- 750 Jahre Knappschaft

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- 750 Jahre Knappschaft
Zeittafel – Die Knappschaft in ihrer Zeit
(Stand 10. September 2010)
1260
Die früheste Quelle über eine Bruderschaft im Bergbau liegt für die
Reichsstadt Goslar aus dem Jahr 1260 vor. Die Bergleute am
Rammelsberg bei Goslar hatten sich, wie dies auch bei Kaufleuten und
Handwerkern jener Zeit üblich war, zu einer religiösen Korporation
zusammengeschlossen, die bereits sozial-karitative Aufgaben wahrnahm.
vor 1290
Ausgrabungen sprechen für ein erstes frühes Hospital für erkrankte oder
verletzte Bergleute an der St. Johanniskirche im Bergdorf vor den Toren
von Goslar.
1294
Eine Urkunde bestätigt erstmals die Existenz dieses Hospitals.
um 1300
Die Versorgung der Hinterbliebenen war von Anfang an ein fester
Bestandteil der Sozialfürsorge der Knappschaften. Im Vergleich zur
übrigen mittelalterlichen Gesellschaft war die Hinterbliebenenversorgung
der Knappschaften ein richtungsweisender sozialer Fortschritt.
1399
Das Freiberger Stadtbuch erwähnt die Gesellschaft der Haspler. Bei
dieser Korporation handelte es sich um eine Bruderschaft für im Bergbau
Tätige.
1400
Die vermutlich bereits vor 1400 bestehende Altarbruderschaft der
Freiberger Knappen wird urkundlich erstmals am 16. August 1400
genannt. Sie übernahm zunächst hauptsächlich religiöse Aufgaben. So
stiftete die Bruderschaft den so genannten Eulogius- oder Häuer-Altar und
stattet 1406 den Altaristen mit einem Gehalt für das Lesen von Messen
aus.
1409/10
Erstmals lassen sich nach den Goslarer Berg- und Hüttenrechnungen
Einnahmen von Büchsengeldern quellenmäßig nachweisen. Dabei handelt
es sich sehr wahrscheinlich um Beiträge der Gewerken (= Anteilseigner an
den Gruben) zur sozialen Absicherung der Berg- und Hüttenleute.
1426
In einer erzgebirgischen Urkunde findet sich erstmalig die Bezeichnung
„Knappschaft“ für die Gemeinschaft der Bergleute. Weiter werden dort
erstmals die „Vorweser“ [= Vorsteher] der Knappschaft zu Freiberg
genannt. Zu den Vorstehern gehörten auch der Bergmeister und der
Zehntner (= Steuererheber) als landesherrliche Funktionsträger, die damit
eine erhebliche Kontrollfunktion ausübten.
um 1440
In Altenberg kam um 1440 der Zinnbergbau auf. Die kurze Zeit später
gegründete Knappschaft geriet in finanzielle Schwierigkeiten, da manche
Knappen sich weigerten, den fälligen Wochenpfennig zu zahlen. Überdies
waren einige Hutleute bzw. Grubenaufseher eher nachlässig beim
Einsammeln derselben. Die Knappschaft bat deshalb die
Landesherrschaft eine beständige Ordnung zu errichten und
Strafandrohungen bei Nichtzahlung zu verhängen, wie es in anderen
Revieren üblich war.
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1447
Im sächsischen Freiberg erhob man von den Bergleuten den so
genannten „Kerzenheller“, eine Abgabe, die auf die ursprüngliche
Verwendung der Gelder für kirchliche Zecke hindeutet. In einer weiteren
Urkunde beklagten sich Münzmeister und Bergschreiber über die
Knappschaft.
Dies sei eine Einung (= Zusammenschluss) und ein Bündnis der Hauer,
die für den Verfall der Bergwerke verantwortlich seien. Schon damals trat
die Knappschaft offenbar für die Rechte der Bergleute ein und machten
auf etliche Missstände im Bergbaubetrieb aufmerksam.
1447
Wie viele andere Bruderschaften und geistlichen Einrichtungen kennt die
Freiberger Knappschaft im 15. Jh. so genannte Zechmeister, die als
Verwalter kirchlicher Vermögen und Stiftungen eingesetzt waren.
um 1450
Die Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit der Altenberger Knappschaft
im Erzgebirge beschloss die wöchentliche Zahlung eines
Büchsenpfennigs durch die Bergleute. Verwaltet wurden die Einnahmen
durch die Zechmeister.
