Kulturzentrum statt Restaurant

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Kulturzentrum statt Restaurant
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Tages-Anzeiger – Mittwoch, 17. März 2010
Sprachkünstlerin Vera Bauer
aus Oberrieden fesselt mit ihrer
Zitatensammlung die Zuhörer
bis zum letzten Wort. 20
Zürich & Linkes Seeufer
Redaktion Tages-Anzeiger, Seestrasse 124, 8810 Horgen
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Richter rüffelt «Kommissar SVP»
Kulturzentrum
statt Restaurant
Ein Strafrechtler hält es für eine «gefährliche Entwicklung», dass die SVP im Internet nach Einbrechern fahndet.
Von Patrick Kühnis
Zürich – Die Zürcher SVP ist auf Verbrecherjagd. Auf www.schurken.ch stellte
sie die Filme eines versuchten Einbruchs auf ein Goldschmiedgeschäft ins
Internet und fragte: «Erkennen Sie
diese jungen Männer?» Einer der Täter
ist in Nahaufnahme zu sehen. Sachdienliche Hinweise seien an die Notrufnummer 117 oder an jede andere Polizeidienststelle zu richten (TA von gestern).
«Kommissar SVP» erlaubte sich damit etwas, was für die Polizei tabu ist.
Diese darf aus Rücksicht auf verfassungsmässige
Persönlichkeitsrechte
nur Täterfotos veröffentlichen, wenn es
um ein schweres Verbrechen geht:
Raubüberfälle, schwere Körperverletzung, Mord. Im Februar suchte die Kantonspolizei erstmals mithilfe des Internets nach einem Hooligan. Zulässig war
das nur, weil der 23-Jährige mit seiner
Petarde nach Ansicht des Staatsanwalts
auch Leben gefährdete (siehe Kasten).
Die SVP schert das wenig. Mithilfe
des Internet-Prangers will sie auch weniger schwere Delikte rasch aufklären.
«Der Schutz des Eigentums ist von derart eminenter Bedeutung, dass die Bestrafung von Einbrechern, Dieben und
Räubern keinen Aufschub erträgt»,
rechtfertigt Kantonsrat Claudio Zanetti
seine Aktion. Auch der betroffene Goldschmied Andreas Schneebeli sagt: «Ich
verstehe nicht, dass erst ein Mensch
halbtot geschlagen werden muss, bis
die Polizei Täterfotos ins Netz stellt.»
Ganz anderer Meinung ist der St. Galler Kantonsrichter Niklaus Oberholzer:
«Wenn jetzt selbsternannte Strafverfolger mithilfe des Internets nach Dieben
und Einbrechern suchen, ist das eine
gefährliche Entwicklung.» Nur schon,
weil der Schuss nach hinten losgehen
könne, wenn Private die Polizeiarbeit
stören: Werde gegen eine ganze Bande
ermittelt, sei es kontraproduktiv, wenn
zwei Handlanger zu früh auffliegen.
Ab 2011 beginnt in Zürich eine neue
Ära in der Internetfahndung. Mit dem
neuen nationalen Strafprozessrecht gelten die gleichen Spielregeln wie in den
Kantonen, die heute schon mit diesem
Instrument viel weiter gehen. Vorreiter
waren die Kantone Luzern, St. Gallen
und Bern, die letztes Jahr gleich dutzendfach Bilder von Hooligans ins Netz
stellten. Mit Erfolg: Die Polizei konnte
so einen Grossteil der Randalierer dingfest machen. Nur einen Tag dauerte es
nach der Veröffentlichung eines Überwachungsvideos, bis die Thurgauer Untersuchungsbehörde im Mai 2009 drei
jugendliche Kreuzlinger Schläger verhaftete. Erlaubt ist der Internet-Pranger
aber auch weiterhin nur, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: 1. Es muss sich
um ein schweres Delikt handeln. 2. Mildere Mittel müssen erfolglos ausgeschöpft sein. 3. Die Fahndungsbilder
dürfen nur so zahlreich und so lange
wie nötig im Netz abrufbar sein.
«Pranger war ‹heilig› dagegen»
Das Wettrüsten der Kantone bei der Internetfahndung beobachtet Niklaus
Oberholzer mit Sorge. «Noch vor zwei
Jahren war das für mich unvorstellbar.»
Die Strafverfolgung überschritten eine
heikle Grenze, wenn sie reihenweise
Hooligans ins Netz stellten. «Der Pranger im Mittelalter war ‹heilig› dagegen.»
Damals dauerte die Bestrafung nur sieben, acht Stunden, und ausserhalb der
Stadt bekam das niemand mit. Im Internet werde dagegen ein Bild oder Video
global zugänglich gemacht – und bleibe
für immer verfügbar. Das Gefährliche
sei, dass es vom subjektiven Empfinden
jedes Einzelnen abhänge, wer an den
Pranger gehört und wer nicht. «Jeder
fühlt sich im Recht, denjenigen zu belangen, der ihm nicht in den Kram passt.»
