Agrarpolitik im Dauerkonflikt mit Prinzipien der Sozialen

Transcription

Agrarpolitik im Dauerkonflikt mit Prinzipien der Sozialen
ordo.doc
Agrarpolitik unverändert im Konflikt mit Prinzipien der sozialen
Marktwirtschaft
Ulrich Koester
I. Einleitung
Die Entwicklung des Agrarsektors in der Bundesrepublik Deutschland wird durch
eine Vielzahl von staatlichen Eingriffen geregelt. Im ersten Teil des Beitrages wird
daher zunächst eine Bestandsaufnahme präsentiert. Die wichtigsten staatlichen Eingriffe
auf den Produkt- und Faktormärkten werden aus ordnungspolitischer und
allokationstheoretischer Sicht untersucht. Der Befund wird zu dem Ergebnis führen, daß
sich die gegenwärtige Ausprägung der Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland
nur wenig an den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft und den
integrationspolitischen Zielsetzungen der EU orientiert. Natürlich haben Ökonomen seit
Bestehen der ‘Sozialen Marktwirtschaft’ immer wieder darauf hingewiesen, daß die
Agrarpolitik weitgehend ein ordnungspolitischer Fremdkörper ist; an entsprechenden
Ratschlägen zur Einordnung der Agrarpolitik in das allgemeine
Wirtschaftsordnungssystem hat es nicht gefehlt.
Im zweiten Abschnitt des Beitrages wird daher mit Hilfe eines politökonomischen
Ansatzes erklärt, warum die Agrarpolitik so ist, wie sie ist. Die Entwicklung der
Agrarpolitik in den letzten fünfzig Jahren kann als Paradebeispiel für die
Pfadabhängigkeiten einzelner Politiken dienen. Es kann gezeigt werden, daß in der
Vergangenheit zu bestimmten Zeitpunkten grundlegende Weichen, d.h. politische
Grundsatzentscheidungen, falsch gestellt worden sind, die eine Abkehr von den
Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft nicht nur zum Zeitpunkt der Entscheidung,
sondern auch verstärkend in seiner Entwicklung bewirkt haben.
Im dritten Teil des Artikels wird erörtert, warum die Herausforderungen des
kommenden Jahrzehnts zu einer Änderung der Agrarpolitik führen müssen.
Selbstverständlich ist es nicht möglich zu prognostizieren, in welche Richtung sich die
Agrarpolitik entwickeln wird. Denkbar ist eine Weiterentwicklung auf dem Weg zur
Knechtschaft (von Hayek 1971), aber auch eine Einordnung der Agrarpolitik in das
System der ‘Sozialen Marktwirtschaft’.
1
Im letzten Abschnitt des Beitrages wird insbesondere diesem letzten Aspekt eine
größere Bedeutung beigemessen. Es wird aufgezeigt, wie man die deutsche und
europäische Agrarpolitik in das System der Sozialen Marktwirtschaft überführen
könnte.
II. Eine Bestandsaufnahme des agrarpolitischen Dirigismus im Jahre 1997
Die Ausgestaltung der Agrarpolitik hat sich im Zeitablauf gewandelt. Eine
Bestandsaufnahme ist daher nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, quasi als Inventur,
möglich. Der gegenwärtige Zeitpunkt scheint für eine solche Bestandsaufnahme
angemessen zu sein. Unten wird gezeigt, daß die Regelungsintensität auf den
Agrarmärkten im Zeitablauf zugenommen hat, in den nächsten Jahren aber
grundlegende Entscheidungen entweder zu zunehmender oder abnehmender
Regelungsintensität zu erwarten sind.
1. Staatliche Eingriffe auf landwirtschaftlichen Produktmärkten
Über 90% des landwirtschaftlichen Produktionswertes wird auf Märkten verkauft,
die durch sogenannte „Marktordnungen“ geregelt sind. Das Wort „Marktordnung“ ist
allerdings irreführend. Hier werden nicht Märkte geordnet. Es wird versucht, über ein
bestimmtes produktmarktspezifisches Instrumentarium die Einkommen der Produzenten
über das Niveau, das sich bei freier Preisbildung ergeben würde, anzuheben. Mit Hilfe
der Marktordnungen soll somit Einkommenspolitik für die Beschäftigten in einem
bestimmten Sektor, der Landwirtschaft, verwirklicht werden. Allein diese Zielsetzung
widerspricht ordnungspolitischen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland.
Einkommenspolitik ist zum einen begrenzt Aufgabe des Staates im Rahmen der
Sozialpolitik und zum anderen Aufgabe der Arbeitgeber und -nehmer im Rahmen der
Tarifpolitik. Der Staat ist im System der Sozialen Marktwirtschaft grundsätzlich nicht
für die Einkommensentwicklung von selbständig Beschäftigten verantwortlich. Die
landwirtschaftlichen Marktordnungen erlauben dagegen dem Staat, eine solche Politik
zu betreiben.
