Indien 2015 - Schweizerischer Katholischer Frauenbund SKF
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Indien 2015 - Schweizerischer Katholischer Frauenbund SKF
Reisebericht (Kurzfassung) von Damaris Lüthi Projektreise Indien (Bihar, Jharkhand, Telangana) 30. Dezember 2014 – 13. Januar 2015 Sr. Britto, MitarbeiterInnen der Drop-In-Centres für HIVBetroffene, Reiseteam (Photo: DIC-Mitarbeiterin) Reiseteam Damaris Lüthi, Projektverantwortliche Asien Deepika Singh, Konsulentin für Nordindien Suneetha Prasad, Konsulentin für Südindien Regula Grünenfelder, Bildungsbeauftragte SKF Carola Muttoni, Fotografin Inhalt 1. Ziel 2. Politischer Kontext 3. Projektbesuche 4. Workshop 5. Anhang: Länderprogramm Indien Karte mit Reiseroute (schw. Punkte) 1. Ziel Das Ziel der Reise, die vom 30.12.2014 bis 13.1.2015 stattfand, waren die persönliche Begegnung und der Dialog mit unseren ProjektpartnerInnen, Beobachtungen dazu, wie die Projekte umgesetzt werden, der Austausch mit den beiden Konsulentinnen, die die Projekte begleiten und evaluieren sowie auch die Beschaffung von Fotomaterial für die Informations-, Bildungsarbeit und das Fundraising in der Schweiz. Aus diesem Grund begleitete uns die Tessiner Künstlerin und Fotografin Carola Muttoni und machte rund 700 Fotos. Mit dabei war auch die Bildungsbeauftragte Regula Grünenfelder, die sich Inspiration für die Bildungsarbeit versprach. Die Reise führte in den nördlichen Teil unseres Indienprogramms, nach Bihar und Jharkhand, wo ich letztmals 2006 Projektbesuche durchgeführt hatte. Dazu kamen zwei Projektbesuche in Hyderabad und Umgebung im neuen Teilstaat Telangana. Seit dem zweiten Juni 2014 ist Telangana, früher ein Teil von Andhra Pradesh, ein eigenständiger Bundesstaat Indiens. Wir flogen von Zürich nach Mumbai und reisten von dort zusammen mit der Nordindien-Konsulentin Deepika Singh weiter nach Patna. Dort besuchten wir Projekte in den Regionen Bhojpur und Buxar, anschliessend fuhren wir mit dem Auto nach Hazaribagh in Jharkhand, wo wir zwei Projekte besuchten, danach nach Ranchi für ein Projekt auf dem Land und Begegnungen mit Projektleiterinnen aus der Grenzregion Chhattisgarh/Jharkhand. Deepika und Regula reisten anschliessend nach Mumbai weiter, wo sie für einen Teil unserer ProjektpartnerInnen einen Workshop durchführten, während Carola und ich nach Hyderabad flogen, um dort mit der für den Süden zuständigen Konsulentin Suneetha Prasad zwei Feldbesuche zu machen und weiteres Fotomaterial zu sammeln. Danach reisten wir zusammen mit Suneetha ebenfalls nach Mumbai zum Workshop. 2. Politischer Kontext In den letzten Jahren erlebte Indien einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, der zur Bildung einer breiten Mittelschicht führte. Mit einer durchschnittlichen BIP-Wachstumsrate von 5.85 Prozent während der letzten zwei Jahrzehnte und 6.1 Prozent in 2011-12 ist Indien eine der weltweit am schnellsten wachsenden Ökonomien. Aber das Land steht nur an 140ster Stelle des nominalen BIP pro Kopf. 70 Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land, viele leben in Armut und haben nur wenig Schulbildung. Während im Teilstaat Kerala 94 Prozent der Bevölkerung alphabetisiert sind, sind es in Bihar nur 64 Prozent. Es gibt 212 in der Verfassung als benachteiligt eingestufte indigene Volksgruppen, die insgesamt 7.5 Prozent der indischen Bevölkerung ausmachen. Zugleich war Indien beispielsweise im Jahr 2012 der weltweit grösste Waffenimporteur. Die Hauptbedrohung wird in Pakistan und China gesehen. Indien wird seit 2014 wieder von der Hindu-nationalistischen BJP (Bharatiya Janata Party) unter Premierminister Narendra Modi regiert. Ihre Anhänger hat die Partei vor allem im „Hindi Belt„ Nordindiens. Die BJP betont den hinduistischen Charakter Indiens (Hindutva-Ideologie). Narendra Modi war Chefminister von Gujarat, als es 2002 dort nach einem Anschlag auf einen Zug mit hinduistischen Pilgern zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen kam, bei denen nach offiziellen Schätzungen 254 Hindus und 790 Muslime ums Leben kamen. Von Menschenrechtsgruppen wurde Modi vorgeworfen, zu wenig gegen die Ausschreitungen getan zu haben. Das ausbeuterische und diskriminierende Kastenwesen, zusammen mit der grossen Armut und feudalähnlichen Verhältnissen auf dem Land, einer maroden Infrastruktur, starker Umweltverschmutzung und religiösen Konflikten zwischen Hindus, Muslimen und Christen, stellen das Land weiterhin vor grosse Probleme. Die BJP und weitere rechtsnationale Kräfte streben die Hinduisierung Indiens an. Die Hindus sind mit 80.5 Prozent religiös eindeutig in der Mehrheit, neben 13.4 Prozent Muslimen, 2.3 Prozent Christen und weiteren, kleineren religiösen Minderheiten. Trotzdem wird der Hinduismus seit einigen Jahrzehnten als bedroht empfunden. Es kommt immer wieder zu Ausschreitungen gegenüber Muslimen, aber auch gegenüber Christen, die die ehemaligen Kolonialmächte und westlichen Kräfte symbolisieren, aber wo auch der Bekehrungseifer anstösst; zudem sind viele benachteiligte Tiefstkastige und indigene Volksgruppen zum Christentum übergetreten, und bei ihnen hat der Kontakt zum Christentum oft eine emanzipatorische Wirkung, die nicht im Interesse der höheren Hindu-Kasten ist. Im Dezember 2014 polarisierte der Versuch von Hindus, eine grosse Gruppe Muslime zu konvertieren, das Land: In der nordindischen Stadt Agra wurden mittellose Muslime mit der Aussicht auf Gutscheine für Sozialleistungen an eine Veranstaltung gelockt, die sich als Konvertierungszeremonie entpuppte. Dahinter stand eine fanatische Hindu-Organisation mit engen Kontakten zur Regierungspartei. Mitte Januar 2015 wiederum kam es in Bihar zu Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen, die zum Tod von drei muslimischen Männern führten: Ein hinduistischer Mann, der eine Liebesbeziehung zu einer jungen Muslimin hatte, wurde tot aufgefunden. Darauf setzten im Bezirk Muzaffarpur, wo sich auch eines der EW-Projekte befindet, eine Gruppe Hindus zwanzig Hütten von Muslimen in Brand. Kinderehen sind weiterhin verbreitet, speziell in ländlichen Gebieten; viele Frauen heiraten bevor dem gesetzlichen Mindestalter von 18 Jahren. Zudem kommt es immer noch zur Tötung von neugeborenen Mädchen und der Abtreibung von weiblichen Föten. Die Mitgift ist trotz Verbots in allen Schichten verbreitet, die Ermordung junger Ehefrauen bleibt ein grosses Problem. Dazu kommen Degradierungen der Frauen wie Gruppen-Vergewaltigungen, die es war schon gab, bevor die Medien international darauf aufmerksam machten, die aber dank der erstarkenden indischen Mittelschicht endlich als grosses Problem gesehen und bestraft werden. Die Umweltprobleme in Indien sind prekär. In keiner Stadt der Welt ist die Luft so stark verschmutzt wie in Delhi. Zudem hat die Hälfte der 1,2 Milliarden InderInnen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen. Die Unicef hat gezeigt, dass die von der Regierung gebauten Toiletten oft nicht benützt werden. Dazu kommt das Problem der Entsorgung. Ohne richtige Abwasserentsorgung können sanitäre Einrichtungen mehr Probleme schaffen, als sie beseitigen. Regierungschef Modi bemüht sich nun, seine Landsleute zu mehr Sauberkeit zu erziehen. Anfangs Oktober 2014 gründete er die Initiative für ein hygienischeres Indien: das Land und vor allem der heilige Ganges sollen sauber werden; innert fünf Jahren soll jede/r Inder/in