-
sande ich es ibm mit einer Photographie, worauf er mir
mit einem sehr ijeben Brief aus Schianders antwortete.
Ich werde ihm dieser Tage wieder schreiben. Ich hatte
dieser Tage immer Angst, von Uberschwemmungen in Liech-
tenstein zu lesen, da allerwärts die Wasser so stiegen
- es scheint aber merkwiirdigerweise der Rhein diesmal
zur "gemäfigten Partei" zu gehören.
- Wir waren Gottlob diesen Winter, Kleinigkeiten abge-
rechnet, trotz der so anhaltenden Kälte, recht wohi. Wir
gehen wenig aus, haben aber von Zeit zu Zejt einen kleinen Künstlerkreisbeiuns. Julius Meier seh ich hie und
da auf der Hofbibliothek - Schafhutel. alle Sonntag auf
dem Chore der Michaelskirche, und im iibrigen bin ich
ziemlich fleif3ig. Maly's Photographien werden dir nachge-
liefert, so wie sie fertig sind - Es mUssen nämlich noch
weiche nachbestellt werden.
Mit herzlichstem Grul3 an Dich, Peter und dessen Familie
Dein treuer Bruder
Josef Rheinberger
MUnchen den
27.2.1876.
- 42 -
Jean Becker (1834-1884), Violinvirtuose und Gründer des
ttFlorentiner Quartetts", schreibt an Joseph Rheinberger:
Amsterdam, 2. Feb.1876.
Hochverehrter Meister!
Ich hatte mich verpflichtet, Ihnen Meldung von der ersten
Aufführung Ihres (meines) Quartetts op.89 zu machen. Aus
beiliegendem Programm ersehen Sie Ort und Tag. (Amersfort 1.2.1876). Das Publikum applaudirte jedem Satz sehr
warm. Die nächsten StEdte, wo Ihr Werk zur AuffUhrung
konimt, werden Luxemburg am lOten und Frankfurt am l7ten
d.M. sein. Wohi werde ich es noch diese Saison nach Berlin, Dresden, Leibzig, vielleichtaudhnoch nach Wien
bringen.
Jetzt eine Bitte! Wenn Sie em Ubriges Exemplar eines
Ihrer BUcher Uber Composition, Theorie, Contrapunkt oder
dergleichen haben, so spenden Sie es freundlichst meiner
angehenden Bibliothek. Es muss aber em nettes Wort Ihrer
Hand tragen.
Am 15.d.M. bin ich einen Tag zu Hause, Mannheim, Neckargär ten.
Mit aufrichtiger Gratulation, Dank und Gruss Ihr
Jean Becker.
Meinen Respekt Ihrer liebenswUrdigen Hausfrau.
Jean Becker
gramme, aus
op.89
am 10.2. in
am 17.2. in
am 2.3. in
am 4.3. in
am 7.3. in
am 9.3. in
aufführte.
Ubersendet am 9. März 1876 einen Stapel Prodenen hervorgeht, dal3 er das Streichquartett
Luxemburg,
Frankfurt a. M.,
LUbeck,
Bremen,
Hamburg und
Berlin
Er kommentiert seine Sendung mit folgenden Zeilen:
- 43 -
Berlin, 9.März 76.
Lieber Meister!
Ich beschliesse heute meine Zusendung mit der Bemer-
kung, dass ich Ihnen bereits von Frankfurt aus Pro-
gramme, worauf Ihr Name prankte, zusandte. Ihr Werk
gefäiit sehr, und erwirbt sich Uberali Freunde. Es ist
nun, wie Sie sehen, meinem Repertoire einverieibt,und
sehne ich mich danach, es auch Ihnen in Mtinchen vorzuspielen.
Seien Sie und die verehrte Cattin herzlichst gegrUsst
Ihr
Jean Becker.
Fanny erfährt von ihrem Schwager David aus Vaduz, daf3
Rheinbergers Wiener Stehfiiigel einen Interessenten in
Vaduz gefunden habe. Rheinberger aber erklrt mit Nachdruck, "er gäbe sein aites Kiavier aber urn keinen Preis
her", und Fanny schärft David em: "Es soil ganz unverändert so bleiben wie es darnais war", (1.4.1876)
Franz von Holstein schreibt an Franziska Rheinberger:
Hochverehrte Freundin!
Leipzig, den 10. April 1876
Recht lange hat es gewährt, ehe ich dazu kam, Ihnen für
Ihre letzte freundliche Zuschrift zu danken und für
ailes Liebe und Cute und Schmerziiche und Freudige, was
darin stand, und an dem Sie durch Ihre Schilderung die
fernen Freunde theilnehmen lassen. Ich habe Ihnen diI3mal nur Freudiges zu melden, wir haben jetzt eine wahre Rheinberger-Woche. Vorigen Mittwoch spielten die
Florentiner Ihres Mannes prächtiges C-moll-Quartett,
dasvonErfindung und Frische strotzt. Gestern am Palmsonntag führten die Thornaner Nachmittags in ihrem Concert das Requiem auf, das mir vom Lesen und Durchspielen längst lieb und werth war. Da6 das Quartett grol3en
Erfoig hatte, brauche ich kaum zu sagen. Nach dem Requiem fragten die Herrn Musiker sich untereinander,
- 44 -
wie es komme, daIs das Gewandhaus, da1 Riedel em solches Werk nicht längst aufgefUhrt habe. Nächsten Winter mUsse es das Gewandhaus bringen u.s.w. u.s.w. Ich
freutemichund triumphirte im Stillen - - alles Reden
vorher war im Winde verhalit. Diese Herren mUssen,
wenn auch nicht sehen, doch hören, urn zu glauben. Nach
dem Thomaner-Conzert machten wir es noch rnöglich in die
Nicolai-Kirche in das Riedel-Conzert zu gehen, urn
Rheinbergers Orgel-Sonate zu hören, die Preitz em
SchUler von Papperitz und Richter - sehr schön spielte.
Nur die gar zu zarte Registrirung des Andante wolite
rnir nicht zusagen und war wohi kaum im Sinne des Komponisten. Der junge, äuferst begabte Mann schwelgte
wohl zu sehr in den Contrasten, welche die herrliche
Orgel mit ihren mannigfachen Registern ihm bot.
.Heute Abend endlich fUhrt die Sing-Akademie die Toggenburg-Ballade auf. Es 1st jetzt hier - wie auch sonst
wo - kaum em Gesangs- oder Instrumental-Concert, wo
der Name Ihres Gatten nicht im Programm zu finden ware,
und eine solche Popularitat rnu1 ihn doch sehr erfreuen.
Aus Ihrem Brief ersah ich, daI3 Manches Neue im Entstehen oder schonfertig ist. ClUck auf!, - I...!
Mit den schönsten GriiI3en an Ihren Mann und Ihre verehrte Frau Mama
Ihr aufrichtigst ergebener
Franz v. Holstein.
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Vom 21. Mai bis 10. Juni komponierte Rheinberger die
Baliade ItClärchen auf Eberstein't nach einem Text, den
seine Frau nach einer Rheinsage von Simrock verfaIt
hatte. Das Werk wurde vomKomponisten im foigenden Jahr
für Orchester instrumentiert und am 2.4.1879 vom MUnchOratorienverein unter der Leitung von Max Zenger
ner
aufgeführt.
Am 12. Juni 1876 hatte im Oratorien-Verein in MUnchen
eine Aufführung von Rheinbergers "Das Thai des Espingo"
stattgefunden.
Der Textdichter Paul Heyse (1830-1914) schrieb an J.
Rheinberger unter dern 14. Juni 1876:
Ich habe Ungiück mit Ihnen, verehrter Freund. Im vongen Jahr kam ich um die Fiorentiner Symphonie und jetzt
urn unsere Ballade. Ais ich aus der "Einsiedelei" in
Tutzing, in die ich mich einer drangenden Arbeit wegen
geflüchtet, gestern zurUckkehre, höre ich, daf inzwischen Grol3mutter und Enkelin statt meiner sich an Ihrem
Werke erbaut hatten. Peccato! Seit einiger Zeit will
mir nichts rnehr glucken.
Schönsten Grul3 und Dank für Ihre freundliche Absicht
Ihr
Paul Heyse.
Vorn 14. Juni bis 2. Juli 1876 schreibt Rheinberger
seine 4. Orgelsonate, op 98 in a-moli, und widmet sie
seinem neuen SchUler Seymour Egerton, der em wichtiger Propagandist für Rheinberger in England wurde.
Egerton war Anfang des Jahres mit folgendem Schreiben
von A.v. HUgel, der Tochter des namhaf ten Kapeilrneisters und Kornponisten Julius Benedict (1804-1885), an
Franziska Rheinberger vorgesteilt worden:
2, Manchester Square, W.London
ednesday Evening
Juny 26th 1876.
Dear Mrs. Rheinberger,
You will be astonished to hear from me, still more to
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see where I am writing from, which I am now doing in
dear Papa's name, who is as usual overworked. I have
come over for a couple of months to try and help him.
I ought to write to you in German, but you are such a
good English scholar and I such a bad German one that
you must excuse me. After this introduction "zur
Sache": Mr. Seymour Egerton who wishes to place himself
quite under the Professors tuition is the second son
of the Earl of Wilton, one of the most distinguished
English families. He is already a very accomplished
musician, having had some lessons from the late Hauptmann at Leipzig. He plays the violin, double bass,
french horn and cornet, composes and has for many years
conducted the best amateur Society here, the "Wandring
Ministrels". He has not been fortunate of late with his
financial affairs and has just returned from Australia.
You will see, by the onclosed, the suggestions dear
Papa gave him concerning Professor Rheinberger, who
is lending a helping hand to a stranger in Munich will
confer a great favour on him.
He comes alone, his friend has telegraphed to say he
could not accompany him.
Der schönen "Kreuther" Tage gedenkend grüsst aufs herzlichste Sie, liebste Frau, und Herrn Professor,
mein lieber Vater und Ihre innig ergebene
A.v. HUgel.
Nachschrift an den 4 Briefrändern von der Hand Julius
Benedicts:
Verehrtester Herr Professor,
Halle hat Wallensteins Lager schon mit sehr günstigem
Erfolg gegeben. Die Herren vom Liverpooler Comitê gehen
langsam voran - dass die englische Ktinstler- und Liebhaber Landwehr auch nachkommen kann.
1st Ihre vortreffliche neue Sinfonie schon erschienen
und kann man sie mit Partitur und Stimmen aus Deutschland beziehen?
Stets Ihr treu ergebenster
Julius Benedict.
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Seymour J.G. Egerton (1839-1898), spater Earl of Wilton, schrieb unter dem 24. Mai 1876 an Franziska Rheinberger:
May 24th, 1876.
Balham Hill House
Dear Madame Rheinberger.
Probably you have heard that the performance of your
husband's Symphony is postponed, on account of the Band
parts arriving too late. I confess I am not sorry; for,
as I told your husband, though the Orchestra of the New
Philharmonic Society is composed of the best materials,
the Conductor is not. And I think the Symphony will
appear in England to much greater advantage when played
by the Orchestra of the Chrystal Palace under August
Manns who is frustrate (first rate?).
So I hope Dr. Wylde will not attempt it this season.
I should have been, as I hoped, back in Munich by this
time. But I have been very far from well, and for the
last fortnight quite laid up. However, I hope to get to
my old quarters in the Karis's Strasse in about 3 weeks;
where I shall proceed to study the German language and
try to make myself a little more at home in both speaking and writing before the winter, where I am looking
forward to hard studies under Professor Rheinberger.
I have also to write some quite light music for a kind
or operetta which some friends of mine want to do in September. After that, no more composition till studies
are finished!
David Rheinberger hatte als ältester Sohn biographische
"Notizen iiber den Vater Josef Rheinbergers" (Vgl. Bd. I
S. 1-25) verfatt und seinem Bruder nach Bad Kreuth Ubersandt. Der Komponist bedankt sich mit folgenden Zeilen:
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Mein lieber David!
Du hast uns durch die Aufzeichnungen aus dern Leben unseres lieben Vaters viel Freude gemacht. Ich habe dieselben zwar noch nicht ganz gelesen, da man bei dem bestndig wunderschönen Wetter fast nur im Freien lebt meine Frau aber hat sie in einem Zuge gleich durchgelesen. Sie hat sich auch von Pöhly in Schianders Einiges
aufzeichnen lassen. Wir sind nun seit 18 Tagen in Kreuth
und wollen wahrscheinlich nach Tirol gehen. Erst hatten
wir uns Paris vorgenommen - ich fühle aber doch, da1 ich
die wenigen Wochen der Ferien zu ländlicher Ruhe nothwendig brauche. - Es ist hier in Kreuth ziemlich still
und trotzdem da8 in dem HauptgebEude gegen 200 GEste
wohnen, die sich eigentlich nur zur Table d'hte sehen,
auch sehr ruhig. Da ringsherum eine Anzahl waldiger Spazierwege sind, verschwindet die Menschenmenge sogleich.
Der kleine Hofhalt der neapolitanischen Kdnigsfamilie
ist auch klein beieinander und rnacht wenig LErm und Aufsehen. Ich gebrauche (nun zurn elftenmal) die Molkenkur
und bin den ganzen Tag im Freien, da bier, in der Höhe
von 3000' die Hitze nie zu arg ist; in der Nacht fällt
immer so reichlich Thau, da8 er den Regen vollständig
ersetzt. Leider aber ist Kreuth durch den Wechsel des
Besitzers unddenWechsel der Geldart em sehr teurer
Ort geworden; doch jUdelt es bier noch nicht so stark
als in dem benachbarten Tegernsee, wo längst eine Synagoge nothig wEre, wenn die Reforrnjuden nicbt so sehr
überwiegten. Wie steht denn in Vaduz die Angelegenheit
mit dem österreichischen Gelde? Ich habe etwas von einer Deputation gelesen, die zu seiner Durchlaucht antichambriren gegangen sei. - In München ist nun eine
ganz prachtvolle Ausstellung, von Kunst- u. KunstgewerbegegenstEnden. Es war noch nie etwas Ehnliches da;
besonders in herrlicher Weise ist das Kunstgewerbe des
Mittelalters vertreten - man kann darin geradezu Studien machen. Von allen Seiten kommen Frernde, urn sich
diese Ausstellung anzusehen; S. MajestEt der König von
Bayern hat dieselbe aber nicht besucht, da gegenwErtig
em Bayreuther wohi soviel wert ist als 1000 Münchener.
I.. .1
- 49 -
Und nun, alter Goiiathbezwinger, lebewohi, regiere nicht
so scharf, bleibe gesund und schreibe von Zeit zu Zeit
Deinern Dich liebenden Bruder
Josef Rheinberger
Bad Kreuth 18.7.76
Irn August 1876 fanden in Bayreuth die ersten drei Gesamtaufführungen von Wagners "Ring des Nibelungen" statt,
em Ereignis von kulturhistorischern Rang, zu dem nicht
nur Kaiser und Könige pilgerten, sondern das auch die
fUhrenden Musiker aus ganz Europa in semen Bann schiug.
In Franziska Rheinbergers Briefsammlung findet sich dazu nur foigenderAbschnitt aus elnern Brief von Hedwig
von Holstein, die doch tatsächlich schwarz auf WeiI3,
am 17. Juli 1876 an Rheinbergers Gattin schreibt:
Höchst erstaunt waren wir, als wir durch Andre erfuhren,
daB dein Kurt auch nach Bayreuth geht. Mein Mann hat
sich fast haib & haib in einer falschen Steliung gefühlt, den Schwindei rnitzumachen - d.h. natürlich hat
er nicht vor, mit den Wölfen zu heulen, aber seine Gegenwart 1st doch schon em gewisses Zugeständni6. Urn
wie viel mehr wird es Deinern Gatten kosten, semen Abscheu zu verbergen. Denn das mul3 er doch, wenn er die
Freunde Wagners & Enthusiasten nicht grausam stdren will.
Franziskas Entrllstung Uber solch unfaBbar schweren Insuit iEf3t sich Ihrer Marginalie zum ersten Satz entnehmen:"LUGE" prangt da entriistet am Rand des Briefes
und tiber der ganzen Breite des Absatzes "LACHERLICH" ais Stabreim.
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Hedwig von Holstein berichtet Franziska Rheinberger
über die Eindrticke, die ihr Gatte bei den ersten Bay-
reuther Auffuhrungen der Wagnerschen "Ring-Tetralogie"
hatte.
Liebste Fanny!
Gastein, den 9.9.1876
Wie glUckselig war mein Franzi, als er in die reine
Bergiuft zu mir nach Aussee kam! Einige Tage lang ging
er ganz verdummt umher, er sprach wenig, und immer wie-
der sagte er: Ach wie dank' ich Gott, dal3 ich nicht
mehr in Bayreuth bin! Er konnte & wolite die 4. Oper
nicht mehr hören, hatte er doch vom Siegfried auch nur
einen Act noch ertragen können und ist krank und elend
in sein Bett gefallen. Die Generalproben hatte er alle
angehört und mir täglich darUber geschrieben. Das Zusammensein mit semen alten Freunden und Bekannten, die
er seit vielen Jahren nicht gesehen, mit den Sängern
und Sängerinnen seines Haideschachts, die Bekanntschaft
mit interessanten neuen Menschen regte ihn an und stachelte ihn auf, die iibermenschlichen Anstrengungen zu
ertragen. Auch war ibm ja das neue Theater mit all' den
erfinderischen Einrichtungen sehr interessant, und die
ersten Wagnerschen Klänge Uben ja zuweilen einen gewissen Zauber aus. So schrieb er einmal in einer Art von
Begeisterung Uber die GötterdEmmerung, welches Werk
ihm den gr51ten Eindruck machte in den Proben. Wie es
dann aber zu den AuffUhrungen kam und die AnsprUche sich
steigerten, so schwand der Zauber völlig. Franz f and
alle Mtinchner Auffllhrungen bei weitem schöner, was SEn-
ger, Decorationen und Regie betrifft, ja, unvergleich-
lich geschickter und wirksamer. Warurn also dieser ungeheure Aufwand an Geld und Kraft und Ktinstlerdasein?
Am meisten leid haben ibm die armen Orchesterleute gethan. Wilhelmi und Alle haben in HemdErmeln da unten
in der Höhle gesessen, und Schwei8 ist ihnenvonder
Stickluft sichtbarlich von der Stirn geflossen. Was
ist doch das Alles für eine Unnatur! - Sehr bald 1st
meinem lieben Herzensmann die Wagnersche Sinnlichkeit
zum Ekel geworden, data er eben nicht mehr konnte, und -
er lief davon! Gewit sehr zu seinem GlUck, denn er hat
solchen wahnsinnigen Druck auf seinem armen Gehirn ge-
- 51 -
Konigliche Musikschule in MUnchen.
(un grossen Odeonssaale, Aufgaug zum Saal und zur Galerie brelte Steintreppe.i
Sam stag, den 29. Juli 1870.
Abfuds 7 Uhr.
Zweitcs und letzths
t.oiicert-Ouverure fur Orchestr
1)er 130. Psalm für Mt-Solo, Ulior, Oiclietr und thgel
l'i iiiJ''ii f:li..i1.. ii Exter.
rgrl : Ilorr .los'f Becht.
(oiie.rt für (lavier (op. 89 H-m"lh. L*r}ietto und Finali
Victor (üuth.
Elias ('eclisler.
J.
N. Hummel.
Friulein .1 osetiiie Eckerler.
Coiiei t (A-mull) für die Violine (1. atz
herr Max Kaestl.
,,1'liurme.liau" für Sopraii - ulo, Cluor uuud Orchester
Solo: Fräulein Johanna Irringer.
Concert (Au.dur)für Clavier (Manuscript) . . . .
iilcri'Ludwig Rittet' von Duniecki.y'.,,y//
C. B. Viotti.
.
.
£.sCrftI êereel.Ugt P.r.eiw.sp d.1
,.
.
MI/:
Finale au der unvollendeten Oper ,,oreley"
Leonore: Fräulein Mathilde Goertz.
Z..s.,
Theodor Podbert.slcy.
.
wr fur ci.. e Pen... i1H.
Josef Rheinberger.
F. Mendelssohn-Bartholdy.
..Md if eb. .ote.e.
52
B e m e r k u n g e n.
Lu Nrc.
1.
iclor GIidh aui Pilen, Snlialer den Rrn. Profeors Rh e iiiberger.
2. Hr. Eliius Oeohster aus Spielberg bei Seib, SchUler de firn. Professors Rh ci is berger.
Fri. Ehisssbeth Exter aus MSncbesi, Schhlerin des Rerrn Julius Hey.
hr. Jcanl Becht can Bucbloe, Schuler des Herrn Professora Rh e in her g Cr.
3, Fri. Josefine Eokerler ens Neu-UIm, SchSierin des Nm. C. 11 ae rm ann jun.
Hr. Max Kae*tI ecu Mflnchen, SchiAler des Hrn. Hotmusikera B mfl c k ncr.
!. Hr. Theodor Podbertaky uus MOnchee, Schhier de8 fire. Professors Rho in be rge r.
Fri. Johanna trrIuger cue Aidenbech, Schftierin den lire. Julius hey.
Hr. Ludwig Ritter a. Dunleoki sun Lemberg (Oulizicu), Schfller des Hrn. C. Beerniano jun.
7. FrI. Mathilde Goertz sun MUnchen, SchSlerin des firn. Julius Hey.
- 53 -
ftihlt und wurde von so starkem Nasenbiuten befallen,
daB Crieg, sein Norweger Nachbar, ihn durchaus nicht
allein hat abreisen lassen wollen, weil er an Nervenfieber oder Schiaganfall gedacht hat. Wie war ich froh,
als die ersten Tage vorüber waren und der Rausch ausgeschlafen, der liebe alte Franz in seiner Frische und
Ganzheit wieder mit mir im Gebirge herumwandelte! Es
ist kein Spritzchen Schmutz an ihm hängen geblieben,
rein 1st er wieder, wie er war, Gott sei Dank! I...!
Zu BeginndesJahres 1876 hatte Rheinberger in der Zeit
vom 5. Januar bis zum 12. Februar eines seiner schönsten
Werke geschrieben:
das Klavierkonzert in As-dur, op. 94, das von seinem
Schiller Ludwig Ritter von Duniecki am 29. Juli 1876 uraufgeführt wurde. Die Augsburger Abendzeitung vom 3.8.
1876 schreibt dazu:
Das gestern Abend abgehaltene zweite und letzte Prüfungskonzert der kgl. Musikschule bietet uns reiches
Material zur Besprechung. Drei SchUler des Hrn. Prof.
Rheinberger ward die Ehre zu Theil, selbst komponirte
Werke dirigieren zu dUrfen. Die Instrumentation haben
wir noch bei allen SchUlern Rheinbergers's lobend erwähnen miissen.
-
EineNovitätdes Letzteren, em Klavierkonzert in As-dur,
trat uns wieder als ganzes und volles Meisterwerk entgegen; an Kraft, Originalität und Reichthum der Gedanken wird es heutzutage wenige seinesgleichen f inden. Die neuere Form für derartige Kompositionen hat
Beethoven in den G-dur und Es-dur Konzerten mustergUltig bestimmt und hienach sich Rheinberger im Ailgemeinen gehalten. Sein Kiavierpart ist nicht dominirendes oder begleitendes Passagengeklingel oder Paraphrase
des Themas, sondern Theil eines symphonischen Canzen,
welches im Ganzen den Charakter männlicher WUrde und
erhabener Majestät trägt. Manche Partien sind von fast
Beethoven'scher KUhnheit und Grösse der Konzeption,
alle von trefflicher Klangwirkung. Wir erachten Rhein-
- 54 -
berger's neues Klavierkonzert für eines seiner bedeutendsten und genialsten Werke. Ganz so hess es aber
auch der Vortrag durch Hrn. Ludwig von Duniecki erscheinen. Dieser junge Künstler verspricht einer der
besten zu werden, weicher noch aus der hiesigen Musikschule hervorgegangen, - wenn er nicht schon der Beste
ist; er spielt mit soicher Bravour, mit so feiner und
selbständiger Auffassung, mit so viel Feuer, dass er
sofort sein Auditorium fesselt, kurzum, wir wUssten
kaurn, was ihm zum fertigen Künstler noch fehit.
Wilhelm Treiber (1838-1899), Pianist, Kapelimeister am
Landestheater in Graz; ab September 1876 Konzertdirigent der 'tEuterpe" in Leipzig wendet sich mit folgenden Zeilen an Rheinberger:
Sehr geehrter Herr Professor,
Einen hochachtungsvollen Gruss. Die nächsten Leipziger
musik. Fachblätter dürf ten Ihnen die Nachricht bringen,
dass ich abermals zum Dirigenten der dortigen Euterpe
gewählt wurde - nachdem ich bereits im vorigen Winter
bedauernd ablehnen musste - diesmal jedoch acceptirte.
So werde ich nun ab Ende September in meinem lieben
Leipzig wohnen, für das ich seit Jahren eine nachgerade
unerklärliche Sympathie empfinde. Hoffentlich habe ich
es nicht zu bereuen. Bei dern Urnstande, dass ich nur
jede 2te Woche em Conzert habe, bleibt mir viel Zeit,
urn auswrts zu spielen.
Vielleicht gelingt es Ihrem mächtigen Einfluss bei Levi
und Wüllner, einen der Herren zu bestimmen, dass ich
im Herbst auch in München zu spielen aufgefordert werde ich glaube die erste Saisonhälfte hat Wüllner. Würde
ich aber im Stande sein
schon bewusstes Concert in
as spielen zu können? Bis zur Stunde rechnete ich zuversichtlich darauf und dachte garnicht daran, eine
andere Novität für den nächsten Winterfeldzug in Angriff zu nehmen. Wie lebhaft wUrde ich bedauern, wenn
Sie bisher nicht Gelegenheit gehabt oder genommen haben
würden, an die Ausführung dieses Projectes zu denken.
,.
- 55 -
Freilich mtissten Sie im Stande sein, das Manuscript
der Clavierstimme, wenn auch theilweise noch unausgefeilt, mir baldigst einsenden zu kdnnen.
Aber em Orchesterwerk haben Sie gewiss im Pulte liegen, weiches Sie mir zur ersten Auffiihrung überlassen
wollen - sei es OuvertUre oder Sinfonie - wollen Sie
selbst nach Leipzig kommen, urn ev. zu dirigiren, so
seien Sie mit offenen Armen empfangen. Das Orchester
der Euterpe hat sich iiberraschend herausgernacht und
wird nur noch immer vom Gewandhaus gedrUckt. Ware dies
nicht der Fall, würde es die Concurrenz mit den mei-
sten Stadtorchestern bestehen können. Dennoch können
Sie auf eine wohivorbereitete, aufmerksame AusfUhrung
Ihres Werkes rechnen. 1st Ihnen bekannt geworden, dass
auf der diesjährigen Tonkiinstlerversammlung in Altenburg ich mit grossem Erfoig mit Volkmanns KonzertstUck debutirte? Wie gut ware es gewesen, wenn wir mit
as hätten erscheinen können. So blieben Sie bedauerlicherweise unvertreten.
Die "Ferienzeit" ftihrt Sie wohi auch dieses Jahr nicht
durch die grUne - heuer sehr nasse - Steiermark?
Sehen Sie sich doch mal in Ihrer gewärtigen Ausstellung
den Fli.igel Ehrbar's aus Wien mit dessen Neuerung Prolongement an. Auf mich machte selber einen gUnstigen
Eindruck, wenngleich nicht zu verhehlen, dass noch
manches daran verbesserungsfähig.
Nun ich Ihnen sattsam vorgeschwätzt, muss ich schliessen, aber nicht ohne den Wunsch auszusprechen, dass
Sie bald mit einigen Zeilen erfreuen
Ihren ergebenen
Wilhelm Treiber.
Graz, 11.Juli 76.
Franz von Holstein (1826-1878) berichtet Franziska
Rheinberger unter dem 7. November 1876:
Hochverehrte Freundin!
Leipzig, den 7.Nov.
Herzlichsten Dank für Ihre so werthen Zeilen von 21.
v.Mts. und das so freundliche Anerbieten, das ich
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vieiieicht einmai so unbescheiden bin anzunehmen, wenn
die Frage wegen der Morgenhymne mir wieder näher tritt,
die leider augenbiickiich durch manches Nöthigere und
weniger Erfreuiiche verdrangt wird. Hedwig hätte Ihnen
iängst geschrieben und für den schönen Abend gedankt,
den wir bei Ihnen verieben durf ten, und dessen wir beide uns noch mit Freuden erirnern - besonders aber wegen der interessanten Geseiischaft B. Marcelios, dessen
Leben Ihre Dichtung uns nacherieben iief. Hedwig ist
aber so von geschäftiichen Dingen nach unserer Rückkehr
geradezu überfalien worden, daf sie sich die Freude,
Ihnen zu schreiben, auf eine gUnstigere Zeit versparen mul3te.
Nun aber zum eigentiichen Zweck dieser Zeilen! Gestern
Abend spielte Treiber das As-dur Conzert sehr glänzend
und mit grotem Erfoig. Er hatte nach jedem Satz, besonders am Schiuf, reichen Applaus und Hervorruf, den
er wirklich verdiente, so weit er ihm gait, schweriich
aber ohne das Conzert in dem Grade erhaiten hätte, das
sichtiich sehr gefiel. Manches in den Passagen war eben
nur glänzend, briiiant wiedergegeben und hätte vielieicht können etwas mehr vergeistigt und bedeutender
genommen werden. Das ware aber die einzige Aussteiiung,
die - wenn sie gerecht ist - ich zu machen wüBte. Das
Orchester hieit sich bray und war sorgfäitig eingeübt.
Die ersten Geigen in der Hdhe wilrden freiiich im Gewandhaus edier und reiner gekiungen haben. Das erste
Horn blies vortreffiich in der Gesangsteiie des ersten
Satzes. Die erste Oboe iiet3 zu wUnschen übrig, Fiöten
und Ciarinetten waren gut. Nachdem so manches Werk
Ihres Gatten, das Stabat Mater, Requiem, CiavierQuartett, Thai v. Espingo etc. hier so grof3en Beifail
ärndtete, wEre es gewiI dem hiesigen musikiiebenden
Pubiikum zu gönnen, seine persöniiche Bekanntschaft zu
erneuern oder zu machen. Noch immer hoffe ich, die Sinfonie werde dazu die Vermittierin sein. Reinecke hat,
wie er mir sagte, aus freiem Antrieb an Andr wegen
der Partitur diesen Herbst geschrieben und von diesem
die seitsame Antwort erhaiten: "Die erste Aufiage von
14 (H) Exempiaren sei vergriffen, wEre die neue fertig, woiie er sie schicken.t' Ich hatte gerade an Andr&
- 57 -
zu schreiben, und habe ihm eine ernsthafte Mahnung geschrieben. Es ware aber gewit3 gut, wenn Ihr Gemahi
auch etwas Feuer dahinter machte. Eine soiche 1-landlungsweise ist doch zu toll von eirlem Verleger!
Grüien Sie Ihren lieben verehrten Mann herzlichst
von mir! Meine Schwester lä1t sich Ihnen bestens
empfehlen. Wie trilbe die ersten Eindrticke waren trotz
dem Behagen wieder in den lieben, aninutenden Räumen
unseres Hauses zu sein, können Sie sich denken - da
wachte der alte Schmerz noch einmal recht auf.
In aufrichtigster Ergebenheit
der Ihrige
Franz von Holstein.
Auch in Frankreich interessiert man sich inzwischen
für Rheinbergers Kompositionen.
3. Maho, Editeur de Musique aus Paris schreibt an
Joseph Rheiriberger:
Paris, 21.9.1876
Sehr geehrter Herr Jos. Rheinberger!
I... I Ich bin em grol3er Verehrer Ihrer Compositionen
und hatte gem einen Versuch gemacht, solche auch in
Frankreich unter das Publicum (ich spreche natUrlich
von dem echt musikalischen Publicum, welches leider
hier noch an Zahl ziemlich beschränkt) zu bringen. Für
Gesangscompositionen ware die Sache vorlaufig beynahe
unmöglich, sowie auch Orchester-Sachen; am liebsten
beschränkte ich meine'rsten Versuche auf Clavier-Nummern-Musik und auch Clavier allein. Wären Sie geneigt,
mit mir in Verbindung zu treten und wtirden Sie mir von
oben besprochenen Werken das Verlagsrecht für Frankreich und Belgien gegen den hiesigen Verhältnissen angemessene Honorare abtreten?
Deutschland, England , etc.etc. bleibt natürlich zu
Ihrer anderweitigen Verfügung. Von Hrn. Fritsch habe
ich das Verlags-Recht in oben besprochener Art von
Ihrem op.38 Clavier-Quartett für 200 Mark übernommen.
Kann ich Ihnen em ähnliches Honorar für em Trio, eine
Violin-Sonate und Violoncell-Sonate, also 600 Mark
- 58 -
bieten? oderkönnen Sie von den bereits erschienenen
noch für Frankreich-Belgien disponiren? Ich brauche
Ihnen wohi nicht zu sagen, dal3 ich der Erste bin, der
Ihre so werthvollen Productionen in Frankreich einzuführen versucht, was Sie vielleicht bewegen könnte,
mir in etwas aufmunternder Form entgegen zu kominen.
Anliegend sende ich Ihnen den Catalog meiner Kammer-
musik-Verlags-Artikel, was Ihnen beweisen soil, da1
Sie nicht in unwürdiger Geselischaft sein würden.
Lasseri Sie mir eine gflnstige Antwort zukommen und genehmigen Sie ünterdessen die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung
Ihres ganz ergebenen
J. Maho.
Franziska Rheinberger verfa1te damals einen Beitrag
über Benedetto Marcelio für den Cäcilienkalender,
den der Regensburger Domkapeilmeister und GrUnder der
dortigen berühmten Kirchenmusikschule Franz Xaver Haben (1840-1910) seit 1876 herausgab.
Haberl dankte für die Ubersendung des Manuskripts mit
foigenden Zeilen:
Regensburg, 23. Nov.1876
Sehr geehrte gnHdige Frau!
Aus beiliegendem Programm unseres Câciiienfestes werden gnHdige Frau meine freudige Uberraschung nach Er-
öffnung Ihres Briefes und Einsicht der poetisch biographischen Studie begreifen. Wir führten eine tief
innigeKompositiondes "princeps Musicae jener Epoche"
auf, und Sie bieten uns eine gemiithvoile Geist- und
Lebensgeschichte. Sie beehren mich mit einem Gru1e
Ihres von mir so hoch geschHtzten Gemahies und wir
singen eine seiner herrlichen Kompositionen. Wie sehr
wtirde es mich freuen, wenn H. Professor Uber das
leicht zu entziffernde Thema im CEcilien Kalender pro
1877 Seite 95 eine Fugette als Beitrag pro 1878 schrei-
ben möchte!
Was Ihre Einsendung anlangt, so nehme ich dieselbe für
- 59 -
1878 sehr gerne an und werde sie auch mit passenden
Bildern über Venezia la bella und dem Portrait des
Gefeierten schmUcken laIen, wenn Sie mir erlauben,
einige Kiirzungen zu machen, sowie em paar störende
Verse durch schwungvollere zu ersetzen, so z.B. den
Vers "Die Partitur lag von A bis Z in kiaren ZUgen"
u.A. Ich bitte urn Entscheidung, ob Sie meine Anderung vor Drucklegg. nochmal untersuchen wollen, und
wieviel Honorar Sie für die Kolumne Druck in Anspruch
nehmen.
ç
Unter den respectvollsten Empfehlungen an H.Prof.
Rheinberger, mit wiederholtem Danke für ihre Aufmerksamkeit und Freundschaft und unter herzlichen Crüen
zeichnet Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster
Fr.X. Haberl
Domkapellmeister
Am 6. Februar 1877 wendet sich Haberl erstmals unmittelbar an Rheinberger urn ihm für die Ubersendung des
Requiems op.84 zu danken:
Regensburg, 6.2.1877.
Sehr geehrter Herr!
Ihre freundliche Zusendung hat mich herzlich erfreut,
und ich bin beschämt von Ihrer unverdienten Aufmerk-
samkeit. Ihre Schöpfungenhabeich stets mit der aufrichtigsten Bewunderung gelesen oder aufgeführt, und
es ist mir doppelt angenehm, Ihre Sendung als em Zeichen Ihrer Freundschaft ansehen zu dUrf en.
Durch Ihre hochgeschatzte Frau Gernahlin - ich bitte
Sie, ihr meine Hochachtung zu entbieten - habe ich Sie
bitten lafen, mich für den Cäcilienkalender pro 1878
mit elner kleinen Orgelkomposition über das Thema
- 60 -
zu erfreuen, und nun nehrne ich mir die Freiheit, Sie
auch bei dieser Gel-egenheit urn elnen werthvollen Beitrag aus Ihrer Meisterhand zu ersuchen.
Unsere Bestrebungen zur Hebung der kathol. K.M. sind
ernstlich und von bester Absicht erfüllt, wenn auch
sehr oft die materiellen Mittel und geistigen Kräfte
fehien, urn denselben den wUnschenswerthen Erfoig zu
verschaffen.
Ich bitte Sie, hochgeehrter Herr, mich Ihrer Gewogenheit auch für die Zukunft zu wlirdigen, und zeichne
Ew. Hochwohlgeboren ergebenster
Fr.X. Haberl
Dornkapellrneister
Haberl schreibt weiterhin:
Am 3. März (1876) habe ich das Vokairequiem von Rheinberger rnit meinen Sängern aufgeführt, und bei alien
Anwesenden einen tiefen, erschütternden Eindruck hervorgeruf en.
F.X. Haberl
Dorukapelirneister.
Zu Beginn ds Jahres 1877 wurde Rheinberger die Leitung des soeben gegrUndeten Hochschen Konservatoriurns
in Frankfurt arn Main angetragen. Rheinberger war nicht
wenig geneigt, diesem ehrenvollen Ruf zu folgen. Der
Frankfurter Oberbtirgerrneister hatte Dr. Hartmann als
Unterhändler zu Rheinberger nach MUnchen gesandt, urn
erste Kontakte zu knupfen.
Hartmann schrieb an Rheinberger:
Frankfurt, 14.1.1877.
Sehr geehrter Herr!
Ich hatte bei meinem dortigen Aufenthait mit Ihnen ausgernacht, daI3 Ihnen der Zeitpunkt des nächsten Câcilien-Vereins-Concertes und des darauf folgenden Museumsconcert mitgetheilt werden soilte, damit Sie hiernach
- 61 -
die projectirte Reise nach Frankfurt einrichten könnten.
Nun findet aber das Concert des Cäcilien-Vereins (mit
Paradies und Pen) schon nächsten Mittwoch den 17.
statt, und am 19. folgt em Museumsconcert, in welchem
Sie unsere einheimischen KUnstler Fälten und Heermann
hören könnten.
Einestheilsmag nun aber höchstwahrscheinlich die Zeit
dieser Concerte zu nahe gerUckt sein, und anderntheils
wünscht unser Oberbiirgermeister, der ja an der Spitze
der Administration der Hoch'schen Stiftung steht, Sie
bei Ihrer demnächstigen hiesigen Anwesenheit kennen
zu lernen. Derselbe reist jedoch zu Anfang dieser Woche auf 14 Tage nach Berlin, urn den Sitzungen des Herrenhauses beizuwohnen.
Ich schiage Ihnen deBhalb vor, Ihre Reise hierher bis
zum Februar zu verschieben, in weichem Monat wir auch
interessante musikalische AuffUhrungen haben werden.
Ich behalte mir vor, Ihnen Uber den Zeitpunkt und die
Programme dieser Concerte weitere Mittheilung zu machen.
Inzwischen empfehle ich mich Ihrer hochverehrten Frau,
und empfangen SieSelbst die Versicherung meiner grö1ten Hochschätzung
Ihr ergebener
Dr. Hartmann.
Franziska war offensichtlich gegen den Plan. Sie mobilisierte Rheinbergers Freunde. Otto von Bever
schreibt:
Mtinchen, 14.1.1877
Hochverehrte gnadige Frau!
Im GefUhi des Dankes, den wir Ihnen für Ihre vertrauensvolle Mittheilung schulden, und unter dem stets
wachsenden Eindruck derselben kann ich nicht mehr
fürchten, daB Sie es als unser eigenes Interesse betrachten, weiches aus mir spricht, wenn ich mir erlaube, nochmals auf die Sache zurllck zu kommen, son-
- 62 -
dern ich darf hoffen, Sie werden meiner Versicherung
aufrichtig glauben, da1 nunmehr Alles, was wir im
Aligemeinen, und was meine Tochter an Ihnen persönlich
und an Ihrem Herrn Gemahl verliert, vollständig in den
Hintergrund tritt gegen die Sorge für die Zukunft Ih-
res Herrn Gemahls, falls jenes Project sich realisiren
würde.
Ich will nicht mehr von dem'ungewohnten Klima, also
von Gesundheitsrücksichten, auch nicht van den Forderungen sprechen, welche die Gesell'schaft dort an Sie
beide stellen wird, also von Aufgebung Ihrer gewohnten, angenehmen Lebensweise, sondern nur das neue Verhältnil3 ins Auge fassen.
Von dem Capital, so groi3artig es sich anschaut, sind
die Zinsen, zumal sollten sie noch den Wittwengenul3 in
sich schlieIen, absolut für Gründung elnes Institutes
nicht hinreichend, welches des Namens Ihres Herrn Gemahls würdig ware. Wenn der Herr Professor das Budget
der Musikschule zur Hand nimmt und erwägt, daB hier
das Haus, die Instrumente, Musikalien, Mitbenutzung
von am Theater angestellten Lehrkräften etc. etc. geboten sind, und dort noch garnichts vorhanden 1st, so
zeigt sich schon dabei, in welcher Weise jene Zinsen
in Anspruch genommen werden. Die beizuziehenden Lehr-
krHfte gehen gleich in die Tausende von Mark. Der Auf-
enthalt dort 1st sehr theuer, auch für Schüler. Wie
viele Eltern können Ihre Söhne dahin senden?
Vor allem aber, weiche Stellung verläl3t Ihr Herr Gemahl und welche tauscht er dagegen em? Hier eine
Staatsanstellung, dort vielleicht einem Massen-Curatorium oder dergl. unterstellt, welches das Geld bewilligt; also keinesfalls freie Hand behaltend. EnçIlich die personliche Stellung! Neben zahllosen Sorgen,
MUhen, Arger, geistigen und körperlichen Anstrengungen
und Aufreibungen eine vielleicht unzureichende Besol-
dung. Die Zahien, die ich hörte, muf3 ich geradezu für
jene Stadt als jüdische Anerbietungen bezeichnen. Und
die Sicherung der Zukunft, die doppelt zu berücksichtigen ist, wenn man die Staatsstellung aufgibt.
Wenn aber hier wirklich, was so leicht möglich, unlautere Elemente mit ins Spiel kommen soilten, so könnte
- 63 -
es sein, data Herr Professor am Ende hier einem Brahms
Platz macht, und dort keine bleibende Stätte findet.
All' diese Möglichkeiten bewegen mich so sehr, daB
ich den Tag nicht schlief3en kann, ohne meine gröf3ten
Sorgen für die Zukunft eines Mannes Ausdruck zu geben, den ich und wir hoch achten und lieben lernten,
und für die edle Frau, die sein Schicksal zu dem Ihrigen gernacht hat.
Ich schlieBe und erlaube mir, meine Gedanken nun in
Folgendern Zusamrnenzufassen: Möchte Ihr Herr Gemahi
seiner vorgesetzten Behbrde sagen, es sei ihm eine
glänzende Stellung angeboten, er habe sie ausgeschla-
gen, man möge ihm aber diejenige Erleichterung gewäh-
ren, weiche etc. etc. etc. Und den Frankfurtern rnöge er
rathen, Brahms zu nehmen! Damit habe ich alles gesagt.
Nehmen Sie, gnädigste Frau, nehme Ihr Herr Gemahi mir
meine Freimüthigkeit nicht übel; sie kommt aus ehrlichern Herzen. Gott lenke Ihre beiderseitigen Entschliel3ungen. Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
Otto Bever
Rheinberger lHBt sich von diesen Vorstellungen nicht
beirren. Bevor er seine Entscheidung fällt, bittet er
urn Angabe der Details:
Euer Hochwohlgeboren!
Im Beginne Januar war Herr Dr. Hartmann in Ihrem geehrten Auftrage bei mir urn eine Vorbesprechung wegen
iibernahme der Direktionsstelle an dem in Frankfurt zu
errichtenden Conservatorium der Dr. Hoch'schen Stif-
tung abzuhalten. Es war mir natUrlich nicht möglich
bei dem nur provisorischen Charakter der Besprechung
alle jene Ansichtspunkte zu gewinnen, weiche zu einer
Entscheidung meinerseits unumgänglich nöthig sind; urn
mir nun dieselbe möglich zu machen, wende ich mich
vertrauensvoll an Euer Hochwohlgeboren als den Vorsitzenden der Stiftungsverwaltung mit der Bitte urn
- 64 -
gefällige Formulirung der Pflichten und Rechte der
mir zu ubertragenden Stellung, und zwar:
Weiche Pflichten sind im Aligemeinen, abgesehen
von der artistischen Aufsicht und Leitung, mit
der Direktionsstelle zu übernehmen, z.B. in administrativer Hinsicht?
Wieviel Ansprüche werden an meine persönliche
Unterrichtsertheilung, weiche ich mit als Hauptaufgabe betrachten würde, gemacht?
In wiefern ware ich bei Anstellung des Lehrpersonals gebunden?
Welcher Gehalt ware mir geboten?
Wie wird meine Stellung für die Zukunft gesichert,
Beziehe ich Pension und weiche, z.B. im Krankheits-
fall - hat event. meine Wittwe Pensionsanspruch?
Erst wenn mir genauer Bescheid über diese Punkte geworden, kann ich zu einer entscheidenden Vergleichung
mit meiner hiesigen Position in artistischer und materieller Hinsicht gelangen.
Euer Hochwohlgeboren werden es begreiflich finden,
daI3 ich nur auf eine provisorische mündliche Besprechung hin nicht meine Entlassung von einer ehrenvollen und definitiven Staatsanstellung, wie meine hiesige ist, nehmen kann, und bitte ich deBhalb um gefEllige und so viel als thunlich bestimmte Fixirung
obengenannter Punkte. Soilte Ihre Antwort eine in
meinem Sinne gUnstige sein, wie ich wUnsche, so werde
ich die Ehre haben, mich Ihnen persönhich vorzustellen; ohne dieselbe die Reise nach Frankfurt zu unternehmen, ware mir schon aus dem Grunde unthunlich, weil
an unserer Anstalt jeder Urlaub von mehr als drei Tagen von Direktion und Ministerium genehmigt und gehong schriftlich motovirt sein mui. Ich laugne nicht,
daf ich mit Sehnsucht Ihrer baldigen gefälligen Antwort entgegensehe die wahrscheinlicherweise Uber meine 'Zukunft entscheiden .wird und zeichne in der angenehmen Hoffnung, da1 sich die Angelegenheit zum besten
Gedeihen der Hoch'schen Stiftung gestalten mOge - als
Euer Hochwohlgeboren gehorsam ergebener
Josef Rheinberger
kgl. Prof. u. Inspektor der kgl. Musikschule
München den 5. Febr. 1877.
