DER SONNTAG_Interview mit Poptitan Dieter Bohlen (pdf / 1703 KB)

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Was die USA
nach Hurrikan
«Sandy» ändern
müssen. >16/17
Star-Astrologin
Elizabeth
Teissier verrät,
ob die Welt
tatsächlich
am 21. 12. 2012
untergehen
wird.
>18
MENSCHEN
Der Sonntag, Nr. 44, 4. November 2012
50 Jahre James Bond:
Promis und Politiker
ehren Bond-Girl Ursula
Andress in Bern. >20
13
& Meinungen
■ DAS GROSSE INTERVIEW MIT DIETER BOHLEN
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«Zu Frauen
bin ich geizig»
Die deutsche Pop-Legende Dieter Bohlen hofft, dass die
Schweizer «nicht so dumm sind» und an der Urne die
Pauschalbesteuerung abschaffen. Der Juror bei
«Deutschland sucht den Superstar» würde später gerne
im Tessin wohnen – und Schweizer werden.
VON SACHA ERCOLANI
UND PATRIK MÜLLER
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Herr Bohlen, seit zehn Jahren sind Sie
in der Jury von «Deutschland sucht
den Superstar» und anderen Castingshows: Langweilen Sie sich da nicht zunehmend?
Dieter Bohlen: Da braucht man sich keine
Sorgen zu machen. Es passieren bei dieser Show immer wieder neue Sachen,
die Kandidaten sind neu, wir fliegen anderswo hin: Letztes Jahr drehten wir auf
den Malediven, jetzt fliegen wir in die
Karibik.
Sie haben mal einen Beinahe-Absturz
erlebt: Haben Sie keine Flugangst?
Dieter Bohlen
mag die Schweiz
– und tritt im Januar am Alpensymposium auf.
HO
Ein bisschen Angst fliegt immer mit, da
bin ich ehrlich. Deshalb nehme ich immer Leute mit, die mich unterhalten
und ablenken.
Andere beruhigen sich mit Alkohol ...
Ich bin absolut gegen Alkohol, nicht nur
beim Fliegen. Ich trinke weder Bier noch
Wein noch Sekt. Und das seit vielen, vielen Jahren. Ich lege auch Wert auf gesunde Ernährung. Sie wären stolz auf
mich, würden Sie sehen, was ich den
ganzen Tag so esse. Nur manchmal
werde ich schwach, zum Beispiel kürzlich, als mir jemand etwas ganz Spezielles aus einer Zürcher Confiserie mitbrachte ...
... Luxemburgerli?
Genau. Die habe ich alle aufgegessen.
Aber sonst bin ich strikt. Mein ältester
Sohn sagte mir: Schokolade bringt dir eine Sekunde Genuss, danach hast du sie
aber monatelang an den Hüften.
Bei DSDS sind Sie bekannt für krasse,
manchmal auch brutale Sprüche. Gibt
es solche, die Sie bereuen?
Für Schweizer mag ich ruppig wirken.
Aber ihr habt auch eine andere Mentalität als wir Deutschen. Ich beschäftige
mich zurzeit stark mit der Schweiz. Ein
INSERAT
Dieter Bohlen mit seiner Art steht natürlich diametral zu eurer Mentalität. Ihr
seid sehr indirekt, redet oft im Konjunktiv, und ich bin – selbst für Deutschland
– noch fast zu direkt. Ihr sagt: «Vielleicht
könnte man mal diesen Baum fällen.»
Ich sage: «Jetzt wird dieser Baum gefällt!»
Sie schiessen doch immer wieder
übers Ziel hinaus, etwa als Sie sagten:
«Wisst ihr, was der Unterschied zwischen euch und einem Eimer Scheisse
ist? Der Eimer.»
Okay, das liest sich hart und da kann
man drüber diskutieren, ob das zu weit
ging. Ich meine es aber nie persönlich,
sondern die Urteile beziehen sich auf
die Stimme und auf die Aussichten im
Showgeschäft – und nicht auf den Menschen. Nur: Mir haben Leute im Schallplattengeschäft schon viel brutalere
«
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Wenn die Kandidaten
solche Sprüche nicht
aushalten, dann ist dieses
Geschäft nichts für sie.»