über Zugang zu einer Toilette verfügen; Abwässer sollen gereinigt und eine funktionierende Abfallentsorgung organisiert werden. Leider zielen im Kontrast dazu viele der wirtschaftsfreundlichen Reformen Modis gerade auf die Aufweichung von Umweltstandards, wie beispielsweise die Umzonung von Agrar- und Waldflächen. Die Regeln für den Landkauf im Zusammenhang mit Grossprojekten sollen vereinfacht werden. Die Regierung behauptet, dass sie damit riesige Industrieprojekte anstossen will. Zu diesem Zweck wurden unter der Congress-Regierung verabschiedete Landgesetze rückgängig gemacht, wie beispielsweise dass beim Kauf von Land für Public-Private Partnership-Projekte die Zustimmung von 70 Prozent der Familien erforderlich ist, bei privaten Projekten 80 Prozent. Auch der Kohlensektor soll liberalisiert werden. Kohlekraftwerke produzieren in Indien 60 Prozent der Elektrizität. Gegen die Privatisierung riefen anfangs Januar 2015 die fünf grössten KohleGewerkschaften zu einem fünftägigen Streik auf, an dem sich eine halbe Million Arbeiter beteiligte, so dass er zum grössten Arbeitskampf seit vier Jahrzehnten wurde. 3. Projektbesuche Am 30. Dezember 2014 flogen wir von Zürich nach Mumbai (Bombay), wo wir bei der Nordindien-Konsulentin Deepika Singh, die in der Nähe des Flughafens wohnt, übernachten konnten. Am Silvestermorgen ging die Reise über Kalkutta nach Patna im Teilstaat Bihar weiter. Dort empfing uns Pradeep Priyadarshi, der Projektleiter von Pragati Grameen Vikas Samity (PGVS), mit je einer roten Rose. Es war kalt. In Uttar Pradesh und Bihar herrschte eine Kältewelle, die zu 52 Toten führte. Wir fuhren mit dem robusten Auto, das uns für die Reise bis nach Ranchi zur Verfügung stand, zu unserem Hotel, das eine geschäftige und laute Strasse mit kleinen, unscheinbaren Läden überragt. Dort stellte uns Pradeep seine ebenfalls in der Entwicklungsarbeit tätige Frau und seinen Sohn vor, der sein Englisch an uns testete. Pradeep erklärte, dass vor drei Tagen ein eintägiges Treffen mit Behördenvertretern stattfand, bei dem es darum ging, Fälle zu klären, bei denen Antragsteller zu den bereits verteilten Landrechtsurkunden kein entsprechendes Landstück erhielten. Seine Organisation Pragati Grameen Vikas Samiti ist schwerpunktmässig im Rahmen der Landrechtsbewegung der nationalen Bewegung Ekta Parishad unter dem charismatischen Rajgopal tätig. Ein Problem ist, dass zwar viele Landtitel verliehen werden, aber das Land nicht physisch übergeben wird. Im Februar und März 2015 sind deshalb regionale Landrechtsmärsche geplant, um weiter Druck zu machen auf die Behörden, ihre Zusicherungen einzuhalten. Wir besprechen das Programm des folgenden Tages, und Pradeep berät Deepika und Regula auch, wo sie am Neujahrsmorgen die Messe besuchen können. Anschliessend geniessen wir ein typisch nordindisches Abendessen und stossen mit dem mitgebrachten Prosecco auf das neue Jahr an. Zwar ist es erst 21 Uhr, aber weil man in Indien den Silvester nicht feiert und wir alle sehr müde sind, gehen wir schlafen. 04/14 Pragati Grameen Vikas Samity (PGVS), Pradeep Priyadarshi 1. Januar 2015 Förderung von Frauengruppen in insgesamt 50 Dörfern (15 bisherige und 35 neue), Zugang zu Regierungsprogrammen, Stärkung der Management-Fähigkeiten pkto. Getreidebanken und Ziegenhaltung, Suche nach weiteren Einkommenstätigkeiten, Einschulung der Mädchen der 6.-9. Klasse in Schulinternate, spezielle Förderung alleinstehender Frauen bei Land-Anträgen, Vermessung der Dörfer und Erarbeiten von Entwicklungsplänen als Grundlage für die Implementierung des "Recht auf Arbeit" NREGA (National Rural Employment Guarantee Act). Frühmorgens besuchen Deepika und Regula die Neujahrsmesse, anschliessend fahren wir ca. zwei Stunden ins Projektgebiet nach Muzaffarpur. Dort wartet eine grosse Gruppe Musahar-Frauen (Tiefstkastige) auf uns, beobachtet von etwa gleich vielen Männern. Die Frauen empfangen uns mit Gesang, Tanz und Blumengirlanden. Beim letzten Besuch im 2006, als das Projekt erst gestartet wurde, wurden wir mit viel Misstrauen empfangen, und die Frauen sahen erbärmlich aus. Jetzt wirken sie immer noch arm, aber viel selbstbewusster und froh über das bisher Erreichte. Sie sitzen auf dem Boden des Lernzentrums und tauschen sich mit Deepika zu den aktuellen Aktivitäten im Rahmen des Projekts aus, Carola wandert durch den Raum und fotografiert. Wir erfahren, dass die Frauen momentan darauf warten, dass die 121 hängigen Anträge für Bauland für Häuser bewilligt werden. Darunter sind 10 Gesuche von alleinstehenden Frauen, worunter immer Witwen verstanden werden. Weil der Ausdruck ‚Witwe’ wegen des sehr tiefen gesellschaftlichen Status und des schlechten Omens verwitweter Frauen negativ aufgefasst wird, wird er heute durch den neutralen Ausdruck ‚alleinstehende Frau’ ersetzt, welcher auch unverheiratete Frauen über 40 einschließt. Die erstrebten Hauslandtitel sollen als gemeinsames Eigentum von Ehepaaren registriert werden. Die Chancen stehen gut, dass die Genehmigung in den nächsten Wochen erfolgt. Weiter erzählen die Frauen, dass sie zu Ende einer Saison, wenn es auf den von den Spar- und Kreditgruppen (SHGs) betriebenen Getreidebanken einen Überschuss gibt, den Reis auf dem Markt verkaufen und mit dem Gewinn Anschaffungen tätigen, die der ganzen Gruppe zugutekommen. Das waren vor kurzem zum Beispiel riesige Behälter und Schöpflöffel, die an Hochzeiten oder anderen Festen eingesetzt werden. Die Geräte werden auch an Externe vermietet, wodurch wiederum Geld in die Kasse der Frauengemeinschaften fliesst. Manche Gruppen pachten ein Stück Landwirtschaftsland und bebauen es gemeinsam mit Reis oder anderem Getreide. Die Frauen führen die landwirtschaftlichen Arbeiten ohne Männer aus, außer dem Pflügen, für das sie Leute anstellen. „Es ist ein Wechsel zu einer neuen Denkweise“, erklärt Pradeep. „Durch diese Tätigkeit werden sie jetzt zu respektablen Bäuerinnen, während sie vorher immer nur im Tagelohn angestellt waren.“ Es ist eine klare Verbesserung ihres Status, was auch ihr Selbstbewusstsein deutlich hebt. Nach einer weiteren Gesangs- und Tanzdarbietung, Parolen der Landrechtsbewegung und Reden, lassen wir die Frauen ziehen. Es ist ja Neujahrstag, und gemäss Pradeep ist es Tradition, dass die Familien dann Ausflüge mit Picknicks machen. Ein paar Strassen weiter haben wir noch Gelegenheit, einen Augenschein von der Getreidebank der örtlichen Selbsthilfegruppe zu nehmen. Wir balancieren auf Backsteinen durch die Abwässer, die durch die engen Gassen zwischen den Lehmhütten fliessen. Die BewohnerInnen des kleinen Quartiers tragen zerlumpte Kleider, die Kinder sind dünn und schmutzig. Die Getreidebank befindet sich in der Ecke einer Hütte, gesichert durch ein schweres Schloss. Wir verstehen sofort, weshalb es sinnvoll ist, die hier lebenden, sehr benachteiligten Frauen in Spargruppen zu organisieren. Von Manju, einer sehr aktiven Frauengruppen-Leiterin, werden wir anschliessend im Hof ihres Hauses zu Tee und Snacks eingeladen. 