Shunt-integriertes telemetrisches Liquordruckmonitoring beim
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Shunt-integriertes telemetrisches Liquordruckmonitoring beim
1 Shunt-integriertes telemetrisches Liquordruckmonitoring beim abgeleiteten Hydrozephalus K.E.Richard und R.R.Weiser Kernproblem Trotz aller Fortschritte der Shunttechnologie ist die Behandlung eines Hydrozephalus mit einem Ableitesystem (Shunt) immer noch mit einer hohen Komplikationsrate belastet. Dieser Mißstand beruht darauf, daß ein ideales Shuntsystem bis heute nicht entwickelt werden konnte. Ein ideales System müßte in der Lage sein, die Raten von LiquorProduktion und - Resorption zu bestimmen und den Liquorfluss durch das Shuntsystem so zu regulieren, daß nur die nicht-resorbierte, überschüssige Liquormenge abgeführt wird 1 2. , Umfangreiche, seit den 80ger Jahren erfolgte Testuntersuchungen der auf dem Markt befindlichen Ventil- und Shuntsysteme 2 , 3 , 4 , 5 , 6 haben gezeigt, daß diese nicht in der Lage sind, exakt nur die Menge des erkrankungsbedingt nicht-resorbierten Liquors zu drainieren. Bei der Mehrzahl der Ventile wurden hochgradige Mängel bezüglich Genauigkeit, Langzeitstabilität sowie Flußraten festgestellt. Daher überrascht nicht, daß nicht wenige Patienten auch nach Anlage eines Shuntsystems anhaltend über - häufig lageabhängige - Beschwerden berichten. Mit Hilfe der bildgebenden Verfahren (CT und MRT) lassen sich solche oft marginalen Shuntdysfunktionen nicht immer erkennen, da pathologische Schwankungen des Liquordruckes erst an einer Veränderung der Ventrikelweite erkannt werden können, wenn bestimmte Schwellenbereiche von Zeitdauer und Schwereggrad überschritten sind. Die neuerlich wieder vorgeschlagene ophthalmodynamometrische Messung des Zentralvenendruckes 7 mag Rückschlüsse auf einen normalen oder einen erhöhten Schädelinnendruck ermöglichen; verwertbare Aussagen zu einer lageabhängigen Shuntdysfunktion, insbesondere zu den kurzdauernden, vor allem negativen Schwankungen des Liquordrucks sind hiermit jedoch nicht zu erhalten. Die eine stationäre Aufnahme und einen operativen Eingriff voraussetzende invasive Messung des intrakraniellen Druckes liefert am liegenden Patienten Messwerte über einen engen Zeitraum von meist 24-72 Stunden. Auch sie gibt in der Regel keinen Aufschluß zum intrakraniellen Druck in aufrechter Körperstellung und unter den Alltagsbedingungen des Patienten. 1 Portnoy,H.D.u.a.: Anti-siphon and reversible occlusion valves for shunting in hydrocephalus and preventing post-shunt subdural hematomas. J.Neusurg., 28, 729-738, 1973 2 Richard,K.E.,Block,F., Steinberg, HJ (1986) Testing of hydrocephalus shunt systems. Adv.Neurosurg 66:213-273 3 Richard,K.E., F.R.Block (1988) Untersuchung des Regelverhaltens von Shuntsystemen zur operativen Behandlung des Hydrozephalus. Abschlußbericht zum Forschungsvorhaben Ri 328/3-2 (DFG) 4 Aschoff, A (1996) In-vitro-Testung von Hydrozephalus-Ventilen. Habil.Schrift Heidelberg 1996 5 Bröß S.B. (2000 ) Untersuchung physikalischer Eigenschaften von fabrikneuen und explantierten Shuntsystemen. Inaugural-Dissertation Düsseldorf. 