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Dinge ins Gesicht gesagt. Wenn die Kandidaten solche Sprüche nicht aushalten
– und es geht ja bloss um Sprüche –,
dann ist dieses Geschäft nichts für sie.
Schweizer sind bei DSDS überdurchschnittlich oft dabei und haben auch
Erfolg, zuletzt Luca Hänni, der siegte.
Warum?
Ich habe den Eindruck, dass bei den
Schweizern das Leistungsprinzip noch
mehr zählt als bei vielen DSDS-Kandidaten aus Deutschland, obwohl dieses ja
gerade in Deutschland entscheidend
war für den Erfolg dieses Landes. Heute
wird bei uns der Leistungsbegriff zunehmend negativ verwendet. In der
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Der Sonntag, Nr. 44, 4. November 2012
14 MENSCHEN
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Zum alten Eisen gehöre ich noch lange
nicht.
FORTSETZUNG VON SEITE 13
Schweiz, so scheint mir, sind Fleiss, Zuverlässigkeit und Einsatzwille besser
ausgeprägt. Deutsche Tugenden!
Welche Werte möchten Sie Ihrer eineinhalbjährigen Tochter mitgeben?
Ich möchte, dass mein Kind ehrgeizig
und ehrlich ist – und natürlich auch
Leistung bringt. Meine älteren Kinder
studieren und machen den Doktor.
Die Schweizer sind die besseren Deutschen?
Ja, für viele Kandidaten stimmt das,
auch wenn ich das nicht verallgemeinern würde. Aber Schweizer Kandidaten
haben oft den Biss, der den deutschen
fehlt. Sie sind mehr bereit, etwas für
den Erfolg zu tun, und sind zudem nett
und sympathisch. Auf Dauer ist es doch
nach wie vor so: Nur der Tüchtige hat
Erfolg. Nichts und niemand wird mich
davor abhalten, dieses vermeintlich altmodische Prinzip bei DSDS hochzuhalten. Auch nicht die deutsche Presse, die
dies kritisierte.
Wie wurden Sie selber erzogen?
Meine Eltern hatten ein Baugeschäft,
waren immer im Stress und hatten
kaum Zeit für mich. Deshalb bin ich
dann leider so geworden, wie ich bin
(lacht). Ich wurde sehr antiautoritär erzogen und vielleicht deswegen auch
ziemlich frech. In der Schule hatte ich
ständig Ärger mit den Lehrern, ich war
ein Rebell.
Sind Sie mit Ihren eigenen Kindern
streng?
Die Zeitung «Welt» schrieb sogar, dass
DSDS sozialdarwinistisch sei und das
Ellbogenprinzip fördere.
Überhaupt nicht, ich bin stets der liebe
Papa. Also überhaupt nicht der tolle Erzieher. Ich versuche, meinen Kindern jeden Wunsch zu erfüllen. Gott sei Dank
hab ich Frauen, die die Kinder gut erziehen, sie sind für den harten Teil zuständig.
Es hat nichts mit Ellbogen zu tun, wenn
ich sage: Es geht nur mit Leistung, mit
harter Arbeit. Wer Erfolg haben will,
muss früher aufstehen und später ins
Bett gehen als die anderen. Das haben
«
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Würden Sie Ihrem Kind empfehlen,
sich bei DSDS zu bewerben?
Ich persönlich liebe euer
Land sehr und kann mir
sogar vorstellen, in der Schweiz
zu wohnen. Zum Beispiel in
Morcote im Tessin.»
Das ist ganz einfach: Wenn ich total von
seinem Gesang überzeugt wäre, dann
würde ich sagen: geh hin und gewinne!
Glauben Sie an Gott?
Aus dem Glauben schöpfe ich Kraft. Ich
habe immer gebetet, denn das ist für
mich eine gute Gelegenheit, um dem da
oben Danke zu sagen.
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leider auch viele DSDS-Gewinner nicht
getan, darum blieb bei ihnen der langfristige Erfolg aus. Ich selber bin seit 30
Jahren erfolgreich, habe über 1000 goldene Schallplatten, bin sehr wohlhabend. Ja warum denn? Weil ich hart arbeite!