206/14 Tripolia Hospital Patna, Sr. Usha Karamullil Projektinhalte: Ausbildung von jungen Frauen aus benachteiligten Familien zu Gesundheitsarbeiterinnen und Krankenschwestern. Verbesserung von Gesundheitsversorgung und -verhalten der Bevölkerung in abgelegenen und benachteiligten Regionen & zugleich sicheres Einkommen für die Absolventinnen. Am späteren Nachmittag sind wir wieder in Patna und machen uns auf die Suche nach dem Tripolia-Spital, das sich mitten in einem ärmlichen Aussenquartier befindet. Dort wird seit vielen Jahren dank Beiträgen des Weltgebetstags (WGT) jungen Frauen aus benachteiligten Familien die Ausbildung zu Gesundheitsarbeiterinnen und Krankenschwestern finanziert. Die Unterstützung ist indirekt auch ein Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf dem Land und zur Einkommenssicherung, da viele Absolventinnen in der Gesundheitserziehung eingesetzt werden und die Ausbildung ihnen zugleich ein Auskommen ermöglicht, womit sie auch für ihre Eltern und Geschwister sorgen können. Das Spitalgebäude strahlt in prächtiger Weihnachtsdekoration mit Lichterketten, Krippen und einer in einen festlichen Sari gewickelten Muttergottes. Wir werden von den leitenden Ordensschwestern eingeladen, sowohl das Spital als auch das daran baulich angefügte Kloster zu besuchen. Die Projektverantwortliche Sr. Usha ist nicht vor Ort, aber wir werden von ihrer Vorgängerin Sr. Celestine und drei Mitschwestern empfangen und mit Tee und Weihnachtsgebäck verwöhnt. Die Ordensschwestern rufen die Hebammen- und Schwesternschülerinnen trotz Feierabend zusammen, und jede stellt sich kurz vor und erzählt von ihren Berufsplänen. Anschliessend singen die jungen Frauen für uns und beschenken uns mit Blumensträußen. Schliesslich besichtigen wir das Spital, dessen wichtigstes Angebot die Geburtsabteilung ist. Vor dem Eingang thront eine riesige Madonna, die von den Müttern nach erfolgreichen Entbindungen mit Saris geschmückt wird. Die Kleidungsstücke werden später an die Armen verschenkt. Am heutigen Tag wurden sieben Kaiserschnitte durchgeführt, und die Neugeborenen werden jetzt in einem separaten Zimmer betreut. Eine Treppe trennt diesen Trakt von den Müttern, was den Kontakt erschwert, aber es ist geplant, das Spital neu zu strukturieren und baulich anzupassen. Alle Räume der Geburtsabteilung werden sich dann auf demselben Stock befinden. Weil es rund um das Spital kein Land hat, auf dem expandiert werden könnte – der Stadtteil ist dicht besiedelt – kann nur in die Höhe gebaut werden. 25/14 Sr. Poonam, CHIRAG 2. Januar In den Slums von Buxar: zwei Lernzentren, Nachhilfeunterricht sowie Lebenskunde und Nähen für adoleszente Frauen; Organisation von 20 SHGs, Herstellung von Räucherstäbchen. Dazu in 19 Gram Panchayats im Rajpur Block: Organisation und Trainings von SHGs (Right to Food RTF, NREGA, Regierungsprogramme) und Stärkung des Zugangs zum NREGA. Am nächsten Morgen um 9:00 Uhr fahren wir nach Buxar im Westen Bihars, um das von Sr. Poonam geleitete Projekt in den Slums an einem Seitenarm des Ganges sowie in der abgelegenen Region Rajpur zu besuchen. Wir treffen um 14 Uhr ein und werden im kleinen Kloster mit einem Mittagessen verköstigt. Es regnet und ist kalt, und die Luftfeuchtigkeit ist so hoch, dass die Böden und Spiegel ständig beschlagen und nass sind. Vier AnimatorInnen aus Rajpur erwarten uns. Sie müssen sich spätestens um 16 Uhr wieder auf den Weg in ihre 40 km entfernten Dörfer machen, da es hier bereits um 18 Uhr eindunkelt und es zu gefährlich ist, nachts zu reisen. Weil aber auch Carola noch auf das Tageslicht angewiesen ist, um in den nahen Slums Fotos machen zu können, sind wir unschlüssig, wie wir die Begegnungen kombinieren sollen. Wir beschliessen, sofort nach dem Mittagessen den Slumbesuch zu machen, während Regula bei den Animatorinnen bleibt und sich mit ihnen unterhält. Im Slum führt uns Sr. Poonam zu einem der zwei Nachhilfezentren für Mädchen. Es befindet sich in einer winzigen Lehmhütte, und rund 30 Mädchen und ein paar Knaben haben sich auf den wenigen Quadratmetern versammelt. Zwei Mädchen tragen ein Lied vor. Wir unterhalten uns mit den sehr aufgeweckten Kindern über ihre Schulerfolge. Die Slum-Kinder seien klüger als die in den Dörfern auf dem Land, findet Sr. Poonam. Als wir wieder aus der Hütte kriechen, stellen sich uns Frauen von einer der Spar- und Kreditgruppen vor und präsentieren ihre Sparbüchlein und das Bankbüchlein, in welchem das hinterlegte Geld eingetragen wird. Es sind bereits ca. 25‘000 Rupien gespart, für die Frauen ein stattlicher Betrag. Es bleibt vor dem Eindunkeln noch Zeit, ein Dorf am Stadtrand zu besuchen, das allmählich von der Stadt absorbiert wird. Die dort lebenden Landwirte bebauen weiterhin die umliegenden Felder oder arbeiten als landwirtschaftliche Tagelöhner. Mitten im Dorfschlamm steht ein Traktor. Im Quartier wird eine neue Frauengruppe gegründet, und die Teilnehmerinnen haben Sr. Poonam gebeten, sie bei diesem Prozess zu begleiten. Die Frauen sitzen im Kreis auf einer Matte und bestimmen nacheinander die Präsidentin, Kassierin und Sekretärin. Sr. Poonam sitzt dabei und erinnert an die Kriterien: Die Präsidentin muss Minimum die Grundschule absolviert haben, da sie ja lesen, schreiben und rechnen können muss; die Kassierin muss rechnen können. Ich erkundige mich nach den Sparmöglichkeiten und erfahre, dass jedes Gruppenmitglied im Schnitt Rs. 50 pro Monat beiseitelegen kann. In der Abenddämmerung fahren wir zurück zum Kloster, das im Dunkeln liegt, weil sich die Sonne heute nicht zeigte und so die Solaranlage keinen Strom produziert hat. Als Notlösung wird der Generator angestellt. Wir werden von Moskitos belagert. Nach dem Abendessen mit den Schwestern ziehen wir uns in unsere feuchtkühlen Zimmer und unter dicke Wolldecken zurück. Frühmorgens brechen wir auf Richtung Bundesstaat Jharkand, der südlich an Bihar anschliesst. Nach einer rund 7stündigen Fahrt, auf der wir wegen der befürchteten Verspätung auf den Besuch Bodh Gayas, des Geburtsorts des Buddhismus verzichten, gelangen wir in das höhergelegene Hazaribagh, wo sich das Aids-Projekt der Holy Cross-Schwester Sr. Britto befindet. 01/14 Sr. Britto, Holy Cross Institute 3. – 4. Januar Teilprojekt eines grösseren v.a. medizinischen Angebots, das von verschiedenen indischen öffentlichen und privaten Sponsoren finanziert wird. Beitrag EW: 4 (von 20) Anlaufstellen (Drop-In-Centres) in abgelegenen Gebieten für je 10 Dörfer (Kontaktstelle, Austausch, psychologische Beratung und medizinische Versorgung, Kinderclub). Einkommensprogramme (Herstellung von Kleidern und Accessoires sowie Tafelkreiden). In Hazaribagh werden wir wiederum mit Blumen empfangen. Wir werden im Kloster untergebracht, dem sich ein kleines Spital für Aids-PatientInnen angliedert. Nachdem wir uns kurz zu einem Mittagsschlaf, Dusche mit warmem Wasser von der Solaranlage und das Notieren der Reiseeindrücke in unsere Zimmer zurückgezogen haben, geht es mit Sr. Britto auf eine kleine Stadtrundfahrt und Besuch des Warenhauses Vishal. Umschwirrt von Mücken ist es zudem möglich, auf dem Klostercomputer die E-Mails einzusehen. Am nächsten Morgen bietet Sr. Britto nach der Messe Gymnastik an mit christlich-buddhistisch-hinduistischen Elementen. Anschliessend tauschen wir uns mit der Projektleiterin Sr. Britto aus und treffen Mitarbeitende und Frauengruppen. Als erstes sitzen wir mit der Nähgruppe HIV-betroffener Frauen zusammen, die zum Kloster gekommen sind, um uns von ihren Erfahrungen zu berichten. Die Frauen erzählen von ihrer Tätigkeit, aber auch von ihrer persönlichen Situation. Sie haben erst vor kurzem die Textilausbildung gemacht und arbeiten zuhause, fast alle haben eine Nähmaschine. Die Projektleitung stellt das Material – Wolle für Strick- oder Häkelwaren oder zugeschnittenen Stoff – zur Verfügung, und die Frauen stellen in Heimarbeit Kleider, Schuluniformen und Schäle her. In mehreren Tagen Häkelarbeit entsteht ein Schal und kann für Rs. 800.