- 65 -
In MUnchen fiihrt Rheinberger Verhandlungen über sein
sein Verbleiben. Die Direktion eröffnet ihm darauf:
Direction der Königlichen Musikschule
Betreff:
Die Berufung des k. Professors und Inspektors Josef
Rheinberger nach Frankfurt.
Vorn k. Staatsministerium des Innern für Kirchen- urid
Schulangelegenheiten ist der unterfertigten Direction
der angenehme Auftrag geworden, Ihnen betr. Ihrer
Berufung nach Frankfurt zu eröffnen, dat es beschlossen habe, den Bedingungen, unter weichen Sie die Ihnen
angetragene Directionsstelle an der neu zu grUndenden
Musikschule in Frankfurt a.M. ablehnen wUrden, stattzugeben, Ihnensonach den Unterricht im Orgeispiel für
die untere Abtheilung abzunehmen und nur mit dem in
der oberen Abtheilung mit 2 Wochenstunden zu belassen.
Sie werden von diesem ministeriellen Erlasse mit dem
BeifUgen in Kenntnif3 gesetzt, baldgefälligst aus den
Lehrern der Anstalt diejenige Persönlichkeit zu bezeichnen, weiche geeignet ware, den Orgelunterricht
in der unteren Abtheilung zu übernehmen, desgleichen
Ihre Ansicht darüber äufern, ob es nicht angezeigt
ware, dem fraglichen Unterrichte, der mit 3 Stunden
ziemlich dürftig bedacht ist, noch eine 4. Stunde anzureihen.
Die unterfertigte Directionbenütztmit Vergnügen diesen Anlat3, ihrer grol3en Freude dartiber, da6 Sie der
k. Musikschule erhalten bleiben, Ausdruck zu geben
und verbindet damit den Wunsch, Sie noch länger in
Ihrer der Schule bisher so segensreich gewesenen Thätigkeit wirken zu sehen.
von Perfall
Die "Augsburger Abendzeitung" macht Rheinbergers Entscheidung am 23. Februar 1877 bekannt:
MUnchen, 21. Febr. Mit lebhafter Freude begrü6en wir
- 66 -
die angenehme Nachricht, daf Hr. Professor Rheinberger, Dank der entgegenkommenden einsichtsvollen WUr-
digung des k. Kultusministeriums, weiches dem vielbeschäftigten Lehrer eine Funktionserleichterung gewährte,Mtinchenund der hiesigen kgl. Musikschule erhalten bleibt. Rheinberger, weicher als Komponist
sein Opus 100 bereits vollendet und im frischesten
Mannesalter steht, wird nun Mule haben, neben den
anstrengenden Berufsgeschäften seiner erfoigreichen
und ebenso.erfreulichen als bedeutsamen Kompositionsthätigkeit nach wie vor zu obliegen. MUnchen darf
stolz darauf seyn, ihn fortan zu den Seinigen zu
zHhlen.
Dr. Hartmann in Frankfurt a.M. schreibt an Joseph
Rheinberger:
Frankfurt a.M. 26.2.1877
Sehr geehrter Herr Professor!
Ich komme erst heute dazu, Ihnen zu sagen, wie sehr
Ihr rascher Entsch1uf, unsern Antrag abzulehnen, Unser aufrichtiges Bedauern erregt hat. Obwohl ich
Ihnen in Bezug auf Ihre Motive ganz und garnicht Unrecht geben kann, so hätte ich doch lebhaft gewtinscht,
da1 Sie vor einer definitiven Entscheidung Ihre frUhere
Absicht ausgefUhrt hätten und uns auf einige Tage besucht batten. Vielleicht wiirde doch der Eindruck an
Ort und Stelle em günstiger gewesen sein und hätte
Sie dadurch bestimmt, unsern Antrag noch etwas ernstlicher in Erwägung zu ziehen.
DaB man Sie in MUnchen nicht gerne ziehen läBt, davon
war ich von vornherein Uberzeugt; uns bleibt jetzt
nichts weiter Ubrig, als die Mtinchener und die Musikschule zu beglückwünschen, daB ihr eine so aligemein
anerkannte, ausgezeichnete Lehrkraft erhalten bleibt.
Indem ich mich Ihnen und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin empfehle, zeichne ich mit herzlichen Grül3en
Ihr ganz ergebener
Dr. Hartmann.
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In einem Brief an semen Bruder nennt der Komponist
Grunde für seine Absage.
Mein lieber David!
Wenn ich Dir sehr lange nicht geschrieben habe, so
mul3t Du ja nicht glauben, daf ich Dich vergessen hätte
- ich schreibe aut3er den nöthigsteri geschäftlichen
Briefen eigentlich fast nur Noten. Uber die sonstigen
Vorkommnil3e seid Ihr, Du u. Vater, doch immer durch
Fanny im Laufenden erhalten. Wenn ich von dem Speziell-
musikalischen, was ja für Dich wenig Interesse haben
kann, absehe, so habe ich auch dief3mal wenig zu berichten. DaB ich nahe daran war, nach Frankfurt Uberzusiedein, weif3t Du wohl; doch glaube ich, wenigstens
als Komponist besser gethan zu haben, hier zu bleiben,
obschon die Frankfurter his zu 10000 M. Gehalt geboten
htten. Dafür ist Frankfurt viel theurer als München
und das Leben für einen Künstler dort unter den ton-
angebenden Geldmenschen aus dem "Landgericht Jerusalem"
eben speziel nicht angenehm. Und schlieBlich ist mir
die freie Zeit, die ich für künstlerische Produktion
verwende, tiberhaupt für Geld nicht feil! - urid so bin
ich geblieben. Die Geldwirren in Liechtenstein scheinen
sich nun gelegt zu haben; ich stelle mir dergleichen
recht ungemüthlich vor, wenn man so mitten in diesen
kleinlich egoistischen und unerquicklichen Kirchthurms-
interessen ausharren und mitmachen mulL Wie Peter frtiher
berichtete, hast Du Dich ganz in Deine Einsiedlerrolle
eingelebt - ich kann mich heuer noch nicht entschlieBen
nach Vaduz zu kommen. Die Leere weiche unsere unvergel3-
liche Maly /hinterlief3/ ist mir noch zu neu. Ohne abergläubisch zu sein, möchte man es aber fast werden, wenn
man bedenkt, daB nach jedem unserer Besuche der Tod in
unserer Familie einkehrte. Ihr dtirft es mir nicht Ubel
nehmen, wenn ich dief3mal nicht komme,- aber das elterliche Haus in seiner jetzigen Vereinsamung würde mir
einen geradezu ziemlich melancholischen Eindruck machen.
- 68 -
Glaube ja nicht, lieber David, dat es mir nicht eine
grofe Freude ware, Dich und Peter zu sehen und daf
ich Dir nicht die Theilnahrne und Liebe eines herzlich
ergebenen Bruders bewahre; aber ich kann Dir gar nicht
sagen wie entsetzlich traurig es mir vor 2 Jahren,
die lieben Eltern nicht mehr, und Maly in so leidendem Zustand zu finden. Darüber hilft Gottlob die Zeit
hinweg, aber sie hat noch nicht hinweg geholfen. Pöhly
aus Sdhlanders schreibt von Zeit zu Zeit und hat mir
auch seine Photografie geschickt.In diesen Ferien will einer meiner Schiiler, em Hr.
von Welz, die Vaduzer Orgel besuchen, wenn Du oder
Peter ihm freundlich sein k6nnt, so bitte ich darum;
er wird in keiner Art lEstig sein.Unsere Ferien sind heuer vorn 15/7 - 15/9, also urn zwei
Wochen vorgerückt; zunächst gebrauche ich wie immer
in Kreuth die Molkenkur (und meine Frau die Luf tkur") und sodann möchten wir wieder em StUck Welt
kennenlernen, das heift elne Reise thun. Den nachsten
Brief erhältst Du also aus Kreuth.
In der Hoffnung, daf Du, Peter und Familie, Euch in
bester Gesundheit befindet, verbleibe ich
Dein Dich herzlich liebender Bruder
J. Rheinberger.
MUnchen den 19.5.77.
Meine Frau grUBt bestens. Gerne möchte ich Dir für
Deine Bibliothek em schönes Buch geben; sei so freundlich mir Deine WUnsche mitzutheilen
D.O.
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Franz WUilners nachfolgender Brief von 18. Mai 1877
eröffnet Rheinberger die Moglichkeit, zusätzlich zu
seiner bisherigen Aufgabe Hofkapellmeister für Kirchenmusik in München zu werden:
Verehrter Herr Professor!
Den ganzen Tag habe ich heute zu Ihnen kommen wollen,
aber nicht eine freie Minute gefunden. Ich habe Ihnen
mittheilen wollen, was Sie wahrscheinlich schon wissen, dafnämlicheine M6glichkeit vorhanden ist, dal3
ich München verlasse, urn nach Dresden zu gehen. Ich
hätte gewllnscht, Sie hätten es zunächst von mir selbst
erfahren. Aber auf eine mir unerklärliche Art ist das
GerUcht in die öffentlichkeit gelangt, ehe ich selbst
den offiziellen Antrag, den ich vorgestern bekam, erhalten hatte. Wie schwer es mir werden wUrde, meinen
hiesigen Wirkungskreis aufzugeben, so viele gute Freunde und Collegen zu verlassen, brauche ich Ihnen wohi
nicht zu sagen. Noch kann es sich ja auch wenden, daB
ich hier bleibe, obwohl - wie die Sachen augenblicklich liegen - die Wahrscheinlichkeit meines Fortgehens
die gröBere 1st.
Seien Sie mit Ihrer Frau Gemahlin herzlichst gegriiBt
von Ihrem treulichst ergebenen
F. Wüllner
München, den 18.5.77
Nach Wüllners definitivem Ausscheiden als Erster Hofkapelirneister in München tritt Rheinberger in Verhandlungen urn seine Nachfolge.
Der General-Intendant der Königlichen Theater und der
Hofmusik, Carl von Perfall, schreibt an Rheinberger:
Sehr geehrter Herr Professor!
Da es nöthig ist, vor meiner officiellen Berichterstattung an S.M. den König Herrn Hofrath v. DUfflipp
Uber unsere Verhandlungen und schlieBliche Elnigung
Mittheilung zu machen, urn von seiner Seite als Referenten bei der seinerzeitigenVorlage an den König des
volikommensten Einverständnil3es sicher zu sein, er-
-
70 -
laube ich mir zur Ergänzung unserer bisherigen gepflogenen Besprechungen Ihnen mitzutheilen, dal3 die Dienste
in der Allerheiligenhofkirche stets erst mit Weihnachten beginnen und mit dem 10. Mai enden, daIs hierzu nur
noch der Dienst in der Fronleichnamsoktav und fernerst
die Gedächtni1feierfUr weiland Kdnig Max II. in der
Theatinerkirche kommt, so da8 sich Ihre Thätigkeit im
Jahr auf circa 50 Dienste erstrecken wtirde, zu denen
sich die hiezu nöthigen Proben gesellen.
Wären Sie nun einverstanden, wenn Sie mit der Ernerinung
zum K. Hofkapellmeister und als soicher mit der Direktion der smmtlichen könlgilchen Kirchendienste einen
Gehalt von 1600 Mark erhielten, aus weichem Ihnen selbstverständlich seiner Zeit wie jedem Hofdiener die in analoger Anwendung der Staatsdienerpraginatik Ihnen zukommende Pension zugesprochen werde?
Mich Ihrer Frau Geinahlin auf das Beste empfehlend,
zeichne ich mit der Versicherung vorztiglicher Hochachtung als Ihr Sie hochschätzender
Höhenried,
26.
Juli
B. v. Perfall
1877
Briefentwurf J. Rheinbergers an Carl Baron von Per-
fall:
Bad Kreuth,
29.7.77
Ew. Excellenz
gefälliges Schreiben vom 26. d. M. traf mich bier in
Kreuth und beehre ich mich vor definitiver Beantwortung um Kiarstellung einiger Punkte zu bitten - und
zwar:
ist der Gehalt von 1600 Mark em Antrittsgehalt, d.h.
mit den Jahren steigend und hat auch Hofkapellmeister
WUilner unter denselben pekuniären Bedingungen die
Stelle dereinst angetreten? Nach detaillirter Berech-
nung scheinen sich mir die Anzahl der Dienste auf
circa 70 zu belaufen; doch 1st es weniger dies als
die Ehre der Stellung und des Titels, die die damit
verbundene Gehaltssumme (die ich mir als auf minde-
- 71 -
stens 1200 fi. normirt dachte) als sehr m.t3ig erscheinen lassen. Ferners bitte ich urn Auskunft, ob das Personal der Kgl. Hofcapelle zur Probe verpflichtet 1st,
so oft es der Capeilmeister für nothig erachtet und
wie es im event. Krankheitsfall des Letztern zu halten
ist. Ew. Excellenz werden mir diese Fragen freundlichst
zu Cute halten und mich durch deren gUtige Beantwortung zu stetern Danke verpflichten.
Kirchendienste = Allerheiligenkirche
Allerheiligen Messe
Allerheiligen Vesper
Weihnachtsrnette
1. Tag = Arnt
1. Tag = Vesper
2. Tag = Amt
Sylvester Abendandacht
Neujahr Amt
Neujahr Vesper
10-13) Januar 1.-4. Sonntag
14) Lichtmess
15-18) Februar 1.-4. Sonntag
19-22) Maerz
1.-4. Sonntag
23-26) April
1.-4. Sonntag
Fasten:
Ascherrnittwoch
Freitag - 1. Woche
Samstag
Montag - 2. Woche
Mittwoch
Freitag
Samstag
Montag - 3. Woche
Mittwoch
Freitag
Sarnstag
4. Fastenwoche
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Montag
Mittwoch
Freitag
Samstag
5. Fastenwoche
Montag
Mittwoch
Freitag
Samstag
Charwoche
45) Mittwoch Matutin
Donnerstag Amt
Matutin
Miserere
Freitag
Mit & Ceremonien
Matutin
Miserere
Amt & Ceremonien
Auferstehung
St. Josefstag
Mariae VerkUndigung
Ostermontag
Frohnleichnam
59-60) Frohnleichnam-Vesper
61-67) Frohnleichnam-Octav
Requiem f. König Max
Georgi Ritterfest
Sonntag im Mai
Sonntag im Mai
Christi Himmelfahrt.
Hiezu die nöthigen Proben.
- 73 -
Von Perfall antwortet Rheinberger:
Geehrter Herr Professor!
Ihre Zeilen von 29. v. Mts. erwidernd erlaube ich mir,
Ihnen folgendes mitzutheilen:
Der Gehalt vorn 1. Cap.M. ist in so ferne kein definitiver zu nerinen, als auf Antrag der Intendanz S.M. der
Konig schon so und so oft Gehalt erhöht hat und es keinem Zweifel unterliegt, daf, wenn Sie em oder zwei
Jahre Hofkapellmeister waren, auch Ihr Gehalt erh6ht
werden wird, wenn Sie sich entschlieten soliten, mit
1600 Mark die Stelle zu Ubernehrnen.
Bei Ihnen eine Steigerung des Gehaltes z.B. von fünf
auf fUnf Jahre auszusprechen dürfte nicht wohi geschehen könne, weil es sich beilhnenja nicht urn einen
Vertrag, sondern urn eine Anstellung handelt, bei Anstellung aber soiche zugesagte Cehaltssteigerungen niemals usus waren.
Was Wtillner hatte, als er angestelit wurde, weif ich
nicht genau, weil ich den Etat hier nicht bei Händen
habe, aber jedenfalls hatte er mehr, weil auch seine
Verpflichtungen danials weiter reichten wie die Ihrigen; er hatte nämlich auch die Verpflichtung, die Hofconcerte mit zu dirigiren und späterhin wurde er auch
zur Lektion irn Theater verpflichtet, ohne hieftir mit
rnehr als einem Funktionsbezug von etwas über 500 Mark
bedacht zu werden.
Die Hofconzerte sind nun aber als vdllig tiberwunden
zu betrachten, so daB thr Wirkungskreis /geringer 1st!
als es seiner Zeit bei Whiner der Fall gewesen.
Obrigens stehe ich nicht an, Ihren Gehalt auf 2000
Mark zu beantragen, urn Ihren WUnschen soweit wie mög-
lich gerecht zu werden.
Ihre Berechnung der Dienste auf 70 ist zu hoch, viel
mehr als 50 khnnen es unmtiglich sein.
Was die Proben anbeiangt, so sind die Mitgiieder der
Hofkapeile selbstverständlich dazu sehr verpfiichtet
und khnnen Sie unbeschränktest nach Ihrem GutdUnken
schalten und walten.
elgentlich Ailerhtichst bestimmter Ersatz.ftir den
Em
Kapelimeister in KrankheitsfHilen bestand niemals, war
- 74 -
Wüllner verhindert, so Ubernahm Chordirektor Schwab
oder Hofkapellmeister Meyer die Funktion mit Genehmigung der Intendanz.
Indem ich hiermit alle Ihre Fragen beantwortet zu haben glaube, hoffe ich zugleich alles geebnet zu haben, urn von Ihnen die mir so hoch freudige Zusage zu
erhalten, weiche mir nothwendig, urn berichtlich vorsprechen zu können.
So wie Ihre Frau Gemahlin bestens grU6end, zeichne ich
als Ihr Sie hochschätzender
Carl von Perfall
Hdhenried bei Bernried
am 1. August 1877.
Rheinberger teilt Perfall seine Entscheidung in folgendem Schreiben mit:
Euer Excellenz
giltigen Brief habe ich heute erhalten und beeile mich
Ihnen meinen ergebensten Dank für die frdl. Beantwortung meiner Fragen auszusprechen. Ich nehme die mir
proponirte Hofkapellmeisterstelle, so wie E. Exc. mir
dieselbe angeboten haben, an, in der Voraussetzung,
daB der Gehalt von 1600 Mark nach einem oder längstens
zwei Jahren auf 2000 Mark fixiert werden möge und vertraue hierin vollständig Ihrem wohlwollenden Entgegenkommen. DaB ich, wenn mir die Stellung anvertraut ist,
bestrebt sein werde, dieselbe nach bestem Wissen und
Können auszufüllen, ist selbstverständlich, umsomehr,
als die in derselben zu pflegende, ernste Kunstrichtung mir von je her in hohem MaBe sympathisch war. Indem ich nochmals die Gelegenheit ergreife, Ihnen für
das mir in dieser Sache bewiesene Vertrauen meinen
tiefsten Dank auszusprechen, verbleibe ich wie immer
E.E. gehorsamst ergebener
Josef Rheinberger
Bad Kreuth 4.8. 1877.
Meine Frau dankt vielmals für Ihre gütige Erinnerung
und 1st sehr erfreut Uber diese Wendung der Angelegenheit.
- 75 -
Der General-Intendant der koniglichen Theater und der
Hofmusik bekundet seine Zufriedenheit über das Verhandlungsergebnis mit folgendem Brief:
Sehr geehrter Herr Professor!
Der Inhalt Ihres Briefes d.d. 4. hat mir unsägliche
Freude gemacht, da er mir die GewiIheit gibt, Sie und
damit - nach meiner volisten Uberzeugung sei es gesagt - den Besten unter Allen für die fragliche Stelle errungen zu haben. Jetzt ist es doppelt zu preisen,
daf es dereinst mit Frankfurt nichts geworden. Sobald
das Entlassungsgesuch WUllners von S.M. dem Kdnig verabschieden sein wird, werde ich umgehend den Bericht
an S.M. wegen Ihrer Ernennung gelangen lassen. In diesem Bericht werde ich selbstverständlich auch anführen,
da2 ich Ihnen die Zusicherung einer Gehaltserhohung
auf 2000 Mark innerhaib der ersten zwei Dienstjahre gegeben habe, so da8 alsdann eo ipso mit der Genehmigung
Ihrer Anstellung auch diese derartige Zulage als genehmigt zu betrachten ist.
Sie und Ihre Frau Gemahlin bestens grUfend
Ihr
Baron von Perf all
Höhenried am
8. August 1877
Die Augsburger Abendzeitung vom 21.9.1877 meldet:
Nichtpolitische Zeitung.
München, 20.Sept. Mit grof3er Freude wird in musikalischen Kreisen die erfolgte Ernennung des kgl. Professors Josef Rheinberger zum Hofkapellmeister für
Kirchenmusik an Stelle Wüllners aufgenommen. Man
sagt mit Recht, daf eine glucklichere Wahi nicht wohi
getroffen werden konnte. 1st ja doch Rheinberger's
ernste und gediegene klassische Richtung, sein theoretisches Wissen und sein praktisches Können hinlänglich bekannt und wurde durch ihn der hiesige Oratorienverein seit Jahren so trefflich geleitet, daB hierdurch auch sein Chordirektionstalent zweifellos fest-
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steht! Mit Bestimmtheit steht nun wohi auch die Fortsetzung jener herrlichen musikalischen GenUsse zu erwarten, weiche in den Soiren der kgl. Vokalkapelle
unter Wüllner's Leitung so reichlich erfreuten. Möge
letzterer in der k. Musikschule einen ebenso tüchtigen Nachfolger finden, wie in der k. Hofkapelle.
Hermann Levi (1839-1900), Hofkapellmeister an der kgl.
Oper in MUnchen gratuliert Joseph Rheinberger:
Alexanderbad, 20.9. 1877.
Verehrter Herr College!
Soeben lese ich in der tiAligemeinenit
was ich längst
erwartet und - gehofft hatte. Nehmen Sie meine aufrichtigen und herzlichen GlückwUnsche freundlich an!
Lassen Sie uns gute Collegen sein, und gute Freunde!
Von ganzem Herzen reiche ich Ihnen die Hand zu emträchtigem Zusammenwirken und hoffe, da8 Sie emschiagen und daI3 aus unserem Bunde nicht nur für uns
selbst, sondern auch für die musikalischen Verhältnisse MUnchen's Gutes erblühen möge! Als ich bei meinem letzten Besuche von Ihrer Ernennung als etwas
Selbstverständlichem sprach, waren Sie so still, ja
ablehnend, daf ich fast glaubte, Sie wünschten die
Stellung nicht, was mich einigerma1en wunderte, da sie
mich elne der begehrenswerthesten dUnkt. Nun freue ich
mich, da1 ich mich getäuscht habe. Also nochmals meinen GlUckwunsch und - auf gute Cameradschaft!
Ich habe schwere, trostlose Zeiten durchgemacht, eine
nicht unbedenkliche Krankheit, von der ich mich noch
immer nicht ganz erholt habe. Doch bin ich soweit,
nächster Tage von hier abreisen zu kdnnen. Der Arzt
wünscht, daIs ich nicht direkt von hier aus nach München zurückgehe; von der hiesigen Einsamkeit zu dem
Gerusche des Stadtlebens und den Anstrengungen des
Berufs ware em gar zu jäher Wechsel, der mich leicht
wieder zurückwerf en könnte. Ich will nun nächsten
Sonntag im Nürnberger oder Regensburger Theater probiren, wie ich Musik und Hitze und MenschengewUhl ertrage, und hoffe mich dann Ende dieses Monats zum
- 77 -
Dienst melden zu können. Grof3e Freude hatte ich durch
das Zusammensein mit Hoisteins, die 14 Tage hier Waren. Leider war er immer recht unwohi; wir haben manches Klageduett zusammen gesungen! Mit der Bitte,
mich Ihrer Frau Cemahlin zu empfehlen, und mit
freundschaftlichem Grul3e Ihr ganz ergebener
Hermann Levi.
Alexanderbad,
29 .9. 77
Eine Cehaltserhöhung krönt das Avancement;
die Direction der Königlichen Musikschule teilt mit:
MUnchen, den 21.9. 1877
Betreff:
Die Cehalte der Staatsdiener.
Seine Majestaet der Koenig haben im Nachgange zur allerhöchsten Verordnung vom 12. v. Mts., die Gehalte
der Staatsdiener betr., durch allerhöchstes Signat
/unter dem/22. August 1. J. Ihre Beztige vom 1. Januar 1. J. an auf 3360 Mark Gehalt und 180 Mark Functionsbezug allergnädigst festzusetzen geruht.
Die Cassaverwaltung ist angewiesen, die mit der neuen
Festsetzung verbundenen Mehrungen unter Beachtung der
bestehenden Zahlungsnormen und unter Abnehmung der
seit 1. Januar 1. J. bereits bezahiten Raten, sowie
der sich erhöhende Wittwen- und Waisenfondsbeitrâge
und der in der Ubersicht berechneten Taxen und Gebilhren, weiche dieselbe nach Ablauf des Quartals an die
K. Centralstaatscassa abzuliefern hat, an Sie auszuzahien.
Baron Perfall
Mit dem Antritt des Amtes als Hofkapellmeister für
Kirchenmusik hatte Rheinberger 1877 den Zenit seiner
Karriere erreicht. Er tritt von der Leitung des Oratorienvereins zurUck und der neue Wirkungskreis f indet Niederschlag inseinenKompositionen. Unvermittelt erscheint die A-cappella-Satztechnik im Interessenfeld des Komponisten und der Kulminationspunkt
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dieser Entwicklung ist zu Beginn des neuen Jahres mit
der groBen doppelchörigen Nesse in Es-dur, op. 109
erreicht, einem Werk, das zu den bedeutendsten Schöpfungen seiner Gattung im 19. Jahrhundert zählt.
DaB auch weitblickende Cäcilianer, wie etwa F.X. Haben in Regensburg, Rheinberger als Autonität you
akzeptierten, geht aus folgender Bitte hervor:
Regensburg, 23.7. 1877.
Sehr geehrter Herr Professor!
Sie werden meine Bitte, mit der ich Sie auf einige
Minuten belastige, nicht als Zudninglichkeit auffassen.
Die Räthsellösung des C.K.1877 hat mir eine Fluth von
"Fugetten" eingetragen; eine davon habe ich mit 20
Mark zu honoriren, und darum gilt es, unter vorliegenden 7 von mir zur Concurrenz zugelal3enen Arbeiten
die beste auszuwhlen. Es war eine Fugette venlangt
Uber das Thema ABBACH - bitte helfen Sie richten! Zwei hiesige Musiker haben bereits ihre Ansicht ausgesprochen, ich erbitte mir auch Ihr maBgebendes Urtheil, urn aus meinen Zweifeln zu kommen. Wenn rnöglich, so wEre mir eine Entscheidung bis lEngstens 8.
August sehr erwUnscht.
Unter hochachtungsvollen GntiBen an Ihre Frau Gemahlin
zeichnet Ew. Wohlgeboren ergebenster
Fr. X. Haberl,
Dornkapellmeister
Franziska Rheinberger bedankt sich für die GlUckwünsche aus Vaduz mit folgenden Zeilen:
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München 21. Sept. 1877.
Lieber Schwa ger David!
Curt hat grol3e Freude an Deinern Teiegramm gehabt, welches Abends 1/2 8 Uhr ankarn, als wir gemütlich bei Tee
sal3en. Schon des Morgens, ais wir diese Mitteilung in
der ailgemeinen Zeitung lasen, sagte Curt: "Da wird David schauen", und richtig scheint es Dich angenehm
überrascht zu haben. Gebe Gott semen Segen dazu. Irn
übrigen ist Curt gewiss der rechte Mann für diese Stelie
und sie wurde ihm ehrenvoli angetragen, ohne daB er den
leisesten Schritt getan, urn sie zu erhalten. Möge er
em rechter Jünger der hi. Cäciiia sein. Es war recht
lieb, daB dieses freudig teiinehmende Telegrarnrn aus Vaduz kam, und tat Curt wohi. Er wili diesen Zeilen seibst
noch einige beifügen. Peter wird Dir rnitgeteiit haben
wie wir diese 9 wöchentlichen Ferien zubrachten, Curt
hat sehr ausgeruht, keine Note geschrieben - mit Ausnahme eines Zlibumblattes für Prinz Heinrich IV. Reuss,
urn weiches ihn dieser aus Wien bat und da dessen Motto:
"Ich bau auf Gott" gerade die Schiussworte der Oper "Die
sieben Raben" sind, so schrieb er ihm einige Takte des
Finaies em. Diese Hofkapeilmeistersteile hat das Gute,
daB sie mit dern Theater nichts zu tuen hat. Sonst hätte
er sie gar nicht angenommen. Der eigentliche Dienst dauert nur von Dezember bis Mitte Mai und wenn Curt heute
nicht rnehr Lust hätte, an der Musikschuie zu bleiben, so
hätte er doch noch diese schöne ehrenvolle Steile. Wie
würde sich Maly darüber gefreut haben. Giaubst Du!?/. . . /
Der Komponist schreibt an David Rheinberger in Vaduz:
- 80 -
Mein lieber Bruder!
Vor allem meinen herzlichen Dank für deinen telegr.
GlUckwunsch; ich hätte Euch die Nachricht lieber selber
mitgetheilt und woilte erst das Dekret abwarten, (das
noch nicht ausgefertigt ist) als die Zeitungen mir
vorkamen. Da dieser Dienst mit dem Theater nichts zu
thun hat, so wird er sich hoffentlich als angenehm erweisen;
Du bist durch Fanny au fait, wo wir überall in der
Ferienzeit waren - das Wetter war überall gleich schlecht.
Bei Zell am See sahen wir auch das herrliche Schlo8
Fischhorn, das unserem Fürsten gehört. So solite er Vaduz
ausbauen'. Herr von Hausen war so freundi. mir zu gratuliren; ich werde ihm heute noch danken.- 1st für Hrn.
Landrichter Ke6ler schon Ersatz da? Bitte, grü8e Peter
u. Familie aufs Beste und nimm mit den wenigen Zeilen
vorlieb, da ich jetzt viel zu thun habe.
Mit herzl. Gru8e Dein Bruder
Josef Rheinberger
Am 1. Oktober 1877 übernahm Rheinberger als kgl. Hofkapeilmeister die Leitung der kgl. Kirchendienste. Uber
semen ersten Auftritt berichtet er seinem Bruder David
am 8. 12.1877:
Heute (Maria Empfangnis) traf es mich zum erstenmale in
Galauniform zu amtiren. Damit Du wei8t, wie schön ich
dabei war, so will ich Dir em getreulich Bud derselben
mit Worten abconterfeien. Es war nemlich heute in der
alten Hofkapelle der Residenz der St. "Georgiritterordensfestgottesdienstt' und da dirigirte ich das Hochamt im
grünen Frack mit reich goldgesticktem Kragen und SchöBen,
wei8em langen Gile mit gro8en Goldknöpf en, den Degen an
der Seite und Schiffhut mit Goldquaste und Kokarde etc.
kurz und gut, so wie man es eben im vorigen Jahrhundert
trug,- da war ich gar arg schön, so daB es schier nicht
zu sagen; kostete der Anzug 370 Mark. Alles his zum letzten Knopf vorgeschrieben - daB da die Musik schön klingen
muB, ist selbstverstHndlich.-
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Mit dem Antritt seines neuen Amtes als Hofkapellmeister
legte Rheinberger die Leitung des Oratorienvereins nieder, die er 1864 nach der Ernennung von Karl Freiherr
von Perfall Ubernommen hatte.
Die erfoigreiche Fortsetzung der Konzerttatigkeit war
damals allein Rheinberger zu verdanken. Anläf3lich seines 25jährigen Bestehens stelit die Vereinschronik des
Oratorienvereins fest:
"Da13 der Oratorienverein die 1864 durch Perfalls Ausscheiden hereingebrochene Krisis gliicklich überwand,
ist im Wesentlichen das persönliche Verdlenst seines
neuen Dirigenten, Joseph Rheinberger gewesen.
Dieser ausgezeichnete Musiker war schon in jugendlichen Jahren unmittelbar nach GrUndung des Vereins mit
dem Letzteren in Beziehung getreten, .und hatte seitdem
den Dirigenten durch Uebernahme der Klavierbegleitung
in den Uebungen und AuffUhrungen in der dankenswerthesten Weise untersttitzt. Seit dem Jahre 1859 UberdieB
zum Ersatz-Dirigenten des Vereins gewählt, hatte er bei
vorUbergehender Verhinderung des Baron Perfall Gelegenheit gehabt, diesen in der Leitung des zweiten Concerts
für 1863/64 zu vertreten. Der Erfoig des Direktionsdebuts war em derartiger, dais der Wunsch, so bewährten
Händen das Schicksal des Vereins dauernd anvertrauen zu
können, als selbstverständlich erscheinen muf3te. Es erfolgte denn auch nach Wiedereroffnung der Proben im
neuen Vereinsjahre die definitive Wahi Rheinbergers und
zwar durch einstimmigen Beschlul3 der Generalversammiung.
Das erste Concert, in weichem der neugewählte Dirigent
sich den aut3erordentlichen Mitgliedern präsentirte, f and
am 5. Dezember 1864 statt. Es zeichnete sich durch em
besonders anziehendes Programm aus und erhielt in der
Pressedasschwerwiegende Lob, dat3 es 'zu den schönsten
Leistungen des Vereins' gehörte. Hiemit war dergedeihliche Fortbestand des Unternehmens auch in der Oeffentlichkeit zur Anerkennung gebracht.
Die zwölf Jahre, in weichem der neue Dirigent seines
Amtes waltete, waren in der That Jahre fortwährender erfreulicher Entfaltung. Sie sind durch wenige bemerkenswerthe äut3ere Ereignisse bezeichnet. Ihr reicher Inhalt
ist in den Concertprogrammen niedergelegt und diese beweisen, da8 die PersonalEnderung den kUnstlerischen Cha-
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rakter des Vereins nicht tangirt hat, sondern daB derselbe fortfuhr, nach wie vor semen Schwerpunkt in der
Pflege der klassischen Oratoriumsmusik zu finden, ohne
eine angemessene Rücksichtnahme auf die zeitgenössischen
Compositionen aus dem Auge zu verlieren.
Im April 1867 war dem Vereine die Freude beschieden,
semen Dirigenten zum Hochzeitsfeste beglUckwunschen zu
können. Es geschah dieses mit urn so gröBerer Wärme, als
auch die Gemahlin desselben zu den verdientesten und
verehrtesten Veremnsmitgliedern gehört, die in frUherer
Zeit manche AuffUhrung durch ihren künstlerisch gediegenen, poesievollen Sologesang (unter dem Namen v. Hof fnaa8) verschönt hatte. Professor Rhemnberger erwiderte
die Festgabe des Vereins durch Dedikation seiner schönsten Chorlieder op. 2.
Eine hartnHckige Erkrankung nöthigte im FrUhjahr 1870
den Dirigenten, dem Vereine fern zu bleiben und schlieBlich die Leitung interirnistisch dem gewEhiten ErsatzDirigenten, Professor Heinrich Schönchen, abzutreten,
weicher am 23. Mai den Chor zum erstenmale in einem Concerte dirigirte und hiebei das Oratorium "Samson" von
Handel mit Begleitung des Orchesters unter bestem Erfolge zur Auffuhrung brachte. Das statutenmä6ige dritte
Concert dieses Jahres muBte wegen vorgerückter Zeit unterbleiben.
Das Jahr 1871 verzeichnete, abgesehen von einer Revision
der Statuten, den nicht unwichtigen BeschluB, den Vereins-Concerten kUnftig eine gröl3ere PublizitEt zu verleihen. Mit fast Hngstlicher Sorgfalt war anfHnglich das
nicht zum Kreise der aul3erordentlichen Mitglieder gehörende Publikum von den Aufführungen ferne gehalten
worden. Die Generalversammlung vom 18. November 1854
hatte festgesetzt, daB nur ausnahmsweise fremden Musikfreunden auf speziellen Antrag eines ordentlichen Vereinsmitgliedes und durch Beschluss der Vorstandschaft
die ErlaubniB zum Besuche einer Produktion ertheilt werden dürfe. SpEter war das Antragsrecht auf die auBerordentlichen Mitglieder ausgedehnt worden. Eine so
strenge ZurUckhaltung konnte bei der zweifellosen ktinstlerischen Erstarkung des Vereins und nach jahrelanger
Gewöhnung der Mitglieder an em Auftreten im Concertsaale nicht mehr zeitgemal3 erscheinen. Es wurde daher
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beschlossen, den Zutritt Fremder zu den Vereinsproduktionen kUnftig von der Erftillung bestimmter Formalitäten unabhängig zu stellen. Diese Maf3regel bewährte sich
in der Praxis auf's Trefflichste. Sie trug die Wirksamkeit des Vereins in weitere bis dahin von ihr unberührt
gebliebene Kreise, und steigerte die Zahi der Zuhörer
in dem Maf3e, data bei AuffUhrung besonders beliebter Tonwerke die gewohnten Räumlichkeiten of tmals kaum mehr
ausreichend schienen, ohne dai3 jedoch der durch die Organisation bestiminte Charakter des Vereins, weicher die
Concertirenden zunächst auf em, verhältnil3mäf3ig geringen
Schwankungen unterliegendes, Stammpublikum anweist, hiedurch beeintrachtigt worden ware. Immer noch konnte der
Gesammtverein sich als eine innerlich verbundene Gesell-
schaft betrachten; nur hatte die Gesellschaft aufgehört,
sich in ungastlich abgeschlossenen Räumen zu bewegen.
Zu den Kriterien des unverändert fortdauernden Gesell-
schaftcharakters 1st in erster Linie das Bestreben des
Vereins zu zählen, die zur Auffuhrung gewählten Werke
moglichst auch in ihren Solopartien durch Vereinsmit-
glieder zu besetzen. Es ist zwar aus den verfiossenen
25 Jahren eine stattliche Reihe hervorragender Beruf s-
Sänger und Sängerinnen zu verzeichnen, weiche nicht
verschmaht haben, ihr künstlerisches Vermogen mit den
Leistungen eines Dilettantenkreises zu vereinen. Auch
weitberUhmte Namen finden sich darunter, wie z.B.
Caroline v. Mangstl, die Ehepaare Diez und Vogl, die
Damen Wekerlin, Förster und N.C. Serger. Allein das
Auftreten so auserlesender Künstler bildet doch nur die
Ausnahme, und der Mehrzahl nach konnten die Solopartien
auch in Tonstiicken, welche ungewohnliche Anforderungen
an die Gesangsbildung stellen, Mitgliedern des Vereins
selbst anvertraut werden, em Umstand, auf den der
Letztere mit berechtigtem Stoize zurUckblickt.
In einer Richtung war der Verein naturgemE8 gänzlich
auf die Cooperation fremder Kräfte angewiesen, nämlich so oft die Verwendung von Orchester-Massen nothwendig wurde. Hiebei ist es für das schon seit Baron
Perfalls Zeiten eingebürgerte ernste Streben, den Aufführungen die möglichste Vollkontmenheit zu verleihen,
bezeichnend, daf3 die Vereinsleitung sich niemals um
die Mitwirkung eines andern als des besten Orchesters
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in MUnchen beworben hat. Da nun fast alle auf den Programmen verzeichneten Oratorien und gro1eren Werke, mit
dem vollen orchestralen Schmucke versehen, vorgéführt
wurden, karn es, daIs zwischen dern Oratorien-Vereine und
einem groten Theile der hiesigen Hoftheatermusik sich
dauernde Beziehungen entspannen, die den betheiligten
KUnstlern gerechten Anspruch auf die dankbare Anerkennung des Vereins erworben haben.
Im Zusammenhange hiemit darf eine grundsätzliche Bereicherung, welche die Concertprogramme durch den zweiten Dirigenten des Vereins, Professor Rheinberger, erfahren haben, nicht unberUhrt bleiben.
In der ersten Direktionsperiode war es unausgesprochen
für selbstverständlich gehalten worden, daB die Concerte
sich ausschlieBlich auf Chorleitungen zu beschränken
hätten, und daB Solisten nur in dem MaBe, als die aufzuführenden grösseren Chorwerke es erheischten, herangezogen werden soilten. Nur dreimal irn Laufe von 10
Jahren wurde hievon eine Ausnahme gemacht, indem verehrte Caste Einzelgesänge, die des choralen Hintergrundes entbehrten, zu Gehör brachten. Instrumentale
Soli waren gänzlich ausgeschlossen.
Auch in der zweiten Direktionsperiode traten anfänglich Solonummern nur äu2erst sparlich in den Programmen auf, und erst dem laufenden Jahrzehnt war die
häufigere AusschmUckung der Letzteren mit soichen vorbehalten.
Nach vielen Jahren ruhigen Gedeihens und genuBreicher
Arbeit soilte dern Vereine schlieBlich auch em tief
schmerzliches EreigniB nicht erspart bleiben.
Das sichere Gefühl dauernden Verbundenseins mit dem
treubewährten Dirigenten gerieth Anfangs des Jahres
1877 zum ersten Male in's Schwanken, als eine auswärtige grof3e Musiklehranstalt sich urn die Ehre bewarb,JosephRheinberger an ihre Spitze stellen zu k6nnen. Der Oratorien-Verein, der wenige Jahre vorher das
zehnjährige Wirken seines Dirigenten voll freudiger,
dankerfüllter Antheilnahme gefeiert hatte, muBte durch
die während lHngerer Zeit sich hinziehenden Verhandlungen auf das lebhafteste erregt werden. Urn so gröBer
war die Befriedigung, als es den Bemühungen der betheiligten Faktoren gelang, den drohenden Verlust ab-
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zuwenden. Der heimathiichenKunstpfiegeblieb der tref fliche Meister erhaiten; die Vereinsgenossen soilten ihn
nur noch eine kurze Frist hindurch den Ihren nennen können.
Im Herbste desselben Jahres entsagte Rheinberger, zum
k. Hofkapeilmeister ernannte, der ferneren Leitung des
Vereins, dem er voile 23 Jahre hindurch, zuerst am Kia-
vier, dann vorn Dirigentenpuite aus, mit stets gleich-
bleibender Aufopferung seine besten Kräfte gewidmet
hatte. Die mit dem neuen Amte verbundenen Obliegenheiten
liefen aile Bestrebungen, den gefal3ten Entschlul3 zu er-
schüttern, als aussichtslos erscheinen, und so sah sich
der Chor angesichts eines eben beginnenden neuen Vereinsjahrs nicht bios des gewohnten Freundes und Leiters,
sondern Uberhaupt jeder musikalischen Ftihrung beraubt.
Das Kritische der Lage wurde noch erhöht durch den zeitlich mit dern Verluste des Dirigenten zusammenfailenden
Austritt einer Anzahi besonders geschätzter und zum
Theil urn die administrative Leitung des Vereins hochverdienter Mitglieder.
Em
energisches Handein war dringend Gebot. Da13 es dem
Vereine in wenigen, miihevoilen Wochen gelang, sich aus
sich seibst heraus neu zu constituieren, ist em yougtiitiges Zeichen seiner gesunden Lebenskraft. Durch
einstimmige Wahi wurde in der Generaiversanimiung vom
26. Oktober 1877 die Vorstandschaft compietirt und an
die Spitze des musikaiischen Theils der Geschäfte em
dem Vereine schon seit den Tagen seiner Griindung befreundeter Kiinstier, Max Zenger, der Componist des
ttKainht berufen.
Am 6. 10.1877 erklärte Rheinberger mit foigendem
Schreiben semen Rticktritt als Dirigent des MUnchner
Oratorien-Vereins:
An die sehr geehrte
Vorstandschaft des Oratorienvereins
in MUnchen
Durch Ubernahme einer neuen Steilung und den damit
verbundenen musikaiischen Verpfiichtungen bin ich
leider genöthigt, die rnusikaiische Direction des
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Oratorienvereins niederzulegen. Wie schwer es mir wird,
dadurch em Band zu lösen, das seit nahezu 23 Jahren
bestand,- indem ich zehn Jahre als Repetitor und drelzehn Jahre als Dirigent dem Verein im buchstäblichen
Sinne angehörte,- kann ich gar nicht sagen; und doch
drängt es mich, hier auszusprechen, wie mir die Freundschaft der geehrten Vorstände - und die so oft bewiesene Anhänglichkeit der Vereinsmitglieder immer eine theure
und treue Erinnerung sein wird. Wenn auch mit meinein
RUcktritt vielleicht eine momentane Störung in der Wirksamkeit des Vereins eintreten solite, bin ich doch fest
uberzeugt, da8 dieselbe mit der Einsicht und der Energie des neuzuwählenden Dirigenten glucklich Uberwunden
wird. Und nun bitte ich, dem gesamten Vereine mit melnem Lebewohi meinen tiefsten Dank für sein langjähriges,
in so manchem Concerte bewährtes Vertrauen aussprechen
zu wollen und die Uberzeugung zu fassen, da1 ich, wo
es immer möglich ist, gem bereit bin, den Interessen
des Vereins förderlich zu sein.
In voilkominener Hochachtung
Einer geehrten Vorstandschaft
ganz ergebener Josef Rheinberger
München den 6.10.1877
Fanny Rheinberger trat am 17.10.1877 aus dem OratorienVerein aus. Am 26. 10. 1877 wurde Rheinberger zum Ehrenmitglled ernannt.
Folgende Werke von Josef Rheinberger wurden in der Zeit
von 1857 bis 1877 in den Konzerten des Oratorien-Vereins
zur AuffUhrung gebracht:
29. 12.1857 Jephtas Tochter, JWV 61
3. 1.1860 "Lockung", Chor mit Kiavier JWV 93
15. 5.1861
"Heimweh","Wanderlied" JWV 126 bzw. op.2
23. 3.1863 "Bleib bei uns" JWV 55
5.12.1864 "Stabat mater" op. 16
26. 2.1866 "Wie lieblich sind Deine Wohnungen" op.35
21. 3.1868 "Das Schlof3 am Meer" op.17 Nr.
"Die Schäferin vom Lande" op.l7 Nr. 2
12. 12. 1870
"Requiem" op. 60
1
- 87 -
27.
10.
26.
10.
15.
28.
12.
9.
5.1872
3.1873
5.1873
3.1874
3.1875
3.1876
6.1876
4.1877
"Die Wasserfee" op. 21
"Bleib bei uns" JWV 55
op. 64
"Maitag"
"Konig Erich"
op. 71
op. 76
"Toggenburg"
op. 77
Violinsonate
"Das Tal des Espingo" op. 50
Klavierquartett op. 38
Mitgliederzahl des Oratorien-Vereins München zu
Josef Rheinbergers Dirigentenzeit (1864-1877):
Jahr
1864/65
1865/66
1866/67
1867/68
1868/69
1869/70
1870/71
1871/72
1872/73
1873/74
1874/75
1875/76
1876/77
Sänger
143
135
110
110
140
123
107
114
137
166
159
153
135
ao.Mitglieder
307
218
310
291
291
258
233
219
241
228
207
201
185
Summa
450
353
420
401
431
381
340
343
378
394
366
354
320
Bemerkenswert ist, daf kein Geringerer als der
berflhmte Physiker Max Planck als Conservator
seit 1875 unter Rheinberger im Mllnchner Oratorien-
verein ttig war.
- 88 -
Die Augsburger Abendzeitung vom 29.12.1877 schreibt
Uber Rheinbergers erstes Konzert mit seinem neuen
Chor, in dem er Werke von Gabrieli, Perti, Vogler,
Meyerbeer, M. Haydn, Ett und Gade neben eigenen
Werken ("Jung Nikias" und "Diebstahi" aus op. 75)
aufführte:
Am 17. 12.1877 veranstaltete im Odeonssaale die Kgl.