Haben Sie nie Angst, dass Sie vor allem
wegen des vielen Geldes bei den Frauen so gut ankommen?
Die Leute sagen mir immer, die Frauen
seien mit mir zusammen, weil ich Dieter
«
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Wie viele Millionen haben Sie auf der
hohen Kante?
Wenn die Casting-Shows
auch noch verschwinden,
wo sollen denn junge Künstler
noch auftreten?»
Viele.
Wie viele?
Das sag ich doch nicht. Kennen Sie denn
das Schweizer Bankgeheimnis nicht?
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Bohlen bin. Aber hey, ich bin ja Dieter
Bohlen! Andere haben Mundgeruch und
ich bin eben erfolgreich – dann können
die Frauen sich dann aussuchen, was sie
haben. Aber ich bin ja nicht so dumm,
um zu merken, wenn mich eine Frau nur
wegen des Geldes will.
Hat Luca Hänni genügend Biss, um auf
Dauer Erfolg zu haben?
Das hoffe ich für ihn, und das wird sich
in den nächsten Monaten und Jahren
herausstellen. Ich kann ja keine Menschen fabrizieren. Ich bin Steigbügelhalter, gebe ihnen diese Chance – für Luca
hab ich eine Nummer 1 komponiert.
Doch sie müssen ihren Weg selber gehen.
Wie merken Sie das?
Sind in all den Jahren Freundschaften
zwischen Ihnen und den DSDS-Gewinnern entstanden? Sie laden die ja zum
Teil in Ihre Villa auf Mallorca ein.
Nein, da gibt es keine Freundschaften.
Aber das ist in der ganzen Branche so:
Man hat keine Freunde. Es ändert sich
alles so schnell, es ist knallhart. Mein innerster Kreis, aus dem ich meine Kraft
herhole, ist meine Familie: Meine Freundin, mit der ich ein eineinhalb Jahre altes Kind habe, meine vier älteren Kinder, meine Mutter und mein Papa. Und
dazu ein paar Freunde, die nicht aus
dem Musikbusiness kommen.
Apropos Freunde: Die Schweiz hat jeweils grosse Mühe, beim Eurovision
Song Contest zu punkten. Mag uns Europa nicht oder woran liegts?
Na ja, eure Songs klingen manchmal
schon etwas hausbacken. Aber wenn ihr
den richtigen Titel mit dem richtigen Interpreten findet, dann hat die Schweiz eine Chance. Von uns kriegt ihr immer
Punkte, denn die Deutschen mögen die
Schweizer. Ich persönlich liebe euer Land
sehr und kann mir sogar vorstellen, in
der Schweiz zu wohnen. Zum Beispiel in
Morcote im Tessin. Da stehen Palmen,
man kann auf den wunderschönen Luganersee und in die Berge gucken. Einfach
herrlich, davon träume ich.
Und in der Schweiz könnten Sie Steuern sparen ...
Ja. Ich habe gerade gehört, dass Michael
Schumacher überlegt, abzuhauen, falls
die Schweiz 2014 an der Urne die Pauschalbesteuerung abschafft. Ich kann
mir aber echt nicht vorstellen, dass die
Schweizer so doof sein werden, dies
durchzulassen. Denn wenn Reiche in
der Schweiz leben, dann versorgen die
Ich bin keiner, der die Frauen verwöhnt,
ihnen einen goldenen Porsche kauft
oder die Kreditkarte gibt. Geld kriegen
die Frauen nie von mir. Null. Wer mit
mir zusammen ist, hat absolut keine finanziellen Vorteile.
AUS DEM ARCHIV
Das deutsche Pop-Erfolgsduo Modern Talking – Thomas Anders (l.)
und Dieter Bohlen (Archivfoto vom
Oktober 1985).
DPA
Aber Ihre aktuelle Freundin verwöhnen
Sie schon ab und zu?
Nein. Da können Sie meine Ex-Freundinnen fragen, die sagen bestimmt alle,
dass ich geizig bin. Ich brauche das Gefühl, dass ich um meiner selbst geliebt
werde.
