Prozessoptimierung Shuntpunktion
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Prozessoptimierung Shuntpunktion
Prozessoptimierung Shuntpunktion Strickleiterpunktion durch Pflegeplanung – eine Prozessoptimierung Timo Meusel Fachkrankenpfleger Nephrologie und Qualitätsmanager Zentrum für Nieren- und Hochdruckerkrankungen Münster PD Dr. Dr. Langer, Dr. Pöppelmann, Dr. Rammrath Hohenzollernring 68 48145 Münster Loerstrasse 19 48143 Münster [email protected] www.dialyse-muenster.de Die Strickleiterpunktion ist die von allen Fachgesellschaften empfohlene Punktionstechnik. Die Alternative Knopflochpunktion scheint in Dialysezentren schwer einzuführen und umsetzbar. Die andere Alternative Arealpunktion verursacht langfristige Komplikationen, die es zu vermeiden gilt. Daher sollten alle Bemühungen dazu führen, dass die AV-Fistel bzw. die Prothese in Strickleitertechnik punktiert wird. Um dieses Bestreben nachhaltig umsetzen zu können, ist es erforderlich den Prozess „Shuntpunktion“ genau zu analysieren, zu standardisieren und Regelkreise einzubauen, welche die Strickleitertechnik sicherstellen. Hierzu eignet sich das Instrument der Pflegeplanung. Was bedeutet Strickleiterpunktion? Der Prozess der Shuntpunktion „Grundsatz ist ein systematischer Wechsel des Punktionsortes unter Ausnutzung der gesamten Punktionsstrecke. Dadurch erfährt die Shuntvene auf ihrer gesamten Strecke eine gleichmäßige Erweiterung.“1 Praktisch bedeutet dies, dass die Punktionsstelle immer im Vergleich zur vorherigen Stelle gewählt werden muss. Im Idealfall „wandern“ die Punktionsstellen (arteriell und venös) von der Anastomose gesehen proximal mit ca. 1 cm Abstand. Kann nicht weiter proximal punktiert werden, so fängt diese „Strickleiter“ wieder anastomosen-nah an. Stolpersteine in der Praxis Es stellt sich die Frage, warum sich diese Technik trotzdem in der Breite nicht durchsetzen kann und stattdessen die Arealpunktion vorgezogen wird. Dazu gibt es verschiedene Ansatzmöglichkeiten: • Ängste seitens des Patienten (Angst vor Schmerzen und / oder Fehlpunktionen) • Fehlende Aufklärung des Patienten • Ängste seitens der Pflege (Versagensängste, Zeit- und Leistungsdruck) • Unwissen über Strickleitertechnik seitens der Pflege • Fehlende Informationen über den Shuntverlauf (evtl. fehlende Dokumentation) Um diesen Stolpersteinen zu begegnen, empfiehlt es sich die Shuntpunktion durch ein professionelles Instrument der Pflege, die Pflegeplanung, zu unterstützen! 20 Spektrum der Dialyse & Apherese I 12/2014 „Eine Tätigkeit oder eine Gruppe von Tätigkeiten, die Ressourcen verwendet und die ausgeführt wird, um die Umwandlung von Eingaben in Ergebnisse zu ermöglichen, kann als Prozess angesehen werden.“2 Die Eingaben in einen Prozess, hier der Prozess der Shuntpunktion, sind beeinflussende Faktoren, deren Kenntnis sehr wichtig für den Erfolg ist. Es können Ressourcen sein, die helfen, dass das Ziel des Prozesses besser oder schneller erreicht werden kann. Es können aber auch Probleme sein, welche die Erfolgschancen reduzieren. Im Sinne der Optimierung zur Strickleiterpunktion ist beim Prozess der Punktion die Phase wichtig, in der die Punktionsstellen festgelegt werden, also in der Phase der Shuntuntersuchung (Inspektion, Palpation, Anamnese). Spätestens hier muss ein Instrument einsetzen, welches hilft, die folgerichtige Punktionsstelle zu wählen. Pflegeplanung Die Pflegeplanung als Teil des Pflegeprozesses ist ein Instrument professioneller Pflegekräfte, welches eine strukturierte und transparente Pflege ermöglicht. Mit der schriftlichen Erstellung eines individuellen Pflegeplanes werden bei jedem Patienten dessen Ressourcen und Pflegeprobleme erfasst und die Pflegeziele und dazu notwendige Maßnahmen festgelegt. „Längst gehört es zum Alltag professionell Pflegender zu Beginn einer Pflegebeziehung eine schriftliche Planung zu erstellen. Doch diese Herangehensweise ist noch sehr jung und beschreibt einen Meilenstein auf dem Weg der Pflege hin zu einer 1 Eingaben: Shuntstrecke Shuntbeschaffenheit Vorpunktionen Motivation Patient Motivation Pflege Erfahrung / Kompetenz Zeit Rahmenbedingungen 2 Abb. 1: Analyse des Punktionsprozesses 3 Punktion des Shunts Dialysebehandlung 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 klinische Shuntuntersuchung Desinfektion der Punktionsstellen Punktion des Gefäßes Kontrolle der Funktionstüchtigkeit Spülen des Zugangs und Fixierung Anschluss an die Dialyse 2.1.1 Festlegen der Punktionsorte 2.1.2 Festlegen der Kanülengröße 2.1.3 ggfs. Festlegen ob SN / DN eigenständigen Profession. […] Mit Hilfe dieses Werkzeuges soll erreicht werden, dass Pflege nicht mehr zufällig geschieht, sondern strukturiert und zielorientiert geplant wird. Die Gesetzgebung hat diesen Anspruch aufgenommen und die „geplante“ Pflege in verschiedenen Werken verbindlich für die Berufsausübung festgeschrieben.