Kommentar Seite 2
Hooligan seit gestern nicht mehr in Untersuchungshaft
Der 23-jährige Schweizer, der beim Spiel
FC Zürich gegen FC Basel vom 17. Mai 2009
im Letzigrundstadion Leuchtpetarden gezündet und eine Frau im Nierenbereich verletzt
hatte, ist seit Dienstagabend nicht mehr in
Untersuchungshaft. Der Basel-Fan konnte
am 15. Februar 2010 – sechs Tage nachdem
die Kantonspolizei Zürich sein Bild im Internet veröffentlicht hatte – im Kanton St. Gallen
verhaftet werden. Zuvor hatte die Polizei
während neun Monaten erfolglos nach ihm
gesucht. Laut Staatsanwalt Michael Scherrer hat der Mann ein umfassendes Geständnis
abgelegt und zugegeben, mehrere Leuchtpetarden gezündet zu haben. Der Hooligan
muss sich nun wegen versuchter schwerer
Körperverletzung und Gefährdung des
Lebens verantworten. (hoh)
Kleine Schurken wurden für ein paar Stunden zur Schau gestellt
Früher kam man auch für kleine Vergehen an den Pranger
Der im 13. Jahrhundert eingeführte Pranger war eine häufige Strafe für kleine
Vergehen. An den Pranger gestellt wurden etwa Frauen, die aufreizende Kleidung trugen, oder Bäcker, die zu kleine
Brötchen buken. Bestraft wurde auch,
wer beim Kartenspiel schummelte oder
gotteslästerliche Flüche ausstiess, wer
randalierte oder sich «vilefeltig zu starch
des Vollsufens» schuldig machte, wie es
etwa im Urteil gegen einen Wiler Bürger
hiess (1662). Ursprünglich war der Pran-
ger auch mit Körperstrafen verbunden,
später trat die Schande in den Vordergrund. Die Verurteilten wurden für ein
paar Stunden öffentlich an einen Pfahl
gebunden oder in einen Holzblock oder
einen Käfig gesperrt – den Mitmenschen
zur Abschreckung und zur Zielscheibe.
Die Angeprangerten wurden nicht nur
verspottet, sondern auch mit Obst oder
Dreck beschmissen. Diese Form von
Pranger verschwand in den meisten Regionen während der Aufklärung. (net)
Aus dem ehemaligen
Restaurant «Gontenbach»
soll ein Kulturhaus werden.
Eröffnet wird es im Herbst.
Von Marco Morosoli
Langnau – Im Restaurant «Gontenbach»
wird seit zwei Jahren nicht mehr gewirtet. Jetzt soll im Gebäude zwischen
Langnau und Adliswil wieder Leben
einkehren. «Wir planen dort ein Kulturhaus», sagt Monika Maria Leithner,
Sprecherin der Initianten. Mit dem Eigentümer der Liegenschaft wurden
schon Gespräche geführt. «Er ist einer
solchen Nutzung gegenüber nicht abgeneigt», sagt die Mosaikkünstlerin Leithner. Noch sei aber der Mietvertrag nicht
in trockenen Tüchern.
Um eine möglichst breite Unterstützung zu erlangen, organisieren die treibenden Kräfte hinter dem Projekt vom
10. bis zum 24. April in der Kunstschule
Sihlau in Adliswil Aktionstage. «Das Programm steht schon fast. Es soll eine
Kostprobe sein, was im ‹Gontenbach›
entstehen könnte», sagt Leithner.
Gleichzeitig sollen bei der Ausstellung
auch Mitglieder für den Trägerverein
geworben werden. Dieser soll noch im
Sommer gegründet werden und möglichst breit abgestützt sein. Der Betriebsstart ist für Herbst geplant. Leithner schwebt im Gontenbach «eine kulturelle Brücke» zwischen Langnau und
Adliswil vor.
Politische Schützenhilfe hat sich das
Initiativkomitee rund um Monika Leithner auch schon gesichert. Der neue
Langnauer Gemeinderat Rolf Schatz
(Grünliberale) macht sich für das Projekt stark. Auch aus Adliswil erhofft sich
Leithner nicht nur ideelle Unterstützung.
Giftgas-Kugeln
an Hobbygärtner
verkauft
Zürich/Meilen – Der schwarze Totenkopf
und die Warnung «sehr giftig» lassen eigentlich keine Fragen offen: Sie zieren
gefährliche Substanzen wie Arsen, die
nur an Fachleute verkauft werden dürfen. Trotzdem ist offenbar wiederholt
ein solch hochtoxischer Stoff in die falschen Hände geraten: ein Mäusegift.
