PDF - nrw sports

Transcription

PDF - nrw sports
Editorial
Hängepartien
und Höhenflüge
Eine Hängepartie bezeichnet eine Schachpartie, die abgebrochen wurde, um zu einem späteren Zeitpunkt
fortgesetzt zu werden. Beim Abbrechen einer Partie notiert der Spieler, der am Zug ist, seinen nächsten Zug
verbindlich auf seinem Partieformular. Beide Partieformulare werden in einen Umschlag gesteckt. Auf dem
Umschlag werden Stellung, Namen der Spieler, verbrauchte Bedenkzeiten, eventuelles Remisangebot, welcher
Spieler am wievielten Zug ist sowie Zeitpunkt und Ort der Wiederaufnahme der Partie notiert. Bei Wiederaufnahme der Partie muss der Spieler, der am Zug ist, genau den Zug ausführen, den er notiert hatte. So soll
verhindert werden, dass einer der beiden Spieler einen zeitlichen Vorteil erhält.(aus Wikipedia – Die freie
Enzyklopädie)
Deutschland bestaunt das Ende einer politischen Hängepartie – weißer Rauch in Berlin. Endlich haben
wir im Bundestag eine grandiose regierungsfähige Mehrheit. Unser „Sie glauben doch nicht im Ernst, Frau
Merkel, dass Sie in der Lage sind, Deutschland zu regieren“ Kanzler Gerd hat Flasche leer und Thron
verlassen. „Deutsche-land wird nun vier Jahre von einem Mädchen regiert. Angela, die Erste. Mit einer rotschwarzen Mannschaft steil aufwärts? Hoffentlich!
Ein anderes rot-schwarzes Unternehmen konnte zum gleichen Zeitpunkt das Ende einer sportlichen Hängepartie verkünden – Rudi und Rest-Bayer haben einen neuen Trainer. Michael
Skibbe (40) Ex-Schalke-Profi, Ex-BVB-Trainer und Ex-DFBTrainer beendete damit seine eigene Hängepartie und setzt nun
nach fünfjähriger Bundesliga-Abstinenz und dem zwischenzeitlichen Gewinn der Vize-Weltmeisterschaft zu einem weiteren
sportlichen Höhenflug an. Er soll den angeschlagenen Spitzenclub wieder in die Nähe des jahrelang erfolgreich verteidigten
zweiten Tabellenplatzes führen. Wenn auch nur dritte oder vierte Wahl, befindet er sich damit wohl
in bester Gesellschaft. Auch Grinsi-Klinsi wurde 2004 nach reihenweisen Absagen gestandener Trainer-Koryphäen und einer DFB-Dauer-Krise von einem Touristen zufällig in einer Florida-Beachbar
entdeckt. Er übernahm trotz neunter oder zehnter Wahl das Szepter der DFB-Auswahl und führte
fortan das Aushängeschild der deutschen Soccer-Gemeinde per Handy vom amerikanischen Strand
aus zu ungeahnten Erfolgen. Jüngst gipfelten diese in einem sensationellen Erfolg über die Fußball-Weltmacht China. Unser aller schwarz-rot-goldenes Land hat trotz dramatisch fortschreitender
Vergreisung und rasant rückgängiger Bevölkerungszahl ein 1,5 Milliarden-Volk geschlagen!!! Ein
sportliches Volk, das 2008 bei seinem Olympia-Heimspiel die Medaillenränge weitgehend unter
sich ausmachen wird.
Fußball-Deutschland also im Aufwind – der vierte WM-Titel in den nächsten drei Jahrzehnten
in greifbarer Nähe und selbst unser Super-Champions- und Bundesliga-Rekord-Titel-Sammler
Otmar H. beendet seine selbst auferlegte Hängepartie und wird pünktlich nach der WM 2006
mit seinem neuen Club wieder nach den Titel-Sternen greifen. Hitzfeld für Fortuna Düsseldorf
und in spätestens vier Jahren könnte man in der jetzt noch städtisch subventionierten LTUarena
den eigenen Champions League-Sieger präsentieren und damit auch zur finanziellen Gesundung
der größten „Fußball-Halle“ Europas beitragen. Die Überzeugungsarbeit für dieses ehrgeizige,
aber machbare Projekt könnte Big Boss und Fortuna-Aufsichtsratmitglied Reiner „Calli“ mit
seiner alles niederwalzenden rheinischen Überredungskunst mit „Leichtigkeit“ durchführen.
Wenn es mit unserem Land aufwärts gehen soll, warum nicht dann auch mit dem am tiefsten gesunkenen aller ehemaligen Dauer-Bundesliga-Clubs? Steinbrück und Fortuna - ehemals
Düsseldorfer Nachbarn. Beide in den nächsten Jahren auf Höhenflügen.
Das wär`s doch.
Ihr
Henry Sprenger
Herausgeber nrw sports
3
Inhalt
8
Inhalt
37
3
8
16
18
20
22
24
26
28
70
73
78
4
32
37
38
40
42
44
46
48
50
52
54
55
56
58
60
64
68
70
73
76
78
83
86
90
Editorial - Hängepartien und Höhenflüge
Eishockey-Special
Eishockey in NRW
Duisburger Füchse
Kölner Haie
Iserlohn Roosters
Krefeld Pinguine
DEG Metro Stars
Magic Moments
Ausverkauft!?
Fußball-Special
Fußball - Unsere NRW-Vereine - 1. Bundesliga
Die glorreichen Sieben - Teil 1 - die Spielmacher
Bayer 04 Leverkusen - Bernd Schneider
Borussia Mönchengladbach - Thomas Broich
1. FC Köln - Sebastian Schindzielorz
FC Schalke 04 - Lincoln (Cassio de Souza Soares)
BVB Borussia Dortmund - Thomas Rosicky
Arminia Bielefeld - Massimilian Porcello
MSV Duisburg - Ivica Grilic
Titelchancen auf der Zugspitze
Festspiele in Königsblau
„Alm-Rollis“ als Arminias Aushängeschild
„Endlich passiert mal was in Duisburg“
Club Bayer 04 - Ein Feuerwerk an Leistungen
Rote Teufel und Berner Helden
200.000 Fußball-Verückte in Maracana
Die Zerschlagung des „nordischen Knoten“
TuSEM aus der Asche
Beach-Volleyball - Strandgut
Tour de France - Verlorene Siege
Rugby - Ohne Leinenzwang und Maulkorb
Marathon in NRW - „Suche Startnummer, biete Ehefrau“
Termine - Was ist los in NRW
Vorschau und Impressum
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Eishockey macht süchtig
Die traditionelle Hochburg des deutschen Eishockeys mag Bayern sein, doch das Herz schlägt eindeutig im Rheinland. Nirgendwo in der Republik hat
die „Droge Eishockey“ (so der Titel eines bekannten
Buches von Günter Klein) ein größeres Suchtpotenzial entfaltet als in Düsseldorf und Köln. Jeweils acht
Meisterschaften feierten die rheinischen Rivalen bislang, auch die Krefelder Anhänger bekamen ihre Dosis
in Form des sensationellen Titelgewinns vor 2 ½ Jahren
und ebenso gehören das Ruhrgebiet und das Sauerland
zur Geschichte des Kufenflitzersports in NRW. Unvergessene Superstars und legendäre Trainer,
grandiose Meisterschaften und große Siege,
bittere Pleiten und furchtbare Enttäuschungen, schlimme Skandale und anrüchige Affären - der Stoff, aus dem die Träume und
manchmal auch die Albträume sind, ist von
allerbester Qualität und berauscht die Fans
seit Jahrzehnten.
Die 60er: Heja, heja DEG!
“Titel, Tränen und Triumphe“ – treffender hätte
der Leitspruch für die Saison 2005/06 bei den DEG
Metro Stars nicht lauten können. Der Erfolgsklub
verabschiedet sich in dieser Spielzeit von einem
Markenzeichen, von seinem Symbol: dem Eisstadion an der Brehmstraße. Diese Adresse ist viel
mehr als bloße Ortsbezeichnung für die erste, 1935
erbaute, Eisarena Westdeutschlands. Brehmstraße,
das bedeutet Wunderkerzenmeere am Freitagabend, schlotternde Knie bei Gegnern und Schiedsrichtern, Ohrwürmer von unzähligen Fangesängen
und Schlachtrufen. Das Wort riecht nach verschüttetem Bier und umher wabernden Bratwurstdüften,
schmeckt nach dem Schampus, den wildgewordene
Meisterspieler bei jedem Titelgewinn flaschenweise
auf den eigenen Trikots und den Anzügen ihrer Trainer versprühten, das klingt wie „Heja, heja, DEG!“
und gellende Pfeifkonzerte aus über 10 000 Zuschauerkehlen, das fühlt sich an wie die Gänsehaut bei der
ersten Liebe.
Faszination Brehmstraße: Es brauchte nicht lange nach Einführung der Bundesliga 1958, dass sich
dieses mittlerweile marode Stadion zur Kultstätte der
deutschen Puckjäger entwickelte. Als Prügelknabe
starteten die Rot-Gelben damals ins Oberhaus, wurde im Gründungsjahr der Bundesliga gar 20:1 vom EV Füssen
abgeschossen: Abstieg direkt im ersten Jahr. Doch die schönsten
Geschichten fangen unten an. In der Saison 1965/66 war die DEG
wieder da, 1967 Meister mit Trainer Hans Rampf, Torwart Rainer
Gossmann, Otto Schneitberger, Sepp Reif – und den Fans. In allen
fünf Endrundenpartien meldete der Schatzmeister „Ausverkauft“
für die damals noch unbedachte Arena. 10 500 Zuschauer peitschten
die Rot-Gelben zum Titel. Eintrittskarten für die Brehmstraße waren
bis weit in die 90er Jahre in Düsseldorf ungefähr so begehrt wie ein
12
Sechser im Lotto. Und auch das „wilde Campieren“ auf dem Brehmstraßen-Trottoir vor dem Kassenhäuschen hatte gute Tradition. Liegestuhl, Kartenspiel, Heizofen und ganz wichtig, Mütze, Schal und
Handschuhe gehörten zur Standardausrüstung, wenn man sich nachts
(!) in die meterlangen Schlangen vor dem am nächsten Morgen öffnenden Ticketkabuff einreihte, um noch eine Karte zu ergattern. Das
„beste Publikum der Welt“ feierte mit seinen Kufenstars noch zwei
weitere Meisterschaften (1972 und 1975), ehe eine lange Durststrecke
und nur wenige Kilometer südlich der rasante Aufstieg der zweiten
westlichen Großmacht begann: der Kölner Haien.
Die 70er: Der „goldene Westen“
Die Domstädter, die 1973 den Sprung in die Bundesliga schafften, erwiesen sich als genauso ehrgeiziger Emporkömmling wie die Nachbarn von der anderen Rheinseite. Und die Geschichte der beiden Lieblingsfeinde kann
man ohnehin nicht getrennt voneinander erzählen. Es ist
die Geschichte zweier neureicher Klubs, die dem alten
Eishockey-Adel in Bayern den Rang abliefen und nicht
zuletzt ihren Niedergang beschleunigten. Ein Märchen?
Ein Wunder gar? Eher eine moderne, nüchterne Erzählung über den Profisport. Jenseits des Weißwurst-Äquators sprudelten die Talentquellen und im Rheinland die
Geldquellen. Noch als Oberligist sorgte die DEG für einen der ersten Skandale, als man die Nationalspieler Sepp
Reif und Otto Schneitberger im Sommer 1964 von Bad
Tölz nach Düsseldorf lockte. Euphemistisch erklärten
die beiden Stars ihren Wechsel mit beruflichen Perspektiven, die freilich erst einmal in einer 18-monatige Sperre und einem unbequemen Sitz auf der Haupttribüne an
der Brehmstraße bestanden. Was jedoch nicht verhindern
konnte, dass die Immigration von Wirtschaftsflüchtlingen
in den „goldenen Westen“ weiter ging. Nordrhein-Westfalen wurde das Einwandererland Nummer 1 in Sachen
Eishockey. Und die bayrischen Gastarbeiter waren gern
gesehen.
Auch in Köln. Dort hatte 1976 ein gewisser Finanzkaufmann Dr. Jochem Erlemann den Präsidenten-Posten
übernommen und munteres Mäzenatentum – übrigens auf
Kosten von Erlemanns Kunden und den Geldbeuteln der
Fans - betrieben. Trainer Gerhard Kießling und Sohn Udo
waren schon da. 650 000 D-Mark kostete die Ablöse für
Erich Kühnhackl vom EV Landshut. Und mit dem „Langen“ begann die lange Erfolgsserie des KEC. 1977 wurde man Meister und landete in dieser Saison, fast ebenso
wichtig, den ersten Sieg bei der DEG am 19. September
1976 (2:1). Auch 1979 stieg man auf den deutschen Eishockey-Thron.
Ein Publikumsmagnet waren die Haie zu dieser Zeit nicht, hoch her
ging es bei den Spielen an der Lentstraße trotzdem. Im Oktober der
Meistersaison gab es wüste Prügelszenen zwischen den Kölner Zuschauern und den Spielern des amtierenden Titelträgers SC Riessersee. Einen Monat später schlug der Mannheimer Roy Roedger Udo
Kießling einen Zahn aus, was Erlemann zum Rächer der Enterbten
werden ließ: Per Hallenmikro prangerte die vom Schiedsrichter verhängte Zwei-Minuten-Strafe an und wurde des Stadions verwiesen.
Und die Party nach dem zweiten Titelgewinn endete dank Erlemann mit einem gehörigen Kater. Noch während der Feierlichkeiten
trat er zurück, seine dubiosen Geschäfte machten mehr und mehr Probleme. Torjäger Dick Decloe wurde noch in der Nacht nach Düsseldort verscherbelt, den Scheck über 75 000 Mark verlor Erlemann in
einer Disco, am nächsten Tag nahm er den Flieger in die USA. Kühnhackl kehrte als verlorener Sohn nach Landshut zurück, im Tausch
übrigens für Nachwuchs-Star Gerd Truntschka. Trainer Gerhard
Kießling und sein Sohn Udo gingen ebenfalls zur DEG. Doch zu den
inzestuösen Beziehungen zwischen Düsseldorf und Köln später mehr,
denn die Bundesliga wurde erst einmal von den Auswirkungen des
sogenannten Passfälscher-Skandals in ihren Grundfesten
erschüttert.
Die 80er: Jahrzehnt der Kölner Haie
und der Skandale
Der Tatort diesen schlechten Kriminalstücks war Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt Essen. In der dortigen
Bar „Schlüsselloch“ gingen nicht nur Alkoholika über
die Theke. Spezialität des Hauses waren getürkte deutsche Ausweispapiere und Dokumente für kanadische
Eishockey-Spieler. Festpreis: 8000 D-Mark. Die ganze
Saison 1980/81 versackte bildlich gesprochen in besagter Lokalität. Beim späteren Absteiger Duisburg ging es
um sieben Akteure, in Köln waren drei Spieler betroffen,
Düsseldorfs Ralph Krueger bekam ebenfalls Probleme
– Duisburg und Köln wurden mit Punktabzügen bestraft,
den Haien wurden gar nachträglich 22 Zähler aberkannt
und das bereits gewonnene Playoff-Viertelfinale gestrichen. Nicht´s war´s mit dem Halbfinale gegen die Düsseldorfer EG und die berechtigten Hoffnungen auf die
dritte Meisterschaft endeten in der Relegationsrunde.
Doch auch wenn die 80er Jahre für die Haie mies
begannen, es war unbestritten das Jahrzehnt der Kölner.
1984 wurde zum dritten Mal der Meisterpokal unters
Hallendach an der Lentstraße gestemmt. Dann 1986 die
erste Finalserie gegen Düsseldorf. Nach einem 6:5-Sieg
im ersten Spiel lag man beim Nachbarn im zweiten Duell
nach 40 Minuten 1:5 hinten. Und während Düsseldorfs
Stadionsprecher in der Drittelpause schon die Termine für
den Kartenvorverkauf für das zweite Heimspiel durchgab,
setzte Kölns Kapitän Kießling zu einer Kabinenpredigt
an, deren Donnerhall noch auf dem Eis nachwirkte und
seine Mannen zum 6:5-Sieg und nach dem dritten Erfolg
schlussendlich zur vierten Meisterschaft trug. Übrigens
spielte damals der spätere Stanley-Cup-Gewinner Uwe Krupp in der
Kölner Verteidigung. Mit den Titeln der Jahre 86, 87 und 88 gelang
den Kölnern der Hattrick.
Gaddhafi entdeckt Eishockey
In der Jubiläumssaison 1987/88 hielt auch die große Weltpolitik
Einzug in die Eishockey-Bundesliga. Hauptdarsteller diesmal: Ein
Provinzklub aus dem Sauerland und ein als Terrorist gebrandmarkter
Staatsmann. Wirtschaftliche Schwierigkeiten veranlassten Heinz Wei-
fenbach, Boss des ums Überleben kämpfenden ECD Iserlohn, zum
Pakt mit dem Teufel der damaligen Zeit: Lybiens Revolutionsführer
Gaddhafi. „Langfristig 10 Millionen Mark“, wolle der angeblich in
den ECD stecken, hatte Weifenbach getönt und ließ seine Spieler
am 4. Dezember gegen den SB Rosenheim mit Trikotwerbung für
Gaddhafis „Grünes Buch“ auflaufen. Zwei Tage später waren die
Leibchen wieder befreit von ihrem ideologischen Gewicht, der DEB
war mit einem sofortigen Verbot eingeschritten. In derselben Woche
meldete der Konkursverwalter die Iserlohner vom Spielbetrieb ab.
Die 90er: Die Dekade der
D(ü)sseldorfer E(ishockey) G(ötter)
In Düsseldorf gingen Fans und Verein in diesen
Jahren durch das Tal der Tränen. Immer hatte man
ein Spitzenteam zusammen, seit Mitte der 80er Jahre spielte man immer oben mit – immer scheiterte
man am Ende. Doch nach dem Jahrzehnt der Kölner
Haie begann die Dekade der D(eutschen) E(ishockey)
G(ötter). Ein fließender Übergang ein paar Kilometer den Rhein flussabwärts. Traditionsgemäß waren
einige dicke Fische zwischen den beiden Erzfeinden
gewechselt. Schon 1979 hatten Düsseldorfs Nationalspieler Rainer Makatch, Georg Kink und Walter Stadler beim Titelgewinn der Haie mitgeholfen,
jetzt lief das Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen in
umgekehrte Richtung. Neun Jahre später kam der
unvergessene Ausnahme-Torwart Helmut de Raaf
mit vier Kölner Titeln in seinem Lebenslauf zurück
nach Düsseldorf. Im „Fall de Raaf“ trafen sich beide Klubs sogar vor Gericht, auch beim Wechsel
des ehemaligen Kölners Uli Hiemer, der 1987 von
NHL-Klub New Jersey Devils nach Düsseldorf
ging, gab´s mächtig Zoff. Ebenso bei den Transfers von Gerd Truntschka und Dieter Hegen an die
Brehmstraße zur Spielzeit 1989/90, in der die 15jährige Leidenszeit endlich vorbei sein sollte.
1990 glückte die Revanche gegen SB Rosenheim, gegen den man ein Jahr zuvor noch im Finale den Kürzeren gezogen hatte. 1991 wurden
die Schläger wieder mit dem KEC gekreuzt. Eine
dramatische Serie über fünf Spiele, am Ende
füllte Trainer-Neuling Hans Zach den Meisterpokal in der Kabine an der Kölner Lentstraße
mit Kölsch. Schon das Halbfinale gegen Rosenheim war eine Schlacht, trotz Heimrecht drohte
nach zwei Auftaktniederlagen bereits das Ausscheiden, ehe
Zach mit einer 90-minütigen Wutrede in der späten Freitagnacht im Kurhotel St. Georg den „Geist von Bad Aibling“
zum Leben erweckte. Im legendären Spiel 3 wurden die
Rosenheimer dann aus der Halle geschossen und der psychologische Grundstein für das Weiterkommen und den
Titel gelegt.
Ein Jahr später startete die DEG zum Titel-Hattrick. Der Konkurrenz wurde es schwindelig. Nach
13
Eishockey Special - Eishockey in NRW
44 Spieltagen standen die Rot-Gelben mit gerade einmal fünf
Niederlagen unangefochten auf Tabellenplatz 1. In den Playoffs waren die Gegner chancenlos: Neun Spiele mit neun Siegen, wovon keines in die Verlängerung ging.
Die DEG war die Macht am Rhein - und das sollte sich auch 1993
nicht ändern. Diesmal war es allerdings nicht so leicht, die Meisterschaftsendrunde wurde nach einem lockeren Aufgalopp gegen Ratingen zur Qual. Viele Sportfreunde in Deutschland rümpfen beim Wort
Playoffs die Nase. Es will ihnen nicht einleuchten, warum der Titelträger nach einer langen Vorrunde erst in einer künstlich verlängerten Nach-Saison gekürt werden soll, die den Ausgang der regulären
Spielzeit womöglich noch gehörig auf den Kopf stellt. Einem Eishockey-Fan kämen derartige Gedankenspiele niemals in den Sinn. Denn
die Playoffs sind die schönste Zeit des Jahres. Dann geht es nicht bloß
um die Wurst, sondern schlichtweg um alles. Wenn Männerbärte sprießen, dann werden Helden geboren. So war
es auch beim vierten Serientriumph der DEG. Schon das
Halbfinale gegen Preußen Berlin wurde zum Ritt auf der
Rasierklinge. Die ersten beiden Spiele gingen in die Verlängerung und mit jeweils 3:2 an die Düsseldorfer. Auch
in Spiel drei sieht es lange nach Overtime aus, erst 32
Sekunden vor Schluss fällt das 2:1. Die DEG im Finale
und der überragende Preußen-Keeper Klaus Merk bricht,
von den DEG-Fans gefeiert, weinend auf dem Eis zusammen. Hans Zach spricht danach vom „besten Halbfinale
aller Zeiten“ – das Endspiel freilich stand noch aus. Und
da warteten, wie sollte es auch anders sein, die Kölner
Haie. Die DEG führte nach drei Spielen mit 2:1. Schon
diese Matches waren hochdramatisch, aber die eigentlichen Legenden dieser vierten Düsseldorfer Meisterschaft
wurden in den letzten beiden Saisonspielen gestrickt. Mit
2:0 siegten die Haie an der Lentstaße, nach der SchlussSirene trafen sich die Mannschaften komplett für eine
Massenschlägerei auf dem Eis, zu allem Überfluss zog
sich ausgerechnet DEG-Keeper Helmut de Raaf eine
Adduktorenzerrung zu und fiel am alles entscheidenden
Sonntag in Düsseldorf aus. Und dieser Sonntag ist untrennbar mit zwei Spielern verknüpft: Der eine, Christian
Frütel, 24-jähriger Ersatzmann von de Raaf, machte das
Spiel seines Lebens. Der andere, Torjäger Benoit Doucet,
der nach 73:01 in der Verlängerung mit dem 2:1 das Tor
zum Titel und den Treffer seines Lebens markierte.
Wenn Großmächte zu
Sorgenkindern werden
Der Schmäh-Schlager Nr.1 beim Düsseldorfer Publikum war in dieser Zeit ein gesungenes Frage-AntwortSpiel mit folgendem Text: „Wer wird niemals Meister?
Wer wird niemals Meister? Beppi Heiß, Beppi Heiß!“ Der Kölner
Nationalkeeper war immer so etwas wie die tragische Figur des deutschen Eishockeys, denn während er in Düsseldorf die Kiste dichtmachte, erlebten die Haie mit Helmut de Raaf ihre große Zeit. Pünktlich mit seinem Wechsel zum KEC begann die Regentschaft der DEG
– mit de Raaf im Tor. Doch 1995 war es auch für Heiß endlich soweit:
Köln holte seinen siebten Titel in der neu eingeführten Profiliga DEL
und Peppi gab der Schale einen zärtlichen Kuss. 15 Monate vorher
stand man noch vor dem finanziellen Kollaps. Sieben Millionen Mark
Schulden und Führungsquerelen – erst der Einstieg von Heinz Götsch
bewahrte die Haie vor dem Untergang. Dem steuerte allerdings der
rheinische Nachbar mittlerweile zielsicher entgegen. 1996 traf man
sich, mal wieder, mit dem Lokalrivalen zum Finalkampf und schaffte den achten Titelgewinn. Mittlerweile stand der ehemalige Kölner
14
Meistermacher Hardy Nilsson bei der DEG hinter der Bande - und
hinter den Kulissen wurde der Liga-Krösus von den Klubbossen
weiter kaputt gewirtschaftet. Präsident Josef Klüh und seine Helfer
schmissen das Geld mit beiden Händen zum Fester raus: Exorbitant
hohe Spielergehälter gekoppelt mit fürstlichen Extras, ebenso teure
Trainerentlassungen, personelle und infrastrukturelle Fehlinvestitionen – wäre die DEG eine Behörde gewesen, der Bund der Steuerzahler hätte wohl ein eigenes Schwarzbuch herausgeben müssen. Von
dem später bekannt gewordenen Schwarzgeldskandal erst gar nicht
zu reden. Am 21. April 1998 wurde Konkurs angemeldet – 17 Tage
vorher hatten die Fans nach dem verlorenen Playoff-Viertelfinale gegen Mannheim das Eis gestürmt. Sonst ein Ritual nach gewonnenen
Meisterschaften, jetzt eine Demonstration der Hilflosigkeit. Mit Tränen in den Augen machten sich die Treuesten der Treuen noch lange
nach dem Spiel Mut: „Marmor, Stein und Eisen bricht,
aber unsere DEG nicht!“
Die Neuzeit: Krefelds historischer Triumph
Die DEG startete den Neuanfang in der Zweiten Liga,
im Jahr 2000 folgte der Wiederaufstieg – verbunden mit
dem stetigen Kampf ums wirtschaftliche Überleben.
2002 stieg Handelsriese Metro als Generalsponsor und
Retter ein, die DEG berappelte sich mit dem Namenszusatz Metro Stars, ist heute fast schuldenfrei und zieht
in der Spielzeit 2006/07 in die neue Heimat nach Rath.
2002 jubelte man nicht nur in Düsseldorf, sondern auch
in Köln. Die Haie, die inzwischen in der schmucken Kölnarena aufliefen, hatten es wieder geschafft. Zum achten
Mal Deutscher Meister, dabei war man nur von Platz
sechs in die Playoff-Endrunde gestartet. Ein Kunststück,
was 2003 von den Krefeld Pinguinen wiederholt wurde.
Völlig überraschend schlugen die Pinguine, angeführt
von seinem überragenden Superstar Christoph Brandner,
die Haie im Finale und holte nach 51 Jahren wieder die
Meisterschaft. Die Seidenstadt ist ohne Zweifel die dritte rheinische Eishockey-Metropole. Lange gehörten dem
Oberhaus gleich zwei Krefelder Klubs an: Der KEV und
Preußen – einmalig bis heute. Doch bei den Preußen gingen nach zahlreichen Auf- und Abstiegen 1971 die Lichter aus und auch die altehrwürdige Rheinlandhalle hat
inzwischen ausgedient. Direkt gegenüber wurde der topmoderne König-Palast errichtet. Eine neue Heimat hätten
auch gerne die Duisburger Füchse (ehemals Duisburger
SC), die in der verstaubten Scania-Arena der schwarzen
Hartgummischeibe hinterher jagen. Aber immerhin hat
das Ruhrgebiet seit dieser Saison wieder einen Klub in
der höchsten Spielklasse. Eintracht Dortmund ist längst
vergessen, in Essen darben die Moskitos (vorher EHC
Essen-West) in der Zweitklassigkeit und die Revier Löwen Oberhausen gibt´s auch nicht mehr. 1997 entstand der Retortenklub durch
den im deutschen Sport revolutionären Transfer des kompletten Vorgänger-Vereins Ratingen von Stadt zu Stadt Gespielt wurde in der
Mehrzweckhalle im Einkaufszentrum Centro Oberhausen aber nur
bis 2002. Die Iserlohn Roosters vertreten mittlerweile das Erbe des
ECD Sauerland in der DEL. Die neuen Arenen, Klubnamen und LigaStrukturen stehen für eine neue Zeit. Der Sport ist schneller geworden
und athletischer, die Liga ist ausgeglichener und professioneller. Die
Dominanz der Westklubs gebrochen. Doch eines hat sich nicht verändert: Eishockey macht süchtig.
Text: Daniel Neuen
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Auf höchstem Niveau Eishockey in NRW
8
9
Eishockey Special - Eishockey in NRW
DEG und KEC - Zwei Rekordmeister
10
11
Eishockey Special - Eishockey in NRW
„Fuchsschlau“ auf der Jagd nach Punkten
Blitzlicht
Plötzlich geht alles ganz schnell. Der Puck liegt frei vor dem Tor
der Düsseldorfer Eishockeyspieler. Duisburgs Stürmer Trond
Magnussen, schon wieder Magnussen, fliegt heran und schießt.
3:2! Das dritte Tor innerhalb von 63 Sekunden! Ganz Duisburg,
so scheint es, fällt im Jubelsturm übereinander her. Die Stimme
des Stadionsprechers überschlägt sich bei der Verkündung des
Schützen. Das sind die Momente, für die sich die Fan-Entbehrungen vieler Jahre gelohnt haben. Aus einem
0:2 binnen einer Minute plus kleiner Zugabe
eine Führung gemacht und den Gegner dabei
an die graue Hallen-Wand gespielt. Später folgen noch zwei Treffer und machen
das 5:2 im Nachbarschaftsduell gegen
die DEG METRO STARS am sechsten
Spieltag perfekt.
Wirkungstreffer
Szenenwechsel. Zehnter Spieltag. Glatt
und chancenlos verlieren die Füchse 2:6
bei den Iserlohn Roosters. Bereits nach
30 Minuten liegen die Duisburger Füchse (EVD) deutlich zurück, und das gegenein Team, mit dem
sich der Aufsteiger insgeheim auf Augenhöhe geglaubt hatte.
