Jugendkulturen Vortrag_Ausdruck

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Jugendkulturen Vortrag_Ausdruck
Jugendkulturen
Workshop im Rahmen der Seminarveranstaltung
„Am Ende des Lateins?!“
der BAG Polizei der DVJJ
am 02.10.2009
Was sind Jugendkulturen?
Merkmal Ausdrucksformen
Als Jugendkultur werden die kulturellen Aktivitäten und Stile von Jugendlichen
innerhalb einer gemeinsamen Kulturszene bezeichnet.
Merkmal Werte und Normen
Die Inhalte einer Jugendkultur stehen meistens dem Mainstream der Erwachsenenwelt
oder konkret ihrer Elterngeneration und auch angepasster Peers entgegen oder ironisiert diese.
Merkmal Abgrenzung
Der Kern einer Jugendkultur ist die Etablierung einer eigenen Subkultur
innerhalb einer bestehenden Kultur der Erwachsenen,
da diese den Heranwachsenden keine sie befriedigenden Ausdrucksmöglichkeiten
für ihr als neu empfundenes Lebensgefühl anbietet.
Quelle: Wikipedia
Welchen Zweck erfüllen Jugendkulturen?
Selbstfindung + Selbstdarstellung
Orientierung nach innen + Orientierung nach außen
Abgrenzung nach außen + Gemeinschaft nach innen
Kritik an der Gesellschaft + Gesellschaftliche Erneuerung
Jugendkulturen sind ein Medium von Jugendlichen,
sich von den Werten und Normen ihrer Umwelt und Herkunftsfamilien zu lösen,
sie in Frage zu stellen und eigene Wege der Lebensbewältigung zu finden.
Welche Komponenten sind wichtig?
Sprache
– Rap, Ausdrücke, Neuschöpfungen
Musik
– nicht immer, aber meist primäres Attribut
Aussehen
– bestes Mittel zur Differenzierung
Ästhetik / Symbolik
– auch die Umwelt wird dem eigenen Ideal angepasst oder ausgesucht
Verhaltenskodex
– Verhalten wird generell bewertet, bestimmte Muster dienen als Codes
Rollenbild
– Homosexualität, Unterschied Mann / Frau, Schichtzugehörigkeit, eigene Rolle
Weltbild
– Dimension apokalyptisch <> rosarot und schicksalhaft <> eigenkontrolliert
Politik
– Links <> Rechts, konservativ <> fortschrittlich, unpolitisch <> engagiert
Werte
– was gilt als wichtig, welche Ziele und Ideale sind cool?
Ethik / Religion
– spielt Spiritualität eine Rolle?
Angesehene Aktivitäten
– Musik machen, Demos organisieren, Sprayen, Sport
Lebensstil
– hedonistisch, aktiv, verweigernd, gesellschaftskonform?
Exkurs: Schwierigkeit bei der Deutung von Symbolen
Der Totenkopf
Wiederkehrendes Motiv mit unterschiedlicher Bedeutung
Deutschrapper Sido
Motörhead
(Heavy Metal Band)
Nightmare before Christmas
(Kinofilm)
The Punisher
(Comic Held)
FC St. Pauli / Autonome
Death in June
(Neofolk Band)
Grenzüberschreitungen
sind in der Pubertät notwendig,
um zu sich selbst zu finden
um seinen gesellschaftlichen Platz zu finden
um die eigene Stärken und Schwächen kennen zu lernen
um Tradiertes zu hinterfragen
um gesellschaftliche Innovationen zu erproben
Insbesondere männliche Jugendliche neigen zu riskantem Verhalten.
Ab ca. 20 Jahren nimmt die Suche nach Grenzen stark ab.
Beliebte Spielflächen der Grenzüberschreitung
Geschlechterrolle
z.B. Androgynität, extreme Weiblichkeit / Männlichkeit,
Erproben der anderen Geschlechtlichkeit
Körperlichkeit
z.B. Gewalt, Sex, Belastungs- / Leistungsfähigkeit,
Sport, Piercing, Tattoos
Rausch / Kick
Experimentierstadium: Was verschafft mir welchen Rausch,
wie weit kann ich gehen, was macht das mit mir?