Vokalkapelle wieder eines ihrer stets so hervorragenden genussreichen Konzerte. I...! Das Konzert
leitete zum ersten Male der neuernannte k. Hofkapelimeister Rheinberger. Möge der erfahrene und urnsichtige Dirigent, welcher die k. Vokalkapelle zu
ebenso ausgezeichneten Leistungen zu führen versteht,
wie sein unvergessener Vorgänger Wüllner, aus dem
oftmaligen lebhaften Beifall entnehmen, wie sehr er
sich auch in seiner neuen Stellung bereits die Sympathien des grösseren Publikums erworben hat, weiches
ihn bisher nur als hochbegabten Komponisten schätzen
lernen konnte.
Rheinbergers Gattin erkrankte im Herbst 1877 an Diphtherie. Im Winter litt sie fortwährend an Gelenkrheumatismus. Da sich ihr Zustand nicht wesentlich besserte, plante sie für den Sommer 1878 eine Kur in Wildbad.
- 89 -
Rheinberger selbst entfaltete in seinem neuen Wirkungskreis, der seinem speziellen Interesse für Kirchenmusik
besonders entsprach, eine reiche kompositorische Wirksamkeit. Schon im Oktober 1877 hatten ihn bei Dienstantritt bereits erste Gedanken einer Instrumentalmesse
beschäftigt, wie die nachfolgenden Skizzen (Bayr. Staatsbibliothek Mus. Ms. 4739 b/2 A. 1) beweisen:
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Am 1. Januar 1878 teilt er dann seinem Bruder mit, da1
ihn der König in einer Form auszeichnete, die ihn offensichtlich tief berUhrte.
Rheinberger schreibt nach Vaduz:
Lieber David!
Eben erhielt ich vom Minister v. Lutz einen Brief, dessen
Abschrift ich Dir mittheile:
"Ew. Hochwohlgeboren! Seine Majestät der König haben sich
allergnädigst bewogen gefunden, Ihnen das Ritterkreuz I.
Classe des Verdienstordens vom hell. Michael allergnädigst
zu verleihen. Indem ich mich beehre, Sie hievon in KenntniB zu setzen, spreche ich zugleich meine lebhafte Freude
Uber die Ihnen zu Theil gewordene Allerh5chste Auszeichnung und Anerkennung aus und benutze mit Vergnugen diese
Gelegenheit zu der Versicherung der ausgezeichnetsten
Hochachtung, mit der ich die Ehre habe zu sein Ew. Hochwohigeboren ergebenster Dr. v. Lutz."
Da ich selbst nun auch glaube, daB Euch dieses Freude machen wird, so setze ich Dich sogleich in KenntniB.Fanny geht es etwas besser, sie war heute zum erstenmal
zu Tisch auBer Bett. Mit herzlichem GruB an Alle
Dein Bruder
Josef Rheinberger
München den 1.1.1878
Nachdem Rheinberger bereits in den beiden ersten Monaten
seit Ubernahme der Leitung der kgl. Vokalkapelle sich der
A-cappella-Komposition weitlicher wie geistlicher Texte
gewidmet hatte, spannte er nun zu Beginn des Jahres 1878
seine Kräfte zu einer in jeder Hinsicht auBergew6hnlichen
- 91 -
Arbeit: der Messe in Es-dur zu zwei Chören a cappella,
op. 109, die er in einem Zeitraum von sechs (!) Tagen
(13. - 18.1.1878) komponierte, wobei er Credo, Sanctus
und Benedictus an einem Tag, dem 17. Januar, verfafte.
Dieses Werk setzt nicht nur angesichts dieser unfal3bar
kurzen Entstehungszeit Ma6stbe, es ist zweifellos die
schdnste achtstimmige A-cappella-Messe des 19. Jahrhunderts. Der Komponist dedizierte sie mit folgender
lateinischer Widmung dem soeberi (am
20.
Februar
1878)
gewählten Papst Leo XIII.:
Cantus Missae/ ex octo modulatione vocum concinnatus/
a! Josepho Rheinberger/ Opus auctoris centesimum
norium./ Editio haec relata in tabularium musicum/ sola
legitima et authentica haberi debet./ Monachii/ sumtibus Josephi Aibl/ Pretium:/ Partitionis M. 6/ Vocum M.
8/ Leoni. XIII.! Antistiti Sacrorum Maximo/ Divini Cultus Amplificatori/ Patrono Artium Bonarum/ Josephus
Rheinberger/ Grati et Obsequentis Animi Ergo/ Opellam
Hanc Offert Dedicat/ Quam Parens Sanctissimus/ Singulari
Dignatione Benignitatis/ Nomini Suo Inscribi/ Passus
Est.
Franziska Rheinberger sonnt sich in den Erfolgen ihres
Gatten und hat wenig Verständnis für seine ZurLickhaltung
in der Dokumentation der sich geradezu Uberstürzenden
Ereignisse, die Rheinbergers Karriere in Jahresfrist zur
Position des fUhrenden katholischen Kirchenmusikers im
süddeutschen Raum führten.
Sie schreibt unter dem 21.2.1878 nach Vaduz an ihren
Schwager David:
Der bose Curt hat sich nicht in Uniform photographiren
lassen, wie ich's zum SpaB woilte, sondern semen dicken,
schwarzen Liebling, und den schicke ich Dir nun, damit Du
siehst, wie das Ungethüm, das schon bald 11 Jahre mit uns
lebt, aussieht. /.. . /
Curt's Uniform ist dunkelgrün, hat an Kragen, irmel und
Taschen goidne Laubstickerei und am Kragen eine Lyra. Der
Degen ist fein und spitz - so daB man schon einen Wagnerianer daran spiel3en könnte, wenn's nicht schade urn die Klinge ware. Er wird nicht am Gürtel getragen, sondern durch
- 92 -
den Frack gesteckt. Der Hut ist em
Schiffhut mit blauweii3er Cocarde. So, nun lache. Auf dem Orden stehen die
Worte, die dem Erzengel Michael zukommen: Quis sicut
Deus, die mir gerade in der Jetztzeit, da sich manche
zu Gättern aufblasen, für einen Künstler eine sehr geeignete Mahnung scheinen - nicht? Wenn er nur die Charwoche gut übersteht! Die ist anstrengend.
Das musikalische Programm, das Rheinberger mit der kgl.
Vokalkapelle in der Allerheiligen-Hofkapelle in der Karwoche 1878 in München zur Aufführung brachte, umfal3te
folgende Werke:
Palmsonntag, 14
April
10.30 Uhr
Messe in F, 4 stimmig
Graduale: 0 vos omnes 4 stimmig
Passio mit Responsorien
Offertorium: Improperium 5 stim.
Mittwoch, 17. A pril.
16. Uhr
Matutin mit Responsorien
Benedictus 5 stimmig
Gründonners tag, 18. April
Messe (Papae Marc.) 6 stimmig
Grad.: Christus factus est 4st.
Off.: Tenebrae 4 stimmig
nachmittags,
16.TJhr
Matutin mit Responsorien
Benedictus 4 stimmig
abends
19.30 Uhr
Miserere 5 stimmig
Karfreitag: 19. April
Passio mit Responsorien
Adoramus (a-moll)
Adoramus 4 stimmig
Popule meus 4 stimmig
Vexilla regis 5 stimmig
nachmittags
16. Uhr
Matutin mit Responsorien
Benedictus 4 stimmig
abends
19.30 Uhr
Stabat mater (zweichorig)
Lot t i
Valotti
Vittoria
Aib linger
Palestrina
Lachner
Palestrina
Ane rio
Mich. Haydn
Palestrina
Callus, Jak.
Orlando
Vittoria
Perti
Aichinger
Vittoria
Aib linger
Palestrina
Palestrina
Palestrina
- 93 -
Karsams tag
nachmit tags
Kyrie (choraliter)
Gloria, Sanctus u. Benedictus 4 st.
Laudate u. Magnificat
16. Uhr
Complet
M. Haydn
Pit on i
abends
Auferstehungs-Procession mit
Pange lingua
Ostersonntag, 21. April
Messe in A zu 8 Stimmen
Grad.: Hoec dies, 6 stimmig
Off.:
Christus resurgens 8 stimmig
nachmittags
16. Uhr
Vesper mit Psalmen
Ostermontag, 22. April
Messe in F (instr.)
Grad.: Mane nobiscum 6 stimmig
Of f. :
Christus resurgens
Et t
Ett
Palestrina
An e rio
Aib linger
Mozart
Rheinberger
Anerio
Uber die mit derartigen AuffUhrungen verbundenen Anstrengungen und Nöten berichtet Fanny:
MUnchen, Osterrnontag
22.April 1878
Mein lieber Schwa ger David!
Heute bei Tische sagte ich Curt, daB nachdem nun die
Charwoche vorüber 1st, ich euch wieder einmal schreiben wolle, worein er freudig stimmte. Du fragst vielleicht, warum ich gerade die Charwoche abwarten wollte? Nun - ich gestehe, sie lag wie eine Brücke über
einem Abgrund, die man nicht ohne BesorgniB passiert,
vor mir. Es 1st zum erstenrnal, daI3 Curt diesen strengen Dienst hatte - an drei Tagen hatte er sechs Stunden lang in der Kirche zu amtiren und da war ich besorgt, es möchte ihn Kopf, Brust oder Hand angreifen;
aber mit Gottes Hilfe 1st er sehr glücklich und zu
seiner innigsten Befriedigung über die schwerste Zeit
des Dienstes hinüber gekommen. Der Dienst selbst machte
ihm so viele Freude und Interesse, daB er mehr als em-
- 94 -
mal sagte, er würde sich in seinem Leben nach keiner
andern Stelle sehnen. Und wenn em Künstler zu solcher Befriedigung mit dem Erreichten kommt, so kann
man gewil3 von Glück sagen. Die Theilnahme von Seite
des Hofes und der Betenden an diesen Gottesdiensten
war eine ganz ausserordentliche und am Charfreitag
Abend als Palestrina's wunderbares 8 stimmiges Stabat Mater gesungen wurde, flüchtete ich auf den Chor,
weil es zum erdrücken you war. Curt hat jetzt, urn
semen Kopf recht ruhen zu lassen, rnehrere Wochen
nichts mehr componirt - aber - auf meinen Wunsch desto fleii3iger gegessen, urn die Nerven nicht herabkommen zu lassen. Am 24. muJ3 er in Uniform das Georgiritteramt dirigiren, dann noch zwei Georgiritter-Requiem's. Am 1O.Mai ist sein Dienst bis zu Allerheiligen mit Ausnahme der Frohnleichnahmsoctav gethan.
Am 14. April 1878 berichten die NUnchner Neuesten
Nachrichten Uber die letzte Vokalkapelle-Soire
Eines der schönsten Concerte in dieser Saison, wenn
nicht das schönste, war das am Freitag (12.4.1878)
im grossen Odeonssaale unter dem bescheidenen Namen
"Soiree" gegebene Vocal- und Instrumentalconcert der
k. Vocalcapelle. Urn die an diesern Abend so reichlich
gespendeten Genüsse nur einigermass'en würdig zu beschreiben, mUssten wir dern unseren Bericht gegönnten
Raum weit überschreiten. Wir beschränken uns daher
zunächst darauf, hervorzuheben, dass der neue Dingent, Hofcapellmeister Jos. Rheinberger die Traditionen seines Vorgängers Franz WUliner I...! vollkommen aufrecht zu erhalten vermochte. Ganz besonders
war aber Rheinberger diesmal in der Wahi und Aneinanderreihung seiner Programmnummern aus alter und
neuer Zeit I...!. Auf diese Weise dUrf ten die Concerte der Vocalkapelle bald jene Popularität erreichen,
welche sie längst verdienten I. . .1
Von den vorgeführten Chorwerken alter Meist'er (Caldara, Lotti, Jos. Haydn, J.Seb. Bach und Handel) ist
nur zu sagen, dass sie alle den Stempel unvergänglicher
- 95 -
Genialität trugen; fast ebenbiirtig reihten sich die
neuen Meister, insbesondere Fr. Schubert und Rob.
Schumann, an, und in solcher Gesellschaft noch gefallen zu haben, gereicht unseren einheimischen Tonsetzern Rheinberger und Max Zenger zu nicht geringer
Ehre. Mit der AusfUhrung der Lieder der letzteren
schienen sich der Dirigent und die Sänger besonders
liebevoil befasst zu haben.
Ais Reaktion auf die Erfolge im kirchlichen Dienst präsentierte Hermann Levi seinem Kollegen Rheinberger die
Wiederaufnahme von dessen Oper "Die sieben Raben", die
am 8. und 19. MErz (Rheinbergers Namenstag)stattfanden.
Levi beteiligt Rheinberger bei der Neueinstudierung und
schreibt ihm:
Verehrter Herr College!
Ich war die ganze Woche nlcht wohl, konnte nur das Allerdringendste im Theater erledigen; deshaib habe ich
Sie bisher nicht zu einer Probe mit Fri. W/ekeriin/ bitten lassen. Aber hEtten Sie morgen Abend 6 Uhr Zeit?
Ich habe eine volistEndige Klavierprobe angesetzt; vielleicht begleiten Sie am Klavier, und ich lese in der
Partitur nach? Woileri Sie dann noch einmal mit Fri.
W/ekerlin/ allein proben, so könnte dies Donnerstag zu
irgend einer Ihnen passenden Stunde geschehen.
Die Probe ist oben im Intendanz-Zimmer, da die unteren
LocalitEten (wegen der Jungfrau von Orlans) nicht frei
sind. Wenn ich keine Antwort erhalte, erwarte ich Sie um
6 Uhr.
Ihr ganz ergebener Hermann Levi.
Dienstag, 19.2.1878.
Nach der ersten AuffUhrung in diesem Jahr ergeben sich
Besetzungsschwierigkejten. Levi berichtet Rheinberger:
- 96 -
Verehrter Herr College!
Frl. Meysenheyn ist - wie es scheint, nicht unbedenklich - erkrankt. Wenn wir die 7 Raben am 19. (JosephsTag) halten wollen, mUssen wir die Fee Frl. Irringer.
übertragen; wir haben keine zweite zu entsenden. Möchten Sie die GUte haben, die Parthie mit Frl.Irringer
durchzunehmen? Ich habe so sehr viel zu thun - Siegfried-Conzert - Sollten Sie keine Zeit haben, so werde
ich Flerrn Rüber beauftragen, sich mit Frl. Irringer zu
beschäftigen.
Mit bestem Gru1e
Ihr ergebenster College Levi.
Der Bayerische Kurier berichtet Uber die zweite AuffUhrung:
Dienstag den 19. fand nach Beseitigung mancherlei Hindernisse die erste Wiederholung der neueinstudirten
Oper "Die sieben Raben" von Rheinberger statt. Franz
Bonn hat das ansprüchslose Märchen unter dem freundlichen Beistand der Musen trefflich zum vorliegenden
Zweck zurecht gelegt und in leicht in Musik zu fassende Verse gekleidet. Ob der Stoff für das Theater passend und wirksam, wollen wir heute nicht mehr untersuchen; da1 die Oper aber immer regem Interesse begegnet, dafür spricht der Umstand, dal3 sie nach 2-jähriger
Ruhe wieder zur AuffUhrung hervorgesucht wurde. Dadurch, daf die Romantik nicht so blühend und anziehend,
wie etwa in Kind's Text zum "Freischütz", erwuchs dem
Componisten die Aufgabe, mit seiner Musik den Stoff
zu ergänzen und Rheinberger gab sich redliche MUhe; an
dem ganzen Styl der Oper ist em Nachwuchs der Spohrschen Schule zu erkennen, die em ernstes, aufmerksames und verständni1volles Auditorium verlangt, denn
Rheinberger zwingt den Musiker, mit voller Aufinerksamkeit zuzuhören, um allen Details zu folgen. Ob es für
die Oper nicht dienlicher gewesen ware, wenn der Compofist sich nach den Kleinen umgesehen, wie sie mit wenigen Strichen Effektvolles für das Rampenlicht erreichten
oder wie etwa bei dem Italiener und dem kleinen deut-
- 97 -
schen Singspiei, wie wir sie von den Wiener Componisten empfingen, möchten wir nicht endgilltig entscheiden; wir glauben, daf kilhnerer Aufschwung und
gröf3ere Freiheit bei minder complicirter und gelehrter
Schreibart das grote Publikum für das noch immer eine
Oper geschaffen wird, sicherer gewonnen und dern Werk
eine aligerneine Verbreitung gesichert hätte.
Urn die Aufführung machten sich vor ailem Fri. Wekerlin,
Hr. yogi und Herr Hindermann verdient; Frau yogi erreichte im Ausdruck der zur Versöhnung geneigten Mutter ihre Vorgangerin, Frau Diez, nicht. Die dankenswerthe Aushilfe desFri. Irringer ais Fee finde gebührende Anerkennung, doch ist ihre zarte, wohlklingende Stimme für den groen Raum des Hauses nicht ergiebig genug. Nachdem nun wieder einmal em einheimischer Componist Berücksichtigung gefunden, dUrfte
der Vorschlag nicht unbiilig erscheinen, Max Zenger's
"Ruy Bias" und Franz Lachner's "Catarina Cornaro"
wieder ins Repertoire aufzunehmen.
Franz von Hoisteins Krankheit trat unterdessen in das
Endstadium. Seine Frau Hedwig schreibt an Fanny unter
dem 10. April 1878:
Leid haben wir zu tragen - die Krankheit ist bei uns
nicht ailein eingekehrt, sie scheint ständiges Quartier bei uns machen zu woilen. Mein herziieber Mann
hat, seitdem ich Euch schrieb, nicht einen, sondern
vielieicht fünf Rückfäiie gehabt, sodat man es eigentlich garnicht so nennen kann, es ist em unaufh6riiches auf- & abwärts gehen, und man weit nicht,
weiches den Sieg davontragen wird! - Der Arzt hat Gott
sei Dank immer gute Zuversicht, sprach im Winter von
einer Milchkur im ersten Frühiing hier auf dem Lande,
dann von einer Badereise vor Oberstorf - von ali' dem
ist nicht mehr die Rede, denn Franz kann nicht einmal
mehr in den Garten, wo er Anfang Mrz fünf Mai war,
wenn auch die Treppen von Hausmann und Gartner getragen. Liebste Fanny, was für GefUhie und Gedanken ziehen
oft durch meirie Seeie. DaB ich meine Gebete stets mit
der Bitte des Herrn schiieBe: nicht mein, sondern Dein
- 98 -
Wille geschehe, kannst Du von mir mit Recht erwarten.
Doch ist es etwas andres, im Gebet sich Gottes Willen
unterwerfen, als wie mitten im Leben, im Moment der
Drangsale, dieselbe Ergebenheit zu bewahren. Ich weine
mich oft in den Schiaf, habe auch schon ganze Nächte
durchgeweint. -
Franz selbst 1st wechselvoll in seiner Anschauung tiber
den Zustand. Oft spricht er mit grol3er Unbefangenheit
von Dingen, die für ihn in der Zukunft liegen, und die
er dann zu thun, zu genie8en gedenkt. Zuweilen ist er
hoffnungslos für diese Welt. Welch em Trost es mir
ist, daI3 er auf eine andre hofft und an sie glaubt, daB
er willig und gem täglich mit mir zu Gott betet, Du
wirst das ermessen kdnnen!
Einige Wochen lang hat er mit Leidenschaft componirt.
Die Gedanken, d.h. die rnusikalische Erfindung, quält
ihn Nacht und Tag, bis der Arzt ihm erlaubt, sie liegend aufzuschreiben, urn ihm Ruhe zu verschaffen. Er
muB noch lumier liegen, weil das Sitzen ihm Schmerzen
macht. Sonst ist er mit den Freunden helter und angeregt, sieht aber durchsichtig und zerbrechlich aus.
Unsre Näherin sagte: Der Herr 1st wie em gekittetes
GefäB, brauchen kann man's nicht mehr, nur hinstellen.
Franz von Holstein starb sechs Wochen spater, am 22.
Mai 1878. Seine Frau berichtet Uber sein Testament:
Leipzig, den 5. Juli 78
Er äuBerte den Wunsch, für unbemittelte Musiker eine
Stiftung zu machen, und als ich darauf mit Wonne emging, erfreute Ich seine letzten Tage. Diese Stiftung
rufe ich jetzt in's Leben - baue em Häuschen in unserm
Garten dazu, und suche das Ganze durch mein Testament
so bedeutsarn und zeitdauernd wie möglich zu machen.
Da muBte ich Architekten, Advocaten und Musiker zu
Rathe ziehen und habe manche Nacht durchwacht. Dazu
tausende von Condolenzbriefen, die ich noch zu beantworten habe, und all' die lieben Andenken, die er
auswärtIen Freunden durch mich schicken läBt. Es ist
wohl Gottes Fügung, da8 ich durch diese unabsehbare
Geschichte nicht einmal zum Genief3en des Schmerzes
- 99 -
kommen kann, nur em
können.
paar Nächte habe ich durchweinen
Ende Mai schreibt Rheinberger an semen Bruder in Va-
duz:
Mein lieber David!
Wenn ich Dir so lange nicht geschrieben habe, so ist
nicht etwa Mangel an Zeit Schuid, sondern das em-
fache technische Hindernil3 durch meine kranke Hand.
Dieseibe wurde nemlich anfang Mai so entzUndet und
geschwolien, da6 ich einmal Nachts 3 Uhr den Arzt holen lassen muf3te. Unter dessen Behandiung brach die
Geschwuist auf und em Knochensplitter eiterte heraus, wodurch Besserung auftrat und gegenwärtig Hoff-
nung ist, da8 sich die Wunde gänzlich schiiel3t - da
die Hand seit 1870 krank 1st, ware es nicht zu frUhe!
So hat eben jeder sein Packchen Elend zu tragen. Gegenwärtig kann ich, wie du siehst, wenigstens schreiben, aber nur mit Anstrengung, da die Hand sehr
leicht ermüdet. Mein Arzt, Dr. Ludwig Mayer, ist em
eminenter Chirurg, und da er gleich nebenan wohnt, so
bin ich in dieser Hinsicht gut versorgt. Meine Frau
1st seit 8 Tagen in Wildbad. I... /
Peter war so liebenswUrdig, tins mit einem FäBchen Va-
duzer zu iiberraschen - dasseibe soil bei Rtickkehr
Fanny's (etwa in 18 Tagen) angezapft werden. Meine
Hofkirche hat wegen Abwesentheit des Königs vom 10.
Mai bis Qktober Ferien, nur die Frohnleichnamsoctave
ausgenommen, was sich wenigstens meiner Hand wegen
heuer gut trifft. Die Charwoche hingegen war sehr
streng. I...!
Die politischen Tagesfragen konzentriren sich jetzt
nur auf die Socialdemocraten, die man Gottlob in
Liechtenstein nur dem Namen nach kennt. In der Nähe
wird die Sache mit Aileni was drum und dran hängt mm-
mer ungemiitlicher; wenn man die Literatur dieser Sek-
ten verfolgt, und die Früchte derselben tägiich vor
Augen hat, so möchten einem die Haare zu Berg stehen.
Es 1st so weit gekommen, dal3 Leute, die vor einem
- 100 -
Jahr zu den vorgeschrittensten Liberalen zhlten, heute
sich die starrste Reaction herbeiwünschen, ja, als Gliick
herbeisehnen! In Sachsen und Preu1en ist's noch viel
schlimmer. Die Aufhebung der Zünfte, Freigebung der
Gewerbe, weiche man vor em paar Jahren als tterlösende
Grolthat" pries, haben sich als wahrer Fluch erwiesen.
Bankrott auf Bankrott erfolgt. Die guten alten Handwerksmeister sind in Verzweif lung Uber das arrogante,
nichtskönnende, emanzipirte Gesindel ihrer Gesellen und
Lehrlinge; die Gewerke gehen in ihrer Leistung unglaublich zurUck; es 1st em wahrer Jammer, das Alles mit
anzusehen und anzuhören! Der Schwindel, durch die Aufhebung der Wuchergesetze unglaublich befördert, nimmt
auf!s Schamloseste Uberhand; in em paar Wochen entstehen ganze neue Stra8en - und doch stehen viel hundert Wohnungen leer. Es 1st em unglaubliches Getriebe!
- Gelt! Da ist's in Vaduz schön still.
Wie geht es Euch Allen? Hoffentlich ist Alles gesund
und frohgemuth.
GrUf3e Peter mit Familie auf's herzlichste und schreibe
bald Deinem Dich liebenden Bruder
Josef Rheinberger
München den 25.5.78 Abends
Vom 25.-31. Mai komponierte Rhemnberger seine 5. Orgelsonate, op. 111 in Fis-dur, und widmet sie Theodor
Gouvy (1833-1898) in Paris. Dieser bedanktsichmit
folgendem Schreiben:
11.12.78
Sehr geehrter Herr und verehrtester College!
Auf melner Durchreise nach Deutschland finde ich hier
Ihre mir freundlichst zugesandte Orgelsonate mit einer
Dedication, die mir viel Freude und Ehre macht, und
wollte ich Ihnen hiermit für die angenehme Uberraschung meinen herzlichen Dank aussprechen.
Dieser Beweis der Sympathie von Seiten elnes Mannes,
der so hoch in der allgemeinen Achtung steht, hat für
mich ganz besonderen Werth und wUrde mich stolz machen, wenn Stolz llberhaupt etwas erlaubtes ware.
- 101 -
Ihre schöne Sonate habe ich schon mehrmals allein,
auch vierhndig mit meiner Schwägerin durchgespielt
und sie hat uns sehr gefallen.
Das Werk ist seines Verfassers wUrdig, bekundet in seiner edleri Haltung den Meister in jedem Zug und lä3t
in mir Wunsch und Hoffnung aufkommen, auch den Corn-
ponisten einst noch kennenzulernen. Einstweilen aber
nochmals meinen verbindlichsten Dank dafUr, daIs Sie
meiner auf so freundliche Weise gedacht, und mit der
Bitte, mich unbekannter Weise Ihrer geehrten Frau
Gemahlin ernpfehlen zu wollen, bleibe ich
in aufrichtiger Collegialitat Ihr ganz ergebener
Tb. Gouvy.
Vom 1.-15. Juni schreibt Rheinberger dann seine Ouverture zu Schillers "Demetrius" für grofes Orchester, deren Eröffnungsthema dern russischen Voikslied "Der falsche Dimitri" entnomrnen 1st.
Niels W. Gade, dem das Werk gewidmet ist, schrieb im
folgenden Jahr:
Copenhagen, 20.10.1879
Herrn Hofcapellrneister Jos. Rheinberger!
Meinen wärrnsten Dank für die freundliche Widmung.
Mit Interesse und Freude habe ich die Ouverture
durchgelesen und werde in unserm Winterconcerte die
Ouverture zur Aufführung bringen.
Die Composition ist kiar und schön gefat3t und mut3
sehr schön klingen - Eigenschaf ten, auf die ich sehr
viel halte - darum nochmals meinen Dank für Ihre
schöne Gabe.
Ubrigens haben wir hier in Copenhagen öfter Compositionen von Ihnen gehört, sowohl Orchester- als auch
Kamme rmus 1k.
Ihr freundlich ergebener
Niels. W. Gade
Uber seine Unternehmungen im Sommer 1878 berichtet
Rheinberger seinern Bruder in Vaduz:
- 102 -
Eben aus den Feien zurUckgekehrt, halte ich es für
nothwendig, Dir wieder em Lebenszeichen in Gestalt
eines Briefes zukommen zu lassen. Wir waren von Halfte Juli bis Ende August (wie alie Jahre) in Bad Kreuth,
wo ich strenge Molkenkur gegen meinen chronischen Husten brauchte. I...!
Sodann gingen wir über Töiz, wo wir drei Tage zubrachten, nach Starnberg. Töiz liegt reizend im Isarthale
- so nahe es bei MUnchenliegt (in
1/2 Stunden per
Bahn zu erreichen) war ich doch zum ersten Male dort.
I... / Unser tHgiicher Zimmer- und Tischnachbar war der
Ministerpräsident v. Pfretzschner, em äul3erst liebenswilrdiger feiner Mann. Von unserm Zimmerbalkon aus
hatten wir die voile Längeaussicht des Sees, mit dem
iebhaf ten Eisenbahn- und Dâmpfschiffverkehr zu FUi3en,
was bei schiechtem Wetter immerhin die Langeweiie verscheuchte. Seit 14. d.M. sind wir wieder hier und von
Morgen an geht es wieder ins Geschirr. I.. .1
1
Durch die fortwährende Erkrankung seiner rechten Hand
in diesen Jahren nicht nur beim Schreiben sondern mehr
noch beim Kiavierspielen behindert, kam der Komponist
damais auf die Idee, sechs Pianoforte-Studien für die
linke Hand allein zu schreiben (op. 113).
Weiterhin komponierte er vom 30. September bis zum 13.
Oktober 1878 em Kiaviertrio (Nr. 2 in A-dur, op. 112),
das er dem engiischen Pianisten und Dirigenten Charles
Ha1l (1819-1895) widmete. Hail bedankt sich mit folgenden Zeilen:
Manchester, 18.4.79
Sehr geehrter Herr!
Ibre sehr freundlichen Zeilen vom 12. d.M. haben mich
erst heute erreicht und höchst freudig Uberrascht. Nehmen Sie meinen innigsten Dank an für die Auszeichnung,
mit der Sie mich durch Widmung Ihres neuen Trios beehrt
haben und die ich sehr hoch schEtze. Das Werk seibst
werde ich hoffentiichbej meinér Rllckkehr nach London
in wenigen Tagen vorfinden, wo ich auch ohne Zweifel
sehr bald Gelegenheit finden werde, es dem Publikum
- 103 -
vorzuführen. Da13 es mir gefallen wird, darUber bin ich
ohneSorgen, bitte aber urn die Erlaubnit, nach Kenntnil3nahme Ihnen noch einige Worte iiber dasselbe schreiben zu dUrfen.
Mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener
Charles Hallê
Von Clarence Eddy (1851-1937), Orgelvirtuose und Generaldirector der Hershey School of Musical Art1 erhElt Rheinberger folgende Anf rage:
Hochverehrter Herr Professor!
Durch heutige Post erlaube ich mir, Ihnen einige Programme meiner gegenwErtigen Reihe "Orgel-Concerte" zuzusenden. Es wird jede Woche em neues Programm gespielt, und die ganze Reihe wird aus einhundert Concerten bestehen. - Das letzte Concert wird am 14. Juni 1879 stattfinden. - Es ist meine Absicht, die bedeutendsten Orgelcompositionen und Arrangements Elterer und moderner Zeit vorzutragen. Nach Beendigung
derselben werden die Programme nebst Lebensgeschichten
der Componisten, deren Werke gespielt werden, in
Buchformat herausgegeben. Dasselbe wird als volistEndiger Catalogue von nicht geringem Werthe für Organisten und Orgelstudenten dienen.
Als Climax dieser Reihenfolge von Auffllhrungen, und
zwar für das 100. Concert hege ich den dringenden
Wunsch, em Programm aus lauter neuen Compositionen
bestehend zu haben, und womöglich solche, die speciel
für diese Gelegenheit von den bedeutendsten Authoren
geschrieben.
Es wUrde mich sehr freuen, und ich wUrde es als eine
grosse Ehre annehmen, wenn Sie elne Ihrer werthvollen
Compositionen, die noch nicht erschienen, zusenden
würden, oder wenn Sie etwas Besonderes dafUr schreiben
möchten, wilrde es mir noch viel lieber sein.
Sollten Sie gefElligst dazu geneigt sein, so bitte ich
Sie, mich so bald wie möglich davon zu benachrichtigen,
damit ich vollig Zeit haben werde, mich vorzubereiten.
Erlauben Sie mir, geehrter Herr Professor Rheinberger,
- 104 -
mit gr6sster Hochachtung mich ganz ergebenst zu unterzeichen
H. Clarence Eddy.
20. October 1878.
Rheinberger fibersendet seine Orgel-Sonate Nr. 5 in
Fis-dur.
Ignaz Math, Lehrer in St. Johann in Tirol schreibt unter dem 16.11.1878 an Rheinberger:
Euer Hochwohlgeboren,
Hochzuverehrender Herr Rheinberger!
Der Zweck meines Schreibens 1st wohi zunächst der,
Ihnen und Ihrer edlen Frau meinen herzlichsten Dank
darzubringen für Ihre wahrhaft grossmüthige Liebe,
die Sie meinem Sohne Ignaz Mathe bis dato erwiesen
haben. Möge Ihnen der Lenker unserer Schicksale alles in reichlichstem Masse vergelten, was Sie bis dato an meinem Sohne gethan haben; es ist für mich wirklich der grösste Trost, sehen zu können, dass man in
MUnchen, in dieser auserlesenen Musikschule ganz uneigennUtzig handelt, und ich möchte fast sagen, mit
Ausländern vollig noch solider verfährt; denn mein
Sohn kann Sic, Ihre liebe Frau, die ganze Lehranstalt, und schliesslich München nicht genug loben,
und würde wohl urn keinen Preis, ungeachtet seiner gegenwärtigen kargen Stellung, zu bewegen sein, auszutreten.
Da ich Sic aber von vielen Seiten sowohl als KUnstler,
äusserst human und liebevoll bezeichnen hörte, so
glaube ich keine Fehlbitte zu thun, wenn ich Sic recht
inständig ersuche, meinem Sohne, wenn es möglich ware,
Gelegenheit verschaffen zu wollen, sich auf einer Orgel üben zu können.
Sic werden mir vergeben, wenn ich Ihnen nun sage, dass
em Tiroler Lehrer sehr schlecht dotiert 1st, daher
seine Zuflucht nur zu Gönnern nehrnen muss; es ist mir
wirklich unmöglich, Ausgaben machen zu rnUssen, da ich
noch 4 Kinder zu versorgen habe. Wenn es mir möglich
- 105 -
1st, hoffe ich, Sie im kommenden Sommer besuchen zu
kdnnen; besonders werde ich mir angelegen sein lassen,
eine oder die andere Komposition von Ihnen, vom 1.
KUnstler Deutschlands, zu erhalten.
Schliesslich erlaube ich mir, Ihnen und Ihrer lieben
Frau meinen herzlichsten Gruss zu entbieten, und
zeichne auch in ausgezeichneter Hochachtung
Euer Wohigeboren ganz ergebener
Ignaz Math
Seymour J.G. Egerton, späterer Earl of Wilton und Dirigent in London, schreibt an semen Lehrer Josef
Rheinberger:
Dear Herr Hofkapellmeister,
It is not easy to express to you the pain with I write
to inform you that I must relinquish my studies at any
rate for this Semester; the fact is I find that my temperament is not equal to the confinement in doors without which I can produce no work. If I found that I
could suffer in health and yet do good work, I should
be the last person to give in; but as I find that working injures my health and at the same time renders me
incapable of producing anything fit for your inspection,
the case seems quite hopeless.
I have for some days completely regained my physical
strength; and have been labouring conscientously at the
Canons; the only result being headache upon headache.
At the age of most of your pupils I should have treated
all this with supreme contempt; and have persevered night
and day until either "death or victory" arrived; and
indeed in early life I rather overdid those extreme measures; I have in fact learned some degree of caution from
experience.
Today I determined to take a long walk and make my decision before the evening; and this decision I have now
written to you. To anyone but yourself I should have been
content to write that I regretted that circimstandes prevented me from availing myself for the present of your
- 106 -
instruction; but to you, who have always treated me
more as a friend that a pupil, I feel I owe these explanations. - There is much that requires my presence
in England for a longer portion of the year than I
have given during these three years; and it may be
that an "arrire panse" of home has something to do
with the difficulty I find in giving my whole mind
to the theoretical studies in music.
This difficulty I propose to meet by coming :to
Munich perhaps twice a year for six weeks, during
which periods, and with an absolutely free mind, I
feel that I might derive infinite benefit for many
years from your advice; and I make so free as to
assure myself that you would be so kind as to give
me that advice under those circumstances.
As matters stand, it must be as annoying to you to
have me as a pupil, as it is for me to have to prove
so unsatisfactory to my teacher. - Therefore I had
forced myself to write you this letter, the contents
of which pray communicate to Frau Rheinberger, who
has, as well as yourself, always shown me such invariable kindness and syinathy. I have forced myself
to write, lest I should hesitate tomorrow; but now
the matter is settled, and I send my letter by hand.
Tomorrow I go early for a few days tramp on foot in
the mountains; and on my return I hope to have composed myself into tranquillity; when I will of course
come and call upon you. - Light as the matter may
seem to you, I assure you that it is one that causes
me a very "unangenehmes Gefühl".
Believe me Every yours sincerely
Seymour J.G. Egerton.
An den Weihnachtstagen 1878 fUhrt Rheinberger mit der
kgl. Vokalkapelle in München folgendes Programm auf:
- 107 -
Christnacht 1878:
Te Deum für Frauenstimmen
Messe in Es für Frauenstimmen, Harfe,
Violoncello, Contraba8 und Orgel
Graduale: Tecum principum für
Ett
Aiblinger
Frauenstinimen
Lachner
Frauenstimmen
Lachner
Offertorium: Laetentur coeli für
Christtag 1878:
Missa Papae Marcelli, 6 stimmig
Craduale: Resonet, 5 stimmig
Offertorium: Jubilate Deo, 5 stimmig
Palestrina
Stephanstag 1878:
Messe in d-Moll, 5 stimmig
Graduale: Sepelierunt Stephanum 4st.
Offertorium: Exultandi, Sstiuimig
Lachner
Marenzio
Sale
Sonntag, den 29. Dez. 1878:
Messe in A, 8stimmig
Graduale: Diffusa
Offertorium: Resonet, 5 stimmig
Ett
Neujahrstag 1879:
Messe, 8stiuimig
Graduale, 0 bone Jesu, 4stimmig
Rheinberger
Offertorium: Tui sunt coeli, 4st.
Eccard
Aiblinger
Lachner
Eccard
Palestrina
Rheinberger
Am Jahresende sendet er folgende Zeilen an semen
Bruder In Vaduz:
Mein lieber David!
Gleichzeitig mit diesem Brieflein wirst Du em neumodisches Barometer erhalten, das ich Dir zur Feier
Deines Namenstages feierlich tibersende. Hoffentlich
geht es Dir in Deiner stillen Haushaltung gut; wir
sind auch zufrieden und froh, daB nun Weihnachten
abgemacht ist, indem ich gerade über diese Zeit viel
zu thun habe. -
- 108 -
Letzthin bin ich durch Spanisches Diplom Ehrenmitglied
einer Philharmonischen Gesellschaft in Buenos-Ayres
geworden; seit dieser Zeit pflege ich sehr stblz zu
sein, wie nattirlich!
Don Jose Rheinberger.
Zu Beginn des Jahres 1879 begann Rheinberger mit einer
Arbeit, die selbst seiner Frau überraschend neu erschien. "Curt studirt mit eigenthtimlicher Energie die
englische Sprache", schreibt Fanny an David Rheinberger.
Der Grund für diese Studien liegt in Rheinbergers Plan,
eine Biographie von Luigi Cherubini aus dem Englischen
zu tibersetzen und zu edieren.
DasinAussicht genommene Werk stammte von Edward Bella-
sis. Die englische Erstausgabe erschien im Jahre 1874
unter dem Titel: CHERUBINI. MEMORIALS ILLUSTRATIVE OF
HIS LIFE by Edward Bellasis Barrister-at-low. London:
Burns and Oates Portman Street and Paternoster Row 1874,
und umfa1te einschliel3lich eines umfassenden chronologischen Werkverzeichnisses 444 Seiten.
Diese erste Biographie Cherubinis von einer derartigen
Breite der Darstellung geht beinahe ausschliel3lich auf
Zeugnisse, Urteile und Stellungnahmen der Zeitgenossen
des Florentiner Meisters zurück, mehr noch, sie ist
durchwegs nichts anderes als eine chronologische Reihung sämtlicher verfugbarer Literatur unter biogra-
phischem Aspekt. Indem Bellasis sich möglichst jeden
Kommentars enthält, gewinnt seine Arbeit dokumentarischen Wert.
Ludwig Schemann, dessen "Cherubini" (Stuttgart, Berlin
und Leipzig, Deutsche Verlags-Anstalt, 1925) neben
Richard Hohenemsers Biographie (L. Cherubini. Sein Leben und seine Werke, Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1913)
das bedeutendste Werk der deutschen Cherubini-Literatur ist, wtirdigt in seinem Vorwort Bellasis Leistung
mit folgenden Worten:
"Als erster hat Edward Bellasis in seinem Buch: cheru-
bini, Memorials Illustrative of his Life, unseren
KUnstler in gröl3erem Rahmen behandelt. Beschränkt sich
dieses Werk auch zum grol3en fast tiberwiegenden Teil auf
- 109 -
eine Wiedergabe fremder Urteile, so ist sein Verdienst
doch darum nicht gering anzuschlagen. Abgesehen davon,
dat in dem nicht Alizuvielen, das der Verfasser aus dem
Eigenen hinzugetan, sich manche treffende Bemerkung und
Beobachtung findet, hat dieser, vom Wesen Cherubinis
warm durchdrungen, nicht allein durch eine soiche flei8ige Zusammenstellung dem Meister viele neue Freunde gewonnen, sondern auch den älteren einen wesentlichen
Dienst dadurch geleistet, da8 er aus der damals bekannten Literatur namentlich auch Sachen, die in Deutschland
schwer zugänglich sind, - ich nenne u.a. Girod, De la
musique religieuse, Namur, 1855 - heranzog und ihnen so
mancherlei, das ihnen sonst entgehen wUrde, ersetzt, von
spezifisch englischen Stimmen, aus Zeitschriften zumal,
ganz zu schweigen. Das eigentliche dokumentarische Material freilich, die Urquellen, findet sich nur spärlich
vertreten - em paar Theaterzettel sind nach den Originalen abgedruckt, zwei Grabreden Cherubinis wiedergegeben - dies konnte sich naturgemä8 nur in Frankreich erschliel3en. Eine besondere Zierde des Buches bildet das
hier erstmalig wiedergegebene berUhmte Bildnis Cherubinis von Ingres."
Im Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz, finden sich drei
selbstgebundene Hefte in Quartformat, die auf 244 engbeschriebenen Seiten die deutsche iibertragung des Werkes von Bellasis von der Hand Josef Rheinbergers enthalten. Elne genaue GegenUberstellung der fJbersetzung
mit dem Original ergab, da8 Rheinberger das Werk bis
auf die letzten 37 Seiten vollständig übertragen, urn
umfangreiche Darstellung aus der Feder Ferdinand Hillers und La Mara erweitert und durch einige personliche
Bemerkungen ergänzt und teilweisebearbeitet hatte. Das
Manuskript 1st durchgehend mit Notenbeispielen versehen
und sorgfältig korrigiert, das erste Heft tragt das Datum des 8. Februar 1879.
fiber die näheren Umstände dieser umfangreichen Arbeit
f and sich aus dem Nachlat3 Josef Rheinbergers in der
Handschriftensammlung der Bayerischen Staatsbibliothek
in MUnchen (Rheinbergeriana, ehernalsCm6338, Nr. 6,
S. 194, 214, 223) folgender Briefwechsel:
- 110 -
Edward Be1lasi
an Josef Rheinberge:
H.N.College of 4rrns
London E.C.
Fri: 17. Jan. 1879
Dear Sir,
th
In reply to your letter of the 11
instant, I beg
to state that it would give me great satisfaction
to have the work translated into German, and no one
before you has proposed this task. I do not know
what arrangement with me you would deem equitable,
perhaps you may have an idea which I shd. be glad
to learn, and acquiesce in. But I think thus much
that since I shd. like to make some alterations in
the work besides some additions, I had better send
you the work thus amended and augmented for you to
translate it in the improved form (now that 5 years
have elapsed since it's first publication) rather
than as it originally appeared; and in your preface
you might mention that this had been done.
I trust to hear further from you. In the meanwhile
I will communicate with my publishers; and thanking
you for your esteemed communication which is very
gratifying to me,
I am, dear sir,
yours respectfully
Edward Bellasis
(Bluemant le)
Herr Josef Peireinberger (sic)
etc. etc.
Auf den beiden freigebliebenen Seiten des vorstehenden Brief es findet sich von Hand Fanny Rheinbergers folgender Entwurf einer Antwort.
Josef Rheinberger an Bellasis:
Dear Sir!
In reply to your letter from the 17. Jan. I have the
pleasure of telling you that I have already begun
the translation of Cherubini's biography being just
at leisure to do so. Allow me to state that I undertake to do so out of pure interest to the great corn-
poser whom I admire since my boy's-days and whosecharacter is very sympathizing to me - particularly in
the way your skilful hand has drawn it.
Should your Editors have any objections to my translating the book, pray let me know so before I got to
it.
I see that I did not write my name clearly, nevertheless your letter came into my hands - maybe that
you found it printed in your musical reports as Charles
Hall played my works during the last piano-concert and
quartett several times in England.
Bellasis antwortet hierauf mit folgendem Brief an Rheinbergers Adresse:
H.M. Herald's College
London E.C.
17. Feb. 1879
Dear Sir,
I have the exclusive copyright of "Cherubini", and
I make no conditions. I am only too glad you shd.
undertake it. I know your name now well, and I am
much honoured, and you write English well! I want
and I mean to send you a copy with M.S. corrections
and additions. Some of the authorities being German
you will only have to turn to them. Herr von Billow
has called my attention to the work of the Florence
Cherubini Society, and I must have something more
to say about it to do justice to Mine. Laussot, the
foundress, whom I do not even name. Herr Hiller has
written an interesting notice of Cherubini of which
I am now availing myself in the copy I mean to send
you.
The little Leipsic life (anonymous) of Cherubini
which, you see, I mistook for Arnold's work, has
partly disappeared, and I have only a few pages
(which I enclose with Arnold's life, since discovered after my book was printed).
I do not know German and I had to be very imperfectly helped, so you might get the Leipsic life
again and look at it. I wished to make my life as
- 112 -
complete as possible, so I ommited nothing, at the cost
of what may look like repetition now and then. Now, shd.
this Arnold's life (which please return when done with)
contain any new things omitted, will you kindly put them
in the book? I am not a scientific musician, and think
very little of my few criticisms which must appear
shallow to deep Germans, but my love, admiration and enthusiasm for this noble man and genius is unbounded. I
have had some correspondence with his daughter Mm. Rosselini at Pisa, but she added little to what is known of
her father already.
Alas! there are so few letters and not much to show the
"man", as he lived, but I suppose there is no help for it.
Count d'Orczy is here now. He seems a profound musician,
but his theories are too advanced? He will have nothing
much to say for Bach, HEndel, Mozart, Meyerbeer, orMendelssohn. Is it not strange? or am I wrong, and behind the
age?! Liszt and Wagner are his gods (and perhaps himself!).
The copy will come soon.
With much esteem and thanks,
I am, dear sir,
Yours truly,
Edward Bellasis
(Bluemantle)
Herr Rheinberger
etc. etc.
P.S.
Lamara's life was corrected by Mme Rosselini. It is in
German. You might see it, but I have an Italian copy
here, and I will inspect it before I send the additions
and book. Meanwhile you can go on without delaying, as
the mass of the text remains unaltered. Some sentences
I would have you put in notes instead of in the text, as
you will see when my copy comes.
