HMS oder Tube in Mehrseillaengentouren
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HMS oder Tube in Mehrseillaengentouren
Sicherheit/Ausrüstung HMS oder Tube in Mehrseillängentouren – Generationswechsel im Standplatz? Bild 1: von links nach rechts: HMS-Karabiner, einfacher Tube (HB „Sherif“), einfacher Tube mit zwei Bremsstufen („ATC-XP“), Alpin-Tubes mit Standplatzöse: „ATC Guide“ und „Reverso“ Alle Fotos: J. Larisch Von Sarah Kästner ten“ HMS einiges zu beachten. Egal ob Reihenschaltung, Kräftedreieck oder solider Fixpunkt – allen Standplätzen gemeinsam ist der sogenannte „Zentralpunkt“ für Selbstsicherungen und Sicherungsgerät. Aus Gründen der Ergonomie befinden sich die Hände bei allen Sicherungsmethoden unterhalb der Sicherung. Das Sichern mit HMS im Zentralpunkt (Bild 2) ist unkompliziert, denn das „Universalgenie“ funktioniert in alle Richtungen: Nachstieg wie Vorstieg, Sturzzug nach oben oder unten. Beim Einlegen des Halbmastwurfs unbedingt überprüfen, dass bei Zug nach oben (Vorstieg) das Bremsseil nicht über den Karabinerverschluss läuft! Bei Tubes dagegen muss in jedem Fall gewährleistet sein, dass der Sturzzug entgegengesetzt zum Bremsseil verläuft, um die nötige Bremskraft zu erzeugen. Dafür muss ein Seilstrang umgelenkt werden, da beim Sturz unter den Standplatz ein Hochhalten der Bremshand unrealistisch ist. Eine Möglichkeit ist der sogenannte „dummyrunner“ (Bild 3): eine Expressschlinge in einem Sicherungspunkt oberhalb des Zentralpunktes (z. B. oberster Sicherungspunkt des Standplatzes). Dieser Umlenkpunkt muss absolut zuverlässig sein, beispielsweise ein Bohrhaken, falls der Vorsteiger vor der ersten echten Zwischensicherung stürzt! Und die Nachsteigersicherung? Funktio- Auch wer früher ausschließlich Halbmastwurf-Sicherung (HMS) als „die“ Sicherungsmethode erlernt hat und im alpinen Gelände bisher nichts anderes verwendet, wird es schon beobachtet haben: Im Sportklettern sind Sicherungsgeräte wie der Black Diamond „ATC“, markenneutral auch (engl.) „Tube“ genannt, im Vormarsch. Auf dem Markt erscheinen auch immer mehr „Alpin-Tubes“ mit zusätzlicher Standplatzöse für den Gebrauch in Mehrseillängenrouten (Petzl Reverso, ATC-Guide, Cassin Più etc.). Doch wie sind sie im Standplatz zu gebrauchen und wo liegen ihre Stärken und Schwächen gegenüber unserer „klassischen“ HMS? Was muss man beachten beim Sichern am Zentralpunkt des Standplatzes? Bild 2: HMS im Zentralpunkt, Bremsseil rechts (Nach- und Vorstieg) Bild 3: Vorstiegssicherung mit (Alpin-)Tube im Zentralpunkt, Umlenkung des Seils mittels „dummy-runner“ im Standplatz Wozu überhaupt? Die Vor- und Nachteile Die HMS ist die Sicherung mit der größten Bremskraft und dem geringsten Seildurchlauf, also am besten geeignet bei geringer Handkraft oder sehr langen Stürzen. Vorteile der Tubes dagegen sind: hohe Dynamik (weiches Sichern) bei Stürzen, Seilschonung und schnelle Handhabung. Das Einnehmen und Ausgeben des Seils geht deutlich leichter - insbesondere bei steifen oder gefrorenen Seilen – und es gibt kein lästiges Verklemmen im Karabiner. Besonders beim Verwenden der Doppelseiltechnik ist der Tube überlegen. Hier werden die beiden Seilstränge sauber getrennt geführt, können sogar unterschiedlich weit herausgegeben oder eingenommen werden, wenn durch den Vorsteiger einzeln geklippt wird. In der Dreierseilschaft bieten „AlpinTubes“ außerdem die Möglichkeit, zwei Nachsteiger zeitgleich zu sichern. Allerdings gibt es gegenüber dem „Universalis- 10 Sicherheit/Ausrüstung niert mit Umlenkung zwar auch, viel angenehmer ist aber die Rücklaufsperren-Funktion eines „Alpin-Tubes“. Dazu hängt man ihn an seiner Standplatzöse in den Zentralpunkt, während der Sicherungskarabiner (im Foto rot) frei im Drahtbügel und den Seilschlaufen hängt (Bild 4). Entspanntes Sichern von ein oder zwei Nachsteigern gleichzeitig ist so möglich, da die Sicherung die Seilstränge unabhängig voneinander blockiert. Allerdings muss auch das Gelände das gleichzeitige bzw. leicht versetzte Klettern ermöglichen. Achtung vor allem im Überhang: Wenn der Nachsteiger im Seil hängt und ein Stück abgelassen werden möchte, erfordert das komplizierte Maßnahmen, die man geübt haben muss. Spezialfall Körpersicherung im Standplatz – wann und wie? Wer die einfachste