Das Ausmaß staatlicher Eingriffe kann mit Hilfe der ‘Producer Subsidy Equivalents’
aufgezeigt werden (siehe Übersicht 1). Hiermit wird ausgedrückt, um welchen Betrag
2
die Einkommen der Landwirte als Folge staatlicher Maßnahmen höher sind, als sie bei
Weltmarktpreisen wären. Im Jahr 1995 waren demnach die Einkommen der Landwirte
in der EU als Folge staatlicher Eingriffe um knapp 50 Prozent höher als ohne staatliche
Eingriffe. Allerdings wird hierbei unterstellt, daß die gesamten staatlichen Maßnahmen
zugunsten der Landwirtschaft auch tatsächlich bei den Landwirten einkommenswirksam
sind. Es wird also eine 100%ige Inzidenz unterstellt.
Übersicht 1: Producer und Consumer Subsidy Equivalents - Europäische Union Preisstützung
%
direkte Zahlungen
weitere Subventionen1
%
% CSE
% PSE
50
50
40
40
30
30
20
20
10
10
0
1986-88
1995a
1996 b
1986-88
1995 a
0
1996 b
Das %CSE ist ein Maß für die implizite Besteuerung der Konsumenten.
1 = Die Preisstützung ist bereinigt um Zölle und Abgaben.
a = geschätzt
b = vorläufig
Quelle: OECD Sekretariat, 1997; Agricultural Policies in OECD Countries. Monitoring and Evaluation 1997.
OECD, Paris 1997.
Ein wesentliches Merkmal der Marktordnungen ist ein Außenhandelsschutz.
Dadurch ist es möglich, die Inlandspreise über das Niveau der Weltmarktpreise
anzuheben. Besonders nachteilig ist, daß der Außenhandelsschutz sich nicht einfach auf
Wertzölle beschränkt und damit die ausländischen Preisrelationen auf die inländischen
Preisrelationen überträgt. Statt dessen gibt es für einzelne Produkte unterschiedliche
Regelungen; selbst für ein bestimmtes Produkt können die Zölle je nach Lieferland und
3
Lieferweg unterschiedlich sein. So gibt es z.B. für die Einfuhren von Getreide in
unverarbeiteter Form in die Europäische Union 165 unterschiedliche Zollsätze. Es ist
demnach ein umfangreiches staatliches System zur Implementierung und Kontrolle der
Regelungen notwendig.
Ordnungspolitisch sind solche Außenhandelsmaßnahmen negativ zu bewerten, weil
dadurch die Koordinierung zwischen den individuellen Aktivitäten der einzelnen
Wirtschaftseinheiten im Inland verzerrt wird. Es gilt dann nicht mehr, daß jeder
Einzelne für die Folgen seines Tuns allein verantwortlich ist und demnach andere durch
Aktivitäten Einzelner weder bevorteilt noch benachteiligt werden. Die
Außenhandelsregelungen auf den Agrarmärkten führen dazu, daß jeder Konsument
eines protektionierten Produktes indirekt besteuert wird. Seine marginale
Zahlungsbereitschaft, gemessen am Marktpreis, ist höher als der gesamtwirtschaftliche
Schattenpreis. Zu diesem Preis kann die Gesellschaft Produkte importieren oder
exportieren. Ebenso gilt, daß für Produzenten aufgrund der Außenhandelsregelungen
falsche Signale gesetzt werden. Die private Wirtschaftlichkeit von
Produktionsaktivitäten ist aufgrund der gestützten Preise höher als die
gesamtwirtschaftliche Wirtschaftlichkeit. Der Koordinationsmechanismus in der
Volkswirtschaft, der dazu führen soll, daß die individuellen Entscheidungen so
koordiniert werden, daß in der Gesellschaft mit den gegebenen Faktoren ein maximales
Sozialprodukt produziert wird, wird demnach geschwächt.
Die EU-Agrarpolitik war aufgrund der Vereinbarungen im GATT während der
letzten Verhandlungsrunde gezwungen, die Außenhandelsregelungen zu lockern. So ist
z.B. vereinbart worden, daß unabhängig von der Versorgungslage im Inland ein
Mindestmarktzugang zugelassen werden muß. Dies hat zu der Situation geführt, daß die
EU selbst auf den Märkten, auf denen sie ein Nettoexporteur von Agrarprodukten ist,
Einfuhren zulassen muß. Bezüglich der subventionierten Exportmengen, die notwendig
werden, wenn die Inlandspreise über den Weltmarktpreisen liegen, wurde in der letzten
GATT-Runde eine Obergrenze für einzelne Produktgruppen vereinbart. So gibt es z.B.