Die weitere Korrespondenz scheint Rheinbergers Gattin geftihrt zu haben, denn unter dem 26. März 1879 finden sich
folgende Zeilen von Bellasis an Fanny Rheinberger:
Dear Madam
wed: 26 March 79.
Thankyouforyourkindlynote.Ina few days my added to and
- 113 -
amended copy of "Cherubini" will b.e sent off together
with a photograph of your humble servant and always
very truly yours
Edward Bellasis
(Bluemantle)
Mm. Rheinberger
Als letzter Hinweis, der sich in diesem Zusanimenhang
als aufschlulheich erweist, sei der nachstehende
Brief von Bellasis an Rheinberger angeftihrt.
College of Arms
London E.C.
9. April 1879.
Dear Sir,
I send you a copy of "Cherubini" with various additions
and corrections for yr. consideration. Where I quote
La Mara please compare with the German account, to see
that I am correct! You will not have to translate anything here, or where I have quoted Dr. Hiller, etc.,
but only to correct me; and look to the German onginales themselves. Whether you will repeat all I have
said from Dr. Hiller's German works I must leave to
you, but his new facts, apart from opinions, are interesting. I have quoted a deal because I am diffident
I have done scanty justice to the Coronation Mass in
G so little known. With respect to my photograph I
will send you one when those I have ordered come.
Please thank Mme. Rheinberger for her very kind note
and believe me,
yours very truly,
Edward Bellasis
(Bluemantle)
Herr Rheinberger
Weitere Briefe sind nicht aufgetaucht; da Schicksal
des geplanten Unternehmens bleibt somit rätselhaft,
vor allem die befremdliche Tatsache, daf Rheinberger
seine Arbeit unmittelbar vor dem letzten Kapitel,
- 114 -
geradezu mitten im Satz, abbrach und auf diese Weise
umfangreiche Vorarbeiten im Gegensatz zu seiner gewohnten Arbeitsweise urn den Abschlul3 und sich selbst
urn das Verdienst brachte, die erste umfassende Cherubini-Biographie in deutscher Sprache veröffentlicht
zu haben.
Motive dafür, dai3 das Werk Fragment blieb, scheinen
in der Problematik der Ubersetzung einer Quellen- und
Rezensionssammlung zu liegen und sind bereits in Bellasis' eigenen Briefbemerkungen gegeben. Deutsche
Originaiquellen, Brief e Mendelssohns, Moscheles',
Spohrs oder gar Beethovens aus dem Englischen zu retransponiern, widerspricht dern dokumentarischen Charakter des Werkes und rnufte Rheinberger unbefriedigend erscheinen. Der notwenige Rückgriff auf authentisches Material machte 1879 mehr noch als heute
Schwierigkeiten und war teilweise unmöglich, jedenfalls mit erheblichem Zeitaufwand verbunden.
Der Kgl. Professor für Kontrapunkt, Harmonielehre und
Orgeispiel, Inspektor der Theorie-, Orgel- und Kiavierklassen der Kgl. Musikschule in München, der gefragteundgefeierte Komponist Josef Rheinberger, der
als Kgl. Hofkapellmeister für Kirchenmusik am Neujahrstag 1879 soeben mit der Hofkapelle seine Papst
Leo XIII. gewidmete Messe für 8 Singstimmen a cappella
in Es-dur, op. 109, uraufgefUhrt und zur gleichen Zeit
nach seinern Klavierquintett in C-dur, op. 114, die
Toccata in c-moll für Klavier, op. 115, beendet hatte,
konnte auf der sich als unurngänglich erweisenden
Grundlage des Quellenstudiurns die begonnene Aufgabe
wohl schwerlich fortsetzen. Seinem zu Kompromissen wenig geneigten Naturell gemäf3 verzichtete er auf einen
Erfoig, der ihm nach dem Stand der Dinge nur halb verdient erscheinen mu8te, und liel3 sein Werk unvollendet.
Für den nachgeborenen Betrachter bleibt zu registrieren, daB Rheinberger als einer der bedeutensten Kontrapunktiker des 19. Jahrhunderts nicht nur Cherubinis Kontrapunktlehre studiert und seinem Unterricht
zugrundelegte, vielmehr auch unternahm, den Florentiner Meister, der ihm von Jugend auf bis zur Disposition des Münchener Konservatoriums zum Vorbild ge-
- 115 -
dient, als historischen Kontrapost zu der verhal3ten
Hypertrophie der Wagnerverherrlichung literarisch
aufzurichten, und damit zugleich der historistischen
Haltung Raphael-kopierenden Nazarenertums in der musikalischen Ausprägung des CEcilianismus die ununterbrochen tradierte Palestrinaschule eines Sarti und
Martini in der durch Cherubini vollendeten Form der
modernen orchestralen Kirchenmusik entgegenstellte.
Die Wahlverwandschaft Rheinbergers mit Cherubini
jedoch prägte sein Wesen derart, da Ludwig Schiedermair ihn den "deutschen Cherubini" nannte.
Am 30. Januar 1879 schreibt Rheinberger In einem Brief
an semen Bruder David In Vaduz:
Vorgesternwarich zum erstenmal als Zeuge in einer
öffentl. GerichtssItzung geladen. Es hatte nämlich
em junger, mir unbekannter Mensch unter andern
Schwindeleien auch durch Fälschung von Briefen auf
meinen Namen Waaren von 4 Kaufleuten erhoben. Da mir
urn Neujahr nun die Rechnungen zugestelit wurden, kam
der Betrug zwar auf, des Thäters wurde man aber erst
vor wenigen Tagen habhaft. Der talentvolle junge Mann,
der mit meinem Namen unterzeichnete Briefe so flott
geschrieben, bekarn
1/2 Jahr "Einsamkeit" verordnet.Die schlechten Zeiten machen sich eben in jeder Art
bemerklIch, besonders darin, daI3 man vlele schlecht
gekleidete, arbeitsiose junge Leute sieht; sodann eine
Art von Gaunerthum, die man frUher hier nicht kannte,
doch ist das wohi mehr Folge des Grofwerdens der Stadt.
Nur die Juden gedeihen und vermehren sich, als mtisse
aus Isar-Athen em Isar-Jerusalem werden; man mag hingehen wo man will, ilberall hörtman"niauscheln". Davon
witt Ihr in Vaduz halt doch noch nichts; um so eine
Krumrnnasezusehen, mUft Ihr bis nach Hohenembs fahren hier hat man's billiger.So ungefahr alle 4 Wochen 1st bei uns grot3er Musiksonntagnachmlttag; wir haben da vlele Gste; auch der
Hr. Nuntius Msgnor. Masella, em sehr liebenswtirdiger
1
- 116 -
Mann, war schon zweimal da. Es wird da sehr fein concertmä8ig musizirt. Die Caste werden nur mit Cafe bewirthet, der aber so vortrefflich bereitet 1st, daB
man in der Stadt sagt: bei Rheinberger hört man die
beste Musik in München und - trinkt den besten Cafe
dazu, was besonders meiner Frau viel Spa8 machte. Habt Ihr auch so viel Nebel? Wir wissen kaum mehr
wie die Sonne aussieht. Im lOOjährigen Kalender steht:
Nebel im Januar gibt viel Pestilenz; dazu kommt, daB
heuer die ganze Faschingszeit hindurch (wie alle 7
Jahr) der öffentl. Schäfflertanz zur Erinnerung an
die grol3e Pest im Jahre 1517 stattfindet - so komint
nicht hinaus. man aus deii'i Memento mon
Nun adieu! Wir sind vor der Hand noch wohigemuth.
I.. .1
Josef Rheinberger.
Dein Dich lieb. Bruder
Ware doch jammerschad, wenn die Schlo8wirtschaft
aufhörte! Dagegen soilte man wUhlen /An dieser Stelle
Text lUcke/.
Philipp Wolfrum (1854-1918), der bei Rheinberger in
München 1876-1878 studiert hatte und anschlieBend
eine Stelle als Seminarlehrer in Bamberg angetreten
hatte, schreibt an semen ehemaligen Lehrer:
Bamberg, am 6.MHrz 1879.
Hochverehrter Herr Professor!
Jetzt erst 1st es mir vergönnt, meinen Gefühlen der
Dankbarkeit gegen Sie Ausdruck zu geben. Nachdem mir
Fritzsch und Forberg abschlägige Antwort gaben, hat
sich Aibl in München über meinen Erstgeborenen erbarmt; daB sich nun auch recht Käufer fänden!
Gem hHtte ich mir erlaubt, Ihnen Proben meiner bisherigen Thatigkeit zur gütigen Beurteilung zu Ubersenden; allein ich habe hier em gröBeres Werk, wie
die c-moll Symphonie oder mein Klavierquintett noch
nicht zum AbschluB bringen können. Einerseits lebe
ich hier in Verhältnissen, die elnem jede Lust zum
Schaffen nehmen, wie z.B., daB ich in meiner Seminar-
- 117 -
Dienstwohnung beständig mit Orgel- und C1vierUbungen
b.elastigt werde, da nämlich in dem Zimmer rechts von
meiner Wohnung em Harmonium mit Pedal, in dern links
em
Clavier, in dem tiber meiner Wohnung ebenfalls em
Clavier in oft schaudererregender Weise traktirt werden - für gute Fortpflanzung der Tone sorgen die auch
in mein Zimmer einmllndenden Luftheizungskanäle; an-
drerseits wurde ich durch eine Gelegenheitscomposition
vom Vollenden meiner gröIern Sachen abgehalten, indem
ich nämlich mit einem Lied und einem Streichquartettsatz der Bewerbung urn das Mozartstipendium in Frankfurt beitrat; Herr Prof. Dr. Herzog in Erlangen war
so freundlich, die Arbeiten anzusehen und an ihre
Adresse zu Oberrnitteln. Er sprach sich im hOchsten Grade lobend Uber meine Arbeiten aus und gab mir die besten
Hoffnungen. Will sehen, ob ich ClUck habe, noch em
Jahr bei Ihnen und em weiteres Jahr bei Johannes Brahms
studiren zu können!
Ferner bin ich auch von unsrer Anstalt sehr in Anspruch
genommen, und besonders 1st es der Musiktheorie-Unterricht, der einer eingehenden Vorbereitung bedarf, wenn
man ihn nicht systemlos und schablonenhaft geben will.
Ich habe Hauptmann's Harmonik und Metrik zu wiederholten Malen durchstudirt und gefunden, da1 es zwar ent-
wickelt, wo andere BUcher wie Richter etc. dogmatisiren,
und somit erst eigentlich dem Unterricht elne gesunde
Basis gibt, daf es aber doch in vielen Punkten den praktischen Zweck gariz Nebensache sein läf3t, ja der Praxis
zuwider theoretisirt. Von den bisher eingefiihrten Lehrbiichern wie Hohmann, Helm etc. schweige ich am besten. Was Chorgesang betrifft, der sich auch in meinen Händen
befindet, so hatte ich elnige MUhe, im Seminar eine
Schule (Wiillner) einzufUhren; von einer solchen war frUher
nämlich nicht die Rede, und liegt auch der Unterricht an
den Prparandenschulen noch sehr im Argen. Ich bin bis
jetzt von den Leistungen meiner 100 Barden nicht erbaut,
wenn auch die Fastnachtsproduction (bei weichen u.a. 2
Lieder aus Ihrem op. 74 gesungen wurden) zur aliseitigen
und besonderen Zufriedenheit des Seminar-Inspektors von
Statten ging.
Von unseren Orgeln kann ich keine zur Ubung brauchen, da
die Pedale viel zu lange Mensur haben; doch wird Stein-
- 118 -
meyer an Ostern die grö2te der 5 Orgein so abändern,
da6 er eines yQfl semen Pedalen anbringen kann. In
den Herbstferien des vorigen Jahres spielte ich n
meiner Heimat fast tägiich 2 Stunden, oft noch langer, Orgei und auch während der Weihnachtsferien habe
ich mich fleil3ig geübt, sodaB mir die schwierigeren
Bach'schen Sachen in ihrem technischen Teile ganz wol
gelangen. Verhäitnisrnäl3ig am fleil3igsten war ich im
Clavierspiel; ich hatte bier auch schonmaleinen anständigen Erfoig. Ich spielte im II. Abonnementsconcert Beethovens op. 57 volistEndig, dann 3 kleinere Sachen von Chopin, Schumann etc., und mit dem
Concertmeister Bruck aus Wien die Sonate op. 21 von
Niels Wiih. Gade; sodannbegleitete ich sEmmtiiche Lieder etc., die Fri. Friedländer aus Leipzig sang; meine
SolostUcke spielte ich aus dem Kopfe. Noch mm Laufe
dieses Monats will ich bier mit Fri. Krieger em
seibstEndiges Concert" geben, in weichem ich die ganze
g-moli-Suite von S. Bach, Ihr op. 8 und Chopins Ballade op. 47 (engi.) spielen will; den Schlul3 des Concerts soil Brahm's op. 53 - Rhapsodie für Aitsolo und
Manncherchor (25 Seminaristen) bilden.
Sonst stehe ich dem hiesigen Musikieben voilständig
ferne und gebe nur dem Arrangeur der Künstierconcerte
Dr. Boveri Untrricht in Harmonielehre und Contrapunkt.
Entschuidigen Sie gUtigst, daB ich Sie mit diesen vielen Details beiästige; ich glaubte eben, Ihnen, ais
neinem damaligen Lehrer, genaue Rechenschaft von meinem Thun und Treiben zu schulden.
Indem ich mich Ihnen vieimais empfehle, zeichne ich in
groBter Hochachtung
Ihr
(
dankbar ergebener
Ph. Woifrum.
Uber Rheinbergers beste SchUierin berichten die Bayer.
Literatur-Biätter (Beiiage der "SUddeutschen Presse),
1. Jahrgang, Nr.1 vom 5.1.1879, 5. 7/8:
Das Konzert, weiches die Pianistin Louise Adoipha Le
- 119 -
Beau zum Besten des Stipendienfonds der kgl. Musikschule im Museumssaale veranstaltete, ward von einem
gewählten Publikum besucht.
I.. .1
Wir lernten in Fri. Le Beau eine aus tUchtlger Schule
hervorgegangene Künstlerin auf dem Piano, sowie eine
begabte und fruchtbare Komponistin kennen, die ihrem
hochverdienten Lehrer, Hrn Prof. Rheinberger, k. Hofkapeilmeister, alle Ehre macht. Unverkennbar 1st auch
desseri gewissenhafte Schulung von nicht geringem Emfluss auf das Schaffenstalent der Komponistin, denn
in ihren Werken erkennen wir überall die formgerechte
Durcharbeitung der musikalischen Sätze zu einem wohi-
gefailigen, harmonischen Ganzen. I...! Ihr Trio für
Kiavier, Violine und Cello ist durchaus geschickt gemacht. I... / Als Pianistin konnten wir Fri. Le Beau in
mehreren Stiicken bewundern. Sie spielte elne kunstvoll
gearbeltete Toccata von Rheinberger mit grosser Sicherheit und geschmackvollem Vortrag./.. . /
Fanny schreibt u.a. am 26.März 1879 an ihreri Schwager
David:
Im vorigen Jahre war der arme /Max/ Zen ger am verhungern
und wer ihn näher kannte, fürchtete, er könnte sich emLeides anthun. Curt hat sich sehr bemüht, daI3
er an der Kgl. Musikschule als Chorgesanglehrer angestelit
wurde, da er ihn für diese Stelle als empfehlenswerth kannte, und Zenger ist nun sehr fleit3ig und so glücklich, als
es sein brennender Ehrgeiz - (diese Reblaus der Kunst) zuläI3t. Gott sel Dank, daB Curt von dieser Krankheit nie zu
leiden hatte. Er 1st o zufrieden, und Zufriedenheit 1st
em
so seltenes, kostbares Gut! mal em
Deine Erzählungen über Gutenberg und die Mädchen dort haben
mich sehr gefreut. Da Du schreibst, sie hätten l4angel
Gesangsmusik, sende Ich Dir hier em
an
Werk Curt's, weiches
vIel in Instituten gesungen wird und sich wegen Einfachheit des Textes und der Composition trefflich für Kinder
eignet. Vielleicht bringst Du es einmal mit meinen besten
Empfehlungen der Frau Oberin. In den Klöstern der Salesi-
- 120 -
anerinnen ist dieses Heft sehr beliebt - Curt hat es
auch für em
"Kioster der Heimsuchung" geschrieben.
Im Kgi. Erziehungs-Institute wurde es hier mit
"lebenden Bilderri" zwischen den einzeinen Stücken
aufgeführt.
Mit seinem Urteil über C. Eichelers Klavierschule
gibt Rheinberger interessante Perspektiven seines eigenen Standpunktes kund. Das nur im Entwurf erhaltene
Schreiben ist an Otto Hieber gerichtet, der Lehrer
für Kiavier- und Orgeispiel an der Kgl. Musikschule in
Mtinchen war:
I.. 'I
Sätze sind recht gut und dem Schüler gewiss von Nutzen; nur dllrfte die Kontrapunktik
der Stimmen hie und da sorgfältiger ausgearbeitet sein;
Die zweistimmigen
man wird bei zweistimmigen Sachen denn doch immer die
Konkurrenz der zweistirnmigen Inventionen von Bach zu
bestehen haben, und das ist immerhin "em Umstand".
Auch die Triolenschule enthält Manches, das beherzigt
werden mag; aber - wo nähme man die Zeit her (zu lehren und zu lernen), wenri jeder musikalische Zweig, und
die Triolenbildung 1st nur em ganz untergeordneter,
in dieser Ausführlichkeit behandelt wUrde! Unsere
ganze Clavierpädagogik wird viel zu breit behandelt;
es gibt Schulen des Stakkato's, des Legato's, der Rhythmik, des Anschlags, des singenden Anschlags, der Ge-
läufigkeit, der Virtuositt, der Polyphonien, der
Akkordarpeggien, der Skalen, der chromatischen Skalen,
der harmonisirten Skalen etc. etc. wenn man jeden dieser Zweige als Hauptsache hinstellen woilte, wird die
zur reinen Nebensache. Man kann alle diese
"Schulen" absolvirt haben, und doch einen Haydn'schen
Menuett schlecht spielen. Der arge Missstand bei unse-
rem Clavierunterricht ist ja nicht etwa der Mangel an
gutem Unterrichtsmaterial, an dem wir ja Ueberfluss
haben, sondern die sehr kleine Zahi gut musikalisch gebildeter und gewissenhafter Klavierlehrer. Ueber das,
"was" wir beim Klavierunterricht anzuwenden haben, sind
- 121 -
wir ja im Reinen (man wird hierin keine neuen Entdeckungen macheñ), aber auf das "wie" kommt es
an!
Theilen Sie dies gefälligst G. Eicheler mit.
Am 18. April 1879.
Isidor Seiss (1840-1905), Dirigent der Musikalischen
Gesellschaft in Köln schreibt:
Köln, 16. Mai 1879.
Hochgeehrter Herr Rheinberger!
An meinen herzlichsten Dank für das schöne, wertvolle
Geschenk, das Sie mir mit der Partitur zu Ihrem Kiavierconcerte zu machen so liebenswürdig waren, knüpfe
ich heute die Mittheilung, dass Ihr Concert am letzten
AuffUhrungsabend der von mir gefUhrten "Musikalisehen
Gesellschaft" am 3. Mai hier gespielt wurde, und zwar
in ganz vortrefflicher Weise durch den Elberfelder Musikdirigenten Kayser - dieser sehr gelungene Vortrag,
sowie Ihre wirklich prEchtige Schopfung an sich, verschafften dem Concert den lebhaftesten allseitigsten
Beifall -; ich darf wohi daran noch persönlich die
Mittheilung fflgen, dass die hohe aufrichtige Verehrung,
die ich bereits für Sie, verehrter Herr Hofcapellmeister, empfunden habe, dadurch neuen Zuwachs erhalten
hat.
Mit besten Grüssen ergebenst
Isidor Seiss.
Nach dem Tode der Eltern und vieler seiner Geschwister
konnte sich Rheinberger lange nicht entsch1ie1en, seine
liechtensteinische Heimat zu besuchen.
Fanny schreibt am 14. Juli 1879 an David:
Meine verschiedenen Anstrengungen wegen Vaduz haben
bei Curt immer nur em Kopfschütteln hervorgebracht er geht auch heuer nicht hin! Leider! - Wenn nur das
"erstemal" überstanden ware, dann ginge es schon wieder. Wir gehen wieder nach Kreuth und werden dort
- 122 -
schnattern vor Kälte; nun .... man kann ja einheizen und die Molke ist so gut, daB sie fiir Vieles entschdigt, auch soil bereits das Bad schon ranz you sein.
Einer der bekanntesten Schüler J. Rheinbergers war
Engelbert Humperdinck (1854-1921), der mit seiner
MErchenoper 'Hänse1 und Gretel" Weltruhrn erlangte.
Am 9. Oktober 1877 saB Humperdinck urn 8 Uhr in der FrUh
zurn erstenmal unter Rheinbergers Schiilern im Münchner
Odeon.
"Humperdinck nimmt an der Stunde teil", 1st unter diesem Datum in Rheinbergers Inspektionstagebuch zu lesen
und dieser lakonische Satz besagt, da8 Rheinberger
Humperdincks Fahigkeiten so hoch einschätzte, daf3 er
ihn in den Kurs für Fortgeschrittene einreihte, der
dienstagsundfreitags von 8 bis 10 Uhr stattfand.
Rheinbergergliedertenamlich den Kreis der musiktheoretischen Aufgabenstellung in der Musikschule in drei
Kiassen, die in drel Jahren zu bewaltigen waren:
1. Kiasse
Vorstufe Harmonielehre und einfacher
Kontrapunkt
2. K1asse
Musikali- Kontrapunkt, Fuge und Canon
sche Theo3. Kiasse)
ne als
Formenlehre, Instrumentation,
Spezial- Variation und Vielstimmiger
fach
Satz
Der Unterricht in der Kiasse begann mit kontrapunktischen Choralbearbeitungen. Em phrygischer Cantus firrnus, "Straf mich nicht Herr mit Eifermut" aus Ulenbergs "Psalmen Davids" des Jahres 1582, wurde vierstimrnig gesetzt und wanderte dann aus dem Sopran in den Alt,
von dort in den Tenor und wurde schlie8lich in einer
vierten Ubungsaufgabe zum BaBfundament gemacht. Ebenso
verfuhr man bei stetem Wechsel der Ton- und Taktart mit
weiteren Chorälen aus dern 17. Jahrhundert, die jeweils
als Cantus firrnus in den verschiedenen Stimmen mit Text
bearbeitet werden mul3ten. Es schiossen sich Ubungen im
- 123 -
Canon an, und an diesem Beispiel mag einmal die ganze
Systematik dieser Schulung aufgezeigt werden.
Der Unterricht begann mit 2stimmigen Ubungen im Canon
der Unteroktavundder Oberoktav. Dann ging Rheinberger
zum dreistimrnigen Satz Uber, zunächst mit einem Kanon
der unteren Doppeloktav mit freier Mitteistimine, dann
folgte die obere Oktavimitation mit freier Oberstimme.
Hierauf tibte erdenKanonsatz in der oberen Sekund und
unteren Sept mit freiem,Ba13 bzw. freier Oberstimme, es
foigten analoge Ubungen im Kanon der Oberterz und Untersext, der Unterquart und Oberquint. Schlielllich kamen
die strengen Formen des dreistimmig und vierstimmig
durchgeführten Kanons an die Reihe, gefolgt von einem
Doppelkanon zu 4 Stimmen,und gekrönt wurde diese musikalische Steinmetzarbejt mit einem dreifachen Kanon zu
6 Stimrnen von Josef Rheinberger selbst, den die KontrapunktschUler säuberlich in ihr tibungsheft einzutragen
hatten.
Parallel zu den genannten Ubungen im Kanon verlief der
Kurs im Fugenschreiben, der in Thniicher Weise von der
Beantwortung einfacher Theinen ausgehend die ganze Problematik der Fugenlehre bis zu den kompliziertesten
Formen des doppelten Kontrapunktes und der Doppel-,
Tripel- und Quadrupelfuge im fUnf- und sechsstimmigen
Satz enthielt.
Anschlie!3end an diese Ubungen ging Rheinberger im zweiten Jahr seiner Unterweisung zu Formeniehre und Instrumentation Uber. Er verzichtete dabei in alien Einzeidisziplinen auf tiberfitissige theoretische Erörterungen,
wies vielmehr die handwerkliche Fertigkeit als Voraussetzung kUnstlerischen Tuns bei den Meistern von Bach
bis Beethoven, von Palestrina bis Cherubini am Beispiel
nach und iieI in seiner systematischen Schulung nicht
eher locker, bis die zwanglose Logik der musikalischen
GedankenfUhrung dem Schlller zur SelbstverstEndlichkeit
geworden war. Das war eine harte Schule für Humperdinck
und eine nützliche; und wer je die mit gröt3ter Akkuratesse geschriebenen Ubungshefte aus dem Frankfurter
Nach1a1 Engeibert Humperdincks in der Hand gehabt hat,
die in Rheinbergers Schule entstanden sind und die in
dieser Form einzigartige Zeugnisse systematischer musik-
- 124 -
padagogischer Arheit in der zweLten Hälfte des 19,
Jahrhunderts darstellen, der wird die frage, wo Humperdinck de später vielbewunderte Meisterschaft des
musikalischen Satzes erworben hat, zu beantworten
wissen.
Neben der regelrechten Lösung kornpositorischer Aufgabenstellungen 1ie1 Rheinberger auch Raurn für freie
Arbeiten seiner SchUler, 'die er korrigierte und in
den Konzerten der Musikschule aufführen 1ie1. Humperdinck komponierte zunächst em Lied zu vier Stimmén
mit Kiavierbegleitung. Weitere Versuche in dieser
Gattung folgten.
Zuweilen fehit aber auch einern hochbegabten Schüler
die rechte Arbeitsiust, wie sich aus folgendem Entschuldigungsbrief entnehmen läI3t:
MUnchen, 29. Juni 1878.
Herrn Hofkapellmeister RheinhergeT,
Wohigeboren.
Da es heute zu spat sein dUrfte, zu Ihnen zu kommen,
so m6chte ich Sie auf diesern Wege bitten, mit RUcksicht auf meinen in den letzten Tagen angegriffenen
gesundheitlichen Zustand, der sich durch Brustschmerzen und Blutandrang zurn Kopfe bemerklich machte, von
der Fertigstellung einer contrapunktischen Arbeit, die
unter anderen Umständen mir gewi1 keine besonderen Urnstände bereiten wtirde, für jetzt bei mir abzusehen.
Das beiliegende BruchstUck rnöchte ich nicht als eine
zu beurtheilende Prüfungsarbeit betrachtet wissen,
sondern nur als Beleg, da1 ich wirklich, wenn auch
ohne Erfoig versucht habe, die physische Abgespanntheit, die bei fortgesetzter geistiger ThEtigkeit sich
in bedenklicher Weise verschlinimern würde, zu Uberwinden.
In der Hoffnung, bei Gelegenheit Ihnen einige contrapunktische Arbeiten vorlegen zu dUrfen, bittet für
diesmal urn freundliche Nachsicht
Ihr ergebenster Hurnperdinck.
- 125 -
Nach einem halben Unterric.htsjahr heil3t es in Rheinbergers Musikschultagebuch:
"Humperdinckbringteine Ballade 'Wallfahrt nach Keylaar' für Chor und Qrchester, vier Wochen später
bringt Humperdinck die Fortsetzung der Ballade. Das
Werk wurde am 15. Juli 1878 von der Musikschule aufgefUhrt und ansch1ietend fUr die Bewerbung urn den
Mendelssohnpreis eingereicht. Nachdem Humperdinck im
Herbst 1879 seine Studien bei Rheinberger beendet
hatte, schreibt er am 15. Oktober 1879 aus Xanten:
Hochgeehrter Herr Hofkapellmeister!
Laut soeben eingetroffener Benachrlchtigung seitens
des Herrn. Prof. Dr. Joachim in Berlin wurde mir von
der dortigen Mendelssohn-Stiftung für die unter Ihrer
Anleitung gefertigten Arbeiten: ttHumoreskelt und "Wallfahrt nach Kevlaar" der Preis verliehen, bestehend in
einem Reisestipendium von 1500 Mark. Diese Ihnen gew113 erfreuliche Mitteilung nebst achtungsvollen Grllfen
von lhrem dankbar ergebenen SchUler
E. Humperdinck.
Rheinberger Ubersendet Humperdinck darauf am 16.10.
1879 seine Visitenkarte mit folgenden Zeilen:
"Lieber Herr Humperdinck!
Ich wUnsche Ihnen herzlich ClUck iiber Ihren Erfoig.
Nur rUstig weiter gearbeitet! Lassen Sie von Zeit
zu Zeit wieder von sich hören. Mit freundi. GruI3e"
/Josef Rheinberger/
Weitere Dokumente Uber das Verhältnis von Lehrer und
SchUler fehien in diesem Fall. Humperdinck geriet in
Wagners Fahrwasser und diesen "Abfall" konnte ihm
Rheinberger nicht verzeihen. Bei der MUnchner Erstauffuhrung von "Hansel und Gretel" erst begegneten
sich beide wieder.
- 126 -
Die UrauffUhrung vn Rheinberges op. 110, Quveture
zu Schillers "Demetrius" für gro1es Qrchete, fand
am 30. Qktober 1879 im Gewandhaus zu Leipzig statt.
Carl Reinecke schreibt an Rheinberger:
Leipzig, 4. November 1879.
Sehr geehrter Freund und College!
Verzeihen Sie mir, daIs ich nicht der Erste war, der
Ihnen die Mittheilung von der AuffUhrung Ihrer Deme-
trius-Ouverture gemacht! Nur übermige Beschäftigung
hielt inich davon ab. Es freut mich, Ihnen berichten
zu können, data die Ouverture eine sehr warme Aufnahme
fand und namentlich auch alien Musikern sehr gefiel
und von dem Orchester mit grol3er Liebe und Hingebung
gespielt wurde. Wenigstens haben wir uns die ehrlichste
Mühe gegeben, das Werk würdig darzustellen.
Mit hochachtungsvollem GruBe Ihr sehr ergebener
Carl Reinecke.
Hugo Riemann (1849-1919), von 1878-1880 Privatdozent
der Musik an der Universität Leipzig, schreibt an
Rheinberger:
Leipzig, 11. November 1879.
Hochgeehrter Herr Hofkapellmeister!
Verzeihen Sie mir, daB ich mich Ihnen nicht noch vor melner Abreise aus MUnchen empfohlen habe. Der EntschluB zur
Abreise und die Abreise selbst lagen nur wenige Stunden
auseinander, sodaB ich genöthigt war, alle Verabschiedungsbesuche aufzugeben. Die Aufnahine, welche ich bei
Excellenz von Perfall gefunden, wa eine sehr freundliche und Hoffnung erweckende, sodaB ich es nicht für
geboten halten konnte, die Frage nieiner tibersiedlung
nach Mllnchen ruhen zu lassen, vielmehr mich bemühen
werde, dieselbe nach Möglichkeit lebendig zu erhalten.
Gestatten Sie mir daher, auch Ihre Fürsprache für mich
in Anspruchzunehmen, für den Fall, daB die Idee greifbare Gestalt gewinnen solite, mich an der Königlichen
Musikschule zu beschEftigen. Die Fächer, für weiche ich
- 127 -
mich glaube qualificirt halten zu dUrfen, sind aul3er
der Ceschichte und Astetik der Musik; Harrnonielehre
und Clavierspiel. Wenn es sich darum handein soilte,
durch Zeugnisse meine Qualification nachzuweisen, so
wUrde vor allem gewil3 Herr Capeilmeister Reinecke hier
gem llber mich berichten. Für meine Leistungsfähigkeiten auf historischem und musikwissenschaftlichem Gebiet,wUrdenfreilich wohi oie von mir herausgegebenen
BUcher selbst sprechen mtissen, wenn es mir auch nicht
an anerkennenden Urtheilen der Fachschrif ten fehit.
Gleichzeitig mit diesen Zeilen erlaube ich mir eine
kleine Composition von mir an Ihre Adresse abgehen zu
lassen, weiche nichts weiter soil als Ihnen zeigen,
ich nicht nur Bllchermensch, sondern wirkiich auch
practischer Musiker bin. Vieileicht nehmen Sie an dem
daf
Streichquartett soviei Interesse, da1 Sie Sich es em-
mal von Schlllern der Musikschule vorspielen lassen;
die Partitur ist leider nlcht gestochen. Grö6ere Werke
habe ich noch nicht herausgegeben; diesen Winter hoffe
ich eine in Stimmen soeben vorn Copisten zurUckkommende Symphonie herauszubringen.
Da es sich darum handelt, mich Ihnen zu empfehlen, so
werden Sie mir verzeihen, dat3 ich von meinen Leistungen
spreche; angesichts dieses Zweckes rnü6ten Sie mich für
einen niedrigen Schrneichler halten, woilte ich Ihre
Verdienste rflhmen. Deshaib schiiel3e ich mit der wiederholten Bitte urn Ihr Wohiwollen und zeichne mit vorzüglicher Hochachtung
ganz ergebenst
Dr. Hugo Riernann
/T.B.7, 57. Handschriftliche Eintragung über die ganze
Seite/:
München
3. D e z
1 8 79
K.Odeon Concert
Mi t two c h
,
.
der musikalischen Akademie
W A L L E N S T E I N
Sinfonie von Rheinberger dirigirt vom Componisten.
"Das Orchester ganz vortrefflich!"
- 128 -
Die Augsburger Abendzeitung vom 6.12.1879 berichtet:
Das gestrige dritte Abonnements-Konzert der Musikalischen Akademie brachte in seinem ersten Theil Josef
Rhéinbergers interessante "Wallenstein-Sinfonie" von
weicher wir von vorneherein bemerken wollen, daf sie
ungleich bedeutender ist, als die vor längeren Jahren
gehörte F-dur Sinfonie (op.87) desselben Komponisten.
Wir haben imailgemeinen keine Vorliebe für die sogenannte Programmusik, und in seinem Charakter als solche, d.h. in der AnkUndigung undurchfUhrbarer Intentionen erblicken wir auch die schwache Seite des aufgeführten Werkes.Konnte es genialen Tondichtern gelingen,
uns in Kompositionen wie "Szene am Bach", "Meeresstille",
"Gang nach dem Hochgericht" oder "Walkürenritt" em den
Titel rechtfertigendes Bud zu entwerfen, so ist die
Aufgabe, die sich Rheinberger in seinem Wallenstein gesteilt, eine enorm viel schwierigere, der musikalischen
Durchführung in hohem Grade widerstrebende; so dürfte es
denn auch selbst der wohlwollendsten Phantasie schwer
werden, hier - das ebenso hUbsche als originelle Scherzo
"Wallensteins Lager" und "Kapuzinerpredigt" ausgenommeneinen Zusammenhang mit den durch Herzog Friedland dargesteilten historischen Fakten und mit der Schiller'schen
Dichtung herauszufinden. Diese in der Natur der Sache
begründete Schwäche abgerechnet, haben wir es mit einer
sehr tüchtigen, stellenweise wirklich schönen Komposition zu thun, deren Hauptvorzug als Ganzes auf einer
von Satz zu Satz zunehmenden Steigerung des musikalischen Werthes beruht. Es hat auch das Finale unbeschadet seiner Ueberschrift ("Wallensteins Tod") und trotz
einiger Lngen uns den bedeutendsten Eindruck hinterlassen.
Das Werk gelangte unter des Komponisten eigener Leitung
in trefflicher Weise zur AuffUhrung und wurde von dem
zahireichen Auditorium durch lebhaf ten Beifall und wiederholte Hervorrufe ausgezeichnet.
Nachdem ihn im Oktober 1879 seine beiden BrUder David
und Peter aus Liechtenstein in München besucht hatten,
schreibt Rheinberger zu Weihnachten nach Vaduz:
- 129 -
Mein lieber David!
Ehe das Jahr neunundsiebzig in die Rumpelkammer der
Geschichte gesteilt wird, mul3 ich Dir doch noch einmal
schreiben, was ich in dem bewuBten Jahre allerdings
nicht oft gethan habe. Es geschah dies jedenfalls nicht
aus "Bosheit", sondern eher aus Stoffmangel; zu dein hatten wir die Freude, Euch hier zu sehen, wobei ich nur
bekiagen kann, dat3 Du Deines Riesenschnupfens wegen so
wenig Cebrauch von Augen und Beinen gemacht, und so we-
nig von München genossen hast. Gleich bei Eurer Abreise
wurde das Wetter wunderschön, was von jetziger Zeit insofern nicht gesagt werden kann, als wir wiederholt
22 - 23° R. in der Stadt - d.h. 24 -25° au8erhalb derselben hatten. Diese Kälte soil seit 1829, wo es allerdings 30° R. hatte, nicht mehr gewesen sein.Deinein ietzten Briefe nach scheint Ihr Ubrigens auch
in Vaduz ttichtig zu frieren; mdge dies einen guten
kommenden Sommer bedeuten!
1st die von Jul. Maier Dir Ubersandte Chronik für Liechtenstein interessant? Mir hat er sie sonderbarerweise
nie gezeigt.-
In seiner letzten Nummer droht Herr Hofcaplan Fetz,
die Beilage (der liechtenst. Zeitung) Schiol3 "Fad-uz"
eingehen zu lassen, wenn man nicht "hef tiger" darauf
abonnire - - - scheint also wenig Anklang zu finden.
Meiner Ansicht nach wird die neue Schreibart auch nicht
von einem Menschen adoptirt werden; ich glaube, daB es
wirklich wichtigeres zu thun gEbe!
In dem politischen Leben ist hier grol3e Stille; man gibt
sich höchstens mit neuen Erfindungen ab, aber alierdings
nur auf dem Gebiete der Besteuerungen; hierin scheint
das neue Dezennium der Achtziger recht gemUthiich zu
werden. Nun, - wir werden es auch nicht Endern.Die Folgen der abnormen Kälte äuBern sich auch in unserer Familie: Fanny leidet am HexenschuB, ich am "Durch-
fall"(glücklicherweise bin ich kein Student) und der
. Jetzt muB ich, ohne
eigentlich etwas Gescheidtes geschrieben zu haben, zum
Schiuf3 ellen, da em SchUler sich you "Wissensdurst"
einsteiien wird-ejn Landsmann Dante's, ohne die geringste Geistesverwandschaft mit diesem, was man aber billigerweise auch nicht verlangen kann.
getreue Hund Scarii am Keuchhusten
- 130 -
Nun, Gott befohien, mein lieber David! grüie Peter und
seine lieben Angehörigen herzlichst von mir - bleibe
gesund und ohne Schnupfen! Dies wiinscht Dir für's alte,
wie auch für's neue Jahr
Dein Bruder Josef Rheinberger
München, den 19.12.79.
In einem Brief vom 12. Januar 1880 schreibt Rheinberger
an semen Bruder David u.a.
I...!
Ich war Uber Weihnachten und Neujahr recht unwohi -
jetztbinich aber wieder wohlauf - es war die Kälte
eben ganz abnorm, und wenn es jetzt nur etwa 6 - 8°
unter Null hat, so meint man, és sel ordentlich warm!
Ich möchte doch wieder einmal Vaduz im Schnee sehen -
da es schon dreil3ig Jahre her ist, seit dies das letz.temal der Fall war, so kann ich mir es gar nicht mehr vorstellen! Wie halt sich die Vaduzer Orgel? Man solite dieses kostbare Werk doch etwa alle 2 Jahre nachsehen lassen.1st das Palais Schiegel schon fertig und bezogen?
I.. .1
Niels Gade machte sein Versprechen wahr und teilte
Rhemnberger mit, da1 er die Ouverture zu Schillers
Demetrius, op. 110, dirigiert habe:
Copenhagen, 16. Januar 1880
Hochgeehrter Herr Rheinberger!
Es freut mich sehr, Ihnen mittheilen zu können, daI3
wir gestern Abend Ihre charakteristische und schöne
Ouverture zum 2te Male aufgeführt haben (lste Auf-
führung im Abonnementsconcerte und 2te im grot3en
Concert). Musiker und Publicum waren beide Male hoch
erfreut und gaben durch reichen Beifall ihr Interesse
für das Werk kund.
Mit Hochachtung
Ihr ergebener
Niels W. Gade.
- 131 -
Johann Georg Herzog (1822-1909), Universitätsmusikdirektor in Erlangen schrelbt am 13. Februar 1880
an Josef Rheinberger:
Hochverehrter Freund!
Für das Ubersandte Programm danke ich herzlich. Thut
einem versauerten Musikanten in einer kielnen Landstadt doch wohi, wenn auch in der Residenzstadt was
von ihm gesungen wird, wenn er auch weif3, dal3 es in
der Welt Besseres gibt. Dem Publikum im Aligemeinen
gef11t freilich oft das Bedeutendste weniger als
Mittelgut.
Es 1st mir in der letzten Zeit nicht gut gegangen.
8 Tage vor Weihnachten erkrankte ich an Diphteritis
und hatte damit voile 6 Wochen zu thun; nun ist
meine 17-jährige einzige Tochter an Lungenschwindsucht hoffnungslos erkrankt, sodaB also wieder emmal im Leben Kummer und Sorge schwer auf mir lasten.
Hoffentlich steht in Deinem 1-lause Alles gut. Das
gebe Gott!
Mit den besten GrUi3en an Deine verehrte Frau Gemahiin
Dein alter treuer Freund
Herzog.
Ferdinand Hiller (1811-1885) fragt an:
7.3. 80
Werther Herr Rheinberger,
Haben Sie vieiieicht em kurzes, wirksames ChorstUck
mit Orchester (ohne Soli), weiches wir am 3. Tage des
Musikfestes machen könnten? Ich möchte sehr gem Ihren
Namen und Ihre Musik vertreten sehen.
Mit den besten Empfehlungen an ihre Frau Gemahlin
Ihr ergebener
Ferd. Hilier.
Fanny bemerkt dazu:
Nicht ernst gemeint, denn andern Tags stand bereits in
der Didaskalia Frankfurt das festgestellte Prograrnm des
III. Concertes-Cöln.
- 132 -
Rheinberger macht Hiller foigendes Angebot:
München, 30.3.80.
Hochgeehrter Herr!
Au.f Veraniassung Ihres geehrten Briefes habe ich meine
Kindlein gemustert. Vielieicht entspricht Ihnen die
Männerchor-Ballade "Das Thai des Espingo" (Leipzig,
Fritsch) oder "Wittekind" (bei Forberg), beide ohne
Soii mit Orchester. - Meine kleinen Chorsachen für
gem/ischten/ Chor sind alie entweder mit Ciavier
oder a capelia. Vieiieicht entspräche em Satz meines Requiem op. 60 (Schott), z.B. das Agnus. Die Ballade op. 97 "Clärchen auf Eberstein" (Leipzig bel Kistner) hat Orchesterbegl/eitung/, aber auch Soli. Soilten Sie unter den Werken nichts Entsprechendes
finden, so werde ich die Chorbailade "König Erich"
(op. 71 Forberg) instrumentiren. Bei genauer Durchsicht finde ich aber ietztgenanntes Werk für groen
Raum weniger geeignet. Mit herzllcher Empfehlung (auch von meiner Frau) Ihr
hochachtungsvoil ergebener
Josef Rheinberger
Fanny ergänzt:
"Die Frau" empfiehlt Ihnen das Dies irae (das ganze)
aus dem Requiem und grüJ3t bestens.
Hiller antwortet:
4.4.80.
Werthester Herr College,
Es thut mir schrecklich leid, da meine gute Absicht,
Ihren Namen auf unserm Musikfestprogramm vertreten zu
sehen, sich wohl nicht verwirklichen lassen wird. Für
MHnnerchor wird auf unseren Festen (wie in unseren
Konzerten) nichts aufgeführt, das besorgen die Vereine
hier. Von allem, was em Requiem enthält, ist ebenfalls
zu Pfingsten abzusehen - nicht einmal am ersten, viel
weniger am 3. Tage (wo es schon etwas heiter zugeht)
wUrde man dazu die Einwilligung geben. Nun ist das
StUck, welches Sie instrumentiren wollen, und welches
ich gleich von Forberg verlangt, nicht bei demselben
- 133 -
gestochen, wie er mir sagt, und, da es nicht in meinen
Händen, aber auch nicht in der Weise, wie es nöthig,
gegeben worden, kann ich es auch in der nächsten Sitzung nicht vorschiagen. Erlauben Sie mir nun, Sie zu
bitten, in Betracht der Bedllrfnisse unserer rheinischen
Konzerte, in weichen jedesmal Chor (gemischter) mitwirkt, sich einmai dieser Form zu bemächtigen und em
kUrzeres, nicht alizu schweres StUck ohne Soil zu
schreiben (wie, in Bezug auf die Lange, etwa mein "Gesang der Geister Uber den Wassern" oder Brahms "Schicksalsiled" und dergleichen) - sie soilen von uns gegeben werden und uberhaupt in den Rheinianden sicher eine
gute Wirkung davon verspUren. Verzeihen Sie mir, dal3 ich
Sie beiastigt - ernpfehlen Sie mich der verehrten Gattin,
deren Rath ich diesmal leider nicht befoigen kann.
Ihr ergebener
Ferd. Hiller.
Zu Ostern 1880 hatte Rheinberger wiederum umfangreiche
Aufgaben als Hofkapellmeister zu versehen, die auch
von höchster Stelie gewUrdigt wurden. Die "Neuesten
Nachrichten" vom 28. März 1880 berichten:
Se. Majestät der Konig hat auch gestern wieder Nachmittags der Lamentation in der Ailerheiligenhofkirche
im Königsoratorlum angewohnt und Abends die aite Hofkapeile besucht. In der Ailerheiligenhofkirche kommt
am Ostersonntag urn 11 Uhr zur Auffiihrung: Messe in Esdur zu 8 Stimmen von J. Rheinberger, Graduale "Jubilate", vierstimmig, von Aiblinger, Offertorim "Christus Resurgens", vierstimmig, von Anerlo.
Dr. Wilhelm Kienzi (1857-1941), der Komponist des
Evangelimann, möchte Rheinbergers SchUler werden:
MUnchen, 13. April 1880.
Geehrter Herr Professor!
Durch vielfache BeschBftigung abgehalten, komme ich
- 134 -
erst jetzt dazu, meinen Vorsatz auszufUhren, Sie nämlich
mit wenigen Zeilen urn eine baldige, bestimmt, wenn auch
kurze Antwort zu ersuchen betreffs des Ihnen schon emmal (Anfang März) vorgebrachten Anliegens.
Glauben Sie also wirklich, dat es volikommen zwecklos sei,
bis zum Juli - wo Sie, wie Sie mir sagten, abreisen von nun an in der Woche einmal mit Ihnen contrapunktisch
zu arbeiten oder nicht? - Sie kennen das Vertrauen, welches ich in Sie, geehrter Herr Professor, setze.
Ich bitte Sie also of fen Ihre Meinung liber diesen Punkt
nochmals zu sagen; vielleicht haben sich thre Zeitverhältnisse doch zu meinen Gunsten geändert.
Mit der Versicherung meiner gr6Bten Hochachtung
Ihr sehr ergebener
Dr. Wilhelm Kienzl.