„Wir standen heute komplett neben den Schuhen“, zuckt ein
sichtlich enttäuschter Trainer Didi Hegen die Eishockey-erfahrenen Schultern. Mit dieser Niederlage ist der EVD da
angekommen, wo er auf keinen Fall hinwollte; auf den Plät-
16
zen, auf denen am Ende der Saison der Absteiger aus der Deutschen Eishockey Liga ermittelt wird.
Zwischenbilanz
Nach einem guten Fünftel der laufenden Spielzeit stehen die Füchse Duisburg nahe am Tabellenende der Deut-schen Eishockey Liga
(DEL). Doch allzu große Sorgenfalten zeichnet dies nicht auf die
Stirne der Verantwortlichen: Der Sportliche Leiter Uli Egen
zieht eine insgesamt positive Bilanz: „Wir sind sportlich voll in der Liga angekommen. Einige Partien
haben wir sehr unglücklich verloren. Sowohl von
der Kraft als auch von der personellen Qualität
konnten wir in fast allen Begegnungen problemlos mithalten. Spiele Iserlohn war eine
absolute Ausnahme.“
Mannschaft
Die sportliche Zusammensetzung des Teams
scheint zu stimmen. Ein Risiko war die ursprüngliche Besetzung der Torhüter-Positionen.
Egen: „Wir wussten, dass wir mit Patrick Koslow
und Christian Rohde auf junge deutsche Goalis vertrauen. Wir
sind mit ihren Leistungen sehr zufrieden.“ Nach dem Düsseldorfer Pokal-Unglückstag, an dem sich beide Torleute verletzten, hat
die Clubführung mit der Verpflichtung des Mannhei-mers Patrick
Ehelechner nachgebessert. Die Verteidigung mit erfahrenen Recken wie Robitaille oder Teljukin ist ebenfalls nicht das Sorgenkind, eher schon der Sturm. Dieser wurde vor der Saison ligaweit
hoch eingeschätzt. „Ganz klar, hier haben einige vermeintliche
Leistungsträger die Erwartungen noch nicht erfüllt“, erläutert der
49-jährige Egen, der seit Beginn dieser Spielzeit Trainer Hegen
bei der sportlichen Arbeit unterstützt. So ist beispielsweise der
Franzose Mathieu Darche noch nicht die erhoffte Offensivkraft.
Perspektive
Der Ausblick beginnt mit einer Rückblende in den April dieses
Jahres. In einer wilden Straubinger Nacht feiern ausgelassen
Statements vom Sportlichen Leiter Uli Egen
Der schönste Saison-Moment bislang war…
…definitiv das 5:2 gegen den Rivalen DEG.
Der bitterste Augenblick…
…war, nach einer 4:2-Führung und völliger Spielkontrolle
das Match in Hamburg durch Unterzahlspiel noch zu verlieren. Auch die Niederlage vor vollem eigenem Haus nach
3:1-Führung gegen die Krefeld Pinguine war sehr bitter.
Die Entdeckung der Spielzeit…
…ist bis jetzt unser deutscher Verteidiger Toni Bader. Er hat
bis zu seinem Armbruch im Düsseldorfer Pokalspiel sehr
gut und abgeklärt gespielt.
Enttäuschend war…
…dass uns in einigen Spielen die Cleverness gefehlt
hat. Zu viele Fehler, Frustfouls und daraus resultierende
Strafzeiten haben uns Punkte gekostet. Das schmerzt.
Duisburger den Aufstieg in die DEL. In den Morgenstunden werden die Heimkehrer dann von hunderten Fans in der heimischen
Scania-Arena empfangen und gemeinsam tanzt man in die aufgehende Sonne. Mit dem Erhalt dieser Begeisterung und der vorhandenen Qualität des Kaders will der Neuling den Abstieg vermeiden. Egen beinahe trotzig: „Unser Ziel ist nach wie vor, den
bedrohlichen Plätzen 13 und 14 zu entgehen. Und das schaffen
wir auch.“ Und fuchsschlau wie die Duisburger sind, sollte ihnen dies auch gelingen.
Informationen zu den Duisburger Füchsen
Internet: www.ev-duisburg.de
Tabellenplatz 13 nach dem 11. Spieltag:
11 Spiele
3 gewonnen
+ 1 gewonnen nach Penalty
6 verloren
+ 1 verl. nach Penalty
30:39 Tore
12 Punkte
Text:
Daniel Weise
Fotos:
Ovelgönne/Hesse
17
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Haiiiiie - THUNDER…!
Thunder…! Plötzlich stampfen bedrohliche Donnerschläge durch fielen zu Beginn drei wichtige Spieler aus. Und damit werden gleich
die abgedunkelte Halle. Und wieder…Thunder! Die Einlaufzeremo- wieder alle Spekulationen über den Haufen geworfen. So will sich
nie der Kölner Haie in der KölnArena, der mit Abstand größten Spiel- Hans Zach auch nicht in die Favoritenrolle drängen lassen: „Wir wolstätte im deutschen Eishockey, ist mit dem kraftvollen AC/DC-Song len jedes Spiel sehr gut spielen, möglichst gewinnen und so lange wie
immer noch ein Erlebnis, das so manchen Gegner beeindrucken kann. möglich um die Meisterschaft mitspielen. Aber ich kann nicht sagen,
Aber leider funktionierte das organisierte Einschüchtern der gegneri- wir werden Meister, weil das von sehr vielen Dingen abhängig ist.
schen Mannschaften in den entscheidenden Spieler der letzten Saison Das haben wir in den letzten Jahren gesehen. Wen wir verletzte Spienicht so gut. Jeweils im Viertelfinale der letzten beiden Spielzeiten ler haben, uns Leistungsträger ausfallen, dann kannst du nicht Meister
scheiterten die Domstädter und das hat Spuren hinterlassen. Die Haie werden. Wenn die Herzstücke fehlen, dann geht gleich gar nichts“,
stehen in diesem Jahr gewaltig unter Erfolgsdruck. Besonders solch erläutert der Coach.
Und so ist es nicht verwunderlich, wenn die Ergebnisse noch nicht
ein „Aus“ wie in der Vorsaison könnten die Fans ihrem Eishockeyclub
übel nehmen. Hatten die Haie doch vor einigen Monaten gegen den so ausgefallen sind, wie die Haie das gerne hätten. Bereits drei HeimERC Ingolstadt ein Heimspiel mehr – und schieden doch in sieben niederlagen haben die Rheinländer auf dem Konto, allerdings alle nur
Spielen aus. Besonders, weil die sie ihren Heimvorteil nicht nutzen mit einem Tor unterschied. Genauso wie beim Derby in Düsseldorf.
konnten, wurden sie ihrer Favoritenrolle gegen die Bayern nicht ge- Das verloren die Haie mit 3:4. Immer nahe dran, doch oft unglückrecht. Schwer wog dabei das permanente Verletzungspech. Ständig lich verloren. Dennoch gibt das Zuversicht für die Zukunft. Zumal die
vielen Leistungsträger aus, selten konnte Haie-Trainer Hans Zach Haie auf dem Transfermarkt noch einmal aktiv werden wollen. „Wir
sein bestes Team aufbieten. Es schien, als sollte auch in der neuen suchen noch einen Mittelstürmer, aber wir haben keine Eile, zumal
Saison so weitergehen. Lange zitterten die Verantwortlichen um den der Markt im Moment auch nicht all zu viel anbietet“, gibt sich PresEinsatz von Verteidiger Brad Schlegel. Doch der 37-Jährige bewies sesprecher Walter gelassen.
nach seiner Knieverletzung gutes Heilfleisch und
Haie Trainer Hans Zach
stand von Beginn an zur Verfügung.
Glücksgriff mit Ciernik
Die Personalplanungen für die Saison 2005/06
begannen bei den Haien früh. Acht Abgängen stehen
sieben Neuzugänge gegenüber. Vor allem sollte mehr
Spielkultur ins Team Einzug halten. Der Kampfgeist
stimmte in der Vorsaison, teilweise wurde aber die ordnende Hand vermisst. Die sollte im Sturm mit Top-Angreifer Marty Murray haben – doch der Kanadier lehnte
das Angebot der Haie überraschend ab und entschied sich
für ein Engagement in Hannover. So ruhen die Hoffnungen
erst einmal weiter auf Eduard Lewandowski, den die Kölner
trotz guter Angebote aus Russland halten konnten. Der 25Jährige, der bereits von den Phoenix Coyotes, einem Team aus
der amerikanischen National Hockey League (NHL) gedraftet
wurde, zeigte mit seinen drei Toren beim 8:2 gegen Nürnberg,
wie wichtig er für das Team ist. Als hoffnungsvollster Neuzugang gilt Ivan Ciernik, der aus Wolfsburg an den Rhein zog. Der
slowakische Nationalspieler war in der vergangenen Saison einer
der besten Außenstürmer der Deutschen Eishockey Liga (DEL).
„Ciernik vereint Technik und Athletik. Ein absoluter Topmann“
lobt Haie Pressesprecher Philipp Walter. 91 NHL-Spiele unterstreichen die Klasse des 27-Jährigen. In der Torwartfrage haben sich die
Haie auf zwei Deutsche festgelegt. Für Chris Rogles wurde der WMerfahrene Oliver Jonas von den Eisbären Berlin geholt. Neben Jonas
steht noch der talentierte 19-Jährige Thomas Greiss im Kader. Seine
Bewährungsprobe bestand Greiss am dritten Spieltag, als er den den
3:1-Sieg in Frankfurt festhalten konnte. Dabei will Hans Zach aber
nichts von einer Quote für deutsche Torhüter wissen. „Das ist unabhängig davon. Der Grund, dass wir zwei Deutsche genommen haben,
ist nicht, dass sie Deutsche sind, sondern dass sie gut sind“, so Zach.
Erneutes Verletzungspech
Das Verletzungspech hat die Haie auch zu Beginn dieser Saison
wieder eingeholt. Mit Alex Hicks, Oliver Jonas und Jeremy Adduono
18
sche Stimmen in Sachen Routine. Mit Dave McLlwain, Alex Hicks
und Jean-Yves Roy sind gleich drei Spieler bereits jenseits der 36. So
lange sie aber ihre Leistung bringen, werden die Kritiker nicht weiter
bohren. Vor allem bei McLlwain darf diese Art von Kritik überhaupt
nicht aufkommen. Der 38-Jährige ist die Beständigkeit in Person. Als
Assisttent, als Vorlagengeber, steht der Kanadier an der Spitze der
DEL. Fast die Hälfte aller KEC-Tore bereit er vor. Bei den Stürmern
sticht neben McLlwain vor allem Neuzugang Ivan Ciernik heraus.
Nach elf Spielen standen bereits sieben Tore auf seinem Konto, damit
mischt er munter in der Spitzengruppe der besten DEL-Torjäger mit.
Dass er nicht nur selber treffen kann, sondern auch ein gutes Auge für
den Mitspieler hat, beweist seine Assist-Quote.
Vertrauen in die starke Abwehr
In der Abwehr sind die Haie so gut besetzt wie kaum ein anderes
Team. Mirko Lüdemann muss keinem mehr beweisen, dass er einer
der besten deutschen Verteidiger ist. Stéphan Julien knüpft da an, wo
er in der letzten Saison aufgehört hat. Der Kanadier ist nicht nur ein
eisenharter Verteidiger – er ist auch ein gnadenloser Vollstrecker. Zu
Saisonbeginn konnte er die gegnerischen Torhüter von der blauen LiKölner Haie gegen Adler Mannheim
8. Platz ausbaufähig
Nach zehn Spieltagen fanden
sich die Kölner gerade
einmal auf dem achten Tabellenplatz wieder. Nicht gerade
das, was sich Fans und Umfeld erhoffen, aber auch nicht zu
dramatisch. Keine der sechs Niederlagen fiel höher als mit einem Tor
Unterschied aus. Spiele, die man also hätte gewinnen können. Die
Haie können mit jedem Team mithalten und an guten Tagen auch
jedes Team schlagen. Auch Hans Zach kann keine klaren Favoriten
ausmachen, sieht aber die Liga als insgesamt stark an. „Die Liga ist
ein riesiger Karpfenteich mit sehr vielen Hechten drin. Da sind neun
Mannschaften, die um die Meisterschaft mitspielen können und eine
davon sind wir“, analysiert Kölns Trainer. „Neun Mannschaften. Da
erreicht eine schon nicht die Play-Offs. So hart ist das Geschäft heuer.“ Dass die Haie diese eine Mannschaft sein könnten, daran mag in
Köln keiner denken. Schon gar nicht nach dem 9:1 am elften Spieltag gegen die Augsburg Panther. Damit feierte der achtmalige Meister den höchsten Erfolg seit dem 10:2 über die Schwenningen Wild
Wings im Oktober 2002.
Und die Fans halten dem KEC die Treue. Fast 11.000 Zuschauer
im Schnitt pilgerten zu den sechs ersten Heimspielen. So viel wie
bei keinem anderen Verein. Allerdings bietet die
Kölnarena ja auch mehr Platz, als jede andere Halle in der DEL. Eishockey hat in Köln einen hohen
Stellenwert. Und so zerbricht sich auch fast jeder den
Kopf, was passieren wird, wenn die jetzige Saison zu
Ende ist. Dann nämlich fällt die Entscheidung, wie es
mit Trainer Hans Zach weitergeht. Wird er sein vierjähriges Engagement noch einmal verlängern? Oder ist diese Saison seine letzte in Köln? Von derlei Spekulationen
will der 56-Jährige (noch) nichts wissen. „Momentan will
ich die Saison zu Ende machen. Ich mache mir überhaupt
keine Gedanken, ob ich hier verlängere oder irgendwo anders hingehe oder was anderes mache. Das weiß ich noch
nicht.“
Wenn Zach es wieder einmal schafft, das Team in die
oberen Regionen der Tabelle zu führen, werden sich die Verantwortlichen schon rechtzeitig genug zusammensetzen, um
dieses Thema zu besprechen. Bis dahin träumt man in der Domstadt weiter vom Titel und übt sich inzwischen im Einschüchtern
der Gegner…
THUNDER!!!
Jedenfalls bleibt den Haien eine weitere Doppelbelastung erspart,
denn im Pokal gab es in der ersten Runde eine überraschende 2:5-Niederlage in München. Nicht ganz so schlimm, obwohl die Rheinländer
den Pokal ernst nehmen. Zach: „Der Pokal hat sich in den Jahren gut
etabliert. Wir haben ihn immer ernst genommen. Wir sind dreimal
vorher weit gekommen, jetzt sind wir ausgeschieden, damit müssen
wir leben.“
Geballte Routine
Der Pokal-KO sollte die Mannschaft nicht umwerfen, zumal bei
den Haien geballte Routine auf dem Eis steht. Mit Mirco Lüdemann
und Andreas Renz stehen zwei Spieler im Kader, die zum erlesenen
Kreis der 600er gehören – mehr als 600 DEL-Spiele. Tino Boos wird
in dieser Saison folgen. Doch gerade im Angriff gibt es auch kriti-
nie aus schon siebenmal überwinden. Insgesamt brachte er es nach
zehn Spielen bereits auf 14 Scorerpunkte. Andreas Renz, Paul Taylor
und Brad Schlegel gehören auch in die Kategorie überdurchschnittlich. Und mit Lasse Kopitz wurde ein weiterer Nationalspieler verpflichtet. Verständlich, dass nur 2,27 Gegentore im Schnitt zu Buche
stehen.
Unglücklich fiel die 3:4-Niederlage gegen den ERC Ingolstadt
aus. Gerade bei seinem Heimspiel-Debüt hatte Neuzugang Oliver Jonas einen rabenschwarzen Tag und wurde nach einigen unglücklichen
Situationen von den eigenen Fans ausgepfiffen. Und dann kam auch
noch sein mehrwöchiger Ausfall. In dem Bereich sind die Haie noch
steigerungsfähig, obwohl Thomas Greiss seine Sache als Jonas-Vertreter äußerst zufrieden stellend machte. Erstaunlich für einen gerade
einmal 19-jährigen Torhüter.
Informationen zu den Haien
Internet: www.haie.de
Tabellenplatz 9 nach dem 11. Spieltag:
13 Spiele (durch vorgezogene Spieltage)
5 gewonnen
7 verloren
1 verl. nach Penalty
45:35 Tore
16 Punkte
Text:
Tom Aust
Fotos:
Firo Sportphoto
19
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Ein starkes Stück Sauerland „... Wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind“
„Sauerland, mein Herz schlägt für das Sauerland, vergrabt
mein Herz im Lennesand, wo die Mädchen noch wilder als die
Kühe sind.“ Der Schlager der Gruppe „Zoff“ gehört seit Jahren zum festen Bestandteil der Einlauf-Zeremonie in Iserlohn.
Wenn zehn Minuten vor Spielbeginn die Lichter ausgehen,
dann stimmt das ganze Stadion am Seilersee in ihre „Nationalhymne“ mit ein. Eishockey in Iserlohn ist Kult und die Roosters sind ein starkes Stück Sauerland.
Eishockey-Erlebnis Seilersee
Den Seilersee muss man erlebt haben. Die hitzige Atmosphäre in Iserlohn ist in der gesamten Deutschen Eishockey-Liga
(DEL) bekannt und gefürchtet. „Unsere Stehplatzgerade macht
bei jedem Heimspiel mächtig Stimmung. Die Akustik ist phänomenal und sorgt für den ganz besonderen Flair“, berichtet FanBeauftragter Matthias Schlüter. Die Halle ist klein, eng und in
Sekundenschnelle mit Emotionen aufgeladen. Die Düsseldorfer
Metro Stars wissen ein Lied davon zu singen. Ende der 90er
Jahre lieferten sie sich mit den Iserlohn Roosters (IEC) heiße
Schlachten um den Aufstieg in Deutschlands Eliteklasse. Auch
heute fahren die Rheinländer nur ungern ins Sauerland – wie
der Rest der Liga. Der IEC ist für seine Heimstärke bekannt,
auswärts hingegen werden regelmäßig die Punkte abgeliefert.
Daher ist es seit dem Aufstieg in der Saison 1999/2000 noch
nicht gelungen, die Playoff-Runde um die Deutsche Meisterschaft zu erreichen. Doch auch in der laufenden Spielzeit
träumen Iserlohn und das Sauerland von einem Platz unter
den besten acht Mannschaften. Und der Start hat gezeigt,
dass sie diesen Ansprüchen durchaus gerecht werden können. Nach elf Spielen standen die Roosters als Tabellenach-
ter über dem Playoff-Strich. Dabei erkämpften sie sogar schon einen
Erfolg nach Penaltyschießen an der Düsseldorfer Brehmstraße, wo
es in den vergangenen Jahren kaum etwas zu holen gab.
13 Neuzugänge für ein Ziel
Um die Playoffs zu erreichen, hat sich das Personalkarussell kräftig gedreht. Nur in der Trainer- und Torhüterfrage setzt man auf Kontinuität. Der Holland-Kanadier Doug Mason hat weiterhin hinter der
Bande das Sagen. Seit Oktober 2003 ist er in Iserlohn verantwortlich
und sagt: „Natürlich wäre es schön, die Playoffs zu erreichen. Aber
die neue Mannschaft muss sich erst einmal einspielen.“ Mason ist
in der Liga kein Unbekannter, trainierte er doch von 1998 bis 2001
die Krefeld Pinguine. Mit Dimitri Kotschnew und Leo Conti vertraut Mason seinem Torhütergespann aus der vergangenen Saison,
als Iserlohn, angetrieben von den 4.500 Zuschauern am Seilersee,
auf Platz elf landete.
13 Profis wurden danach aussortiert. Co-Trainer Teal Fowler,
einst langjähriger Kapitän und Publikumsliebling in Iserlohn, wechselte als Chef nach Krefeld. Prominentester Neuzugang ist Stürmer
Brad Purdie, der die Krefelder 2003 zur Meisterschaft schoss und
zuletzt in Hamburg spielte. Ebenfalls als Torjäger wurde Vitalij Aab
von den Adlern Mannheim verpflichtet, während Markus Pöttinger
(DEG), Kirk Furey, Sebastian Jones (beide Kassel Huskies) und der
Schwede Mats Trygg (Färjestads) die Abwehr verstärken sollen. Zudem sicherte sich der Klub die Dienste der Stürmer Bruce Richardson
(Danbury Thrashers/UHL), Linus Fagemo (Lulea HF), Mark Greig
(Kassel Huskies), Ladislav Karabin (EHC Wolfsburg), Michael Wolf,
Alexej Dmitriev (beide Moskitos Essen), Matthias Potthoff (Kölner
Junghaie) und Nils Antons (Hamburg). Besonders Wolf konnte zu
Saisonbeginn mit acht Treffern und drei Vorlagen bereits glänzen. In
der internen Scorerwertung liegt das Talent hinter Mark Greig (12
Punkte) auf dem zweiten Platz und hatte wesentlichen Anteil daran,
dass die Roosters mit bisher 15 Punkten einen neuen vereinseigenen DEL-Startrekord verbuchen konnten. „Wir können jeden Gegner
schlagen“, sagt Roosters-Manager Karsten Mende, der angesichts
der grassierenden Verletzungsmisere sogar noch auf eine Leistungssteigerung seiner Truppe hofft. Denn eins ist schon jetzt auffällig:
Nachdem Superstar Mike York, der in Folge des Arbeitskampfes in
Nordamerika in der letzten Saison den Glanz der großen weiten Eishockey-Welt nach Iserlohn brachte, in die National Hockey League
(NHL) zurückgekehrt ist, präsentiert sich die Mannschaft wesentlich
ausgeglichener. Das Spiel fokussiert sich nicht mehr nur auf die erste
Sturmreihe.
Neben den Neuzugängen ist Mende abseits des Eises ein weiterer
wichtiger Vertragsabschluss gelungen. Gemeinsam mit dem Oberligisten Revier Löwen Oberhausen wurde ein Kooperationsvertrag
für Förderlizenzspieler geschlossen. Nachwuchskräfte, die bei den
Sauerländern nicht immer Eiszeit bekommen, können nun für die
Revier Löwen auflaufen. „Junge Spielern lernen nur dazu, wenn sie
Spielpraxis sammeln“, sagt Mason und Mende fügt an: „Wir sind
sehr froh, eine zweite Heimat für unsere jungen Nachwuchsspieler
gefunden zu haben.“
„Kühe, Schweine – Iserlohn!“
Heimat ist in Iserlohn ein wichtiges Stichwort. Denn die Roosters sind Teil einer gelebten sauerländischen Identität. Von Münster
bis Siegen reicht das Einzugsgebiet. Etwa 25 Fanclubs unterstützen
den IEC, der mangels Alternativen der unangefochten beliebteste
Verein der gesamten Region ist. Eine Region, die in den Stadien
der städtischen Metropolen wie zum Beispiel in Düsseldorf im-
mer wieder gerne verspottet wird. „Kühne, Schweine - Iserlohn!“
schallt es Gäste-Fans und Spielern bei den Auswärtsderbys entgegen. „Wir gelten halt als Bauern“, weiß Schlüter. Und so ist der
Name Roosters, der übersetzt Kampfhähne bedeutet, nicht zufällig gewählt und mit einer gehörigen Portion Selbstironie versehen.
In Iserlohn steht man eben mit beiden Beinen auf der Erde.
Denn erneut stürzt sich der Klub mit einem der kleinsten Etats der
ganzen DEL ins Getümmel. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - gilt das Umfeld unter den Spielern in der Liga mittlerweile
als nahezu optimal. Und dazu leisten die Fans einen gehörigen
Beitrag. „Wenn es mit den Playoffs klappen sollte, wäre das natürlich ein Traum. Aber wichtig ist erst einmal der Klassenerhalt.
Deswegen freuen wir uns über jeden Punkt, den wir an den Wochenenden einfahren“, berichtet Schlüter über die Erwartungshaltung der Zuschauer. Deren Herz schlägt auch ohne Meisterschaften und große Erfolge nur für zwei Dinge: das Sauerland
und den IEC.
Informationen zu den Iserlohn Roosters
Internet: www.iec.de
Tabellenplatz 6 nach dem 11. Spieltag:
12 Spiele (durch vorgezogene Spieltage)
5 gewonnen + 1 gewonnen nach Penalty
5 verloren + 1 verl. nach Penalty
41:40 Tore
18 Punkte
Text:
Daniel Neuen
Fotos:
Ovelgönne/Hesse
DEG gegen Iserlohn an der Brehmstraße
20
21
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Die Hölle ist nicht rot, die Hölle ist...
„Schwarz- Gelb“
Wenn sich in einer mittelgroßen deutschen Stadt weit über
zehntausend Menschen mehr oder minder spontan an einem
Ort versammeln, dann kann man getrost davon ausgehen, dass
etwas Außergewöhnliches passiert sein muss. So war es auch
am Ostermontag 2003 in Krefeld. Nach 51 Jahren wurde in
der Seidenstadt wieder die Deutsche Meisterschaft gefeiert,
mit allem, was dazu gehört: Ausnahmezustand in der City,
Helden-Empfang auf dem Theaterplatz, Karneval im Frühling – es war die größte Party seit dem DFB-Pokalsieg von
Bayer Uerdingen 1985. „Meister, Meister“ hatte die Musikgruppe „Blend“ Marius Müller-Westernhagens „Freiheit“
wenig geistreich, aber mit umso größerem Gröhlfaktor auf
die Schnelle umgetitelt. Dabei schien der schwarz-gelbe
Titel-Traum zwei Tage vorher bereits ausgeträumt. Unsanft weckte Finalgegner Köln im vierten Match die Pinguine mit einem Sieg nach Verlängerung. Die Vorfreude
auf die herbeigesehnte Schale schlug beim Publikum in
hilflose Aggression um. Als die abgekämpften Haie vom
Eis stapften, geriet der Gang in die Kabine zum Spießrutenlauf: Pöbeleien und Beschimpfungen, Rempeleien
und fliegende Bierbecher. Die Rheinlandhalle kochte vor
Enttäuschung.
Dabei war nur eine „Schlacht“ verloren, der „Krieg“
und das fünfte entscheidende Spiel in der Kölnarena
wurden gewonnen. Als Tabellensechster waren die Pinguine bis zur Meisterschaft durchgestartet, hatten im
Namen ihrer Anhänger im Viertelfinale an den verhassten Düsseldorfern bittere Rache für all die erfahrenen Schmähungen und Enttäuschungen genommen,
dann die Eisbären Berlin ausgeschaltet und auch noch
in einem dramatischen Endspiel-Duell die Kölner
Haie bezwungen. Eine Sensation – die Pinguine waren nicht nur die Nummer eins am Rhein, sondern in
ganz (Eishockey)-Deutschland. Heute, zweieinhalb
Jahre danach, ist in Krefeld wieder alles anders.
Dünner Kader, hohes Ziel Die Palast-Pinguine wollen in die Playoffs
Denn es folgte der Absturz der Pinguine in die
tiefste Tabellen-Tristesse. Die Fallhöhe war nach dem
Titel-Triumph gewaltig. In den sportlichen Krisenjahren nach der Meisterschaft wurden nicht nur zweimal
die Playoffs kläglich verfehlt, es gab zudem noch Finanzprobleme und interne Führungsquerelen – mit
zweifelhaftem Unterhaltungswert für das eishockeyverrückte Krefelder Publikum. „Mit einem preiswer22
teren Kader einen gesicherten Playoff-Platz belegen“, gab Sportleiter Franz Fritzmeier als ehrgeizige Zielsetzung für die laufende
Spielzeit aus. Mit einem Etat von etwa 4,1 Millionen Euro geht
man ins Rennen. Doch es besteht leider wenig Anlass zur Hoffnung, dass die treuen KEV-Fans in dieser Spielzeit mehr Freude
an den Darbietungen auf dem Eis haben werden als zuletzt. Für
einen Rang unter den besten acht Mannschaften sollen neben den
alten Haudegen wie Alexander Selivanov und Chris Herperger die
Neuzugänge sorgen. Die Stürmer Roland Verwey und Franz Fritzmeier junior bringt der neue Coach Teal Fowler aus Iserlohn mit,
während Boris Blank von den Kölner Haien zum KEV wechselt.
Besonders froh ist Fowler über die Verpflichtung von Verteidiger
Richard Pavlikovsky vom Zwangs-Absteiger EHC Wolfsburg. „Er
stand bei einigen DEL-Vereinen und europäischen Klubs ganz
oben auf der Wunschliste. Er besitzt einen guten Schuss und ist
technisch und läuferisch stark“, lobt Fowler, der zudem Verteidiger
Andy Hedlund von den Binghamton Senators (American Hockey
League, AHL) und Angreifer Herberts Vasiljevs in der Seidenstadt
begrüßen kann.
Der lettische Nationalspieler kehrte von den Nürnberg Ice Tigers zurück nach Krefeld. „Herberts verfügt über eine gute Technik, ist ein guter Schlittschuhläufer und im Sturm flexibel einsetzbar“, erklärt der Sportliche Leiter. Die weiteren Verpflichtungen
der Pinguine, die sich von 15 Akteuren trennten: Verteidiger Mike
Pudlick (Augsburger Panther), Verteidiger Markus Witting (Preußen Berlin) und Stürmer Ted Drury (Kassel Huskies). Das Problem: Der Kader scheint nach den ersten Matches viel zu dünn
besetzt. Gerade einmal elf gestandene Stürmer gehen im PinguinDress auf Torejagd. Im 52 Spieltage dauernden „Stahlbad Deut-
sche Eishockey Liga“ könnte das am Ende zu wenig sein, um nach
zweijähriger Playoff-Abstinenz wieder die Qualifikation zu schaffen. Zudem fällt Abwehr-Recke Shayne Wright auch noch mit
psychischen Problemen längere Zeit aus.
Ein Novize auf dem Schleudersitz der Liga
Hinter der Krefelder Bande steht, mal wieder, ein neuer Mann.