1468
Nach dem Bruderschaftsbuch der Rattenberger Knappen im unteren Inntal
zahlten die Bergleute im Quartal 3 Kreuzer als Beitrag zur Bruderbüchse.
1471/72
findet sich in der ersten Schneeberger Bergordnung ein Nachtrag gleicher
Zeitstellung, nach dem jeder Häuer am Samstag 1 Pfennig und jeder
Haspler oder Bergjunge 1 Heller zur Unterhaltung der Kapelle, zur
Beleuchtung derselben und ihrem sonstigen Bedarf in die
Bruderschaftsbüchse abzuführen hatte.
1476
Jeder Bergmann am Goslarer Rammelsberg legte am Samstag von
seinem Wochenlohn zur Ehre Gottes einen Scherf (= ½ Pfennig) in die
Büchsenkasse ein.
1479
In der neuen Bergordnung für Schneeberg wurde die Knappschaft als
Institution genannt.
1499
Im Bereich des Bergrechts besaßen vor allem die Schreckenberger
Bergordnung von St. Annaberg (1499) als erste gedruckte deutsche
Bergordnung und die Annaberger Bergordnung von 1509 überregionale
Bedeutung. Letztere galt ab 1511 für das gesamte Herzogtum Sachsen.
Die Joachimsthaler Bergordnung, inhaltlich von der Annaberger
Bergordnung übernommen, erlangte Bedeutung für alle böhmischen
Bergreviere. In ihren Grundzügen galt die Annaberger Bergordnung bis
1851 in Sachsen, bis 1854 in Böhmen, Mähren und Schlesien und bis
1865 in Preußen. Darüber hinaus übernahmen viele Bergreviere in Europa
und auf dem amerikanischen Kontinent das Regelwerk.
1502
Herzog Georg von Sachsen untersagte der Bruderschaft der Schmelzer in
Geyer anlässlich der Rechnungslegung der Büchsenkasse
Gastmahlzeiten der Bruderschaft abzuhalten.
1514 - 1554
Die Bergknappschaft betätigte sich als Kreditanstalt für ihre Mitglieder und
andere Personen. Sie erhielt zur Sicherheit für die Vergabe von Krediten
Häuser und Grundstücke als Pfand überschrieben.
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1517
In der Altenberger Bergordnung wurde verfügt, dass neben der
Verwendung der knappschaftlichen Beiträge für gottesdienstliche Zwecke
die Büchsenkasse auch kranke und bergfertige Knappen unterstützen
sollte.
1518
In Artikel 9 der Ordnung der Dreifaltigkeitsbruderschaft zu Altenberg
wurde angeordnet, die Büchsenpfennige nicht nur zu kirchlichen Zwecken
zu sammeln, sondern vor allem kranke oder im Berg verunglückte
Bergleute, die arm waren, mit einem Kredit von 1 Gulden oder mehr zu
unterstützen.
1521
In Marienberg (Erzgebirge), einer neu gegründeten Bergstadt, verwendete
die Knappschaft noch alle Büchsenpfennige für kirchliche Zwecke. Herzog
Georg von Sachsen ordnete in seiner ersten Bergordnung für Marienberg
vom 12. September 1521 an, dass die Büchsenpfennige durch den
Bergmeister, die Berggeschworenen oder die Ältesten eingesammelt
werden sollten und dies so lange, bis er weiteres befehlen werde.
1523
In einigen Revieren des Erzgebirges lag die Verfügungsgewalt über die
Knappschaftskasse, d. h. die Büchsenpfennige, nicht bei der Knappschaft
sondern in den Händen der Bergbehörde, z.B. beim Bergmeister und den
Berggeschworenen. Die Marienberger Knappen baten nun, dass ihnen die
Büchsengelder zugestellt werden möchten, da sie diese doch auch
einzahlen würden. Den Marienberger Knappen ließ Herzog Georg
antworten, dass es mit den Büchsenpfennigen z. Z. alles beim Alten
bleiben solle und zwar so lange, bis die Marienberger Zechen eine
größere Ausbeute erbrächten.
1527
Zur Erhaltung der Jakobi-Kirche in Freiberg stiftete die Freiberger
Knappschaft in jenem Jahr 40 Gulden. Hierüber stellte die Priorin und die
Gemeinschaft des Ordens im Jungfrauenkloster in Freiberg eine Urkunde
aus und bestätigte diese Schenkung für die beiden Kirchenvorsteher. Die
Urkunde belegt somit wiederum das religiöse Engagement der
Knappschaft.