- 135 -
Nachdem Rheinberger im Winter 1879/80 mit der Komposition seines "Christoforus" begonnen hatte, schrieb
er am 24/25. April 1880 innerhaib von 5 1/2 Stunden
seine "Missa in honorem Sanctissimae Trinitatis" in
F-Dur, op. 117,fUr 4stimmigen Chor a-cappella.
In der Pfingstwoche komponierte er seine 6. Orgelsonate in es-Moll.
Johann Georg Herzog schreibt am 26. Juni 1880 aus
Erlangen an Fanny Rheinberger:
Hochverehrte Frau!
Ich bin Ihnen immer noch einen ganz besonderen Dank
schuldig und muf3 dringend urn Ihre freundliche Entschuldigung bitten, data dieser so spat an Sie gelangt. Sie haben mir nach dem Tode meiner Tochter
elne eigenhändige Abschrift von dem schönen Gesang
von Barnabel geschickt. Das hat mich auJerordentlich
gefreut und die herrliche, tief kirchiiche Composition war mir eine rechte Erquickung in den Stunden
tiefster Trauer. Also tausend Dank für diese freundliche Aufmerksamkeit. Freude und Interesse hat es
bei mir auch erweckt, daI3 Sie ganz die selbe Handschrift haben wie Meister Rheinberger.
Werden Sie wohi wieder während der Ferien nach Kreuth
gehen? Ich habe vor, mit meiner Frau, die von wiederholten schweren Verlusten sehr angegriffen ist und
Soibäder gebrauchen soil, nach Haiiein bei Salzburg
zu gehen. Auch möchte ich bei dieser Gelegenheit emmal die Oberammergauer Passionsspiele sehen.Vor einigen Tagen besuchten meinen Gesangsveremn zwei
Damen aus Mllnchen: Fri. Dollmann, weiche iebhaft bedauerte, daI Freund Rhemnberger nicht rnehr den Oratorienverein leitet. Die Mitglieder scheinen mit dem
Nachfoiger nicht ganz zufrieden zu sein.
Warum wohi von Rheinberger's Opern keine Aufführung
in München rnehr stattfindet? Neulich wurde ich in einer Cesellschaft darum gefragt; ich wul3te aber nichts
anderes zu sagen ais die Worte Bacheris: "Was die Menschen haben, woilen sie nicht, und was sie woiien, haben sie nicht."
- 136 -
Mit den ailerschönsten Grüien
Ihr ganz ergebener
Dr. J.G. Herzog.
Ende Juli 1879 wurde Rheinberger von Papst Leo XIII.
durch die Verleihung des Ritterkreuzes vom Orden des
Hi. Gregor (gestiftet am 1.9. 1831 von Papst Gregor
XVI.) ausgezeichnet.
Fanny sorgt dafür, dai3 dies bekannt wird; sie schreibt
nach Vaduz:
Bad Kreuth, 31. Juii 1880.
Lieber Schwa9'er David!
Wie schade, daB die guten Eitern und Maly die .freudige
Mittheiiung nicht hienieden noch anhören können, (hoffentiich 1st ihnen der Himmel lieber!) weiche ich Dir
heute zu schreiben habe. Curt hat vor em paar Tagen,
em
päbstiiches Breve erhaiten, weiches in Anerkennung
seiner Verdienste urn die kathoiische Kirchenrnusik ihm
nicht nur den Segen des heiligen Vaters ertheiit, son-
dern ihn auch zum Ritter des Ordens vom Hi. Gregor dern
Grof3en erhebt.
Wahrscheiniich iächeist Du dazu, ich aber habe mich
von ganzern Herzen darüber gefreut, denn schon die Ansprache "diiecte Liii" 1st - wenn auch aiigerneiner Styl,
so doch für mein Herz besonders trostvoii.
Ich bitte Dich, diese Kunde ausser dem Bruder Peter
auch dern Herrn Landesverweser und Hr. Hofcapian Fetz
mitzutheiien. Es 1st doch schön, daJ3 einern Liechtensteiner diese Ehre widerfuhr, weiche nicht aus Form
sondern aus tiefern Gründen gegeben wurde.
Wir sind seit 14 Tagen in Kreuth und zwar wie immer
sehr gem hier, weshaib wir auch den Aufenthait mögiichst ausdehnen. Die Rube, frische Luft, gute Nabrung und sonstige Bequemiichkeit sind für die von Curt
so wohi verdiente Erhoiung sehr geeignet - auch fehit
es nie an iiebem Umgang. Ob wir nach Vaduz kornrnen?
Curt hat noch nichts darüber veriauten iassen, und
noch irnrner sehe ich ibm an, wie tief schmerziich ihn
der Abschied von Maiy berührt. Da er aber sehr nervös 1st und jede Gernüthsaffektion
ibm Kopfweh rnacht, so getraue ich natüriich nicht, ibm
zuzureden, sondern warte auf semen eigenen Entschiul3.
- 137 -
Der Kgl. Generalintendant als Rheinbergers Vorgesetzter
gratuliert als erster und antwortet aufFannysMitteilung:
I-Iochgeehrte Frau!
Wollen Sie Ihrem Gatten sagen, dal3, wie ich an all semen
bisherigen grot3en Erfolgen den regsten Antheil genommen,
ich ebenso Uber diesen mit so hoher Auszeichnung verbundenen Erfoig die innigste Freude empfinde, und da1 ich
ihm von ganzem Herzen zum verliehenen Ritterkreuze gratuliere. Dem Nuntius meine Freude liber die päbstliche Anerkennung, weiche dem so ausgezeichneten Leiter der k.
Vokalkapelle zu Theil wurde, auszudrücken, werde ich sicher
nicht vergessen.
Urn die Erlaubnil3 zum Tragen des Ordens zu erhalten, wendet
sich Rheinberger am besten an das k. Staatsministerium des
Aufern u.d.k. Hauses.
Ihnen bestens für die liebenswUrdige Aufmerksamkeit dankend, weiche Sie mir durch Bekanntgabe dieses freudigen
Ereignisses erwiesen, grUfe ich Sie herzlich und zeichne
als Ihr ergebenster
Bar. Perfall.
Miesbach am
1. Augsut 1880.
Fanny sorgte auch für entsprechende Pressenotizen:
Geehrter Herr Director!
Eine kleine Frage und Bitte veranlaf3t mich heute, Sie
zu gruI3en! Ich mdchte Ihnen mittheilen, daB meinem
Mann das seltene Glück geworden ist, durch em pabstliches Breve ausgezeichnet zu werden, weiches ihm für
sein erfolgreiches Wirken auf dem Gebiete der kirchlichen Musik nicht nur allein den päbstlichen Segen
ertheilt, sondern ihn auch zum Ritter des Ordens von
Gregor dem Grol3en erhebt.
Diese Nachricht wird Sie und Ihre liebe Frau gewiJ3
erfreuen, da Sie mir stets so freundschaftliche Theil-
nahme erwiesen.
Nun haben wir aber in vielen Städten liebe Freunde,
- 138 -
denen diese Mittheiiung werth ware - und obgieich es etwas dem Gefühle Widerstrebendes hat, eine Auszeichnung
in der Zeitung bekannt zu machen, so glaube ich in diesem Faile, Sie doch bitten und Ira gen zu dürfen, ob Sie
nicht eine kieine Notiz hierüber an die Aii/gemeine/
Z/eitung/ geben möchten. Sie stehen mit ihr in Verbindung
und unter alien Correspondenten wüf3te ich keinen, dem ich
mich so gerne anvertraute als Ihnen.
Mit den besten Grül3en
ergebenst Fanny Rheinberger.
Bad Kreuth, 2. August 1880
Der vorstehende BrieE 1st an Prof. Dr. Hyacinth Holland
(1827-1918) gerichtet. Holland, Literaturhistoriker in
Miinchen, antwortet neben einem aufgeklebten kleinen Holzschnitt, der em blumenbringendes Engelchen darstellt:
3. VIII.80.
Gnädige Frau!
Betrachten Sie diesen himmlischen Blumenspender als den
Herold unserer Gratulation u. herzlichen Theilnahme.
Meine Frau empfiehlt sich mit mir Ihnen u. Ihrem Herrn
Gemahl.
In hochachtungsvoller Verehrung
Euer Hochwohlgeboren ergebener
Dr. Holland.
P.S. Die betreff. Notiz 1st an die Allgemeine Zeitung
abgegangen. Wie ich soeben sehe, bringt der Bayerische
Kurier die Nachricht jetzt in seiner auf den 4. Cr. dat.
Nummer 215.
Wilhelm Heinrich Riehl (1823-1897), Kulturhistoriker
in MUnchen, gratullert Rheinberger ebenfalls:
Sehr verehrter Freund!
Ich lese soeben in der Allg. Ztg., daIs Siemitdem Orden
Gregors des Gro8en ausgezeichnet worden sind und sume
nicht, Ihnen zu dieser wohiverdienten Anerkennung melnen aufrichtigen Glückwunsch auszusprechen.
Mit den besten GrüIen von Haus zu Haus Ihr ergebenster
Hochburg/Lindau 5.8.80
W.H.Riehl
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Ludwig Thuille (1861 - 1907), Schtiler von Rheinberger
seit 1880, schreibt an semen Lehrer:
Hochverehrter Herr Hofkapellmeister!
Zu meiner grof3ten Freude bin ich in der angenehmen Lage, Ihnen mitteilen zu können, da8 Ihre freundlichen
Bemuhungen in Betreff meiner Violin-Sonate mit bestem
Erfolg gekront sind.
Herr Forberg hatte letztere unter den Ihnen bekannten
Bedingungen in semen Musikverlag aufgenommen u. ich
werde nicht verfehien, Ihnen mein op.l persönlich emzuhändigen.
Hoffend, da1 Sie, verehrter Herr Hofkapellmeister, u.
thre werthe Frau Gemahlin sich des besten Wohiseins
erfreuen, schliel3e ich mit den freundlichsten Empfehlungen von Frau Nagiller u. Ihrem dankbaren SchUler
Ludwig Thuille.
Achensee, 16./8.80
Heinrich yogi (1845 - 1900), der 1865 bei der MUnchner
Hofoper als Chorist begann und noch im gleichen Jahr
als Max im FreischUtz debutierte, war in den 35 Jahren
seines MUnchner Wirkens nicht allein ais bedeutender
Wagner-Snger aufgetreten1sondern auch als Mitglied
der Hofkapelle em bedeutender Lied- und OratorienSänger, der nicht weniger als 2lOOmat in der bayerischen Metropole als Sanger in Erscheinung trat. Er
setzte sich auch besonders für Rheinbergers Lieder,
Opern und Konzertgesänge em. Die Augsburger Abendzeitung Nr. 148 vom 16.12.1880 schreibt:
Seit Jahren nehmen die Konzerte der Kgl. Vokal-Kapelle
in Bezug auf das, was ktinstierisch geboten wird, I...!
einen hervorragenden Rang em. Das erste AkademieKonzert in dieser Saison im Odeonssaale bot wieder I.. . /
herrliche GenUsse.
Wesentlich zum Gelingen des Abends trug Heinrich yogi
ais Liedersänger bei. Wie bob er die nicht gerade bedeutenden 5 Lieder von Rheinberger /op.4l/ zu nie geahnten
Höhen empor!
- 140 -
Am Jahresende 1880 schrieb Rheinberger an semen Bruder David in Vaduz:
Vor allem meinen besten Dank für die übersandte schöne
Karte von Vorarlberg, die wirklich Alles enthält, was
man auf einer Karte suchen mag, sogar den Stammsitz
unserer Urahnen "Rheinberg" bei Rankweil!/
/
Es ist wahrhaft beängstigend, mit weicher Raschheit
die Jahre vorUberrollen.. In diesem Jahre sind es nun
schon ihrer dreit3ig, da1 ich in München bin!
I.. .1
Wir sind Gottlob und unberufen gesund und heiter, möge
das so bleiben!
I.. .1
München, am St. Davidstage, als man noch zählte 1000
800 und 80 Jahr.
Auch Franziska Rheinberger interessiert sich für die
Couleur locale und fragt bei David in Vaduz an:
Puncto Gutenberg habe ich eine Frage an Dich. Ich möchte
gerne eine kleine cornponirbare Ballade für Curt schreiben und würde am liebsten einen Stoff aus seiner Heiniath
nehmen, da ihm die Roman tik der dortigen Gegend doch
tief in den Gliedern steckt. Kennst Du etwa eine wenn
auch noch so unbestimmte Sage über Gutenberg? Wenn ich
nicht irre, gibt es sogar em Sagenbuch über Liechtenstein.... jedoch wer schrieb es, wo erschien es? 1st
nicht Vonbun der Verfasser?
Deine prachtvolle Vorarlberg-Karte macht uns und anderen
viele Freude, zurnal auch das Heimathdörfchen Rheinberg
angegeben ist. Schade, daB kein SchloJ3 dabei ist!!Oft - of t reden wir von Liechtenstein, und immer ist es
mir em Fest, wenn Curt von seiner Jugend- u. Kinderzeit
in Feldkirch erzählt.Er hat jetzt einen jungen, höchst talentvollen Schüler
aus Innsbruck, den das Alles ungemein interessiert und
der Vieles daran lernen kann.
Jüngst wurde in der Musikschule em Quintett von Rhein-
- 141 -
berger zur Aufführung gebracht. Minister Lutz bewunderte
es sehr unci sagte zu Curt: in diesem Werke ist ja em Gedankenreichthum, der für 3 Quintette ausreichen würde.
Curt antwortete schlagfertig: Excellenz, ich gehöre nicht
zu denen, die noch schreiben, wenn sie keine Gedanken
mehr haben.
Vor 8 Tagen hatten wir auch bei uns eine Kammermusik, wobei em neues Trio von Rheinberger gespielt wurde.
Am 29. Januar kornmt in Paris zum erstenmale mit französischem Text unser Toggenburg dran - dessen landschaftlicher
Hintergrund das Rheinthal 1st, und das ich hauptsächlich
in Erinnerung an den schönen Waidweg, der zum Vaduzer
Schiosse führt, gedichtet babe. (24.1.1881)
/. .
David Rheinberger antwortet Franziska:
Vaduz, 29.1.80 /recte 1881/
Meine liebe Schwagerin!
Das Sagenbuch von Vonbun wirst Du hoffentlich erhalten
haben u. vielleicht mehr als eine Sage zu einer Ballade
geeignet finden. Die Grimm'sche Schreibart gefällt mir
nicht, sie erschwert das Lesen sehr, besonders, wenn
unbekannter Dialekt dazukommt.
Wenn ich mich recht erinnere, kommen auch Sagen tiber Gunoch em
tenberg darin vor, ich babe es zu lange nicht mehr gelesen.
Interessiren dtirfte Dich, daB sich im vorigen Sommer
dort wieder der Schlof3geist hat blicken lassen: das sogenannte in Baizers unter dem Namen bekannte "Schlol3-
weibchen". Em paar kranke Zoglinge in Gutenberg, die
Nachts nicht recht schiafen konnten, haben es beim Mondschein leibhaft auf der Ruine u. urn das Institut herum
lustwandeln gesehen, weiche es des anderen Morgens der
Oberin mitgetheilt haben, die aber gemeint hat, es sei
wahrscheinlich etwa eine Holzdiebin gewesen u. am Abend
dann dem Nachtwächter den Auftrag ertheilt hat, em
wachsames Auge zu haben. Derselbe hat sodann das Fräulein auch wieder gesehen, aber eben gesehen, daB es
durchaus keine Absicht auf Holz gehabt babe.
- 142 -
Nach der Beschreibung des CostLims u. Kopfputzes dürfte
es vor ca 200 Jahren gelebt, geliebt u. vielleicht gesundigt haben. Alle Leute von Baizers wollen dasselbe
schon dfters gesehen u. in ihrer Jugend von ihm erzählen
gehort haben.
1st das nicht prachtig!
I.. .1
Jetzt grüfe mir recht schön Kurt u. leb wohi u. schreib
bald wieder Deinem treuen Schwager
David.
Hugo Riemann (1849-1919), der von 1880 bis 1881 Musiklehrer in Bromberg war, schreibt an Josef Rheinberger:
Hochgeehrter Herr Hofcapellmeister!
Gestatten Sie mir in einer für Betheiligten hochwichtigen und ich hoffe auch für die Kunst interessanten Angelegenheit Ihren Rath einzuholen. Eine junge Dame von
20 Jahren (Tochter des Rittergutsbesitzers Freitag auf
Wiesenberg bei Thorn) ist im Besitz einer phaenomenalen
Stiinme vom kleinen d bis zum dreigestrichenen e - f,
hat in der Nittellage auf3ergewohnliche Kraft und in der
Höhe seltene Weichheit, kurzum - eine Stimme, wie es
wenige giebt; dabei ist die Dame musikalisch, hat GedHchtniB etc., so daB zu hoffen stnde, daB etwas besonderes aus ihr wUrde. Dieselbe hat kurze Zeit die
Kullak'sche Clavierschule zu Berlin besucht, bis ihre
selten umfangreiche Stimme bemerkt wurde und war seitdem 3/4 Jahre GesangschUlerin von Prof. Stockhausen in
Frankfurt, der sich für ihre Stimme begeisterte. Leider
ist aber nach den Kiagen der Dame Stockhausen so nervös,
daB er öfter in den Stunden ohnmachtig wird und die Dame hat kein Vertrauen zu seiner Methode (sie behauptet,
seit 8 Monaten nur irnmer denselben Ton singen mUssen).
Dazu kommt, daB eine Verwandte, bei weicher sie in Frankfurt wohnte, diese Stadt verläl3t (em Major, der versetzt wurde), die Dame ist daher im Begriffe, Frankfurt
zu verlassen und sich anderswo ausbilden zu lassen. Die
Eltern fragten bei mir nach, ich konnte ihnen aber Leipzig, an das sie dachten, beim besten Willen nicht empfeh-
- 143 -
len (Sie werden die Verhltnise zwei.ellos kennen), ich
rieth zu MUnchen. Nun möchte ich mi Ihren Rath, hochver-
ehrter Herr Professor, ausbitten, was welter geschehen
soil? Nehmen Sie an, die Stimme ware wlrkiich von hervorragender Qualität (ich habe sle nicht gehort), würde dann
Miinchen der rechte Ort wirklich sein? ich dachte an Herrn
Schimon, den ich persöniich kenne - wllrden Sie unbedenklich dafür sein, ibm em soiches Klelnod anzuvertrauen
(ich hoffe, daI3 es elnes ist) ? Seien Sie meiner peinlichsten Discretion versichert, wenn Sie mir darUber etwas
mlttheilen soilten. Auch Herr Hey geniel3t ja eines ausgezeichneten Renommêes - wen wiirden Sle vorziehen? Oder
rathen Sie statt zu Mtinchen tiberhaupt zu elner anderen
Stadt? Mir wiirde Mllnchen darum erwünscht sein, weil ich
dort einige Familienbeziehungen babe, weiche eventuell
der jungen Dame einen nothwendigen Anhalt geben würden.
Sie wiirden mich zu grol3ter Dankbarkeit verpfiichten, wenn
Sie mir elnige Worte In der Angelegenheit antworten wtirden.
Mit vorztiglicher Hochachtung
ganz ergeben
Dr. Hugo Riemann
Bromberg
30.Jan. 1881.
Im Januar-Februar 1881 schrieb Rheinberger seine Kiaviersonate in c-moll zu vier Händen op. 122, nachdem
er am 9.1.1881 die Osterhymne "Terra tremuit",op. 134
Nr. 2, vollendet hatte, em achtstlmmlges Offertorium,
das in den folgenden Jahren regelmäIlg am Ostersonntag
in der Allerheiligenhofkirche von der Kgl. Vokalkapelle
gesungen wurde.
Johann Georg Herzog schreibt an Fanny Rheinberger:
Hochverehrte Frau Professor!
Sie haben rnir in der That mit Ubersendung des Programmes eine recht grol3e Freude gemacht. Und dal3 dieses
- 144 -
Liedlein gefallen hat, wie ich auch aus den Correspondenzen ersehen babe, war mir ebenfalls angenehm. Der
Mensch ist nun einmal so organisirt, wohi auch für's
Leben so erzogen, daB er lieber anerkennende Worte, als
tadeinde erträgt. Ich danke Ibnen für die BefUrwortung
des kleinen Liedes herzlichst.
An dem selben Mittwoch, an weichem in MUnchen die Soiree
der k. Vokalkapelle abgehalten wurde, probte ich hier
mit meinem Verein zum Zwecke einer Kirchenproduktion.
Ich machte dabei die Bemerkung, daB die Mitglieder, wenn
sie rein sHngen und das Piano hübsch hielten, alle von
mir mit Reisegeld versehen wi.irden zu einer kleinen Reise
nach Mtinchen, urn die Vokalkapelle in der Allerheiligenkirche zu hören, und am Freitag, an weichem die kleine
Produktion statt fand, kam zur Erheiterung Aller Ihr mir
gesandtes Programm. Nun steht aber schon zweimal irn Tagblatt: "Herr Pr., wann erhalten wir denn unser Reisegeld
nach MUnchen?" Wenn die Leute, die unter meinem Scepter
stehen, recht schlecht singen, was zuweilen zu geschehen
pflegt, so sage ich, sie möchten doch nach MUnchen gehen,
urn zu hören, daB sogar die k. Hofkapelle nicht so schön
singt, wie sie - da gucken sie mich dann an wie Bettler
einen Geldschrank ansehen, oder auch wie jene, die im Vollgefühl ihrer Tugend und Selbstherrlichkeit garnicht begreif en können, wie es auBer Ihnen noch was besseres geben
könne. So hängt also die Geschichte zusammen.
Bis Anfangs August d.J. gedenke ich zu den geistlichen
und weltlichen em zweites Heft zu liefern. Es ware mir
sehr lieb, wenn ich darinnen eine passende, leicht gehaltene Nummer von rneinem hochverehrten Freund Rheinberger bringen könnte, womöglich eine Originalcomp. mit
deutschem Text. Vielleicht helfen Sie mir em wenig
dazu?
Bis jetzt habe ich nicht vor, Ostern nach München zu gehen. Solite ich aber meinen Entschlul3 ändern, dann besuche ich Sie ganz gewiB. Ich ernpfinde oft eine rechte
Sehnsucht nach der alten Heirnath, so kleine Orte
/durch Ankleben der Briefseite unleserlich/ wenig Anvor aller Poeregung
gar zu verstandesmEBig
sie. Der Materialismus nimrnt in erschreckender Weise
Uberhand - was vermag da der Einzelne mit seinem biBchen
Talent für Kunst?
- 145 -
Mit den ailerbesten Grti1en an melnen verehrten Freund
in herzlicher Verehrung
Ihr
ergebens ter
Dr. H.G. Herzog.
Erlangen, den 18. MErz 1881.
An Rheinberger selbst schreibt Herzog einige Wochen
später /ohne Datum!:
Eriangen, Hochverehrter Freund!
Ich habe im vorigen Jahre em Heft: "Geistliches und
Weitliches" gesandt, das Dir noch in Erinnerung sein
wird. Dasselbe hat den Zweck: den Leitern kleinerer
Vereine, namentlich in Provinzialstädten, passenden
Stoff an die Hand zu geben. Auch den Cantoren an protest. Kirchen soil das Werkchen passende Auswahl von
brauchbaren Sätzen bieten. Der evangel. Cultus läl3t
nur einzelne Gesänge, niemals ZusammenhEngendes zu,
wie Du Dich aus meiner Mllnchner Zeit, in welcher Du
manchmal auf der prot. Kirchenorgel den jugendlichen
Begleiter machtest, erinnern wirst. Es soil nächstens
em zweites Heft gedruckt werden. Hast Du nicht einen
passenden Beitrag, nicht schwer, womöglich mit deutschem Text, mit oder ohne Orgelbegleitung, hiezu im
Pulte liegen? Oder etwas Passendes von einem älteren
Componisten, das noch wenig bekannt 1st? Du hast freiiich viel zu thun, doch ist vielieicht Deine liebe
Frau, der ich mich bestens empfehle, so freundlich,
gefällige MithUlfe zu ieisten. *)
Es kann auch em Kyrie oder Sanctus sein, ähnlich wie
in Deiner Prof. Schafhäutl dedicirten Messe. Aber auch
em einfaches Lied, em- oder vierstimmig für gemischten Chor, 1st erwünscht. Das ist mein erstes Anliegen.
Mein zweites betrifft einen jungen Mann: Herrn Kellermann aus Nürnberg. Derselbe hat mich ersucht, em passendes Wort bel Dir für ihn und zu seinem Besten emzulegen. Dieser war einige Jahre in Berlin im Kullak'*) Randbemerkung von der Hand Fannys: Sie hat es gethan
und die 4stim. Motette zum 21. Psalm ausgesucht.
- 146 -
schen Conservatorium als Klavierlehrer verwendet. In
Nürnberg findet er nicht den rechten Boden für eine gedeihliche Wirksamkeit und hat das auch für den, weicher
die Nurnberger Verhältnisse kennt, seine guten Gründe.
Er hat gehört, daf an der Musikschule in München Veränderungen vorgehen in Bezug auf Klavierunterricht und
will sich deshalb persönlich vorstellen und sich bewerben urn eine passende Verwendung. Ich habe ihn emmal spielen hören und habe den Eindruck gehabt, da6 er
etwas Tüchtiges gelernt hat; er gilt für einen tüchtigen Lehrer, ist strebsam, persönlich angenehmen Wesens
und jedenfalls so angelegt, urn mit der Zeit sich noch
mehr einzuarbeiten und Erspriel3liches zu leisten. Es
wird allerdings nicht so leicht sein, nach Bärrnann zu
reUssiren, aber wEre in diesem Falle nicht eine Hilf slehrerstlle im Klavierspiel für ihn vorhanden? Ich
r wEre auch damit zufrieden; nebenbei könnte
glaube,
er sich ja als Privatlehrer zunEchst in der protest.
Gemeinde, wo es ihm nicht an Empfehlungen fehien dürfte,
eine vorderhand passende Wirksamkeit verschaffen. Die
VerhEitnisse Münchens haben sich seit meines Weggangs
vielfach verEndert - stehe ihrn rathend und helf end zur
Seite, auch wenn er das nicht erreichen solite, was er
zunEchst im Sinn hat. Da er protest. ist, und unter
den Protestanten der Privat-Musikunterricht noch nicht
übersetzt ist, dürfte sich in München eine geeignete Existenz zu grtinden für ihn nicht allzu schwer
sein.
In FrankenstEdten, NUrnberg nicht ausgenommen, sind die
VerhEltnisse ganz dazu angethan: gründlich zu versauem. Ich weil3 das aus eigener, langjEhriger Erfahrung
und habe keinen sehnlicheren Wunsch als noch einige
Jahre vor dem Lebensende in Ruhe in musik. Luft zu
athmen.
Von Deinem persönlichen Befinden home ich stets Gutes,
was mich freut. Deine Wirksamkeit, sowohl als Compofist wie als Lehrer, schEtze ich sehr hoch. Ich denke
oft daran, wie Du als 14-jEhriger Junge auf der Orgel
gesessen - und kleine Fughetten fantasirtest. War eine
schOne Zeit! Nun sitze ich schon volle 27 Jahre hier,
plage mich mit elenden Dilettantengeschichten ab, entbehre der Anregung - und werde eine t!alte, ausgeprefte
- 147 -
Citrone", die keinen Saft und Geschmack mehr hat. Hienfl liegt der Grund, warum ich jedem Musiker helfen
möchte, in bessere Luft zu kommen.
Dein alter Freund Herzog.
Rheinberger schreibt an semen Bruder:
Mein lieber David!
Du wirst mit Recht sehr bose sein, daf ich Dir so lange
nicht geantwortet; ich will dies auch in keiner Weise
rechtfertigen oder entschuldigen, aber trotzdem ist es
nicht lauter Faulheit. So oft ich mich an den Schreibtisch setze, liegen angefangene Arbeiten, pressante
und unpressante, interessante und unintetessante, abzugebende Gutachten, unbeantwortete Briefe, durchzusehende Arbeiten etc. da, und da meine rechte Hand kein
anhaltendes Schreiben verträgt, so bleibt eben leicht
etwas liegen.
Nun wird auch in Vaduz der schöne Mai endlich zur unbestrittenen Herrschaft gelangt sein, nachdern die drei
bösen "Fazi" es glücklicherweise beim Drohen bewenden
ijeBen. So viel ich aus dern Fetz'schen Moniteur entnehmen konnte, liefen dieselben auch in Vaduz gnädig
ab.
Sei so gut inir gelegentlich zu schreiben, ob man in der
"Linde" gut wohnen kann. Ich möchte nämlich, wenn wir
etwa irn September auf einige Tage nach Vaduz kommen,
nab bei der Kirche wohnen, urn tglich bequern Orgel spielen zu können. Ohnedem ist ja das hUbsche Zimmer im
"Löwen", wo wir gewohnt haben, der Frau Deichmann wegen
nicht rnehr zu haben.
Wir haben gottlob recht gut überwintert - nur unsere
treue alte Köchin wurde arbeitsuntauglich und mu6te
unsern Dienst verlassen. Auch der gute Scarli I...! hat
ins Gras beissen rnüssen. Jetzt haben wir seit October
einen sehr schönen grol3en goldfarbenen Jagdhund, dem
ich den blutrtinstigen Namen. "Timur" beilegte. Da nun
em Jagdhund sehr viel lauf en mug, und man ihn nicht
alleine schicken kann, so mu ich ibm zu liebe viel
spazieren gehen, was ich auch sehr gut brauchen kann.Meine Frau will ihn auch mit nach Kreuth nehmen.
- 148 -
Den 16. Juli gehen wir nämlich wieder dorthin.
Nun wie steht es mit der Eisenbahn? Bekommt Ihr eine
(Uber Vaduz nach Sargans) oder nicht?
Nun, lieber David, ist es Essenszeit und die Suppe
nicht mehr weit. Dein alter Josef Rheinberger.
München, den 23.5.81.
Nachdern Rheinberger im Mai 1881 acht Lieder für gemischten Choracappella nach Texten von F.A. Muth geschrieben hatte, komponierte er innerhalb von 5 Tagen,vom 13.
bis 17. Juni 1881, seine Messe in A-dur für dreistimmigen Frauenchor und Orgel, op. 126. Das Werk wurde zur
Erstaufführung in der Weihnachtsnacht 1881 durch die
kgl. Hofkapelle zu München für Streicher und Flöte
instrumentiert und erschien später mit dem Titel "Missa
in nativitate Domini" im Druck.
Ludwig Thuille wendet sich mit folgenden Zeilen an Fanny
Rheinberger:
Innsbruck, 15.6. 1881.
Hochverehrte Frau!
Erst heute erlange ich Rube und Sammiung genug, urn Ihnen
für die lieben, trostspendenden Zeilen den wärmsten Dank
abzustatten. Ungekünstelte, aufrichtige Teilnahme 1st
selten: umso höher weiss ich sie zu schätzen, wenn sie
mir in so zarter und wohltuender Form begegnet, von einer
edlen Seele, die meine teure Tote im innersten Wesen
erkannt und verstanden hat.
Erlassen Sie mir, hochverehrte Frau, die Beschreibung
dessen, was ich in kurzer Zeit gelitten und gekämpft
babe ---- vieles erstickend im Strudel der Geschäfte,
die in hunderterlei Gestalten auf mich Unkundigen emstürmen.
Es war nicht mehr zu erreichen, dass ich die teure
Mutter noch einmal wiedersah ---- ja sogar dies elne
blieb mir versagt, die irdischen Ueberreste derselben
zur letzten Ruhestätte zu geleiten. Mich tröstet jedoch
die Erinnerung an den letzten ahnungsvollen Abschied,
die mir das Bild der Unersetzlichen, Unvergesslichen
stets in ungetrübter Reinheit, frei von alien Anzeichen
- 149 -
der Krankheit, zeigen wird. Ich bin zwar weit entfernt,
mutlos zu sein, doch quält mich eine dumpfe, farbiose
Stiirnnung, die mit Bleischwere alle geistige Spannkraft
lähmt. Meine Gedanken haben einen belebenden Ausgangs-
punkt verloren. Die vielen, oft so zarten und kaum
fühlbaren Beziehungen zur Verewigten irren nun ziellos
ins Weite. Auch em Aufschwung zur Arbeit hat sich als
nichtig und nutzlos erwiesen. Sie können sich daher
vorstellen, hochverehrte Frau, wie sehr ich mich hinaussehne aus einer Urngebung, die mich bei jeder geringsten Geistes-Regung an das unwiederbringlich Verlorene
erinnert. Dazu noch die BerUhrung mit trocknen, nüchtern Geschäf ten, die auch einen Frohen verstimmt machen
können. ---- Es ist wirklich eine harte, schwere Zeit.
Meine Erbschafts-Angelegenheiten erfordern Ubrigens
eine lEngere Anwesenheit in Innsbruck, als ich mir bel
meiner Abreise ausbedingt habe. Die diesbezUglichen
Schritte tiber der K. Direktion der Musikschule werde
ich jedenfalls tun. Ueber meine pekuniäre Lage bin ich
noch nicht ganz im Reinen, obwohl ich die Bestimmtheit
in Händen habe, dass ich wenigstens meine Studien sorg-
los beendigen kann.
Nun seien Sie noch tausendmal bedankt für Ihre Freundlichkeit; zugleich gebe ich mich der Hoffnung hin, Sie
und Herrn Gemahi recht bald gesund Und wohi wiederzusehen.
Mit vielen Empfehlungen und herzlichen GrUssen
Ihr dankbarer
Ludwig Thuille.
Vier Tage später schreibt Ludwig Thuille an Fanny:
Ihren schönen Rat babe ich befolgt - die weihevolle
Stimmung, weiche tiber das kleine Kirchlein "Zur ewigen
Anbetung" ausgebreitet 1st, wirkte auch lösend und befreiend auf mein GemUt, und urn vieles erleichtert verhess ich den geheiligten Raum. Auch Ibren Fingerzeig,
die erlebten Leiden und Schmerzen künstlerisch zu verwerten, will ich gewiss nicht unbeherzigt lassen, urn
so mehr, als ich einen tiefernsten, dabei doch schwung-
- 150 -
vollen, gottdurchgliihten Text schon gefunden habe. Es
sind dies einige Worte des hi. Johannes von Damaskus,
die, in Musik gesetzt von einem hiesigen Pfarrchordirektor, sowohi am Grabe meiner guten Mamma, als
auch an dem lhres Mannes gesungen wurde. Ich bin sehr
begierig, Ihre Meinung, hochverehrte Frau, über mein
Vorhaben zu hören. I...!
Phiiipp Woifrum erbittet Rheinbergers Rat:
Bamberg, 2./ViII.81.
Hochverehrter Herr Professor!
Ich erlaube mir hierdurch, die ietzten 2 Sätze der Violoncello-Sonate Ihnen zur Kritik zu Ubersenden. Der
Termin 1uft am 15. ab; ich bitte Sie daher höflichst,
in 8 Tagen das Manuscript mir hieher gefäiiigst zurUckzusenden, damit ich etwaige Anderungen machen und die
Vioionceliostimme herausschreiben kann.
Entschuidigen Sie die Verzögerung der Zusendung; ich
habe am Seminar fürchteriiche Arbeiten gehabt (hauptsächiich Harmonieiehrecorrecturen), gestern absoivirten
Ca. 50, nEchsten Montag kommen 130 zur AufnahmeprUfung.
Mit dem Wunsche, daIs Sie sich in den Ferien recht gut
erhoien möchten, zeichne ich
Ihr dankbar ergebener
Ph. Woifrum.
Rheinbergers Antwort 1st besonders charakteristisch:
Lieber Herr Woifrum!
Hiermit sende ich Ihnen die zwei Sätze Ihrer Ceiiosonate zurück. Einige kieine Bemerkungen, die aber wesentlicher Natur sind, finden Sie eingetragen. Der
Adagiosatz wtirde durch elne knappere Gestalt gewinnen weniger Umschweife - iminer rasch auf das Ziel (das
Hauptthema) los. Manche halten das moderne, planlose
Herumträumen in der Musik für Poesie - und doch 1st es
nur Schwächlichkeit der Erfindung. Der E-dur-Satz hat
- 151 -
gute Themen, die sich plastisch abheben, aber gar oft
steht das Clavier dem Cello im Wege; ganz gute Wirkung
macht das Cello denn doch nur in der Kantilene - in der
Figurative kommt es gegen das Clavier gar zu kurz. Ebenso mUssen Sie die extreme Weitgriffigkeit im Claviersatze meiden.
Mit freundi. GrUssen
Ihr ergeb.
Josef Rheinberger.
Bad Kreuth. 10.8.81.
N.B.
Verschaffen Sie sich M. Hauptmann's Briefwechsei
an Franz Hauser - das ist em Buch, aus dem sich
mehr lernen lässt, als aus den meisten theoret.
Büchern!
In den Sominerferien ging Rheinberger wie aiijährlich
zunächst nach Bad Kreuth, um dann in den erste Tagen
des September nach Liechtenstein zu reisen.
Aus Kopenhagen erhält Rheinberger von dem dEnischen
Organisten Carl Attrup (1848-1892) folgenden Brief:
2.9. 1881
An den Componisten Josef Rheinberger!
Eine Schüierin von mir spielte vorigen Winter die amoll Sonate von Ihnen und mit grossem Erfoig. Im nächsten Monate bin ich wiliens, die Pastorale-Sonate bel
meinem Orgeiconcert hier das erste Mal zu spielen. Ich
habe die Sonate neulich bekommen und freue mich sehr,
sie zu spielen. Das ist em prachtvolles Werk und ich
hoffe, ClUck damit zu machen. Das erste StUck aus der
Sonate soil mit starkem Werke gespielt werden, nicht
wahr? Hier ist es, ais ob ich es nicht zu klingen bekommen kann, das Pastorale fElit auf unseren Orgeln
zur Erde, was soil ich dabei machen? Es 1st nicht leicht,
die neueren Orgelsachen hier zu bekommen; oft weiss
man nicht, was neulich herausgekommen ist; ich bitte
Sie deshaib, mir mit einigen Worten zu sagen, was Neues von Ihnen herausgekommen, und was Sie mir zu Concerten empfehlen wollen. Hiermit schicke ich meine
- 152 -
Photographie aus Dankbarkeit für die prächtigen Orgelsachen, die Sie componirt haben, hof fend einen Brief
von Ihnen zu bekommen und moglichst auch eine Photo-
graphie von Ihnen, das wtirde mir eine grosse Ehre sein.
Ich spiele oft bei Orgelconcerten, und habe viele Stunden mit Orgelinformation. Ich bin Lehrer hier am Musikconservatorium, und auch an der königlichen Blindenanstalt. Ich spielte Orgel mit Prof. N.W. Gade zwei Jahre
hang!.
Mit grösster Hochachtung
ergebenst
C. Attrup
Organist.
Norresogade 19
Kopenhagen.
Im Jahre 1880 hatte Rheinberger in aller Stille, ohne
da8 er selbst oder seine Frau davon berichtet hätten,
eines seiner bedeutendsten Werke komponiert: Christoforus, Legende von Franziska von Hoffnaal3. Dieses Oratorium erschien 1881 bei Kistner in Leipzig im Druck
und 1st der Prinzessin Maria Theresia von Bayern,geb.
Erzherzogin von österreich-Este (1849-1919), gewidmet.
Nach der Ubersendung der Partitur durch Franziska
Rheinberger 1ätt die Prinzessin Ludwig durch ihre Hofdame, Gräf in DUrckheim, Rheinberger danken:
Leutstetten, den 11.10.1881.
Sehr geehrte Frau Rheinberger!
Von selbst versteht sich, daf3 ich I.K.H. Prinzessin
Ludwig sogleich Mittheilung von Ihrem, an mich gerich-
teten Schreiben erstatte.
I.K.H. grül3t Sie freundlichst und wiederholt den herzlichsten Dank für die gro8e Freude, die Sie Höchst der-
selben mit dem schönen Geschenke bereiteten. Die Aufführung des Werkes des Herrn Hofkapellmeisters hof ft
I.K.H. nächsten Winter in einem Concerte zu hören.
Vorgestern hätte ich gewünscht, dal3 Sie, unbemerkt,
Zeuge gewesen wHren, mit weicher Begeisterung H. Gluth,
- 153 -
nicht nur als Schüler, in dankbarster Weise und Verehrung, sondern seine GefUhle und Hochachtung für semen
Meister in gar jeder Beziehung aussprach. Es war schön
anzuhören, und indem ich diese Zeilen zu Papier an Sie
bringe, glaube ich, trotz der ja aligemeinen Anerkennung keinen MiBgriff zu thun. Da dennoch, nach meinem
Dafiirhalten, der Ausdruck derartiger Gesinnungen für die
Angehorigen stets erneute Freude ist. Mit ausgezeichneter Verehrung zeichnet
geehrte Frau Rheinberger
anhEnglich ergebene
Gräf in DUrckheim.
P.S.
H. Hofkapellmeister bitte ich mich zu empfehlen.
Im Winter 1880/81 hatte Rheinberger mit Antonin Guillot
de Sainbris, dem Organisten an St. Sulpice in Paris,
anläi3lich der Pariser ErstauffUhrung von "Toggenburg",
op. 76, am 29. Januar 1881, korrespondiert. Im Auftrag
von Guillot de Sainbris, der auch PrEsident der Socit
Chorale d'Amateurs in Paris war, übermittelt Paul Colun Rheinberger die Nachricht, daf3 dieser zum Ehrenmitglied ernannt worden sei:
Paris. 3 Novembre
1881.
Monsieur,
Le Comitê de la SocTht
Chorale d'Amateurs fondêe et
dirige par Monsieur A. Guillot de Sainbris, a d&cidê
dans sa seance du 27 Octobre dernier, sur la proposition de son Pr&sident, que le titre de membre honoraire de la Societe vous serait offert.
En inscrivant de cette manire votre nom sur la liste
de nos membres d'honneur, sur laquelle figurent dêj
les noms de nos compositeurs francais les plus illustres, nous avons voulu vous temoigner la haute estime
dans laquelle nous tenons votre talent, ayant Pu l'apprecier, l'an dernier, en executant, les premiers a Paris,
votre ouvrage Toggenbourg.
Charg& par mes confrres de vous Informer de cette de-
- 154 -
cision, vous me permettez de me faliciter d'autant plus
de la mission qu'on me donne que j'aipu mieux que personne prendre un id&e exacte de votre charmante partition, puisque c'est moi-mme qui ai, sur la demande de
Monsieur Guillot de Sainbris, fait la traduction franr
caise de Toggenbourg - ce qui a cr& entre-nous, quoiqu'
distance, les liens de la collaboration qui m'unissent dj
a presque tous vos jeunes confrares de France.
Recevez, Monsieur, au nom du Comit et au mien propre
l'assurance de nos sentiments de grande sympathie artistique et de haute considration.
Paul Collin
Secr&taire
10 rue Lavoisier
Collin hatte den Romanzenzyklus "Toggenburg" ins Französische Ubersetzt. Er bedankte sich bei Rheinberger
für die Ubersendung des "Christoforus" in Partitur:
Paris, 24 Novembre
1881.
Monsieur et cher Maitre,
Le Comit& de la Sociêt Chorale s'est runi hier et a
reçu communication de la lettre aimable que vous avez
bien voulu m'adresser au date du 13 ct.
J'ai remis, en outre, au Bibliothcaire at au President
les 2 belles partitions de "Christoforus" que vous avez
eu la bont de m'envoyer pur la Soci&t.
J'ai mission de vous adresser sous les remerciments de
mes confrares pour le cadeau precieux dont, sans doute,
nous tirerons profit, et pour la pense tras gracieuse
que vous exprimez en dêsirant demeurer, par ce moyen,
plus prsent au souvenir de vos confrares de notre So-
cit.
En ce qui me concerne, j'ai recu avec grand plaisir vos
remerciments approbatifs pour ma traduction de Toggenbourg.L'oeuvre (qui est charmante et qul a vivement interess le public parisiei auquel nous l'avons fait
commaitre) &tait tres difficile a'faire passer dans
notre langue qui a besoin de trop de mots pour exprimer
- 155 -
aussi rapidement des ides aussi diverses et aussi pr&cises.
J'ai fait de mon mieux, mais cela m'a donn quelque peine,
que je ne regrette pas, d'ailleurs, puisque j'ai Pu ainsi
aider afaire apprcier par les amateurs francais un ouvrage tout--fait digne de leur tres grande et tres parti.culiêre estime.
Recevez, Monsieur et cher Maitre, l'assurance de mes sentiments les plus distingues,
Votre Serviteur
Paul Collin
10 rue Lavoisier.
Franz Wililner, der inzwischen Kgl. Hofkapellmeister und
Konservatoriumsdirektor in Dresden geworden war, fragt
bei Rheinberger an:
Dresden, 16/11.81
Verehrter Freund und College!
1st die vierstimmige D-moll Messe von Ihnen, die ich
frilber oft in der Vokalkapelle habe singen lassen, erschienen ? Und wo? Erbitte umgehendeAntwort, da ich
sie im Advent in der hiesigen Hofkirche möchte singen
lassen.
Ferner: Dürfte ich Sie vielleicht bitten, mir auf drei
Tage eine Sopranstimme der fllnfstimmigen D-moll Messe
von Lachner zu schicken? Die gedruckte Partitur derselben stimmt nicht mit meinen frUheren Erinnerungen
überein, ich möchte sie del3halb mit einer dortigen Stimme vergleichen..Daf wir in unserm III. Concert Ihre "Widerspenstige"
auffUhren, wissen Sie wohl schon.
Herzlichen Cruf3
Ihr ergebener
F/ranz/ W/Ullner/
Carl Reinicke, Kapelimeister der Gewandhauskonzerte in
Leipzig, ist für das neue StUck ebenfalls bereits interessiert; er fUhrt den Christoforus em Jahr später auf;
- 156 -
Sehr geehrter Herr!
Vielen Dank für die Uebersendung des ItChristoforusu!
In diesem Winter kann ich /ihn/ aber freilich nicht
mehr bringen, hoffe aber sehr, dass die Concert-Direction ihn nicht streicht, wenn ich ihn für die kommende
Saison auf's Programm setze. Sie mUssen da freilich
kommen und Ihr Werk selbst dirigieren.
Ihre neueste vierhandige Sonate lop. 122/ habe ich
in diesern Winter dreimal, &h. zweimal im Tonkünstlerverein u. einmal in einer Soiree bei Prof. Zopff gespielt. Sie ist em vortreffliches Werk.
Bestens grUBend ganz der Ihre
Carl Reinecke.
22/12.81.
Nach den Neujahrsgrül3en richtet Rheinberger folgende
rnelancholische Zeilen an semen Bruder David in Vaduz:
Seit wir uns zum letztenmal gesehen haben - Du, Dich
eben aus dern Schiafe des Gerechten erhebend und am Fenster das "WUrgerl" umbindend,- ich, in stolzer Equipage
an dern Ahnenschlo8 meiner Väter vorbeirasend, ist em
viertel und zwar das letzte des glorreichen 8lger Jahres
hinuntergerutscht, und da man mit dem ersten Tage des
neuen Jahres sich immer vornimmt, den alten Adam hinter
sich lassend, einen neuen Menschen anzuziehen, so 1st es
schliel3lich doch höchstens em neuer Schlafrock, d.h.
em Futteral Uber den alten Adam! Gott bessere es!