■ AUFTRITT IN
DER SCHWEIZ
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Dieter Bohlen kam am 7. Februar 1954 im niedersächsischen Berne zur Welt. Er ist
seit drei Jahrzehnten eine
bekannte Grösse im Musikund Showgeschäft – in den
80er-Jahren als eine Hälfte
des Pop-Duos Modern Talking und mit Blue System,
dann als Songwriter und Musikproduzent. Mit mehr als
160 Millionen verkauften
Tonträgern gilt er als deutscher «Poptitan». Bohlen
sitzt seit zehn Jahren in der
Jury der Casting-Show
«Deutschland sucht den Superstar». Bohlen ist Vater
von fünf Kindern, er lebt mit
seiner Freundin Fatma Carina Walz zusammen. Am
16. Januar 2013 tritt Bohlen erstmals in der Schweiz
auf – als Referent am 11. Internationalen Alpensymposium in Interlaken. Mehr Infos
auf www.alpensymposium.ch.
Glauben Sie, dass Casting-Shows eine
Zukunft haben? Die Quoten sind ja
rückgängig.
sich doch selber und liegen dem Staat
nicht auf der Tasche. Im Gegenteil, die
bringen ja nur Geld. Das Schweizer Modell ist doch dafür bekannt und hat Erfolg. Warum soll man das denn ändern?
mässig aus und hat eine extrem positive Art. Mehr geht nicht – und genau
darum habe ich sie auch in die Jury geholt.
Herr Bohlen, Sie werden bald 60 …
Das Tessin würde Ihnen besonders gut
gefallen?
Bern und Zürich habe ich mir auch angesehen, aber da sind mir die Berge zu
flach. Wie in Hamburg, hier ist auch alles so flach. Morcote ist traumhaft. Ich
habe bereits die Morcote App auf meinen iPhone und gucke da täglich, wie
das Wetter ist. Vielleicht wohne ich eines Tages dort. Dann werde ich ganz
schnell Schweizer – und schreibe für die
Schweiz einen Grand-Prix-Hit.
Beim «Supertalent» ist Michelle Hunziker Ihre Jury-Kollegin, was halten Sie
von ihr?
Bei ihr stimmt einfach alles: Michelle
ist witzig, charmant, sieht hammer-
(Unterbricht energisch) Ähhh. Hey, das
ist noch lange hin!
Noch eineinhalb Jahre! Möchten Sie
noch einmal 20 sein?
20 war nicht so prickelnd. 30 wäre ich
gerne noch einmal, da würde ich nicht
Nein sagen. Aber da sich diese Frage leider nicht stellt, mache ich mir auch nie
Gedanken darüber.
Die Fernsehnutzung nimmt generell ab,
doch bei DSDS sind wir schon in der
zehnten Staffel und wir haben noch immer 5 Millionen Zuschauer. Das ist toll.
Wir müssen uns immer wieder hinterfragen, uns auch stetig verbessern und
anstrengen. Aber wenn die CastingShows nun auch noch verschwinden
würden, wo sonst sollen denn junge
Künstler noch am Fernsehen auftreten?
Das wäre sehr schade.
Haben Sie Lust, auch einmal etwas
ganz anderes als Casting-Shows am
Fernsehen zu machen?
Ich hätte grosse Lust dazu. Doch die Verantwortlichen scheuen das Risiko, weil
ein neues Format auch scheitern kann.
Ich würde dieses Risiko eingehen. Wir
sind gerade an einem Format dran –
mal sehen, was daraus wird.
Haben Sie Mühe mit dem Älterwerden?
Nein, man muss einfach immer aus allem das Beste machen. Ich jogge 50 Kilometer pro Woche, spiele zweimal Tennis, gehe in den Kraftraum und mache
Yoga. Ich bin topfit und haue beim Tennis noch manchen 20-Jährigen weg.
Worum geht es denn?
Das verrate ich noch nicht. So, ich muss
jetzt los. Und wie gesagt: Wenn mir jemand eine Schweizer Staatsangehörigkeit verkaufen kann, dann soll er sich
melden.