für Milch und Milchprodukte vier Produktgruppen und für Getreide zwei (Weizen und
Weizenmehl einerseits und Futtergetreide andererseits). Daraus folgt, daß die EUAgrarmarktpolitik in einer Situation, wo die Inlandspreise über den Weltmarktpreisen
liegen, so auszurichten ist, daß für einzelne Produktgruppen eine Identität zwischen
Inlandsproduktion einerseits und dem Inlandsverbrauch abzüglich Mindestmarktzugang
4
und zuzüglich der maximal erlaubten subventionierten Exportmengen andererseits
bestehen muß. Dies hat u.a. zu einer weiteren Differenzierung des bisher eingesetzten
Instrumentariums geführt und die Regelungsintensität weiter erhöht.
Die wichtigsten Elemente der Marktordnungen, die auf die Regelung der
Inlandsmärkte ausgerichtet sind, sind Produktionsquoten für Milch und Zucker sowie
sogenannte Preisausgleichszahlungen für Ackerbauprodukte und Rindfleischproduktion.
Landwirte, die Milch oder Zuckerrüben produzieren wollen, benötigen ein
Produktionsrecht, die sogenannte Quote. Diese Produktionsrechte sind entweder den
Landwirten direkt zugewiesen oder aber auch den Unternehmern, die
landwirtschaftliche Produkte verarbeiten, wie z.B. den Zuckerfabriken. Es gibt für alle
EU-Länder insgesamt eine Quote, die auf Mitgliedsländer und Regionen aufgeteilt ist.
Regional sind die Quoten in der Regel relativ leicht handelbar, überregional jedoch nur
mit großen Schwierigkeiten oder gar nicht. Die Beschränkung der Produktion durch
Produktionsquoten ist natürlich nur notwendig, wenn die Inlandspreise über den
Weltmarktpreisen liegen. Diese Maßnahmen sind daher als ergänzend zu den
Außenhandelsmaßnahmen anzusehen.
Mit dem System der Sozialen Marktwirtschaft sind Quotenregelungen nicht
vereinbar. Hierdurch wird offensichtlich der Marktmechanismus, der über die Preise
Produktionsanreize gibt, teilweise ausgeschaltet. Diese Instrumente tragen auch nicht
dazu bei, positive soziale Wirkungen zu erzielen. Dies würde nur dann eintreten, wenn
diejenigen, die Milch oder Zuckerrüben produzieren, aufgrund des
Sozialstaatlichkeitsprinzips einen besonderen Schutz verdienen würden. Ein solcher
Beweis läßt sich aber nicht erbringen. Im Gegenteil, die Produzenten von Zuckerrüben
gehörten von jeher zu den wohlhabendsten Landwirten. Eine Einkommenserhöhung aus
sozialen Gründen ist hier nicht zu vertreten.
Produktionsquoten widersprechen auch der integrationspolitischen Zielsetzung der
EU. Die Verwirklichung des Binnenmarktes (seit 1. Januar 1993) soll dazu beitragen,
daß die Produktion an Standorte mit komparativen Kostenvorteilen wandert. Die
zunehmende Arbeitsteilung in der Union soll zu Wohlstandssteigerungen in der
Gemeinschaft führen. Eine Festlegung von Quoten auf nationaler und regionaler Ebene
friert dagegen die Produktionsstrukturen ein und widerspricht damit der Zielsetzung der
europäischen Integration.
5
Seit dem Wirtschaftsjahr 1993/94 wurde das agrarmarktpolitische Instrumentarium
durch sogenannte Preisausgleichszahlungen erweitert. Seit dieser Zeit erhalten
Landwirte, die Getreide, Ölsaaten oder Eiweißfrüchte produzieren, als Kompensation
für Preissenkungen direkte Zahlungen aus der Staatskasse. Die Zahlungen sind an die
Nutzung der Flächen mit den genannten Früchten gebunden. Es ist offensichtlich, daß
diese Preisausgleichszahlungen sowohl marktwirtschaftlichen als auch sozialpolitischen
Zielsetzungen widersprechen. Hiermit werden für den einzelnen Landwirt Anreize
geschaffen, Produkte zu produzieren, die bei Marktpreisen nicht rentabel sind, die aber
aufgrund der direkten Zahlungen für ihn betriebswirtschaftlich rentabel sein können.