- (CHF 13.-), etwa einem Siebtel eines Mindesteinkommens, verkauft werden. Die Produktionseinheit befindet sich erst im Anfangsstadium, und es werden Verträge mit Warenhäusern und Schulen angestrebt. Eine verbreitete Form der Zusammenarbeit ist, dass eine Firma das Material liefert und den Frauen die fertigen Textilien zu einem fixen Betrag wieder abnimmt. Die Frauen können neben den grösseren Aufträgen auch direkt in ihren Dörfern Auftraggeber finden und damit ein zusätzliches Einkommen erzielen. Ein Nachteil ist der, dass die DorfbewohnerInnen manchmal lange nicht zahlen. Vor dem Nähkurs arbeiteten die Frauen in der Landwirtschaft oder zuhause. In der Landwirtschaft beträgt der Tagesverdienst zwar gute Rs.130, aber es gibt innert sechs Monaten jeweils im Schnitt für jede Tagelöhnerin nur während 10 Tagen Arbeit. Zudem sind die Leute mit HIV/AIDS häufig nicht kräftig genug für diese physisch anstrengende Tätigkeit. Sr. Britto möchte dem EW einen Antrag für eine textile Produktionseinheit für 10 Frauen unterbreiten. Sie würden einen Raum mieten, und die Teilnehmerinnen müssten eine 5-monatige Ausbildung absolvieren. Dieses Anliegen macht Sinn, wird aber zurückgestellt bis zum Abschluss des laufenden Projekts. Nun werden wir von der Nähgruppe mit je einem Schal beschenkt, und wir stehen zu gemeinsamen Fotos zusammen. Anschliessend berichtet Sr. Britto ausführlich über ihre anderen Arbeiten. Sie hat jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit HIVBetroffenen, und ihre Arbeit wird in Jharkhand sehr geschätzt, auch von den Behörden, beispielsweise der NACO (National Aids Control Organisation). Sie erzählt, dass es immer noch Spitäler gibt, die sich weigern, AIDS-PatientInnen zu behandeln. Sie hat aber Animatorinnen vor Ort, die resolut eingreifen, wenn man versucht, diese Kranken abzuwimmeln. Sr. Britto führt Informationsveranstaltungen an Schulen und in Dörfern und Quartieren durch, speziell auch wenn Arbeitsmigranten auf Heimvisite sind. AIDS wird hier „Bombay-Krankheit“ genannt, weil die Mehrzahl der HIV-Betroffenen Arbeitsmigranten sind und sich den Virus bei Prostituierten in Bombay holten. Etliche gutgestellte Hindus finanzieren Teile des Hilfsprogramms und kamen für einen Teil der Baukosten des Spitals auf. Überhaupt seien die Hindus in dieser Sache hilfsbereiter als die Christen. Weiter führt Sr. Britto aus, dass die Ehefrauen aus ärmeren Familien und tiefen Kasten ihre Männer, wenn sie sich als Arbeitsmigranten mit HIV infiziert haben, weiterhin annehmen, während hier bessergestellte Frauen ihre Männer verstossen. „Die benachteiligten Frauen erklären, dass ihre Männer sich deshalb ansteckten, weil sie sich bemühten, Arbeit zu finden um ihre Familien zu ernähren.“ Bessergestellte verheimlichen zudem meistens, dass sie HIV-infiziert sind; Sr. Britto kennt mehrere gutgestellte HIV-betroffene Männer, die zwar per Telefon ihren Rat einholen, aber sich hüten würden, an ihren Programmen oder Netzwerken teilzunehmen. Damit erreicht sie die Menschen aus der Unterschicht. Die HIV-Infizierten sind in diesen Projekten in eigene Selbsthilfegruppen organisiert, mit welchen sie Zugang zu verschiedenen staatlichen Unterstützungsprogrammen und Darlehen haben. Sr. Britto informiert, dass der aktuellste Ansatz die Integration von HIV-Betroffenen in die staatlichen Sozialprogramme für alle Benachteiligte sei, nicht mehr die spezifische Unterstützung. Nach Sr. Brittos Präsentation setzen wir uns mit den Mitarbeitenden - ebenfalls alle HIV-infiziert - der vier vom Elisabethenwerk unterstützten Drop-In-Zentren, Anlaufstellen für HIV-Infizierte, zusammen. Sie warten bereits seit mehreren Stunden auf das Treffen. Als erstes zeigen sie uns in verschiedenen Sketches im Stil eines Strassentheaters, wie sie in den Dörfern arbeiten: Sie treffen sich jeweils mit dem Dorfvorstand, dem Panchayat, um die HIV-Problematik zu besprechen; darauf suchen sie die HIV-Betroffenen auf, und schliesslich beziehen sie auch noch die Angehörigen in die Gespräche ein. Nach der Vorstellung haben wir Gelegenheit zum persönlichen Austausch mit ihnen. Sie ergänzen die Ausführungen von Sr. Britto und erzählen, dass sie bei ihrer Arbeit z.B. mit folgenden Problemen konfrontiert sind: HIV-Betroffene sind stark von Stigmatisierung betroffen wegen der Angst, dass sie andere anstecken könnten, wenn sie denselben Brunnen oder Wasserpumpe benützen. Mir fällt auf, dass sich das in der Auswirkung mit der traditionellen Vorstellung von Unberührbarkeit deckt: Auch die Tiefstkastigen durften früher die Brunnen von Höherkastigen nicht benutzen aus Angst, sie könnten das Wasser verunreinigen. Auch vor den Kindern der HIV-Infizierten hat man Angst, wenn sie die Schule besuchen. Sehr schwierig ist der Hexerei-Verdacht: Viele Leute deuten es als schlechtes Omen, wenn sie am Morgen das Gesicht einer HIV-betroffenen Frau sehen und befürchten, dass die Frau sie verhext; sie versuchen dann, die Frau loszuwerden, auch durch Mord. Vor kurzem zeigten die AnimatorInnen jemanden aus diesem Grund bei der Polizei an. Dank der Mithilfe des örtlichen Dorfchefs konnte der Fall schliesslich bereinigt werden. Weiter werden viele HIV-Betroffene, speziell die Frauen, aus Angst vor Ansteckung von ihren Männern und Familien verstossen. Die AnimatorInnen sprechen dann mit den Angehörigen und informieren sie unter anderem auch, dass die Ehefrau ein Anrecht auf das Eigentum (Mitgift) hat, das sie in die Ehe mitgebracht hat. Denn viele HIV-Infizierte sind mittellos und nehmen dadurch nicht genügend nahrhaftes Essen zu sich, was aber sehr wichtig wäre in ihrem Zustand. Die AnimatorInnen der DICs verbinden diese Frauen mit Selbsthilfegruppen und helfen ihnen beim Aufbau von Kleinunternehmen, so dass sie ein geringes Einkommen erzielen können. Mithilfe des Teams von Sr. Britto haben die HIV-Betroffenen aus 75 Dörfern ein Netzwerk aufgebaut, und wir lernen die Leiterin kennen sowie eine Animatorin. Sie erzählt, wie sie in den Kliniken dafür kämpfen muss, dass Aids-PatientInnen Bluttransfusionen erhalten, und wie sie auch psychologische Beratungen macht. Manche Aids-PatientInnen haben Angst vor einer Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten, weil die Nebenwirkungen stark sein können, und auch, weil deren Notwendigkeit zeigt, dass man näher am Tod steht. Ein Problem auf einer anderen Ebene ist, dass unklar ist, ob die indische Regierung in Zukunft weiterhin für die Kosten dieser Behandlungen aufkommen wird. Armutsbetroffene PatientInnen könnten sich eine Behandlung niemals selber leisten. Nach einem späten Mittagessen besuchen wir am Nachmittag eines der DIC im nahegelegenen Dorf Charhi. Dort haben sich die MitarbeiterInnen und auch die lokale Frauen-Selbsthilfegruppe versammelt. Wiederum legt man uns bei der Ankunft Blumengirlanden um den Hals. Wir plaudern mit betroffenen Frauen und erfahren, wie sie sich zurechtfinden und organisieren. Auch Mädchen sind dabei und ein einzelner Knabe, und sie erzählen stolz, dass sie auf eigene Initiative nach dem Vorbild ihrer Mütter eine Spargruppe gegründet haben und so einen Teil ihres Taschengelds zur Seite legen für bedürftige Schulkameradinnen. 