Politische Extreme / Tabuthemen
neben rechts / links z.B. Homosexualität, Pornografie,
Krieg, Migrantentum
Legalität
z.B. Rauchen, Alkohol, Drogen, Raubkopieren,
Eigentumsdelikte, Sachbeschädigungen
Jugendkulturen
Emos, Online-Rollenspieler, Skinheads, Gothics, Black Metaller, Hacker,
Mittelalter-Fans, Rechtsextreme, Hiphopper, Techno, Gangsta-Rapper,
Cosplay/Visual Kei, Punk, Hardcore, Industrial, Psychobilly, Alternative,
Indie, Skater, Russen, Türken, Moslems, Breaker Boys, Jesus Freaks,
Surfer, Straßenrennfahrer, Britpop, Linksextreme, EBM, Rastas,
Christen, Snowboarder, E-Sportler, etc.
Erwachsene Subkulturen
Musikszenen, virtuelle Szenen, Medienszenen, Mobilitätsszenen,
Sportszenen, religiöse/spirituelle Szenen, politische Szenen,
Herkunftsszenen, Szenen bestimmter sexueller Orientierungen
Subkulturen, wo man sie nicht erwartet
Früher: Wandervögel in der Weimarer Republik, Swingjugend im Dritten
Reich, Punks in der DDR
Heute: Punk in Indonesien, Heavy Metal im Irak, Industrial/Gothic in
Israel, Black Metal in Brasilien, Emo in Mexiko, Online-Zocker in Korea,
Skinheads in Russland, Techno-Raves in China, Jihad-Rap in Europa
Jugendkulturen & Neue Medien
Alle Jugendlichen nutzen die neuen Medien intensiv
für Kommunikation, Information, Konsum, Selbstdarstellung, Kultur
denn:
Neue Medien sind eine Erweiterung ihrer Möglichkeiten
Neue Medien machen Ansichten und Inhalte transparent
Neue Medien bieten anonyme Austauschmöglichkeiten
Neue Medien sind Jugendzone – Erwachsene hinken hinterher
Effekte:
Jugendkulturen rücken überregional und global enger zusammen
Neue Formen der Jugendkultur entstehen
Jugendkulturen überwinden Grenzen
Virtuelle Jugendszenen?
keine einheitliche äußere Erscheinung
reale Events / Treffen eher die Ausnahme
Zusammengehörigkeit über bestimmte Spiele, -genre, soziale Plattform (Chat, Forum,
Newsgroup, etc.), Betätigung (Hacker, Cracker, Bastler, Videofilmer, Programmierer)
oder bestimmte virtuelle Plattformen realer Jugendkulturen
Ethnische Jugendkulturen
Individualismus, Vielfalt und Freiheiten sind eine Bedrohung
Einheimische Jugendkulturen passen nicht
Idealisierung von Werten und Normen des Herkunftslandes
Verständigungsprobleme auf beiden Seiten
Anpassung bedeutet Identitätsverlust und Verrat an der Herkunft
Kaum Orientierung oder Vorbild durch die Eltern
Selbstgewählte Ausgrenzung
Muslimische Jugendkulturen
Positive Effekte:
Mögliche Probleme:
Der Glaube bietet Hoffnung
Abgrenzung gegenüber Ungläubigen
Rituale helfen bei der Alltagsbewältigung
Verharren im eigenen Sprachkreis
Die Glaubensgemeinschaft gibt Halt
Integrations- / Anpassungsprobleme
Herkunft spielt keine Rolle
Konflikte mit hiesigen Werten und Normen
Klare Regeln zur Lebensführung
Antisemitismus
Protestfunktion
Radikalisierung / Gewaltbereitschaft
Akzeptanz durch Familie
Emo
Musik: Emotional Hardcore - Subgenre des Hardcore - nicht so aggressiv, mehr melodisch
Politische Haltung: Weitgehend unpolitisch, Tendenz links.
Rollenbilder: Kein klassisches Männer/Frauen-Schema, Gefühle zeigen ist auch für Männer OK.