Der Staat schwächt hiermit den Koordinationsmechanismus des Marktes. Da diese
Transferleistungen nicht zeitlich befristet sind, sondern vom Bundesminister Borchert
als dauerhaft und verläßlich bezeichnet wurden, können sie auch nicht als
Anpassungshilfen bezeichnet werden. Eine Anpassung an neue ökonomische
Rahmenbedingungen, wie sie z.B. durch eine Rücknahme der Preisstützung erforderlich
ist, mag eine begrenzte, aber nicht unendlich lange Zeit beanspruchen. Sozialpolitisch
sind solche direkten Einkommensübertragungen nicht zu rechtfertigen, weil sie an
keinem Merkmal der sozialen Bedürftigkeit ansetzen, sondern lediglich an der
Flächennutzung.
2. Staatliche Eingriffe auf landwirtschaftlichen Faktormärkten.
Die sogenannte Agrarreform von 1992 hat zu einer Zunahme der Regelungsintensität
auf den landwirtschaftlichen Faktormärkten beigetragen. Die Bindung der direkten
Einkommensübertragung an die Flächennutzung beinhaltet z.B., daß die Administration
einzelbetriebliche Informationen über die Nutzung der Flächen benötigt und
entsprechend auch die Flächennutzung kontrollieren muß. Hinzu kommt, daß mit der
Agrarreform auch das Instrument der quasi-obligatorischen Flächenstillegung
eingeführt wurde. Landwirte kommen nur dann in den Genuß von
Preisausgleichszahlungen1, wenn sie einen bestimmten Prozentsatz ihrer
landwirtschaftlichen Flächen, die bisher mit den sogenannten großen Kulturen
(Getreide, Ölsaaten und Eiweißfrüchte) bewirtschaftet wurden, stillegen. Für die
stillgelegten Flächen zahlt der Staat eine Prämie, die im Durchschnitt der
6
landwirtschaftlichen Betriebe etwa dem durch die Stillegung entstehenden
Einkommensverlust entsprechen soll.
Auch die Wahl dieses Instrumentes widerspricht ordnungspolitischen und
allokationstheoretischen Grundsätzen. Wird die Nutzung von Flächen durch staatliche
Verordnung verringert, so impliziert dieses gleichzeitig, daß in den landwirtschaftlichen
Betrieben auch weniger gearbeitet wird. Durch die Zahlung der Prämie wird aber trotz
verringerter Arbeitsleistung das Einkommen tendenziell stabilisiert. Hier werden also
nicht - wie in marktwirtschaftlichen Systemen - Einkommen durch Mehrleistung
erzielt, sondern Einkommen durch weniger Leistung. Insgesamt wird die Gesellschaft
durch das Instrument der Flächenstillegung nicht reicher, sondern ärmer. Durch
Verordnung wird ein in der Volkswirtschaft vorhandener Produktionsfaktor landwirtschaftliche Nutzflächen - weniger eingesetzt als es möglich wäre. In der
europäischen Agrarpolitik sind nicht nur die Grundprinzipien der Ordnungspolitik
eines Systems der sozialen Marktwirtschaft verletzt, es wird auch gegen die
Grundprinzipien der Ökonomie verstoßen.
Auf den Faktormärkten wird auch durch Förderung landwirtschaftlicher
Investitionen eingegriffen. Es gibt ein sogenanntes einzelbetriebliches
Förderungsprogramm, das den Landwirten unter bestimmten Bedingungen erhebliche
Zinsverbilligungen oder auch Zuschüsse gewährt. Ordnungspolitisch wäre gegen ein
solches Programm nichts einzuwenden, wenn dadurch die Koordinierung durch den
Markt verbessert werden würde. Dies würde aber nur dann eintreten, wenn die
Wirtschaftlichkeit landwirtschaftlicher Investitionen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht
höher wäre als aus privatwirtschaftlicher Sicht. Hierfür gibt es jedoch keinen Hinweis.
Im Gegenteil, eine neuere Untersuchung zeigt (Striewe, Loy und Koester 1996), daß ein
großer Teil der durch den Staat geförderten Investitionen zu einer Rendite führt, die
selbst bei gestützten Marktpreisen bei der Mehrheit der Betriebe unter der Rendite liegt,
die in anderen Sektoren erzielt wird. Ein beträchtlicher Teil der Betriebe (nach dieser
Untersuchung sind dieses knapp 50%) erwirtschaftet sogar trotz der Zinsverbilligungen
Eigenkapitalverluste. Auch hier gilt, daß der Staat sich anmaßt, Investitionsobjekte
identifizieren zu können, die wirtschaftlich sind. In marktwirtschaftlichen Systemen
wird eine solche Entscheidung bei der Produktion von privaten Gütern von den Privaten
erwartet. Werden die identifizierten Investitionsobjekte durch Zinsverbilligungen
1
Eine Ausnahme gilt für die sogenannten Kleinerzeuger.
7
subventioniert, so erhalten die Privaten Anreize, Investitionen vorzunehmen, die sie
unter anderen Bedingungen als nicht wirtschaftlich betrachtet hätten.