6 Aschoff A, Oikonomou J, Hashemi B , Schulte C, Kremer P, Kunze S (2001) 570 Hydrocephalus valves tested in vitro and a review on 652 tests reported in literature. Conference of the NPH Guideline Group, Hannover November 2001 7 Motschmann, M. u.a. Ophthalmodynamometrie. Ein zuverlässiges Verfahren zur nicht-invasiven Bestimmung des Hirndrucks, J. Neurosurg. 93, 33-36 ( 2001 ) 2 Perkutane Liquorduckmessungen in der Punktionskammer des Shuntssystems sind für häufigere Kontrollmessungen des Liquordrucks nicht geeignet, da sie auch bei strenger Einhaltung der aseptischen Kautelen mit einem inakzeptablen Infektionsrisiko von bis zu 6% verbunden sind 8 und eine zuverlässige und ausreichend genaue Erfassung subatmosphärischer Liquordruckwerte am Patienten in aufrechter Position nicht möglich ist. Die Funktion eines implantierten Shuntsystems läßt sich aber nur dann sicher beurteilen, wenn der intrakranielle Liquordruck jederzeit technisch problemlos gemessen werden kann. Während der letzten Jahrzehnte wurde von verschiedenen Arbeitsgruppen versucht, dieses Ziel mit Hilfe einer telemetrischen Liquordruckmessung über einen in den Shunt integrierten Sensor zu erreichen. Die Messung mit dem kommerziell erhältlichen Sensor der Firma Radionics 9 ist technisch kompliziert, ungenau und nicht in der Lage, negative Drücke zu registrieren 10 , 11 . Telesensor (Fa. Telemeasurement /Aachen) In Kooperation mit der RWTH Aachen konnte ein hinsichtlich Praktikabilität, Meßgenauigkeit und Empfindlichkeit deutlich verbesserter shunt-integrierter Telesensor entwickelt und klinisch bei 30 Patienten getestet werden 12 , 13 , 14 . Das Meßsystem besteht aus dem implantierbaren Sensor und einer zugehörigen extrakorporalen Auswerte-Elektronik als Monitorgerät. Der in einer geschlossenen Titankapsel untergebrachte MRT-kompatible Sensor (Durchmesser 11,5 mm; Höhe 7,5 mm) wird proximal, d.h. vor dem Ventil, über zugehörige Konnektoren dem jeweiligen Shuntsystem zugeschaltet (Abb. 1). 8 Wisoff JW (1992) Reply on al letter. Neurosurgery 30, 969 Cosman ER, Zervas NT, Chapman PH (1979) A telemetric pressure sensor for ventricular shunt systems. Surg. Neurol. 11, 287-294 10 Frim DM, Goumnerova LC (2000) 92: 027-932 11 Weiser RR (2003) Telemetrische Liquordruckmessung beim abgeleiteten Hydrozephalus. Erfahrungen mit einem neuentwickelten shuntintegrierten Drucksensor. Dissertation RWTH Aachen 12 Richard KE, Block FR, Weiser RR (1999) First clinical results with a telemetric shunt-integrated ICPsensor. Neurol. Res. 21, 117-120 13 Weiser RR (2003) aaO 14 Richard KE, Weiser RR, Block, FR (2003) Telemetrische Liquordruckmessung bei Patienten mit abgeleitetem Hydrozephalus. Klinischer Prüfbericht, Neurochirurgische Klinik Heinrich-Heine Universität Düsseldorf / Fa. Telemeasurement Aachen 9 3 Abb. 1: OP-Situs mit zugeschaltetem Telesensor Bei der Messung wird der Telesensor vom Monitorgerät her zu einer druckabhängigen Eigenschwingung angeregt (Abb. 2). Abb. 2: Messung bei einem 2,4 jährigen Patienten In Relation zum atmosphärischen Druck errechnet der Monitor die Druckwerte in cmH2O (WS) und mmHg und setzt diese auf dem Display zu einer Kurve zusammen (Abb. 3) 4 Telemetrische ICP Messung Monitorgerät Tastkopf Telesensor Analoge und digitale Schnittstellen Externe Einheiten für: - Visualisierung und - Aufzeichnung der Messwerte Computer Plotter Abb. 3: Telemetrische Liquordruckmessung Der Sensor misst bei einer Auflösung von ± 1 cmH20 Liquordrücke im Bereich –100 bis 200 cmWS. Die Druck-Frequenzbeziehung des Sensors ist auf einer Chipkarte abgelegt und wird vor jeder Messung in den Monitor eingegeben. Die Nullpunktstabilität des Sensors betrug während der Studie im Mittel 12 Monate. Klinische Studie Im Rahmen der klinischen Studie wurde der Sensor bei 30 Patienten im Alter von 2 bis 68 Jahren dem Shuntsystem zugeschaltet, bei der Mehrzahl der Patienten (N 26) im Rahmen einer anstehenden Shuntrevision und nur bei 4 Patienten im Rahmen einer Erstimplantation. Bei 22 Patienten war die Erstanlage des Shunts in einer auswärtigen Klinik erfolgt. 1 Indikationen telemetrischer Liquordruckmessung 1.1 Diagnostische Unsicherheit in der Zuordnung und Bewertung anhaltender Beschwerden (N 13) Zwei Patientinnen mit einem sog. Pseudotumor cerebri hatten einen jahrelangen Behandlungsweg mit konservativen Maßnahmen und zahlreichen operativen Behandlungsversuchen hinter sich gebracht. ergaben Schon wenige Tage nach Unterbrechung der medikamentösen Therapie ergaben die telemetrischen Messungen, daß der liquordrucksteigernde Prozeß nicht zur Ruhe gekommen war (Abb. 4). 5 Druck /cm W Pat. 11; 44J-w 26.05.99 50 Sechs Tage nach Absetzen des Diamox 40 Horizontallage 30 OKK 30° 20 OKK 15° 10 0 12:52 12:53 12:54 12:55 12:56 -10 stehend sitzend -20 -30 -40 -50 Abb. 4: 44-jährige Patientin (P 11) mit schwer behandelbarem Pseudotumor cerebri. 6 Tage nach Unterbrechung Behandlung mit Diamox in Horizontallage erneut Liquordruckanstieg auf 22 cmWS In einem extrem schweren Fall konservativer Therapieresistenz ( P 16 ) wurde zusätzlich zum bereits liegenden VP-Shunt noch ein LP-Shunt angelegt. Der zwei Wochen später erneut einsetzende Liquordruckanstieg war auch medikamentös nicht mehr zu beeinflussen (Abb. 5 a). Druck Pat 16; 25J-w /cm WS VP-Shunt (Medos: VÖD +11cmWS) LP-Shunt (HV-Ventil Cordis) Digoxin 0,2 50 40 25.05.99 Horizontallage OKK 15° 30 OKK 30° 15:23 20 10 0 15:19 15:20 15:21 15:22 15:23 15:24 15:25 -10 stehend sitzend -20 -30 -40 Ventil-Öffnungsdruck Medos-Ventil -50 Abb. 5a: Therapieresistenz bei Pseudotumor cerebri (P 16) trotz Versorgung mit VP- und LPShunt Erst nach schädelerweiternder Operation bildete sich die rechtsseitige Abduzensparese zurück und es kam zu einer längerdauernden Normalisierung der Liqordruckverhältnisse. 6 Druck Pat. 16; 25J-w /cmWS 02.08.99 VP-Shunt (Medos: VÖD +11cmWS) LP-Shunt (HV-Ventil, Cordis) 50 40 30 OKK 15° Horizontallage 20 OKK 30° 10 08:39 08:37 0 3 08:36 -10 08:35 stehend -20 sitzend -30 -40 -50 Abb.5b: Patientin (P 16): Nach schädelerweiterender Operation Normalisierung des telemetrisch gemessenen Liquordrucks Bei einer 25-jährigen Patientin (P 13) mit einer chronisch rezidivierenden ShuntDysfunktion konnte das anhaltende Beschwerdebild, das von der Patientin abwechselnd auf einen Unterdruck oder auf einen Überdruck bezogen worden war, erst durch eine über 6 Wochen durchgeführte telemetrische Selbstmessung des Liquordruckes, welche schwankende Druckwerte mit einzelnen nächtlichen Druckanstiegen über 20 cmWS nachwies, geklärt werden (Abb. 6). Druck /cmWS 40 Pat. 13 28J-w Selbstmessungen über 1,5 Monate Horizontallage 20 0 02.08.00 -20 12.08.00 22.08.00 01.09.00 11.09.00 21.09.00 01.10.00 stehend -40 -60 Zeitspanne: 10.08.98 26.09.98 n = 223 -80 Abb. 6: Telemetrische Selbstmessung