“3 sprechend dokumentiert. Falls Besonderheiten, wie Punktionsprobleme oder Fehlpunktionen auftreten, müssen diese auch zugeordnet festgehalten werden. Wenn die Art der Dokumentation konsequent durchgeführt wird, ist nach wenigen Wochen der Status und der Verlauf des Shuntgefäßes transparent dargestellt. Anhand einer praktischen Umsetzung dieser Technik ist es möglich die Shuntpunktion geplant und transparent in Richtung Strickleitertechnik zu optimieren. In einem ersten Schritt ist die notwendige Informationssammlung durchzuführen. Das bedeutet hier, dass alle Informationen bezüglich des Shuntgefäßes dokumentiert werden. Das können Daten wie Anlagedatum und –ort, Art des Shuntgefäßes und natürlich der Verlauf der Punktionsstrecke sein. Letzteres ist durch eine Zeichnung, die alle Mitarbeiter interpretieren können, durchzuführen. Mittels dieser Zeichnung, in der auch Anastomose und Flussrichtung deutlich gemacht werden sollten, wird die punktierbare Strecke in kleine Bereiche eingeteilt und gekennzeichnet (1 bis 6 oder A bis o. ä.). Dies dient zur Orientierung bei der Dokumentation und ist absolut notwendig. Bei der Festlegung der Punktionsorte kann man dies nun einem Bereich zuordnen. Dieses wird ent- Bei der Durchführung der Shuntpunktion ist jeder Mitarbeiter angehalten, dem Ziel zu folgen, die Strickleiterpunktion durchzuführen. Also muss der Punktionsort in Abhängigkeit zum vorherigen Punktionsort gewählt werden. Mittels des Vordrucks zur Pflegeplanung kann nach 6 - 7 Behandlungen eine Evaluation durchgeführt werden. Diese muss zu Konsequenzen führen. Evtl. müssen Maßnahmen ergriffen werden (sonographisch gesteuerte Punktionen, Shuntuntersuchungen etc.). Dieses Vorgehen ist über ein halbes Jahr auf der stationären Dialyseabteilung des St. Franziskushospitales in Münster (1. Medizinische Klinik unter der Leitung von CA Dr. med M. W. Baumgärtel) erprobt worden und ergab viele positive Aspekte: Literatur / Quellenangaben: 1 GHEAP, 2. Auflage, Kapitel 5, Seite 19. 2 DIN EN ISO 9001:2008, Kapitel 0.2, Seite 6. 3 Kußmaul, Vater; Pflegeplanung, Kapitel 1, Seiten 5-6. 21 Prozessoptimierung Shuntpunktion • Die Strickleitertechnik wurde immer angestrebt. • Das Thema Strickleiterpunktion war bei jeder Punktion besetzt. • Die Dokumentation des Shunt- und Punktionsverlaufes hat sich verbessert. • Der Zustand des Shunts war im ganzen Team transparent. Um diese Idee besser in die aktuelle Vorgehensweise in Dialysezentren einordnen zu können, entstand in Kooperation mit der Fachweiterbildungsstätte nephrologischer Zentren Rhein-Ruhr eine Befragung von Kursteilnehmern der nephrologischen Fachweiterbildung. (www.wb-nephro.de) In einer schriftlichen Befragung von 38 Pflegekräften hinsichtlich des Gebrauchs des Instruments Pflegeplanung im Dialysealltag beantworteten 93,1 % die Frage „Wird das Instrument der Pflegeplanung umgesetzt (allgemein)?“ mit NEIN. Auf die Frage „Wird das Instrument der Pflegeplanung für den Bereich Shuntpunktion umgesetzt?“ antworteten 95,4 % mit NEIN. Gleichzeitig bekundeten 58,1 % der Befragten ein Interesse an einem solchen Instrument bzw. sahen die Notwendigkeit. Fazit Artikel Online 22 Spektrum der Dialyse & Apherese I 12/2014 Um den Prozess der Shuntpunktion zur Strickleiterpunktion hin zu optimieren, ist es notwendig, ein Instrument einzuführen und umzusetzen, welches einen Automatismus bezüglich der Wahl und Dokumentation der Punktionsstellen sowie der engmaschigen Evaluation des Prozesses fördert. Dies kann durch die Umsetzung einer praktischen Pflegeplanung gelingen. Das Ziel eines langstreckig punktierten Shunts rückt sehr nahe. Die Pflegeplanung ist kein bürokratisches Ungetüm, sondern eine strukturierte Vorgehensweise, welche die Qualität unserer Arbeit sicherstellen kann.