Gesamtwirtschaftliche Fehlinvestitionen sind damit vorprogrammiert.
Die Vielzahl der staatlichen Eingriffe auf den Agrarmärkten könnte möglicherweise
in einer Übergangsphase berechtigt sein, wenn damit der Strukturwandel in der
Landwirtschaft beschleunigt werden würde und längerfristig höhere
Produktivitätsfortschritte erzielt werden könnten. Bei den gegenwärtigen Eingriffen
sind diese Effekte jedoch nicht zu erwarten. Preisstützungen führen generell dazu, daß
die Grenzanbieter länger in der Produktion bleiben können als es ihnen bei niedrigeren
Preisen möglich wäre. Hinzu kommt, daß der landwirtschaftliche Strukturwandel
ohnehin etwas langsamer verläuft als in der Mehrzahl der anderen Sektoren. In diesen
können die effizienteren Betriebe in der Regel ihre Produktion stärker ausweiten, da
keine sektorspezifischen Produktionsfaktoren, wie Boden in der Landwirtschaft,
begrenzend wirken. Die Produktionsausweitung führt dazu, daß die Marktpreise unter
Druck geraten und Grenzanbieter vom Markt verdrängen. In der Landwirtschaft sind
jedoch die effizienteren Betriebe bei der Steigerung der Produktion durch begrenzten
Zugang zum Produktionsfaktor Boden beschränkt. Wollen Betriebe ihre Anbaufläche
erhöhen, sind sie darauf angewiesen, daß andere Betriebe Boden abgeben. Dies
geschieht aber in der Landwirtschaft in der Regel nur dann, wenn Betriebe entweder im
Generationswechsel aufgegeben oder aber über den Preisdruck aus dem Markt gedrängt
werden. Die Preisstützungspolitik führt demnach dazu, daß das Ausscheiden von
Betrieben verringert und damit der Strukturwandel gehemmt wird.
III. Warum ist die Agrarpolitik wie sie ist?
In diesem Abschnitt sollen zunächst ökonomische Rechtfertigungsversuche für eine
erhöhte Regelungsintensität im Agrarsektor gegeben werden. Anschließend wird etwas
detaillierter auf politökonomische Bestimmungsfaktoren eingegangen.
1. Ökonomische Rechtfertigungsversuche für eine erhöhte Regelungsintensität in der
Agrarpolitik
8
Ob man im Agrarsektor eine erhöhte Regelungsintensität für notwendig erachtet,
beinhaltet ein Werturteil. Als Norm könnte z.B. gelten: Die Notwendigkeit zur erhöhter
Regelungsintensität wird anerkannt, wenn im Objektbereich der Agrarpolitik die
Diskrepanz zwischen Wunschsituation (Zielsituation) und dem Ergebnis der
Marktkräfte (Istsituation) größer ist als in anderen Sektoren , und ein für die
Landwirtschaft spezifischer Mitteleinsatz erforderlich ist. Eine Konkretisierung dieser
Norm setzt voraus, daß man die Zielsituation spezifiziert. Entsprechend den
Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft könnte als Zielsituation ein
Marktergebnis angesehen werden, das zum einen zu einer Maximierung des
Sozialproduktes bei gegebenem Faktoreinsatz in der Volkswirtschaft beiträgt, und zum
anderen zu einer Einkommensverteilung führt, die als sozial akzeptabel betrachtet wird.
So schreibt Günther Schmitt: „Vielmehr bedarf es staatlicher Eingriffe, um die nicht
ausreichende Fähigkeit des Preis- und Marktmechanismus zur ‘vollständigen
Integration’ der einzelwirtschaftlichen Aktivitäten in Richtung auf einen vollständigen
Ausgleich der Faktorentgelte für gleiche Faktorbeiträge zu erreichen“ (Schmitt 1972,
339). In der Tat zeigten eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen, daß die
Faktorentgelte bei vielen landwirtschaftlichen Betrieben niedriger sind als die Entgelte,
die für den gleichen Faktoreinsatz entweder in anderen landwirtschaftlichen Betrieben
oder auch in anderen Sektoren erzielt werden könnten. Die Faktorallokation ist damit
im Hinblick auf die Zielsetzung ‘Maximierung des Sozialproduktes’ nicht optimal.