des Liquordrucks über eine Dauer von 6 Wochen: Auffallend schwankende Druckkurve mit nächtlichen Druckspitzen bis 30 cmH20 7 Bei einer 26-jährigen Patientin (P17) wurde nach jahrelangem Leidensweg mit Fehlbeurteilung des Beschwerdebildes erst mit Hilfe der telemetrischen Liquordruckmessung der Nachweis eines rezidivierenden Liquorunterdrucksyndoms geführt (Abb. 7 a). Druck Pat. 17, 26J-w /cm WS 05.08.99 50 40 30 20 10 Horizontallage 0 15:03 -10 15:02 OKK 15° -20 OKK 30° -30 -40 stehend sitzend -50 Abb. 7a: Therapieresistentes Liquorunterdrucksyndrom bei abgeleitetem Hydrozephalus (P17). Selbst in Horizontallage noch subatmosphärische Liquordrücke. Nach Auswahl eines passenden Shuntsystems (programmierbares Medosventil + hydrostatisches Antischwerkraftventil) kam es erstmals zu einer dauerhaften Normalisierung der Liquordruckverhältnisse (Abb. 7 b). Druck /cm WS Pat. 17, 26J-w 01.02.2000 50 40 30 Horizontallage 20 10 OKK 30° 0 09:51 09:52 09:53 OKK 15° 09:54 09:55 -10 -20 stehend sitzend -30 -40 -50 Abb. 7b: Mit Hilfe der telemetrischen Liquordruckmessung passende Ventilauswahl bei Patientin (P 17) mit shuntbedingtem Liquorunterdrucksyndrom. Danach dauerhafte Normalisierung der Liquordruckverhältnisse 8 Bei sechs weiteren Patienten, die nach Shunt-OP wegen anhaltender Beschwerden und des Vorwurfs einer Simulation die Klinik gewechselt hatten, wies das telemetrische Liquordruckmonitoring einen ausgeprägten Liquorunterdruck nach, der shunttechnisch behoben werden konnte. 1.2. Symptompersistenz nach Shuntimplantation (N 11) Äußerst schwierig war die ursächliche Klärung einer intermittierenden Shuntdysfunktion bei einer 19-jährigen Patientin (P 4). Nach Beseitigung eines im Shuntverlauf aufgetretenen Kinkings blieb bei der weiterhin klagsamen Patientin eine Normalisierung des telemetrisch gemessenen Liquordrucks aus (Abb. 8 a). Im Schädel-CT weiterhin enge Ventrikel. Druck Pat. 4; w; 19J /cm WS 27.01.97 50 Horizontallage 40 30 OKK 45° 20 10 0 14:10 14:11 14:13 14:12 14:14 -10 -20 -30 -40 -50 Abb. 8a: Patientin ( P 4 ) mit hartnäckiger Shuntdysfunktion. Auch nach Beseitigung eines im Shuntverlauf aufgetretenen Kinkings keine Normalisierung des Liquordrucks. Erst nachdem man sich aufgrund der telemetrischen Befunde zum Austausch des Herzkatheters mit seitlichen Ausflussöffnungen gegen einen open-End-Katheter entschlossen hatte, kam es zu einer dauerhaften Normalisierung der Liquordruckverhältnisse (Abb. 8b). Druck /cmWS Pat. 4; w; 19J 15.05.97 50 VA-Shunt Medos (VÖD: +11cmWS) + AGS-Cordis 5 Tage nach Implantation eines open-end Herzkatheters 40 30 20 Horizontallage 10 OKK 10° OKK 45° OKK 20° 0 12:27 stehend -10 sitzend 12:26 -20 -30 12:25 -40 Ventil-Öffnungsdruck -50 Abb. 8b: Patientin P 4: Nach Anlage eines open-end-Herzkatheters endgültige 9 Normalisierung des Liquordrucks Bei zwei Patienten (P 5; P 28) wurde nach telemetrisch registriertem Liquordruckanstieg der radiologische Nachweis einer Shuntdiskonnektion als Ursache der Beschwerden geführt. Bei einer hochgradig übergewichtigen Patientin (P 12) konnte eine Fehlplatzierung des Abdominalkatheters dank der telemetrischen Liquordruckkontrollen frühzeitig diagnostiziert und korrigiert werden (Abb.9). Abb. 9: Der postoperative Anstieg des telemetrisch kontrollierten Liquordrucks auf 32 cmWS lenkte