1533
Nach der Bergordnung für Schwarzburg (Erzgebirge) vom 9. Februar 1533
hatte der einzelne Bergmann bei einem Gedinge von seiner Entlohnung,
wenn er etwas über den üblichen Wochenlohn hinaus verdiente, von
jedem Gulden 6 Pfennige in die Büchse zu legen.
1534
Die Knappschaft in Schneeberg bewilligte, dass die Büchsenpfennige in
den gemeinen Kasten fließen sollen. Die Beiträge der Knappen kamen
nach der Einführung der Reformation nicht dem Kirchenvermögen zu gute,
sondern dem städtischen Almosenkasten, der zur Unterstützung aller
städtischen Armen diente. Vergleichen kann man die Situation mit der in
Goslar, als im Zuge der Reformation die Bruderschaften aufgelöst wurden
und die Knappen keine eigene soziale Absicherung mehr besaßen. Nur
kam es in beiden Kommunen zu unterschiedlichen Lösungsansätzen:
1538/39
Die Knappschaftsordnung des Goslarer Rates für die Bergleute des
Rammelsberges regelte erstmals ausführlich die Verfassung der neuen
nachreformatorischen Korporation, das Beitrags- und Leistungswesen
sowie die Aufnahme in das Bergmannshospital an der Clauskapelle.
1548
Die Bergordnung für St. Joachimsthal legte u. a. fest, wie sich
Knappschaftsälteste bei Streikbewegungen zu verhalten hatten.
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1551
sandten die Vertreter der Freiberger Bergknappschaft, die Ältesten und
Zechmeister, einen Knaben mit einem Empfehlungsschreiben an die
Schule nach Meissen, damit sich dieser dort in die Schulmatrikel
einschreiben konnte. Die Knappschaften unterstützten mit größeren
Beträgen die Schulausbildung der Kinder aus Bergarbeiterfamilien, indem
man auch die Unterhaltung von Schulen und Lehrpersonal finanzierte.
1553
In der Ordnung der Freiberger Bergknappschaft vom Jahr 1553 wurde u.
a. verfügt, dass bei Begräbnissen die jüngsten Brüder die Leiche zu
tragen hatten, während die übrigen Brüder dem Sarg folgen sollten. Die
Knappschaften finanzierten, wenn möglich, die Begräbnisse ihrer
verstorbenen Mitglieder und halfen hierdurch die Notlagen der
Hinterbliebenen erheblich zu mindern.
1554/1568
Der Freiberger Bergvogt Simon Bogner sammelte Freiberger
Berggebräuche. Zu den Büchsenpfennigen schrieb er das Folgende auf:
„Büchsenpfennige werden getreulich eingebracht und gesammelt und den
Armen ausgespendet, wie es Bergmeister, Geschworene, Zechmeister
und Älteste der Knappschaft einträchtig erkennen und beschließen …“.
um 1556
entsteht in Schwaz / Tirol das Schwazer Bergbuch. In einer Krisenphase
des Bergbaus sollte es helfen, das Interesse des Landesfürsten wieder für
den Bergbau zu wecken. Für die Geschichte der Knappschaft ist die
Abbildung eines Bruderhauses mit Hospital von großer Bedeutung. Belegt
diese Abbildung doch eindeutig und plastisch die Fürsorge der Schwazer
Bruderschaft für verletzte und kranke Bergleute zu diesem frühen
Zeitpunkt.
vor 1600
Das Knappschaftswesen erfährt durch die schrittweise Einführung des
„Direktionsprinzips“ eine wichtige Veränderung. Die Landesherren griffen
reglementierend in das Berg- und Hüttenwesen ein. Die „Ältesten“ und
„Knappschaftsschreiber“ wurden von der staatlichen Bergbehörde
ausgewählt, bestätigt und vereidigt.
1759
wurde die nach Kassenlage und Bedürftigkeit geregelte
Almosenunterstützung in Clausthal durch ein systematisiertes
Gnadenlohnsystem nach der Stellung im Beruf ersetzt.
1766
In jenem Jahr wurde durch die „Revidierte Cleve-Märkische-Bergordnung“
das Direktionsprinzip auch im Steinkohlenbergbau an der Ruhr eingeführt.