Teal Fowler, im letzten Jahr Co-Trainer bei den Iserlohn Roosters
wurde als neuer Chef der Pinguine verpflichtet. „Zum ersten Mal
bin ich für eine Mannschaft verantwortlich. Da ist die Motivation
natürlich unglaublich groß“, sagt der 34-Jährige, der seine aktive
Karriere in Iserlohn nach mehreren Verletzungen 2001 beenden
musste. Hobby-Angler Fowler ist Realist und weiß, was ihn in seiner neuen sportlichen Heimat erwartet. „Die Fans und das Umfeld
in Krefeld sind sehr kritisch. In Iserlohn wurden wir schon gefeiert,
wenn wir Platz elf erreicht haben. Das ist in Krefeld undenkbar.“
Dementsprechend ist der Trainerstuhl beim KEV alles andere als bequem. Die Etikettierung „Schleudersitz“ dafür umso berechtigter: Fowler ist der achte Übungsleiter seit Dezember 2002.
Bislang meistert der Trainer-Novize den gefährlichen Job immerhin ganz ordentlich. Nach einem Fünftel der Saison fehlte nur ein
Punkt zum ausgegebenen Ziel. Die Mannschaft kämpft und zeigt
Leidenschaft. Und auch wenn es eine arg strapazierte EishockeyFloskel ist: Damit lässt sich im körperbetonten Kufenflitzer-Sport
einiges bewegen. Das honorieren auch die Fans. Zwar wollten nur
3351 Zuschauer die 2:3-Heim-Niederlage gegen die Eisbären Berlin sehen, doch die beorderten ihre Lieblinge nach der Schlusssirene trotz der Pleite noch zur Ehrenrunde aufs Eis. „Unglaublich“,
befand Krefelds Nationalgoalie Robert Müller nach dem Match in
den Katakomben des KönigPalast.
Die Hölle auf der Coca-Cola-Tribüne
Apropos KönigPalast. Der hochmoderne Mehrzweckbau für
8.000 Zuschauer auf der Westparkstraße wurde im Dezember des
vergangenen Jahres vom KEV bezogen und markiert den Beginn
einer neuen Zeit. Mit Sicherheit ein Gewinn für die Stadt Krefeld, aber mit dem Abschied von der alten Rheinlandhalle geht
auch ein Stück Eishockey-Kultur verloren. Nicht nur Puristen
werden die direkte Nähe zum Geschehen auf dem Eis und die
hitzige, teilweise überkochende Atmosphäre vermissen.
In der neuen Heimat stehen die Treuesten der Treuen immer noch auf der Nordtribüne, nur heißt die im KönigPalast
im modernen Arenen-Neudeutsch Coca-Cola-Tribüne. Und die
ist, ganz im Gegensatz zum Rest des Stadions (bislang kamen
im Schnitt 700 weniger als die kalkulierten 5100 Zuschauer),
nahezu immer voll. „Die Hölle ist nicht rot, die Hölle ist…“
begrüßt Stadionsprecher Kristian Lach die dort ansässigen
Hardcore-Anhänger vor jedem Spiel und erntet dafür von den
Rängen die lautstarke Antwort: „Schwarz-Gelb!“
Zu den Klängen von Robbie Williams´ „Let me entertain
you“ stürmen die Spieler durch einen überdimensionalen
Pinguin-Kopf in den abgedunkelten KönigPalast. Eine spektakuläre Show, doch die besondere Rheinlandhallen-Stimmung ließ sich eben nicht so einfach ein paar Meter weiter
auf die andere Straßenseite verpflanzen. Ein Problem, mit
dem auch die Nachbarn der DEG nach ihrem anstehenden
Umzug vom „Eistempel“ an der Brehmstraße zu kämpfen
haben werden. Und eins haben beide Klubs gemeinsam:
Das Publikum ist äußerst anspruchsvoll. Es wird wohl seine Zeit dauern, bis sich in Krefeld wieder außergewöhnliche Dinge ereignen.
Informationen zu den Krefeld Pinguine
Internet: www.krefeld-pinguine.de
Tabellenplatz 8 nach dem 11. Spieltag:
12 Spiele (durch vorgezogene Spieltage)
5 gewonnen
+ 1 gewonnen nach Penalty
6 verloren + 1 verl. nach Penalty
41:40 Tore
18 Punkte
Text:
Daniel Neuen
Fotos:
Krefeld Pinguine
23
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Mythos Brehmstraße! Mythos Dome?
Unter diesem Motto steht die unwiderruflich letzte Saison der
DEG Metro Stars in ihrer altehrwürdigen Spielstätte, des Eisstadions
an der Brehmstraße. Die Geschichte und Erfolge der DEG sind untrennbar mit ihrem Stadion verbunden. Der „Mythos Brehmstraße“
hatte wesentlichen Anteil daran, dass der achtmalige Deutsche Meister zu einem der beliebtesten Clubs in Deutschland wurde. Kein Eisstadion hat hierzulande je diesen Bekanntheitsgrad erreicht. Es war
und ist sowohl in der weltweiten Eishockeyszene als auch bei NichtSportfans ein fester Begriff. Für die DEG Metro
Stars ist die laufende Saison also mit ein wenig
Wehmut, gleichzeitig aber auch mit großen Hoffnungen verbunden. Ob Hamburg, Köln, Mannheim
– alle Teams spielen mittlerweile in modernen Arenen, die für die Eishockeyfans mehr Komfort ohne
kalte Füße bietet. Sogar der direkte Nachbar und große
Rivale aus Krefeld trägt seine Heimbegegnungen in einer schicken Halle aus. Um konkurrenzfähig zu bleiben,
musste auch in Düsseldorf etwas passieren.
Der neue Dome in Rath wartet
Ab der nächsten Saison ziehen die Eishockeycracks
der Metro Stars ihre Kreise im neuen Dome in Düsseldorfer
Stadtteil Rath. Ein Schmuckstück mit mehr als 13.000 Plätzen,
mit mehr Komfort und Parkplätzen. In der zugigen Brehmstraße müssen die Geldgeber erst einmal einen kleinen Fußmarsch
machen, um in das VIP-Zelt zu gelangen. Also träumt man bei
den Metro Stars jetzt schon von einer rosigen Zukunft, in der
auch die Sponsoren besser präsentiert werden können. Natürlich
wird es auch für die ganz toughen Fans weiterhin Stehplätze geben, damit auch weiterhin Eishockey-Atmosphäre garantiert ist.
Und so wird die laufende Saison eine sehr lange Abschiedsvorstellung von der Brehmstraße. Zu diesem Anlass wurde extra ein eigenes
Merchandising-Programm aufgelegt. Die Werbeagentur Ogilvy entwickelte ein Logo mit dem alten Eistempel, demnächst erscheint auch
noch ein Buch mit Erinnerungen und Kuriositäten aus 70 Jahren.
Träumen kann man vom Dome jetzt schon – die Realität findet
aber erst einmal weiter im Altbau statt. Und da hat die Mannschaft in
der letzten Saison viel Kredit verspielt. Der Supergau war die NichtQualifikation für die Play-Offs. Ein Ende, mit dem niemand gerechnet hatte.
Neue sportliche Führung bringt die DEG auf Kurs
Also musste für diese Spielzeit gehandelt werden. Nach den beiden glücklosen Trainern Mike Komma und Butch Goring hat man
mit Don Jackson jetzt einen neuen starken Mann auf der Bank. Der
49-jährige Kanadier kam als Meister zur DEG. Jackson agierte in der
letzten Saison noch als Co-Trainer von Piere Pagé bei den Berliner
Eisbären – dem amtierenden DEL-Champion.
Ihm zur Seite steht einer der größten Eishockeyexperten. Lance
Nethery, der sowohl die Adler Mannheim als auch die Frankfurt Lions
bereits als Mann im Hintergrund zur Meisterschaft führte, übernahm
das Kommando als Manager. Er steuert den Club mit ruhiger Hand
und stellte mit Jackson eine schlagkräftige Mannschaft auf. Pöttin24
ger, Ulrich, Dandenault und Davidson wurden abgegeben, Urgestein
Bernd Kühnhauser lässt seine Karriere in Rosenheim ausklingen,
Brittig und Herr hingen die Schlittschuhe ganz an den Nagel. Christian Brittig bleibt der DEG aber erhalten. Als Co-Trainer und wichtiges
Bindeglied von Jackson. „Dass er letztes Jahr selbst noch im Team
spielte, ist auch ein großer Vorteil für ihn und mich. Ich sehe eine neue
Saison immer als Verlängerung der letzten Spielzeit. Christian schafft
hier die Verbindung zur letzten Saison. Die Spieler respektieren ihn.
DEG gegen Berlin - Siegesjubel nach Abpfiff
Er tritt überhaupt nicht auf, als wäre das seine erste Saison als Trainer“, zeigt sich der Chef angetan.
Das soll es dann mit den Gemeinsamkeiten zur abgelaufenen
Spielzeit auch gewesen sein. Das Ziel ist, attraktiveres, schnelleres
und erfolgreicheres Hockey zu spielen, um die Zuschauer wieder ins
Stadion zu locken und somit auch Werbung für die neue Spielstätte
zu machen.
Zwillinge als Hoffnungsträger
Dafür wurden neue Spieler geholt. Die Auffälligsten sind sicherlich die Zwillinge Chris und Peter Ferraro. Natürlich sind die beiden
Stürmer eingespielt, verbrachten ihre Eishockeyzeit zuletzt gemeinsam im schwedischen Södertälje und bei den Syracuse Crunch in der
American Hockey League (AHL). Außerdem bringen die „Twins“
auch eine gehörige Portion Glamour und verstärkt Frauen ins Stadion. Die beiden sind nebenberuflich als Models aktiv. Im Angriff wurden zudem noch Craig Johnson von den Hamburg Freezers und Chris
Schmidt von den Manchester Monarchs verpflichtet. Robert Dietrich
von Crimmitschau und Marian Bazany aus Regensburg sollen die Abwehr verstärken, kommen aber beide von unterklassigen Vereinen und
müssen sich erst einmal an das andere Klima in der DEL gewöhnen.
Zumindest bei Chris Ferraro merkt man, dass er in der Deutschen
Eishockey Liga (DEL) bereits angekommen ist. Zwei Tore und sechs
Assists standen beim US-Amerikaner nach zehn Spielen auf dem
Konto. Ausbaufähig, aber solide. Bruder Peter brachte es auf drei Tore
und zwei Assists.
Heimstärke als Wegbereiter für die Play-Offs
Und es läuft besser, als alle gedacht hatten. Nach 10 Spieltagen
fanden sich die DEG Metro Stars überraschenderweise auf Platz vier
der Tabelle wieder. Besonders die Heimstärke sticht heraus, so gab
DEG gegen Berlin - Alexander Sulzer
es unter anderem ein 4:3 gegen den ewigen Rivalen aus Köln und ein
vielumjubeltes 7:1 gegen die Nürnberg Ice Tigers. Zuletzt wurde auch
der amtierende Meister Eisbären Berlin mit 2:1 niedergekämpft.
Dabei machte das Verletzungspech leider nicht vor den Stadiontoren halt. Neuzugang Craig Johnson konnte bisher erst zwei Spiele
bestreiten, Trainer Jackson sah sich gezwungen, die Sturmreihen umzustellen. Auch Torwart Andrej Trefilov musste wegen Rückenproblemen lange zusehen. Spaß machen bisher vor allem die Stürmer Daniel
Kreuzer, Tore Vikingstad und Klaus Kathan, wobei sich der letztgenannte nach dem ersten Fünftel der Saison bereits acht Mal in die
Torschützenliste eintragen konnte. Damit ist er Ligaspitze. Vikingstad
glänzte zu Saisonbeginn mit elf Assists als Vorbereiter, Kreuzer war
mit 14 Scorerpunkten die Nummer eins bei der DEG und Nummer 2
in der DEL.
Auch die Auswärtserfolge in Augsburg (3:1) und Kassel (6:3)
geben durchaus Hoffnung, das anvisierte Saisonziel schneller als erwartet zu erreichen. „Eine Sache ist sicher: Wir müssen die Play-Offs
erreichen. Ich persönlich bereite meine Mannschaft allerdings jeden
Tag mit dem Ziel vor, das beste Team der Liga zu sein. Das ist meine
Motivation, erklärt Trainer Jackson.
Bis dahin ist es trotz des guten Tabellenplatzes noch ein weiter
Weg. Teams wie Frankfurt, Hannover, Ingolstadt und Mannheim sind
auf Augenhöhe, bei zwei schlechten Spielen hintereinander kann man
ganz schnell den Anschluss verlieren. Zumal man auch Rückschläge
verkraften muss. So wie die Heimniederlage gegen Iserlohn, als man
eine 2:0-Führung aus der Hand gab, um dann im Penalty-Schießen
zu verlieren. Dazu ist das Team in der Breite noch nicht ganz so stark
besetzt, so dass Ausfälle von Leistungsträgern nur schwer zu kompensieren sind. Bleibt zu hoffen, dass die Metro Stars von weiteren
Verletzungen verschont bleiben.
Und doch: Der Saisonstart ist verheißungsvoll. Die Verteidigung
steht besser als in der letzten Saison und kassierte
bisher nur 2,8 Gegentore pro Partie. Im Sturm spielt
Andrew Schneider eine wesentlich stärkere Saison
als im Vorjahr und kommt nach drei Treffern in den
Spielen gegen die Kassel Huskies und Eisbären immer besser in Fahrt. Und Torwart Alexander Jung, der
zurzeit für den verletzten Andrej Trefilov zwischen den
Pfosten steht, hielt nach zuvor herber Kritik die Siege in
Augsburg und gegen Berlin fast alleine fest.
Fans lassen auf sich warten
Gute Voraussetzungen also, um eine tolle Abschiedsvorstellung an der Brehmstraße zu geben. Das sehen die
Fans offenbar nicht ganz so. Das alte Stadion scheint wirklich ausgedient zu haben, noch nicht einmal die Nostalgiker halten der DEG die Treue. Selbst im rheinischen Derby
gegen die Kölner Haie war der ehemalige Eistempel nicht
ausverkauft, gerade einmal 7.074 Zuschauer sahen den 4:3Erfolg der Metro Stars. Insgesamt kamen zu den ersten fünf
Heimspielen im Durchschnitt nur 6.050 Fans. Vielleicht wirken
die schwachen Ergebnisse und Vorstellungen der letzten Saison
noch nach. Vielleicht sind es die Fans auch leid, 30 Minuten nach
einem Parkplatz zu suchen. Vielleicht hat der lange anhaltende Nebel beim ersten Heimspiel nachhaltigen negativen Eindruck hinterlassen. Oder es ist alles zusammen. Aber spätestens, wenn wirklich
die letzten Spiele an der Brehmstraße anliegen und die DEG weiter
in der oberen Hälfte mitspielen kann, wird das Stadion auch wieder besser gefüllt sein. Und danach geht es ja in den neuen Dome
– hoffentlich kann man die alte, legendenumwobene BrehmstraßenAtmosphäre gleich nach Düsseldorf-Rath mitnehmen.
Informationen zu den DEG Metro Stars
Internet: www.duesseldorfereg.de
Tabellenplatz 5 nach dem 11. Spieltag:
11 Spiele
6 gewonnen
2 verloren
3 verl. nach Penalty
38:32 Tore
21 Punkte
Text:
Tom Aust
Fotos:
Firo Sportphoto
25
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Boxunterricht bei der DEG
Am 15. Oktober fand in der Mehrzweckhalle Düsseldorf ein der
Weltmeisterschaftskampf im Halbschwergewicht zwischen Thomas Ulrich und Tomasz Adamek statt.. Im Vorfeld kämpften auch
der Franzose Willy Blain und der Deutsche Lukas Wilaschek.
Diese beiden Boxprofis besuchten ein paar Tage vorher das Training der DEG METRO STARS. Angeregt unterhielten sie sich dabei mit Chris Schmidt, der sich kürzlich beim Spiel gegen Nürnberg einen langen Faustkampf mit seinem Gegenspieler geliefert
hatte. Die Box-Profis zeigten Schmidt sowie den DEG METRO
STARS Mike Pellegrims, Thomas Jörg und Marian Bazany einige Boxtricks. Dabei simulierten die Spieler mit EishockeySchlägern einen Boxring, während Schmidt und Blain „im Ring
kämpften”.
Magic Moments
26
27
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Ausverkauft!?
Die Deutsche Eishockey Liga (DEL) spielt und keinen interessiert es. Das ist zwar vielleicht ein wenig hart formuliert, doch
in Deutschlands höchster Spielklasse stöhnen die Teams nach
dem ersten absolvierten Saison-Viertel gehörig. Der Zuschauerzuspruch lässt in dieser Spielzeit bisher arg zu wünschen übrig.
Insbesondere hier im Westen hatte man eigentlich vermutet,
dass nach dem Aufstieg der Duisburger Füchse das Interesse
steigen würde. Doch weit gefehlt. Bei der Mutter aller Derbys,
dem Rheinschlager DEG Metro Stars gegen Kölner Haie, kamen zuletzt nur 7.800 Fans an die Düsseldorfer Brehmstraße.
Eine Zahl, die alle Beteiligten schockierte. „Wahrscheinlich
haben wir in der Vorbereitung zu oft gegen Köln gespielt, da
ist der Reiz nicht mehr da“, versuchte Metro Stars-Geschäftsführer Elmar Schmellenkamp zu relativieren. Doch Fakt ist:
In den Jahren zuvor bekam man Wochen vor einem dieser
Derbys keine Tickets mehr. Heute sieht das anders aus.
Alles nur die Wirtschaftslage?
Auch in Nürnberg stöhnte man zuletzt. Gegen die Krefeld Pinguine, immerhin der Meister der Saison 2002/03, kamen gerade
einmal 2.800 Zuschauer in die Arena – Minusrekord seit Bestehen der neuen Halle an der Noris. In Hamburg, wo in den vergangenen beiden Jahren selbst Dienstagsspiele nahezu komplett ausverkauft (12.000 Plätze) waren, pendeln sich die Besucherzahlen
ebenfalls um 7.000 Fans ein. Was sind die Gründe? „Sicherlich
auch die allgemeine Wirtschaftslage“, meint Krefelds Sportlicher
Leiter Franz Fritzmeier, der auch bei den Pinguinen mit dem
bisherigen Zuschauerschnitt nicht zufrieden sein kann. Gerade
in der Seidenstadt kalkuliert man mit einem Schnitt von knapp
5.100 Fans. Angesichts zweier verpasster Play-off-Teilnahmen in
den Vorsaisons kein leichtes Unterfangen. Rein sportlich müssen
28
die Schwarz-Gelben nach einem eher durchwachsenen Start noch
einiges drauf legen. Doch nur durch sportliche Leistungen ist es in
der heutigen Zeit schwer, eine Halle zu füllen. Was besonders der
amtierende Deutsche Meister Eisbären Berlin zu spüren bekommt.
Das Kultstadion im Berliner Osten, der so genannte „Wellblechpalast“, war in der laufenden Spielzeit noch nicht einmal ausverkauft.
Die Meisterschaftseuphorie in der Hauptstadt lässt offenkundig auf
sich warten. Selbst beim ersten Auftritt vor eigenem Publikum in
der neuen Spielzeit blieben einige Plätze leer. „Der September ist
kein Eishockey-Monat“, nickt DEG-Geschäftsführer Schmellenkamp.
Kampf gegen König Fußball
Auch bei den Iserlohn Roosters und den Duisburger Füchsen
wartet man noch auf den großen Zuschauerzuspruch. Während die
Füchse als Aufsteiger allerdings nur einmal gegen Krefeld 4.000
Fans begrüßen konnten und die Roosters lediglich zuletzt gegen
Köln „ausverkauft“ melden konnten, ist auch bei den Kölner Haien in der prachtvollen Kölnarena weniger los als in den Jahren
zuvor. Köln und Duisburg haben zudem mit Konkurrenz in der
eigenen Stadt zu kämpfen. Sowohl der FC Köln als auch der MSV
sind seit dieser Spielzeit erstklassig, gegen „König Fußball“ ist
halt kein Kraut gewachsen.
Ein allgemeines Problem, an dem alle Klubs zu knabbern haben, ist zweifelsohne die Vermarktung. Eine unumgängliche Tatsache, schließlich hat sich das Zuschauerverhalten in den letzten
Jahren verändert. „Es reicht heutzutage nicht mehr aus, den Sport
an sich zu präsentieren“, erklärt Marketingleiter Ingo Haselbacher von den Krefeld Pinguinen. Um das Spiel herum müsse man
ein „Event“ aufziehen. Die Kundenbindung müsse ein Mix aus
Show, Spaß und Sport sein, meint Haselbacher. Im Fußball sei
Eishockey Special - Eishockey in NRW
Der Sport ist doch
das wichtigste
dies schon längst der Fall. Selbst Vereine mit mittelmäßigen sportlichen Leistungen seien Publikumsmagneten. „Und das nicht“, wie
Haselbacher erklärt, „weil sie so toll Fußball spielen.“
Abo
Ja, ich abonniere „nrw sports“
für ein Jahr zum Preis von 12,50 Euro ( 6 Ausgaben).
Name/Vorname:
Straße/Nr.:
PLZ/Ort:
Plus = Ausländerbeschränkung –
Minus = Eintrittspreis
Im Eishockey gibt es aber auch hausgemachte Probleme. Beispielsweise fehlen in den Mannschaften die Identifikationsfiguren.
Zwar hat die Deutsche Eishockey Liga mit der freiwilligen Ausländerbeschränkung den richtigen Weg beschritten, dennoch bleiben
nur die wenigsten Spieler ihren jeweiligen Vereinen lange treu.
Langfristige Verträge können wegen des fehlenden finanziellen
Hintergrundes beim Gros der Vereine nicht geschlossen werden.
Dass die Experten und Meinungsforscher auch gerne den Abstieg
der Deutschen Nationalmannschaft aus der A-Gruppe der Weltmeisterschaft für eine gewisse Eishockey-Müdigkeit als Argument
anführen, darf allerdings nur bedingt gelten. Der wohl eindeutigste Grund für die offensichtlich einbrechende Zuschauerresonanz ist jedoch nach wie vor der Eintrittspreis. Zwar bietet der
Eishockeysport knapp zweieinhalb Stunden reinen Sportspaß, doch
Ticketpreise zwischen zehn und 40 Euro für eines der 26 Heimspiele gehen enorm auf den Geldbeutel des (Stamm)Kunden. Eindeutig
zu viel für den regelmäßigen Zuschauer, insbesondere wenn er ein
Spiel mit der Familie besuchen möchte. Familientickets werden
zwar vergleichsweise gut abgesetzt, aber die Vereine können davon
dauerhaft keine schwarzen Zahlen schreiben.
FAZIT
Man wird sehen, wie sich die Zahlen in dieser Saison noch entwickeln werden. In den Wintermonaten dürfte es wieder bergauf
gehen. Doch auch nur dann, wenn Köln, Krefeld, Düsseldorf, Iserlohn oder Duisburg dauerhaft sportliche Erfolge feiern. Das alleine
hängt in erster Linie von den Spielern und Trainern ab. Mit anderen Worten, der Sport ist doch das Wichtigste.
Text:
Alexander Morel
Fotos:
Firo Sportphoto
Tel.:
Die kostenlose Lieferung ins Haus erfolgt einen Tag nach dem Erscheinen per Post.
Das Abonnement verlängert sich automatisch, wenn nicht vier Wochen vor Ablauf des
Abo-Jahres schriftlich gekündigt wird.
Konto-Nr.:
Geldinstitut:
Datum/Unterschrift:
BLZ:
Meine Bestellung kann ich innerhalb von 14 Tagen schriftlich widerrufen. (Poststempel)
Datum/2.Unterschrift:
Senden Sie den Coupon bitte vollständig ausgefüllt an:
NRW SPORTS - HENRY SPRENGER - SCHLOSS STRASSE 30 - 41363 JÜCHEN
oder per Fax an NRW SPORTS - 02182 - 824 62 74
31
Unsere NRW Vereine - 1. Bundesliga
NRW - weitere Aussichten: überwiegend sonnig
Lincoln (Schalke 04) läßt Hertas Marcelino stehen.
Schalker Babywiegen Einlage nach Kevin Kuranyis Tor
Unsere NRW Vereine - 1. Bundesliga
Luft in Höhenlagen: zunehmend gut
Metzelder und Ricken(BVB) vs. Stranzl (VFB Stuttgart)
A. Mayer (MSV Dusiburg) im Duell mit Markus Daun (1.FC N.)
A. Sinkala (Köln) setzt sich durch gegen Clemens Fritz (Bayer)
Unsere NRW Vereine - 1. Bundesliga
Gelegentliche Turbulenzen
Peer Kluge gegen Manuel Friedrich
Berbotiv vs. Sinkiewicz
Lukas Sinkiewicz und Josip Simunic
Der Beginn einer Serie
„Die glorreichen Sieben“ Teil 1:
Die Spielmacher
Mit den Mittelfeld-Strategen der sieben NRW-Bundesligisten
startet nrw sports seine unregelmäßige Interview-Serie, die zukünftig auch das Spektrum Torhüter, „Verteidigungs-Minister“, Torjäger
und Trainer umfassen wird. Im ersten Teil kommen die Dreh- und
Angelpunkte „unserer“ Fußball-Zugpferde zu Wort.
Der Dortmunder Ball-Virtuose Tomas Rosicky, der mit Tschechien noch im Rennen zum Fußball-Weltmeisterschafts-Spektakel
2006 in Deutschland ist, und sich als Zweiter der Qualifikationsgruppe für das KO-Spiel gegen Norwegen qualifiziert hat, nahm
sich genauso viel Zeit wie auch Sebastian Schindzielorz (1. FC
Köln), der nach seiner Spuck-Attacke im Liga-Pokal geläuterte Lincoln vom FC Schalke 04, Nationalspieler Bernd Schneider (Bayer
04 Leverkusen), Thomas Broich von Borussia Mönchengladbach,
Duisburgs Nationalspieler Ivica Grlic und Massimilian Porcello
vom DSC Arminia Bielefeld. Alle beantworteten bereitwillig die
etwas anderen Fragen unseres Magazins.
Bei den Interviews mit den „glorreichen Sieben“ ging es nicht
um das übliche „warum schafft Ihr Verein den Klassenerhalt“
oder „warum werden Sie Deutscher Meister“, sondern vielmehr
darum, den Protagonisten zu entlocken, was für Sie den Reiz am
Fußball ausmacht, was außerhalb des Rasenrechtecks wichtig
ist, um den maximalen Erfolg ausschöpfen zu können, ob die
totale Identifikation mit dem Arbeitgeber vorhanden ist, wie es
mit der Integration der einzelnen ausländischen Charaktere
klappt.
Auch die Nähe zum zahlenden Kunden, dem leidenschaftlichen Anhänger, der mit seinen „Jungs“ durch dick und dünn
geht, spielt für Rosicky & Co. eine Rolle, wobei es zwischen
den einzelnen Clubs gravierende Unterschiede gibt. In Dortmund ist der Zuschauer durch einen Metallzaun von seinen
„Lieblingen“ getrennt, Autogramme können entweder am Tor
zum Trainingsgelände oder aber auf offener Straße, wenn die
Stars bei der An- und Abreise zur Arbeit das Autofenster herunterlassen, erhascht werden. In Duisburg gibt es die Profis zum
Anfassen, der Weg vom Trainings-Gebäude zum Platz ist für
jedermann zugänglich, ebenso die Parkplätze der Spieler. „Die
Anhänger“, sagt Ivica Grlic, „sind für uns unheimlich wichtig.
Ohne sie wäre der Fußball nicht interessant.“ Allerdings weiß
der Nationalspieler Bosnien-Herzegowinas auch: „Das Publikum will immer Fortschritte sehen, man darf sich nie ausruhen.“
Und so präsentierten sich Grlic & Co. bei der Beantwortung der
Fragen ähnlich hellwach wie auf dem Fußball-Platz...
Text:
Thomas Tartemann
Foto:
Firo Sportphoto
Strasser gegen Petr Ruman (Mainz 05)
37
10 Fragen an 7 Spielmacher
Bernd Schneider, 32, Bayer 04: „Ich spiele jetzt
dass ich mich voll mit dem Verein identifiziere,
Bernd Schneider ist der Held der Stunde. Mit seinen 32
Jahren ist der gebürtige Jenaer Mittelfeldstar einer der erfahrensten und erfolgreichsten Kicker im Dress von Bayer Leverkusen. Ein Vorzug, der sich auch auf die Nationalelf auswirkt, wo er nach den jüngst bescheidenen Vorstellungen als
einer der wenigen Spieler Akzente setzen konnte. Mit seinem
Organisationstalent und kreativen Potential gelingt es ihm
scheinbar mühelos, jegliche Flaute zu umdribbeln. Schneider,
der nach eigenen Aussagen Interviews „nicht sonderlich mag“,
konnten wir nach einigen Anlaufschwierigkeiten doch noch
kurz vor Redaktionsschluss zur Beantwortung unserer Fragen
überreden. Los geht’s.
nrw sports: Identifizieren sich Spieler im Zeitalter der kurzfristigen Wechsel noch mit dem Verein, oder geht es nur darum
Geld zu verdienen?
Schneider: Ich spiele jetzt die siebte Saison für Bayer. Das beweist
wohl, dass ich mich voll mit dem Verein identifiziere, da die Bedingungen hier einfach optimal sind. Das bezieht sich sowohl auf
die sportlichen und medizinischen Voraussetzungen wie auf das
freundschaftliche Verhältnis untereinander.
nrw sports: In jedem Bundesliga-Kader gibt es eine bunte Mischung der verschiedensten Nationalitäten. Sind da nicht Mentalitätsprobleme, Integrationsschwierigkeiten und Grüppchenbildung vorprogrammiert?
Schneider: Ja, das ist doch normal. Es ist immer wichtig, dass die
Spieler zunächst ihre Sprachprobleme lösen, damit man mit ihnen
kommunizieren kann. Deshalb achte ich immer darauf, dass für die
Spieler, die unserer Sprache nicht mächtig sind, ein Dolmetscher zur
die siebte Saison für Bayer. Das beweist wohl,
da die Bedingungen hier einfach optimal sind.“
Verfügung steht. Aber mal davon abgesehen - Fußball ist doch die
Weltsprache (ah, also doch nicht Englisch – der Verf.), da kommt man
schon miteinander klar.
nrw sports: Wie definieren Sie ihre Rolle in der Mannschaft?