Dennoch ist es problematisch, die Ausrichtung der Strukturpolitik allein auf diese
Beobachtung zu stützen. Der Marktmechanismus kann bekanntlich nur dann zu einer
Maximierung des Sozialproduktes beitragen, wenn die Unternehmer das Ziel der
Gewinnmaximierung verfolgen. Das beinhaltet, daß sich landwirtschaftliche
Unternehmer bei ihren Entscheidungen lediglich an monetären Zielsetzungen und an
Opportunitätskosten orientieren. Auswertungen des Agrarberichtes der
Bundesregierung zeigen jedoch, daß für eine Vielzahl von landwirtschaftlichen
Betriebsleitern andere Zielsetzungen gelten müssen. So erwirtschaften über 40% der
landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe über einen längeren Zeitraum hinweg jährlich
Eigenkapitalverluste. Diese Betriebsinhaber wären demnach besser beraten, wenn sie
ihre landwirtschaftliche Tätigkeit einstellen und ihren Boden verpachten würden. Dies
deutet darauf hin, daß der landwirtschaftlichen Tätigkeit ein besonderer Wert
beigemessen wird. Landwirtschaft wird nicht nur als eine Möglichkeit der
9
Einkommenserzielung betrachtet, sondern auch, um eine bestimmte Lebensweise zu
führen. Statt der Gewinnmaximierung scheint für viele Landwirte die
Nutzenmaximierung zu gelten, die neben dem Einkommen auch andere Variablen in der
Nutzenfunktion enthält. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die einzelnen
Entscheidungsträger den nicht monetären Faktoren in der Nutzenfunktion bei
steigenden Einkommen eine relativ große Bedeutung beimessen. Man führt den
landwirtschaftlichen Betrieb, der seit Generationen in der Hand der Familie ist, auch
dann weiter, wenn das Einkommen zwar nicht so hoch wie bei einer alternativen
Tätigkeit ist, die Tätigkeit aber zumindest eine subjektiv bemessen ausreichende
Einkommenshöhe gewährleistet. Hiermit stellt sich für die Agrarpolitik ein besonderes
Dilemma. Zwar könnte durch eine Reallokation der Faktoren das Sozialprodukt in der
Gesellschaft erhöht werden, doch würde dieses nicht einhergehen mit einer
Maximierung der individuellen Nutzen aller Wirtschaftssubjekte in der Gesellschaft.
Eine sektoral ausgerichtete Strukturpolitik läßt sich nur dann rechtfertigen, wenn die für
die Strukturpolitik aufzubringenden Mittel von seiten der Nichtlandwirte niedriger sind
als die Wohlfahrtsgewinne, die die Nichtlandwirte hierdurch erzielen könnten. Es gibt
Hinweise dafür, daß dieser Tatbestand in der Realität vorliegt.
Die Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebes ist mit langfristigen
sektorspezifischen Investitionen verbunden. Dies betrifft zum einen die spezifische
Qualifikation, die sich die landwirtschaftlichen Betriebsleiter aneignen müssen und die
in anderen Sektoren nur zum Teil rentabel verwertet werden kann. Dies betrifft aber
auch Investitionen in landwirtschaftliche Maschinen und Gebäude, deren
Opportunitätskosten aufgrund des quasi-fixen Charakters in der Regel nach dem
Zeitpunkt der Investitionsvornahme erheblich sinken. Es kann daher vermutet werden,
daß zum einen Erwartungen über die zukünftige Situation und zum anderen
Risikoüberlegungen eine ganz besondere Rolle spielen. Falsche Erwartungen können
sowohl aus individueller als auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu Fehlinvestitionen
führen.
Es ist anzunehmen, daß Erwartungen über die zukünftige Situation um so eher falsch
sind, je mehr die zukünftige Entwicklung von der vergangenen Entwicklung abweicht.
Diese Situation hat für die Landwirtschaft in den vergangenen fünfzig Jahren
vorgelegen. Die Entwicklung technischer Fortschritte im Agrarsektor war nicht zu
erwarten. So zeigt z.B. die Entwicklung der Weizenerträge nicht nur in der
10
Bundesrepublik sondern weltweit, daß nach dem Zweiten Weltkrieg ein Strukturbruch
eintrat (siehe Abbildung 1). Es kann nicht angenommen werden, daß einzelne
Landwirte in der Lage waren, diese Entwicklung zu prognostizieren und ihre
langfristigen Investitionen darauf auszurichten. Unerwartet war wahrscheinlich für viele
Landwirte auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Gesamtwirtschaftliches
Wachstum erhöht die Opportunitätskosten für landwirtschaftliche Arbeitskräfte und
macht möglicherweise Investitionen in landwirtschaftliches Humankapital ex post
unrentabel. Aus diesen Überlegungen folgt, daß der Staat zu einer Verbesserung des
landwirtschaftlichen Produktionsergebnisses aus gesamtwirtschaftlicher Sicht beitragen
kann, wenn er die Erwartungsbildung bei einzelnen Entscheidungsträgern in der
Landwirtschaft verbessert.