bei der übergewichtigen Patientin (P 12) trotz Beschwerdefreiheit den Verdacht auf die auf einer Fehllage des Peritonealkatheters beruhende Shuntdysfunktion. Bei einer weiteren, hochgradig adipösen Patientin (P 14) wurden nach Shuntkorrektur längerdauernd zu hohe Liquordruckwerte gemessen. Hier konnte jedoch eine nochmalige Shuntrevision vermieden und der Liquordruck durch eine stufenweise, durch engmaschiges Druckmonitoring kontrollierte Absenkung des Ventilöffnungsdruckes normalisiert werden. 10 Abb. 10: Bei hochgradig übergewichtiger Patientin (BMI 29) nach Shuntanlage auffallend langsame Normalisierung des Liquordrucks unter stufenweiser, telemetrisch kontrollierter Absenkung des Ventilöffnungsdruckes 1.3 Extreme Hirnkammererweiterung bzw. Hirnkammererweiterung mit hirnatrophischer Komponente (N 3) Bei Patienten mit extremer Hirnkammererweiterung und primärer oder sekundärer Hirnatrophie (P 1, P 3, P 7) wurde ein postoperativ zu niedriger Liquordruck durch Anhebung des Ventilöffnungsdrucks korrigiert. Patient 1, 50J, m, NPH + Hirnatrophie Datum: 05.09.96 Druck /cm WS 50 VP-Shunt Medos (ÖD: +12cmH20) + Shunt-Assistent 40 30 Rumpfbeuge 20 Flachlage 10 OKK 15° OKK 45° OKK 15° 0 13:20 sitzend -10 13:16 stehend OKK 45° sitzend stehend 13:19 -20 13:23 13:14 -30 13:25 stehend / Kopf rekliniert 13:12 -40 -50 Abb.11a: Patient ( P1 ) mit Hydrozephalus und Hirnatrophie nach chronischem Alkoholabusus Bei Normaleinstellung des programmierbaren Medosventils zu niedriger Liquordruck 11 Patient 1, 50J, m, NPH + Hirnatrophie Datum: 05.09.96 Druck /cm WS 50 Zwei Stunden nach Ventil-Umstellung auf +15cmWS 40 30 Rumpfbeuge 20 Horizontallage stehend / Kopf flektiert 10 15:35 OKK 45° 0 15:24 -10 15:26 sitzend 15:28 stehend 15:36 15:29 stehend / Kopf rekliniert -20 15:30 15:31 15:33 -30 -40 -50 Abb. 11b: Zwei Stunden nach Anhebung des Ventilöffungsdrucks von 12 auf 15 cmWS wurde telemetrisch ein Anstieg des Liquordruckes um 5-10 cmWS gemessen. Bei diesem Patienten konnte die Entwicklung von Subduralergüssen vermieden werden, nicht jedoch bei einem 14-jährigen Patienten (P 3) mit einer kompressionsbedingten, sekundären Hirnatrophie nach langjähriger shuntbedingter Liquor-Unterdrainage. Die beidseitige Ergussbildung konnte jedoch ohne operative Maßnahme durch telemetrisch druckkontrollierte Anhebungen der Ventilöffnungsdruckstufe zur Rückbildung gebracht werden. 1. 4. Weitere Indikationen Bei einem 22-jährigen Patienten (P 20) konnte mit Hilfe des telemetrischen Druckmonitorings die Mischform eines Schlitzventrikelsyndroms (SVS) diagnostiziert werden: in aufrechter Position wurden zu niedrige (- 27 cmWS) und in flach liegender Position zu hohe (bis 46 cmWS) Liquordrücke gemessen (Abb. 12). Die suffiziente Therapie bestand in der Zuschaltung eines hydrostatischen Antisogventils (Shuntassistent, Fa. Miethke GmbH ) mit anschließend stufenweiser Absenkung des primär zu hoch eingestellten Ventilöffnungsdrucks. 