Welche Rolle spielen sie auf dem Feld? Sind sie der Führungsspieler?
Schneider: Ich gehöre auf jeden Fall zu den erfahrenen Spielern und
übernehme daher auch schon mal Verantwortung. Dabei geht es aber
nicht darum, nur sinnlos auf dem Platz herumzubrüllen, sondern man
muss sich auch mal Zeit für den ein- oder anderen Spieler nehmen.
Manchmal muss ich jemanden wachrütteln, das passiert. Vieles wird
aber auch außerhalb des Platzes in einem privaten
Rahmen geklärt
nrw sports: Können ihre Mannschaftskameraden immer auf ihre Kreativität eingehen? Wie
viele Missverständnisse gibt es während eines
Spiels? Wie oft müssen Sie sich umentscheiden,
weil Sie gemerkt haben, dass ihre Ideen nicht
umgesetzt werden können?
Schneider: Ab und zu hat man eine Idee und will
die dann nicht nach Schema F ausführen, aber taktische Entscheidungen werden immer noch vom
Trainer getroffen, darauf habe ich keinen Einfluss.
nrw sports: Ist es Ihre Aufgabe, mögliche Taktik-Veränderungen innerhalb eines Spiels weiterzugeben und umzusetzen? Sind Sie der verlängerte Arm des Trainers auf dem Spielfeld?
Schneider: Nein, so etwas wird in der Halbzeitpause besprochen, nicht während des Spiels.
nrw sports: Wie groß ist die Konkurrenz im
Team um den Posten des „Regisseurs“? Welches
Verhältnis haben Sie zu „direkten“ Konkurrenten?
Schneider: Man arbeitet als Mannschaft. Da geht es
nicht um Einzelne.
nrw sports: Welche Möglichkeiten haben Sie, dass sich Nachwuchsakteure oder verletzte Spieler weiterhin als integraler Bestandteil der Mannschaft fühlen?
Schneider: Nun, da gibt es viele Möglichkeiten. In erster Linie ist
es wichtig, dass man auch privat ein gutes Verhältnis zueinander hat
und auch abseits der Vereinsaktivitäten ein offenes Ohr hat und auch
schon mal in seiner Freizeit etwas mit den anderen unternimmt.
nrw sports: Welches Umfeld im Verein und außerhalb des
Clubs, brauchen Sie, um auf dem Platz die besten Leistungen
zeigen zu können?
Schneider: Tja, da muss einfach alles stimmen, vom Busfahrer
bis zum Zeugwart. Natürlich spielen der Trainer sowie die positive Gesamtstimmung eine wichtige Rolle. Man muss sich einfach
38
rundum wohl fühlen können.
nrw sports: Welche Rolle spielen Sie außerhalb des Spielfeldes,
im Training, außerhalb der Vereinsanlage? Sind sie auch da Führungs-Persönlichkeit? Fördern gemeinsame Freizeit-Aktivitäten
des Teams das Spielverständnis? Welche Forderungen der Fans
können Sie erfüllen?
Schneider: Ich glaube, das habe ich schon beantwortet.
nrw sports: Was denken Sie, wie wichtig die Fans für das Team
sind? Spielt man auch für seine Anhänger. Sind die Anforderungen der Anhänger eher belastend oder motivierend? Sind
sich die Spieler der immensen Bedeutung der
großen Lokalderbys für die Fans bewusst?
Schneider: Ich denke, wir haben phantastische
Fans. Sie sind vielleicht nicht so lautstark wie in
verschiedenen anderen Vereinen, aber das weiß
man auch. Und es gibt Ausnahmen, in denen sie
regelrecht ausrasten. Das zeigt sich vor allem in
Spielen, wie gegen Manchester United. Natürlich kann man Leverkusen nicht mit Dortmund
vergleichen, aber im Gegensatz zu solchen Orten wie Nürnberg oder Bielefeld, sind unsere
Fans sogar sehr temperamentvoll. Und außerdem stehen sie immer hinter uns – oder zeigen
sie mir mal eine andere Mannschaft, die immer
noch innbrünstig angefeuert wird, wenn sie bereits 0:3 hinten liegt.
Als wir Bernd Schneider zu seiner guten
Vorstellung gegen China im Nationaltrikot
fragen, wiegelt er bescheiden ab: „Ich glaube
nicht, dass man hier Einzelleistungen bewerten sollte. Mal hat ein Spieler einen guten, mal
einen schlechten Tag. Wichtig ist, dass die Mannschaft gewonnen hat, vor allem im Moment, wo
es für uns nicht so gut läuft.“ Ja ja, der Star ist die
Mannschaft. Aber leider ist die Nationalmannschaft momentan
eher auf dem absteigenden Ast. Nur Schneider scheint seine
Aufgaben ganz im Sinne des Trainers zu erfüllen. „Das müssen
andere entscheiden“, blockt er auch hier, fügt aber hinzu: „Natürlich sind manche Spiele nicht so schön anzusehen. Die Chinesen haben gut hinten zu gemacht und zwei viel versprechende
Torchancen herausgearbeitet. Als wir dann auch noch zusätzlich
Druck von den Fans bekamen, lief bei uns einiges schief, doch
das sollte man nicht zu sehr überbewerten. Wichtig ist, dass wir
uns auf die WM konzentrieren und optimal vorbereitet sind.“
Na, das hoffen wir doch schließlich alle, oder?
Text:
Markus Italiani
Fotos:
Firo Sportphoto
39
10 Fragen an 7 Spielmacher
Thomas Broich, 25, Borussia M.-gladbach:
öffnende Pässe spielen kann, öfter Tore
Thomas Broich wechselte zur Winterpause der Saison 2003/
2004 von Wacker Burghausen zur Borussia. Neben den Mönchengladbachern bemühten sich noch weitere Bundesligisten
um den hochtalentierten damaligen U21-Nationalspieler. Die
Führung des Traditionsvereins lud Broich nach Mönchengladbach ein, zeigte dem 24-Jährigen die Stadt und das Stadion
– damals noch den Bökelberg. „Es gab ein paar Angebote von
Bundesligisten, aber es hat sich kein Verein so intensiv um mich
bemüht wie Gladbach und deswegen war es im Endeffekt klar,
dass ich hier landen würde“, erläutert der Mittelfeldspieler. Die
logische Konsequenz der Bemühungen von Manager Christian
Hochstätter und Trainer Holger Fach war die Unterschrift von
Broich. Nach nunmehr 47 Bundesligaspielen und drei Toren hat
sich Broich seinen Stammplatz in der Schaltzentrale der Borussia erkämpft und stellte sich bereitwillig den Fragen der nrw
sports.
nrw sports: Identifiziert sich ein Spieler im Zeitalter der kurzfristigen Wechsel noch mit dem Verein oder geht es mehr ums
Geldverdienen?
Broich: Das Geldverdienen ist ein angenehmer Nebeneffekt. Ich
denke, dass es für jeden Menschen wichtig ist, sich einfach wohl zu
fühlen. Und wenn du einen Verein gefunden hast, bei dem dich die
Fans auch noch gut leiden mögen und du optimale Rahmenbedingungen mit großer Tradition hast, dann kann man sich damit auch
identifizieren - und das ist nicht nur so ein Spruch. Natürlich möchte
man spielen. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss man zwangsläufig schauen, wo man bleibt, gerade wenn man jung ist. Dann
kann es der schönste Verein
der Welt sein – wenn du Woche für Woche nur auf der
Tribüne sitzt, hat das keine
Zukunft.
sondern man sollte lieber ein bisschen plaudern, auch wenn es mit
Tschechen, Franzosen und Brasilianern nicht immer einfach ist. Man
muss versuchen eine menschliche Basis zu finden.
nrw sports: Wie definieren Sie Ihre Rolle in der Mannschaft?
Sind sie der Führungsspieler? Welche Rolle spielen Sie auf dem
Feld?
Broich: Ich denke, dass ich der Mann sein kann, der ein Spiel gestalten kann, dass ich ganz gut öffnende Pässe spielen kann, öfter mal
Tore vorbereite und im Idealfall auch selber „knipse“.
nrw sports: Können die
Mannschaftskameraden
immer auf Ihre Kreativität
eingehen? Wie viele Missverständnisse gibt es während
eines Spiels? Wie oft müssen
nrw sports: In jedem
Sie sich umentscheiden, weil
Bundesliga-Kader gibt es
Sie gemerkt haben, dass Ihre
eine bunte Mischung der
Ideen nicht umgesetzt werden
verschiedensten
Natiokönnen?
nalitäten. Sind da nicht
Broich: Das ist zahlenmäßig
Mentalitätsprobleme, Inschwierig festzuhalten. Es ist
tegrationsschwierigkeiten
natürlich so, dass man ab und
und Grüppchenbildung
an mal eine Idee hat, auf die
vorprogrammiert? Was
ein anderer nicht eingeht. Ich
tun Sie als Führungsspiedenke, dass es andersherum geler, um integrierend zu
nauso die Kunst ist, mit einer
wirken?
guten Mannschaft diese MissBroich: Das gibt es sicher
verständnisse zu minimieren.
alles, aber es gibt auch po- Thomas Broichs Jubel zu seinem 1:1 gegen Bremen.
Und ich denke, dass wir gerade
sitive Faktoren, die so ein
auf einem guten Weg sind, und
Multikulti mit sich bringt. Es treffen verschiedene Mentalitäten dass die Automatismen langsam greifen. Selbst dann wird es diese
aufeinander. Dann kann es mal ein bisschen Zoff geben, aber Situationen geben, wenn man schon die nächste Idee im Kopf. Da
das kann sich auch unheimlich befruchten. Z.B. wenn man die willst du den Ball steil spielen, aber der andere denkt von vornherein,
deutsche Disziplin mit brasilianischer Kreativität verbindet, mit da kommt er eh nicht dran. Dann musst du halt abbrechen und den
der Lebensfreude, die die Südländer mitbringen.
Ball quer spielen, auch wenn es weh tut, weil du eine vermeintlich
Es ist eigentlich wie überall im Leben – es gibt nicht nur bessere Idee im Kopf hast.
Vor- und nicht nur Nachteile. Für ausländische Spieler ist es
erst einmal wichtig deutsch zu lernen, weil es doch die Sprache nrw sports: Ist es Ihre Aufgabe, mögliche Taktik-Veränderungen
sein sollte, in der wir kommunizieren, auch wenn mittlerweile innerhalb eines Spiels weiterzugeben und umzusetzen? Sind Sie
viel in Englisch abläuft. Ansonsten gilt es halt, Mannschafts- der verlängerte Arm des Trainers auf dem Spielfeld?
abende zu machen, als Team zu wachsen, einfach miteinander Broich: Das ist nicht nur Aufgabe des Spielmachers. Da trifft es anzu reden, das ist ganz wichtig. Wenn man am Frühstückstisch dere Positionen genauso. Es ist ja so, dass man in der Mannschaft eine
zusammensitzt, sollte nicht jeder eine Zeitung vor sich haben, gewisse Achse hat. Die zwei zentralen Innenverteidiger, den defensi-
38
„Ich denke, dass ich ein Spiel gestalten und
vorbereite und im Idealfall auch selber knipse.“
ven Mittelfeldspieler und den offensiven Mittelfeldspieler. Wir sollten
gemeinsam auf gewisse Dinge reagieren. Wenn wir sehen, dass wir
im Mittelfeld nicht in die Zweikämpfe kommen, dass wir einfach keine Ordnung haben, dann müssen wir taktisch korrigierend eingreifen, das ist schon richtig.
Ein Gespräch mit dem Trainer kann während
des Spiels natürlich vorkommen. Aber es ist mittlerweile schwierig geworden, in diesen lauten Stadien zu kommunizieren. Auf dem Bökelberg war
es sehr stimmungsvoll, aber mittlerweile ist es in
fast jeder Arena so, dass der Lärmpegel immens
ist. Ein Coach hat es wahnsinnig schwer, von aussen auf die Spieler einzuwirken.
nrw sports: Wie groß ist die Konkurrenz im
Team um den Posten des Regisseurs? Welches
Verhältnis haben Sie zu Ihrem direkten Konkurrenten?
Broich: Menschlich geht man ganz genauso mit
dem Spieler auf deiner Position um wie mit jedem
anderen. Ich sehe das nicht so, dass der mir irgendwas wegnimmt oder so. In meinem Fall ist es der
Krisztian Lisztes, der meine Position ausfüllen
könnte. Ich habe ihn als ganz, ganz netten Menschen kennen gelernt und da gibt es abseits des
Platzes keine Probleme. Aber wenn es auf das Feld
geht, dann versucht jeder mit Macht, seine Position
zu behaupten oder die des anderen zu erkämpfen.
Das ist normal. Mit Marek Heinz bin ich auch ordentlich ausgekommen. Es ist natürlich immer ein
bisschen unglücklich, wenn es heißt: Entweder der oder
der. Aber so sind die Gesetzmäßigkeiten im Fußball.
nrw sports: Welche Möglichkeiten haben Sie, dass sich
Nachwuchsakteure oder verletzte Spieler weiterhin als integraler Bestandteil der Mannschaft fühlen?
Broich: Auf jeden Fall durch viel Reden. Gerade mit jungen Spielern sollte man sehr viel kommunizieren, weil sie oft genug noch nicht
wissen, wo sie stehen. Sie sind meist sehr schüchtern und bescheiden.
Da kann man das Selbstvertrauen in ihnen wecken.
Bei Marcel Jansen war es ein bisschen anders gelagert. Der war
eigentlich schon immer sehr selbstbewusst und ist wirklich gradlinig
nach oben geschossen. Bei Eugen Polanski und Marvin Compper
ist es so, dass die beiden unheimlich viel Potential haben, aber sich
manchmal nicht so viel zutrauen. Die müssen noch mehr aus sich
rausgehen und sie sollten sich ihrer Klasse bewusster sein.
nrw sports: Welches Umfeld im und außerhalb des Vereins brauchen Sie, um auf dem Platz die beste Leistung zeigen zu können?
Broich: Es ist nicht so, dass wir von vorne bis hinten alles nachgetragen bekommen müssen. Es ist sehr angenehm, dass sich die Leute
der Borussia um sehr viel kümmern, aber ich denke mal, dass jeder
Persönlichkeit genug sein sollte, die alltäglichen Dinge auch alleine
zu managen.
nrw sports: Welche Rolle spielen Sie außerhalb des Spielfeldes,
im Training, außerhalb der Vereinsanlage?
Broich: Ich würde sagen, dass ich eher ein ruhiger, bedachter Kerl
bin. Also gerade, wenn die Leute ein bisschen hitziger werden, kann ich als Ruhepol fungieren.
Mir tut es manchmal leid, wenn wir auf dem
Land Freundschaftsspiele absolvieren. Da kommen 3.000 Leute, die die Borussia selten sehen
und dann nicht die Möglichkeit haben, engen
Kontakt zu den Spielern zu knüpfen und man
kann dann nicht sämtliche Autogrammwünsche
erfüllen. Du musst einfach nach 15 oder 30 Minuten sagen: So Jungs jetzt geht es einfach nicht
weiter, weil wir in fünf Minuten abfahren. Dann
lässt du halt ein paar Leute stehen, die ewig angestanden haben und sich natürlich bitter böse
beschweren. Man bemüht sich so gut es geht,
den Wünschen nachzukommen, aber es ist natürlich nicht immer möglich.
nrw sports: Was denken Sie, wie wichtig die
Fans für das Team sind? Spielt man auch für
seine Anhänger?
Broich: Die Fans sind immens wichtig. Weil
man im Stadion entweder eine Wand hinter
sich stehen hat oder gegen so eine kollektive
Antistimmung ankämpft. Jeder Fußballer weiß,
wie schwer es ist, wenn die Leute unzufrieden
werden, die ersten Pfiffe kommen und im Umkehrschluss wie beflügelnd und motivierend es
sein kann, wenn die hinter dem Tor Party machen
und was das für Kräfte frei setzt. Dieses Wechselspiel
zwischen Spielern und Fans ist essentiell im Fußball.
Prinzipiell denke ich, dass Pfiffe einen runterziehen.
Die machen dich einfach noch unsicherer. Ich würde mir
wünschen, dass die Leute, egal wie es steht, 90 Minuten Gas
geben. Wenn wir nach 90 Minuten versagt haben, dann können sich mich auch auspfeifen wie sie wollen, aber während des
Spiels ist es immer dienlicher, wenn positive Reaktionen von
der Tribüne kommen, die uns pushen und nach vorne treiben.
Ich finde das super positiv, wenn das ganze Stadion brodelt und
kocht und einfach der Lärmpegel immens hoch ist. Das beflügelt total, da kann man sich in einen richtigen Rausch spielen.
Gerade bei den Derbys herrscht oft diese Stimmung. Ich
komme aus München und weiß durchaus, was es heißt, ein
Derby zu bestreiten. Dann kommst du nach Mönchengladbach
und hast halt zwei andere Parteien. Die Rivalität die herrscht
begreift man ganz schnell. Du sprichst ja im Vorfeld mit Fans,
du siehst, wie das in den Zeitungen aufbereitet wird. Dem
kannst du dich gar nicht entziehen. Vor diesen besonderen
Spielen grassiert so etwas wie ein Fieber.
Text:
Tom Aust
Fotos:
Firo Sportphoto
39
10 Fragen an 7 Spielmacher
Schindzielorz, 25, 1.FC Köln:
dabei ist, kann man
In den letzten Jahren ist Sebastian Schindzielorz nicht gerade
vom Glück verfolgt. Gerade war er
ablösefrei vom VfL Bochum zum
1. FC Köln gewechselt, verabschiedeten sich die Geißböcke aus Liga
Eins. „Sesi“ hatte aber nur für die
Bundesliga in der Domstadt unterschrieben, der Vertrag wäre hinfällig gewesen. Doch der defensive Mittelfeldspieler entschied sich für den
harten Weg zurück in die Eliteklasse. „Schon bei meinem Wechsel von
Bochum war klar, dass der FC ein
schweres Jahr vor sich haben würde. Leider hat es nicht zum Klassenerhalt gereicht und ich selbst
konnte nicht mithelfen, das zu verhindern. Aber ich bin nach wie vor
von der Sache und der Perspektive
des Clubs überzeugt“, erklärt er.
Kaum irgendwo habe ein Verein
solch positive Entwicklungschancen vor sich. Das Zuschauerpotenzial, die Möglichkeiten des neuen
Stadions – das alles prädestiniere
den 1. FC Köln für höhere sportliche Regionen. „Auf Dauer wird
sich der FC in der Bundesliga
wieder etablieren. Davon bin ich
überzeugt“, sagt „Sesi“.
Leider hat er vergleichsweise
wenig zum Aufschwung beitragen können. Viele Verletzungen,
darunter ein Mittelfußbruch
und ein Innenband-Teilabriss,
warfen ihn in seiner sportlichen
Entwicklung zurück. Immerhin
hatte er es zum U21-Nationalspielergebracht und war auf dem Sebastian Schindzielorz - Kapitän des 1.FC Köln - im Hintergrund Thomas
Sprung in den Kader von Bundes- Broich - Borussia Mönchengladbach
trainer Jürgen Klinsmann. Rückschläge im Heilungsprozess warfen Sebastian immer Profi hat man gerade am Ende einer langen Saison schon mal
wieder zurück. Aus Wochen wurden Monate, schließlich ein paar Wehwehchen, motiviert sich dann nur schwer. Aber
fast ein ganzes Jahr. „Das bitterste meiner Karriere“, das wird mir nie wieder passieren! Wie oft hab´ ich mich nach
sagt „Sesi“ heute. Die Verletzung, die Schmerzen, die Muskelkater gesehnt…“ Auch in der aktuellen Spielzeit hat
einsamen Stunden beim Reha-Training – das alles habe Schindzielorz gerade mal ein Drittel der Meisterschaftsspiele
genervt. Und manchmal auch die Fragen nach seinem bestreiten können. Seine Fans hat er dennoch behalten. „Hallo
Wohlergehen. „Es war ja nicht absehbar, wann ich wie- Sesi, Wollt dir nur sagen, wie unnormal geil du spielst und das
der spielen könnte. Und während die Jungs sich auf dem du mega geil aussiehst ciao, bis dann - kiss - deine steffi“, so ein
Rasen warm gemacht haben, musste ich von der Tribüne Original-Auszug aus dem Gästebuch der Internetseite www.
aus zusehen“, erinnert sich Sebastian. Und dann berich- sebastian-schindzielorz.de. nrw sports sprach mit der 26-jähtet er von einer neuen Erfahrung: „Ganz ehrlich – als rigen Kämpfernatur.
40
„Wenn man nicht mit dem Herzen
auch keine Leistung bringen.“
nrw sports: Identifizieren sich Spieler im Zeitalter der kurzfristigen Wechsel noch mit dem Verein, oder geht es nur darum einen Job zu machen, bei dem viel Geld zu
verdienen ist?
Schindzielorz: Klar identifiziert man sich als
Spieler mit dem Verein. Ich für meine Person stehe voll hinter dem FC und versuche für den Club
alles zu geben. Wenn man nicht mit dem Herzen
dabei ist, kann man auch keine Leistung bringen.
nrw sports: In jedem Bundesliga-Kader gibt
es eine bunte Mischung der verschiedensten
Nationalitäten. Sind da nicht MentalitätsProbleme, Integrationsschwierigkeiten und
Grüppchenbildung vorprogrammiert? Was
tun Sie als Führungsspieler, um integrierend
zu wirken?
Schindzielorz: Ich versuche als Kapitän jeden
Spieler gleich zu behandeln und besonders auf
die neuen und jungen Spieler zuzugehen. Gerade im Mannschaftssport ist es wichtig, dass sich
alle untereinander gut verstehen, denn jeder muss
sich auf jeden verlassen können. Klar versteht
man sich mit dem einen oder anderen besser,
aber letztendlich ziehen wir alle an einen Strang
und verstehen uns sehr gut.
nrw sports: Wie definieren Sie ihre Rolle in der
Mannschaft? Welche Rolle spielen sie auf dem
Feld?
Schindzielorz: In der Mannschaft wie auf dem Platz spiele ich im
Mittelfeld. In der Mannschaft bin ich für jeden ansprechbar, auf
dem Feld versuche ich immer anspielbar zu sein und die Bälle
zu verteilen. Wir haben eine sehr junge Mannschaft, da muss ich
persönlich auch Verantwortung übernehmen und auf die jüngeren
Spieler einwirken.
nrw sports: Können ihre Mitspieler immer auf Ihre Anweisungen bzw. Ihre Kreativität eingehen? Gibt es hin und wieder
auch Missverständnisse während eines Spiels?
Schindzielorz: Klar gibt es während eines Spieles auch Missverständnisse.
nrw sports: Ist es Ihre Aufgabe, mögliche Taktik-Veränderungen innerhalb eines Spiels weiterzugeben und umzusetzen? Sind
Sie der „verlängerte Arm“ des Trainers auf dem Spielfeld?
Schindzielorz: Der Trainer hat mehrere „verlängerte Arme“ auf
dem Feld. Auch ich bin einer, der wenn es nötig ist, die Anweisungen des Trainers an die anderen Spieler weitergibt.
nrw sports: Gibt es eine Konkurrenz im Team um den Führungs-Anspruch oder kann man sich auch Führungs-Aufgaben
teilen?
Schindzielorz: Eine Mannschaft hat ja nicht nur einen Führungsspieler. In einer jungen Mannschaft wie bei uns kommt es gerade
auf die älteren Spieler an, Führungsaufgaben zu
übernehmen. Lukas Podolski und Lukas Sinkiewicz sind schon trotz ihres jugendlichen Alters
klare Führungsspieler im Team. (Anmerkung
nrw sports: Podolski und Sinkiewicz sind beide
erst 20 Jahre alt.)
nrw sports: Welche Möglichkeiten haben Sie,
dass sich Nachwuchsakteure oder verletzte
Spieler weiterhin als Bestandteil der Mannschaft fühlen?
Schindzielorz: Auch wenn Spieler verletzt
sind oder sich in der Reha befinden, verlieren
sie bei uns nicht den Kontakt zur Mannschaft.
Wir versuchen, dass diese Spieler auch zu den
Trainingseinheiten kommen, an denen sie verletzungsbedingt nicht teilnehmen können. So
bleiben sie und die anderen immer auf dem
Laufenden.
nrw sports: Welches Umfeld bietet Ihr Verein außerhalb des Trainingsplatzes?
Schindzielorz: Vom Umfeld her ist der 1.FC
Köln in dieser Beziehung absolut erstklassig.
Nicht nur als neuer Spieler wird man hervorragend betreut. Das Management und die ClubMitarbeiter stehen den Spielern immer mit Rat und
Tat zur Seite.
nrw sports: Welche Rolle spielen Sie außerhalb des Spielfeldes? Fördern gemeinsame Freizeit-Aktivitäten des Teams
das Spielverständnis?
Schindzielorz: Wie schon gesagt versuche ich integrativ zu
wirken. Ein gutes Mannschaftsklima ist wichtig. Sicherlich
fördern auch gemeinsame Freizeit Aktivitäten die Harmonie
des Teams.
nrw sports: Wie wichtig sind die Fans für das Team? Sind
sich die Spieler der immensen Bedeutung der großen Derbys bewusst?
Schindzielorz: Klar spielt man auch für die Fans. Sie sind
schließlich das Herz des Vereins. Es ist ein tolles Gefühl
ins ausverkaufte RheinEnergieStadion einzulaufen und vor
50.000 Zuschauern zu spielen. Das ist motivierend und nicht
belastend. Aber dennoch haben wir als Mannschaft auch eine
große Verantwortung gegenüber unseren treuen und immer
begeisterrungsfähigen Anhängern.
Text:
Jörg Porstmann
Fotos:
Firo Sportphoto
41
10 Fragen an 7 Spielmacher
Lincoln, 25, FC Schalke 04:
bedeutet und ich für Schalke bedeute.
Als Lincoln Cassio de Souza Soares im Juni 2004 als Neuzugang beim FC Schalke 04 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde,
machte er einen beinahe demütig bescheidenen Eindruck. „Ich
danke Rudi Assauer, dass er mir diese Chance gegeben und mich
zu diesem Verein geholt hat“, erzählte der in Sao Bras do Suacui
– Minas Gerais geborene Brasilianer seinerzeit. Damals hatte
er wohl die bitterste Zeit seiner sportlichen Karriere durchgemacht, war beim 1. FC Kaiserslautern aussortiert worden, obwohl sein Vertrag bei den Pfälzern noch Gültigkeit besaß. Lincoln, körperlich und seelisch angeschlagen, floh in die Heimat,
wo ihn der Anruf seines Beraters Roger Wittmann aus der Krise
rettete. „Als er mir sagte, Schalke wolle mich holen, habe ich
ihm geantwortet: Ja, sofort“, erinnert sich der 1,77 Meter große
Fußball-Zauberer, der im Tausch für Jochen Seitz von der Pfalz
ins Revier wechselte. Eineinhalb Jahre später gilt Lincoln als der
Kopf des amtierenden Vizemeisters aus Gelsenkirchen. Mit seinen Ideen steht und fällt das Spiel der Königsblauen. Obwohl
Lincoln im Interview mit „nrw sports“ nicht verhehlen will, dass
er wichtig für den FC Schalke sei, betont er im gleichen Atemzug, dass auch er nur ein Teil der Mannschaft ist.
nrw sports: Identifizieren sich Spieler im Zeitalter der kurzfristigen Wechsel noch mit dem Verein, oder geht es nur darum
Geld zu verdienen?
Lincoln: Das kann schon sein, dass es solche Spieler gibt, jeder
hat seine eigene Einstellung. Aber ich denke nicht so. Schau mal,
ich komme aus ganz armen Verhältnissen in Brasilien. Wenn man
dann als Fußballer viel verdient, ist das für einen sicher wichtig,
weil man nur ein paar Jahre lang Fußball spielt und in der Zeit
vielleicht für den Rest des Lebens vorsorgen will. Jeder weiß,
dass ich mich voll mit Schalke identifiziere. Dieses Gefühl für
den Verein war sofort da. Mit keiner anderen Mannschaft habe ich
mich so schnell verbunden gefühlt wie mit Schalke.
nrw sports: In jedem Bundesliga-Kader gibt es eine bunte Mischung der verschiedensten Nationalitäten. Kann das Probleme
geben, weil Spieler aus ganz unterschiedlichen Kulturen zusammen kommen, um in einer Mannschaft Fußball zu spielen?
Lincoln: Das kann Probleme geben, aber bei uns ist das nicht so. Wir
haben einige Deutsche, zwei Dänen, jeweils einen Türken, Polen,
Serben, Bosnier, Georgier, zwei Uruguayer und drei Brasilianer in
„Ich weiß genau, was Schalke für mich
Das passt sehr gut zusammen.“
der Mannschaft und alle kommen miteinander klar. Wir haben keine
Grüppchenbildung, aber wegen der gemeinsamen Sprache ist es natürlich klar, dass sich zum Beispiel die Brasilianer mehr miteinander
unterhalten.
nrw sports: Wie definieren Sie Ihre Rolle in der
Mannschaft. Fühlen Sie sich als der Führungsspieler?
Lincoln: Ich weiß genau, was Schalke für mich
bedeutet und ich für Schalke bedeute. Das passt
sehr gut zusammen. Aber Schalke ist nicht nur
Lincoln, wir haben viele gute Spieler. Ich versuche, das Beste zu geben und Spaß am Fußball zu
haben, dann läuft es meistens gut.
nrw sports: Können Ihre Mannschaftskameraden immer auf Ihre Kreativität eingehen?
Lincoln: Das kommt darauf an, wie wir eingespielt
sind und wie das Spiel läuft. Kevin Kuranyi ist im
Sommer neu gekommen, dann muss man sich erst
aufeinander abstimmen. Das hat bei uns zunächst
gut geklappt. Wenn man eine Pause hat so wie ich
am Anfang der Saison, kann es auch wieder etwas
dauern, bis man wieder so funktioniert wie vorher.
nrw sports: Fungieren Sie auch als verlängerter Arm des Trainers auf dem Spielfeld, um
mögliche Taktik-Veränderungen innerhalb eines
Spiels weiterzugeben und umzusetzen?