Handhabung des Tubes und die Möglichkeit besonders „weichen Sicherns“ beim Sturz (Entlastung von Stürzendem und Sicherungspunkten) möchte, sichert am Körper (Bild 5). Gegen diese Vorteile muss man jedoch die Nachteile abwägen – der Sicherer fängt Stürze mit seinem Körper ab und ist Teil der Sicherungskette, auch bei eventuellen Maßnahmen nach einem Sturz. Und die Voraussetzungen müssen stimmen: - Umlenkung des Seils oberhalb des Sicherers (dummy-runner an zuver lässigem Sicherungspunkt) - Lange Selbstsicherung (ca. 1,5 m als Bremsweg) und geeigneter Landeraum für den Sicherer - Kletterer wiegt nicht mehr als 125% des Sicherers - Training im Abfangen von Stürzen über den Körper - Beherrschen der richtigen Handhab- ung des Sicherungsgerätes am Körper Bitte nicht zu umständlich – Möglichkeiten beim „überschlagenden“ Klettern Wenn immer die gleiche Person vorsteigt, erfordert das in jedem Standplatz Umbaumaßnahmen. Wenn aber der ankommende Nachsteiger die nächste Seillänge vorsteigt, will man unnötiges Umbauen vermeiden. Dafür empfehlen sich folgende drei Sicherungs-Varianten: a) HMS im Zentralpunkt: Der Nach steiger kann ohne Umbau der Sicherung direkt weitersteigen. Ideal in klassisch abgesicherten alpinen Routen, aber prinzipiell immer geeignet – der (deutsch sprachige) Klassiker halt. b) Körpersicherung im Vor- und Nachstieg (mit Tube, aber auch mit HMS oder Achter möglich): Kein Umbau nötig, das Seil läuft immer durch den dummy-runner. Ideal beim alpinen Sportklettern an der Sturzgrenze bei bombiger Absicherung. Alle Voraussetzungen (s.o.) beachten! c) „Alpin-Tube“ am Zentralpunkt: Als Rücklaufsperre für den Nach- stieg, Umhängen der Sicherung für den Vorstieg. Dafür wird der (vorher frei hängende) Sicherungs karabiner im Zentralpunkt des Standplatzes eingehängt, und die Standplatzöse des Tubes ausgehängt. Alternativ kann so auch auf Körpersicherung umgebaut werden. In beiden Fällen: vor dem Losklettern dummy-runner einhän- gen! Ideal mit Doppelseil und störrischem Seil bei soliden Standplätzen im Fels oder Eis. Und wenn nicht alles nach Plan läuft? Wer bisher glaubte, bereits erlernte Rettungsmaßnahmen seien nur bei HMS möglich, sei beruhigt. Flaschenzüge sind mit „Alpin-Tubes“ genauso gut zu bauen und laufen leichter, die Rücklaufsperrenfunktion ersetzt sogar die Gardaklemme. Auch ein Schleifknoten zum Blockieren der Sicherung lässt sich (etwas abgewandelt – um einen Schenkel des Karabiners) machen. Zum Ablassen oder Abseilen zu zweit kann die Bremskraft des Tubes durch einen zweiten parallelen Karabiner erhöht werden. Man muss nicht viel umlernen, nur ein paar Handgriffe sind anders. Und alles, was bisher mit Prusik ging, funktioniert genauso. Aber egal für welche Sicherungsmethode man sich entscheidet, ist ein Erlernen, Auffrischen und Üben aller möglichen Szenarios, insbesondere von Umbauten und Schleifknoten, vor der eigentlichen Tour wichtig. Ein bloßes Nachlesen reicht definitiv nicht aus. Unser sektionseigener Kletterturm bietet dafür übrigens – auch dank der zusätzlich neu gesetzten Haken – ausgezeichnete Übungsmöglichkeiten. Also was nun – Alpin-Tube oder HMS? Beides! Ein Tube ergänzt den HMS und ist gleichzeitig Abseilgerät. Je besser man vorbereitet und ausgebildet ist, desto leichter kann man je nach Bedingungen – Zustand der Sicherungspunkte, Sturzrisiko, Handhabbarkeit des Seils, Gelände, Ermüden der Hände - zwischen verschiedenen Sicherungsmethoden entscheiden. Was auf den ersten Blick also wie ein Streit zwischen Klassik und Moderne anmutet, entpuppt sich bei näherem Hinsehen doch nur als situationsangepasstes Abwägen zwischen verschiedenen Varianten. Denn wie überall im Bergsport erweitert ein größeres Repertoire an beherrschten Techniken den Handlungsspielraum. So erhöht sich neben dem Sicherheits- auch der persönliche Spaß-Level. Zum Weiterlesen: Michael Hoffmann: Sicher sichern. Panico Verlag (Sicherungs- und Rettungstechniken) bergundsteigen (www.bergundsteigen.at), 2/03, 3/03, 2/07 (Standplatzgeschehen, Geräte, Bremskräfte) Bild 4: Nachstiegssicherung (hier: zwei Nachsteiger) mit Alpin-Tube als Rücklaufsperre Bild 5: Körpersicherung im Standplatz (hier: Vorstieg mit Doppelseil) mit langer Selbstsicherung und „dummy-runner“ DAV-Ausbilderhandbuch Kapitel „Sicherung“ 11