Du hast den Weihnachtsabend wohl im rothen Hause recht
vergnüglich zugebracht - ich hatte gerade urn jene Zeit
herum am meisten zu thun,
Das Christkind, freigebig wie immer, hat mir den Atlas
von Andree (den Peter auch hat), die Weltgeschichte von
Holzwarth (7 Bände), em Kistchen feiner Zigarren, welche duf ten wie der liebliche Maientag, etliche Lebkuchen
und was sonst so alte Kinder freut, gebracht.Gestern kamen aus Prag die jährlichen zwei Fasanen von
unserm treuen Freunde Baron Peche; ich weif3 nicht, waren
es Deutschböhmen oder Czechen, geschmeckt haben sie ganz
- 157 -
vorzuglich - wenn Du zu Cast bei uns gewesen wärest, so
hättest Du noch einen handlichen Humpen vom Besten dazu
bekommen! Und nun lebe wohi, heize bei der Kälte in Delnem Schmollwinkel recht behaglich el
- grti2e die lieben
Angehörigen im rothen Haus und schreibe bald Deinem
Dich liebenden Bruder
Josef Rheinberger
-
München den 28.12.81
Franziska Rheinberger schreibt an Ferdinand Hiller:
München 30. Januar 82.
Sehr geehrter Herr Hiller!
Es hat mich so herzlich gefreut unseren Maitag aut dem
Programm des Musikabend Ihres Conservatoriums zu sehen,
daJ3 ich mir erlauben muI3, Ihnen dafür zu danken und zugleich die Hoffnung auszusprechen, daJ3 Ihnen unsere gemeinschaftliche Arbeit em kleines Vergnügen bereitet
hat.
Es rnacht mich sehr glucklich, daB mein Mann genau die
Texte componirt, Lelche ich ihin schreibe - so auch jüngst
die Legende des Christophorus, deren Sendung Sie hoffentlich empfangen haben.
Letzteres Werk ist mir sehr an das Herz gewachsen und
obgleich es ganz gegen die Art meines Mannes 1st, sich
in irgend einer Weise vor- und aufzudrängen, so kann
doch ich den tiefen Wunsch nicht unterdrücken, es möchte
ihm einmal vergönnt sein, im Gürzenich dieses Werk
selbst zu dirigiren und bei dieser Gelegenheit sich den
Rheinländern als .. echten Rheinländer vorzustellen:
in so ferne echt, als seine Heimath Vaduz auch am Rhein
liegt. Längst schon haben wir vor, Ihnen in Coin einen
Gegenbesuch zu machen!
Empfangen Sie nochmals unseren auf.richtigen Dank für die
Beweise Ihrer Theiinahme an den Arbeiten Rheinberger's.
Hoffentlich erfreuen Sie sich einer recht guten Gesundheit, sodafi das wirkiiche Wiedersehen mit all Ihren berühmten Freunden im Jenseits noch lange, lange hinausgezogen und nur eine schOne Phantasie bieibt!
Es grüi3t Sie in aller Verehrung Ihre ergebenste
Franz iska Rheinberger.
- 158 -
Ferdinand Ruler schreibt aus Köln an Franziska Rheinberger:
Köln, 2.2.1882.
Das ist ja elne grof3e Freude, die Sie mir in Aussicht
stellen, verehrte Frau, und ich hoffe, daB Sie sich im
Laufe dieses Jahres erfüllen werde. Jedenfalls will ich
mein Bestes dafUr thun.
Der "Maitag" hat uns alien ganz ungemein gefallen; er
wurde auch von den jungen Mädchen (30-40 StUck) vortrefflich und mit of fenbarer Lust gesungen. Sie hätten
gewiB Ihren Spal3 daran gehabt.
Es 1st sehr giticklich, wenn man, wie Sie Beide es thun,
schöne Kinder in die Welt setzt, um deren Fortkommen man
sich gar keine weiteren Sorgen zu machen braucht. Setzen
Sie diese schöne Beschäftigung mit gleichem FleiBe fort
und seien'Sie Uberzeugt, daB mit andauernder Theilnahme
dieseibe verfolgen wird
Ihr aitergebener
Ferd. Ruler.
Johann Ceorg Herzog schreibt am 9. März 1882 an Josef
Rheinberger:
Hochverehrter Freund!
Für die Ubersendung Deiner neuen herrlichen Orgelsonate
danke ich bestens; sie hat mir grol3e Freude bereitet.
Em paar Adagios für Violine und Orgel zum Gebrauch bei
KirchenproduktionenausDeiner Feder ware sehr erwünscht.
An soichen Sachen fehlt es.
Cantor Preis hier 1Bt Dich durch mich ersuchen, auch
den MRnnerchor nicht zu vergessen. Schicke womoglich
bald etwas, oder schreibe im Verhinderungsfalle durch
eine Karte ab.
Nit GruB
Dein treure Freund Herzog.
An 13. März 1882 schreib.t Johann Georg Herzog an Fanny
Rheinb.erger:
- 159 -
Hochverehrte Frau!
Den mir in so liebenswUrdiger Weise llbersandte Gesang
babe ich dem Direktor der Liedertafel Ubergeben. Derselbe war sehr freudig überrascht und läBt herzlich
danken. Für alles fibrige werde ich Sorge tragen.
Freund Rheinberger wünsche ich gute Besserung. Auch
ich befinde mich seit einiger Zeit nicht recht wohi
und hoffe auf bessere Zeit. Ich glaube kaurn, dat3 ich
diese Ostern nach MUnchen komme, aber, so Gott will,
umso bestimmter Anfang August.
Mein Freund Rheinberger hat doch eine aul3erordentlich
musikalische Frau! Auch schreibt sie Text und Noten
genau in der Art des Meisters.
Hochachtungsvol 1
Herzog,
Hedwig von Holstein schreibt aus Leipzig Uber die dortige Aufftihrung des Christophorus an Franziska Rheinberger:
Liebste Fanny!
Sonnabend, den 23,3.1882
Schon ist es elf Uhr nachts, aber ich will doch ver-
suchen, noch em Paar Worte tibet Dein und Deines Man-
nes herrliches Werk zu sagen, was ich vor wenigen
Stunden hörte, Die Aufftihrung war vorztiglich mit den
gegebenen Mitteln, der Chor fehlerlos und gentigend
stark, Schelper als TrHger der Hauptparthie Achtung
gebietend, - für mich .nicht mehr. Er singt rein und
rhytmisch, spricht gut aus und hat eine grot3e, schtine
Stimine, es fehlt für mich abet Geist und Leben in ihm,
was Anderen garnicht bewutt wird bei seinem Gesang.
Der Tenor, Singer, war 2. oder 3, Ranges. Die beiden
Frauenstimmen sehr liebe junge Dilettantinnen, Mitglieder des Vereins, die mit hUbschen Stimmchen correct und erfreulich sangen, keinen Fehier machten,
während Schelper einmal herauskam, und Singer frUh
einsetzte, - Beides vom Publikurn unbemerkt. Der Din-
gent war vortrefflich, ich ging zu ihm, urn zu danken
in Eurem Namen - verzeiht, wenn ich mir zu viel anma8te! ich sagte ibm, dai3 ich Euch alles schreiben
wtirde , u.a, auch, dat3 er sich den ganzen Winter hindurch mit dern Einstudiren des Chnistophorus bemtiht
- 160 -
hat, und auf3er den Vereinsabenden noch extra Chorstunden gegeben, urn es rnoglich zu machen mit unmusikalischen Leuten, von denen Einige nicht die Noten kennen
sollen!! Das Orchester war das der Euterpe - em
schlechtes!
Nun aber zu einem Bekenntnig. Wir konnten erst kommen,
als der Chor sang: "em neuer Samson uns erstand", haben also die Ouverture und den 1. Chor nicht gehört!
Zu derselben Stunde, oder vielmehr an demselben Abend,
sang die Schimon in der Kammermusik im Gewandhaus mit
ihrem Quartett. Ich sagte ihr, daB ich sie nicht hören
könne, weil ich den Christophorus hören wolle und müsSe. Sie nahm mir das nicht allein Ubel, sondern sie
kUndigte mir alle Freundschaft auf, wenn ich nicht von
1/2 7 Uhr bis 8 Uhr auf meinem Platz in's Gewandhaus
gehen wolle, und, da das Singakademieconcert erst 1/2
8 Uhr beginne und ich bbs den Christophorus hören wolbe, ich dazu noch zeitig genug kommen wUrde. Mir schien
das richtig, und ich raste mit meiner Helene am Arm urn
8 Uhr in die Buchhändberbörse. Der groBe Saab war Ubervoll. Ich hatte für abbe meine Raben Biblette genommen,
nicht wissend, daB gbeichzeitig die Kammermusik sein
würde, weiche die Conservatoristen par ordre hören mUssen. Wir fanden bei Euch em sehr aufmerksames, aber
mir ganzlich unbekanntes Publikum, der Chor geputzt und
sonntEglich aussehend, mit Eifer und Todesangst an dem
Taktstabe des jungen Dirigenten hangend. Es herrschte
eine gewisse Andacht und auf alien Gesichtern las man
Interesse und Wohbgefabben. Urn so ernpörter war ich, abs
der Eindruck des Schbul3chores ganzlich gestört wurde
durch das Hinausbaufen der Ungebildeten; ich zischte
und schimpfte laut, und siehe, da schboB man die Thur
von auBen und die Schaafe standen davor, hatten ihre
Sitzplätze verboren und konnten nicht hinaus. Verzeih'
dieseelendenAuf3erbichkeiten. Das Werk hat mich erho-
ben und auf's Höchste interessiert, und ich soblte meinen, es mUsse überabl studirt werden. Ichkritzebte beim
Hören unbedeutende Bemerkungen in den Text, die Dir
doch viebbeichtnicht ganz werthbos sind, als unmittel-
barer Eindruck beim ersten Hören, von einer guten Durchschnittspubbikumperson. Schelper sang mehrrnals etwas
andre Worte, die ich der Wunderlichkeit wegn hinschrieb.
Das "Hob' tibet" sang das junge MEdchen reitzend; das
- 161 -
Christkind dagegen doch zu klein und unbedeutend, ich
denke mir das anders. - Zum SchiuB wurde herzlich
applaudirt, nur Schade, dal3 kein musikverstandiges
Publikum drin war - sie waren alle in der Kammermusik,
und die war noch lange nicht aus, als wir entliefen auch der grause Bernstorf war bei der Schirnon, wenn der
also in den Signalen etwas Uber Christophorus sagt, so
lUgt er, er hat ihn nicht gehört.
DaB ich durch meine Aufrichtigkeit in meinern letzten
Brief Schuld an Eurem Nichtkommen war, war grausam gegen mich selbst, - erkennt es an.
Wie grenzenlos ich Dich beneide, daB Du diesen Text
schreiben konntest! Ich finde ihn musterhaft, ebenso
poetisch als musikalisch, neu und stimmungsvoll.
Deine Hedwig.
Josef Rheinberger schreibt am 28. März 1882 an den
Konzertrneister Benno Walter (1847-1901):
Sehr geehrter Herr!
Es bleibt mir nach Ihrem gestrigen Konzerte die angenehrne Pflicht, Ihnen und Ihren Quartett-Genossen, den
Herrn Kammermusiker Thorns, Hofrnusiker Steiger und Wihan
meinen wärmsten Dank zu sagen für die unvergleichlich
meisterhafte Durchftihrung meines C rnoll-Quartetts. Es
1st einem Komponisten em ganz besonders behagliches
GefUhi, wenn er scm Werk in so bewährten Händen weif ich möchte nur jedern Komponisten so ausgezeichnete
Interpreten wünschen!
Indem ich Sie ersuche, diesen meinen herzlichen Dank
auch Ihren Mitspielern rnittheilen zu wollen, ergreife
ich die Gelegenheit, verehrtester Herr Konzertrneister,
Sie zu versichern der ausgezeichneten Hochachtung
Ihres ergebenen
Josef Rheinberger.
Georg Whitefield Chadwick (1854-1931), amerikanischer
Komponist und Schüler Josef Rheinberger, der damals
- 162 -
Organist und Lehrer am New England Conservatory of
Music in Boston war, schreibt an Josef Rheinberger:
Boston, den 26.6.1882.
Geehrtester Herr Capeilmeister:
Ich habe das VergnUgen, einer von unserer hiesigen
Organisten, Herrn Howard Parkhurst, Ihnen vorzustellen.
Er wird /sich/ in München elne Zeitlang aufhalten, urn
Musik zu studiren, und möchte, wenn möglich, bei Ihnen
Stunden haben.
Bitte entschuldigen Sie mein sehr fehierhaftes Deutsch.
Ich babe schon sehr viel vergessen und babe Uberhaupt
die Sprache nicht grUn/d/lich gelernt.
Hochachtungsvoll Ihr gewesener Schüler
G.W. Chadwick.
Einen weiteren Brief an Rheinberger schreibt Chadwick
einige Tage später:
Boston, den 6.7.1882.
Geehrtester Herr Kapellrneister!
Während der Sommer wird wahrscheiniich einen jungen
SchUler und Freund von mir in MUnchen erscheinen. Er
heisst "Parker" und hat noch nicht 19 Jahre, und ich
möchte für ihm Ihre werthe Interesse herzlich bitten.
Er hat, wie ich glaube, em ganz besonderes Compositions-Talent und brauchte nur em paar Jahre noch mit
Ihnen zu studiren, urn etwas Ausserordentliches zu leisten.
Dieses Jahr hat er mit mir Harmonie und Contrapunkt
sehr fleissig studirt und auch etwas von der Formenlehre dabei, aber er soil es Alles wiederholen und die
ganze Geschichte von vorne anfangen. Auf der Orgel
kann er auch einige der grossen Fugen von Bach spielen und hoffentiich wird es rnöglich sein, Unterricht
bei. Ihnen zu haben. Er 1st etwas hartnäcklg und eingebildet, aber mit 19 Jahren kann man nichts anders erwarten. Darf ich vielleicht hoffen, dass Sie für ihn
freundliches Interesse haben wollen, als Sle schon für
mich gezeigt haben?
- 163 -
Es geht auch noch einen Bekannten von mir nach München,
urn mit Ihnen zu studiren, und ich habe mir die Freiheit
genommen, ihm Empfehlungsbriefe an Ihnen zu geben. Sein
Name 1st "Parkhurst" und er hat schon Vieles mit Haupt
in Berlin durchgemacht und soil sehr gut Orgel spielen.
Ich muss Ihnen herzlich gratuliren auf Ihre wunderschöne
B-dur Trio, die ich sehr gerne dreimale gehört habe diesen Saison. Ihre schönen Schöpfungen werden immer noch
höher geschätzt und weiter bekannt in unserm schönen Lande. Bitte verzeihen Sie alle diese grammatische Fehler
und seyn Sie vielemal gegrüsst von Ihre gewesene Schüler
G.W. Chadwick
Organist at Parkst. Church, Boston.
Franiska berichtet aus Mllnchen (den 10. Juli 1882)
ihrem Schwager David:
/. . . /
Curt läJ3t Dich herzlich grüRen. Erst gestern Abend erzählte er mir wieder von seiner Kinderzeit, ich hdre
ihm dabei so gerne zu! Leider haben wir wieder schlechte
Wochen gehabt mit seiner Hand! Schon vor Frohnleichnam
fing sie an recht entzündet zu sein, aber während der
Octav muf3te er doch dirigiren. Am Johannitag gingen wir
endlich zu Nussbaurn, welcher eine Kur mit Jodoform für
sehr angera then hielt. Seit dieser Zeit ist die Hand
wieder verbunden und er muJ3 sie so viel als möglich
schonen. Natürlich helfe ich ihm bei den nothwencIigsten
Schreibereien so viel als möglich; allein so Manches
kann ich doch nicht für ihn thun, und das thut mir immer
leid. Nussbaum 1st sehr für elnen längeren Aufenthalt in
Kreuth und wenn ich denke, wie viel er diesen Winter ge-
hustet hat, so bin ich nur froh, daI3 wir überhaupt bald
soweit sind.
I.. ./
Carl Reinecke (1824-1910), Kapellmeister der Gewandhauskonzerte zu Leipzig, schreibt an Josef Rheinberger:
Hochverehrter Herr!
Für das Concert am 7. December 1st Ihr Christoforo auf's
Programm gesetzt und 1st mir der angenehme Auftrag zu
Theil geworden, Sie zu fragen, ob es Ihnen Freude machen
- 164 -
wUrde, Ihr Werk selbst zu dirigiren. Sie wiirden mich persönlich durch eine freundliche Zusage sehr erfreuen.
Ferner möchte ich Sie fragen, ob Sie besondere WUnsche
wegen Besetzung der Haupt-Parthie haben, resp. ob Sie uns
eine besonders geeignete Persönlichkeit dafür nenne wollen? Die andren Parthien wUrden wir mit hiesigen Krften
besetzen k5nnen.
Solite der Tag der AuffUhrung noch geandert werden, so
würde ich's Ihnen natilrlich sofort mittheilen.
In der angenehmen Erwartung einer recht baldigen gUtigen
Zusage
Ihr sehr ergebener
Carl Reinecke.
30. 10.82.
Friedrich Wilhelm Weber (1813-1894), westflischer Arzt,
Politiker und Dichter (Verfasser der "Dreizehnlinden")
schreibt an Josef Rheinberger:
Thienhausen 30.10.82
Hochverehrter Herr!
Empfangen Sic den herzlichsten Dank für gUtige Uebersendung der Männerchöre tVAus Westfalentt. Ich finde dieselben so schön, und jeder der sie hört, dass ich nicht
weiss, welchen der 7 Konkurrenten ich den Preis zuerkennen
möchte. Nie hätte ich glauben können, dass meine armen
Reime die Unterlage zu so reizenden Tondichtungen bilden
wUrden. Und die ganze Fülle der Schönheit, die KUnstlichkeit des Satzes, die Melodic, d.h. cine wirkliche Singweise, etwas, das man behalten und nachsingen kann und
muss, lässt sich bei schwHchlicher Nachbildung auf dem
Klavier nur ahnen, denn in Rheinhausen em Quartett
zusammenzubringen war bisher nicht möglich. Nehmen Sic
nochmals meinen verbindlichsten Dank, an den sich - wohl
verzeihlicherweise - der Wunsch knupft, dass Sic unter
meinen Gedichten noch das eine oder andere finden mUssen,
geeignetund gut genug, um zum TrHger Ihrer musikalischen
Gedanken dienen zu können. Genehmigen Sic die Versicherung wohlwollendster Hochachtung
Ihres ergebensten
F.W. Weber.
- 165 -
Neben den sieben Gesangen "Aus Westfalen", op. 130,
vertonte Rheinberger in diesem Jahr fünf Gedichte von
F.A. Muth für 4st. Frauenchor, op. 131, nachdem er
die vier Motetten für sechs Singstimmen a cappella,
op. 133, bereits em Jahr zuvor fertig gestelit hatte.
Die bedeutendste Komposition, die Rheinberger in diesem Jahr ertigste11te,
ist allerdings die Orgel-
sonate Nr.8 e-moll, op. 132, deren imposante Schlut3passacaglia mit ihren 24 Variationen zu Rheinbergers
besten Werken für die Orgel zählt. Arrangements für
Kiavier zu 2 und 4 Händen und vor allem die Orchesterbearbeitung, die Franz Fischer in der Musikalischen
Akademie am Weihnachtstage 1888 in MUnchen erstmalig
zu Gehör brachte, zeigen, daB der Komponist selbst
dieses Stuck besonders schätzte.
Die Sonate ent'stand innerhaib einer Woche, vom 9. bis
zum 15. Oktober 1882, der seit 1880 datierende jährliche Tribut an sein Lieblingsinstrument, den er nach
zweijähriger Pause von 1885 bis 1891 mit schöner RegelmäBigkeit zoilte.
Am 11. November 1882 teilt Rheinberger seinem Bruder
David u.a. mit:
I.. .1 Wie Du nun siehst, kann ich wieder schreiben,
dank vor Allem der vernünftigen Behandlung meiner Hand
durch Nussbaum. Es mag auch der lange ungestörte Landaufenthalt in Kreuth sein Gutes gehabt haben. Ich war
im Frllhjahr und Sommer eben wegen dieser Angelegenheit
sehr verstimmt und bin nun doppelt froh, daB es jetzt
verhältni2mäf3ig gut ist, was bei einem zwölfjHhrigen
Leiden doch merkwUrdig ist. An eben demselbigen heutigen Abend las Fanny auch dem Dr. Trautmann den ersten
Theil Deiner Notizen Uber unsern unvergesslichen Vater
vor; Trautmann war ganz entzUckt über Deinen Styl und
fände es sehr verdienstlich, wenn Du das und jenes Uber
Land und Leute in Liechtenstein aufnotiren wUrdest. Ich
selbst bin auch dieser Ansicht. I.. .1
Wenn man die entsetzlichen Tyroler-Uberschwemmungsge-
schichten hört und liest, muI3 man doppelt dankbar empfinden, daB unser Ländchen heuer von dieser Kalamität
befreit blieb: ist der Wein auch sauer geworden, so
braucht man darum doch kein saures Gesicht zu machen.
- 166 -
Für die Ubersendung von Hillers Schrift "Goethes musikalisches Leben" dankt Rheinberger dem Autor:
München, den 4. Dez. 82.
Sehr geehrter Herr!
Die von Ihnen meiner Frau Ubersandte sch6ne BroschUre
Uber den "musikalischen" Goethe hat mich höchlichst
interessirt und habe ich manches mir Neuc daraus inne
geworden. Der alte Herr hatte doch auch in musikalischen
Dingen oft em merkwUrdig gesundes Urtheil, namentlich
1st seine WUrdigung Nozarts frappant und dUrfte manchen
der damaligen (und gegenwärtigen) Musiker beschämen. "Scherz, List und Rache" machte mir seinerzeit viel Be-
schwer; es war nm1ich mein erster kindlicher Versuch
einer Oper - ich brachte wirklich einen Band von fast
400 Partiturseiten zu Stande und war nicht wenig stolz,
das Riesenbuch meinen Lehrern und Mitschülern zeigen zu
können. - meine Frau, die sich Ihnen bestens empfiehlt
und für das Büchlein dankt, wird Ihnen gelegentlich
selbst darüber schreiben. - Aufgefallen ist mir, daf
über Goethe's Begegnung mit Beethoven nichts gesagt ist.
So viel ich weil3, haben die beiden Herren sich doch getroffen und Ersterer muf sich auch da oder dort über die
Egmontmusik geäuf3ert haben. Nicht? Verzeihen Sie diese
kleine Ausstellung an dem sonst so reizenden und fesseinden Aufsatze.
Mit hochachtungsvollem herzlichem Grute Ihr ergebenster
Josef Rheinberger
Von Franziska Rheinberger erhält Hiller einige Tage
später die nachfolgenden Konfessionen:
München den 10.12.82
Sehr geehrter Freund!
Wieder einmal haben Sie uns Antheil nehmen lassen an
Ihrem geistigen Schaffen und mein Mann 1st mlr zuvorgekommen Ihnen für diese letzte so interessante Sendung Dank zu sagen.
Ich aber habe noch einen anderen Dank aufzuholen: daB
Sie Sich so ausführlich mit meinen Dichtungen befal3t
und so aufrichtig darüber an mich geschrieben haben.
- 167 -
Es läI3t sich schriftlich schwer ausdrücken wie sich eine
seelische Wandlung vollzieht - die unbarmherzigen Franzosen haben über so etwas einen scharfen Spott - Sie
kennen das Sprichwort
... ii te fait hermite ... Was
voran geht will ich nicht sagen und nicht schreiben.
Wahr ist es aber daB in der Jugend em böser Geist oft
sehr falsche Ideale vorspiegelt, über deren richtige
Beurtheilung bisweilen die schönsten Jahre verloren
geh en.
Sechs Jahre ernste Krankheit bis zurn unabweislichen
Gange zum Schaffott, (denn was ist es Anders, wenn 12
Arzte vor einer lebensgefährlichen Operation warnen der 13. aber sagt: 'der Tod ist wahrscheinlich, dennoch können Sie mdglicherweise gerettet werden, wenn
Sie Muth und Vertrauen haben. ") Die wunderbare Befreiung aus Qual und Angst, die (Jberzeugung, daB nichts
bis zum Grab und über das Grab hinaus standhalten kann
als einzig nur die Religion - diel3 - und noch manches
Andere hat ineiner Seele die Richtung gegeben, die Sie
an mir befremdet. Glauben Sie aber ja nicht, verehrter
Herr Doctor, daf3 ich del3halb em geringeres Interesse
an dem nehme was mich sonst begeistert hat. Ich finde
im Gegentheile erst jetzt den wahren, reinen und verklärten GenuJ3 an der Kunst, weil ich nicht mehr subjektiv, sondern von der Qual des Ich befreit sie annehmen
kann ... und dabei bin ich heiterer als früher und habe
für alles Komische den gleichen Sinn wie ehedem.
Nun seien Sie mir nicht bose, daI3 ich so viel über mich
schrieb; ich thue es sonst nicht gerne - aber Ihrer
Theilnahme glaube ich diesen kleinen Einblick schon gestat ten zu dürfen! So eben habe ich Franz Lachner be-
sucht. Denken Sie --- er erwartet täglich die Todesnachricht seines einzigen Sohnes! 1st das nicht schreck-
lich? Der Schwiegersohn im Irrenhaus - der eigene Sohn
an Brustleiden sterbend!
Ich habe ihm von Ihrer Broschüre über GOthe erzählt und
er hofft, daB Sie ihm dieselbe auch noch schicken. Recht
warm und herzlich sprach er von Ihnen und freute sich,
als ich ibm versprach, Ihnen heute noch seine GrüBe zu
schreiben. Er selbst ist auch recht leidend, hustet viel,
findet aber Kraft im stündlichen Verkehr mit semen sechs
liebenswürdigen Enkeln. Sie wissen ja, daB er bei sei-
- 168 -
ner Tochter wohnt.
Vergangenen Freitag wurde ira Gewandhaus Christophorus
aufgeführt. Mein Mann war sehr eingeladen, ihn selbst
zu dirigiren, aber er ist gegenwärtig so nervös, schlaflos und auch an der Brust angegriffen, daI3 er es nicht
wagte, sich dieser Anstrengung auszusetzen, zumal er
ihn auch wahrscheinlich hier am Weihnachtstag im Odeon
dirigiren wird.
Die Telegramme über Aufnahme und Wiedergabe in Leipzig
lauteten sehr günstig. Wir freuten uns beide so sehr
über Ibre Ergriffenheit bei Direction des Mozart Requi-
em's. 0 wie kann ich verstehen, daB Sie bei manchen
Stellen innerlich so bewegt und hingerissen waren! Solche Zeugnisse des "Beseligtseins " gefallen in der Regel dem Körper nicht. Ibm wird schwach, wenn die Seele
selig ist - er ahnt, daB er sich nicht so hoch schwingen
kann, wie die Gefährtin, mit der er vereint lebt, und
daB eine Trennung von ihr bevorsteht. Das thut ibm weh,
wie oft, wie tief babe auch ich das empfunden, aber mit
eben so groI3em Glücke darin die Wahrheit erkannt, daB
die Seele - wenn frei von irdischer Schwere erst you
und ganz zu ibrem Leben gelangen wird. So karg ist Gott
nicht mit semen Gaben, daB er die Unsterblichkeit davon abhängen heRe, daB oder ob sich im späteren Jahrhundert em Musikdirigent findet, der aus der Staatsbibhiothek zu München oder Paris em vergilbtes Buch
herauszieht um ad libitum die Gedanken des Verstorbenen
einer neuen Generation vorzuführen, die dann das Werk
vielleicht als veraltet ablehnt. - Und sehen Sie - selbst
darin ist meine gehiebte Kirche noch treuer als die Welt.
Was für sie, in ihrem Geist geschrieben, lebt so lange
als möghich lebendig und frisch in ihr fort, (Palestrina,
Lasso) während die schnöden Musentempel meis tens ihre
Gätter frühzeitig eingraben.
Und so müssen wir eben arbeiten und ringen, bis unsre
Seele selbst eine würdige, unsterbliche Sin fonie geworden ist - moghichst polyphon (vieljährig) - mit einem
möghichst würdigen Schluf3-Accord. Ist's nicht so?
0 der Plaudertasche!Mein Mann kommt in mein Zimmer, staunt, daB ich schon
die achte Seite beschrieben und meint, ich stehite Ihre
Geduld auf die Probe; aber es that mir ganz wohl mich
- 169 -
Ihnen so of.fen und herzlich aussprechen zu dürfen und
bin überzeugt, daI3 ich Ihnen del3halb nicht zuwider geworden bin.
Es grül3t Sie in aufrichtiger Freundschaft und Dankbarkeit Ihre herzlich ergebene
Franziska Rheinberger
An David Rheinberger in Vaduz richtet Franziska folgende Weihnachtsbitte:
München, 20.Dezember 82.
7.. .1
Da Du weif3t, wie ich mit ailem Eifer Alles thun
möchte, was meinem Manne Freude macht, so komme ich
auch heute zu Dir in einer Angelegenheit, die wir ge-
stern besprochen haben. Franz Trautmann war bel uns, u.
Curt erzählte ihm so viel von seiner Heimath, von den
herriichen Sagen in Liechtenstein, daJ3 Trautmann mich
ernstlich beredete, eine Auswahl derselben zu treffen
und herauszugeben. Curt war ganz glühend darüber vor
Freude, und Beide stürmten so auf mich em, daB ich es
thun solle, daB ich nun zu Dir meine flehende Zufiucht
nehme! Sei doch so gut, lieber David und schreibe mir,
wenn auch nur in aller Kürze und Trockenheit etwa 10
soicher Sagen auf. Thue es Curt zu Lieb, thue es der Heimath zu Lieb! In Triesen, Gutenberg, bei St. Mamertus
etc. tJberãil soil es soiche Sagen geben, auch beim wilden SchloI3. Ich bitte Dich thu uns diese Freude/. . . /
Am Jahresende schreibt Rheinberger den gewohnten Brief
an semen Bruder:
Mein lieber David:
Da Du jetzt fleil3ig, recht und gerecht im Land Liechtenstein regierst, so ist es nicht mehr als billig,
da1 ich Dir zu Deinem Namenstag Glück wünsche - da6
Du diesen Glückwunsch gut aufnehmen wlrst 1st wohi
selbstverständlich, denn alle Regierenden pflegen an
Höchstderen Namenstagen huidvoll aufgelegt zu sein.
Christophorus ist am Christtag glucklich (ich darf
wohi sagen "sehr glucklich") vom Stapel gelaufen, und
-
170 -
wir freuten uns dessen herzlich; auch im Leipziger Gewandhaushonzert am
7.
Dezember machte das Werk bedeu-
tendes GlUck, was auf jenem hitzigen Boden was hei8en
will; ich war zur Direktion eingeladen, konnte aber
schon des Hofdienstes beim Ritterfest am 8. Dezember
nicht wohi abkommen.
Fanny hat Dir wegen Sagen geschrieben; es ware hUbsch,
wennstUchwas machen lieI3e - denn merkwiirdigerweise le-
ben wir in einer Zeit, wo dieselben abstérben -
20
oder
30 Jahre mehr - und sie sind auf mimer verschwunden.
Hierzulande werden sie durch Bticher lebendig erhalten,
in Liechtenstein ist das aber nicht der Fall. Wenn sich
etwas findet, was der Miihe des Aufzeichnens lohnt, so
lal3e Dich die kleine Plage nicht verdriel3en. Es pressirt
nicht und ware doch immerhin hUbsch, wenn em BUchlein
zu Stande käme. I.. .1
Ich bin sehr neugierig, wer in Vaduz Pfarrer wird. Wirf
Dich doch recht ins Zeug, dal3 einmal em ordentlicher
hinkommt, und auch wo möglich em jüngerer Mann, der
noch geistigere Interessen ais den Weinkrug hat. I...!
Regiere weise und gerecht in das neue Jahr hinein, wie
einst Dein grot3er Namensvetter im Lande Israel (d.h. bevor er der Frau des Urias wegen töricht wurde) so, dal3
noch ferne Geschlechter Deine Regierungszeit als das goldene Zeitalter Liechtensteins preisen mögen.
Alles gute zum neuen Jahr!
Dein Dich liebender Bruder
Mtinchen den
Josef Rheinberger
28.12.82.
Dezember 1882 kam Rheinbergers Christophorus in
MUnchen zur Erstaufführung. Der Bayerische Kurier (Nr.
357 vom 29. Dezember) berichtet:
Am 25.
I.. .1
F. von Hoffnaal3 hat die Legende des Christophorus in
wohlklingende, zur Komposition wohl geeignete Verse gebracht und so em episch-lyrisches Gedicht geschaffen,
dem die dramatische Steigerung keineswegs ermangelt.
Der Riese, nachmals Christophorus genannt, will seine
- 171 -
Kraft und seine Stärke nut dem Mächtigsten der Erde
dienstbar machen und wird von einern Einsiedler unter
Hinweis auf den Gekreuzigten bewogen, am Ufer des
Jordans zu weilen, urn die mUden Pilgrime Uber den F1u13
zu tragen, bis einst em Kindlein den gleichen Dienst
von ibm begehrt. Doch der Riese inmitten der Fluth
kann nicht mehr, es wächst die Fluth...
Und aus den Adern drängt mein Blut.
Kindlein, Kindlein, was 1st mit dir?
Mir ist, als trüg' ich die Welt auf mit!
Christkind
Du trägst die Welt und den, der sie geschaffen,
Denn ich bin Christus, Gottes Sohn.
Du suchtest mich
Und dientest mir mit der Liebe Waffen:
"Barmherzigkeit.
Nun sei bereit,
Empfange der Treue Lohn.
Mit einem Chor der himlischen Geister schlieft die
schön gegliederte Dichtung, weiche dern Komponisten J.
Rheinberger Gelegenheit gibt, seine voile Meisterschaft
und sein Talent im besten Licht zu zeigen. Das Werk 1st
mit elner Ouverture in C-moll eingeleitet, die an sich
schon em vorzUgliches ConcertstUck und für das ausfUhrende Orchester em ProbestUck ersten Ranges bildet.
Sie besteht aus einem langsarnen, einleitenden Satz, dem
eine grandiose Fuge folgt, deren Thema, em reicher
Stoff, vom Meister in kiarer, verständiicher Weise angeordnet und durchgefUhrt ist. In den Chören ruht des Ganzen Schwerpunkt und sie bilden auch den weitaus gelungensten Theli. Von den Solisten fordert der Komponist selbstlose Hingebung und Begeisterung, ohne Ihnen besondere
Effektstelien zu bleten, urn nach moderner Art den Beifall herauszuforden; die Tenorparthie (Einsiedier) 1st
besonders reich an meiodischem FluB; poetisch gedacht,
die Sopranparthie (Christkind) setzt abet elnen ausgezeichneten, hellklingenden Sopran voraus. Die Chore verbinden mit reicher Polyphonie ebenso reiche Harmonik, die
nicht bios für den Musiker, sondern auch für den Musikfreund von auBergewOhnlichem Interesse sind. Für den
Ersteren ist em Chor: ItSatanas ziehet zur Jagd" im engst
- 172 -
gefUhrten Canon in der Oktav von ganz besonders hohem
Interesse, die Begleitung sind Homer und Sordinen,
Trommel und Becken (dieses sehr gedampft) und erzeugen
eine sehr originelle Wirkung. Mit dem Eintritt der
Christusstiuime 1st der Komposition em anderer Charak-
ter aufgepragt durch die Einftihrung der Orgel. Wir
finden uns nun ganz auf dem Gebiet der rein geistlichen,
wir möchten sagen kirchiichen Tonkunst. Den grotartig
aufgebauten und Uberaus wirksamen Schlu8chor, der das
Werk krönt, stehen wir nicht an, als die bedeutendste
Schöpfung Rheinbergers, die uns bekannt, anzuerkennen.
Die Aufführung hatte einen glänzenden Erfolg und die
verwendeten Solisten, die Damen Herzog und Blank und
die Herren Mikorey und Fuchs, haben vollauf Anspruch
auf den gebtihrenden Theil der reichen und ehrenden Anerkennung, die sich nach Voliendung der AuffUhrung in
einmuthiger Weise kundgab.
Die Augsburger Allgemeine Zeitung vom
29.12.82
schreibt:
Das letzte Akademie-Concert aut3er Abonnement brachte uns
am 25. zwei bedeutende Weihnachtsgaben: Joseph Rheinber-
gers Legende "Christophorus", Gedicht von F.v. HoffnaaB,
componirt für Soil, Chor, Orchester und Orgel (op.
120)
und Beethovens Neunte Sinfonie (D-moli, op. 125) mit dem
Schiut3chor über Schillers Ode "An die Freude". Rheinbergers neuestes Oratorienwerk kam hier zum ersten Male zur
Auffuhrung, hat aber bereits in Leipzig zwei Aufführungen,
die erste in der dortigen Sing-Akademie, die zweite am 7.
im neunten Gewandhaus-Concert, erlebt und soil nächstens
auch in Paris zu Geh6r gebracht werden. In dem hochmusikalischen Leipzig hat der "Christophorus" nicht nur die
Feuerprobe bestanden, sondern es vereinten sich auch alie
berufenen Stimmen in rückhaltloser Anerkennung und Bewunderung der jüngsten Schöpfung des bekannten Componisten.
Der "Christophorus" 1st nicht nur das bisher gröBte oratorische Werk Rheinbergers, sondern darf in der That auch
als sein bedeutendstes geiten. Die Dichtung, weiche die
bekannte Legende vom hi. Christophorus in poetisch-
- 173 -
sinniger Weise frei bearbeitet, kommt mit ihren ernsten,
religiös empfundenen Werten den künstlerischen Intentionen des Componisten auf halbem Wege entgegen. I...!
Die vom Componisten geleitete AuffUhrung war, namentlich
was Chor und Orchester betrifft, eine vorzügliche. Der
Chor war von der k. Vokalkapelle verstärkt durch Musikfreunde, gebildet, die Orgel spielte Hr. Musikdirektor
Otto Hieber. Die Baritonpartie des Riesen lag Hrn. Hofopernsänger Fuchs stellenweise zu hoch, er zog sich aber
recht gut aus der Affaire. Den "Einsiedler" hatte Hr.
Mikorey, die "warnende Stimme" Fri. Blank, die "lockende" und des "Christkinds Stimme" Frl.Herzog tibernommen.
Letztere sang insbesonders den Ruf "Hol Uber!" mit einem mustergiiltigen, gleichsam aus weiter Ferne vernehmbaren Pianissimo. Der Beifall, den die AuffUhrung des
"Christophorus" fand, war schon nach der tref fend concipirten Ouvertllre em herzlicher, und steigerte sich
zum Schiusse zu mehrmaligen begeisterten Hervorrufen.
I.. .1
Franziska Rheinberger berichtet ihrem Schwager in Vaduz:
Mein lieber Schwa ger David.
München 13. März 1883.
Gleichzeitig mit Deinem letzten Briefe kam eine Bitte
atzs Lindau, deren Erfüllung mir viel Zeit raubte,
so daB ich erst heute dazu korame, Dir zu schreiben und
zu danken.
Jener Lindauer Brief meldete Curt, daf3 der Lindauer
Liederkranz, dessen Ehrenmitglied er ist, am 6. und 7.
und 8. Mai sein 5Ojähriges Jubiläum feiern wolle und
man bat Curt, hiezu einenf4ännerchorschreiben zu wollen, obgleich sie bereits eine gröl3ere Chorballade von
ihm - Clärchen auf Eberstein zur Aufführung bringen.
Es hief3 nun Texte suchen - und da ich keinen fand, so
bediente ich mich einer kleinen Vorariberger Sage aus
Deinem Vonbun und dichtete darüber einen Cesang. Curt
war mit dem Text zufrieden, componirte denselben; ich
hatte ihn dann noch abzuschreiben und zu regidiren;
und nach zwei Tagen (Vorges tern) kam schon die Antwort aus Lindau, daB sie hocherfreut über Composition
und Dichtung den Chor als erste Pro grammnumrner ansetzen
- 174 -
würden. /.. ./
Gestern kam noch eine andere hübsche Botschaft aus Paris: Da13 dort Christophorus so sehr gefiel, daJ3 die Ge-
seilschaft der französischen
Cornponisten -
die ersten
Namen dabei - Rheinberger zu ihrem correspondirenden
Mitqlied erwählten; eine Zlnerkennung, die sie dem Verzeichnif3 nach zu urtheilen, wenigen deutschen Componisten angedeihen lassen. - Die Wagnertrauerfeieriichkeiten haben einen Charakter angenommen der es uns
leicht rnacht, von Aliem fern zu bleiben.
Ferdinand Hiller schreibt an Franziska:
Verehrteste Frau,
Wahrscheinlich treff en diese Zeilen Sie und den lieben
Gatten auf schönen Bergeshöhen, wo Sie der Hitze, die
uns niederdrUckt, entzogen sind. Möchte die angenehrne
Umgebung Sie auch für meine Angelegenheit freundlich
stimmen.
Wir haben beschlossen, im ersten Gürzenich-Konzert
(d. 23. October) den Christophorus aufzuführen, u. meine Bitte geht dahin, der Tondichter rnöchte kommen u.
dieselbe dirigiren. Urn diese Zeit ist ja das Wetter
noch gut und die Reise angenehrn. Da1 wir allesthunwerden, was wir können, urn Ihnen den Aufenthalt heiter zu
gestalten, versteht sich von selbst. Das Beste wird
freilich der Christof. thun mUssen und wohi auch thun,
wenn ereinentüchtigen Interpreten findet. Und da geht
meine zweite Bitte dahin, Sie möchten mir einen soichen
nennen, vielleicht findet er sich in MUnchen, und dann
wird Perfall ihn schon freigeben.
Ich komme von Marienbad, was rnich schon hinreichend verdurnrnt hat, nun die niederdrUckende Hitze, die nicht emmal die Tinte verschont, und rnich vollends ruinirt. Entschuldigen Sie daher den elend geschriebenen Brief und
lassen Sie rnich Ihrerseits bald wissen, da1 unser Wunsch
erfUilt werden soll.
Stets in alter Ergebenheit
Ferd. Hiller.
4.7.83.
Sie mü1ten zur Hauptprobe am 22. schon hier sein. Wie
lang dauert das Werk?
- 175 -
Rheinberger antwortet umgehend:
Miinchen, den 7.7.83
(bei unmenschlicher Hitze!)
Sehr geehrter Herr!
Sie haben mir durch Ihren heutigen Brief eine auBerordentliche Freude gemacht - es soil mir und meiner
Frau em Fest sein, im GUrzenich den htChristoforus!t
zu hören. Genehmigen Sie meinen herzlichsten Dank
hierfür!
Die Titelpartie sang bei den Leipziger AuffUhrungen
Hr. Scheiper, bei der hiesigen Hr. Hofsänger Fuchs es muB eben em kräftiger Ba13-Bariton sein von C - e'.
Sie haben am Rhein gewit3 mehr Auswahl an Concertsängern
als wir. Der Soiosopran (das Christkind) darf oder soil
vielmehr etwas jugendlich Kindliches haben. Der Tenor
und Alt die gewöhnliche Lage; das Hauptgewicht iiegt
in den Chören. Das Ganze dauert eine genaue Stunde.
Hoffentlich macht das Werk in Coin einen ebenso guten
Eindruck wie hier und in Leipzig; ich hab' es wenigstens sehr ernst mit der Komposition genommen.
Wir gehen in 8 Tagen nach Bad Kreuth, wo ich meine
papierene Gesundheit wieder etwas festigen mOchte. Am
15. September muB ich wieder ins Geschirr zurUck und
freue mich, Sie dann bald in COin begrut3en zu kOnnen!
Meine Frau dankt Ihnen besonders für Ihren lieben Brief.
Mit wiederhoitem herzlichen Danke Ihr ganz ergebener
Josef Rheinberger
Gebe Gott, daB "etwas draus wird"! Tausend Dank für
Ihre Güte! Welch em Fest für uns, auch den schönen
Dom wieder zu sehen.
Die Gattin
Dr. Wilhelm Rust (1822-1892), Thomaskantor in Leipzig,
bedankt sich bei Rheinberger:
Leipzig, am 28.9.1883.
Hochgeehrter Herr!
Vielen Dank für die grot3e Freude, die Sie mir durch die
- 176 -
Widmung Ibres op. 134 bereitet haben. Ich empfing es
heute Mittag und ist gegenwärtig beim Buchbinder. So
babe ich die schöne Gabe nur flüchtig durchsehen können, zweifle aber nicht, da1 sich Ihr neues Werk mit
Ihren bisherigen treff lichen Compositionen auf gleicher Hdhe halt. Namentlich ist Ihre 8-stimmige Messe
eine Zierde unserer Motetten-Litteratur; doch auch
die kUrzeren Sachen werden viel und gem gesurigen.
Eine vollendete Leistung brachten die Thomaner ganz
vor Kurzem, am 20. Sept. zum Besten der UnglUcklichen
aus Ischia mit Ihrem "Abendgesang: Bleib bei uns".
Ich wUnschte wohl, Sie hätten diesen reinen, tiefempfundenen Gesang hören kUnnen, wie er von Herzen kam
und zum Herzen ging! Möchten Sie als Zeichen aufrichtiger Dankbarkeit und hoher Werthschatzung mein beifolgendes op. 39 freundlich entgegennehmen.
Hochachtungsvoll und ergebenst
Dr. Rust.
P.S. Wenn Sie meinen alten Freund, den Professor und
Bibliothekar J.J.Maier sehen soliten, bitte ich
die grol3e Freundlichkeit haben zu wollen, die
herzlichsten Grüte von mir und meiner lieben Frau
gUtigst zu vermitteln.
D.0.
Ferdinand filler berichtet Rheinberger:
"Die Stunde naht" heil3t es in der Zauberflöte - aber
nicht zum Scheiden - wann werden Sie ankommen?
Vor allem möchte ich als Botschafter auftreten und Sie
einladen, bei dem Präsidenten unsrer Konzerte etc. etc.
dem Reg. R. Robert Schnitzler abzusteigen, wo Sie prächtige Wohnung und liebenswUrdige Wirthe finden.
Es ware nun sehr gut, wenn Sie, werther Signor Professore,
noch eine Chorprobe abhalten wollen, sei es am Clavier
oder mit Streichorchester, wie es Ihnen lieber, was frellich am besten am vorhergehenden Freitag, dem Probeabend,
geschähe. Denn wenn Sie nicht zufrieden, könnte noch eine
am Sonntag eingeschoben werden, was sonst schwer halt.
- 177 -
Die Hauptprobe ist Montag Abend. Dienstag Vormittag wird
das Orchester mit den Solisten noch einmal tüchtig vorgenommen.
Leidend, ohne krank zu sein, konnte ich doch noch keine
der Chorproben besuchen, die S. de Lange abhlt; wie
ich aber zu meiner Freude höre, sind sie sehr besucht
und alles im besten Gang. Mit den Solisten werden Sie zufrieden sein.
Nun lassen Sie mich recht bald recht Erfreuliches hören ich mache mir em Fest aus Ihrem Hiersein.
Einstweilen in herzlicher Ergebenheit Ihr
Ferd. Hiller
11.10.83
Isidor Seiss (1840-1905), Professor am Konservatorium
und Leiter der Konzerte der "Musikalischen Gesellschaft"
in Köln schreibt am 14. Oktober an Josef Rheinberger:
Verehrter Herr Hofcapellmeister!