Lincoln: Der Trainer sieht von außen viel besser als wir
auf dem Platz, was zu tun ist. Wenn er eingreifen will, dann
versucht er, die Spieler anzusprechen, die ihre Positionen verschieben oder irgendetwas anderes verändern sollen. Für uns Spieler ist
es manchmal schwierig, so etwas zu erkennen, weil alles so schnell
geht und du dich auf das Spiel konzentrierst. Wenn der Trainer Anweisungen gibt, muss man als Spieler darauf reagieren.
nrw sports: Wie groß ist die Konkurrenz im Team um den Posten
des so genannten Regisseurs?
Lincoln: So etwas gibt es bei uns nicht. Jeder hat in der Mannschaft
seine Aufgaben, seine ganz bestimmten Qualitäten. Das macht uns
stark, nur so können wir Erfolg haben. Meine Stärke ist wohl, das
Spiel nach vorne zu machen und unsere Stürmer gut einzusetzen
oder selbst zu versuchen, ein Tor zu erzielen. Ob das jetzt Regisseur
heißt oder Spielmacher, ist vollkommen egal.
Kevin Kuranyi, Lincoln und Sören Larsen beim gemeinsamen Torjubel
42
nrw sports: In wie weit kümmern Sie sich darum, dass sich verletzte Akteure oder Nachwuchsspieler als Teil der Mannschaft
fühlen?
Lincoln: Da sind meistens die älteren Spieler gefordert, die Jüngeren zu integrieren. Zum Beispiel Rafinha, der erst kurz vor dem
Saisonstart zu uns gekommen ist und keinen Menschen in Deutschland oder bei Schalke kannte. Marcelo Bordon und ich haben uns
dann besonders um unseren Landsmann gekümmert, dass er sich
hier schnell wohl fühlt. Ich kenne diese Situation aus meiner Zeit.
In Brasilien war ich schon mit 17 Profi in der ersten Mannschaft von
Atletico Mineiro. Da bist du froh, wenn sich ein erfahrener Mann
um dich sorgt. Bei mir war das damals Tafarel,
ihm habe ich sehr viel zu verdanken.
nrw sports: Welches Umfeld im Verein, zum
Beispiel bei der Betreuung außerhalb des Platzes brauchen Sie, um auf dem Feld die besten
Leistungen zeigen zu können?
Lincoln: Das ist ein großer Vorteil, denn so hast
du den Kopf freier für den Fußball. Schalke
kümmert sich sehr um seine Spieler, nimmt uns
vieles ab, damit wir uns voll und ganz auf den
Sport konzentrieren können. Da in letzter Zeit
einige Spieler geholt wurden, die kein Deutsch
können, ist der Sprach-Unterricht sehr wichtig.
Ich nehme noch einmal das Beispiel Rafinha:
Er ist erst seit einigen Wochen hier und lernt
schon die deutsche Sprache. Der Verein macht
alles, aber auf dem Platz müssen wir zeigen,
was wir drauf haben.
nrw sports: Wie wichtig ist es für den Zusammenhalt der Mannschaft, dass sich die
Spieler auch außerhalb des Trainings und
des Spiels treffen, um in der Freizeit etwas
zu unternehmen?
Lincoln: Wir trainieren ja jeden Tag zusammen
und spielen in drei Wettbewerben, Bundesliga, Pokal
und Champions League. Zudem ist die Hälfte der Mannschaft Nationalspieler und hat noch Länderspiele. Da bleibt nicht
viel Zeit für Familie, Freundin, Freizeit. Daher treffen wir uns
außerhalb nur ab und zu zum Essen oder gehen miteinander weg.
Das muss auch nicht immer die ganze Mannschaft sein, sondern
das können auch nur vier, fünf Spieler sein.
nrw sports: Wie wichtig sind die Fans für das Team und
welche Bedeutung haben die Derbys, die für die Anhänger
stets einen besonderen Stellenwert haben, für die Spieler?
Lincoln: Die Fans in Schalke sind etwas ganz Besonderes.
Das habe ich sofort gemerkt, als ich hier hin kam. Die leben
für ihren Verein, davor muss man als Spieler großen Respekt
haben. Man braucht auch nicht lange, um zu verstehen, wie
wichtig das Derby Schalke gegen Dortmund für die Anhänger
ist. In Brasilien gibt es überall Derbys, aber S04 gegen BVB
hat noch eine größere Dimension. Man merkt, dass die Fans
immer über dieses Spiel sprechen. Und ich treffe auf meinen
Freund Dede, darauf freue ich mich immer sehr, auch wenn es
mir für ihn immer leid tut, wenn wir gewinnen.
Text:
Heiko Buschmann
Fotos:
Firo Sportphoto
43
10 Fragen an 7 Spielmacher
Tomas Rosicky, 25, Dortmund:
Gefühl, in jedem Heimspiel vor
Er kam als 20-jähriger im Januar 2001 nach Dortmund. Schon
aufgrund der hohen Ablösesumme von umgerechnet 15 Millionen Euro wurde er in eine führende Rolle gedrängt. Auf dem
Spielfeld hat sich Tomas Rosicky der Verantwortung nie entzogen. Wenn er spielt, laufen bei ihm die Fäden im Mittelfeld zusammen, dann verteilt er die Bälle, streichelt die Flanken ger-
ne zentimetergenau auf den Kopf seines leider aktuell verletzten
Zwei-Meter-Landsmanns Jan Koller. Die finanzielle Schieflage
der schwarz-gelben Borussia aus Dortmund bürdet Rosicky inzwischen nahezu die alleinige Last im offensiven Mittelfeld auf,
denn ein Torsten Frings oder Flavio Conceicao stehen in dieser
Bundesliga-Saison nicht mehr hilfreich zur Seite.
nrw sports: Identifizieren sich Spieler im Zeitalter der kurzfristigen Wechsel noch mit dem Verein, oder geht es nur darum, einen Job zu machen, bei dem viel Geld zu verdienen
ist?
Rosicky: Zunächst einmal kann ich nur für mich sprechen.
Wenn ich nur auf das Geld achten würde, wäre ich vor fünf Jahren nicht zu Borussia Dortmund gekommen. Zugegeben, ich
war damals noch sehr jung, doch die sportlichen Aspekte waren
für mich sehr wichtig. Vielleicht liegt es auch an der Mentalität
in meinem Heimatland. Bei uns denkt man nicht in erster Linie an
Geld. Allerdings verstehe ich natürlich einen 28- oder 29-jährigen
Spieler, der andere Prioritäten setzt, weil er seine Altersversorgung
sichern will.
nrw sports: In jedem Bundesliga-Kader gibt es eine bunte Mischung der verschiedensten Nationalitäten. Sind da nicht Mentalitäts-Probleme, Integrationsschwierigkeiten und Grüppchenbildung vorprogrammiert?
„Für mich ist es nach wie vor ein tolles
über 70.000 Besuchern spielen zu dürfen.“
Rosicky: Es ist für mich vollkommen egal, aus welchem Land
jemand kommt. Ausschlaggebend ist eine positive Einstellung.
Natürlich gibt es anfangs Schwierigkeiten, weil alles neu ist, die
Mentalität, die Sprache usw. Wir haben in Dortmund den Vorteil,
dass wir eine sehr junge Mannschaft haben und
da sind die Interessen in der Regel gleich, so dass
die Integration neuer Spieler in die Mannschaft
schneller verläuft.
nrw sports: Wie definieren Sie ihre Rolle in
der Mannschaft? Welche Rolle spielen sie auf
dem Feld?
Rosicky: Ich bin ein Teil der Mannschaft, auf
und außerhalb des Spielfeldes. Ich finde aber,
dass es im Team keinen anderen Spieler wie
mich gibt.
nrw sports: Können ihre Mitspieler immer
auf Ihre Kreativität eingehen?
Rosicky: Man hat immer Möglichkeiten, zumal
ich von der Mittelfeldposition her alles auf dem
Spielfeld übersehen kann. Sebastian Kehl und
ich teilen uns die Aufgabe, Anweisungen zu geben und dabei treten eigentlich keine Schwierigkeiten auf.
nrw sports: Ist es Ihre Aufgabe, mögliche Taktik-Veränderungen innerhalb eines Spiels weiterzugeben und umzusetzen? Sind Sie oft der „verlängerte Arm“ des Trainers auf dem Spielfeld?
Rosicky: Klar, jeder Trainer greift aber sehr unterschiedlich in
das Geschehen ein. Mein Nationaltrainer Karel Brückner hat zum
Beispiel bei der letzten Europameisterschaft alle zehn Minuten
von außen etwas verändert. Matthias Sammer dagegen weniger,
obwohl er alles andere als ein ruhiger Trainer ist. Bert van Marwijk hat eine klare Linie. Wie gesagt, es kommt auf den jeweiligen
Trainer-Typ an.
nrw sports: Gibt es eine Konkurrenz im Team um den Führungs-Anspruch oder kann man sich auch Führungs-Aufgaben teilen?
Rosicky: Ich habe nicht das Gefühl, dass mir in Dortmund irgendjemand irgendetwas streitig machen will. Wie bereits erwähnt, teile ich mir die Führungsaufgabe im Mittelfeld mit Sebastian Kehl
und das klappt sehr gut.
Tomas Rosicky im Zweikampf mit Sado (VFB Stuttgart) am 8. Spieltag
44
nrw sports: Welche Möglichkeiten haben Sie, dass sich Nachwuchsakteure oder verletzte Spieler weiterhin als Bestandteil
der Mannschaft fühlen?
Rosicky: Beim BVB sind wir vom Verletzungspech brutal gebeutelt worden. Hinzu kommen in diesem Jahr sehr viele junge Spie-
ler, das ist schon nicht normal. Auf der anderen Seite liegt in den
Nachwuchsspielern auch die große Chance für die Borussia, weil
wir gemeinsam heiß auf den Erfolg sind. Es gibt jedoch zwei unterschiedliche Typen, darauf muss man sich einstellen. Die einen
wollen keine Tipps bekommen, weil sie meinen,
schon alles zu können. Die anderen, wie zum
Beispiel Nuri Sahin, hören genau zu, wenn jemand seine größere Erfahrung weiter gibt. Auch
deshalb glaube ich, dass er ein ganz Großer werden kann.
nrw sports: Welches Umfeld bietet Ihr Verein
außerhalb des Trainingsplatzes und Spielfeld?
Rosicky: Auch in diesem Fall kann ich nur für
mich sprechen. Bestimmte Probleme hatte und
habe ich nicht, weil ich zum Beispiel keine
Kinder habe. Als ich jedoch nach Dortmund
gekommen bin, hat man sich sehr intensiv um
mich gekümmert.
nrw sports: Welche Rolle spielen Sie außerhalb des Spielfeldes, außerhalb der Vereinsanlage? Fördern gemeinsame Freizeit-Aktivitäten des Teams das Spielverständnis?
Rosicky: Wir sind alles junge Männer, die natürlich auch ihren Spaß haben wollen. Wenn du
nur an Fußball denkst, dann wirst du irgendwann
bekloppt. Deshalb ist es ganz normal, dass wir bestimmte Erfolge zusammen feiern oder mit mehreren in
die Disco gehen.
nrw sports: Was denken Sie, wie wichtig die Fans für das
Team sind? Spielt man auch für seine Anhänger? Sind
die Forderungen der Fans (z. B. mit Sprechchören, auf
Transparenten) oder Einladungen zu Fan-Club-Abenden
eher belastend oder motivierend? Sind sich die Spieler
der immensen Bedeutung der großen Lokalderbys für
die Fans bewusst?
Rosicky: Für mich ist es nach wie vor ein tolles Gefühl, in
jedem Heimspiel vor über 70.000 Besuchern spielen zu dürfen. Mich persönlich beflügelt so eine Kulisse. Allerdings
muss ich auch sagen, dass andere eher dadurch gehemmt
werden. Die zwei wichtigsten Partien in einer Saison sind
die gegen Schalke. Dann vibriert das ganze Umfeld und das
spürt selbstverständlich auch jeder Spieler. Lokalderbys
sind ebenfalls für uns Highlights.
Text:
Randolf Kaminski
Fotos:
Firo Sportphoto
45
10 Fragen an 7 Spielmacher
Porcello, 25, Bielefeld: „Als jugendlicher
die Schule geschwänzt, um das zu verarbeiten.
Fan habe ich nach Niederlagen von „Juve“
Daher ist mir bewusst, was Fans empfinden.“
Mit seiner über fünfjährigen Vereins-Zugehörigkeit gehört
Massimilian Porcello zu den dienstältesten Arminen – und reifte vom Ergänzungsspieler zum Leitwolf. „Nach meinem ersten
Senioren-Jahr in der Regionalliga-Saison 1999/2000 für den SC
Paderborn habe ich mir die Bundesliga als Ziel gesetzt“, erklärt
der 25-Jährige. Er sollte dies gleich zwei Mal erreichen: „Nachdem Bielefeld aus dem Oberhaus abgestiegen war, plante man
die sofortige Rückkehr. Das kam mir gelegen. Zudem hatte ich
hervorragende Gespräche mit dem damaligen Manager Heribert Bruchhagen und Trainer Hermann Gerland, die mich mit
ihrer ehrlichen und menschlichen Art schnell überzeugten.“
Der optimale Verein also für den gebürtigen Niedersachsen,
der nur eine Autostunde von seinem Heimatort Bückeburg entfernt anheuerte. „Ich hatte den Profifußball vor meiner Haustür“, grinst Porcello. „Mir ist es wichtig, in meinem Umfeld zu
bleiben, nah an Familie und Freunden zu sein.“ Und auch ganz
nah am großen Sport, das früh abgestempelte „ewige Talent“
wurde in der vergangenen Saison nicht umsonst von den Arminia-Fans zum „Spieler der Saison“ gewählt. Grund genug, den
Mittelfeld-Akteur zum Interview mit „nrw sports“ zu bitten.
nrw sports: Wie definieren Sie Ihre Rolle in der Mannschaft?
Fühlen Sie sich als der Führungsspieler?
Porcello: Die Verantwortung ist bei uns in den verschiedenen Mannschaftsteilen auf mehrere Schultern verteilt. Da ich einer der dienstältesten Bielefelder bin, wird mir sicherlich auch viel Vertrauen
entgegengebracht und Verantwortung übertragen.
nrw sports: Identifizieren sich Spieler im Zeitalter der kurzfristigen Wechsel noch mit dem Verein, oder geht es nur darum, Geld zu verdienen?
Porcello: Ich bin in der sechsten Saison bei Arminia und habe in
den Jahren sämtliche Höhen und Tiefen mit dem Club durchlebt.
Dadurch hat man natürlich schon eine besondere Bindung zu dem
Verein. Das Geld steht bei mir nicht im Vordergrund. Wichtiger
ist mir, im Fußball weiter zu kommen, mich weiter zu entwickeln,
also die persönlichen Ziele und die des Vereins zu realisieren.
ren zusammen kommen, um in einer Mannschaft Fußball zu
spielen?
Pocello: Um erfolgreich in einem Team zusammenzuarbeiten, ist es
sehr wichtig, dass man sich gegenseitig respektiert und achtet, unabhängig von der jeweiligen Nationalität. Die verschiedenen Mentalitäten dürfen die Harmonie nicht stören und das Mannschaftsziel
gefährden. Die größten Schwierigkeiten zu Beginn sind sicherlich
die Sprachprobleme, woraus Missverständnisse entstehen können.
Es ist wichtig, dass der Verein den Spielern Möglichkeiten bietet,
am Sprachunterricht teilzunehmen und die Spieler auch den Willen haben, die Sprache zu lernen. Unabhängig davon gibt es in der
Mannschaft auch Akteure, die mehrere Sprachen sprechen und dadurch die ausländischen Spieler unterstützen können. Ich spreche
nrw sports: Können Ihre Mannschaftskameraden immer auf Ihre Kreativität eingehen?
Porcello: Wir haben ein klares Spielsystem und ein
Konzept mit festen Automatismen, die von unserem
Trainer festgelegt sind und an denen wir täglich arbeiten. Jeder hat sich an dieses Konzept zu halten,
soll aber auch seine individuellen Stärken einbringen. Auch ich habe meine Stärken und versuche,
sie in den Dienst des Teams zu stellen. Das Tempo
in der Bundesliga ist sehr hoch, da sind Fehler ganz
natürlich und unvermeidbar. Die werden nach dem
Spiel in Ruhe analysiert und aufgrund der Analyse
wird der neue Trainingsreiz gesetzt.
nrw sports: In jedem Bundesliga-Kader gibt es eine bunte
Mischung der verschiedensten Nationalitäten. Kann das
Probleme geben, weil Spieler aus unterschiedlichen Kultu-
mit Deutsch, Italienisch und Englisch drei Sprachen und versuche
so, auf die neuen Kicker einzugehen.
nrw sports: Fungieren Sie als verlängerter Arm
des Trainers auf dem Spielfeld, um mögliche
Taktik-Veränderungen innerhalb eines Spiels
weiterzugeben und umzusetzen?
Porcello: Als verlängerten Arm sehe ich als erstes unseren Kapitän Mathias Hain. Da ich aber im Mittelfeld eine
zentrale Rolle einnehme und das Verbindungsglied mit einigen anderen Spielern bilde, ist es sicherlich auch wichtig, die taktischen Veränderungen des Trainers weiterzugeben und umzusetzen.
nrw sports: Wie groß ist die Konkurrenz im Team um den Posten
des so genannten Regisseurs?
Porcello: Wir haben sicherlich Spieler mit Regisseur-Qualitäten, aber
in unserem Konzept existiert der Spielmacher nicht in der klassischen
Art. Das Team steht im Vordergrund. Es gibt keine Stars, genauso
wenig wie Wasserträger. Konkurrenz ist sehr wichtig, das erhöht die
Leistung der Spieler und im Idealfall wie bei uns, ohne negative Auswirkung auf das Team. Bei Arminia Bielefeld ordnet sich jeder dem
Mannschaftsziel unter, daher gibt es kein unangenehmes Gerangel.
Ivrica Franjes (Bremen) und Massimilian Porcello im Luftkampf (erster Spieltag)
46
nrw sports: Inwieweit kümmern Sie sich darum, dass sich verletzte Akteure oder auch Nachwuchsspieler als Teil der Mannschaft fühlen?
Porcello: Der Kontakt zu diesen Spielern ist sehr wichtig. Ihnen muss
das Gefühl gegeben werden, dass sie zur Mannschaft gehören und
ein wichtiger Bestandteil sind. Für mich ist es egal, ob jemand verletzt, Stamm-, Ersatz- oder Nachwuchsspieler ist. Ich respektiere die
Persönlichkeit eines jeden Fußballers und Menschen. Das ist mir allgemein sehr wichtig und fehlt mir bei vielen Menschen im Umgang
miteinander, nicht nur im Fußball.
nrw sports: Welches Umfeld im Verein, zum Beispiel bei der Betreuung außerhalb des Platzes brauchen Sie, um auf dem Feld
die besten Leistungen zeigen zu können?
Porcello: Jeder Spieler benötigt sein eigenes individuelles Umfeld, das ist bei jedem anders. Mir ist
es sehr wichtig, auch unabhängig vom Trainingsbetrieb fördernde Maßnahmen wahrnehmen zu
können. Dazu gehören Krafttraining, wenn nötig auch zusätzliche medizinische Versorgung.
Zudem benötige ich ein ruhiges Umfeld, in dem
man sich zurückziehen und abschalten kann, vor
allem Familie und Freunde. Manchmal brauche
ich auch nur Zeit für mich allein, damit ich ungestört meine Situation analysieren kann und neue
Ziele und Aufgaben festlege.
nrw sports: Wie wichtig ist es für den Zusammenhalt der Mannschaft, dass sich die Spieler auch außerhalb des Trainings und des
Spiels treffen, um etwas zu unternehmen?
Porcello: Für das Klima im Team ist es wichtig,
auch außerhalb des Fußballplatzes gemeinsam
etwas zu unternehmen. Das stärkt das Wir-Gefühl und die freundschaftlichen Beziehungen
untereinander. Dazu werden Fanclubtreffen
oder Autogrammstunden organisiert, um den
Kontakt zu den Fans zu suchen. Dort kann man
sich untereinander austauschen. Der Spieler lernt
die Fans kennen und die können sich ein eigenes Bild
über die Spieler machen, im besten Fall ein positives.
nrw sports: Wie wichtig sind die Fans für das Team und welche Bedeutung haben die Derbys, die für die Anhänger stets
einen besonderen Stellenwert besitzen, für die Spieler?
Porcello: Die Fans können uns Spieler zu Höchstleistungen
pushen und haben dadurch auch einen großen Anteil an dem
Erfolg der Mannschaft. Die Atmosphäre, die tolle Stimmung,
die vollen Stadien, das ist doch das, was den Fußball ausmacht
und jeder von uns braucht und liebt. Und dafür sind alleine die
Fans verantwortlich. Jeder von uns war als Kind selbst Fußballfan und weiß, wie man manchmal leidet. Ich erinnere mich,
dass ich als jugendlicher Fan nach Niederlagen meines Lieblingsclubs Juventus Turin die Schule geschwänzt habe und den
Tag brauchte, um das zu verarbeiten. Mein Vater wurde von
meinem Onkel aus der Wohnung geschmissen, nachdem Inter
Mailand das Stadtderby gegen AC Mailand gewann. Insofern
ist mir persönlich auf jeden Fall bewusst, was Fußball den Anhängern bedeutet.
Text:
Kai Griepenkerl
Fotos:
Firo Sportphoto
47
10 Fragen an 7 Spielmacher
Ivica Grlic, 30, MSV Duisburg:
Führungsspielern. Das wird man nur
Ivica Grlic ist einer der wertvollsten Akteure beim MSV Duisburg. Der aktuelle Nationalspieler Bosnien-Herzegowinas
kämpft mit den „Zebras“ um den Klassenerhalt und mit seiner
Landes-Auswahl um das Ticket zur WM 2006 in Deutschland.
„Wir müssen mit dem MSV konzentriert weitermachen, auch
wenn in den ersten Begegnungen kein Sieg heraussprang“, fordert der Mittelfeld-Stratege, der beim Fußball-Gespräch mit
der nrw sports durchaus über den Tellerrand hinausblickt.
nrw sports: Identifizieren Sie sich voll mit Ihrem Verein
oder geht es nur darum, Geld zu verdienen?
Grlic: Vom Finanziellen her hatte ich bessere Angebote als das
des MSV Duisburg, aber ich habe mich trotzdem für die Zebras
entschieden. Das Entscheidende war, hier etwas aufbauen zu können. Wir sind nach der Fertigstellung der MSV-Arena aufgestiegen, das sind sicherlich Momente, die man in seinem Leben nicht
vergessen wird und die einen an einen Verein binden. Jeder sollte
sich mit dem Verein, bei dem er unter Vertrag steht, identifizieren.
Das Geld ist dabei relativ. Ich finde Aspekte wie Familienglück
und Gesundheit unbezahlbar.
verschiedenen Nationalitäten. Sind da Mentalitäts-Probleme,
Integrations-Schwierigkeiten und Grüppchenbildung vorprogrammiert?
Grlic: Beim MSV spiele ich als Bosnier, Marino Biliskov als Kroate. Wir verstehen uns gut, er ist katholisch, ich bin katholisch, da gibt
es keine Probleme. Ich bin in München geboren und in Deutschland
aufgewachsen, zu meiner Zeit beim 1. FC Köln gab es einen Intensiv-Deutschkurs für alle ausländischen Spieler. Es liegt an jedem
einzelnen selbst, ob er die Sprache lernen will. Grundsätzlich finde
ich es interessant, mit Akteuren verschiedener Nationen in einem
Kader zu stehen. Man lernt so auch andere Kulturen kennen.
nrw sports: In jedem Kader gibt es eine bunte Mischung an
nrw sports: Wie definieren Sie Ihre Rolle in der Mannschaft?
„Ich bin einer von vielen
durch Leistung und Akzeptanz“.
Sind Sie der Führungsspieler?
Grlic: Ich bin einer von vielen Führungsspielern. Das wird man
nicht, in dem man die Kapitänsbinde am Arm
trägt, sondern durch Leistung und Akzeptanz in
der Mannschaft.
nrw sports: Können Ihre Mannschafts-Kameraden immer auf Ihre Kreativität eingehen,
wie reagieren Sie auf Missverständnisse innerhalb des Spiels?
Grlic: Missverständnisse gibt es immer wieder,
in jeder Partie. Du musst das Risiko eingehen und
es auch bei Fehlversuchen solange probieren, bis
der Pass ankommt.
nrw sports: Ist es Ihre Aufgabe, mögliche Taktik-Änderungen innerhalb des Spiels weiterzugeben und umzusetzen? Reagieren Sie als
Führungs-Mitglied spontan je nach Spiel-Entwicklung?
Grlic: Ja, das kommt vor. Wenn Du nach fünf
Minuten 0:1 hinten liegst, ist das Grund-Konzept eigentlich über den Haufen geworfen, weil
du dann nicht auf Abwarten und Kontern spielen
kannst, sondern selbst Initiative ergreifen, Druck
ausüben musst. Eine Mannschaft macht gerade
das aus, wenn Führungsleute merken: So, wie wir
spielen, funktioniert es momentan nicht, wir müssen
etwas ändern. Der Trainer gibt zwar die Taktik vor, aber
manchmal passiert es, dass du 15, 30 Minuten etwas anders spielst, das passiert dann nach Absprache auf dem Spielfeld.
nrw sports: Wie groß ist die Konkurrenz im Team um den Posten des strategisch wichtigen Mittelfeld-Spielers, der defensive
mit offensiven Elementen verknüpft?
Grlic: Bei uns gibt es mehrere Regisseure, einer in der Abwehr,
zwei im Mittelfeld, einer im Angriff. Die Achse verteilt sich auf
mehrere Schultern, alle können etwas zum Aufbau beitragen und
müssen sich darum kümmern, dass es in der Rückwärtsbewegung
läuft. Grundsätzlich ist Fußball ein Mannschafts-Sport. Auch ein
Zinedine Zidane hätte nie die Riesen-Karriere gemacht, ohne die
entsprechende Unterstützung der Mitspieler zu haben.
Ivica Grlic gegen Suttgarts Jon Dahl Tomasson beim Saisonstart in der MSV-Arena
48
nrw sports: Welche Möglichkeiten haben Sie, dass sich Nachwuchs-Spieler oder verletzte Akteure als integraler Bestandteil
der Mannschaft fühlen?
Grlic: Man telefoniert mit länger verletzten Leuten wie Andreas
Voss, Jupp Ivanovic oder Markus Hausweiler. Es ist wichtig, dass
die Angeschlagenen nicht in Vergessenheit geraten, dass sie das
Gefühl haben, weiter dazuzugehören. Ein Talent wie unser Adam
Bodzek bekommt sicherlich Hilfestellung, man versucht, einem
jungen Spieler zu helfen und zu zeigen, was er verbessern kann. Natürlich benötigst du als junger Fußballer auch ein gewisses Glück,
den Durchbruch zu schaffen. Bodzek würde allerdings nicht bei uns
zum Kader gehören, wenn er keine Qualitäten besäße.
nrw sports: Welches Umfeld in und außerhalb
des Vereins benötigen Sie, um auf dem Platz
die besten Leistungen abrufen zu können?
Grlic: Das Umfeld ist wichtig für die Familie.
Wenn sich meine Frau und die Kinder wohl fühlen, dann kann ich mich zu 100 Prozent auf den
Fußball konzentrieren. Gibt es Probleme, zum
Beispiel in der Schule oder bei der Suche nach
einem Kindergarten-Platz, dann nimmt man sie
mit auf den Fußballplatz. Ich muss einfach Kopf
und Rücken frei haben. Ich bin ein Mensch, der
bei meiner Frau Renata nachfragt, ob sie mit
den Gegebenheiten zufrieden ist.
nrw sports: Welche Rolle wird Ihnen außerhalb der MSV-Arena zuteil? Fördern Sie gemeinsame Freizeit-Aktivitäten des Teams?
Grlic: Wenn man sieht, wie viel Zeit man gemeinsam als Mannschaft verbringt, dann ist
man auch Mal froh, sich ganz der Familie widmen zu können. Sicherlich sind gemeinsame
Unternehmungen wie Eishockey-Spiele, BoxVeranstaltungen oder Restaurant-Besuche förderlich für den Teamgeist, doch man freut sich
auch über Freizeit.
nrw sports: Was denken Sie, wie wichtig die Fans
für Ihr Team sind? Spielt man auch für seine Anhänger?
Was erwarten die Zuschauer vom Spieler?
Grlic: Die Fans sind sehr wichtig, ohne sie wäre der Fußball
nicht interessant. Die Unterstützung kann zusätzlich Kräfte frei
setzen. Ich denke, dass die Fans fünf bis acht Punkte im Jahr
bringen, weil sie dich auch dann nach vorne peitschen, wenn
es nicht läuft oder wenn es lange 0:0 steht. Wenn ich in ein volles Stadion einlaufe, ist das ein schönes Gefühl und auch eine
Bestätigung. Ich weiß: Die Leute sind da, weil sie den MSV
sehen wollen. Die Fans erwarten 100 Prozent Einsatz. Wenn
man auf den Tribünen nach einem Spiel sagt, die Mannschaft
hat alles gegeben, nur das Ergebnis stimmte nicht, dann kann
einem keiner böse sein. Wir sind als Sportler natürlich Vorbilder. Da muss man auch Verständnis für die Top-Stars haben:
Wenn sie durch die Straße gehen oder in ein Restaurant, dann
können sie sich keine Minute ungestört unterhalten, sie haben
kein Privatleben mehr. Das ist sicher auch nicht die Situation,
die man sich wünscht. Grundsätzlich habe ich mit Volksnähe
aber noch nie Probleme gehabt.