04/14 Naya Sawera Vikas Kendra (NSVK), Birendra Kumar 5. Januar Begleitung bei der Durchsetzung der Landrechte, Verbesserung der Kompetenzen zum FRA (Forest Rights Act, Dschungelgesetz), besserer Zugang zum Recht auf Arbeit (NREGA) und Durchsetzung des Mindestlohns, Zugang zu den staatlichen Witwen-, Behindertenund Altersrenten und zur Einkommensförderung für Benachteiligte in ländlichen Gebieten, Stärkung der Frauengruppen (SHG), Stärkung der Führungskompetenzen der Leiterinnen, Kurse zur Herstellung von Seifen, Förderung von adoleszenten Frauen sowie Anmeldung bei der staatlichen Gesundheitsversicherung RSBY für Benachteiligte.. Am nächsten Tag fahren wir um 8 Uhr morgens los auf eine weitere Projektvisite in der Region Hazaribagh, nicht ohne dass wir mit Sr. Britto vorher noch Morgengymnastik gemacht haben. Nach zwei Stunden Fahrt tief in ein Dschungelgebiet hinein parkiert unser Chauffeur das Auto in einem Waldstück vor dem Dorf, wohin keine Strasse führt. Wir marschieren die letzten paar hundert Meter zum Dorf Bahadpur, das sich am Fuss eines kleinen Bergs (bahad) befindet, auf einem schmalen Pfad und über einen Bach. Auf dem Berg werden lokale Gottheiten wie der Sal-Baum verehrt, dessen Rinde, Holz, Blätter und Samen für die lokale Bevölkerung sehr wichtig sind. Als wir uns der Siedlung nähern, werden wir mit Trommeln und Tanz empfangen, und die Frauen bekränzen uns mit Girlanden aus Blättern und Blüten des Sal-Baums. Die Frauen des kleinen Dorfes mit 25 Familien, und auch einige Männer, haben sich versammelt, und weil heute schulfrei ist hat es auch viele Kin- der. Die Erwachsenengeneration ist nicht alphabetisiert, werden wir informiert, aber alle heutigen Kinder besuchen die Schule. Diese fällt zur Zeit manchmal aus, weil der Lehrerin wegen der Regenfälle der Weg zum Dorf zu beschwerlich ist. Das Dorf hat eine Grundschule, die Oberstufe ist im 10 Kilometer entfernten Bagodar. Diesen Weg legen die Kinder zu Fuss zurück: Sechs Mädchen marschieren täglich zur Schule und wieder retour, weshalb die Leute uns fragen, ob wir ihnen nicht Fahrräder sponsern könnten. Die Leute aus Bahadpur leben von der Landwirtschaft, was aber nur während drei Monaten jährlich möglich ist. Einige arbeiten in Bagodar auf dem Bau. Nicht alle Familien besitzen eigene Landstücke, und so ist das zentrale Anliegen des Projekts der Zugang, speziell der Frauen, zu eigenen Landstücken. Elf Familien haben beim Staat Anträge gestellt auf Landstücke in gemeinsamem Besitz des Ehepaars von je 3 Acres (12‘141m2), sind aber nun enttäuscht, weil man ihnen nur je einen Acre (4047) bewilligt hat, und wollen Beschwerde einlegen. Dazu kommt ein Antrag der Dorfgemeinschaft auf Gemeinschaftsland von 150 Acres, welcher in Bearbeitung ist. Es gibt auch eine lokale Frauen-Spargruppe, und deren Leiterin berichtet uns ausführlich über die verschiedenen Aktivitäten. Carola hat das Treffen fotografisch begleitet und ist auch herumgestreunt, um Fotos von der Umgebung zu machen. Nun brechen wir auf, um ein weiteres Dorf zu besuchen, wo die Frauen im Rahmen dieses Projekts gefördert werden. Wir fahren eine weitere Stunde durch unwegsames Gebiet. Auch im zweiten Dorf werden wir mit Trommeln und Tanz empfangen sowie blumig bekränzt. Regula bittet darum, eine der im Rahmen der Erhebung zu den Dorfressourcen erarbeiteten Dorfkarten mit Angaben zum Forstgebiet, Landbesitz und Besiedlung sehen zu dürfen. Die AnimatorInnen und lokalen Frau- en informieren uns über ihre Aktivitäten, die sich ebenfalls auf den gerechten Zugang zum Land konzentrieren. Hier ist bei den Behörden ebenfalls ein Antrag für ein Stück Gemeinschaftsland hängig. Ins Dorf sind wir zwar gelangt, aber der Weg hinaus ist unauffindbar. Es gibt keine Strasse, und wenn sich ein Auto hierher verirrt, fährt es irgendwie durch die Hügel. Wir fahren an zwei Orten am Rand der Siedlung hinaus und dann wieder retour. Der Chauffeur steigt aus und macht sich zu Fuss daran, die Gegend zu erkunden d.h. er schaut, ob es zwischen den Hügeln Reifenspuren gibt von unserer Ankunft, so dass wir diesen folgen könnten. Die Abdrücke auf dem trockenen Boden sind unklar, und erst nach langer Beratung, Diskussion und weiterer Suche finden wir schliesslich den Weg. Es ist jetzt bereits 15 Uhr, und nach sieben Stunden Projektbesuchen ohne Verpflegung knurrt allen der Magen, auch den uns begleitenden AnimatorInnen. So sind wir froh, dass wir nach weiteren eineinhalb Stunden das Projekthauptquartier in Hazaribagh erreichen, wo wir sogleich mit einem Reismenu verköstigt werden. Wiederum werden wir mit Schals beschenkt. Wir haben Gelegenheit, uns mit Ram, dem Präsidenten von Naya Sawera, mit dem Projektleiter Birender und mit weiteren MitarbeiterInnen auszutauschen und Fragen zu stellen, und anhand einer Power Point-Präsentation lernen wir die verschiedenen weiteren Tätigkeiten der Organisation kennen. Beim Eindunkeln verabschieden wir uns und fahren zurück ins Holy Cross-Kloster, wo wir nach kurzem Ausruhen zusammen mit den Schwestern zu Abend essen. 20/13 Sr. Puniyawati, Daughters of Saint Anne 6. Januar Förderung von SHGs (Spar- und Kreditgruppen), Trainings in Führung und Buchhaltung etc. für die Mitarbeiterinnen sowie SGHLeiterinnen; Pilzkultivation, Gesundheitsförderung, politische Partizipation. Am nächsten Morgen machen wir uns erst um 10:30 auf den Weg nach Ranchi zu den St. Anna-Schwestern, weil wir ja nur einen Projektbesuch in einem einzelnen Dorf geplant haben. In einem Strassen-Gartenrestaurant machen wir einen ausgiebigen Zwischenhalt mit Chai und farbigen Süssgkeiten. Leider bleiben wir dann im Mittagsverkehr von Ranchi stecken und treffen erst gegen 14 Uhr beim St. Anna-Kloster ein. Nach dem Mittagessen brechen wir gleich nach Mandar auf, um dort die Frauen aus dem Projekt von Sr. Puniyawati zu treffen. Unterwegs erfahre ich von Sr. Ruth, dass uns die Vertreterinnen von 68 Frauengruppen aus drei Panchayats seit 12:30 erwarten; aus sehr abgelegenen Gebieten sind sie bereits seit 7 Uhr morgens dorthin marschiert. In der Annahme, dass das Programm mit uns spätestens um 14 Uhr fertig sein würde, haben sie keine Mittagsverpflegung erhalten und werden es nicht mehr lange aushalten, weil sie ja auch wieder zurück in ihre Dörfer müssen, bevor es einnachtet. Als wir ins Dorf gelangen, kommen uns bereits Frauen entgegen, die den Heimweg antreten. Wiederum geleitet uns eine Gruppe mit Tanz und Trommeln zum Dorfzentrum. Dort sind immer noch sehr viele Frauen versammelt. Die selbstverschuldete, unnötige Verspätung ist uns peinlich, und wir entschuldigen uns. Die Frauen bekränzen uns mit Blumen aus den eigenen Gärten, reichen uns Schüsseln mit selbstgezogenem Gemüse, und zwei Frauengruppen führen Theaterstücke auf zu Problemen wie Frauenhandel, Alkoholismus und häusliche Gewalt. Eine weitere Gruppe sowie eine einzelne Frau singen für uns. Es ist jetzt längst dunkel, die Versammlung dünnt immer mehr aus, und wir sprechen mit den verbliebenen Frauen über ihre Probleme, aber auch über ihre Erfolge. Nach dem Anlass lädt uns eine der beiden FeldSupervisorinnen ein, bei sich zuhause die Champignonzucht zu besichtigen. Quer über ein paar Felder und deren hügelige Begrenzungen gelangen wir zu ihrem Bauernhaus, wo wir von ihren Kindern mit einer Handwaschung empfangen werden. In einem der Zimmer stehen Säcke, aus denen Pilze schiessen. Knapp hundert Frauen haben im Rahmen des Projekts den Pilzkurs