12 Abb. 12: Diagnostische Abklärung und Korrektur eines shuntbedingten Schlitzventrikelsyndroms durch Zuschaltung (a) eines Telesensors und (b) eines aufgrund der telemetrischen Messwerte aus gewählten Shuntassistenten (Fa. Miethke GmbH, Berlin). Bei einer 31-jährigen Patientin (P 22) lag die hypotensive Form eines Schlitzventrikelsyndroms 15 vor. Das ursprünglich hypertensive SVS war nach Auftreten eines Guillain-Barré Syndroms auswärts mit einem VP-Shunt und später zusätzlich mit einem lumbo-peritonealen Shunt behandelt worden. Nach Zuschaltung eines Telesensors ergab das telemetrische Liquordruckmonitoring, dass zur wirksamen Behebung des Liquorunterdrucks beiden Shuntsystemen passende Antisogventile zugeschaltet werden mußten. Abb.13: 15 Diagnose und Korrektur eines hypotensiven Schlitzventrikelsyndroms mit Hilfe des telemetrischen Liquordruckmontorings. Richard KE, Sanker P (1993) ICP- and TCD-guided treatment of slit ventricle syndrome. In: Avezaat CJJ et al. , Intracranial Pressure VII, 871-874 13 Bei einem 2,4 jährigen Kind (P 18) mit komplexem Malformationssyndrom (Hydrozephalus, lumbaler Myelomeningozele, operationspflichtiges Chiarisyndrom) war die Frage zu beantworten, ob im Hinblick auf Liquordruck und Shuntfunktion eine krankengymnastische Übungsbehandlung nach dem Vojta-Schema risikofrei möglich war. Das während der einstündigen Vojta-Behandlung durchgeführte Liquordruckmonitoring ergab während des Reflexdrehens immer dann ausgeprägte Liquordruckanstiege, wenn das Kind schrie (Abb. 14 a, b). 90 Kind schreit Pat. 18; 2,4J - m Druck 08.09.99 /cm WS 80 70 Messungen während Voijta-Gymnastik 60 50 40 30 20 10 0 17:31 17:32 17:33 17:34 17:35 17:36 17:37 17:3817:38 17:39 17:40 17:41 17:42 17:43 17:44 17:45 17:46 17:47 -10 -20 Seufzen -30 1. Phase 2. Phase -40 Reflexdrehen in Rückenlage -50 Abb. 14a: Telemetrisches Liquordruckmonitoring während Übungsbehandlung nach Vojta. Bei Übungen, auf die das Kind mit Schreien reagierte, kam es zu extremen Anstiegen des Liquordrucks. Druck 90 /cm WS Pat. 18; 2,4J-m 08.09.99 80 70 60 Messungen während Voijta-Gymnastik 50 Kind ruhig schreit 40 30 20 10 0 17:48 -10 17:49 17:50 17:51 17:52 17:53 17:54 17:55 17:56 17:57 17:58 17:59 18:00 18:01 18:0218:02 18:03 18:04 -20 -30 erneutes Reflexdrehen in Rückenlage keine Messung Bauchlage Seitenlage -40 -50 Abb. 14b: Nach vorausgegangener Liquordrucksteigerung und Überdrainage (s.Abb.14a) während des erneuten Reflexdrehens negative Liquordruckwerte. Mit Schreien verbundene Unruhe des Kindes führte jetzt zu einem geringeren Anstieg des Liquordrucks. Aufgrund dieser Befunde konnte die Krankengymnastin von der Notwendigkeit überzeugt werden, forcierte und vom Kind nicht akzeptierte Übungsmaßnahmen zu vermeiden. 14 2 Shuntventile 2.1 Programmierbares Medos-Ventil ohne Antisogeinheit Zwölf Patientinnen und Patienten, die Träger eines programmierbaren Medosventils (Codman) ohne Antisogeinheit waren, gaben an, auch nach der Shuntimplantation unter Kopfschmerzen gelitten zu haben. Diese wurden als nach längerem Stehen einsetzende Schmerzen hinter den Augen (P 20), diffuse, tagsüber zunehmende Kopfschmerzen (P24), Nacken-Stirnkopfschmerzen (P 29), mit Erbrechen einhergehende rezidivierende Kopfschmerzen (P 25) sowie Kopfschmerzen mit chronischer Müdigkeit und Leistungsabfall (P 27) geschildert. Weder hohe, d.h. auf Stufen zwischen 18 und 20 cmH20 erfolgte Einstellungen des Ventilöffnungsdruckes noch immer wieder vorgenommene Umstellungen des Ventils hatten zu einer Abnahme der Beschwerden geführt. Vielmehr waren kopfschmerzbedingte Schlafstörungen hinzugetreten. Bei allen Patienten ergaben die telemetrischen Messungen in