Text:
Thomas Tartemann
Fotos:
Firo Sportphoto
49
FIFA WM 2006
Titelchance auf der Zugspitze
32 Teams für Deutschland 2006 – der ultimative WM-Guide für Fußballkenner
Es ist fast vollbracht! Die ambitionierten Fußball-Ländermannschaften dieses Planeten haben die Qualifikation für das
WM-Turnier 2006 in Deutschland unter Dach und Fach gebracht. Lediglich notorische Nachzügler wie Spanien, Tschechien, die Türkei oder Trinidad & Tobago müssen über die Relegation ans Ziel kommen. Eine Mission, deren Scheitern auf der
iberischen Halbinsel freilich irritierter zur Kenntnis genommen
würde, als in der Karibik. Wie auch immer, es ist Zeit für eine
Einordnung der Teams, die den „hoch favorisierten“ Gastgebern den Titel im kommenden Jahr streitig machen wollen.
Sicher dabei:
Holland: Wie haben die „Oranjes“ die dann achtjährige Abstinenz
von der Weltbühne des Fußballs überstanden? Keine Bange! Gut!
Tolles Spiel, tolle Spieler – kein Erfolg. Wie schön, dass wenigstens
die Kleinigkeiten im so eiskalten, modernen Fußballgeschäft eine
heimelige Konstanz behalten. Attraktivität: schadenfreudig
Ukraine: „Shewa-Goal“ und seine zehn Dynamos! Das Sturm-Genie vom AC Mailand sticht aus der schlichten TorverhinderungsMaschinerie in gelb-blau heraus, wie die Giraffe aus der Badewanne. Erster Anwärter auf die Rolle Griechenlands bei der EM, daher
Titelkandidat. Attraktivität: einmalig
Portugal: Hat sich mit einem nie gefährdeten, glanzvollen 2:1-Sieg
im letzten Qualispiel gegen die aufstrebenden Fürstentums-Kicker
aus Lichtenstein listig aus der Riege der Geheimfavoriten gestümpert. Wegen Eusebio auf der Tribüne dennoch zu beachten.
Attraktivität: geheim
Frankreich: Ein 4:0 gegen die Inselmacht Zypern und Zinedine Zidanes Traumbilder katapultieren „les bleus“ zurück in den absoluten Favoritenkreis. Internes Ziel jedoch: Überstehen der Vorrunde!
Attraktivität: zwischen oh la la und oh weia
52
England: Never more! Die Latten der Tore in Deutschlands Hyperarenen sind so was von rundgeschliffen – da prallt kein Ball so
unglücklich auf die Torlinie, dass er fälschlicherweise für dahinter
angesehen wird. Attraktivität: weit überschätzt
Brasilien: Sichere Wettbank mit überschäumender Spielfreude. Nur
auf dem höchsten Gipfel des Genusses verwundbar. Trotz Roberto
Carlos massenfacher Sympathieauslöser. Attraktivität: Samba
Serbien-Montenegro: Jugoslawien-Nachfolger mit Megro-Abwehr. Nur ein Gegentor in der Quali. Ansonsten irgendwo zwischen
Kezman und Krystajic. Attraktivität: teilrepublikanisch
Paraguay: Kämpft gegen den hartnäckigen Ruf, es mit der südamerikanischen Fußball-Philosophie nicht so genau zu nehmen.
Benimmt sich auf dem Platz eher schottisch. Motto: „Ich Roque“.
Attraktivität: gestreift
Schweden: Alles zuzutrauen aber nix zu machen! Seltsam schlampig, was die Umsetzung des vorhandenen Potenzials angeht. Zu
funktional. Attraktivität: IKEA
Ecuador: Hätte in Deutschland Titelchancen, wenn alle Spiele auf
der Zugspitze ausgetragen würden. So wohl nur eine Elf von Flachmännern. Attraktivität: dünn
Kroatien: Heißspornige Karohemden mit Rote Karte-Garantie, bevorzugte Heimat von Gastkickern in der Bundesliga. Daher Heimvorteil! Deshalb Geheimfavorit! Attraktivität: fanatisch
Südkorea: Irrwische aus Fernost, die dem Wort Laufpensum einen
neuen Sinn geben. Nachteil: Für die WM 2006 fällt der Heimnimbus definitiv aus. Attraktivität: wie aufgezogen
Togo: Afrika-WM-Neuling I. Sympathieträger mit Zeug zum Publikumsliebling. Staatspräsident machte den Montag nach der Qualifikation zum Nationalfeiertag. Attraktivität: Pogo
Saudi-Arabien: zum 4. Mal in Folge WM-Teilnehmer. Doppelt so
viele Bälle versenkte Deutschland 2002 im Gruppenspiel ins SaudiNetz. Einer der Völler’schen Kleinen, die noch immer klein sind.
Attraktivität: Torgarant
Ghana: Afrika-WM-Neuling II. Die Generation nach Anthony Yeboah, Abedi Pelé und Anthony Baffoe (hüstel) schafft den großen
Wurf. Produziert das Team einen ghanaischen Roger Milla?
Attraktivität: Sammy Kuffour
Elfenbeinküste: Afrika-Neuling III. Unbequemer Gegner wegen
gefährlicher Bewaffnung: Chelsea-Söldner Didier Drogba köpft im
Sturm alles, was ihm in den Weg kommt.
Attraktivität: megaleicht ausrechenbar
Iran: Ganz gefährlich beim Contra! Darf nicht in die Gruppe der
USA gelost werden. Magisches Dreieck Ali Karimi, Vahid Hashemian und Ali Daei. Attraktivität: verschleiert
Japan: Amtierender Asienmeister mit größter Europa-Kolonie in
Düsseldorf. Kein Spielort! Nachteil! Überstehen Vorrunde nicht.
Attraktivität: höflich
Angola: Afrika-WM-Neuling IV. Brachte die Adler aus Nigeria zum
Absturz. Zudem mehrere Profis beim ehemaligen Kolonialherren, in
der portugiesischen Liga tätig. Daher Geheimfavorit.
Attraktivität: vogelfrei
USA: Inzwischen Serienteilnehmer. Erfolgreicher Einmarsch in
die grüne Zone Fußballrasen. Bringt Favoriten lässig in Schwierigkeiten, wäre bei fortgesetzter Kanzlerschaft von Gerhard Schröder
nicht angereist.
Attraktivität: bescheiden
Italien: Nach der „Verarsche“ von Südkorea (exklusive Bewertung
der Azzurri) ein neuer Anlauf, jedes Spiel mit 1:0 in Führung zu
gehen, um es dann nach Hause zu schaukeln – und das möglichst 7
Partien lang. Attraktivität: eben!
Tunesien: Kein Neuling. Spielte bei der WM 1978 gegen Deutschland 0:0. Tun aber ansonsten kaum jemandem weh.
Attraktivität: wüst
Mexico: Caramba, caracho, eine Bereicherung: Können scharf spielen wie Tabasco und Tequila – doch noch steckt zu oft der Wurm
drin. Attraktivität: feurig
Polen: Wiedersehen macht Freude. 1974 schossen sich Kazimierz
Deyna und Grzegorz Lato in die Herzen der deutschen Stadionbesucher, diesmal wollen das Jacek Krzynowek und Pawel Kryszalowicz
übernehmen. Attraktivität: Ausgesprochen grkrywiczelig
Argentinien: Ernstzunehmender Pokal-Kandidat, wenngleich man
in den beiden letzten Spielen gegen Deutschland über ein jeweiliges
Remis nicht hinausgekommen ist. Wird man sich 2006 nicht erlauben dürfen. Attraktivität: Maradona-los
Costa Rica: Die „Ticos“ aus Mittelamerika sind die Proto-Lieblingsmannschaft für Neutrale. Land hat keine Armee. Haben bei
Weltmeisterschaften jedoch bereits Treffer zu vermelden.
Attraktivität: friedlich
Unsicher dabei:
Türkei: Zweites Team mit echtem WM-Heimvorteil – aber Lettland
lässt grüßen.
Attraktivität: stadionfüllend
Spanien: Nationalausgabe der stärksten Liga der Welt – hinkt hinterher!
Attraktivität: kommt einem spanisch vor
Tschechien: Team-Version von Pan Tau – macht sich kleiner als es
ist. Attraktivität: vorhanden
Schweiz: Berg- und Talfahrer bei Weltmeisterschaften – zu neutral.
Attraktivität: Käse
Slowakei: Versäumte es, das 2:0 gegen WM-Favorit Deutschland
noch stärker fürs eigene Selbstbewusstsein zu nutzen. Attraktivität: Marek Mintal
Norwegen: Macht der Ukraine den Rang als Nachfolger Griechenlands streitig. Titelkandidat. Attraktivität: gut versteckt
Bahrain: Ähnlich wie Brasilien sichere Wettbank - Außenseiter.
Attraktivität: gelassen
Trinidad & Tobago: Glorreicher Neuling mit auffälligem Kultpotenzial. Attraktivität: fraglos
Australien: Abonnementssieger in Ozeanien – mit eingeschränktem Nutzen. Attraktivität: hartnäckig
Uruguay: Nostalgieumwehter Ex-Weltmeister mit eingebauter Vorrunden-Rückfahrkarte
Attraktivität: schwer vermittelbar
War sonst noch was? Ach ja!
Deutschland: Es gilt das abgenutzte Wort – wir sind eine Turniermannschaft!
Attraktivität: oft masochistisch
Text: Stefan Pucks
53
Fußball Fans aus NRW
Festspiele in Königsblau
Frank Arndt über Fankultur und die Quadratur des Kreise(l)s
Istanbul vor Augen, Mailand im Blick. Für die als reisefreudig bekannten Anhänger des FC Schalke 04 hält der Terminkalender der Champions League in den kommenden Wochen
zwei Genüsse vom Feinsten bereit. Zunächst geht es am 19.
Oktober in eine der schönsten Städte der Welt, zudem der einzigen, die auf zwei Kontinenten steht, nach Istanbul. Im gerade auf 52.500 Zuschauer umgebauten Sükrü Saracoglu-Stadion von Fenerbahce werden bei den brisanten Stadtduellen
gegen Galatasaray und Besiktas die Fans des Gegners ausgeschlossen - das ist wohl europaweit einmalig. 1500 Schalker
wollen dennoch das Abenteuer wagen und ihrem Team gegen
den von Christoph Daum trainierten Türkischen Meister den
Rücken stärken.
Am letzten Spieltag der Gruppenphase kommt es dann am
Nikolaustag zum Showdown in der Lieblingsstadt der Gelsenkirchener. Denn in Mailand gewannen die Schalker 1997
„als kleiner Popelverein“, wie Manager Rudi Assauer gerne
betont,
sensationell
den UEFA Cup. Dieser
Sieg gegen den in der
Lombardei als schnöselig verschrieenen F.C.
Internazionale Milano
ist bis heute der größte
Erfolg in der mittlerweile 101-jährigen Schalker
Vereinsgeschichte.
Und wie vor acht Jahren
wird sich der Dom der
italienischen Modemetropole vor Pilgern und
Kerzen in Königsblau
kaum retten können. Fast
wie 1997, als über 30.000
Schalker das „Giuseppe
Meazza-Stadion“ zum Tollhaus machten.
Für die Kartenverteilung bei Schalker Auswärtsspielen ist seit
geraumer Zeit Frank Arndt vom Schalker Fan-Club Verband zuständig. Der 40-Jährige Gelsenkirchener hat den ehrenvollen Job,
einen eigentlich chronischen Mangel zu verwalten.
Im Interview mit „nrw sports“ spricht er über die Quadratur des
Kreise(l)s und ein geändertes Fanverhalten, das auch vor dem in
allen Bereichen boomenden FC Schalke 04 nicht gänzlich halt
macht.
nrw sports: Frank Arndt, eines der kultigsten Schalker Lieder beginnt mit den Worten: „In meinem Herzen flattert leise ein blau und weißes Fähnelein. Und geh’n die Schalker auf
die Reise, wünsch` ich mir nur dabei zu sein’. Dennoch blieben
Bilder vom Schlange stehenden Menschen nach der Auslosung
der Champions League, wie man sie noch vor Jahren in Gelsenkirchen bei ähnlichen Anlässen gesehen hat, aus. Wo liegen die
54
Gründe für die vergleichsweise schwache Nachfrage?
Frank Arndt: Das hat mehrere Gründe. Mittlerweile gibt es modernere Kommunikations-Wege, um an Karten zu kommen. Und dann
ist so eine Auslandsfahrt immer ein bisschen Event. Und hier ist eine
Fahrt mit großem Sicherheitsaufgebot wie es im ersten Champions
League-Spiel nach Eindhoven notwenig war, nicht so attraktiv.
nrw sports: Gilt das auch für Istanbul und Mailand?
Arndt: Nein! Aber die Gruppenphase mit gleich drei Auswärtsspielen macht sich eben bemerkbar. Außerdem stellen wir einen Wandel
in der Fankultur fest. Viele Fans sind heute nicht mehr bereit, für
ihren Verein ständig Urlaub zu nehmen. Oder - wie in Eindhoven
- mal eben die Nacht durchzumachen und dann am Morgen wieder
zur Arbeit zu gehen. Vielleicht auch aus berechtigter Angst um ihren
Arbeitsplatz.
nrw sports: Was ist die Konsequenz?
Arndt: Die Fans suchen
sich nur ein Spiel aus. Und
da zeichnete sich schnell
nach der Auslosung die
größte Nachfrage für Mailand ab. Hier haben wir weit
über 2.000 Bestellungen
vorliegen. Aber ich glaube
nicht, dass wir wie 1998,
als wir schon einmal gegen
Inter gespielt haben, mit
10.000 Anhängern nach
Italien reisen werden. Wir
haben 4.000 Karten von den
Mailändern bekommen. Ich
glaube, damit kommen wir
fast hin.
nrw sports: Wie sieht es für Istanbul aus?
Arndt: Von den Türken haben wir 1500 Tickets erhalten. Das reicht
auch aus. Für viele ist es nicht so einfach, sei es aus finanziellen
oder anderen Gründen, mal eben in die Türkei zu fliegen. Das kostet
ja auch gleich mehrere hundert Euro.
nrw sports: Wie ist das mit der wahnsinnigen Nachfrage in der
Arena, die seit ihrer Eröffnung eigentlich immer ausverkauft
ist, in Einklang zu bringen?
Arndt: Von den älteren Fans etwa in meinem Alter haben mittlerweile viele Familie und können nicht mehr so, wie sie vielleicht
wollen. Andere sind arbeitslos und haben einfach das Geld nicht. In
Gelsenkirchen liegt die Arbeitslosenquote bei über 20 Prozent. Und
die Bereitschaft, alles für seinen Verein zu opfern, ist nicht mehr
ganz so ausgeprägt wie früher.
nrw sports: Wie sieht’s mit den Heimspielen in der Königsklasse
aus?
Arndt: Die sind hoffnungslos überbucht. Die Karten gegen Milan
hätte ich für 100 oder 150 Euro verkaufen können. Das Gleiche gilt
für Istanbul. Also, das Interesse an der Champions League ist ungebrochen. Und, im Vergleich mit anderen Vereinen, bringen die
Schalker auch auswärts immer noch ein Vielfaches auf die Beine.
nrw sports: Kommen jetzt Leute in die Arena, auf die so viele
eingefleischte Fans gerne verzichten würden?
Arndt: Was heißt eigentlich Erfolgsfan? Es ist doch klar, dass ich
als langjähriger Anhänger eine ganz andere emotionale Bindung
zum Verein habe als jemand, der frisch dabei ist. Aber ihn deshalb
als Erfolgsfan zu verachten, halte ich für zu pauschal. Wer sagt mir
denn, dass er in 20 Jahren nicht genauso bei der Sache ist wie wir
heute.
nrw sports: Die Stimmung in der Arena ist nicht mehr so wie
am Anfang. Das steht eigentlich im krassen Widerspruch zum
aktuellen Schalke-Wahn mit über 50.000 Mitgliedern!
Arndt: Das ist ein gesellschaftliches Problem, das überall zu beobachten ist. Vielleicht waren wir Fans in den 80ern etwas leidenschaftlicher. Der heute 20-Jährige steht eben nicht mehr so leicht
von seinem Sitzplatz auf. Auch Kritik wird höchstens noch anonym im Internet geübt. Aber jede Generation ist anders. Dennoch
ist die Stimmung bei uns nach wie vor besser als in allen anderen
Stadien der Bundesliga. Und auch in Europa werden die Fans den
Verein würdig vertreten.
Text:
Stefan Bunse
Fotos:
Firo Sportphoto
„Alm-Rollis“ als Arminias Aushängeschild
„Darauf sind sogar die Bayern neidisch“
Wolfgang Baum ist ein Trophäen-Sammler. Was nicht weiter erwähnenswert wäre, wenn sein Herz für Bayern München schlagen
würde. Doch Baum ist Fan von Arminia Bielefeld. Und kann, anders
als sein Lieblings-Verein, schon eine ganze Reihe von Titeln vorweisen. Die Auszeichnung zum „Fanclub des Monats Mai“ von der „Erdinger Brauerei“ zum Beispiel, oder die zum „besonderen Fanclub“
von der „Sport-Bild“. Oder das Bundesverdienstkreuz. „Aber das ist
alles nicht so wichtig“, erklärt der 55-Jährige, „viel entscheidender
ist, dass sich in den letzten
Jahren gerade für behinderte Fans viel zum positiven
gewandelt hat.“
Sein halbes Leben lang
sitzt Baum im Rollstuhl,
wegen einer Nerven-Krankheit. Wesentlich länger ist
er schon fußballbegeistert.
Und fand seine Leidenschaft zur Arminia im Jahr
1990, zu tristen AmateurZeiten. „Ich komme ursprünglich aus Wuppertal,
bin dann nach Bielefeld
gezogen. Und seitdem bin
ich bei jedem Heimspiel
dabei“, lächelt der Rentner, der immer mehr Zeit für seinen DSC aufwendet. Zwangsläufig,
wie er findet: „Vor fünf Jahren kam der Fanbeauftragte Christian
Venghaus auf mich zu, weil alle Profi-Clubs schon Behindertenfanclubs hatten, nur wir nicht. Also habe ich halt einen gegründet.“ Die
„Alm-Rollis“ begannen mit drei Mitgliedern, haben ihre Zahl seitdem vervierfacht. Und sind mittlerweile im Liga-Vergleich der klare Tabellenführer, wie Alexander Friebel, der zweite Fanbeauftragte
der Ostwestfalen, betont: „Es gibt keinen vergleichbaren Fanclub,
der so viele Auswärtsspiele mitmacht. Darauf sind sogar die Kollegen aus Bayern neidisch.“
Insgesamt neun Partien in der Ferne werden die „Alm-Rollis“ besuchen, soviel steht fest. „Wir planen die Touren schon vor der Saison, sobald der Spielplan raus ist. Einen Bus bekommen wir immer
voll, meist sind zwischen fünf und acht Rollstuhlfahrer und 25 bis 30
nichtbehinderte Fans mit dabei“, erklärt Baum. Und darf sich der
Anerkennung der Kicker sicher sein: „Nach den Auswärts-Matches
kommen sie häufig zu uns, bedanken sich für die Unterstützung.
Das ist ein schönes Gefühl, so wahrgenommen zu werden.“ Logisch, dass der Verein sich für sein „Aushängeschild“ nicht lumpen lässt, finanzielle und organisatorische Hilfestellungen bietet.
Und regelmäßig Spieler zu Diskussionsrunden entsendet –
sehr zur Freude von Baum: „Wir treffen uns alle sechs Wochen in
einem Café, häufig sind
auch Akteure mit dabei,
zuletzt Dennis Eilhoff,
davor Delron Buckley.
„Ich hoffe, dass beim
nächsten Mal Matthias
Hain kommt. Er ist
mein Lieblings-Spieler,
weil er so unheimlich
engagiert zur Sache
geht.“ Letteres sagen
auch viele Menschen
über Baum, der sich
über die wachsende
Aufmerksamkeit freut:
„Vor ein paar Jahren
hat sich niemand für
uns Rollstuhlfahrer interessiert, mittlerweile verfügt jeder Profi-Club über einen Behinderten-Beauftragten.“ Ein Manko gibt es dennoch: „In den
vielen neuen Stadien hat man zwar eine bessere Sicht, allerdings wurde oft nicht daran gedacht, dass jeder Rollstuhlfahrer
eine Begleitperson dabei hat, die auch während des Spiels in
seiner Nähe sein sollte.“ Solche Probleme hat Baum auf der
heimischen „Alm“ nicht: Drei Tribünen wurden seit seinem
„Amts-Antritt“ zusätzlich ausgebaut, ausgerechnet „seine“
Ost-Seite ist seit 15 Jahren unverändert. Alles lässt sich halt
nicht so schnell ändern – noch nicht einmal von einem Trophäen-Sammler...
Text:
Kai Griepenkerl
Fotos:
Firo Sportphoto
55
Fußball Fans aus NRW
„Endlich passiert
mal was in Duisburg“
Walter Otto ist privat wie beruflich dem Sport
verbunden. Der 55-Jährige eingefleischte MSVFan ist Angestellter der Stadtwerke Duisburg
AG. Seit 1964 arbeitet der gebürtige Duisburger
im Bereich Sozialwesen. Seit mehr als 20 Jahren
ist er als Geschäftsführer des Stadtwerke Betriebssports „Herr“ über 1.000 Mitglieder und 18 Sportarten.
Dazu gehören aber auch die Bereiche Arbeitsschutz und
-sicherheit. In knapp zwei Jahren geht er in die Altersteilzeit
und dann mit 60 in Rente. Zum „alten Eisen“ zählt Otto dann
noch lange nicht, denn dem Sport und „seinem“ MSV bleibt er
treu. „nrw sports“ sprach mit dem „Betriebssportler“.
nrw sports: Walter Otto, Sportler und fußballbegeistert mit
Leib und Seele?
Otto: Sport und Fußball haben mich schon immer fasziniert. Von
Kindesbeinen an habe ich Sport getrieben und natürlich Fußball gespielt. In der Jugendzeit habe ich sogar
mit Reiner Geyer gespielt, der so gut
war, dass er von 1983-88 für den 1.
FC Nürnberg in der Bundesliga aufgelaufen ist. Als Duisburger war für
mich natürlich der Bezug zum MSV
Duisburg, damals noch Meidericher
Spielvereinigung, sehr nah. So hat
sich eine Blau-Weiße Leidenschaft
für die „Zebras“ entwickelt.
Baustelle und ich habe mir den Abriss des alten Stadions angeschaut.
Da hat Hellmich sehr gut gearbeitet. Beim letzten Heimspiel hat er
selbst mit angepackt und den Verkehr geregelt, aber das hat er auch
schon früher. Ich erinnere mich, dass er auf der alten Südtribüne die
Besucher auf die Plätze geleitet hat, als der Ansturm groß wurde. Es
wäre prima, wenn sich jetzt noch ein Stadionsponsor finden würde.
Ich denke da an Thyssen-Krupp oder Haniel. Diese beiden Weltkonzerne gehören zu Duisburg wie der MSV, ein Engagement würde so
hervorragend passen.
nrw sports: Wie sehen Sie die Chancen der „Zebras“ in der Eliteliga?
Otto: Vom Spielerischen und Taktischen können wir sicherlich
nicht mithalten, aber wir haben den Kampf, die Leidenschaft und
die Einsatzbereitschaft. Und mit den Fans im Rücken sind daheim
ebenfalls noch jede Menge Punkte drin. Norbert Meier leistet gute
Arbeit, aber für ihn ist es im Moment auch kein Kinderspiel. Die
Mannschaft muss sich erst finden und
mit der Situation „Bundesliga“ umgehen. An den Abstieg glaube ich nicht,
auch wenn es für uns knapp wird.
nrw sports: Im nächsten Jahr steht
die WM 2006 vor der Tür. Ein weiteres Highlight in NRW?
Otto: Ich freue mich auf die WM.
Wann können wir nochmals so etwas
hier in Deutschland erleben? Gerade
nrw sports: Erinnern Sie sich noch
jetzt, wo der Fußball in Deutschland
an ihr erstes Spiel mit dem MSV?
boomt und die Stadien voll sind. Die
Otto: Natürlich. Mit knapp 14 JahEuphorie ist groß. Hier in NRW wird
ren habe ich das erste Heimspiel „Blau-Weiße Leidenschaft“: Walter Otto
richtig was los sein. Vielleicht fahre
in der Bundesligasaison 1963/64 vor dem MSV-Fan-Shop der Arena
ich während der WM mit meiner
mitverfolgt. Am 31. August siegten die Meidericher unter Trai- Frau durch Deutschland, um mir alles anzuschauen. Ursprünglich
ner Rudi Gutendorf und durch ein Tor von Helmut Rahn mit 3:1 wollte ich Karten bestellen, aber diese ganzen Kriterien mit Vorgegen Eintracht Frankfurt. Seitdem bin ich immer, wenn es eben bestellung, Auswahl, Internet oder Passnummer habe ich nicht
geht, bei den Heimspielen dabei. Am Wochenende bin ich sozu- ganz durchschaut, da habe ich es sein gelassen. Dann versuche
sagen immer auf Ballhöhe.
ich die eine oder andere Karte für die Spiele aus der Region zu
ergattern. Wenn alle Stricke reißen, schaue ich mir die Spiele genrw sports: Seit dieser Zeit hat sich einiges getan, auch für mütlich am Fernseher an.
die Stadt?
Otto: Endlich passiert hier mal etwas in Duisburg. MSV Präsi- nrw sports: Mit 55 Jahren ist das sicherlich nicht Ihre erste
dent Walter Hellmich hat nicht nur mit den blauen Neonlichtern WM?
in der Arena wieder Farbe und Schwung nach Duisburg gebracht. Otto: Nein. Bei der ersten WM in Deutschland 1974 habe ich
Hier ist etwas aufgebaut worden. Welche Stadt in Deutschland nur alles via TV verfolgen können. 1998 war ich mit meiner Frau
hat denn schon Bundesligisten im Fußball und Eishockey. Das in Frankreich bei der WM dabei. Einer wollte mir sogar eine
ist doch eine schöne Sache. Ein positiveres Bild, was zumindest Eintrittskarte schenken, aber ich habe abgelehnt.
den sportlichen Part angeht, kann Duisburg in Nordrhein-West- Wir haben leider die Tumulte hautnah miterlebt, die zwei Strafalen gar nicht haben. Leider fehlt es den eishockeyspielenden ßen von uns entfernt stattfanden. Nach dem WM-Vorrunden„Füchsen“ am Zuschauerzuspruch. In Duisburg wird nun mal spiel Deutschland gegen Jugoslawien war es in den Straßen von
mehr Fußball geschaut.
Lens zu Krawallen deutscher Hooligans gekommen. Dabei wurde der französische Gendarme Daniel Neville halbtot geschlanrw sports: Liegt das auch an dem neuen MSV-Schmuck- gen worden. An den Folgen leidet er noch heute. Eine traurige
kästchen?
Sache, aber das wird es hier in Deutschland nicht geben. Der
Otto: Von der neuen MSV-Arena bin ich total begeistert. Die Staatsapparat und die Polizei sind gerüstet. Es werden freundliFans und die Arena haben einen erheblichen Anteil an dem che Fußballspiele werden.
Bundesligaaufstieg. Während des Neubaus war ich auf der Text und Foto Andreas Gellert
56
Ein Feuerwerk an Leistungen
Viele Anhänger denken und träumen in den Farben
ihres Lieblingsklubs. Ferienreisen werden strikt nach
dem Bundesliga-Spielplan ausgerichtet - wenn der Jahresurlaub nicht schon vorher für diverse Auswärtsfahrten quer durch die Republik oder gleich durch ganz
Europa draufgegangen ist. Wer einmal von der hochansteckenden „Volkskrankheit“ Fußball befallen ist,
kommt wohl ein ganzes Leben lang nicht mehr davon
los. Die Infizierten organisieren sich häufig in Fanclubs,
um mit Gleichgesinnten ihrer Leidenschaft zu frönen.
Bundesligist Bayer 04 Leverkusen ist nun noch einen
Schritt weiter gegangen und gründete den Bayer 04Club. „Der Club soll keinesfalls als Ersatz der traditionellen Fanclubs verstanden werden, sondern vielmehr
als sinnvolle Ergänzung“, erklärt Harald Hartel, der
bei der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH Referatsleiter für Werbung/Mitgliederclubs ist. Seit dem
Saisonauftakt für die bislang wohl eher verkorkste
Spielzeit 2005/2006 gibt es die Einrichtung für „Fans
und Sympathisanten“ aus ganz Deutschland als
Nachfolger des „Fanergy.de“-Projektes, das 2003 mit
dem Innovationspreis der Fußball-Bundesliga ausgezeichnet wurde. Der Bayer 04-Club, da sind sich
viele der Mitglieder einig, wurde gegenüber seinem Vorgänger
nochmals verbessert.
Geld oder Liebe? Beides!
Der Verein selbst macht seinen Getreuen die Mitgliedschaft
mit „einem Feuerwerk an Leistungen“ schmackhaft. Schon beim
Eintritt (Jahresbeitrag 30 Euro) in den Club erhält jedes neue Mitglied nicht nur die Mitgliedskarte, sondern auch ein exklusives
Willkommens-Paket mit zwei attraktiven Fanartikeln, die selbst
im üppig ausgestatteten Fanshop des Werksklubs nicht zu erstehen sind. Zudem gibt es auf alle nicht-reduzierten MerchandiseArtikel aus der aktuellen Kollektion einen Preisnachlass von zehn
Prozent – der preisgünstigen Einkleidung von Kopf bis Fuß steht
also nichts mehr im Wege. Ausschließlich für Clubmitglieder ist
ein spezielles Kartenkontingent zu jedem Heimspiel vorrätig. In
allen Kategorien gibt es einen Rabatt von drei Prozent, selbstredend auch bei Jahreskarten. „Das ist natürlich ein ausgesprochen
reizvolles Angebot, wenn man bedenkt, dass die BayArena so gut
wie immer ausverkauft ist“, meint Harald Hartel. Insbesondere
für die Bayer 04-Anhänger, die nicht direkt aus Leverkusen oder
der näheren Umgebung stammen, wird das Ergattern von Eintrittkarten im wahrsten Sinne des Wortes zu einer einfachen Fingerübung. Hartel: „Von Flensburg bis Bayern, wir haben Fans in ganz
Deutschland. Und die können die Tickets bequem online bestellen
und dann am Spieltag im Stadion abholen. Das ist vor allem für
unsere vielen auswärtigen Freunde eine ganz erhebliche Erleichterung.“ Auch die Reise zu internationalen Auswärtsspielen ist für
Mitglieder mit finanziellen Vorteilen verbunden. So gibt es eine
Vergünstigung von drei Prozent. Leider kann dieses Angebot nach
dem Erstrunden-Aus im UEFA-Pokal frühestens wieder in der
nächsten Saison genutzt werden. Trotzdem: Die Liebe zum Verein
ist mit beachtlichen, geldwerten Vorteilen verbunden.