absolviert, und mehr als 80 haben jetzt die Pilzkultivierung in Angriff genommen. Die Pilze sind sehr beliebt und dienen vorerst der Selbstversorgung, die Vermarktung z.B. an Hotels ist jedoch geplant, und mit dem Verkauf von Pilzen kann ein gutes Einkommen erzielt werden. Schliesslich balancieren wir in der stockdunklen Nacht wieder zurück zu unserem Auto und treten den Rückweg zum Kloster an. Auf der Rückfahrt und auch am folgenden Morgen habe ich Gelegenheit, mich mit den Schwestern Ruth und Puniyawati zu verschiedenen sozialen und projektbezogenen Themen auszutauschen. Während früher die dominante Thakur-Kaste den Grossgrundbesitz kontrollierte und die Benachteiligten gnadenlos ausbeutete, wurde später dank des Engagements belgischer MissionarInnen das Land stärker verteilt, so dass heute auch viele Benachteiligte ein Stück besitzen. Den Menschen hier geht es besser als andernorts, und der Schulbesuch der Kinder beispielsweise ist selbstverständlich. Die meisten Familien besitzen eigene Felder, und die Frauen nehmen kaum am Recht auf Arbeitsprogramm NREGA teil, weil ihnen neben der Arbeit auf dem eigenen Hof die Zeit dafür fehlt. Wichtigere Themen sind hier häusliche Gewalt, Alkoholismus und die Wasser- und Elektrizitätsversorgung. Leider sind es häufig gerade Frauen, die Alkohol verkaufen, so dass für sie eine alternative Einkommensquelle gefunden werden muss. Eine solche ist der Pilzverkauf. Weiter ist die Partizipation der Frauen an politischen Gremien gut, und es gibt inzwischen einige weibliche Mukhyas (Dorfchefinnen). Heutzutage nehmen die Frauen viel aktiver an Wahlen teil als die Männer, erklären die Schwestern. Ein Problem ist der Zugang zu den staatlichen Sozialprogrammen für Benachteiligte wegen der Korruption: Es müssen hohe Beträge bezahlt werden, damit die Gesuche der Frauen von den Behörden überhaupt entgegengenommen werden. Gegen 21 Uhr sind wir retour im St. Anna-Kloster und erhalten ein reichhaltiges Abendessen. Carola fragt, ob man ihr am nächsten Vormittag ein Auto zur Verfügung stellen könnte, weil sie rund um Ranchi Landschaftsfotos machen möchte. Deepika und die Anna-Schwestern finden, dies sei zu heikel ohne Begleitung einer Schwester, und Sr. Ruth sei erst ab 14 Uhr abkömmlich. Carola findet, sie sei ein freier Mensch und brauche keine Bevormundung. Sie will zudem früh genug los, um optimale Lichtverhältnisse zu haben. Schliesslich findet sich ein Kompromiss, und Carola fährt in Begleitung von Sr. Ruth um 12 Uhr los. Der Grund für die Unruhe der Klosterfrauen ist, dass die Christen in Jharkhand von den Hindu-Fanatikern aus Angst vor Bekehrungen unter Beobachtung stehen und immer wieder kritisiert werden, und die Schwestern deshalb möglichst nicht auffallen möchten. Am kommenden Morgen treffe ich mich in einem Büro des Klosters einzeln mit den Projektverantwortlichen anderer von den St. Anna-Schwestern durchgeführten EW-Projekte. Die Ordensfrauen sind von überall her eingetroffen, weil sie am Nachmittag gemeinsam mit dem Zug nach Mumbai an den EW-Workshop reisen wollen. Für die mehrtägige Reise kochen sie den ganzen Morgen lang Proviant. Am Nachmittag besuchen wir auch noch ein staatliches Landwirtschaftszentrum und eine St. Anna-KrankenschwesternAusbildungsstätte mit einem im Bau stehenden Altersheim. Schwester Ruth ist von Beruf Bauingenieurin und konstruiert deshalb in Zusammenarbeit mit einem Architekten alle Gebäude der Kongregation selbst. Beim Eindunkeln gelangen wir zurück nach Ranchi und haben Zeit für private Einkäufe. Wir besuchen den Jharcraft-Laden mit lokalem Handwerk und auf der Suche nach einem Schal ein Warenhaus mit einer riesigen Auswahl an Kostbarkeiten. Mit Sr. Ruth gehen wir zuerst beim Warenhausbesitzer vorbei, der auch noch seine Frau herbeiruft und uns via Hintereingang in sein Warenhausreich begleitet. Am nächsten Morgen reisen Regula und Deepika zur Durchführung ihres Workshops nach Mumbai, Carola und ich für weitere Projektbesuche und Fotos nach Hyderabad. Der Flug nach Hyderabad hat mehrere Stunden Verspätung, so dass wir erst gegen Mitternacht landen und lange nach Mitternacht im Hotel eintreffen. 02/13 ASHA, Anthony Reddy 9. Januar Förderung adoleszenter Frauen mittels Schulunterricht verknüpft mit Lehrgängen in verschiedenen Handarbeiten und der Gründung einer Kooperative Im südlicheren Hyderabad ist es angenehm wärmer als in Ranchi. Am späteren Vormittag fahren wir mit Suneetha in einen muslimischen Slum, wo sich das Projekt von Anthony Reddy befindet. Seine Mitarbeiterinnen fördern adoleszente Mädchen, die die Schule abgebrochen haben, mit Unterricht in wichtigen Schulfächern verknüpft mit praktischen Lehrgängen in textilen Handarbeiten und Henna-Tattoo. Sie planen zudem die Gründung einer Kooperative. Wir treffen uns in einem der Nähzentren mit einer grossen Gruppe Kursabsolventinnen und Lehrerinnen. Ich tausche mich mit den Frauen aus, Carola fotografiert, und nacheinander halten der Projektleiter, die Konsulentin und ich Ansprachen. Einzelne junge Frauen loben das Programm und erzählen, wie das Projektteam zuerst bei ihren Eltern und den Ältesten Überzeugungsarbeit leisten musste, bevor man sie teilnehmen liess. Im Projekt gibt es insgesamt fünf Zentren und parallel dazu fünf Spar- und Kreditgruppen. Diese reinen Frauengruppen haben bereits Bankkonten eröffnet, Kredite aufgenommen und mit kleinen Geschäften begonnen. Die Zentren werden pro einjährigem Kurszyklus von 200 Absolventinnen besucht. Nach dem Abschluss erzielen zwischen 90-95% allein oder in der Gruppe ein Einkommen von Rs. 2500-5000 (ca. CHF 38.- bis 75.-) im Monat. Zwischen 70-80 Absolventinnen machen jeweils das Examen in der Sprache Urdu. Dazu kommen im Schnitt 5-8 Frauen, die die Aufnahmeprüfung für das AmbedkarInstitut bestehen, einer Universität für Benachteiligte. Die Kursteilnehmerinnen erhalten zudem ein Zertifikat, das vom Minorities Development Forum anerkannt und bei der Arbeitssuche sehr hilfreich ist. Die Mehrzahl der Frauen arbeitet nach dem Abschluss in Heimarbeit im Auftrag von zuhause aus. Die muslimische Gemeinschaft ist nach anfänglicher Skepsis glücklich über diese Ausbildungsmöglichkeit, die auch ein Plus ist für die Heirat, weil sie als Teil der Mitgift ins Gewicht fällt. Carola und ich werden mit von den jungen Frauen genähten, reich verzierten Kleidersets beschenkt und gleich eingekleidet, dann gibt es Gruppenfotos. Mitte Nachmittag verabschieden wir uns, und die Musliminnen arrangieren wieder ihre Kopftücher, bevor sie den Treffpunkt verlassen. Anthony verwöhnt uns mit einem reichhaltigen Buffet im Restaurant Indian Barbecue. Anschliessend besuchen wir eine neue Tempelanlage, die von einer Grossfirma auf den einzigen Hügel der Stadt gebaut wurde. Fotografieren ist hier nicht erlaubt. Schliesslich chauffiert uns ein Mitarbeiter von Suneetha in unser etwas ausserhalb der Stadt gelegenes Hotel zurück, wo wir eine halbe Stunde Zeit haben, uns frisch zu machen für die Einladung an den siebten Hochzeitstag von Srinivas, Suneethas engstem Mitarbeiter. Carola ist zu erschöpft, um da auch noch teilzunehmen, und so wechsle ich in einen schöneren Shalwar Kameez und mache mich allein auf den Weg. In einem der grossen Hotels gibt es ein grosses Buffet-Dinner mit 50 Gästen und vielen Fotos, und ich lerne Suneethas Mann und Sohn kennen. 