Die Bergbehörde ernannte die Knappschaftsrendanten
(=Kassenverwalter) und die Knappschaftsältesten.
ab 1784
Der märkische Bergamtsdirektor und spätere preußische Reformer
Freiherr vom und zum Stein setzte das Direktionsprinzip in der Praxis
durch. Für die Einführung der zwölf jährlichen Freischichten, die bereits
zuvor im schlesischen Steinkohlenbergbau zur Finanzierung der
Knappschaftskasse eingeführt worden waren, empfahl er seinen
Vorgesetzten kompensatorisch ein Vorschlagsrecht der Bergleute zur
Auswahl der Ältesten durch das Bergamt einzurichten. Dieses System der
Ältestenfindung blieb bis zum preußischen Knappschaftsgesetz von 1854
bestehen.
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1824
Nach der napoleonischen Ära schaffte die neue Knappschaftsordnung ein
einheitliches Recht für das märkische Revier und das Revier EssenWerden. Die Ordnung regelte allerdings nur die Angelegenheiten der
Knappschaftsmitglieder, nicht der Bergtagelöhner, für die es erst ab den
1830er Jahren einen eigenen Fonds zur Unterstützung bei Krankheit gab.
1832
wurde das erste moderne Knappschaftskrankenhaus der Industriezeit in
Waldenburg/Niederschlesien eröffnet. Träger der Einrichtung war das
Schlesische Hauptknappschaftsinstitut. In der Folge entstanden in allen
bedeutenden Bergbaurevieren Knappschaftskrankenhäuser und
Hüttenhospitäler sowie weitere Gesundheitseinrichtungen.
1840
Einführung des Sprengelarztsystems (Knappschaftsarztsystem) im
Ruhrrevier.
1854
1851 begann mit dem Miteigentümergesetz in Preußen die Ära der
liberalen Berggesetzgebung, die u.a. das Direktionsprinzip ablöste. Mit
dem Gesetz über die „Vereinigung der Berg-, Hütten-, Salinen- und
Aufbereitungsarbeiter in Knappschaften“ von 1854 wurden die
Knappschaftsangelegenheiten von den Bergbehörden auf selbstverwaltete
öffentliche Knappschaftsvereine übertragen. Die Verwaltung der
Knappschaftsvereine lag zu gleichen Teilen in den Händen eines von
Werksbesitzern und Knappschaftsältesten gewählten
Knappschaftsvorstandes. Das Selbstverwaltungsprinzip diente später als
Vorbild für die reichsgesetzliche Arbeiterversicherung in Deutschland.
Mit dem Preußischen Knappschaftsgesetz wurde erstmals eine
Sozialversicherungspflicht in Deutschland gesetzlich festgeschrieben.
Zudem schrieb das Gesetz das Versicherungsprinzip (Leistung gegen
Beitrag) fest.
1859
schloss der Märkische Knappschaftsverein einen ersten Kollektivvertrag
mit den Sprengelärzten seines Vereinsbezirks ab. Der Kollektivvertrag ist
ein Vorläufer der heutigen Verträge mit Kassenärztlichen Vereinigungen.
1865
wird das Knappschaftsrecht in das Allgemeine Berggesetz für die
Preußischen Staaten integriert, wo es bis 1912 verbleibt.
1870
Die gewaltige Steigerung der Steinkohlenproduktion im Ruhrrevier lässt
die Bevölkerungsdichte rasch anwachsen. Durch ihr Engagement für den
Bau von Zechenkolonien zum Wohl ihrer Mitglieder wurden die
Knappschaften zu Pionieren des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland.
1883 - 1891
Die Bismarckschen Arbeiterversicherungsgesetze führten in Deutschland
eine gesetzliche Krankenversicherung (1883), eine Unfallversicherung
(1884) und eine Invaliditäts- und Altersversicherung (1891) ein. Die
Knappschaftsvereine behielten unter dem Dach der neuen
Sozialversicherungsgesetze ihre Eigenständigkeit.
1886
Die erste Ausgabe der Zeitschrift „Kompaß - Organ der KnappschaftBerufsgenossenschaft für das deutsche Reich“ erscheint. Der Kompass ist
heute die älteste Zeitschrift der deutschen Sozialversicherung und somit
die älteste Publikation dieser Art weltweit.
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1889
wurde der „Verband zur Wahrung und Förderung der bergmännischen
Interessen in Rheinland und Westfalen“ („Alter Verband“) als Reaktion der
Bergleute auf die zunehmend stärkere Abhängigkeit von den
Unternehmen gegründet. 1894 spaltete sich der „Gewerkverein christlicher
Bergarbeiter“ ab. Seit dieser Zeit gehören Knappschaftsälteste
zunehmend den Bergarbeitergewerkschaften an.