aufrechter Körperstellung abnormal niedrige Liquordruckwerte zwischen – 24 und –37 cmH20. Die Zuschaltung eines Antischwerkraftventils (Shuntassistent, Fa. Miethke) führte bei diesen Patienten in der Regel zu der angestrebten Anhebung des in aufrechter Körperstellung gemessenen Liquordruckes, je nach Stärke der Antischwerkraftkomponente um 10 bis 20 cmH20. Eine unerwünschte, aber unvermeidbare Anhebung des in Horizontallage gemessenen Liquordruckes um 5 bis 10 cmH20 konnte in allen Fällen durch eine unter telemetrischer Druckkontrolle vorgenommene Absenkung des Ventilöffnungsdruckes rückgängig gemacht werden. 2.2. Medos-Ventil mit Antisogeinheit (N 12) 12 Patientinnen und Patienten waren bei Beginn der telemetrischen Liquordruckmessungen bereits mit einem programmierbaren Medosventil (Codman) plus Antisogeinheit (Fa. PS Medical oder Shuntassistent Fa. Miethke) versorgt. Die regelmäßigen telemetrischen Kontrollen des Liquordruckes ergaben, daß bei den meisten Patienten durch die Kombination des programmierbaren Medosventils mit einer Antisogeinheit innerhalb von Tagen bis Wochen eine Normalisierung der Liquordruckverhältnisse erreicht werden konnte. Bei Patienten mit einer hochgradigen Adipositas (P 9; P 12; P 14) trat diese erst ein, nachdem der Peritonealkatheter mit einem zu hohen Ausflußwiderstand ausgewechselt (P 9), eine Fehllage des Peritonealkatheters korrigiert (P 12) oder der Ventilöffnungsdruck auf 3 cmH20 abgesenkt (P 14) worden war. Bei zwei Patientinnen (P 4; P 13) wurden in flacher Körperlage längerdauernd zu hohe Liquordruckwerte registriert. In beiden Fällen konnte erst durch serielle Kontrollmessungen über mehrere Wochen, die von einer Patientin P 13 zu Hause durchgeführt wurde, geklärt werden, daß die therapieresistente Liquordrucksteigerung auf einem zu hohen Abflußwiderstand des Herzkatheters mit seitlichen Ausflußöffnungen beruhte. Obwohl bei Patientin P 17 das Medosventil mit einer Antisogeinheit in Form einer Deltakammer (Fa. PS Medical) kombiniert worden war, ergab das telemetrische Liquordruckmonitoring als Ursache permanent fehlgedeuteter Beschwerden einen intermittierend auftretenden Liquorunterdruck. Bei einem erneuten Ventilwechsel wurde die Ven- 15 tilkombination gegen ein für die Unterdruckbehandlung stark propagiertes Ventil (sog. Diamondventil, Fa. Phönix) ausgewechselt. Danach nahmen die Beschwerden jedoch so stark zu, dass die Patientin nachts mit abgesenktem Oberkörper schlief und jetzt auch tagsüber das Bett nicht mehr verlassen wollte. Da das Liquordruckmonitoring weiterhin im Liegen negative Druckwerte ergab, wurde das Diamondventil erneut gegen ein Medosventil ausgewechselt, jetzt aber in Kombination mit einem hydrostatischen Antisogventil mit der Antischwerkraftstufe 20 cmWS (Shuntassistent 20). Die Patientin wurde jedoch erst beschwerdefrei, nachdem ein Shuntassistent mit einer noch höheren Kompensationsstärke von 30 cmH20 zugeschaltet war. Erst jetzt ergaben die telemetrischen Kontrollen eine nachhaltige Normalisierung der Liquordruckverhältnisse. 