05/15 RACE, Vijayender Reddy 10. Januar 450 Frauen der Volksgruppe der Lambani lernen das System of Rice Intensification (SRI) kennen, eine umweltgerechte Anbaumethode; Gründung einer Kooperative der am SRI beteiligten Frauen-Spargruppen; politische Weiterbildung Am folgenden Morgen warten überraschend im Hotel mehrere Projektpartnerinnen auf mich, die extra aus verschiedenen Teilen Andhra Pradeshs angereist sind, um mich zu treffen. Ich räume Zeit ein, um mich mit ihnen auszutauschen und Probleme bei der Projektumsetzung oder Fortsetzungsvorhaben zu besprechen. Am späten Vormittag machen wir uns schliesslich auf den Weg, um das Projekt von RACE zu besuchen, das nordöstlich von Hyderabad in einem ländlichen Gebiet liegt. Die Strasse führt durch eine wunderschöne Landschaft mit hellgrünen Reisfeldern, ab und zu steht mitten im Nichts eine grosse, rauchende Fabrik. Wir machen mehrere Fotostopps. Gegen Mittag gelangen wir in eines der Dörfer. Dort haben sich viele Frauen, einzelne Männer und auch Kinder versammelt und warten bereits seit Stunden auf uns. Sie sitzen auf dem Boden. Ältere Frauen hocken in ihren traditionellen Spiegelkleidern in der vordersten Reihe. Die Frauen bekränzen uns mit Blumengirlanden und schenken uns Kleider, und der Projektleiter Vijayender und ich halten Begrüssungsreden. Anschliessend stehen Leiterinnen von Frauengruppen und eine Gruppe von durch das Projekt geförderten Politikerinnen auf und erzählen über ihre Erfahrungen. Sie wirken sehr motiviert und energisch und berichten über ihre Erfolge im Mobilisieren von staatlichen Förderprogrammen für die Dörfer, in welchen sie gewählt wurden. Schliesslich tauschen wir uns mit den Versammelten zu den Erfahrungen mit dem SRI (System of Rice Intensification) aus. Die Frauen berichten begeistert über bis zu anderthalbfache Erträge mit dieser umweltgerechten und robusten Reissorte. Ein Problem in dieser Region ist, dass der Wasserspiegel sehr tief ist und die Bohrbrunnen 600 Meter hinunter reichen müssen. Anschliessend erzählen verschiedene Frauen vom Nähunterricht und zeigen uns selbstgenähte, reich verzierte Sari-Blusen, Kleider und ihre Musterbücher. Die jüngeren Frauen ziehen hier nicht mehr die traditionelle, schwere Spiegelkleidung an, in welcher sie sofort als Mitglieder der diskriminierten Lambani-Volksgruppe erkennbar sind, sondern tragen wie die Durchschnitts-Inderinnen Saris. Auch die Mädchen möchten gerne mit uns sprechen. Wir fragen sie, ob sie sich in der Schule anstrengen. Sie sind motiviert und besuchen den Unterricht regelmässig, die Distanzen sind per Bus gut machbar. Am Nachmittag fahren wir wieder zwei Stunden zurück nach Hyderabad. Suneetha wird es im Auto übel, und so bietet ihr Vijayender an, sie auf dem Motorrad mitzunehmen. In der Mitte des Wegs übernimmt Mitarbeiter Srinivas mit seinem Motorrad. Unterwegs essen wir zusammen mit Vijayender in einem einfachen Restaurant Reis mit Gemüse. Da es noch nicht spät ist, willigen wir ein, ein von Suneethas Organisation SRACO betriebenes Mädchen-Waisenhaus zu besuchen. Wir sind tief beeindruckt von der kleinen Institution, die sieben Waisen- und 15 Halbwaisenmädchen beherbergt. Das Waisenhaus wird von Suneethas Mutter geführt, und es gibt keine weitere Hilfe ausser einer Köchin. Die Mutter wohnt selber dort, ihr Bett befindet sich in einer Nische im Büro. Die Hausarbeiten teilen sich die Mädchen untereinander auf. Sie besuchen in der Nähe die öffentliche Schule. Die Mütter der Mädchen sind gestorben – sie haben sich das Leben genommen, oder sie wurden von ihren Männern mit Petrol übergossen und angezündet. Danach waren die Mädchen auf sich selbst gestellt, Väter sind nicht an ihren Töchtern interessiert. Das Heim, das mitten in einem Industriegebiet in der Agglomeration steht, wird durch verschiedene lokale Klein-Sponsoren unterstützt: Da bezahlt zum Beispiel jemand immer die Eier oder die Milch im lokalen Laden. Eine weitere Einkommensquelle ist, dass die Mädchen als Tanzgruppe für Anlässe gebucht werden. Dass sie gute Tänzerinnen sind, zeigt uns ihre Darbietung von traditionellen und auch modernen Choreographien zu Filmmusik. Die Mädchen wirken zufrieden und scheinen ihre Heimleiterin zu verehren. Es wird spät im Waisenhaus, und am Abend sind wir noch bei Suneetha und ihrer Familie zum Abendessen eingeladen. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Hotel werden wir zu Suneethas Wohnsitz chauffiert. Es ist ein kleiner Palast, wie in einem indischen Film, von ihrem Mann entworfen. Wir betrachten Fotos und Videos von ihrer Hochzeit. Weil sie mit sehr wenig Schlaf auskommt, schreibt Suneetha in den Nachtstunden die Bibel ab. Sie zeigt uns ihre handschriftliche Kopie des Alten Testaments, jetzt schreibt sie am Neuen Testament. Wir werden wiederum beschenkt und mit einem üppigen Menu verpflegt. Auch Anthony Reddy und seine Frau sind dazugestossen. Spät nachts erreichen wir abgekämpft unser Hotel. Am folgenden Morgen werden wir bereits um 6:30 Uhr von Projektleiter Madhu Babu vom Projekt CDC (45/13) abgeholt. Er hat sich anerboten, uns zum Flughafen zu chauffieren. Sein Anliegen ist: Er möchte in Zukunft mehr in der Nähe seiner betagten Mutter sein, die in Guntur lebt. Er würde sich dort im Bereich Landrechte engagieren. Wegen der Aufteilung von Andhra Pradesh in die zwei Staaten Telangana und Guntur wird nun rund um Guntur den Leuten Land abgekauft für die neue Hauptstadt, aber die Kompensationen sind inexistent oder ungenügend. Madhu wird einen entsprechenden schriftlichen Projektantrag unterbreiten. In Mumbai treffen wir am späten Vormittag ein und fahren zum Sarvodaya-Zentrum, wo der von Deepika und Regula durchgeführte Workshop stattfindet. Auch hier sind die teilnehmenden Projektpartner erpicht darauf, mich zu treffen und ihre Anliegen zu besprechen. Bis abends um 19 Uhr finden parallel zum Workshop diese Gespräche statt. Am kommenden Morgen setze ich mich mit den beiden Konsulentinnen zu einer Schlussbesprechung zusammen, bevor wir zum abschliessenden Sightseeing zum Gate of India fahren. 4. Workshop 9. – 11. Januar Workshops mit den ProjektpartnerInnen sind seit 2006 ein fester Bestandteil von Projektreisen nach Indien. Frühere Themen waren die Arbeit mit Adivasis (indigenen Volksgruppen), das Antikorruptionsgesetz RTI (Right to Information), NREGA (National Rural Employment Guarantee Act), der Panchayat Raj Act zum politischen System, das Recht auf Bildung RTE und das System for Rice Intensification SRI. Im Gegensatz zu den vorherigen Workshops konzentrierte sich dieser auf ein christlichreligiöses Thema: „Wie wir durch den Glauben ermächtigt werden“. Die Idee war nach dem letzten Schweizbesuch von Deepika gereift. Da wir indessen zu einem rein christlich--theologischen Thema unsere hinduistischen, muslimischen und animistischen ProjektpartnerInnen nicht einladen konnten – wir hätten sie im Kontext der religiösen Spannungen und der Angst vor christlicher Missionierung vor den Kopf gestossen –, luden wir nur die christlichen ein inklusive derjenigen, die durch Vermittlung des Elisabethenwerks Gelder vom Weltgebetstag erhalten. Aufgrund eines Missverständnisses beschränkte sich dann die Einladung nicht nur auf die christlichen, sondern auf die katholischen PartnerInnen. Zudem wurde das religiöse Hauptthema des Workshops erweitert um die Themen Ökologie und Gender, die selbstverständlich auch für ein nicht-christliches Publikum relevant sind. Es war somit schliesslich unklar, ob man mit diesem Programm nicht auch die andersgläubigen Projektpartner hätte erfreuen können. Sinnvollerweise soll an zukünftigen Workshops die Religiosität aller PartnerInnen thematisch einbezogen werden. (Der detaillierte Workshop-Bericht, verfasst von Regula Grünenfelder, kann unter [email protected] bezogen werden). 