1896
Mit der Grundsteinlegung der Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn beginnt
die Ära der Heilstätten, Sanatorien, Kurkliniken und Reha-Kliniken. Viele
historische Bezeichnungen, ein Ziel: die Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit des Erwerbstätigen nach einer schweren Krankheit.
vor 1900
Knappschaftsvereine beteiligten sich seit dieser Zeit mit
Hypothekendarlehen an der Errichtung von Zechenkolonien zur
Verbesserung der hygienischen und gesundheitlichen Verhältnisse.
1907
Gründung der Knappschaftlichen Rückversicherungsanstalt in
Charlottenburg, mit der ein Teil der Finanzen der preußischen
Knappschaftsvereine zur Sicherstellung der Rentenleistungen zentralisiert
wurde.
1911
Die Knappschaft setzt Maßstäbe bei der Einführung der elektronischen
Datenverarbeitung durch die „Lochkarte“. Der „Allgemeine
Knappschaftsverein zu Bochum“ war einer der ersten Kunden der neu
gegründeten Deutschen Hollerith Maschinen Gesellschaft in Berlin.
1911/12
In der Gründung des Sozialmedizinischen Dienstes der Knappschaften
durch die Reichsversicherungsordnung (RVO) liegt der Ursprung der
primären Gesundheitsprävention und einer umfassenden
sozialmedizinischen Steuerung. Das eigenständige Knappschaftsgesetz
von 1912 verstärkte den Charakter der Knappschaftsvereine als reine
Versicherungseinrichtung neben den anderen
Sozialversicherungssystemen des Deutschen Kaiserreiches.
1916
nahm der Reichstag erstmals eine Resolution zur Schaffung eines
Reichsknappschaftsgesetzes an. Die Rückversicherungsanstalt wurde
zum Rückversicherungsverband ausgebaut.
1923
Verabschiedung des Reichsknappschaftsgesetzes und Gründung des
Reichsknappschaftsvereins mit Wirkung ab 1. Januar 1924, in den alle
Knappschaftsvereine (ohne diejenigen des Saarlandes) aufgehen. Zur
Durchführung der Versicherung wurden 16 Bezirksknappschaftsvereine
gebildet
Aachener Knappschaft
Niederrheinische Knappschaft
Brühler Knappschaft
Ruhr Knappschaft
Siegerländer Knappschaft
Gießener Knappschaft
Hannoversche Knappschaft
Halberstädter Knappschaft
Mansfelder Knappschaft
Hessisch-Thüringische Kn.
Hallesche Knappschaft
Brandenburger Knappschaft
Niederschlesische Knappschaft
Oberschlesische Knappschaft
Sächsische Knappschaft
Süddeutsche Knappschaft
die aus den regionalen Knappschaftsvereinen entstanden.
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1926
Der Versicherungsträger wurde in „Reichsknappschaft“ umbenannt und
erhielt eine disparitätische Besetzung der Organe (3/5 Arbeitervertreter,
2/5 Werksvertreter) mit entsprechender Beitragslastenverteilung.
seit 1933
wurde die knappschaftliche Selbstverwaltung der Weimarer Zeit ein Opfer
des nationalsozialistischen „Führerprinzips“. Im Rahmen der
„Gleichschaltung“ entfernten die nationalsozialistischen Machthaber mit
dem „Gesetz über Ehrenämter in der sozialen Versicherung“
gewerkschaftlich organisierte Knappschaftsälteste aus ihren Ämtern.
1943
Einführung der knappschaftlichen Rentenversicherung als eigenständiger
Rentenversicherungszweig.
1945
wurde die Reichsknappschaft nach dem allgemeinen Zusammenbruch
stillgelegt. Die folgenden Bezirksknappschaften der drei Westzonen
wurden von den Besatzungsmächten beauftragt, die
Knappschaftsversicherung weiter durchzuführen:
Aachener Knappschaft, Aachen
Niederrheinische Knappschaft, Moers
Brühler Knappschaft, Köln
Ruhr Knappschaft, Bochum
Hannoversche Knappschaft, Hannover
Hessische Knappschaft, Weilburg
Süddeutsche Knappschaft, München
1949
Das Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetz machte die
Bezirksknappschaften zu selbständigen Versicherungsträgern. Zum
Ausgleich der Gemeinlast wurde die „Arbeitsgemeinschaft der
Knappschaften der Bundesrepublik Deutschland“ gegründet.