2.3 Membranventil mit integrierter Antisogeinheit (N 4) Bei Patient P 5 mit einem chronischen, erst im höheren Erwachsenenalter diagnostizierten Hydrozephalus hatte sich die Symptomatik (Gang- und Gleichgewichtsstörungen sowie ausgeprägte Merkschwäche bei hochgradiger Ventrikelerweiterung) nach Anlage eines VP-Shunts mit einem Delta 2-Ventil (Fa. PS Medical) nicht gebessert. Erst nach Austausch des Ventils gegen ein 13/40 Dual/Switch –Ventil (Fa. Miethke) normalisierten sich die Liquordruckverhältnisse und der Patient wurde beschwerdefrei. Die Implantation eines Delta-2-Ventils hatte Patientin P 30 nicht vor der Entwicklung eines ausgeprägten Liquorunterdrucksyndroms mit Kopfschmerzen, anfallsartigem Schwindel, Abnahme der Merk- und Konzentrationsfähigkeit sowie unüberwindbarer Müdigkeit bewahrt. Im Stehen lagen die telemetrisch gemessenen Liquordruckwerte zwischen – 12 und – 48 cmH20. Die nach Austausch des Ventils (Delta-2 - versus MedosVentil + Shuntassistent) von der Patientin fortgesetzten häuslichen Kontrollmessungen ergaben bei aufrechter Körperstellung eine Anhebung der Liquordrücke auf Werte zwischen – 12 und – 18 cmH20. Komplikationen Bei einem Patienten (P 5) kam es zu einer Diskonnektion von Telesensor und Shuntsystem. Bei einer Patientin (P 19) waren vor Zuschaltung des Telesensors über mehrere Wochen wiederholte Liqordruckmessungen im Shuntreservoir erfolgt. 10 Tage nach Anlage des Telesensors manifestierte sich eine Shuntinfektion, die eine Explantation des Gesamtsystems erforderlich machte. Nach Abschluß der antibiotischen Behandlung blieb die Patientin anhaltend beschwerdefrei, so daß bei der offensichtlich nicht shuntpflichtigen Patientin von der Reimplantation eines Shuntsystems abgesehen werden konnte. 16 Zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse 1 Nach den Erfahrungen der zugrundeliegenden klinischen Studie ist bei Patienten mit einem ableitungspflichtigen Hydrozephalus eine telemetrisches Liquordruckmonitoring indiziert, wenn die klinische Symptomatik nach Shuntanlage persistiert oder wenn diagnostische Unsicherheiten in der Zuordnung und Bewertung der Beschwerden bestehen. Mit Hilfe des telemetrischen Liquordruckmonitorings können Shuntdysfunktionen frühzeitig objektiviert, und therapeutische Fehlentscheidungen vermieden werden. 2 Seltenere Indikationen für ein therapiebegleitendes Liquordruckmonitoring sind extreme Hirnkammererweiterung mit primärer oder sekundärer Hirnatrophie, Schlitzventrikelsyndrom und Pseudotumor cerebri. 3 In Einzelfällen ließen sich pathologische Liquordruckverhältnisse nur mit Hilfe einer längerdauernden Selbstmessung durch den Patienten nachweisen. Die dazu erforderliche Schulung des Patienten nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Die häuslichen Selbstmessungen durch den Patienten erwiesen sich dank der für die Messwertgewinnung hohen Praktikabilität des Verfahrens als unproblematisch. 4 Das telemetrische Liquordruckmonitoring hat gezeigt, daß man sich bei der Ableitung eines Hydrozephalus im Regelfall für ein Shuntsystem entscheiden sollte, das neben einem Differenzdruckventil eine Antisogeinheit enthält. In schwierigen Fällen kommt einem Ventil mit elektromagnetisch verstellbarem Ventilöffnungsdruck in Kombination mit einem Antischwerkraftventil eine Vorzugsstellung zu. 5 Komplikationen, die mit der Zuschaltung eines Telesensors in Zusammenhang zu bringen sind, waren Diskonnektion und Shuntinfektion. Die Häufigkeit dieser Komplikationen lag mit jeweils 5% in Höhe der Durchschnittswerte internationaler Statistiken.