11
Abbildung 1: Entwicklung der Flächenerträge bei Weizen in ausgewählten
Ländern von 1840 bis 1990
Weizenertrõge
Quelle: Weber, A. und H. Ehlers (1988), Untersuchungen zur historischen und
künftigen Entwicklung der Getreideerträge in verschiedenen Weltteilen. Institut für
Agrarpolitik und Marktlehre. Universität Kiel. Diskussionsbeiträge Nr. 61.
Landwirtschaftliche Märkte zeichnen sich wie andere Rohstoffmärkte bei freier
Preisbildung durch eine besondere Instabilität aus. Instabile Preise und Einkommen
bedeuten ein zusätzliches Risiko für die Investoren. Es kann vermutet werden, daß
immer dann, wenn es nicht genügend ausgebildete Märkte für Risikotransfer gibt,
einzelbetriebliche Entscheidungen stärker Risiko berücksichtigen, als dieses aus
12
gesamtwirtschaftlicher Sicht sinnvoll wäre. Es kann daher sinnvoll sein, wenn der Staat
versucht, den betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozeß in gesamtwirtschaftlicher
Richtung zu beeinflussen.
Staatliche Regelungen der Agrarmärkte können ökonomisch auch gerechtfertigt sein,
wenn die Agrarproduktion mit externen Effekten verbunden ist und/oder die
gesamtwirtschaftliche Effizienz der Agrarproduktion durch die Bereitstellung
öffentlicher Güter verbessert werden kann. So wird häufig argumentiert, daß die
Landwirtschaft z.B. durch die Aufrechterhaltung der Kulturlandschaft einen positiven
externen Effekt erwirtschaftet, für den sie über den Markt nicht entgolten wird. Diese
Argumentation greift allerdings etwas zu kurz. Positive externe Effekte wären in einem
marktwirtschaftlichen System nur dann zu entgelten, wenn sie ohne dieses Entgelt nicht
angeboten würden. Ergeben sie sich lediglich als Nebenprodukt bei der Erstellung der
landwirtschaftlichen Güter, so ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine zusätzliche
Entlohnung der Landwirte für die Bereitstellung dieser externen Effekte nicht zu
rechtfertigen. Daraus folgt gleichzeitig, daß jeweils im Einzelfall geprüft werden müßte,
welche externen Effekte von der Landwirtschaft erbracht werden und ob diese Effekte
lediglich als Nebenprodukt der Agrarproduktion anfallen und von den Nichtlandwirten
in dieser Menge gewünscht werden. Das Ergebnis der Überprüfung wird sicherlich
regionenspezifisch ausfallen; damit kann mit diesem Argument eine allgemeine
Förderung der landwirtschaftlichen Produktion, wie sie z.B. zur Zeit in Bayern
praktiziert wird, ökonomisch nicht begründet werden.
Im Schrifttum werden als ökonomische Begründungsversuche für eine spezielle
Regelungsintensität des Agrarsektors häufig Hypothesen angeführt, die angeblich zu
einer disparitätischen Einkommensentwicklung der Landwirte führen sollten. Mit
diesen Hypothesen hat sich u.a. Schmitt (1972) intensiv beschäftigt (siehe hierzu auch
Koester 1992, 193-209). Diese Hypothesen ergreifen entweder Besonderheiten auf der
Angebotsseite oder auf der Nachfrageseite heraus, gehen von einer Preisbildung in einer
geschlossenen Volkswirtschaft aus und versuchen zu erklären, daß sich auf den
Agrarmärkten Preise einstellen, die keine paritätische Einkommensentwicklung der
Landwirte ermöglichen. Wegen des partiellen Ansatzes und der speziellen Annahme
einer geschlossenen Volkswirtschaft sind diese Hypothesen nicht als ökonomische
Rechtfertigung einer speziellen Regelungsintensität des Agrarsektors zu akzeptieren.
Hinzu kommt, daß mit den Hypothesen ein Phänomen, nämlich die
13
Einkommensdisparität der Landwirte erklärt werden soll, über das es selbst wenig
empirische Informationen gibt. So wird z.B. in den Agrarberichten der Bundesregierung
bei der Ermittlung der Einkommensdisparität nicht das gesamte Einkommen der
Landwirte ermittelt, sondern lediglich das Einkommen aus landwirtschaftlicher
Tätigkeit. Es kann also sehr wohl sein, daß die Landwirte insgesamt über ein
Einkommen verfügen, das ihren Opportunitätskosten entspricht. Weiterhin hat man
keine Informationen darüber, was die Landwirte selbst als ihre adäquaten
Opportunitätskosten ansehen. Auch auf EU-Ebene wird zwar eine Preispolitik
betrieben, die darauf abzielt, die landwirtschaftlichen Einkommen zu erhöhen, doch gibt
es keine ausreichenden Informationen über das Einkommen der Landwirte aus
landwirtschaftlicher und nichtlandwirtschaftlicher Tätigkeit sowie aus Vermögen.