Themen: Eigenes Fühlen und Denken, soziale Probleme
Werthaltung: Freiheit, Rücksichtnahme, Zulassen von Gefühlen, Gewaltverzicht, Versatzstücke aus Gothic & Punk
Drogenkonsum: Keine spezielle Szenedroge, Alkohol, Mischkonsum, Cannabis
Jugendschutzrelevanz: Alkoholkonsum Minderjähriger, Thema „Cutting“, keine jugendschutzrelevanten
Themen in der Musik und Ästhetik
Gothic
Musik: Äußerst vielfältig, von elektronisch bis gitarrig, von verzerrt und aggressiv bis melodisch und poppig.
Politische Haltung: Grundsätzlich unpolitisch, jedoch Toleranz gegenüber jeder Meinung, auch rechtspolitischer.
Rollenbilder: Toleranz gegenüber jedem Konstrukt und auch ungewöhnlichen sexuellen Orientierungen
Themen: Tod, Verfall, Leid, Okkultismus, Gut-Böse, Religion, gesellschaftlich als negativ abgewertete Emotionen
Werthaltung: individuelle Freiheit und Entfaltung, Toleranz, Ausprobieren extremer Lebensentwürfe
Drogenkonsum: Keine spezielle Szenedroge, Alkohol auch nicht übermäßig
Jugendschutzrelevanz: Provokative Musiktexte und Gestaltung (Sex, Rechtsextremismus, Gewalt), Horrorfilme, Thema
angeblicher Satanismus, nationalsozialistische Symbolik, Konzerte
Beispiel Neofolk
Musik mit Folk-, Industrial-, Marschanleihen – entwachsen aus Punk, New Wave und Industrial
Texte oft naturbezogen, romantisch, apokalyptisch, kriegsverherrlichend, vergangenheitsverklärend,
heidnisch
Bezüge zu anrüchigen literarischen, künstlerischen und politischen Personen wie Marquis de Sade,
Friedrich Nietzsche, Hermann Hesse, Ernst Jünger, Filippo Tommaso Marinetti, Yukio Mishima, Ernst Röhm,
Julius Evola, Alain de Benoist, Leni Riefenstahl, etc.
Beschäftigung mit Futurismus, Nihilismus, Sozialdarwinismus, Krieg (v.a. II. WK), Kulturpessimismus,
Antiamerikanismus, Totalitarismus (v.a. Faschismus), völkischem Gedankengut (ca. 1900 – 1940)
Anhänger kleiden sich in realen oder fiktiven Uniformen, martialisch einfach, im Stile von HJ oder BdM oder
wie die Vorkriegs-Wandervögel
Symbole: Schwarze Sonne, Runen (auch im III. Reich benutzte), der SS-Totenkopf, Rutenbündel (ital. Fasci),
Abzeichen totalitärer Systeme
ABER:
Meist keine offene Sympathie, keine Gewalt, keine verfassungsfeindlichen Aussagen oder Symbole
Revisionismus oder offen rechte politische Bekenntnisse sind die Ausnahme
Hauptanliegen sind Kulturkritik an westlichen (v.a. amerikanischen) Gedankengebäuden, politischer Diskurs
sowie die Auseinandersetzung mit ambivalenten Themen wie Totalitarismus, Religion und Krieg
Keine Jugendszene; durch den hohen Anspruch der Themen und die meist nicht tanzflächentaugliche
Musik eher eine Subkultur in der Subkultur für erwachsene Szenegänger
Rechte Subkulturen
Musik: fast jede jugendrelevante musikalische Richtung
Politische Haltung: von „nur“ sozialdarwinistisch über rassistisch bis totalitär in vielen Abstufungen. Adaption linker
Heroen, Symbole, ideologischer Fragmente und Strukturen.
Rollenbilder: hauptsächlich starre Rollen, teils aber auch offene Homosexualität oder „emanzipierte“ Frauen
Themen: Vergangenheitsverklärung, „Heilige Ordnung“, Kriegsverherrlichung, Heidentum, christliche Unterdrückung der
Volksseele, zionistische Verschwörungen
Werthaltung: Vordringen auf verschiedenen Ebenen zur Kulturrevolution. Implementierung rechter Gedanken in die Mitte
der Gesellschaft
Drogenkonsum: je nach Szene, v.a. Alkohol, Amphetamin
Jugendschutzrelevanz: Symboliken, Texte, Bildmaterial, Volksverhetzung, Musikveranstaltungen, Verbindungen zu
einschlägigen politischen Gruppen, Vereinen und Parteien
Gangsta-Rap
Musik: Härte durch Samples von Schusswaffen, Sirenen, treibenden Beats und aggressiven Texten
Politische Haltung: Unpolitisch im klassischen Links/Rechts-Schema. Teils nationalistisch, rassistisch, ausgrenzend.