5. Anhang Länderprogramm Indien/Sri Lanka (Teilstaaten Indiens: Andhra Pradesh, Telangana, Orissa, Jharkhand, Chhattisgarh und Bihar) Landesinformationen Indien Fläche: 3'287'590 km2 Bevölkerung: 1'210'193'422 (Volkszählung 2011) Hauptstadt: Neu-Delhi Staatsform: Parlamentarische Bundesrepublik. 28 Bundesstaaten (Teilstaaten) mit insgesamt 600 Distrikten, die in Taluks, Blöcke, Subdivisions und Dörfer eingeteilt sind. Jeder Bundesstaat verfügt über ein eigenes Parlament und eine Regierung, der ein/e Chefminister/in vorsteht. Regierungschef: Premierminister Narendra Modi (BJP) Sprachen: Amtssprachen der Union: Hindi und Englisch Die Verfassung anerkennt 21 weitere Sprachen, die auf regionaler Ebene z.T. als Amtssprachen dienen. Religionen: 80.5% Hindus, 13.4% Muslime, 2.3% Christen, Sikhs 1.9%, Buddhisten 0.8%, Jains 0.4%, andere 0.6% (Volkszählung 2001) Sozial Benachteiligte: vor allem die 16,2% Dalits (‚Scheduled Castes‘ SC) und 8,2% Adivasis (mehr als 600 indigene Volksgruppen oder ‚Scheduled Tribes‘ ST). Gemäss Weltbank leben 25% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 1.25 US-Dollar pro Tag (2011). Mehr als 25% der Bevölkerung sind zu arm, um sich ausreichend ernähren zu können. In ländlichen Gebieten ist der Anteil besonders hoch. Bruttoinlandsprodukt: (engl. GNP) 1,877 Billionen US-Dollar, pro Kopf 1165 US-Dollar (2013) Alphabetisierung: 74% (2011 – Frauen 65,5%, Männer 82,1%). Im ländlichen Raum erhalten viele Kinder nur eine äusserst rudimentäre Grundschulbildung. Kindersterblichkeit: Jährlich sterben gemäss UNICEF 2,1 Millionen Kinder unter 5 Jahren; die Hälfte der unter 5-jährigen Kinder ist chronisch mangelernährt (2013). Lebenserwartung: 68 Jahre (Frauen 69,6, Männer 67,3). Situation Ziel Ansatz Aktivitäten (Auswahl) Bei den Parlamentswahlen von 2014 gewann die Hindunationalistische Bharatiya Janata Party mit einer deutlichen Mehrheit und kann ohne Unterstützung anderer Parteien regieren. Das Land ist immer noch ein Entwicklungsland. Nach dem kräftigen Aufschwung der letzten Jahre stagniert nun die Wirtschaft. Das sogenannt weltoffene und wettbewerbsfähige Indien existiert nur in den Bereichen der Informationstechnologie und bei bestimmten urbanen Mittelschichten. Das Land ist im internationalen Vergleich immer noch sehr stark agrarisch geprägt. 59,4 Prozent der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft erwerbstätig. Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandprodukt ist indessen stark rückläufig und beträgt nur noch 21 Prozent (2004). Die ländliche Bevölkerung ist zugleich die ärmste: Die Lebensbedingungen auf dem Land und auch in den städtischen Slums sind nach wie vor schwierig, mit Mangelernährung, Kinderarbeit und Verschuldung. Ökonomische, soziale, politische und rechtliche Besserstellung der meistbenachteiligten Frauen, insbesondere der Dalits und Adivasi Ganzheitlicher Ermächtigungsansatz auf Mikroebene, Kombination verschiedener Förderungsmethoden • Aus- und Weiterbildung von Spar- und Kreditgruppen (sog. Selbsthilfegruppen SHGs mit Bargeld oder Getreidebanken, Rotationsfonds) und ihre Vernetzung sowie Beratung bei individuellen oder kollektiven kleinunternehmerischen Aktivitäten • Alphabetisierung/Erwachsenenbildung/Nachhilfezentren für adoleszente Frauen • Befähigung, Dorf-Entwicklungspläne zu erstellen (MLPs) • Förderung der Vertretung der Frauen in Organisationen der Zivilgesellschaft (z.B. Dorfentwicklungskomitees VDCs, Schulkommissionen VECs). • Befähigung, staatliche Renten, Sozialprogramme und Subventionen einzufordern (z.B. NREGA [Recht auf 100 Tage Arbeit für Benachteiligte auf dem Land], Anganwadis [Vorschulen], Läden mit subventionierten Lebensmitteln [PDS], Le- Zielgruppen Partnerorganisationen Projektbegleitung (Evaluationen) bensmittelkarten, DWCRA [Mikrofinanzprogramm für Landfrauen, AP], Indira Awas Yojana [solider Hausbau], INDIRAMMA [Integrales Entwicklungsprogramm, AP], ITDA [Entwicklungsförderung für Adivasi], Janashree Bima Yojana [Lebensversicherung], MDM [Mittagsmahlzeiten]), Nehru Yuva Kendra [Jugendprogramm], Velugu [Armenförderung in AP, aktiver Einbezug der Betroffenen). • Rechtliche Förderung, z.B. um Zugang zu Landbesitz zu ermöglichen (Forest Rights Act FRA), gegen häusliche Gewalt vorgehen zu können (Domestic Violence Act), Zugang zu unentgeltlicher und obligatorischer Schulbildung einzufordern (Right to Education RTE), die Nahrungssicherheit zu verbessern (Mittagsmahlzeitprogramm an den Schulen, verbilligte Grundnahrungsmittel; Unterstützung stillender Mütter [Right to Food RTF, National Food Security Act]), Befähigung zu Anfragen im Rahmen des Antikorruptionsgesetzes RTI (Right to Information) sowie gegen Kastendiskriminierung vorgehen zu können (SC and ST Act). • Politische Förderung inkl. Weiterbildung zum Panchayati Raj Act, damit die Frauen sich an lokalen politischen Gremien beteiligen und politische Ämter kompetent ausüben können und so u.a. Zugang zu staatlichen Entwicklungsgeldern erwirken. Förderung gewerkschaftlicher Organisation. • Gesundheitliche Beratung (Prävention, Ernährungsberatung, Küchengärten, Kräutermedizin, Psychotherapie z.B. bei HIV/AIDS oder Kriegstraumata, Druck auf staatliche Primary Health Centres PHCs zur Verbesserung der Dienstleistungen, Anmeldung bei Arogya Shree [Gesundheitsprogramm, AP]). • Sensibilisierung der Bevölkerung für Themen wie Gender, HIV/AIDS, Schulbildung der Mädchen. • Umweltschutz und sanitäre Verbesserungen (z.T. unter dem Total Sanitation Programme). • Weiterbildung zu landwirtschaftlichen Verbesserungen (System of Rice Intensification [SRI], Regenwasserkonservierung, Wurmkompost, Entsalzung von Böden, Aufforstung). • Lebensberatung für adoleszente Frauen • Dalits (‚Unberührbare’) und Adivasi (indigene Volksgruppen) unter der Armutsgrenze in ländlichen Gebieten und städtischen Slums, ungeachtet von Religionszugehörigkeit (mehrheitlich Hindus, Christen und Muslime sowie ‚Naturreligionen‘) • NGOs ungeachtet der Religionszugehörigkeit der Mitarbeitenden, Angehörige der katholischen Kirche (Ordensschwestern) Die Konsulentin Deepika Singh ist für Vorabklärungen, Begleitung und Evaluationen in den nördlichen Projektstaaten, die Konsulentin Dr. Suneetha Prasad für dieselben Aufgaben in Andhra Pradesh zuständig. Vom Elisabethenwerk unterstützte Projekte Das EW unterstützt mit einem jährlichen Budget von 216‘000 Franken in Indien und Sri Lanka pro Jahr im Schnitt 16 neue Projekte (von der Projektkommission bewilligt 2011: 14, 2012: 18, 2013: 17). Dazu kommen mit WGT-Geldern finanzierte Stipendien für Frauen in ganz Südasien. Das Programm wird im Rahmen einer 45%-Stelle betreut. Da die meisten Projekte mehrjährig sind, gibt es zur Zeit 43 laufende Projekte, darunter zwei Konsulenzverträge und ein Projekt in Sri Lanka, sowie 19 WGTFörderungen. Die Mehrzahl der Entwicklungsprojekte befindet sich in Andhra Pradesh (25), 6 in Orissa, 4 in Bihar, 4 in Jharkhand und 3 in Chhattisgarh. Die Projektpartner sind vor allem in ländlichen Gebieten tätig, einzelne arbeiten in städtischen Slums.