1951
Mit dem Selbstverwaltungsgesetz erhielten die Knappschaften eine neue
Verfassung. Organe der Knappschaften waren für alle
Versichertengruppen die Vertreterversammlung und der Vorstand. Beide
Organe setzen sich zu 2/3 aus Vertretern der Bergleute und zu 1/3 aus
Vertretern der Bergbauunternehmer zusammen.
1956
Mit der Rückgliederung des Saargebietes zur Bundesrepublik Deutschland
wird die Saarknappschaft zur achten Bezirksknappschaft.
1957
Das Knappschaftsrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz bezog die
Knappschaften in die allgemeine Rentenreform ein. Der Bund garantierte
ihnen die Übernahme des Unterschiedsbetrages zwischen den
Gesamteinnahmen und den Gesamtausgaben der knappschaftlichen
Rentenversicherung.
1969
stellte der Gesetzgeber die knappschaftliche Einheit durch das „Gesetz
zur Errichtung der Bundesknappschaft“ wieder her. Auch bei diesem
Neubeginn behielten die Ältesten ihre traditionelle Schlüsselposition als
Berater der Versicherten und deren Vertreter in der Selbstverwaltung bei.
Die Selbstverwaltungsorgane der Bundesknappschaft setzten sich zu 2/3
aus Vertretern der Versicherten und zu 1/3 aus Vertretern der Arbeitgeber
zusammen.
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1990/91
erstreckt sich mit der Wiedervereinigung Deutschlands der
Wirkungsbereich der Bundesknappschaft auch auf den Osten
Deutschlands. 540.000 Versicherte wurden in kürzester Zeit in das
knappschaftliche Verbundsystem integriert. Die Bundesknappschaft war
einer der ersten Sozialversicherungsträger, die über ein eigenes
Geschäftsstellennetz in den neuen Ländern verfügte.
1995
erweitert sich mit Einführung der Pflegeversicherung der Aufgabenbereich
der Bundesknappschaft.
1999
Mit dem Modellprojekt und Gesundheitsnetz „prosper“ wird die
Knappschaft im Rahmen der sog. Integrierten Patientenversorgung
federführend in Deutschland und steht vorbildlich für Innovation im
Gesundheitssystem
2000
erhielt die Bundesknappschaft durch das „Gesetz zur Stabilisierung des
Mitgliederkreises der Bundesknappschaft“ die Möglichkeit, ihre
Versichertenbasis zu erweitern (sog. 60-Monate-Regelung).
2002
wurde die Zuständigkeit der Bundesknappschaft für die knappschaftliche
Rentenversicherung erweitert. Hiernach ist die Knappschaft für alle
Versicherten zuständig, die mindestens einen Monatsbeitrag auf ein
knappschaftliches Rentenkonto eingezahlt haben (sog. Ein-MonatsRegelung). Hiervon profitierte auch die Krankenversicherung: sie darf der
neuen Regelung entsprechend um neue Mitglieder werben.
2003
errichtete die Bundesknappschaft im Auftrag des Bundesgesetzgebers die
Minijob-Zentrale. Sie ist für die Abwicklung der Meldungen,
Beitragsnachweise und Pauschalabgaben für alle Beteiligten im Rahmen
der geringfügigen Beschäftigung zuständig. Seither werden kontinuierlich
über 6 Millionen Beitragskonten geführt.
2005
Aufgrund des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen
Rentenversicherung fusionieren zum 1. Oktober 2005 die bisher
selbständigen Rentenversicherungsträger Bundesknappschaft,
Bahnversicherungsanstalt und Seekasse zur Deutschen
Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Der neue Träger ist auch für
die Durchführung der Allgemeinen Rentenversicherung zuständig.
Damit entsteht neben der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen
Rentenversicherung Bund einer der drei größten
Sozialversicherungsträger in Deutschland.
2007
Die Knappschaft wird zum 1. April 2007 auf Beschluss des
Bundesgesetzgebers als Krankenkasse für alle
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten frei wählbar. Erstmals in ihrer
Geschichte ist sie damit keine berufsständige Krankenversicherung
ausschließlich für Bergleute und ihre Familien mehr, sondern jeder kann
nun Mitglied werden.
2008
Die Knappschaft schloss sich mit Wirkung zum 1. Januar 2008 mit der
See-Krankenkasse und See-Pflegekasse zu einer Kranken- und
Pflegeversicherung, der Knappschaft, zusammen.
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2009
Zum 1. Januar 2009 übernimmt die Deutsche Rentenversicherung
Knappschaft-Bahn-See die Aufgaben und Versicherten der
Seemannskasse.