Immer wissen, was los
Als besonderes Schmankerl gibt es für die Bayer 04-Clubmitglieder über die Internet Plattform club.bayer04.de einen kostenlosen Zugang zum neu geschaffenen Online-Fernsehen.
„Bayer 04-Live“ mit aktuellen Videos, Infos und Interviews. Rund
um die Uhr kann man die Traumtore der „Lieblinge“ in Ruhe vor dem
heimischen Computer genießen. Natürlich werden auf der Internetseite noch eine ganz Menge mehr Extras angeboten.
Zudem bekommt man das Stadionheft BayArena-Magazin kostenlos
ins Haus geschickt, wöchentlich wird der Online-Newsletter ins EMail-Postfach gesendet. Hartel: „Wir setzen ganz stark auf die Informationsschiene. Der Fan soll aus erster Hand alle Neuigkeiten rund
um Bayer 04 Leverkusen erfahren.“
Mein Club will dich
Doch nicht nur virtuell werden die Mitglieder rundum
versorgt. Bei jedem Heim- und Auswärtsspiel und bei vielen
anderen Aktionen ist das Club-Mobil vor Ort. Das Bayer 04Club-Team steht den Fans bei Problemen zur Seite und berät
bei Fragen zur Mitgliedschaft. Zudem ist Ellen Marzolph, die
Teamleiterin des Clubs bei jeder Heimpartie im Fanshop als
Ansprechpartnerin zugegen. Schon seit längerem werben Kicker-Stars und Galionsfiguren wie Rudi Völler mit der Aktion
„Mein Club will dich“. Das Konzept ist angelehnt an die berühmte Rekrutierungskampagne mit den „Uncle Sam“-Plakaten der US-Armee während des Ersten Weltkriegs („I want you
for U.S. Army“). Auch die Spieler sind vom Bayer 04-Club
angetan. Der zurzeit verletzte Jan-Ingwer Callsen-Bracker
schaute vor dem Heimspiel gegen Arminia Bielefeld am ClubMobil vorbei und lobte: „Die Fans sind das wichtigste. Ohne
unsere Anhänger würden wir in einem leeren Stadion spielen.
Deshalb finde ich es gut, dass man durch solche Aktivitäten
versucht, das Zugehörigkeitsgefühl zum Verein zu stärken.“
Übrigens: Auch für den ganz jungen Fannachwuchs gibt
es bei Bayer 04 Leverkusen eine eigene Organisation. Der
Löwenclub richtet sich an Kinder und Jugendliche bis 16
Jahre.
Meinungen zum Club 04
Agnes Salgert aus
Leverkusen:
„Der
Bayer 04-Club gibt
mir einfach die Möglichkeit, dem Verein
näher zu kommen.
Zudem bietet die Mitgliedschaft eine ganze
Menge Vorteile. Die Reise zum UEFA-Cup-Rückspiel
in Sofia haben wir dadurch beispielsweise günstiger
bekommen. Zudem hat man im Stadion immer eine
Anlaufstelle. Anfangs klappte die Versendung meines
Schals nicht optimal, aber wenn ich angerufen habe,
war immer jemand da und man hat mir dann den Schal
sogar persönlich übergeben. Beim Vorgänger-Projekt
‚Fanenergy’ war der Service nicht immer optimal, das
hat sich ganz klar verbessert.“
Ellen Marzolph,
Teamleiterin des
Bayer 04-Clubs:
„Ich bin bei jedem Heimspiel
im Fanshop vor
Ort und versuche,
Fragen der Anhänger zu beantworten und bei Problemen zu helfen.
Wir möchten einfach, dass die Fans noch mehr am Geschehen teilnehmen können, wollen eine noch größere Nähe zu Bayer 04 Leverkusen schaffen.“
Uwe Buenz aus Leverkusen:
„Ich bin aus Solidarität in den
Club eingetreten. Man muss einfach zu seinem Verein stehen, in
guten und auch in schlechten Zeiten. Momentan sind die Leistungen auf dem Rasen ja leider alles
andere als gut. Vor allem freut
mich die hervorragende Betreuung bei den Auswärtspartien. Wenn
mal jemand als Beispiel seine Geldbörse verloren hat, ist immer
jemand da, der einem hilft und dafür sorgt, dass man nach Hause
kommt.“
Karl Bohr aus Leverkusen: „Das
ganze ist insgesamt eine gute Sache. Ich überlege mir, demnächst
in den Club einzutreten. Ich habe
gehört, dass eine gute Atmosphäre herrscht und man viele Dinge
günstiger bekommt.“
Günther Ellinger aus Leverkusen: „Im Club habe ich schon
viele Gleichgesinnte kennen
gelernt. Das ist fast wie eine Familie. Meine Frau Christine und
mein kleiner Sohn Daniel sind
übrigens auch Mitglied. Ich bin
mit dem Angebot sehr zufrieden.
Durch die verbilligten Karten und Fanartikel kann man schon ein
paar Euros sparen. Von ‚Fanenergy’ war ich weniger begeistert.
Vor allem das BayArena-Magazin kam immer zu spät, doch das
hat sich jetzt enorm verbessert. Die Zeitung kommt pünktlich.“
Axel Ditteney aus Leverkusen: „Die Club Bayer 04
- Mitgliedschaft rechnet sich
auf jeden Fall. Es gibt subventionierte Auswärtsfahrten, wie
beispielsweise das DFB-Pokalspiel in Aue gegen Wismut. Das
vielfältige Angebot des Clubs
scheint auf einem vernünftigen
Konzept zu fußen. Wenn die Club Bayer 04-Mitgliederzahlen weiter steigen, hoffe ich, dass es eine noch breitere Palette an Angeboten gibt.“
Robert Graf aus Wuppertal: „Ich schätze vor
allem die vielen Vergünstigungen und den
direkten Zugriff auf das
Kartenkontingent.“
Bayer 04 Club
Internet:
http://club.bayer04.de
Bayer 04-Servicecenter:
01805/040404 (EUR 0,12/Min)
Verein:
Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH
BayArena
Bismarckstr. 122 - 124
51373 Leverkusen
www.bayer04.de
FIFA WM Stadt Kaiserslautern
WM-Spielort Kaiserslautern
Rote Teufel und Berner Helden
Die kleinste der zwölf WM-Städte 2006 ist eng mit einem der
größten deutschen Fußball-Triumphe verbunden. Angeführt von
Kapitän Fritz Walter besiegte die deutsche Nationalmannschaft bei
der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz im Finale den hohen
Favoriten Ungarn mit 3:2 und sicherte sensationell den ersten von
inzwischen drei WM-Titeln. Nach Fritz Walter ist das zur WM ’06
48.500 Zuschauer fassende Stadion benannt und mit Horst Eckel
konnte die Stadt einen „Helden von Bern“ als WM-Botschafter gewinnen. „Ich kann es kaum erwarten, bis hier der Ball rollt“, sagt
der 73-Jährige, der mit dem 1. FC Kaiserslautern (FCK) 1951 und
1953 deutscher Meister wurde und im Berner Wankdorfstadion ne-
der Vorstandsvorsitzende des Pfälzer Bundesligisten, fügt an: „Die
vielen Fans aus verschiedenen Ländern garantieren eine wirklich internationale Atmosphäre.“
Allerdings ist es nicht einfach, die zahlreichen Besucher rund um
den 286,50 Meter hohen Stadionstandort auf dem Betzenberg unterzubringen. Im Stadtgebiet bietet Kaiserslautern lediglich 1400 Gästebetten. Da braucht der Anhang der Brasilianer, Argentinier oder der
Japaner Glück, um sich eine Unterkunft zu sichern. Im erweiterten
Einzugsgebiet stehen hingegen ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. Im Umkreis von rund 45 Autominuten können
38.000 Betten gebucht werden.
Die freundlichsten Taxifahrer Deutschlands
Aber nicht nur durch seine ehemaligen Stars und durch Aktionen
wie das Wintersport-Festival will die Stadt glänzen. Mit Beginn der
Titelkämpfe 2006 will Kaiserslautern die freundlichsten Taxifahrer in
Deutschland präsentieren. Dafür bietet das WM-Organisationskomitee der Stadt Schulungen, sowie Sprachkurse und Stadtrundgänge für
Taxifahrer an. Die Fahrer selbst wollen die Aktion mit einheitlicher
Kleidung und Namensschildern unterstützen.
ben dem Kapitän auch mit seinen FCK-Teamkollegen Ottmar
Walter, Werner Liebrich und Werner Kohlmeyer auf dem Platz
stand.
Wintersportort Kaiserslautern
Auch wenn es beim Umbau des Stadions finanzielle Probleme
gab und die Kosten höher ausfielen als kalkuliert (sie stiegen von veranschlagten 48,6 Millionen Euro auf rund 71 Millionen Euro), ist die
Vorfreude riesig. So besuchten 39.207 Interessierte den WM-Globus
des Wiener Künstlers Andre Heller, der vom 17. Mai bis 19. Juni auf
dem Theater-Platz in Kaiserslautern Station machte.
Etwas Besonderes hat sich die Stadt für den Februar 2006 einfallen lassen. Vom 10. bis 12.2. wird sich die fußballverückte Gemeinde
während der Olympischen Spiele in Turin ebenfalls in eine Schneelandschaft verwandeln. Auf sechs zentralen Plätzen in der Stadt wird
ein Wintersport-Festival mit einer Langlauf- und Rollski-Piste, einer
Skisprung- und Snowboardschanze, einer Bob- und Eisbahn sowie
Biathlon- und Rodelwettbewerben stattfinden. „Mit dieser bislang
einzigartigen Veranstaltung in Kaiserslautern wollen wir die Sport-
Auf Barbarossas Spuren
Die Taxifahrer werden die WM-Besucher aber nicht nur zum Stadion
bringen sondern auch zu der ein oder anderen Sehenswürdigkeit. So
lädt der Japanische Garten, der größte seiner Art in Europa, zu einer
kleinen Reise durch die fernöstliche Welt ein. Für einen Besuch in die
Vergangenheit bietet sich auch die umfangreiche Dinosaurier-Ausstellung an. Zu empfehlen ist auch eine Visite der Kaiserpfalz, die auf
Veranlassung von Kaiser Friedrich I., besser unter seinem Beinamen
Barbarossa bekannt, 1152 errichtet wurde.
Die Stiftskirche gilt unterdessen als bedeutendste spätgotische
Hallenkirche im Südwesten Deutschlands. Ebenso lohnt sich ein
Besuch in der Fruchthalle zwischen den WM-Spielen. Sie wurde
zwischen 1843 und 1846 nach dem Vorbild italienischer Palazzi im
Renaissancestil erbaut. Hier boten einst die Bauern aus der Region
ihre Produkte feil. Heute dient die Fruchthalle als Ort für politische,
Internationale Atmosphäre garantiert
Aber nicht nur bei Weltmeister Eckel steigt das WM-Fieber, auch Oberbürgermeister Bernhard J. Deubig fiebert dem
Großereignis im kommenden Jahr entgegen. „In einem regelmäßigen Abstand von drei bis vier Tagen finden bei uns Spiele
statt. Dadurch bleiben wir über einen Zeitraum von 13 Tagen
als WM-Standort in besonders hohem Maß im Blickpunkt der
Weltöffentlichkeit. Als internationale Stadt, in der Menschen
aus 126 Nationen leben, freuen wir uns jetzt schon darauf,
die Mannschaften aus mindestens acht verschiedenen Ländern begrüßen zu können“, erklärte Deubig. Rene C. Jäggi,
60
begeisterung in der Region, auch im Hinblick auf die WM, wecken“,
erklärt Jutta Kopf, Vizepräsidentin des Sportbundes Pfalz.
gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen. Zudem ist ein Besuch des Casimir-Schlosses, eingegliedert in den Rathaus-Komplex,
Pflicht für den kulturinteressierten WM-Touristen in Kaiserslautern.
Die Stadt ist im Jahr der WM gut aufgestellt, die Vorbereitungen
auf den sportlichen Höhepunkt 2006 laufen auf Hochtouren. Kaiserslautern ist dem Ziel, sich als kreativer und liebenswerter Gastgeber
zu präsentieren, sehr nah. Daher sagt Oberbürgermeister Bernhard J.
Deubig: „Wer in unsere Stadt kommt, wird tatsächlich zu Gast bei
Freunden sein.“
von Andreas Obertal, Fotos Kaiserslautern
Kaiserslautern
Fritz-Walter-Stadion
Grundstücksgröße weit über 100.000 qm
Fassungsvermögen: 46.615 Plätze
Aufteilung: 27.982 Sitzplätze,
18.633 Stehplätze (alle überdacht)
Nach den Umbau-Arbeiten 48.500 Plätze.
1. FC Kaiserslautern e.V.
Fritz-Walter-Straße 1, 67663 Kaiserslautern
Telefon: 0631-3188-0, E-Mail: [email protected]
www.fck.de, www.kaiserslautern.de
61
Fußball-WM 1950 - Brasilien
FIFA WM Plakat 1950
25. Juni 1950 – Englands allererster WM-Einsatz mit Tom Finney gegen Chile
Weltmeister 1950 - Das Team aus Uruguay
200.000 Fußball- Verrückte im Maracana
Die Fußball-Weltmeisterschaft von 1950 war in vielerlei Hinsicht einzigartig. Da war zunächst die Tatsache,
dass es fünf Jahre nach Kriegsende immer noch in großen Teilen Europas aussah wie auf einem Schlachtfeld,
sodass finanzielle, infrastrukturelle und sicherheitspolitische Überlegungen eine Austragung des Weltturniers auf
dem europäischen Kontinent schon verhindern mussten.
Daneben war während der Kriegsjahre natürlich auch der
sportliche Betrieb in Europa zum Erliegen gekommen. Ein
weiterer Grund, den FIFA-Cup nicht in der „Alten Welt“
ausschießen zu lassen. Daher traf es sich gut, dass sich nur
Brasilien als Veranstalter der WM bewarb, war das südamerikanische Land doch auch während des Krieges fußballerisch aktiv gewesen.
Ohne Deutschland
Die zweite Sensation hörte auf den Namen „Maracana“, befand sich in Rio de Janeiro und war das größte Stadion der Welt,
das 200.000 Fußballverrückten Platz bot. Welche Bedeutung
dieser Gigant für den brasilianischen Fußball hatte, lässt sich am
besten aus einem Zitat der lebenden Legende Pelé herauslesen:
„Ohne das Maracana wäre ich nicht der geworden, der ich bin.“
In einem solchen Ambiente musste die Endrunde um den ab sofort
nach FIFA-Übervater Jules Rimet benannten Pokal einfach abgehen wie heute uns „Schumi“ ohne Reifen-Pech.
Ach ja, Deutschland war - wie Japan - 1950 immer noch
zwangsweise aus der FIFA ausgeschlossen. Obwohl selbiger eine
Petition des Schweizer Verbandes vorlag, die eine Wiedereingliederung des Deutschen Fußball Bundes (DFB) forderte, blieb man
zunächst hart. Die 1950’er WM ging als bisher einzige ohne Beteiligung einer Elf aus dem Teutonen-Ländle in die Geschichte ein.
Blasse Mexikaner
Los ging das muntere Gekicke am 24. Juni auf einer Baustelle.
Das Maracana war nämlich nicht rechtzeitig zum Eröffnungsspiel
fertig geworden. Brasilien störte das nicht und ließ die Gäste aus
Mexiko mit 4:0 erst mal richtig blass aussehen. Das Spiel bot auf
64
Gastgeber-Seite viel fürs Auge der 81.000 Zuschauer im Stadion.
Die „Herrschaften vom Zuckerhut“ hatten inzwischen das traumhafte Offensivspiel kultiviert, für das sie heute noch vergöttert werden.
Ademir traf doppelt und wurde zum ersten Star der WM. Leider geriet man bereits gegen die Schweiz ins Wanken und offenbarte erste
Schwächen in der Defensive, die den Brasilianern später sogar den
Titel kosten sollten.
England besiegte in Gruppe 2 Chile zunächst mit einem souveränen 2:0, blamierte sich aber dann im Spiel gegen die USA. Man
unterlag mit 0:1, weil den Kickern aus dem Königreich der Hochmut
zum Verhängnis geworden war. Diese Behäbigkeit nutzte Amerikas
Mittelstürmer Larry Gaetjens in der 37. Minute gnadenlos aus und
schoss die USA in die Fußballgeschichte, auch wenn die US-Boys
trotzdem nach der Vorrunde ausschieden. Die Niederlage der Engländer begründete wohl auch die Weisheit, dass es in internationalen
Turnieren keine „kleinen“ Gegner gibt.
Madonna mia!
Zu einem solchen „kleinen“ Gegner war auch der amtierende
Weltmeister Italien geschrumpft. Da das Nationalteam zur Hälfte
aus Kickern des AC Turin bestand, traf es sich nicht gut, dass die gesamte Turiner Mannschaft1949 mit einem Flugzeug auf eine Kirche
stürzte und in Flammen aufging. Madonna mia! Plan B: Die restliche Mannschaft sagte Luftreisen ade und wurde per Schiff nach
Brasilien gebracht. Ergebnis: Die Squadra wurde sterbenskrank,
verlor in der Vorrunde gegen Schweden mit 2:3 und durfte kurze
Zeit später wieder nach Hause schippern.
In Gruppe 4 machte Uruguays Last Minute – Team (zwei Monate vor Beginn der WM gab es noch kein Aufgebot) mit einem 8:0
gegen Bolivien alles klar und zog in die Finalrunde ein.
Hier nagelten zunächst die Brasilianer die kühlen Schweden
mit 7:1 aus dem Turnier, bevor sie den Spaniern mit einem 6:1
die Schattenseiten südamerikanischer Träume zeigten. Uruguay
hatte deutlich mehr Mühe mit den europäischen Teams, schaffte mit Ach und Krach ein Remis gegen Spanien und siegte 3:2
über Schweden. Im Finale Brasilien gegen Uruguay erwarteten die
meisten der 199.854 Zuschauer (bis heute Weltrekord) im Maracana-Stadion die mühelose Vernichtung der Mannschaft aus Uru-
guay. Und am Anfang sah auch alles danach aus. Kurz nach
der Halbzeitpause brachte Friaca das brasilianische Team mit
1:0 in Führung, doch Uruguays WM-Star Alberto Schiffiano, der schon im Bolivien-Spiel vier (!) Mal getroffen hatte,
erzielte in der 66. Minute den Ausgleich. Nun wurden die
Brasilianer unsicher, ihre schwache Stelle – die Defensive
– war entdeckt worden. Wütend stürmten sie nach vorne,
doch die Uruguayer hatten Blut geleckt und vertrauten ihrem Kalkül. 79. Minute: Rechtsaußen Ghiggia stürmt auf
das brasilianische Tor zu, täuscht eine Flanke an und zirkelt
das Leder stattdessen über den Kopf von Keeper Barbosa
ins Netz. Uruguay war nach 20-jähriger Turnier-Abstinenz
erneut Weltmeister geworden. Das Wunder von Rio war
perfekt. Der Schrecken am Zuckerhut saß auch vier Jahre
später anscheinend noch tief – doch davon wollen wir inder nächsten Folge sprechen.
Text:
Markus Italiani
Fotos:
Bilderberg
Die WM 1950 in Zahlen
Spiel um Platz 3
Schweden - Spanien 3:1
Finale:
Brasilien - Uruguay 1:2
Spiele: 22
Tore: 88
Englands Keeper Bert Williams und Verteidiger Aston stoppen
einen Angriff der Chilenen
WM-Berichterstattung - Reporter und Fotografen bei der
harten Arbeit in Brasilien
Zuschauer:
gesamt 1.337.000
pro Spiel 60.773
Rekord: 199.854 (im Finale - gilt bis heute)
65
Handball - VFL Gummersbach
Die Zerschlagung des „nordischen Knotens“ –
ein göttlicher Auftrag für Gummersbach
THW Kiel oder SG Flensburg-Handewitt. SG Flensburg-Handewitt
oder THW Kiel. Kreative Antworten gab es bei der obligatorischen
Meister-Umfrage unter den 18 Trainern der Handball-Bundesliga
vor dem Saisonstart nicht. Konnte man auch nicht erwarten. In
den letzten zwölf Jahren kam der Meister neunmal von der Küste,
achtmal davon aus Kiel. Den einzigen Flensburger Titel (2004) in
dieser Zeit als historischen Irrtum zu bezeichnen, wäre bei drei
aufeinanderfolgenden Pokaltriumphen seit 2003 sicherlich ungerecht. Verkommt die Spielzeit 2005/2006 also zu einer Langweiler-Saison? Startet die nordische Phalanx einen ähnlichen Durchmarsch wie im letzten Jahr, als die beiden Erzfeinde am Ende
zusammen gerade einmal 14 Verlustpunkte verbuchten, fünf
weniger als der abgeschlagene Drittplatzierte SC Magdeburg
mit 19 Minuszählern?
Es sieht nicht danach aus. Denn die Konkurrenz, so scheint
es nach den ersten Spieltagen, hat den Anschluss gefunden.
Allen voran der VfL Gummersbach, der sich anschickt, den
„nordischen Knoten“ zu durchschlagen. Der Rekordmeister
drängt mit Macht zurück an die Spitze der vermeintlich besten Handball-Liga der Welt.
leten-Schränke“ wie Nationalkeeper Christian Ramota oder Frank
von Behren unter Stifte schwenkenden Teenie-Trauben, die ihre
Fotohandys „bedrohlich“ gezückt haben. Ein sportlicher Weltjugendabend mit 14 Nationalspielern aus sieben Ländern, alle im
blau-weißen Trikot. Viele der Fans sind mit Freikarten „angefüttert
worden“, berichtet Krämer in der Sprache eines Rattenfängers.
Und wenn die 18.000 Zuschauer fassende Mehrzweckhalle im
Kölner Stadtteil Deutz, in der übrigens auch das WM-Finale 2007
ausgetragen wird, der „Vatikan“ ist, dann ist Krämer so etwas wie
der VfL-Papst. Der 64-jährige Katholik, der eigentlich Historiker
das Bundesliga-Spiel gegen den THW Kiel in die Kölnarena. Mit
durchschlagendem Erfolg: 18.576 Zuschauer wohnten der „allerersten Lesung einer Handball-Messe“ in dem modernen Multifunktionsbau bei. Der restlos ausverkaufte Testlauf ging damals
als inzwischen aber wieder übertroffener Handball-Weltrekord in
die Geschichtsbücher ein. „Wir haben es dann noch mal gemacht
und noch mal. Dann war die Inkubationszeit bei mir vorbei und ich
war angesteckt“, erzählt Krämer über seine Missionierung für die
Handball-Religion Gummersbach.
Und in der Auferstehungs-Geschichte des VfL spielt die Kölnarena
Der VfL und das liebe Geld
Schon vor der Saison präsentierte der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Peter Krämer ein Budget von rund
4,7 Millionen Euro. Das bedeutet nicht nur Rang zwei in
der Geldrangliste der Eliteliga hinter den Kielern, sondern
auch, dass der Rekordetat des Vorjahres von 3,9 Millionen
Euro noch einmal erheblich gesteigert wurde. Gummersbach und das liebe Geld – da war doch was? Richtig,
denn es ist noch gar nicht so lange her, da stand das einstige und, wenn es nach Krämer geht, auch zukünftige
Aushängeschild des deutschen Handballsports vor dem
Ruin. Nach dem letzten Meistertitel 1991 sorgte der
VfL in schöner Regelmäßigkeit durch Skandale, Konkurs- sowie anschließender Rettungsmeldungen für
Aufsehen. Der Tiefpunkt war im Jahr 2000 erreicht,
als dem Klub endgültig das „Aus“ drohte und erst das
Votum des DHB-Präsidiums mit Verbandsboss Ulrich
Strombach, pikanterweise selbst von 1977 bis 1993 Regelmäßige Rekordkulisse bei
Vereinspräsident des VfL, durch die sogenannte „Lex
den Heimspielen in der Kölnarena
Gummersbach“ die Rettung brachte.
Der Handball-Vatikan und sein Papst
Doch zurück in die Gegenwart. Fast 15.000 Zuschauer kamen zum
ersten Heimspiel der Saison in die Kölnarena, bei dem die Gäste
der HSG Düsseldorf mit ein wenig Mühe, am Ende aber doch standesgemäß mit 35:25 geschlagen wurden. Nur die wenigsten der
anwesenden Jünger im „Handball-Vatikan“ (so VfL-Trainer Velimir Kljaic) dürften sich an die düstere Vergangenheit erinnern, die
an solchen Abenden ganz weit entfernt erscheint. Wie nach jedem
Spiel stürmten Horden von jugendlichen Autogrammjägern das
heilige Handballparkett und umringten die VfL-Stars. Das Ganze erinnerte irgendwie an eine milde Form der biblischen Heuschreckenplage: Blitzschnell verschwinden herausragende „Ath68
werden wollte, machte den Traditionsklub fit für die Zukunft und
schreibt sozusagen eifrig an den ersten Kapiteln des „Neuen Testaments“ des Vereins. Zusammen mit dem Unternehmensberater
Jochen Kienbaum akquirierte der ehemalige Feldhandballer neue
Geldgeber und musste dabei nicht mal den Boden vor den Unternehmensbossen küssen. Als Chef der Kölner Kreissparkasse verfügt Krämer naturgemäß über beste Kontakte. „Ich wollte damals
eigentlich nur helfen“, berichtet er.
18.576 Zuschauer
Doch es kam anders und sein persönliches Erweckungserlebnis
hat Krämer selbst zu verantworten. Im November 2001 holte er
eine wichtige Rolle. Krämer: „Die Sponsoren brauchen eine Bühne, um sich zu präsentieren. Das ist in der Dreifach-Turnhalle in
Gummersbach nicht möglich.“ Beim 27. Auftritt in der Domstadt
gegen Lemgo wurde die Marke von 400.000 Gesamtzuschauern
überschritten, bald wird in Köln sogar eine zweite Geschäftsstelle
eröffnet. Doch der Name VfL Gummersbach soll laut Krämer bleiben, man könne „doch einer Marke nicht ihren Kern nehmen. Und
Gummersbach ist nun mal auf der ganzen Welt ein Begriff“. Im
Bergischen atmet die altehrwürdige Eugen-Haas-Halle noch den
Staub der Historie und taugt bestenfalls als marode Erinnerungshilfe an erfolgreiche Jahre oder zum Empfang von kleinkalibrigen
Gegnern wie Delitzsch oder Melsungen. Denn mindestens zehn
Bundesliga-Heimspiele werden in diesem Jahr in Köln ausgetragen, hinzu kommen noch einige Partien im EHF-Pokal, der auf
der Titelliste, die vor der Spielzeit erstellt wurde, ganz oben steht.
Doch der wahre göttliche Auftrag ist natürlich die Meisterschaft.
Deutsche Weltauswahl mit französischer Spielkultur
und koreanischer Kanone
Noch einmal hat man sich verstärkt, noch einmal fünf Nationalspieler geholt: Der isländischen Wirbelwind Gudjon Valur Sigurdsson,
der nach sechs Spielen als bester Bundesliga-Werfer bereits 49
Treffer auf seinem Konto verbuchte, kam aus Essen,
Nationalkeeper Christian Ramota kehrte aus Lemgo
zurück, Sigurdssons Landsmann Robert Gunarsson
wurde für den Kreis aus Dänemark geholt, auch Düsseldorfs Toptorjäger Michael Hegemann fand den Weg
nach Gummersbach und kurzfristig holte man noch
den Schweden Denis Bahtijarevic. „Wir sind auf jeder
Position doppelt gut besetzt. Das ist auch nötig, bei den
vielen Spielen, die wir absolvieren müssen“, verkündet
Krämer stolz und versetzt seinen Coach damit in die angenehme Lage, bei jedem Match aufs Neue die Qual mit
seiner Weltauswahl zu haben. Schließlich kann Kljaic ja
auch noch auf die Dienste der drei französischen Stars
Francois-Xavier Houlet, Cedric Burdet und Daniel Narcisse zurückgreifen. Fast schon zum Inventar gehört der
„Kanonier aus Korea“ Kyung-Shin Yoon. Kljaic, der sein
Heimatland 1996 zum Olympia-Sieg geführt hatte, spricht
denn auch schon fast ein wenig pflichtbewusst von einer
„Supertruppe“, die er da beisammen habe.
„In spätestens zwei Jahren Deutscher Meister“
Und die zum Saisonstart direkt einmal ein Ausrufezeichen
setzte. Den ersten Punktverlust gab es erst im sechsten Spiel
im Duell der Außenseiter gegen den TBV Lemgo. Doch das
26:26 gegen die Ostwestfalen wurde trotzdem gefeiert: Zum
ersten Mal seit zwölf Jahren übernahm der ungeschlagene
VfL wieder die Tabellenführung in der Handball-Bundesliga, die jedoch nach dem 28:28 in Kronau/Östringen wieder
verloren wurde. Und während Hans-Peter Krämer vorgibt, „in
spätestens zwei Jahren Deutscher Meister“ sein zu wollen, hört
sich das Understatement von Gummersbachs Trainerfuchs Velimir Kljaic noch ein wenig ambitionierter an: Der hob zwar auch
Kiel und Flensburg vor der Saison auf den Favoritenschild und formulierte als „Minimalziel“ Champions League. „Aber wir wollen
um die Meisterschaft ein Wort mitreden.“ Doch nach dem LemgoSpiel wurde er dann noch ein bisschen forscher: „Der Meistertitel
ist möglich. Wir sind nicht schlechter als die anderen Top-Vereine.“ Der VfL gilt in diesem Jahr nur als Geheimfavorit auf die
Meisterschaft, doch wenn es am Ende mit dem 13. Titel klappen
sollte, wäre wohl niemand wirklich überrascht. Am wenigsten die
Gummersbacher.