Rollenbilder: Teils frauenfeindlich, schwulenfeindlich. Klassische Rollenverteilung im Extrem, jedoch teils ironisch
übersteigert.
Themen: Das Leben in der Unterschicht, als Migrant, Verbrecherverklärung, Gewalt, Sex, urbane Missstände
Werthaltung: Konsum, gute Außenwirkung, Härte, Respekt, Stärke, „Heimattreue“, Unabhängigkeit, Familie &
Freundeskreis
Drogenkonsum: Harter Alkohol, Kokain, Speed, Crack
Jugendschutzrelevanz: Musiktexte, Konzerte, Musikveranstaltungen, Jugendkriminalität
Positiv: Sprachrohrfunktion, Spiel mit Sprache und Rollen, Frustabbau, politische Bildung
Cosplay / Visual Kei
Musik: Meist japanischer Pop & Rock, Titelmusik von Manga- und Anime-Serien, Spielen oder Filmen
Politische Haltung: völlig unwichtig, rein auf Äußeres konzentriert
Rollenbilder: keine Aussage zum Thema, allerdings sind viele Mangas sexistisch ausgerichtet
Themen: von Fantasy bis Science Fiction, sowie diversen echten wie unechten Uniformen ist alles dabei
Werthaltung: kein gemeinsames Weltbild oder Konzept. Einig ist allen der Wunsch, den Originalen im Styling nahe zu
kommen, Begeisterung für die japanische Kultur und ein hoher Geldaufwand für Original-Mangas.
Drogenkonsum: nicht bekannt. Oft sind die Betreffenden noch viel zu jung
Jugendschutzrelevanz: Sex und Gewalt in Mangas (Asien-Importe), Computerspielen + Filmen, veröffentlichte Fotos
Minderjähriger
Woher bekomme ich schnell Informationen?
direkt von den Jugendlichen
Szene-Medien / -Foren / -Newsgroups
www.jugendszenen.com
Wikipedia
www.discogs.com
Suchmaschinen
Interessante Internetadressen und Literatur
www.jugendkulturen.de
www.jugendszenen.com
www.tu-dresden.de/erzwiae/mp/rv/medienwelten/Jugendkulturen.htm
www.emostar.de/
www.wikipedia.de (zu allen aktuellen Jugendkulturen)
www.styleislam.com (zu allen verwendeten Symbolen gibt es Erklärungen über den
religiösen Hintergrund)
Lebensphase Jugend: Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung,
Klaus Hurrelmann, Juventa Verlag
Die 13- 18- Jährigen: Einführung in die Probleme des Jugendalters,
Dieter Baacke, Beltz Verlag
Ästhetische Mobilmachung: Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld
rechter Ideologien, Andreas Speit (Hrsg.), Unrast Verlag
Lords of Chaos: Satanischer Metal: Der blutige Aufstieg aus dem Untergrund,
Michael Moynihan & Didrik Soderlind, Prophecy Productions
Reihe Testcard: Beiträge zur Popgeschichte, Ventil Verlag
If the kids are united: Von Punk zu Hardcore und zurück,
Martin Büsser, Ventil Verlag
Bushido Biografie, Bushido & Lars Amend, Riva Verlag
Jugendkulturen zwischen Islam und Islamismus, Themenheft von „Schule ohne
Rassismus – Schule mit Courage“, www.schule-ohne-rassismus.org
Emo – Porträt einer Szene, Büsser/Engelmann/Rüdiger (Hrsg.), Ventil Verlag
Fear of a Kanak Planet: HipHop zwischen Weltkultur und Nazi-Rap, Loh/Güngör, Hannibal Verl.
Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit!
Verfasser:
Timo Rabe
Stadt Nürnberg – Jugendamt
Kinder- und Jugendschutz
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