Wir freuen uns alle herzlich, Sie nun bald einmal hier
bel uns in Cöln zu haben - die Concertgesellschaft hofft,
dass Sie schon nHchsten Freitag hier sein werden, urn
Abends die letzte Chorprobe zu Ihrern "Christoforus"
selbst zu Uberwachen und ich für meinen Theil den darauf folgenden Sonnabend in meinem Verein, der "Musi
kalischen Gesellschaft", elnige Ihrer Werke auffUhren.
Ich bitte Sie herzlichst, wenn es Ihre Zeit irgend gestattet, also schon Freitag zu uns zu kornmen und den
Sonnabend mir und der genannten Gesellschaft (es 1st
em alter, schon an die 80 Jahre bestehenderVerein,
der Alles, was Köln zu aufrichtigen Musikfreunden zHhlt,
als Mitglieder hat) schenken zu wollen und mir mit einem
einzigen Wort zu sagen, ob ich auf Erfullung rechnen
darf.
In herzlichster Verehrung!
Ihr ergebnester
Isidor Seiss.
Köln, 14. October 1883
- 178 -
Die Mtinchener "Aligemeine Zeitung" berichtet tiber den
Auffuhrung des "Christophorus" in Köln:
Professor Jos. Rheinbergers prächtige Legende "Christophorus" ist am 23.d.M. im ersten Gürzenich-Concert in
Köln zur Aufftihrung gekommen und hat dem dort anwesen-
den Componisten reiche Ehren eingetragen. Die dortigen
Blätter rühmen an dem Werke vor allem geschickte Tonmalerei und geistreiche Auffassung neben der meisterhaf ten contrapunctistischen Arbeit, für weiche ja Rheinberger hervorragenden Ruf in der musikalischen Welt be-
sitzt. Eine augenscheinlich fachmnnischer Feder ent-
stammende Besprechung des Werkes in der "Kölnischen
Zeitung" rechnet zu den schönsten Momenten die Citirung
des Satans, den Frauenchor mit Harfe, das Lied der
"lockenden Stimme" mit dem hUbsch ersonnenen Chorref rain
"Liebe", die "spottenden Ceister" und den Schluf3 "Ijol'
Uber!"
Professor Rheinberger wurde bei seinem Eintritte in den
Concertsaal lebhaft begrütt und am Schiusse der VorfUhrung seiner Legende mit lebhaf tern Beifall belohnt.
Franziska Rheinberger schreibt an ihren Schwager David:
München 4. Nov. 1883.
Lieber Schwa ger David!
Wie versprochen will ich Dir nun Mittheilung machen über
unsere Reise nach Coin, nachdem ich vorraussetze, daB
Programm und Karte giücklich in Deine Hände geiangt sind.
Vorerst muf3 ich Dir ber noch danken für Deinen lieben,
ausführlichen Brief, weicher Curt und mir sehr viele
Freude gemacht hat. Wir haben dabei nur eines bedauert:
Deinen riesen Schnupfen! Auch Deine Gefühle beim Wiedersehen so vieler Jugendfreunde kann ich mir um so mehr
vorsteilen, als mein sel. Vater auch dereinst so em
Corps-Verbindung Jubiiäum in Freising mitmachte und davon so erschüttert nach Hause kam, daB er sogar Ofters
noch weinte. Ihm war freilich sein einziger Sohn gestorben, während Andere von ihren SOhnen begleitet, die festiiche Zeit frdhiich mitmachten.
- 179 -
Nun also will ich erzählen - und zwar mit dern Schrecklichen beginnen, daB Curt em paar Tage vor unserer
Abreise eines Morgens mit kläglicher Stimme sagte:
"ich glaube, ich bekomme einen Schnupfen!" Du weil3t,
was das bei Rheinberger Constitutionen zu bedeuten hat!
So war es auch, und in Begleitung dieses Schnupfens
trat auch der Husteri wieder auf, weicher - nachdem er
10 Monate gewährt hatte, in Kreuth glücklich angebracht
worden war. Ich war wirklich recht unglücklich darüber
und wollte sogleich nach Coin abschreiben; jedoch Curt
litt es nicht und so suchte ich wenigstens die bequemste
Reise Art aus: einen Schlafwaggon I. Classe, in welchem
man die 15 Stunden nach COin in grOl3ter Bequemiichkeit
fahren konnte.
Wir fuhren die Nacht durch, sahen von Mainz an den präch-
tigen Rhein, dach ten b'ei seinem Anbiick sehr viel an Va-
duz, kamen am Niederwalddenkrnai vorrüber, dessen Eindruck
kein imposanter ist - und erblickten urn 10 Uhr den herrlichen Dom. Curt hielt noch am seiben Abend die erste
Probe, am anderen Tag wurde ihm eine groBartige Soirée
gegeben, wobei nur Cornpositionen von ihm in voilendeter
Ausführung gegeben wurden; dann folgten Diners, endlich
die Hauptprobe, und am 23. October Abends die giänzende
Aufführung, an weicher sich 250 Sänger und entsprechend
viel Orchester betheiiigten und allein 1400 Sitzpiätze
genomrnen waren. Man empfing Curt schon mit Applaus und
überreichte ihrn am Schluf3 einen prachtvollen Lorbeerkranz
mit groI3en blau- und weiI3seidenen Schieifen. Man hatte
für die Hauptparthie elnen trefflichen Sànger aus Brüssel
verschrieben, dessen riesige Stimrne ausgezeichnet zu
seiner Rolie pal3te, und auch die anderen Sänger waren
ausgezeichnet, so daI3 Curt volikommen befriedigt und
hocherfreut war; denn noch nie hatte er em Werk unter
so giànzenden Umständen gehOrt und dirigirt.
Die Gastfreundschaft der COiner war über alle Erwartung.
Wir hatten die Einiadung, in einern giänzenden Pri vathause abzusteigen, ausgeschlagen, und uns in einem guten Hotel behaglich einquartirt; ais aber Curt die Rech-.
flung begleichen wolite, war JUles schon von der Gürze-
nich-Gesellschaft hezahit.
Seit 10 Jahren, seit wir zusammen in Prag waren, 1st
Curt zu keiner Direction eines Werkes mehr gereist.
- 180 -
Es that ihm daher doch wohi sich in soicher Weise willkommen geheif3en zu sehen, und hat die Freude hierüber
auch die körperiiche Anstrengung überboten. Auch war
es für uns doch eine unendliche Freude zusammen den
herriichen Dom zu sehen und dort unser gemeinsames Werk
im Geist den grol3en Anbetern des Christuskindes, den
hi. 3 Königen, deren Reliquien dort ruhen, aufzuopfern.
Nach dem Concert wurde noch em Festbankett gegeben,
wobei Curt Reden hielt und sehr übermüthig war. In bequemster Weise reisten wir wieder zurück, und wenn auch
der Husten noch immer ziemlich stark ist, so hat doch
die Reise und die Anstrengung des Dirigirens weder der
Brust noch der Hand geschadet. Er ist jetzt so you
Musik, daf3 er am Liebsten den ganzen Tag componiren
möchte.
Im Jahre 1883 hatte Rheinberger bis dahin die ersten 12
Fughetten strengen Stils, op. 123, komponiert, die er in
der zweiten Jahreshälfte komplettierte. In den Sommerferien, am 13. Juni, schrieb er die 8st. Osterhymne Victirnae paschalis und vor seiner Reise nach Köln schlol3 er
die Kiaviersonate Nr. 3 in Es-dur, op. 135 ab, komponierte
aber noch am 12., 13., 15. u. 17. Oktober die ersten fUnf
Lieder aus op. 136 nach Texten seiner Frau, die er nach
seiner Rheinfahrt urn weitere 9 Nummern erweiterte.
Am 13. Dezember 1883 erganzt Rheinberger einen Brief
seiner Frau an Ferdinand Hiller mit folgenden Zeilen:
Hochverehrtester Freund!
Gestern endlich hatten wir die Freude, Ihr reizendes
"Idyll" im Odeonsconcerte zu hören und hat dasselbe
alien Musikern und Laien (soweit sie nicht durch Eidschwur an die grüne Fahne des Profeten Wagner gebunden
sind) ausnehrnend gef alien; besonders anregend machte
sich der Ubergang zum letzten Satz, dessen graziösem
Thema nicht.leicht Jemand wiederstehen wird. Ich hoffe,
- 181 -
daf wir das Werk bald wieder hören werden. Auch Fr.
Lachner, der sonst keine Concerte mehr besucht, war
zu Ihrem Werke anwesend. (Die plötzliche Unterbrechung
des Waizers machte sich besonders - fast dramatisch wirksam und steigerte aufs Glücklichste das Interesse
von neuem. Bei der brillanten und pikanten Instrumentation und feiner Ausfiihrung muf das StUck überall
zllnden). Seit ich in Coin war, lese ich regelmaIig die
Concertberichte der Kölnischen Zeitung und der 1(61nischen Volkszeitung mit doppeltem Interesse. Was Sie
mir Ubrigens tiber die Verh1tnisse der musikalischen
Kritik in COin mittheiien, gilt auch in erhöhtem
Ma1e hier; wir haben in ganz MUnchen nicht einen Musik-
kritiker, der seiner Aufgabe gerecht zu werden verstiinde, und das 1st jetzt doppeit zu bekiagen, seitdem
in alien grOf3eren Biättern sich die Wagnerianer breit
machen. Für die freundliche Ubersendung Ihres Bildes
und des Bildes Ihres Musikzimmers melnen besonderen
Dank. Wie gerne wtirde ich in jenem kUnstlerischen Raume
hie und da auf em Piaudersttindchen Besuch machen!
Meine Bearbeitung der Bach'schen (Goldberg) Variatlo-
nen zu 2 Clavieren 1st jetzt erschienen. Die Steigerung,
weiche Bach durch die 30 Variationen einzuhalten versteht, ist ganz einzig. Das Werk dauert eine Stunde
und acht Minuten - das waren doch Componis ten von Uberiebensgrote!
Hoffentlich befinden Sie sich wieder vollständig wohi
und geben mir ganz gelegentlich wieder em brief liches
Leberiszeichen, das uns, meine Frau und mich, immer ganz
besonders erfreut.
Mit den herzlichsten GrUf3en, hochverehrter Freund!,
Ihr hochachtungsvoli ergebener
Josef Rheinberger.
Robert Franz (1815-1892), der in semen Bearbeitungen
die Werke Bachs und Händels dem Instrumentationsstandard des 19. Jahrhundert's anzupassen versuchte, und
damjt auf äufersten Widerstand seitens der ersten Vertreter der damaligen Musikwissenschaft (Spitta, Chry-
sander u.a.) stief, klagt Rheinberger sein Leid, das
- 182 -
er durch seine mafilose Polemik selbst verursacht hatte:
Hochverehrter Herr Kapelimeister!
Nicht unterlassen mag ich es, Ihnen fUr die Freude, welche mir die Durchsicht Ihrer Bearbeitung der "Goldberg'schen Variationen" bereitet hat, meinen besten
Dank zu sagen. Abgesehen von dem glucklichen Gedanken,
das grandiose Werk für 2 Claviere zu setzen, sind die
dadurch ndthig gewordenen Ergänzungen so meisterlich im
Stile des Originals gehalten, daf man die fremde Hand
gar nicht spUrt. Wie ausschlie1lich ich mich seit vielen
Jahren derartigen Arbeiten gewidmet habe, ist Ihnen nicht
ganz unbekannt geblieben - ebenso wenig vielleicht auch
die Thatsache, dal3 ich ihretwegen manchen Straul3 zu bestehen hatte. Bisher befand ich mich dabei leider in einer ernstlich bitteren Lage, wHhrend sich massenhafte
Gegner mit ihrem Schunde breit machen durf ten. Von nun
an stehe ich aber nicht mehr allein da, sondern habe in
Ihnen einen Mitstreiter gefunden, der schwer genug wiegt.
Jetzt werden sich die Historiker zweimal besinnen, den
Musikern mit ihren albernen Decreten lastig zu fallen,
worUber man sich im wohiverstandenen Interesse Bach'scher
und Händel'scher Musik doch nur freuen kann. Weichen Blödsinn die Herren protegiren, geht daraus hervor, daB Spitta
in seiner Bach-Biographie Kirnberger's Accompagnement zu
dem Trio aus Bach's "musikalischem Opfer" als mustergUltig
und maBgebend für dergleichen Arbeiten aufstellt. Sehen
Sie sich den bei Peters erschienenen Wust nher darauf an
und Sie werden es vollkommen in Ordnung finden, daB ich
ibm mit einer neuen AusfUhrung des Continuo entgegengetreten bin. Soilte Ihnen das bei Härtel's in dieser Form
erschienene Werk gelegentlich in die Hände fallen, so
ersuche ich Sie Seite 6, System 3, Takt 4 und späterhin
bei der Wiederholung derselben Stelle: Seite 14, System 3,
Takt 3 einer Tenorstimme folgendermaf3en abzuändern:
- 183 -
Bei der Ausarbeitung achtete ich zu wenig auf die hinund herspringende Geige, und wurde dafür mit em paar
verdeckten Octaven bestraft, die herzlich schlecht
klingen miissen. Dem Fehler ist bereits in den Platten
abgeholfen.
Wenn Sie sich einer Bearbeitung der 6 Sonaten für Ciavier und Geige von Seb. Bach unterziehen woliten, würden Sie der Kunst einen wesentlichen Dienst erweisen.
Dabei denke ich durchaus nicht an Formen, wie sie Rust
in der Vorrede des 9. Jahrgangs der Bach-Geseilschaft
Seite XVI in Vorschlag bringt, mul3te ibm aber youkominen bepflichten, da1 bier an gar manchen Steilen Ergänzungen in der Harmonie unbedingt nöthig sind. Ueberlegen Sie sich's - es handelt sich dabei urn eine höchst
interessante Aufgabe.
Weger rneiner Schreiberei mit dem Bleistifte bitte ich
sehr urn Entschuldigung: zur Taubheit hat sich bel rnir
noch eine Nervenlahmung des rechten Armes geselit, die
mir den Gebrauch von Tinte und Feder fast unmöglich
macht.
Nochmals herzlichen Dank für den Genul3, weichen mir
Ihre feine Arbeit verschafft hat.
Ihr ergebenster
Halle d. 16. Jan. 84
Rob. Franz
Rheinbergers Antwort 1st aus einem weiteren Schreiben
von Robert Franz zu ersch1ieten:
Hochgeehrter Herr Kapelimeister!
Besten Dank für die Uebersendung Ihrer Photographie, die
ernstes liebes Gesicht zeigt. Auf Ihren Wunsch
schicke ich die meinige, kann dabei aber nicht verhehien,
da2 sie sich etwas ledern ausnimrnt. Lassen Sie sich nochmals ineine aufrichtige Freude darUber sagen, daB Sie Ihre
herrlichen Gaben in den Dienst des groBen Seb. Bach stellen: angesichts des wiisten Treibens der Gegenwart kann
man gar nichts Besseres thun, als die Aufrnerksamkeit der
mir em
Menschen auf Werke hinzuleiten, in denen der Athem der
Kunst weht. Was mich betrifft, darf ich es Ihnen wohi
-
184 -
gestehen, daIs, ganz abgesehen von dem genu1reichen Ge-
winn den mir eine derartige Thätigkeit gebracht hat,
dieser culturhistorische Gesichtspunkt mit in dem Vor-
dergrund meines Verhaltens stand. Den Namen der alten
Meister nur in den Mund zu nehmen, bringt keinen Nutzen:
man muI3 sie dem Publikum in voller Lebensgröl3e vorführen!
Sie glauben, die Veröffentlichung meines Brief es in einern Fachblatte würde unseren Interessen förderlich sein.
Da müBte er aber erst sorgfältiger redigirt werden, denn
ich habe nur hingeschrieben, was mir gerade in den Sinn
kam. Auch erinnere ich mich eines Passus Uber Rust, der
sehr leicht miIverstanden werden könnte. Der Mann hat
sich grol3e Verdienste urn die Redaktion der Bach'schen
Werke erworben - das darf ihm nicht vergessen werden.
Wenn er dabei zu verschiedenen Malen unhaitbare Vorschiäge über das Accompagnement rnacht, so verschwindet doch
diese kleine Eitelkeit den anderen Leistungen gegenuber
in Nichts. Betrachten Sie also meine Epistei als eine
vertrauliche - der Moment wird schon eintreten, wo man
nach alien Seiten hin frei von der Leber weg reden kann.
Am Schiufe Ihres Brief es heift es: "in Mtinchen werde ich
durch em wohiwollendes Entgegenkommen nicht verwöhnt".
Da soliten Sie erst das Verhaiten meiner lieben Landsleute in Haile kennen lernen! Seitdern ich voliends auf
jede praktische Thätigkeit Verzicht leisten muIte, stehe
ich in deren Augen noch tief unter Null. Die Menschen
können es eben nicht vertragen, daB man em bischen anders
ist wie sie; - auch ftihlt sich der groBe Hauf en in seiner
grolienden Abneigung volikommen sicher, weil er die ungeheure Majorität bildet. In Deutschiand 1st das von jeher
so gewesen!
Mit den besten GrW3en an Sie und Ihre Frau Gemahiin
Ihr ergebenster
Halle d. 22. Jan.
Rob. Franz
84
(1859-1939), Pianist, Stipendiat der Holstein-Stiftung in Leipzig; seit 1882 Lehrer am Konserva-
Max Fiedler
torium in Hamburg schreibt an Josef Rheinberger:
- 185 -
Hamburg, 21. Januar 1884.
Hochverehrtester Herr Hofkapellmeister!
Wenn ich erst heute dazu komme, Ihnen für Ihre so güti-
gen Zeilen, die mich mit hoher Freude und mit Stolz erfUilten, meinen herzlichsten Dank auszudrUcken, so möchte ich Sie, hochverehrtester Herr I-iofkapellmeister, bitten, den Grund dafUr in nichts anderern zu suchen, als
in absolutem Mangel an Ruhe, deren ich bedurfte, urn mich
dem Verfassen eines Briefes an Sie hingeben zu können.
Meinen Dank und meine Freude wollen Sie also bitte nicht
bemessen nach der Geschwindigkeit, mit welcher ich mich
bei Ihnen brieflich einfinde. Persönlich hoffe ich mich
und Ihrer Frau Gemahlin kommenden Sommer vorstellen zu
können. Ich werde den August bei Frau v. Holstein im Allgäu (in Oberstorf) zubringen und in Folge dessen auch
Miinchen berühren. Aul3erordentlich wUrde ich mich freuen,
wenn ich Sie und Ihre Frau Gernahlin anträfe und Ihnen
die Sonate vorspielen könnte. Ich habe sie mit groBer
Lust studirt, mit immer wachsender Lust! Welchen Satz
ich am meisten liebe, weit3 ich selbst nicht. Anfangs
war's der erste, jetzt sind mir die andern in ihrer Art
aber eben so lieb. Interessant und amUsant war mir's,
am zweiten Tema des ersten Satzes eine Ahnlichkeit zu
entdecken mit einem Kindchen meiner Fantasie! In einem
Streichquartett (in der Schublade) von mir heil3t's emmal:
Ich bin sehr solz.
Was ich am ersten wie an alien Sätzen auger dem Inhalt
bewundere, ist die meisterhafte Leichtigkeit in Beherrschung der Form. Ich mul3te an die schönen Worte Haupt-
- 186 -
manns denker?:
t1Was-gehört aber dazu! Welehe Kraft, all die
Last der Faktur in die Höhe schnellen zu können,
daB sie als Kunstblume lastlos oben schwebe,
nein, alles durchdringe!" -
Das glânzende, humorvolle Scherzo will ich nächstens
im Concert eines Geigers spielen. Werden Sie mir das
Herausnehmen aus dem Zusammenhang verzeihen? Das Ganze würde nicht in's Progranim passen. Das Scherzo und
der letzte Satz mit seinem energischen Hauptmotiv und
seinem so schön kontrastirenden weichen Liedtema haben
der Ailgemeinheit am besten gefallen. Im III. Satz ist
mir besonders lieb die Cantilene und dann
--
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--
--- U- --
JPIPI IIPi
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Am Abend bei Stainmanns war ich recht gut disponirt, hatte Ihnen jedoch noch keinesfalls genilgt. AuBer mit Fingerund Gemütsschwierigkeiten habe ich leider auch mit einem
hartnäckigen nervösen Armleiden zu kampfen, das zeitweise
recht bedrUckend wirkt.
Ihre giltigen Zeilen waren mir der schönste Lohn für eine
MUhe, die reiche Freude schon in sich barg, und danke ich
Ihnen nochmals von ganzem Herzen.
In der freudigen Hoffnung, Sie und Ihre Frau Gemahlin persönlich kennen zu lernen, verbleibe ich mit dem Ausdruck
áusgezeichnetster Hochachtung
Ihr sehr ergebener
M. Fiedler.
- 187 -
Hans von Bülow (1830-1894), seit 1880 herzogl. Hofmusikintendant zu Meinigen, schreibt an Josef Rheinberger:
Hochgeehrter Herr!
Ihre freundlichen Zeilen, gleichzeitig mit dem schuldigen Danke für Ihr Bud, nicht alizu unlänglich zu beantworten, fehit es mir gegenwartig an Mul3e. Zudern sehe ich
noch immer der versprochenen Digteralisirung von Bach's
142 jährigen XXX entgegen, urn so ungeduldiger, als mich
Herr Winding (Copenhagen) mit einer Reduction in usum
delphinae enniiyirt hat.
Mein heutiges Kryptotelegramin hat - aufer obiger dringender Vorrede zu einem Nichtbrief - noch einen andern
Zweck. Sie wissen oder wissen's vielleicht nicht, dat
ich Ihres ThUrmers Töchterlein für em sehr lebensfähiges BUhnenwerk halte. In einer Matinê in Hamburg - noch
nicht festgestellt - möchte ich den Wallenstein so
"dramatisch" (Theaterconzert) auffUhren, daB eine Empfehlung gen. Oper an Pollini und Sucher nicht gHnzlich pour
l'empereur d'Allernagne expectorirt wUrde. Hätten Sie die
CUte, meine vielleicht infernolastricante Absicht durch
sofortige Zusendung elniger TextbUcher (auch in Brernen vide Beilage) zu fördern?
Noch Eines. Sie haben vor bald 4 Lustren eine grot3e Klavierfuge (H-dur? - eine Art Pendant zu Op. lOb Finale)
geschrieben, die mir abhanden gekommen 1st, deren Titel
mir nicht einmal rnehr erinnerlich ist, die mir aber damals
so fabeihaft irnponirt hat, daB ich jetzt, wo ich bei
"Klaue" bin, deren EinUbung riskiren möchte.
Nehmen Sie mir diese ExpreB-Betteleien nicht übel, haben
Sie die CUte, mich Ihrer Gemahlin verehrungsvoll zu empfehlen und bleiben Sie versichert der
unwandelbaren vorzUglichen Hochachtung
Ihres ganz ergebenen Bewunderers
Hans v. Billow
Intendant d. Herzogl. Hofkapelle.
Meinigen, 12. Febr. 84.
Dr. H. Basserrnann, Universitätsprofessor der evang. Theo-
- 188 -
logie in Heidelberg schreibt an Josef Rheinberger:
Ew. Hochwohlgeboren,
Heidelberg, den 13.2.1884.
wollen gütigst verzeihen, wenn sich Unterzeichneter, obwohl Ihnen persönlich unbekannt, erlaubt, eine Anf rage
bezw. Bitte an Sie zu richten. Ich. bin dazu veranlal3t
durch Herrn Musikdirector Herzog in Erlangen. Dieser
nämlich hat mir auf meine Erkundigung nach einer Persönlichkeit, welche geeignet ware, den Musikunterricht
an hiesigern ev. prot. theologischen Seminar (Universitätsanstalt) sowie den rnusicalischen Theil des acadernischen Gottesdienstes hier zu besorgen, Herrn Wolfrum,
z.Z. Musiklehrer am kgl. Schullehrerserninar in Bamberg,
genannt und dabei erwEhnt, daB derselbe zu Lhren SchUlern gehöre. So darf ich wohl annehmen, daB das Interesse, weiches Sie an dern genannten Herren nehmen, Sie
geneigt machen werde, meiner Bitte zu willfahren, wel-
che dahin geht, mir einige Mittheilungen Uber denselben zu machen. Es handelt sich bei der in Rede stehenden Aufgabe urn die Unterweisung unsrer Theologie-Stu-
dierenden in kirchlicher Musik, soweit em VerständniB
davon fUr die kUnftigen protest. Pfarrer nothwenig erscheint, insbesondere urn theoretisch und praktische
EinfUhrung in den evangel. Choral (in zwei bis drei Stunden die Woche), ferner urn em gutes Orgeispiel im acade-
mischen und Seminartibungsgottesdienst (zwei die Woche),
womoglich auch Anleitung zu dernselben, endlich urn die
sehr wUnschenswerthe GrUndung und Direction eines acadernischen Kirchenchors oder auch eines studentischen
Gesangvereins. Der Betreffende wtirde also in seiner
Zeit garnicht viel in Anspruch genommen sein, also hinreichend MuBe haben, besonders während der Universitätsferien, entweder zu Privatstunden oder zur Selbstweiterbildung.
Den Erfordernissen dieser Stellung entsprechend geht
meine Bitte dahin, Sie rnUchten mir Uber die musicalische Befähigung und Tllchtigkeit des Genannten Uberhaupt, sodann speciell Uber seine Leistungsfähigkeit
im Orgeispiel, Uber seine Lehr- und Directionsgabe, wie
endlich Uber seine Persönlichkeit geneigtest Auskunft
ertheilen.
- 189 -
Ihre Rückäuf3erungen, denen ich entgegensehen zu dtirfen
hoffe, werden selbstverständlich durchaus discret behandelt werden. Ebenso darf ich bitten, auch diese melne Anf rage als eine vertrauliche anzusehen.
Indem ich die Hoffnung ausspreche, daf3 Sie mir die
KUhnheit, mit weicher ich mich in dieser Angelegenheit
an Sie gewendet, habe, nicht verargen, sondern durch das
Interesse entschuldigen werden, weiches ich als Director
der obengenannten Anstalt an der Gewinnung eines ttichtigen Musiklehrers für dieselbe haben mu1, zeichne ich,
im Voraus für Ihre BemUhung verbindlichst dankend,
in vorzUglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
Prof. Dr. H. Bassermann,
Director des ev. pr. Theol.
Seminars.
Franziska schreibt nach Vaduz:
Mein lieber Schwa ger David!
25.4.84.
Curt gibt mir den Auftrag, Dir für Deinen letz ten lieben
Brief vielmals zu danken und Dir Auskunft zu geben, wie
es mit seiner armen kranken Hand steht.
Nachdem sie mehrere Monate in ziemlich gutem Zustande
gewesen, fing sie zu Zlnfang des Jahres wieder zu schwellen
an, - und zwar, nicht nur an der Wurzel von Zeige- und
Mittelfinger, sondern die Geschwulst zog sich auch urn
den Zeigefinger Un ten herum. Da aber Nussbaum so gebrechlich und überdiei3 schwerhörig geworden, daB em
Verkehr
mit ihm sehr erschwert ist, so lieBen wir ihn nicht kommen, sondern machten des Nachts nur die gewohnten Bleiwasserumschläge. Eines Abends war die junge Frau von
Liegen-Mayer bei mir zum Thee; als Curt nach Hause kam,
sprang sie ihm freundlich entgegen, er reicht ihr seine
rechte Hand und sie drückt sie em bischen - ahnungslos,
daB sie ihm weh that.
Er war eben auch unvorsichtig gewesen, daJ3 er die Rechte
- 190 -
gebraucht. Am schmerzlichen Zucken seines Gesichtes erkannten wir, daB sie ibm wehgethan - em Wort gab das
andere und mit allem Ernste drängte sie in uns, nun
doch statt Dr. Nussbaum einmal den so berühmt gewordenen Dr. Helferich zu bera then, dessen Behandlung
auch ihren Gatten von langwierigem Fuf3übel geheilt.
Curt entschloB sich dazu und Dr. Heiferich kam auch
bald und erklärte es für sehr angezeigt diese Sache
fortwährend im Auge zu behalten, damit em Umsichgreifen des Leidens möglichst verhindert werde. Er rieth
einen Handschuh machen zu lassen, weicher innen am
Zeigefinger eine Stahifeder trägt, durch die das Biegen des Fingers und der Reiz am Knöchelgelenk verhindert werden soil. Ferners muf3 die Geschwulst unter
Tags mit Jodsalbe und Nachts auch noch mit Bleiwasser
gefeuchtet werden. Curt trägt nun mit Lamms-Geduid
diese Maschine, oder Bandage, welche ihm den Zeigefinger gestreckt halt und ihn in Z!liem behindert:
Am Schreiben, am Spieien, am Dirigiren. Letzteres kann
er noch mit dem Handschuh am ehesten. Unter diesen Verhältnissen ist es noch em Glück, daB er den Beruf und
die Freude am Lehren hat; denn sonst müBte er wirklich
ganz meianchoiisch werden. Er ist ohnedem sehr ernst
von Natur, aber doch kann er auch ieicht über SpäBe
lachen und bin ich erfinderisch ihm soiche zu bieten.
Neulich kam er auch sehr lustig vom Caféhaus heim, weil
einer gefragt hat, was der tausendste Theil von einem
Frauenzimmer sei, worauf em Anderer geantwortet babe:
"A Millimadel." (Em Milchmädchen). Vieileicht gefällt
das in Vaduz auch Jeinand.
Nàchsten Freitag den 29. wird in Frankfurt der Christo-
phorus gegeben und Curt wurde sehr eingeladen hinzugehen, wird es aber nicht thun. Gestern gab Bülow in Hamburg den Walienstein, am 27. iäi3t er ihn von seiner
Meininger Capelie in Berlin spielen - da ware ganz
hübsch Gelegenheit und Veranlassung zur Reise. Aber
Curt traut sich eines Theils nicht wegen der Hand, und
dann will er nicht öfters Urlaub nehmen, weil auch im
Juni gelegentlich des schlesischen Musikfestes der
Christophorus in Breslau aufgeführt wird, wohin Curt
nicht ungern reiste.
Nächs tens wird ibm auch eine groBe Ehrung von Berlin
- 191 -
aus begegnen. Gestern schrieb ihm der Präsident der kgl.
Akademie der Künste in Berlin, daJ3 man .ihn zum Mitglied
der k. Akademie gewählt habe und daI3 sein Diplom zur
Unterfertigung beim Cultusminister läge. Diese Ehre wird
nur den hervorragensten Malern und Componis ten zu Theil
und hat del3halb wirklich eine künstlerische Bedeutung.
Sprich aber nur mit Peter davon, da die Sache noch nicht
ausgefertigt und daher nicht oficiell ist.
Curt hat wirklich auf seinem ernsten Wege der Zurückhaltung und der Verachtung al.ler Reclame in verhältniI3mäl3ig jungen Jahren viel erreicht und kommt es mir of t
vor, als habe ihn em geheimni6voller Drang getrieben
so viel und so schnell zu componiren - als hätte er geahnt, daB später eine Zeit käme, in der ihm die freie
Arbeit versagt sein würde. Er hat schon an die 130
Werke veröffentljcht und könnte die Musik Institute
und Concertdirektionen noch lange mit dem Schonbestehenden beschäftigen.
Nun habe ich Dir gewiI3 ausführlich geschrieben, lieber
David; Gutes und (Jbles durcheinander wie halt das Leben
ist.
Wie bin ich froh, daI3 ich Curt beistehen kann: so viel
hundertmal als ich ihm des Abends, wenn er im Bette,
die Hand schon verbunden habe: so viel hundertmal und
öfter war es mir em Trost ihn liebevoll pflegen zu
können.
Eben bringt mir Curt die Zeitung worm bereits die Nachricht seiner Ernennung zum Mit gliede der Kunstakademie
in Berlin steht. Von uns aus erfuhr es Niemand. - Wahrscheinlich wurde es schon von Berlin aus bekannt gege-
ben.
I. . .7
Hans von Billow, der seit 1880 herzogl. Hofmusikintendant
zu Meiningen war, schreibt an Josef Rheinberger:
Berlin, den 26. Febr. 1884.
Hochgeehrter Herr u. Freund,
Besten Dank für Ihren molto a proposito gekommenen Brief,
der in Bremen und Hamburg meine Thiirmertöchterlichen Bestrebungen wirksam gefördert hat. Pollini 1st sehr ge-
- 192 -
neigt, do. Sucher - Beide sind mir persönhich verpflichtet. Aber nun - urn aller Heiligen willen - TextbUcher,
wornöglich eines mit Dialog, und Klavierauszüge!
Habe in Bremen auf letztere umsonst gefahndet. Cranz ist
ja nach Californien ver-pleitet.
Senden sie K1.A. an KM. Sucher in Hbg.
an Opernsanger Franz in Hbg.
an KM. Hentschel in Bremen
an Pianist u. Musiklehrer Dr. Crone
in Bremen
Letzterer ist em so schneidiger Kritiker, da8 er Thaler
stUrzen wird und daB Angelo Neumann Alles thut, was er
befiehit.
Ii faut battre son frêre pendant qu'il est chauve.
Der Ihrigste in skandalöser Hatz
Billow.
Rheinberger bedankt sich bei Hiller für die Ubersendung
einiger BUcher:
München, 3. März 1884.
Sehr geehrter Herr! (Der Gatte dictirt!)
Vor Allem meinen herzlichen Dank für die freundliche
Ubersendung der (mir wohlbekannten) "rhythmischen Studien" für Pianoforte. Leider erlaubt mir meine Rechte
nicht, sie selbst durchzuspielen. Ebenso danke ich für
die Studie "Wie man componirt".
Die neugierige Dame hat mit der kleinen Frage ziemlich
viel aufgewühlt und es ware interessant, dieselbe Frage von einer Reihe von Componisten in ehrlicher mdlvidueller Weise beantwortet zu sehen. Das Resultat dürfte
schon durch die Verschiedenheit überraschen, ja ich
möchte behaupten, dal3 die meisten Componisten diese
Frage kaum verständlich zu beantworten fEhig sein wUrden.
Ich wenigstens ware in Verlegenheit gesetzt und mir
scheint, daB Sie am Schiusse des Aufsatzes auch etwas
Ahnliches bemerken.
Ich danke Ihnen herzlich, daB Sie mir dieses Feuilleton
gesandt haben - wissen Sie doch, daB wir Alles, was aus
Ihrer Feder flieSt, mit regstem Interesse verfolgen
Josef Rheinberger
- 193 -
Die "Ailgemeine Zeitung" (Nr. 81, 2. Beilage v. 21.3.
1884.) schreibt:
I.. .1
Dem den Kunstsinn unserer Stadt in beschämender Weise
beleuchtenden Indifferentismus unseres Publikums haben
wir es zu danken, dat die einzige Vertreterin der
classischen Vokalmusik, die kgl. Vocalcapelle, ihre
Voca1-Soiren einstellen muf3te. Den Freunden dieser
durch Hrn. Hofcapellmeister Prof. Rheinberger so ausgezeichnet geförderten Kunstgattung gereicht es wenigstens zur Genugthuung, dai3 die kgl. Vocalcapelle
unter seiner Leitung im Rahmen des letzten AbonnementConcertes mitwirkte. Wir hdrten die achtstimmige herrliche Motette J.S. Bachs: "Singet dem Herrn em neues
Lied", und drei vierstimmige Lieder aus Rheinbergers
op. 124, und zwar letztere zum ersten Male. Es fällt
uns schwer, einem dieser drei Lieder - "Abend am Meer",
"Scheiden", "Wanderlied" (Gedichte aus F.A. Muths "Waldblumen") - vor den anderen beiden den Preis zuzuerkennen; wir constatiren nur, daB die beiden letzteren, im
Volkston gehaltenen, ganz besonders angesprochen haben.
Der Applaus, der die Vorträge der Vocalcapelle begleitete, trug dieBmal den Charakter einer herzlichen Ovation für den gefeierten Dirigenten, Hrn. Prof. Rheinberger.
I.. .1
Der greise Sebastian Pöhli berichtet seinem ehemaligen
Schtiler Rheinberger:
Schlanders, 16. März 1884.
Euer Hochwohlgeboren!
Ihr herannahendes Namensfest gibt mir die angenehme Veranlassung, Ihnen hiemit meine innigsten WUnsche und Verehrung dazubringen. Gott erhalte Sie und Ihre hochverehrte Frau Gemahlin recht lange gesund und glücklich,
wie Sie es im volisten Mal3e verdienen. Ich verbinde
gleichzeitig meinen innigsten Dank für das so viele Gute,
daB Sie mir schon erwiesen haben.
Eine ungeheure Freude aber hatte ich, als ich aus der Kölner
- 194 -
Musik-Zeitung Nr. 1 vom 1. Jänner
1884 eine Biographie
über Sie und Thre hohen musikalischen Schöpfungen gelesen habe, worm auch meine unbedeutende Persönlichkeit
als Ihr elnstiger Musiklehrer gedacht war; die Thränen
standen mir in den Augen! Ich bin nun seit Jahr in
Pension mit jähri. 300 f 1., nachdem ich mich voile 52
1
Jahre dem Volksschuiiehrer-Dienste gewidmet hatte,
und hätte trotz meines 75. Lebensjahres noch welter
gedient, wenn nicht em kieiner Schiaganfali meine Ge-
sundheit zerstört htte.
Ich schiief3e nun mit dem wiederholten Wunsche im Ver-
eine mit meiner Frau, Gott schtitze und segne Sie und
Ihre hochedie Frau, und iohne Sie hier und jenseits fUr
Ihr edles Herz! Ich zeichne mich mit Hochachtung, aber
auch mit Stolz ais
Ihr einstiger Lehrer mit
Dank erfUlitem Herzen.
Sebastian Pöhii,
Johann Nepomuk NuBbaum (1829-1890), der Rheinbergers
Handieiden behandelte, schreibt an Franziska Rheinberger:
Mtinchen,
Beste Frau v. Rheinberger!
12.
April
84.
12. April glUcklich, ais ich die Freude
hatte, Gottes Wilien an Ihnen auszufUhren! Heute liege
Wie war ich am
ich an rheumatischer HUftgelenkentzUndung krank und
arbeitsunfHhig im Bette. Gott gebe eine baidige Ent-
scheidung.
GrUI3en Sie mir den guten H. Hofkapellmeister vielmals
und sagen Sie ihm, daf seine Hand nicht ganz gesund,
aber wieder ganz ordentlich und brauchbar werden wird.
Merken Sie, dal3 die Eiterung zunahm, so wUrden Sie
doch eine Spur Radosan Puder hineinstreuen. Eine Feder-
messerspltze you, weiche unmöglich unangenehme Symptome bringen kann; dann den Bieiwasserumschiag gut ausgedrUckt darUber legen und mit Guttapercha zudecken.
Mit den herzlichsten GrUl3en u. SegenswUnschen bleibe ich
Ihr treu ergebener Freund
Ghr. v.Nussbaum.
- 195 -
Franziska Rheinberger bedankt sich noch einmal bei
Hiller in Köln für die schöne AuffUhrungdesChristophorus und bedauert 1-lillers Abschied als Dirigent
von den Gtirzenich-Konzerten:
/. . ./
Die leidige Nachfolgerfrage wird nun auch berührt werden müssen. "Nix bessers kömmt net nach", sagt man in
München. Für alle Fälle darf es freilich nicht anwendbar sein, wo käme man sonst hin? Aber wir in München haben seit Lachner's Abgang die Wahrheit dieser
Rede oft recht bitter empfunden - und empfinden Sie
noch. Eben kommen wir von der Hofkirche nach Hause wo
mein Mann Lachner's herrliche 5st. Messe in d-moll
(mit dem schönen Sanctus) und sein eigenes Terra tremuit (8stinnnig) dirigirte. Die Charwoche brachte wieder Perlen der alten Meister an die Reihe, unter Anderem Palestrina's doppelchoriges Stabat Mater, welches in diesem goldenen Raume ganz seraphisch kiang.
Unsere geliebte Kirche hat unter Andern schönen Eigenschaften auch die unter Menschen so selten gefundene
Dankbarkeit. Sie hegt und pflegt ihre Kinder, ihre
Meister und wàhrend die besten Opern mit der Zeit von
den Brettern schwinden, lebt em Lassus, em Palestrina und Lotti in semen kirchlichen Werken in aller
Jugendschöne und Wahrheit fort ... weil es eben Ernst
ist und nicht Komödie.
/. .
Zu Pfingsten soilte Rheinberger semen "Christophorus"
auf dem Niederrheinischen Musikfest in Düsseldorf dingieren. Er mu2te wegen Verschlimmerung seines Handleidens absagen, und der geplante Besuch bei Hiller in
Köln fiel ins Wasser. Die von Hiller erbetene Aufklärung
über Wüllner, der in Köln Hillers Nachfolge antreten soilte, gab Rhemnberger in schriftlicher Form ab:
- 196 -
/eingegangen 30.5. 1884/
Hochgeehrter Freund!
("Er" dictirt, "sie" schreibt):
Wenn em
Brief von Ihrer Hand ankommt, 1st es uns immer
eine grote Freude, so auch heute, als Ihre lieben Zeilen
eintraf en. Ihre vertrauliche Anfrage in Betreff W/üllner/
will ich versuchen, ebenso vertraulich zu beantworten.
W/üllner/ hatte hier als Hofcapellmeister die Leitung
der kgl. Kirchenmusik, und an der kgl. Musikschule den
Unterricht des Chorgesanges, sowie die Leitung der Con-
certe. In beiden Stellungen zeichnete er sich durch un-
ermUdlichen Fleif3 und grof3e musikalische Gewissenhaftig-
keit aus, und ist seine musikalische Hauptstärke jedenfalls das eben erwähnte Lehrfach. Noch welt gröBer aber
ist sein Ehrgeiz, der nach dem Theater trachtet - eine
Liebe, die aber nicht erwidert wurde. Als seiner Zeit
Lachner und Billow von hiesiger Bühne abgingen und der da-
mals junge Musikdirektor Richter (z.Z. Hofcapellmeister
in Wien) sich bei Einstudirung des Rheingold etc. der
Intendanz gegenüber unbotmäBig benahm, war gro8e Verlegenheit am Theater urn elnen Capelimeister, indem die Kö-
nigs Vorstellungen unaufschiebbar beginnen soliten. Da
sprang W/üllner/ em, und es war ihm damit gelungen, im
Theater Fu13 zu fassen. Zwar war dies nur em Provisorium
und die Berufung Levi's erfolgte. Letzterer machte den
Anspruch auf die Direktion der Wagner'schen Opern. W/üllner/ ging nach "Damascus" und glaubte dadurch seine Thea-
terstellung zu befestigen. L/evi/ schien aber auf den
Brettern, die die Welt bedeuten, besser zu Hause zu sein
und gewann Jenem den Vorrang ab. Es war dies zu der Zeit,
als Rietz in Dresden starb und W/tillner/ dort einen gUnstigen Boden für seine Theaterleidenschaft zu finden
glaubte. Durch genannten Gang nach Damascus erreichte er
jedenfalls so viel, daB er von der Presse, der er frUher
selten etwas recht machen konnte, plötzlich zu einem der
ersten Dirigenten Deutschlands erhoben wurde. Ich für
meine Person habe nie begreifen können, wie man auf der
einen Seite für Palestrina und Haydn, auf der andern für
Wagner schwärmen konnte, denn ach : "nicht zwei Seelen
wohnen in meiner Brust". Nun - Andere bringen so etwas
schon fertig. Und nun über seine Begabung als Dirigent.
- 197 -
Wenn bei uns in Süddeutschland em
Sanger eine schöne
Stimme hat, unerrnüdlich f1eitig und tadellos correkt
singt und doch kein Mensch von ihm entzUckt 1st, so
sagt man: "er singt 'lutherisch". Es 1st dies ohne
jede confessionelle Beziehung gemeint, denn auch die
protestantischen Musiker bedienen sich dieses Ausdrucks. Eben so lutherisch war die Direktion W/tillners/,
denn bei alien anderen guten Eigenschaf ten fehite eben
jenes Ptinktchen auf dem i, weiches schliel3lich doch den
Buchstaben macht - d.h. jene llberzeugende Wärme, die man
selbst urn den Preis elner etwaigen IJncorrectheit nicht
vermissen mag, wenn man nehmlich Musikanten- und nicht
Fischblut in sich hat. Seine persönlichen Eigenschaf ten
waren höchst achtungswerth, ohne da1 er eigentlich be-
liebt war.
Nun hart das Dictiren auf und der Sekretärin wird gestattet, auch elnen selbständigen GruB beizufügen. Leider wurde mir heute auch schon der Absagebrief nach Düsseldorf diktirt, weicher zugleich die Hoffnung durchstreicht, Sie in Coin wiederzusehen! - Die Hand ist gegenwärtig so geschwollen und neue Wunden bilden sich an
ihr, dai3 der arme Märtyrer keine Lust zum Reisen hat.
Der Arzt meint zwar, dieses Stadium sei der Vorbote gänzlicher Heilung - aber wird - im besten Faile - nicht em
Finger steif bleiben? Gott sei Dank sind wir Beide in
Leiden g'eübt, so daB wir dadurch nicht ungiücklich werden: Mir gewährt es sogar eine besondere Genugthuung, daB
ich ihm in schweren Tagen zur Seite stehen darf. Wir grüBen Sie recht herziich und werden in nächster Zeit noch
mehr als sonst bei Ihnen in Gedanken sein.
Ever yours very sincerely
Fanny Rheinberger
- 198 -
Stanley Lucas (1834-1903), Musikverleger in Londen fragt
bel Rheinberger an:
26. July 1884.
Geehrter Herr!
Elne bekannte SocietHt in Amerika, weiche schon viele
Ihrer Chorwerke durch uns bezogen, beauftragt uns, an
Sie zu schreiben und Sie zu fragen, ob und unter weichen
Bedingungen.. Sie geneigt sein wUrden, die Bailade von
Geibel "Vom Pagen und der Königstochter" für Soil und
Chor und Orchester zu componiren. Man 1st in Amerika
sehr für Ihre Compositionen eingenommen, und da jene
Gesellschaft diese Bailade gem zu besitzen wünscht, so
zieht sie vor, vor irgend einem der jetzigen Componisten
Ihnen das Werk zum Musiksatz zu übergeben.
Sind Sie geneigt, die Composition zu unternehmen, so
wolien Sie die Güte haben, uns gef 1. baldigst Nachricht
zu geben.
Hochachtungsvoli zeichnen
Ihre ergebenen
Stanley Lucas, Weber & CO.
Franziska skizzierte foigende Antwort, die Rheinberger
diktiert:
erkläre ich mich bereit, wenn mir die SocietHt
eine dem Umfange dieser bedeutenden Baiiade entsprechende Honorirung gewHhrt, wobei jedoch ausgesprochen
sein muss, ob das Eigenthums- u. Veriagsrecht für
Deutschland mir verbleibt, oder von der SocietHt selbst
beansprucht wird.
Moge mir also die Geselischaft hierüber und llber die
Höhe der Summe elnen ganz bestimmten Antrag steilen,
und werde ich Ihnen hierauf meine Entscheidung zukommen lassen.