Text: Daniel Neuen
Foto: VFL Gummersbach
69
Handball - TuSEM Essen
TuSEM
aus der Asche
Die letzten Atemzüge reichten noch für ein Wunder. Als
die beiden Handball-Bundesligisten des TuSEM Essen und des
SC Magdeburg (SCM) am 7. Mai diesen Jahres zum Rückspiel
im Finale des EHF-Pokals (vergleichbar mit dem UEFA-Pokal im Fußball) in der Arena Oberhausen einliefen, standen die
Ostdeutschen für Fans und Fachleute schon als sicherer Sieger
fest. Deutlich hatte der SCM das Hinspiel mit 30:22 gewonnen.
Am Ende gelang das Unmögliche: Essen siegte im Rückspiel mit
31:22 und feierte seinen dritten internationalen Titel. Während
Magdeburgs Superstar Stefan Kretzschmar auf der Tribüne seine
Tränen verbarg, feierten TuSEMs Helden mit Bier und Champagner. Der feucht-fröhliche Party-Marathon dauerte mehrere Tage
und vor allem Nächte - und sollte eine Art letztes Abendmahl für
den Traditionsklub werden. Spieler und Funktionäre tanzten bereits auf dem finanziellen Grab der eigenen Handball-GmbH.
Denn schon längst beherrschten die Sorgen des Bundesliga-Urgesteins und dreifachen Deutschen Meisters die Schlagzeilen. Großsponsor Weinerplan zahlte nie die vertraglich vereinbarten 2,77 Millionen Euro. Klubboss Klaus Schorn, der sein Lebenswerk TuSEM
auf Platz drei der ewigen Erstligatabelle geführt hatte, schaffte kein
Wirtschaftswunder im Ruhrgebiet. Der ausbleibende Geldfluss mün-
dete am Ende der Saison 2004/2005 nicht nur in den größten Triumph
der Vereinsgeschichte seit elf Jahren, sondern auch in die schlimmste
Katastrophe: Insolvenz, Lizenzverweigerung und Zwangsabstieg in
die Regionalliga West nach 26 Jahren im Handball-Oberhaus.
titelgeschwängerten Vergangenheit. Die Geldgeber halten dem TuSEM die Treue, wollen dafür aber auch Ergebnisse sehen. Für ein
drittes Jahr in der Regionalliga wird man die Sponsoren nicht motivieren können.
Wiederauferstehung in der Regionalliga
Doch der „Turn- und Sportverein Essen-Margarethenhöhe“ ist
wiederauferstanden, oder besser gesagt, neu geboren. Mit einer neu
gegründeten Handball-GmbH unter der Leitung von Geschäftsführer
Horst-Gerhard Edelmeier tapst der Nachwuchs auf seine neue Spielwiese in der dritten Liga. Von finanziellen Altlasten unbeschwert,
denn für die geschätzten Schulden von etwa einer Million Euro wird
der alte Patriarch Schorn, immer noch Vizepräsident des Gesamtvereins, haften müssen. Kleine Schritte sind das am Anfang, die jedoch
zu einem großen Ziel führen sollen – dem Aufstieg in die Eliteklasse.
Ein Zwei-Jahres-Plan wurde für das ehrgeizige Projekt „TuSEM aus
der Asche“ erst mal formuliert. Welpenschutz gibt es nicht, wie Prokurist Jens Wachowitz klar stellt: „Spätestens nach dem zweiten Jahr
muss der Aufstieg in die Zweite Bundesliga gelingen.“ Als Geburtshelfer betätigen sich viele der alten Sponsoringpartner. Auch wenn
die monetäre Muttermilch selbstredend spärlicher fließt als in der
Geld muss Tore werfen
Die sportliche Entwicklung ist in der Regel nicht planbar, doch
der Sprössling wird mit finanziellen Genen als Rüstzeug in die
beschauliche neue Handball-Welt geschickt, die man stark untertrieben als „vielversprechend“ bezeichnen könnte. Der Etat dürfte einen Regionalliga-Rekord für die Ewigkeit aufstellen, auch
wenn sich die Verantwortlichen über eine genaue Summe ausschweigen. Andere Klubs monierten jedenfalls bereits öffentlich
„Wettbewerbsverzerrung“. „Deutlich im sechsstelligen Bereich“,
veranschlagte Edelmeier, der seit seinem zehnten Lebensjahr
TuSEM-Mitglied ist und sogar im Stadtteil Margarethenhöhe
wohnt, denn auch das Budget für sein „Baby“. Laut Wachowitz
„backt man jetzt kleinere Brötchen. Wir leben nicht über unsere
Verhältnisse.“
Trotzdem: Das Spielermaterial, das Trainer Ion Bondar zur
Verfügung steht, sollte in der Lage sein, den Aufstieg in die
Handball - TuSEM Essen
Strandgut
13. Deutsche Zürich Beach-Volleyball Meisterschaften am
Mark Dragunski
Caach Bondar
Zweite Bundesliga schon in diesem Jahr zu realisieren. Denn geblieben sind nicht nur die Sponsoren, sondern auch einige namhafte Spieler: Flügelflitzer Mark Schmetz (105-facher Nationalspieler
für die Niederlande), Rückraum-Ass Evars Klesniks (bestritt schon
50 Länderspiele für Lettland) und Junioren-Nationalspieler Dennis
Tenberken, der bei einigen Bundesligisten auf der Einkaufsliste
stand. „Die haben keine Regionalliga-Mannschaft, die sind viel besser und werden direkt wieder aufsteigen“, schwärmte das gebürtige
Essener Spielmacher-Talent Michael Haaß, der jetzt bei Bundesligist HSG Düsseldorf auf Torejagd geht. Und da war der Mann noch
gar nicht dabei, auf dessen starken Schultern die größten Hoffnungen liegen: Mark Dragunski. Der Kreisläufer kam von Rekordmeister Gummersbach und bringt die Erfahrung von 370 Bundesligaspielen mit. Mit 34 Jahren kehrt der „alte Essener“ (Dragunski über
Dragunski) zurück und ist bedeutendster Mann für Coach Bondar.
Der muss nämlich den lettischen Nationalkeeper Helmuts Tihanovs und den isländischen Torjäger Halldor Sigfusson als weitere
wichtige Neuzugänge in eine blutjunge Rasselbande einbinden.
Zwölf Spieler aus dem 18er-Kader entstammen der eigenen, seit
Jahren hervorragenden Jugendarbeit. Dragunski soll als Leitwolf
die jungen Spieler an die Hand nehmen, die nicht nur wegen dessen
beeindruckender Körpergröße von 2,14 Meter zu ihm aufschauen,
sondern vor allem wegen seiner Erfolge: DHB-Pokal-Sieger 2003,
Vizeweltmeister 2003, Europameister 2004 und Olympiazweiter
2004. Dazu zweimaliger Gewinner des Euro-City-Cups, erstmalig
1994 mit dem TuSEM. Hier erlebte er eine schwere, aber auch erfolgreiche Zeit. Die damaligen Stars um Jochen Fraatz kritisierten
das unfertige Talent teilweise heftig, was ihm letztlich aber zum
Vorteil gereichte. In Essen wurde Dragunski vom tölpelhaften
Handball-Riesen zum ehrfurchtsvoll genannten „GOAL-iath“ geschliffen. Jetzt ist er als Entwicklungshelfer wieder da und stellt
klare Anforderungen an die vielen grünen Jungs in den weiß-roten
Trikots: „Das ist hier keine Spaßveranstaltung. Die müssen einfach Gas geben!“ Das investierte Geld soll die Tore schießen. Es
muss sogar, daran lässt Bondar keinen Zweifel: „Die jungen Leute
kriegen eine Chance, sie müssen aufgebaut werden. Aber ich werde vor allem auf die erfahrenen Spieler setzen. Und die werden in
vielen Matches durchspielen.“
Aufstieg! Aufstieg! Aufstieg!
Denn der Druck ist groß. Die kurzfristig angelegten Planungsziele verbieten Bondar, der im letzten Jahr die zweite Mannschaft
72
des TuSEM in der Regionalliga betreute, jegliche Experimente.
„Zum Ausprobieren bleibt keine Zeit. Wir müssen aufsteigen und
versuchen, jedes Spiel zu gewinnen - egal wie!“ Essen ist der ultimative Favorit in der Regionalliga West. Auch Mark Dragunski
kennt nur ein Ziel: „Aufstieg, ganz klar!“ Der Trainer tut sich dann
auch schwer, irgendwelche Stolpersteine auf dem 32 Spieltage langen Weg in die Zweite Bundesliga auszumachen. Die neue Liga ist
trotz des standesgemäßen Starts mit sieben Auftaktsiegen (Stand 9.
Oktober) noch Gewöhnungssache. Statt THW Kiel, TBV Lemgo
oder VfL Gummersbach heißen die Gegner jetzt eben SG Schalksmühle-Halver, DJK Unitas Haan oder TuS Niederpleis. Und so
richtig angekommen ist man dann auch noch nicht in den Niederungen der Drittklassigkeit, wie der hart umkämpfte Arbeitssieg gegen
Schalksmühle deutlich zeigte. Es fängt schon damit an, dass in der
Regionalliga West als einzige der fünf Regionalligen der Klebstoff
Harz, die Haftcreme für Handballer-Hände, bei Strafe verboten ist.
150 Euro waren nach dem Auftaktsieg über Gladbeck fällig, die
Schiedsrichter schrieben einen Sonderbericht. Und im Spiel gegen Schalksmühle beschlichen die gestandenen ehemaligen, aber
mittlerweile „harzlosen“ Bundesliga-Handballer streckenweise
äußerst peinliche Schwierigkeiten in einer der Grundtechniken des
Sports, dem schlichten Fangen des Balls. „Dass wir nicht harzen
dürfen, darf keine Ausrede sein“, wehrte Dragunski in einer ähnlich
energischen Heftigkeit ab, mit der Coach Bondar nach dem Spiel
die Leistungen der Schiedsrichter einordnete: „Es ist klar zu sehen,
meine ehemaligen Bundesliga-Spieler werden benachteiligt. Das
ist eine Sauerei.“ Aber beschweren wolle sich Bondar auch nicht:
„Wir müssen uns eben auf das Pfeifen einstellen.“
Dreihundert Dauerkarten verkaufte der „neue TuSEM“ vor der
Spielzeit und zum ersten Spiel gegen Gladbeck kamen gleich 1200
Zuschauer. Zum Vergleich: Beim Bundesliga-Start des Nachbarn
HSG Düsseldorf gegen Nordhorn kamen sogar einhundert Fans
weniger. „Wir ziehen ein paar Neugierige an, aber es gibt auch
eine Art Trotzeffekt. Viele zeigen sich mit uns solidarisch, denn
wir sind ja nicht freiwillig abgestiegen“, umschreibt Prokurist
Wachowitz die Befindlichkeiten am einst so ruhmreichen Handball-Standort im Ruhrgebiet, an dem man wieder relativ entspannt
Luft holen kann.
Text: Daniel Neuen
Foto: Roland Solich
Markus Dieckmann ballt die Fäuste, biegt den Körper zurück, lässt die
Arme nach oben schnellen, jubelt.
Sekundenbruchteile später löst sich
die Spannung des Körpers auf. Der
Beach-Volleyballer dreht sich um
und fliegt förmlich an die Brust seines
Partners Jonas Reckermann. Arm in
Arm und noch immer mit dem feinen Sand des Timmendorfer Strandes bedeckt, feiern die Beiden den
Titelgewinn bei den Deutschen Meisterschaften 2005 ausgelassen. Minimaler Wermutstropfen für Markus, er
hat gerade seinem Bruder Christoph
die Titelverteidigung vermiest. Der
„kleine“ Dieckmann, mit 1,90 Metern
ist Markus acht Zentimeter kleiner
als Christoph, setzte sich damit zum
zweiten Mal nach 2001 die Krone
beim Abschlussturnier der nationalen Zürich Masters Serie auf. Bereits
vor vier Jahren jubelte Markus in den
Armen von Jonas Reckermann. Genauso wie wenige Wochen vor den
Tage in Timmendorf. Da holten sich
die für rheinischen Moers spielenden
Dieckmann/Reckermann die Bronzemedaille bei der Europameisterschaft in Moskau. Im „kleinen „ Finale
schlugen sie, na, wen wohl? Genau,
Dieckmann/Scheuerpflug.
Aufholjagd
Nach dem ersten Satz im deutschen Meisterschaftsfinales sah es
so aus als ob der Titelverteidiger diesmal siegen könnte. Die beiden Moerser „Beacher“ hatten den ersten Satz
an die „Berliner“ abgeben müssen.
Doch beide Teams kennen sich aus
zahllosen Duellen aus dem Effeff. Niemals zweifelten Dieckmann/Reckermann daran, gewinnen zu können.
Dieses Selbstbewusstsein trugen die
Moerser im zweiten Satz zur Schau,
Timmendorfer Strand
bauten ihr druckvolles Spiel auf und
transportierten ihre frühe Führung
bis zum Satzende und beendeten
die Aufholjagd mit dem Satzgewinn.
Was dann kam, riss die Zuschauer
immer wieder von den Sitzen. Ein erbitterter Kampf um jeden Punkt, kein
Ball wurde verloren gegeben, akrobatische und todesmutige Abwehraktionen wechselten mit krachenden Angriffsschlägen und eigentlich
unmöglichenBlockaktionen.Schließlich war es Jonas Reckermann, der
den ersten Matchball zum 20:22,
21:18 und 15:11 Erfolg verwandelte.
„Wir haben schon unzählige Male
gegeneinander gespielt und dieses Mal hatten wir das Quäntchen
Glück“, meinte ein erschöpfter aber
glücklicher Reckermann. Christoph
Dieckmann nahm die Niederlage
auf seine Kappe. „Ich habe persönlich nicht gut gespielt und viele Fehler
Jackass?
Schauplatz der Beach-Volleyball
DM 2005 - Timmendorfer Strand
Markus Diekmann
Coolness am Timmendorfer Strand
Moderator Jarid Dibaba
Yarid Dibaba mit Joerg Ahmann
und Pressesprecher Frank Ehrich
Dritte bei der Deutschen Meisterschaft 2005: Sarah Goller
73
Beach-Volleyball
t
u
g
d
n
a
r
St
d
fer Stran
ften
terscha
rich
sche Zü
13. Deut
innen
ann gew
erm
nn/Reck
Dieckma
is
yball Me
e
ll
o
V
h
Beac
r
ara Golle
dwig/S
Laura Lu
74
die DM
2005
gemacht. Das ist sehr schade, denn
ich hätte es Andi gewünscht, hier
noch einmal zu gewinnen, zumal er
heute sehr gut gespielt hat“, ärgerte
sich der gebürtige Bonner. Die 13.
Deutschen Zürich Beach-Volleyball
Meisterschaften waren das letzte
gemeinsame Turnier von Christoph
Dieckmann und Andreas Scheuerpflug. Scheuerpflug beendet mit 38
Jahren seine Karriere. Der „lange“
Dieckmann wird demnächst mit
dem gebürtigen Münsteraner Julius
Brink im Sand spielen.
Ludwig
hler
und Koe
ewinnen
ahme g
h (re)/L
Muesc
endor
am Timm
DM 2005
Begeisterung für Timmendorf
„Wir hatten ja schon viele Gelegenheiten am „Timmendorfer
Strand“ zu spielen, aber es ist immer
wieder toll hier zu sein und ich kann
gar nicht genug davon bekommen“, schwärmte der aktuelle Meister Dieckmann. Nicht nur, dass sie
eben gerade den Titel geholt hatten
und sich damit einen dicken Batzen
des 33.000 Euro Preisgeldes gesichert
hatten, auch die unvergleichliche Atmosphäre ließ Markus über alle „vier
Backen“ strahlen. Insgesamt 50.000
Zuschauer feierten drei Tage lang
eine riesige Dauerparty während der
Spiele. Am Ende jeden Tages legten
alle noch mindestens einen Gang
zu und rockten, was das Zeug hielt.
Der Kopf der Raupe
Von der schier irrwitzigen Begeisterung auf den Rängen ließen sich
auch die sandbedeckten Damen
anstecken. Vom Feld schwappte
eine „La Ola-Welle“ nach der anderen auf die Ränge und wieder
zurück. Höhepunkt der Jubelarie
war die Raupe. Plötzlich, wie auf ein
geheimes Zeichen. Ließen sich die
Spielerinnen auf Knie und Hände fallen, fassten der davor knienden an
die Knöchel und die Raupe zog unter Führung von Danja Müsch quer
durchs Stadion.
Für den „Kopf der Raupe“ war
kurz zuvor ihre fünfte Deutsche Meisterschaft herausgesprungen. Allerdings die erste mit ihrer langjährigen
Partnerin Susanne Lahme. Und es
wird wohl auch die letzte sein, denn
Müsch beendet ihre internationale
Karriere, während Lahme mit Sylvia
Roll versucht sich für die Olympischen Spiele 2008 zu qualifizieren.
Lahme/MüschgelanginTimmendorf eine kleine Sensation. Im Finale
bezwangen sie Stephanie Pohl und
Okka Rau. Bis dahin hatten die beiden Hamburgerinnen keine einzige
Partie gegen ein deutsches Team in
der gesamten Saison 2005 verloren.
„Es ist bitter das entscheidende Spiel
in der Saison zu verlieren. Da nützt
es einem gar nichts, vorher alles gewonnen zu haben. Aber ich gönne
es Susanne und Danja“, meinte eine
enttäuschte Okka Rau. Ganz anders
reagierte natürlich Müsch. „Der fünfte Titel ist etwas ganz Besonders und
ich hatte vorher nicht damit gerechnet. Ich muss mich bei Susi bedanken, dass sie im zweiten Satz noch
soviel zuzusetzen hatte und für mich
gespielt hat“, freute sich Müsch während bei ihr die Glückstränen über
die Wangen liefen.
U21-Vizeweltmeister
Auf dem Weg zur Meisterschaft
machten Lahme/Müsch so einige
NRW-Hoffnungen auf den Titel zunichte. Im Halbfinale schalteten die
späteren Titelträgerinnen die Titelverteidigerinnen, das Münsteraner
Duo Rieke Brink-Abeler/Hella Jurich
aus (2:0 / 21:19, 21:6). In der Vorrunde brachten sie dem Leverkusener Nachwuchsdoppel Ilka Semm-
ler/Ruth Flemig eine 1:2 Niederlage
bei (16:21, 21:14, 9:15) bei. Durch
den Satzgewinn zeigten die beiden
Youngster aber, dass in Zukunft mit
ihnen zu rechnen ist. Für das frühe
Aus bei den nationalen Titelkämpfen hielten sie sich bei der U21-Weltmeisterschaft in Brasilien schadlos.
Erst im Finale wurde der Semmler/
Flemig-SiegeszugvondenBrasilianerinnen Solberg Salgado/Camilinha
gestoppt. „Es war der blanke Wahnsinn, auf dem weltbekannten Strand
Copacabana um die Weltmeisterschaft zu spielen“, jubelte Semmler.
Text:
Tino Hermanns
Fotos:
Hoch Zwei
13. Deutsche Zürich
Beach-Volleyball
Meisterschaften
Herren-Finale:
Dieckmann / Reckermann (Moers)
gegen Dieckmann / Scheuerpflug
(Berlin) 20:22, 21:18, 15:11
Spiel um Platz 3:
Matysik / Popp (Berlin/Essen)
gegen Polte / Schoen (Dachau/
Schüttorf) 20:22, 21:19, 15:10
Damen-Finale:
Lahme / Müsch (Berlin) gegen
Pohl / Rau (Hamburg)
15:21, 21:16, 15:5
Spiel um Platz 3:
Goller / Ludwig (Kiel/Leverkusen)
gegen Banck / Kaup (Kiel/
Planegg-Krailing) 21:18, 21:17
Internet:
www.volleyball-verband.de,
www.beach-volleyball.tv
75
Doping
Verbotene Siege
Jan Ullrichs Herz rast. Sein Blick ist leer, er stiert nur noch
fünf Meter vor sein Vorderrad. Die Muskeln in den Beinen
brennen, die Oberschenkel haben kaum noch Kraft. Dennoch
wuchtet sich der deutsche Radstar mit jeder Umdrehung der
Pedale dem Ziel in Courchevel entgegen. Es ist mal wieder ein
Sieg des Willens über den Körper. Ullrichs einziger Gedanke
ist, nicht schon wieder auf einer schweren Bergetappe vom
Amerikaner Lance Armstrong abgehängt zu werden. „Ulle“
weiß, er gibt alles, schneller kommt er den Berg nicht rauf.
Noch hält er Armstrongs Hinterrad. Der Mann vor Ullrich
fährt im gelben Trikot, dem äußeren Zeichen des Führenden in
der Gesamtwertung der Tour de France. Er ist vergleichsweise
entspannt. Armstrong hat noch ein paar „Körner“. Und dann
passiert das, was Ullrich und alle anderen befürchtet haben.
Der Dominator der letzten Frankreichrundfahrten geht
aus dem Sattel und fliegt in seinem unnachahmlichen „Nähmaschinentritt“ den Berg hoch. Sofort reißt Armstrong eine
Lücke zwischen sich und Ullrich. Der Deutsche ist frustriert,
will nur noch ins Ziel kommen, egal wann und wie. In Courchevel hat „Ulle“ mal wieder eine Minute Rückstand im Gesamtklassement kassiert, obwohl Armstrong nur Etappenzweiter war. Den Siegerkuss holt sich wenig später der Franzose
Richard Virenque ab. Er ist der führende in der Bergwertung.
Courchevel, der Skiort in den französischen Alpen liegt 2004
Meter hoch. Die Luft ist schon merklich dünner. Schon seit
Jahren ist Courchevel Zielort einer Tour de France-Etappe.
Auf dem Weg dahin hat das Fahrerfeld 192,5 Kilometer in den
Beinen und musste so nebenbei bereits den 1.968 Meter hohen
Cormet de Roselend überqueren und. Da ging es 20,1 Kilometer stramm bergauf. Nach Courchevel hinauf musste die Meute 21,8 Kilometer bergan strampeln.
Kein Mitleid
Das ist eine fiktive Beschreibung, aber so hätte sie sich abspielen können. Solche Szenen, die realen Qualen der Radprofis
genießt der Fernsehzuschauer zu Hause aus nächster Nähe. Bei
Großaufnahmen der Fahrer kann man die einzelnen Schweißtropfen auf der Stirn zählen. Doch Mitleid mit den „Rittern der Landstraße“ haben die „Fernsehsportler“ nicht. Sie wissen, jeder der
die über 3.000 Kilometer währende Strapaze Frankreichrundfahrt
durchsteht, ist bis unter die Schädeldecke gedopt. Und ganz so Un-
recht haben sie auch nicht. Beispiel Richard Virenque, er hat bereits
ein zweijähriges Startverbot wegen Dopingvergehens abgesessen.
Auch Jan Ullrich ist kein Saubermann. Nach einer Verletzung wurde er in der Rehabilitationsphase auf verbotene Substanzen positiv
getestet. Seit kurzem hat auch die bisher weiße Weste des Lance
Armstrong hässliche Flecken bekommen. Die französische Zeitschrift „Le Equipe“ erhebt schwere Vorwürfe, der siebenmalige
König der Tour hätte seinen Premierenerfolg 1999 nur der Einnahme von Erythropoetin, in Sportlerkreisen besser unter der Kurzformel EPO bekannt, zu verdanken.
Radsport fährt vorne weg
Immer wieder wird das leidige Thema Doping durch die Radsportszene in die Schlagzielen gebracht. Dem Zeitfahr-Olympiasieger von Athen Taylor Hamilton wurde seine Goldmedaille wieder abgenommen, Daniel Hondo vom Team Gerolsteiner ist im
Frühjahr 2005 von seinem Rennstall wegen Dopingvergehens suspendiert worden. Oder 1998, da wurde das gesamte Festina-Team
von der Tour de France ausgeschlossen.
Doch auch in anderen Sportarten wird gedopt, was die Mittelchen hergeben. Gewichtheben, Leichtathletik, Skilanglauf, Fußball, Tennis, es gibt kaum eine Sportart, in der der Ehrgeiz Athleten nicht zur Spritze greifen lässt.
„Mit Nahrungsergänzungsmitteln sind
schon eine Menge Athleten reingefallen.“
Aber nicht alle Leistungen, die anschließend einen Dopingverdacht aufkommen lassen, müssen zwangsläufig durch unlautere
Fördermaßnahmen beeinflusst sein. „Warum soll man eine Tour
nicht ohne Doping gewinnen. Ohne entsprechende Vorbereitung
ist das natürlich nicht machbar. Es spielt eine Rolle, wie man die
Anstrengungen verkraften kann“, meint Professor Dirk Clasing.
Er ist in der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) stellvertretender Vorstandsvorsitzender und der Vertreter für die Medizin.
Und er unterstellt auch nicht allen Dopingsündern Absicht. „Mit
Nahrungsergänzungsmitteln sind schon eine Menge Athleten reingefallen“, so Clasing. Klar ist, dass ohne entsprechendes Training,
ohne sportgerechte Lebensführung Top-Leistungen nicht möglich
sind – ohne oder mit Doping. „Fakt ist, wenn man trainiert und je
qualitativ besser man trainiert, desto besser werden die Leistungen.
Was man häufig übersieht ist, dass die Radprofis ihre Trainingsleistungen in den letzten Jahren deutlich nach oben geschraubt haben. 40.000 Kilometer im Sattel sind inzwischen normal“, erläutert
Dr. Roland Augustin, der Geschäftsführer der NADA. Er verweist
darauf, dass sich in den 90er Jahren vieles verbessert hat. „Die
Trainingslehre, der entsprechende Trainingsaufbau, das Material,
die medizinische Betreuung hat sich enorm entwickelt. Das alleine
zieht eine Leistungssteigerung nach sich“, erklärt Augustin, fügt
aber bedauernd an, „Leider ist zeitgleich auch EPO als wirksames
Mittel zur Leistungssteigerung erkannt worden.“
Informationen über Doping
Doping ist, was verboten ist
Eine Definition, was Doping genau ist, ist fast unmöglich. Auch
der Mediziner weiß keinen eindeutigen Rat. „Eine Definition ist
so schwierig, dass es keine gibt. Wir gehen da ganz pragmatisch
vor. Doping ist das, was verboten ist, was auf der Liste steht“, so
der Professor. Und seit 2003 existierte eine weltweit gültige Liste.
Damals wurde die World Anti Doping Agency (WADA) gegründet. Jedes Jahr erstellt die WADA eine Liste der verbotenen Substanzen. Die wird den NADAs bekannt gegeben. Die nationalen
Doping-Bekämpfer können Kommentare zu der Verbotsliste abgeben, bevor das überarbeitete Verbotsverzeichnis Gültigkeit erhält.
Das „Wirkstoffgesetz 2006“ steht ab Oktober 2005 im Internet.
„Innerhalb der Liste ändert sich nicht viel. Neue Substanzen sind
nicht dazu gekommen. Zuletzt wurde nur die Ordnung innerhalb
der Tabelle geändert“, erläutert Clasing.
Damit bei den bundesdeutschen Athleten alles im grünen Bereich ist, informiert die NADA die einheimischen Sportler über die
Homepage www.nada-bonn.de.
Wer sich intensiver mit den Definitionen und Substanzen rund ums Doping beschäftigen möchte,
sollte zum Buch „Doping und seine Wirkstoffe –
verbotene Arzneimittel im Sport“ greifen. Professor
Dirk Clasing beschreibt in seinem Werk in anschaulicher Form die Wirkung der einzelnen Substanzen,
gibt aber auch Informationen über Möglichkeiten
der Leistungssteigerung ohne die Verabreichung
verbotener Wirkstoffe. Das Buch ist im Spitta Verlag GmbH Co. KG.
(Ammonitenstraße 1, 72336 Balingen, www.spitta.de) erschienen.
wird fortgesetzt
Der NADA-CODE
Präambel
Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) als die für die Dopingbekämpfung in Deutschland maßgebliche Instanz hat - in dem Bewusstsein, dass der Sport für die Stabilisierung der Wohlfahrt der Gesellschaft gerade angesichts eines beschleunigten sozialen Wandels
unverzichtbare Leistungen erbringt, - in der Erkenntnis, dass Doping
mit den Grundwerten des Sports – insbesondere dem Grundsatz der
Chancengleichheit – unvereinbar ist, die Gesundheit der Athleten gefährdet und das Ansehen des Sports in der Öffentlichkeit zersetzt, - in
dem Bestreben, im Interesse der Athleten, Sportvereine, Sportverbände und Sponsoren
Doping im Sport mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen, um die pädagogische Vorbildfunktion des Sports zu erhalten und
das Grundrecht der Athleten auf Teilnahme an einem dopingfreien
Sport zu gewährleisten - und in der Überzeugung, dass die Dopingbekämpfung nur auf einer international einheitlichen Grundlage zum
Erfolg führen kann, in Umsetzung der Vorgaben des World-Anti-Doping Code der Welt Anti-Doping Agentur(WADA) und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportbund, dem Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland und den im Deutschen Sportbund
zusammengeschlossenen Sportverbänden am 8. Oktober 2004 das
nachfolgende Anti-Doping-Regelwerk (NADACode) für den deutschen Sport beschlossen.
Text:
Tino Hermanns
Fotos:
Henry Sprenger
o Hermnans
nder der NADA Prof.
Stell. Vorstandsvorsitze
Clasing
Gespräch mit TIn
land Augustin (li.) im
Ro
.
Dr
rer
füh
fts
hä
sc
Ge
77