Deshalb hat das kantonale Labor jetzt
Alarm geschlagen. Wer ein Produkt mit
dem Namen Polytanol, Mauskiller U2
oder Kobra Wühlmaus-Pellets zu Hause
habe, solle es sofort an den Verkäufer
oder eine kantonale Sonderabfall-Sammelstelle zurückbringen, hiess es gestern in einer Mitteilung. Auf keinen Fall
solle man die Packungen öffnen, denn es
genüge schon eine erhöhte Luftfeuchtigkeit, und das in den Kugeln enthaltene
Giftgas Phosphin werde freigesetzt.
Zwei Vorfälle in kurzer Folge
Am Blockpranger in England um 1800 – eine Szene, wie sie etwa der Autor Daniel Defoe 1703 wegen seiner Satiren am eigenen Leib erfuhr. Foto: Keystone
Zürcher Regierung
zu Besuch in Brüssel
Sport im Landesmuseum
Brüssel – Regierungsrätin Regine
Aeppli, Justizdirektor Markus Notter
(beide SP) und Polizeidirektor Hans
Hollenstein (CVP) haben der EU in Brüsel vorgestern und gestern einen Besuch abgestattet. Sie liessen sich von
Vertretern der EU-Institutionen über
den aktuellen Stand der Beziehungen
zwischen der Schweiz und der EU informieren. Aeppli forderte vor der Presse
zum Abschluss des Besuchs einen «Diskurs in der Schweiz über die künftige
EU-Politik». Der Besuch sei «intensiv
und aufschlussreich» gewesen. Gedanken zum Verhältnis Schweiz-EU mache
sich die Zürcher Kantonsregierung immer wieder. (SDA)
Geschichte dreht sich allzu oft um «Blut,
Schweiss und Tränen», wie Winston
Churchill einst formulierte. Das Landesmuseum in Zürich lässt nun das Blut
weg und widmet sich allein «Schweiss
und Tränen» – nämlich Roger Federer. In der neuen Dauerausstellung «Geschichte Schweiz» steht bis am
14. Mai der Pokal, den unser TennisChampion Ende Januar am Australian Open erspielt hat.
Federers Geschoss ist unbestritten so
treffsicher wie Tells. Doch reicht
das, um ins Museum zu kommen? Wo
übrigens Tell nur noch als Mythos figuriert. Die Kuratorinnen und Kuratoren des Landesmuseums einigen
Federers Kelch statt Tells Geschoss
Roger Federers Gran-Slam-Pokal als
Ausstellungsstück. Foto: Landesmuseum
sich jeweils auf ein «Objekt des Monats», das in der Öffentlichkeit zu reden gibt, und stellen dieses in einer
Wechselvitrine aus. Sie wollen damit
verständlich machen, wie eine museale
Sammlung zustande kommt. Denn
was heute aktuell ist, ist morgen schon
Geschichte. Die letzten Objekte des
Monats waren ein Kampfjet-Modell
und das Grippemittel «Tamiflu».
Normalerweise werden diese Ausstellungsstücke danach der Sammlung einverleibt. Den Pokal aber, den
Federers Vater vorbeigebracht hat,
muss das Landesmuseum wieder zurückgeben. Wir schlagen als Ersatzobjekt Simis Olympia-Brille vor. (net)
Genau das ist im Februar mindestens
zweimal passiert: Erst in einem Restaurant im Kanton Schwyz, das wegen der
giftigen Dämpfe evakuiert werden
musste. Kurz darauf auch in Meilen, wo
acht Feuerwehrleute mit Vergiftungserscheinungen ins Spital eingeliefert werden mussten. Zwar sind jetzt alle Betroffenen ausser Gefahr, der Kantonschemiker will weitere Vorfälle aber auf jeden
Fall verhindern: «Die selbe Dosis, die für
einen Erwachsenen verkraftbar ist,
könnte für ein Kind fatal sein», warnt
Martin Brunner. Wie viel des Stoffes in
Umlauf gelangt ist, ist nicht bekannt.
Der gestrige Aufruf des Kantonslabors entlastet ein Stück weit jene
Laien, die mit dem Gift hantiert hatten
und so ins Visier der Polizei geraten waren. Denn zwar wird noch untersucht,
wer für die Vorfälle verantwortlich ist,
aber die Fehlerkette nahm ihren Ursprung offenbar früher: Weder hätten
die Zulieferer bestimmte Verkäufer beliefern sollen, erklärt Brunner, noch
hätten diese die Ware an normale Kunden weitergeben dürfen. Eines der Produkte sei zudem irrtümlich bloss als
«giftig» gekennzeichnet gewesen. (hub)