Rheinberger.
Kreuth, 29.7.84.
B.edingt durch sein Handleiden schrieb Rheinberger in
der ersten JahreshHlfte so gut wie keine Noten. Als sich
Mitte Juni 1884 Besserung zeigte, bringt er in 14 Tagen
- 199 -
sein erstes Orgelkonzert F-dur, op. 137 zu Papier und
lost un August in Kreuth sein Versprechen, bei Linderung
seines Leidens em Stabat mater (op. 138) ex voto zu
komponieren.
Franziska berichtet am 7. August 1884 David Rheinberger
in Vaduz,
I...! daI3 Curt's Hand allerdings noch nicht gut, aber
auch nicht mehr so schlecht ist. Nussbaum's unvergleichliche Behandlung hat Gott sei Dank die grof3e Gefahr abgewendet, weiche durch das System des "neuen medizinischen Sternes" nachgerückt war. Nussbaum hofft und
glaubt, dai3 die Hand endlich mit der Zeit (für den übrigen Körper gefahrlos) heilen - aber bis zu diesem Zeit-
punkt noch grol3er Geduld bedürfen werde. Die zwei Hand-
wunden an der obern Handseite sind schon jetzt fast verkrustet; doch ist der Zeigefinger noch etwas geschwollen
und die Wunden an der innern Handseite nicht fertig.
Gebe Gott eine schliei3liche Heilung. Das Buchstabenschreiben ist ihm fast unmöglich. Ich schreibe alle Brie-
fe für ihn und er unterzeichnet sie; aLer zum Notenschreiben kann er die Feder einwärts halten: er drückt sie zwischen Daumen und vierten Finger und kann dann manchmal
eine Seite zu Stande bringen.
Eure Nachrichten über die Veränderungen in Vaduz haben
uns sehr interessiert. Gebe der Himmel, daB der Wechsel
keine Schmerzen im Gefolge habe. Wie mag wohi der neue
Landes-Verweser in kirchlicher Hinsicht denken? 1st schon
neuer Hofcaplan ernannt? Curt freut sich sehr, daf3
die arme Orgel auch einmal wieder gestimmt wird und bedauert nur, daB er aus doppelten Gründen dieselbe in diesem Jahr nicht wird spielen kännen: 1. weil ihm seine
em
Hand das spielen verbieten würde, und 2. weil ich fa-
taler Weise an den FüJ3en haib lahm bin, so daB eine Reise
nach Vaduz leider auch in diesem Jahr kaum ausführbar ist,
wie wir doch früher gehofft hatten. Ich glaube Dir geschrieben zu haben, daB in diesem Frühjahr mich em
schleichender Gelenkrheumatismus sehr gequält hat, so daJ3
mich der Arzt nach Wildbad, was mir schon zweimal gut be-
- 200 -
kommen war, schicken wolite. Aber Curt's Hand war im Mai
so schlimm (mul3te dreimal im Tag verbunden werden), daI3
ich ihn unmöglich verlassen konnte. Ich nahm dann in
München einige Salzbäder, als ich aber kaum acht Tage
hier war, ging das Leiden wieder starker an, so daB ich
an manchen Tagen kaum 50 Schritte machen konnte. Der
hiesige Arzt hofft viel Erfoig von den Fichtennadelbädern; ich habe jetzt deren 5 genommen und konnte gestern
eine Vierteistunde geradeaus gehen. Allein ich wüf3te nicht,
wie ich in Vaduz von der Linde bis zum rothen Haus kärne
und dieser Zustand der Unbeweglichkeit ware doch für mich
und für euch sehr peinlich! /. - . /
Frank Van der Stucken (1858-1929), Dirigent und Komponist
in New York, versucht ebenfalls, eine Komposition bei
Rheinberger in Auftrag zu geben:
New York, 25.9.84.
Verehrter Meister,
Im letzten Concerte (4. April) des Manner Gesang Vereins
tlAriontt, dessen Dirigent ich seit Dr. Damrosch's Ableben
geworden bin, fUhrten wir mit grossem Beifalle Ihre Composition "Das Thai des Espingo" auf. Von allen Seiten
wird nun der Wunsch ausgesprochen, em neues Werk von
Ihnen in einem unserer grossen Concerte zur Aufftihrung
zu bringen, und es 1st in mir em unbescheidener Gedanke
erwacht, den ich hiermit durchzusetzen wage.
"Könnenundmöchten Sie eine Composition für Männerchor &
Orchester speciell für den 'Anon' schreiben?"
Wir wUnden natUnlich alles daran setzen, das Werk mit
moglichster Volikommenheit dem Publikum vorzuführen.
In der Hoffnung elner gUnstigen Antwort auf diese etwas
anspruchsvolle Anfrage zeichnet
Hochachtungsvol 1
Frank von der Stucken
- 201 -
Franziska berichtet Ferdinand Hiller unter dem 28. Oktober 1884:
Heute ist grof3e Wahitag in München. Mein Mann ist als
Liechtensteiner unbetheiligt, da sein schönes Ländchen
beim Umgestaiten des deutschen Reiches vergessen wurde.
Für ihn ist dieser Tag em geschenckter und wird dem
Nonette /op 139/ zu statten kommen.
Gott sei tausend Dank geht es mit der Hand .fortschreitend besser.
AN HAN G
- 205 -
Musikalischer Scherzbrief Rheinbergers (Handschrift Fanny Rheinberger) vom 11.1.1874 an
Johnie Mayer in Wien.
Voce di Kurt
Tempo moderato
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pp
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H
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f Lie - bcr
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dim.
Joh - nie!
- 206 -
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Vor al-lem dank' ich dir
für dei-nen Ietz-ten
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Brief und für dei - ne freund-li - che Theil- nah - me!
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A-ber der Win - ter war mir zu
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- 207 -
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so schrieb mir von Graz nebst noch Viel des
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Schmei-chel-haf - ten und An - ge - neh - men,
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Auch bot er mir freundlich
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- 210 -
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und die Stran- Ci- schen
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ge - schieht Euch wahr - lich
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Anspielung auf Schumanns Klavierzyklus.
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- 213 -
Freund, le-be wohi, gru-13e Dci - ne rrau! auch vie - le
a
Grü - fe
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J--- _:t N-4_
von der
Mci - ni - gen, und he-
..
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hal - te lieb
dei - nen treu- en Kurt.
I
M. D.
11. 1.1874.
Aus: Dr. Theodor Kroyer "Joseph Rheinberger"
Regensburg und Rom 1916
- 214 -
Entstehung unserer Legende
Christophorus
von Fanny Rheinberger
Wagenfahrt über den Arlberg
Noch lagen nicht auf diesem hehren Weg
Des Fortschritts kalte Schienen. Noch ward nicht
Das Innerste des Berges von Dynamit
Zersprengt, noch toste nicht mit glühendem Athem
Das Dampfroi3 durbh den Fels.
Das Viergespann durchtrabte sichern Schritts
Die tannengrünen Schlüchte, zog
Zu sonnger Höh am Silberbach vorüber,
Der - em befreiter Jüngling - aus der Enge
Des Mutterborns in weite Thale drängt;
Bei jeder Wendung lagen vor dem Auge
Die schdns ten, gottgeschaffnen Bilder
Bezaubernd eingehüllt in Mondenschein,
Noch wunderbarer, licht im Glanz der Sonne.
Schon wehn die Lüfte frischer.
Sieh dort! Des Ariberges Spitze
Umkränzt em Perlenband von Schnee So hoch hinauf müf3t ihr uns ziehn, ihr Röl3lein!
Und als die Landschaft schroffer sich gestaltet,
Da sprachst du:"Das war einst die Welt, in welcher
Der arme Heinrich, Findelkind genannt,
So grof3es that an mitleidvoller Liebe.
Ich las in seinem Büchlein, drin er selbst
Beschrieb sein Wirken." Und ich bat den Freund
Mir ungefähr zu sagen, wie das war.
Steil aufwärts ging der Wagen, mächtig zogen
Die Rosse, angeeifert,
Durch Ruf und Peitschenknall des Postillons.
Und du erzähltest mir, bequem
Zurückgelehnt in die Kissen,
Mit trunknem Auge auf die Landschaft blickend
Und blaue Wölkchen aus den Lippen hauchend:
"Bin Heinrich Findelkind.
guter Mann hat sich mein erbarmt.
Em
Wohl hat er schon neun Söhne,
Ich solite sein zehnter sein.
- 215 -
Ills wegen Bürgschaft er verdarb
Konnt' er uns nicht mehr nàhren.
Fünf soliten bei ibm bleiben,
Fünf fort zu dienen gehn
Zwei Pilger waliten nach Rom
Und ich zog ihnen nach.
Sie gin gen zum Arlberg
Und kamen zu Jacklein über Rhein.
Der sprach:
Wo wolit ihr mit dem Knaben bin?
Die Pilger dann:
Er karn zu uns ins Feld
Und Jacklein .frug:
Wollt ihr ihn bei mir lassen,
DaB er die Schafe hut?
Sie sprachen drauf:
Was er will, ist uns lieb.
Mich dingte Jackelein,
Ich hütete die Schafe sein.
Ging sonntags zu der Kirche er,
Trug ich sein Schwert ihm hinterher.
Zwei Gulden gab er mir ira Jahr.
Wenn scharfer Winter war,
Fand ich erfroren manchen Mann.
Der bose Arlberg hat's gethan.
Mit Schnee, Lawin' und eisgem Wind.
Mich Heinrich Findelkind
Erbarmte das gar sehr!
Gab fünfzehn Gulden her,
So Jemand woilt' em Herberg bau'n.
Doch keiner hatte Gottvertrau'n.
Ich rief zum Helfer in der Noth,
Christophorus, du starker Mann
Fang Dv mit mir zu retten an!
Den ersten Winter sieben ich fand,
Ich grub sie aus mit eigner Hand.
Dann wurden 's immer mehr,
Trug sie zur Herberg her;
Hab jeden Wandrer angefleht,
Er mdge mir em Scherflein weih'n.
Sanct Christoph jetzt hoch oben steht
Beirn Pilgerhaus von Stein.
Bin Heinrich, nur em Findelkind,
Doch Gottes Weg' barmherzig sind.
- 216 -
So rein, so fein, wie nie im Erdenthal
Wie nur auf Bergeshöh', dem Himmel nah
Umweht uns jetzt die Luft.
altes Kirchlein taucht empor,
Em
Und sieh, vom Thurm herab - gemalt Wie riesig groi3
Grüi3t Sanct Chris tophorus,
Das Christkindlein auf den Schultern tragend.
o Heinrich Findelkind, du guter Knab',
Wir denken dein und deiner matten Arme,
Mit denen du die Sterbenden umschlungen
Und nicht lebendig hättest heimgetragen,
Hätt' nicht das Jesuskindlein dich gestützt.
o welch' em Hauch strdmt aus dem Herzen Gottes!
Wir athmen tief,
Wir athmen lang.
Und Thränen lagen auf der Wimper.-
Wie fein und rein die Luft!
Und als es wieder thalwärts ging
Stand eines fest: nicht in den Tod zu gehn
Bevor em Denkmal dieser Fahrt gesetzt
Im Lied "von der Barmherzigkeit
Sanct Christoph beim Hospiz geweiht."
Franzisca Rheinberger
v. Hoffnaal3.
- 217 -
Bericht über die Gesundheitsverhältnisse
von Josef Rheinberger.
Obgleich seine beiden Eltern din hohes Alter erreichten,
(Der Vater, weicher allerdings in seiner Jugend für brustleidend gait, starb mit 85 Jahren an der Gesichtsrose,die
àusserst schwächlich aussehende Mutter mit 75 Jahren am
Typhus) ist doch em angeerbtes Brustübel in der Familie
unverkennbar, da vier Geschwister in erwachsenem Zustande
daran starben und em anderer noch lebender Bruder mit
vierzig Jahren Blut hustete, nunrnehr aber hergestelit zu
sein scheint.
J. Rh. erkrankre vor zwanzig Jahren im Alter von 23 Jahren
an einer Brustfell (oder Lungen) Entzündung, an weicher
jim Dr. Lotzbeck glücklich behandelte. Da em Exsudat zurückblieb, rieth Dr. Lotzbeck und Prof. von Buhi die Molkenkur in Kreuth zu gebrauchen, weiche seit dieser Zeit
ailjähriich durchge.führt wird. Vor circa 10 Jahren heR
sich J.Rh. von Hofzahnarzt Koch zum erstenmale in seinern
paar Tagen stehlte
sich starker Schmerz am Kiefer em, welcher bei starker
Steigerung die Consultation Dr. Lotzbecks veranlal3te.
Zwei Monate lang wurde der kranke Kiefer behandelt, unter
Leben einen Stockzahn nehmen. Nach em
groJ3en Schmerzen des Patienten, welche seine Kräfte ganz
herunterbrachten. Der behandelnde Arzt mul3te eine Reise
nach Spanien unternehmen und übergab den Patienten an
Dr. Posselt, weicher, da auch am Halse Drüsenschwellungen
sich zeigten, fortwährend warme Cataplasmen gab. Eine Erkrankung Dr. Posselt's und erneute furchtbare Schmerzen
am Kiefer machten dem Patienten groI3e Sehnsucht nach operativer Behandlung wach. Prof. v. Nuf3baum wurde gerufen,
und sein Ausspruch lautete,daJ3 bereits Gefahr auf längern
Verzug sei - und nachdem er sogleich Splitter aus dem
Kiefer gezogen, erklärte er nach zwei Tagen eine theil-
weise Resektion des Unterkiefers an der innern Wandung
vornehmen zu müssen. Er operirte glückhich und schnitt
auch gleichzeitig an der Halsdrüse.
Nach 14 Tagen war der Gefolterte im Stande wieder auszu-
gehn und fühlte sich hergestelit.
Nach nicht langer Zeit zeigte sich an der rechten Brustseite in der Nähe des Schlüsselbeins eine grol3e Beule,
weiche in Eiterung überging, aber wieder heilte.
- 218 -
Inzwischen traten in der Stadt die Blattern auf und
Impfung ward geboten. J.Rh. lieI3 sich gleichzeitig
mit andern bei Prof. Amann impfen. (Dr. Arnann war
seit Jahren mein behandeinder Arzt, sowie auch Prof.
Nuf3baum durch eine glückliche Ovariotomie mir im Jah-
re 1866 das Leben rettete. Dies zur' Erklärung des besonderen Vertrauens in beide Arzte.)
Nach der Impfung zeigte sich keinerlei Unwohisein.
J.Rh. ging nach Kreuth; im selben Herbste begann die
rechte Hand zu schwellen und zwar zwischen dem Zeige-
finger und dem dritten Finger. Man glaubte, es sei
Folge von Uberspielen am Ciavier. Die Geschwulst zwischen den beiden Knöcheln wurde häher und fühlte sich
suizig an, so daB Patient wieder zu NuBbaum in der
Meinung ging, er werde operiren. Es geschah nicht,
sondern es wurde Bleipulver zum Auflegen angeordnet.
Die Geschwulst ging nicht zurück, wurde öfters dem
Arzte gezeigt, weicher die gleiche Behandlung empfahl.
Eines Nachts öffnete sich die Geschwulst von selbst
und viel Eiter kam heraus. Es wurden von Nuf3baum nur
feuchte Umschläge angeordnet und zugleich die feste
Meinung ausgesprochen, daB diese Geschwulst als em
glücklicher AusfluI3, oder Abzug von der kranken Brust,
gleichsam als cm natürliches Fontanelle zu betrachten
sei. Jedes Experimentiren der Hand sei absolut zu verineiden. Die Wunde schiofi sich nicht, oder nur so, daB
darnals (vor 8-9 Jahren) etwa em stecknadeigroBes Loch
stets eiterte.
Der Wunsch sich nach em paar Jahren wieder auf der
Brust von Prof. Buhi untersuchen zu lassen, urn zu erkennen, ob das Exsudat sich ganz aufgesogen, veranlaBte den Patienten hinzugehen und als Prof. Buhi die
kranke Hand sah und Nuf3baurns Ansicht hörte, verwarf
er dieselbe und erklärte das Jodbad Heilbronn für
höchst indicirt. Man gehorchte, aber der dortige Arzt
Dr. yogi warnte vor dern Baden und glaubte, daB Trinken
genüge, sowie Handbäder. Dr. yogi erkärte den Organis-
mus des Patienten für erschüttert im Aligerneinen, in
Folge früher sehr angestrengter, geistiger Thätigkeit,
weicher nicht genug Körperpfiege, Nahrung etc. entgegengestelit worden, und Patient gestand zu, daB er wàhrend
der Studienzeit und auch später sich wenig Rube gegönnt,
- 219 -
und das Essen vernachlässigt habe. Das Jod-Wasser hatte
keinen sichtbaren EinfluJ3. Die Hand blieb offen und Buhi
erachtete im Jahre darauf eine Wiedé.rholung der Kur und
ganze Bader für unerläl3lich. Es geschah - ohne andern
Erfolg, als daIs der Patient em genickkrampfartiges Kopfweh davon trug, weiches ihn eines Nachts zu soicher Raserel brachte, daf3 man den nächsten Arzt holte, Dr. Ludwig
Mayer (+). Dieser erklärte, daB Jod für J.Rh. Gift sei(!),
daB man jetzt nichts thun könne, als durch Morphiuminjektionen die Nerven abzustumpfen, so oft dieser neural gische
Krampf eintrete. Diese Qual dauerte den halben Winter 1874
und lange Zeit währten die Folgen dieses Leidens. Bis zum
Beginn des Jahres 1878 blieb die kranke Hand so ziemlich
im gleichen Stadium. Unter Tags wurde sie meist off en getragen, des Nachts mit einer kalten Wassercompresse unter
Guttapercha bedeckt, und es zeigte sich dann meist Eiter
am Leinenläppchen. Im Februar oder März 1878 schwoll die
Hand stark auf, verursachte groBe Schmerzen, so daB Dr. L.
Mayer gerufen wurde, weicher die Hand ziemlich fest in
kalte Umschläge wickelte. Nach etwa 24 Stunden brach die
Hand zu gräBerer 0 Wunde auf und der Arzt bemerkte, daB
sie em kleines Knochensplitterchen ,," abgestossen hatte.
Er glaubte, daB nunmehr auf definitive Heilung zu hofferi
'sei und fatschte die Hand täglich in einen neuen Verband bis sie volikommen geheilt schien. Es mag Zufall sein,
daB aisbald em furchtbar hef tiger Husten eintrat, welcher
Nuf3baums Auffassung zu rechtfertigen schien. Nach einem
Vierteljahr brach die Hand abermals auf bis zum Beginn
des Jahres 1882, seit weichem Zeitpunkt die Hand fast geschiossen ist, aber oftmals aufschwillt und schmerzt.
Anstelle, wodie Narbe nach Innen zog, erhob - und erhebt
sich Fleisch - so scheint es. Oft sehnt sich der Patient
nach Wiederöffnen der Wunde, aber das Wort Nui3baums:
"Lassen sie nie und Niemand an Ihrer Hand experimentiren"
halt ihn ab, irgend em Mittel zu diesem Zwecke anzuwenden.
Gegenwärtig leidet er an Husten.
Trotz all dieser Leiden kam er mit Ausnahme einiger schwe-
rer Leidensynonate seinem Berufe fortwàhrend nach, obgleich
das Schreiben und das Dirigiren der kranken Hand sehr pein-
lich ist. Das Clavierspiel muBte vernachlassigt werden.
Der treue Freund des Hauses, Prof. Amann, halt den Patienten für strophulös, die Schwerathmigkeit, namentlich
beim Steigen, lal3t an Enphysem denken.
- 220 -
Die Stimine klingt beim Erklären in Proben stark und
präzis; gegenwärtig reizt das deutliche Sprechen zum
Husten, ohne daB die Stimme gleich der von Lungensüchtigen raub oder verschleiert klänge. Dr. Amann versuchte
einmal den Rat zu geber, einen Tropfen Leberthran auf
die Wunde zur Heilung zu geben. Bald darauf schwoll die
Hand stark an und auch Dr. Amann nennt sie jetzt em:
"Noli me tangere".
DaB J.Rh.s Nervensystem gereizt ist, daB die Hände
leicht zittern, wenn er in irgendeiner Erregung etwas
anfaf3t (Feder-Messer), daJ3 er oft an Kopfweh und Schiaflosigkeit leidet, dürfte zur Vervollstàndigung des Leldensbildes gehören. Trotzdem macht er im Ganzen weder
den Eindruck eines schwächlichen, noch eines kränklichen Mannes. Blut wan er nie aus. (8. Mai 1882)
(Franziska Rheinberger)
Der letzte Satz der Darstellung trifft nicht zu. Nach
Rheinbergers eigener Aussage hat er es fertiggebracht,
dieses Symptom vor seiner Frau stets zu verheimlichen.
- 221 -
ANMERKUNGEN
Die Anmerkungen sind nach Seitenzahlen (S.) und Schriftzeilen (Z.) geordnet. Wiederholungen im Text bleiben in der Regel unberücksichtigt.
- 223 -
S.
liz.
2f.:
. . .die sieben Raben =
Oper von Josef Rhein-
berger.
Curt = Fanny Rheinbergers Kosename für ihren
Gatten Josef.
Prof.v.Schafhäutl = Dr.phil.Dr.med. Karl
Franz Emil von Schafhäutl (1803-1890),
Freund und Mentor Rheinbergers (vgl. Band I).
Wüllner = Franz Wüllner (1832-1902), Dingent der königlichen Hofvokalkapelle und
Lehrer an der Kgl. Musikschule in München.
Stehie = Sophie Stehle, Sängerin
Z. 10:
Z. 14:
. . .sein Tui subt coeli = op. 69 Nr. 2
Thürmers Töchterleiri = Oper von Josef Rheinberger
Z. 17:
Franz von Holstein = (1826-1878), Komponist,
lebte in Leipzig. Er und seine Gattin Hedwig waren mit dem Ehepaar Rheinberger befreundet.
Z. 33f:
. . Ihrem "Erben von Morley" = Open von
Franz von Holstein
Z. 34:
"Genoveva" = Open von Robert Schumann
z. 37:
. . .kommt em
tückischer Freiherr = Sophie
Stehle vezmählte sich am 28.2.1874 mit dem
kgl. preuss. Kammerherrn Gustav Frhr. von
Knigge.
2/Z.
8:
Chor- und Soloballade = "Toggenburg".
Em Romanzenzyklus von Fanny von Hoffnaass, für Soli, Chor und Pianofortebegleitung, op. 76.
Z.
12f: . . . em bezopfter = Diese Bemerkung zielt
auf den als Parteigänger Liszts und Wagners bekannten Dramarurgen Hermann Zopff
(1826-1 883), der seit 1868 die "Neue
Zeitschnift für Musik" herausgab. (Vgl.
Th.Kroyer "Joseph Rheinbergenl?, Regensburg 1916, 5. 120. Kroyer gibt dort den
.
S.
- 224 -
zitierten Brief Rheinbergers wieder, der
zuvor als "Eine unbekannte Persiflage
Jos. Rheinbergers auf die Zukunftsrnusik"
in "Die Wahrheit", Heft 5, Jg. 50, Leutkirch 1906, veröffentlicht worden war.)
S.
7/z.
2:
..
.höchst betrübten Börsenzustände = In
Qesterreich begann 1874 der Zusamrnenbruch
der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem
S.
8/Z. 13:
Z. 16:
Z. 17:
Z. 32:
S.
grossen Aufschwung während der sogenannten
Gründerperi ode.
. . . das Frauenterzett = "Toggenburg", op.
76 Nr. 5: "Sie liegt irn Moos..."
.. .die Aufführung seines Töchterlein =
"Thürmers Töchterlein" (vgi. S.1).
An den guten Schwiegervater in Vaduz =
Johann Peter Rheinberger (1 789-1874)
Fri. Menter (juniora) = Sophie Menter,
verb. Popper (1846-1918), Pianistin, Schülerin von Tausig, Bülow und Liszt.
Z. 33:
Ciavierguarttt = Quartett in Es-dur für
Z. 34:
.. .die lieben Waichen-See-Lieder = "Am
Pianoforte, Violine, Bratsche und Violoncello, op. 38, komponiert 1870.
Waichensee". Acht Lieder für gemischten
Chor a capella nach Gedichten von Carl
Lemcke, op. 63, komponiert 1872.
9/Z. 19: Wallensteinsinfonie = "Wall enstein" Sinfonisches Tongemälde in d-rnoll für grosses
Orchester, op. 10.
Z. 24f: . . . einen Chor zu Reinick 's "Feuriger Liebe" = "Feurige Liebe" für vierstimmigen
Mannerchor, WoO 42 (unveröffentlicht).
Z. 27f: Robert Reinick's "Künstlergruss an die Frauen" = Nr. 2 im Liederzyklus "Aus dem Sangerleben" op. 85, 7 Lieder.und Gesänge für vierstimrnigen Männerchor.
S
lO/Z.
3f:
Violinsonate-Soflate Nr. 1 in Es-dur für
Violine und Klavier, op. 77.
- 225 -
Duo = Duo in a-moll für zwei Klaviere, op.
15; Quartett = Klavierquartett in Es-dur,
Z. 33:
S. 1hZ.
4:
Z. 35:
S. 13/Z. 15:
Z. 20f:
S. 14/Z.
5:
Z. 21f:
Z. 26:
op. 38.
. .die armen Schaaner = In der Nacht vom
15. auf den 16. Februar 1874 brannte in
.
Schaan der Dorfteil Specki bei starkem Föhn
fast vollständig nieder. Em Hilfskomitee
unterstütze durch eine Sammlung von Geld und
Naturalien die Brandgeschädigten.
der guten Tante = Rh's Tante war Pfarrköchin
in Schaan, wo das Pfarrhaus in unmittelbarer
Nähe der Brandstätte stand.
Vaduzer Orgel = Nach zweijähriger Bauzeit
war die von Rheinberger disponierte Orgel
für die neue Pfarrkirche in Vaduz fertig
geworden (vgl. Band IV, S.7Off.).
Herrn Landesverweser = Karl Haus von Hausen
(1823-1889), Landesverweser in Vaduz von
1861-1884.
Hr. Briem = Wunibald Briem (1841-1 912), Komponist und Organist, war Schüler Phihipp
Schmutzers in Feldkirch und Josef Rheinbergers in München.
. . schon 1856 componirten Messe = Messe in
D-dur für 4 Singstimmen und Orgel (JWV 71),
in Rh's Thematischan Catalog als "Landmesse
in D-dur. .." bezeichnet. Das Manuskript dieses Jugendwerkes galt lange als verschollen,
bis es am 10.10.1975 im Archiv des Kirchenchors Vaduz wieder aufgefunden wurde.
Gutachten über die neue Orgel = Dieses Gutachten Rheinbergers scheint verloren zu sein.
Ouvertüre zur Zähmung der Widerspänstigen =
op. 18
em
Quintett = Streichguintett in a-moll,
op. 82.
S. 15/Z. 23:
Ambros aus Wien = August Wilhelm Ambros
(1816-1876), Jurist, Musikhistoriker und
-kritiker, Komponist, wurde 1872 nach Wie,n
- 226 -
Z. 23:
Z. 27:
an das Justizininisterium und gleichzeitig
als Lehrer an das dortige Konservatoriuin
berufen.
. .sein Streichquintett für 200 Thlr. verkauft = an den Musikverlag Rob. Forberg in
Leipzig. Das Streichquartett ist Dr. A.W.von
Zimbros in Wien gewidmet.
Regina coeli = aus "Drei lateinische Hymnen"
für dreistimmigen Frauenchor und Orgel, op.
.
96.
S. 16/Z.
7:
Z.
9:
S. 19/Z. 13f:
S. 24/Z. 22:
Kreuth = Wildbad Kreuth
eine Sinfonie für Florenz = Sinfonie in Fdur für grosses Orchester, op. 87 ("Florentiner Sinfonie").
...die VaduzerKirchenfahne = Josef und Fanny Rheinberger hatten 1873 für die neue Pfarrkirche in Vaduz eine Kirchenfahne gestiftet
(vgl. Mitteilung in: Liechtensteiner Wochenzeitung, Nr. 35, voln 19.9.1873, S. 138).
Der "wunderthätige Magus" = Rheinbergers
Schauspielmusik zu Calderons Schauspiel
"Der wundertätige Magus", op. 30, komponiert
1865.
S. 25/Z. 21:
"Kapuziner-Predigt" = Im 3. Satz ("Wallen-
stems Lager") der
Z. 39:
S. 26/Z. 20:
S. 27/Z.
4:
Z.
5:
Wallenstein-Sinfonie,
op. 10, von Rheinberger vertritt die "Kapuziner-Predigt" das Trio des Scherzo.
Bibliothekar Julius Mayer = Julius Josef
Maier (1821-1889), Lehrer an der Kgl. Musikschule in München und Konservator der
Musikabteilung der Kgl. Bibliothek.
Hiller = Ferdinand von Hiller (1811-1885),
Pianist und Komponist, leitete als Dirigent
die Gürzenich-Konzerte in Köln.
Ihre "Wasserfee" = "Die Wasserfee", für vier
Sin gstimmen oder kleinen gem. Chor und Pianoforte, op. 21.
Konzert der Vokalkapelle = Soirée der kgl.
Vokalkapelle im "Odeon" am 24.11 .1874.
- 227 -
S.
S.
30/Z. 32:
35/Z.
4:
Handel 's Jubilate = ". . .Andererseits steht
eine 'Bearbeitung', wie sie Robert Franz
am Utrechter Jubilate vorgenommen hat, auf
derselben Stufe wie Elgars ... 'Retusche'
eines Chandos-Anthems; beide haben den Geist
des Originals gänzlich missverstanden."
(P.H.Lang - "Georg Fri edrich Handel", Basel
1979, S. 207)
meinen Freund Glötzle = Kunstmaler Ludwig
Glötzle in München; er war Mitqlied des
Ora tori envereins.
Z. 15:
S.
37/Z. 30:
S.
40/Z. 24:
S.
4hz. l6f:
S.
4hz. 23:
Z. 24:
... und Gades von Copenhagen = Niels Wilhelm
Gade (1817-1890), dänischer Komponist
... Sebastian Pöhly seine III. Orgelsonate =
Die Widmung auf dn Titelblatt der "PastoralSonate" in G-dur, op. 88, lautet: "Seinern
einstigen Lehrer HERRPJ S. POHLY gewidmet".
Suplent = recte: Supplent, österr. fir Hilfslehrer
tberschwemmungen in Liechtenstein = Trotz
der in der 2. Haute des 19. Jahrhunderts
begonnenen Flusskorrektion bedeutete der
Rhein bei Hochwasser immer noch eine Gefahr
für die Talebene.
Julius Meier = recte: Maier (vgl. S. 25/Z.39)
Schafhäutel = recte Schafhäutl (vgl. S. 1/
Z. 5)
S.
S.
S.
S.
42/Z. l4f: eines Ihrer Bücher = Rheinberger hat nie em
Buch veröffentlicht (vgl. S. 108).
43/Z. 14: Rheinbergers Wiener Stehflügel = Das Instrument ist heute Eigen turn der Stiftung Rheinberger in Vaduz (vgl. Band I, S. 29/Z. 42).
Z. 32: das Requiem = Requiem in Es-dur für vierstimmigen Chor, op. 84.
44/Z. l6f: die Toggenburg-Ballade = "Toggenburg". Em
Romanzenzyklus von F.v.Hoffnass, für Sohi,
Chor und Pianofortebegleitung, op. 76.
46/Z. 30:
Wa.11ensteins Lager = 3. Satz der WahlensteinSinfonie, op. 10.
- 228 -
S.
47/Z. 9f:
. . . your
husband 's Syraphonie = Slnfonie in
F-dur für grosses Orchester ("Florentiner"),
op. 87.
Z.16f:
August Manns = Sir August Manns (1825-1907),
Dirigent pommerscher Abstammung, leitete
1855-1901 die Saturday Concerts des Chrystal
Z.18:
Dr. Wyide = Henry Wylde (1822-1890), begründete 1852 die New Philharmonic Society; Dingent, Komponist und Musiktheoretiker.
die Angelegenheit mit dem österreichischen
Geld = 1876 solite in Liechtenstein anstelle der Silberwährung die Goldwährung eingeführt werden. Dies führte zu einer Unzufriedenheit im iiechtensteiner Unterland, das dadurch beim Handel im nahen Oesterreich benachteiligt gewesen ware. In einem Marsch vor das
Regierungsgebäude erreichten sie die Auflösung
des Panlamentes.
regiere nicht so scharf = Rheinbergers Bruder
David war Regierungssekretär in Vaduz.
. . .seines Haideschachtes = "Der Haideschacht",
Oper von Franz von Holstein.
Gnieg = Edvard (Hagerup) Grieg (1843-1907),
norwegischer Komponist.
Treiber spielte Rheinbergers Klavierkonzert
in As-dun, op. 94, am 6. November 1876 im
"Euterpe"-Konzert in Leipzig.
das Vokairequiem = Requiem in Es-dur, op. 84
Paradies und Pen = Oratorium von Robert Schumann
.. . sein Opus 100 = "Fahrende Schüler". Sieben
Lieder für 4 Männerstimmen, Text von Fanny von
Hoffnaass.
Geldwirren in Liechtenstein = s. S. 48/Z.28f.
C.K. 1877 = Caecihien-Kalender 1877. Redigirt
zum Besten den kirchlichen Musikschule von
Franz Xaver Habenl. Den Kalender enschien in
Regensburg von 1876-1882.
Palace.
S.
48/Z.28f:
S.
49/Z. if:
S.
50/Z.18:
S.
53/Z. 2:
S.
54/Z.31f:
S.
60/Z.15:
S.
6hZ. 4:
S.
66/Z.
S.
67/Z.22:
78/Z.13:
S.
7:
- 229 -
S.
80/Z.12f:
S.
Z.13:
91/Z.31f:
S. 108/Z.25f:
S. 115/Z.33:
So soilte er Vaduz ausbauen = Es bestanden
Plane, das Schloss Vaduz umzubauen. Der Urnbau im Sinne einer durchgreifenden Wiederherstellung erfolgte erst in den Jahren
1905-1912.
Herr von Hausen = vgl. S. 1l/Z.35
. . .seinen dicken, schwarzen Liebling =
Rheinbergers Hund Scarlatti (Scarli).
CHERUBINI. MEMORIALS ILLUSTRATIVE OF HIS
LIVE by Edward Bellasis... = Rheinbergers
Uebersetzung dieses Werkes erschien, ergänzt von Hans-Josef Irmen, 1972 im Gustav
Bosse Verlag, Regensburg.
Hohenembs = Die vorarlbergische Ortschaft
Hohenems besass bis 1938 eine grosse Judengemeinde mit Synagoge und einem eigenen
Fri edhof.
S. 116/Z.17f:
S. 117/Z.l2:
Z.38:
.
. . wenn die Schlosswirtschaft aufhörte =
Nachdem schon früher eine Art Ausschank bestanden hatte, war von 1856-1896 in einigen
Räurnen des Schiosses Vaduz eine Gastwirtschaft eingerichtet.
Herr Prof. Dr. Herzog = Johann Georg Herzog
(1822-1909) war bis 1854 Rheinbergers Orgellehrer. (Vgl. Band I, S. 59ff.)
. . .aus Ihrern op. 74 = "In derZechstube".
5 heitere Gesa.nge für vier Männerstirnznen.
S. 118/Z.11:
Z.19:
S. 119/Z.32:
Beethovens op. 57 = Kiaviersonate f-rnoll
.. .Ihr op. 8 = "Waldmärchen". Konzertskizze
für Pianoforte.
Gutenberg und die Mädchen dort = Unterhaib
der Burgruine Gutenberg bei Balzers hess
Fürstin Franziska von Liechtenstein 18541858 em Gebäude - das sog. Untere Schloss errichten, in weichem 1873 em Pensionat
für Töchter aus häheren Beamtenfarnilien
Platz fand. Unter der Leitung von "Schwestern der christlichen Liebe" bestand dieses Mädcheninstitut bis 1920.
- 230 -
Z.34:
S. 122/Z.10:
S. 129/Z.23:
...ein Werk Curt's = "Das Töchterlein des
Jairus". Cantate für Kinder mit Kiavierbegleitung, op. 32
"Humperdinck nimmt an der Stunde teil" =
Vgl. Hans-Josef Irmen "Engelbert Hwnperdinck als Kompositionsschüler Josef Rheinbergers", Band 1 + 2, Vaduz und Köln 1974.
die Beilage (der liechtenst. Zeitung) Schloss
"Fad-uz" = Von 1879-1881 erschien als Beilage
zum "Liechtensteiner Volksblatt" das von
Rheinberger genannte "Schloss (von) Faduz",
das der Verfasser Johann Franz Fetz 1882 als
"Leitfaden zur Geschichte des Fürstenthums
Liechtenstein" in Buchform veräffentlichte.
Fetz setzt sich da.rin für die Schreibweise
"Faduz" anstelle von "Vaduz" em, was allerdings wenig Anklang bei der Bevölkerung
fand.
S. 130/Z.20:
S. 136/Z.26:
S. 139/Z.15:
das Palais Schiegel =Der Fürstl. Landesphysikus Dr. Wolhelm Schlegel erbaute siOh an
der Landstrasse in Vaduz em herrschaft1iches Wohnhaus (heute Landstrasse 25), was
damals im noch ländlichen Ort als kleine Sensation empfunden wurde.
Herrn Landesverweser und Hr. Hofcaplan Fetz =
Karl Haus von Hausen. - Hofkaplan Fetz war
Rheinbergers Lehrer in Vaduz. "Vom Herbste
1850 bis 51 erhielt er (Rheinberger) bei mir
einigen Unterricht..." (vgl. Band I, S. 27f.
Frau Nagiller = Gattin des Tiroler Komponisten Matthäus Nagiller (1815-1874), den
Rheinberger in Feldkirch kennengelernt hatte.
Z.36:
5. l40/Z. 5f:
op. 41 = "Zeiten und Stimmungen" Sieben Lieder un Gesänge für Mezzosopran un Klavier.
Stammsitz unserer Urahnen = "Der Name Rheinberger kommt von dem ursprünglichen Wohnsitz
der Familie, dem 'Rinberg', einem Waldvorsprung ästlich von Rankweil" (Vorarlberg).
(Rudolf Rheinberger "Einiges über Vorfahren
- 231 -
und Abstammung Joseph Rheinbergers" in:
"Joseph Rheinberger / Gedenkschrift zu
seinem 100. Geburtstag am 17. März 1939"
Hrsg. von Hans Walter Kaufmann, Vaduz 1940,
Z.15:
Z.19:
Z.25:
Z.32f:
S. 14hz. 8:
Z. 10:
S. 142/Z.27:
S. 145/Z.31:
Z.39:
S. 147/Z.18f:
S. 29.
. . .am St. Davidstage = 30. Dezember
Puncto Gutenberg... = vgl. S. 119/Z.32.
em
Sagenbuch über Liechtenstein = "Die Sagen Vorarlbergs" von Franz Josef Vonbun, unter denen sich auch einige Beiträge aus dem
benachbarten Fürstentum Liechtenstein befinden, waren 1858 erschienen.
Jugend- u. Kinderzeit in Feldkirch = vgl.
Band I, S. 37ff.
em
neues Trio = Klaviertrio Nr. 3 in B-dur,
op. 121, kcznponiert Nov./Dez. 1880.
unser Toggenburg = "Toggenburg". Em Romanzenzyklus für Sohi, Chor und Pianofortebegleitung, op. 76.
Prof. Stockhausen = Julius Stockhausen
(1826-1906), Dirigent, hochgeschätzter
Sänger (Bariton) und Gesangpädagoge.
. . .in Deiner Prof. Schafhäuth dedicirten
Messe = Rheinberger hat seinem Freund und
Mentor zwei Messen gewidmet: die Messe in
d-mohl für 4 Singstirnmen und Orchester
(JWV 2), komponiert 1853, und die Missa
brevis in d-moll für vierstimmigen Chor
a cap., op. 83, komponiert 1860/61, umgearbeitet 1869. Letztere meint Herzog in
seinem Brief.
die 4stim. Motette zum 21. Psalm = Motette
"Herr, in deiner Kraft erfreuet sich der
König" (JWV 142), komponiert 1864, gleichzeitig mit den Motetten op. 40.
die drei bösen "Fazi" = Pankraz (12. Mai),
Servaz (13. Mai) und Bonifaz (14. Mai) gelten als die drei "Eisheiligen", an dessen
Tagen sich gerne kühles Wetter einstellt.
- 232 -
Z.20:
...aus dem Fetz'schen Moniteur = Ratgeber;
gemeint ist bier das "Liechtensteiner Vo1kshiatt", das 1881 im 3. Jahrgang erschien und
dessen Redaktor Hofkaplan Johann Franz Fetz
war.
S. 148/Z. 2:
S. 151/Z.ilf:
Z.21f:
Z.23:
S. 152/Z.18f:
S. 155/Z.18:
Z.29:
S. 156/Z.19:
Z.27:
S. 157/Z.l2:
S. 158/Z.23:
wie steht es mit der Eisenbahn = Der Plan,
die von Feldkirch über Nendein und Schaan
laufende Eisenbahnlinie über Vaduz nach dem
schweizerischen Sargans weiterzuführen, wurde nie verwirklicht.
M. Hauptmann's Briefwechsel an Franz Hauser =
recte: Moritz Hauptmanns Briefe an Franz Hauser (hrsg. von A. Schöne, 2 Bände, 1871).
die a-moll Sonate = 4. Orgelsonate, op. 98
die Pastoral-Sonate = 3. Orgelsonate in
G-dur, op. 88
Christoforus = Oratorium für Soli, Chor und
Orchester, Text von Fanny von Hoffnaass,
op. 120. (Vgl. Anhang: Fanny Rheinberger
"Wagenfahrt über den Arlberg".)
die vierstimmige D-moll Messe. = op. 83,
erschienen 1874 bei Musikveriag Rob.Forberg
in Leipzig.
Ihre "Widerspenstige" = Ouvertüre zu Shakespeares "Zähmung der Widerspenstigen" für
grosses Orchester, op. 18
das "Würgeri" = scherzhaft für Schlips, Krawatte
im rothen Hause = Das raittelalterliche "Rote Haus" in Vaduz ist seit 1807 im Besitz
der Familie Rheinberger.
iyrisches
.. . unseren Maitag = "Maitag". Em
Intermezzo von fünf dreistimmigen Frauenchören mit Kiavierbegleitung. Text Fanny
von Hoffnaass. Op. 64.
. . .Deiner neuen herrlichen Orgelsonate =
6. Orgelsonate in es-moll, op. 119, komponiert in der Pfingstwoche 1880.
- 233 -
Z.25:
paar Adagios für Violine und Orgel =
Es ist mdglich, dass Rheinberger durch diesen Passus angeregt wurde, die Sechs Stücke
für Violine und Orgel, op. 150, und die SuiEm
te für Violine und Orgel, op. 166, zu schrei-
ben.
S. 161/Z.23:
S. 163/Z. 7:
Z.23:
S. 164/Z.21:
. . .meines C moil-Quartetts = op. 89
B-dur Trio = Klaviertrio Nr. 3, op. 121
zu Nussbaum = Prof. Dr. Johann Nepomuk (von)
Nussbaum, Rheinbergers Hausarzt.
Männerchöre "Aus Westfalen" = "Aus Westfalen"
7 Gesänge für vierstimmigen Männerchor a. cap.
op. 130.
5. 165/Z.31f: den ersten Theil Deiner Notizen über unsern
unvergesslichen Vater = s. Band I, Seiten
S. 166/Z.12:
1 - 25.
"Scherz, List und Rache" = Koznische Oper in
4 Akten nach J.W.von Goethe, komponiert 1854
(JWV 28).
S. 169/Z.29f:
S. i70/Z.17:
.
. .ini Land Liechtenstein regierst = vgi.
S. 49/Z. if.
. . wer in Vaduz Pfarrer wird = Am 6. Dezember
1882 war der erste Pfarrer von Vaduz (vgi.
.
Band IV, S. 16i/Z. 5f.), Joseph Erny, gestorben. Sein Nachfoiger wurde Johann Baptist
Büchei d.Ae. (1824-1907).
S.
Z.23:
der Frau des Urias wegen = 2. Sam. 11,1-27.
S. 173/Z.32:
Clärchen auf Eberstein = Bailade für Soli,
und Chor mit Klavierbegieitung (Gedicht von
Fanny von Hoffnaass nach einer Rheinsage von
Karl Simrock), op. 97, komponiert 1876, Orchesterfassung 1877.
Z.34f: . . .einer kleinen Vorariberger Sage aus Deinn Vonbun = s. S.140/Z.25
S. 174/Z. 8f: Wagnertrauerfeieriichkeiten = Richard Wagner
war am 13. Februar 1883 in Venedig gestorben.
S. 176/Z. 1: Ihres op 134 = Oster-Hymnen ("Victimae paschalis" und "Terra tremuit") zu zwei Chö-
ren a cap.
- 234 -
Z.
6:
Z.11:
S. 177/Z. 5:
S. 181/Z.21:
S. 185/Z.18:
S. 187/Z.23:
S. 188/Z.12:
S. 193/Z.16:
S. 199/Z.24:
S. 200/Z.2l:
Ihre 8-stimmige Messe = "Cantus missae" in
Es-dur, op. 109
"Abendgesang "Bleib bei uns" = op. 69 Nr. 3
S. de Lange = Samuel de Lange (1840-1911),
Organist, leitete 1877-1885 u.a. den Gürzenichchor in Köin.
Meine Bearbeitung der Bach 'schen (Goldberg)
Variationen = 1883 hatte Rheinberger die
Goldberg-Variationen von Johann Sebastian
Bach für zwei Kiaviere eingerichtet, urn
"Musiker und Musikfreunde mit diesen Schatze
echter Hausmusik bekannt und vertraut zu machen" (Rheinberger), nachdem im 19. Jahrhundert keine Cembali mehr gebaut wurden. Rheinbergers Bearbeitung erschien noch im selben
Jahr bei Kistner & Siegel in Leipzig und wurde 1915 in einer von Max Reger revidierten
Ausgabe neu aufgelegt.
die Sonate = 3. Kiaviersonate in Es-dur,
op. 135. .Das Scherzo (2. Satz) erschien in
einer separaten Ausgabe.
eine grosse Kiavierfuge = Praeludium und Fuge
(h-moll/H-dur) zum Konzertvortrag für Pianoforte, op. 33.
Herrn Woifrum = Philipp Woifrum (1854-1919)
wurde 1884 Professor an der Universität in
Heidelberg. Er wirkte auch ais Komponist und
Dirigent. Seine Promotionsschrift "Die Entstehung und erste Entwicklung des deutschen
evangelischen Kirchenhiedes in musikalischer
Beziehung" erschien 1890 in Leipzig.
op. 124 = "Waldblurnen". Acht Lieder für gemischten Chor a cap. Texte von F.S.Muth.
. . .die Veränderungen in Vaduz = Karl Haus
von Hausen hatte aus gesundheitlichen Gründen ais Landesverweser danissioniert. Am
23. September 1884 trat Karl von In der Maur
(1852-1913) aus Wien dieses Amt an.
"Das Thai des Espingo" = Bahiade für Mannerchor und Orchester, op. 50.