Zusammenfassend kann daher gesagt werden, daß es zwar eine ökonomische
Berechtigung für staatliche Eingriffe auf den Agrarmärkten geben kann
(selbstverständlich beinhaltet dieses aber auch ein Werturteil), daß aber weder das
Niveau noch die Struktur der derzeitigen Regelungsintensität ökonomisch vertretbar
sind. Wenn man daher die gegenwärtige Situation der Regelungsintensität verstehen
will, empfiehlt es sich nach politökonomischen Erklärungsfaktoren zu suchen.
2. Politökonomische Bestimmungsfaktoren der Regelungsintensität auf den
Agrarmärkten in der Bundesrepublik Deutschland
Ausgangspunkt der Erklärung ist die Grundhypothese, daß alle an politischen
Entscheidungen Mitwirkenden versuchen, ihre persönlichen Ziele im Rahmen der
Möglichkeiten zu verwirklichen. Das Treffen agrarpolitischer Entscheidungen kann mit
einem Spiel verglichen werden. Verlauf und Ergebnis des Spiels hängen zum einen von
den Spielern ab und zum anderen von den Spielregeln. Die Spieler sind die Akteure in
der Politik. Das können Träger der Politik gemäß der traditionellen Definition sein
(Koester 1992, 211), aber auch Organisationen und Personen, die auf Verlauf und
Ergebnis der Wirtschaftsprozesse Einfluß nehmen. Die Spielregeln sind Institutionen,
welche die Interaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten vorhersehbar machen, wodurch
die Transaktionskosten gesenkt und die Arbeitsteilung in der Volkswirtschaft erleichtert
wird.
14
2.1 Pfadabhängigkeit von Politiken
Es kann beobachtet werden, daß grundlegende Weichen für protektionistische
Agrarpolitiken in einzelnen Ländern in der Regel in Krisenzeiten gestellt wurden oder
sich als Ergebnis einer besonderen Konstellation in der Vergangenheit ergaben. So sind
z.B. die Grundelemente der US-Agrarpolitik in der Weltwirtschaftskrise eingeführt
worden. Das Beharrungsvermögen protektionistischer Politiken kann mit einem
Sperrklinkeneffekt verglichen werden. Staatliche Eingriffe in den Markmechanismus
schaffen eine Gruppe von begünstigten Wirtschaftssubjekten, die sich für das
Fortbestehen der Politikmaßnahme einsetzen, selbst wenn sich die Rahmenbedingungen
grundlegend geändert haben. Die Geschichte der Agrarpolitik in der BRD und EU zeigt,
daß einzelne Maßnahmen nur selten suspendiert wurden. Statt dessen kam es im
Zeitablauf zu einer Ausweitung des Instrumenteneinsatzes mit einer zunehmenden
Abkehr von den Prinzipien der ‘sozialen Marktwirtschaft’.
Die starke Regelungsintensität auf den Agrarmärkten der Bundesrepublik
Deutschland ist durch entscheidende Weichenstellungen zu bestimmten Zeitpunkten in
den letzten fünfzig Jahren historisch gewachsen. Diese Weichenstellungen führten zu
einem Entwicklungspfad der Agrarpolitik, der im Widerspruch zu den Prinzipien der
sozialen Marktwirtschaft steht. Solche grundlegenden Weichenstellungen erfolgten mit
1. der Einführung von Sonderregelungen für den Agrarsektor zum Zeitpunkt der
Einführung der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland,
2. der Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes im Jahr 1955,
3. der Sonderstellung der Agrarpolitik im EWG-Vertrag von 1957,
4. der Einführung der Zuckermarktkontingentierung im Jahre 1958/59.
5. der Schaffung von EWG-Agrarmarktordnungen mit den allgemeinen
Grundprinzipien ‘finanzielle Solidarität’, ‘Gemeinschaftspräferenz für
Agrarprodukte’ und ‘Einheit der Märkte’ im Jahr 1962,
6. der Einführung des ‘Einzelbetrieblichen Förderungsprogramms’ im Jahr 1971,
7. der Einführung der Milchkontingentierung im Jahr 1984.
8. der Einführung der freiwilligen Flächenstillegung 1988 und der quasiobligatorischen Flächenstillegung mit der Agrarreform vom Mai 1992.
9. der Einführung von einzelbetrieblichen Kontrollen bezüglich der Flächennutzung
mit der Agrarreform von 1992.
15
10. der zeitlich unbegrenzten Einführung von Kompensationszahlungen mit der
Agrarreform von 1992.
Zu 1: Der Übergang von der Bewirtschaftungspolitik der Nachkriegszeit zur sozialen
Marktwirtschaft
Kurz nach der Währungsreform vom 21.6.1948 wurde am 24.6.1948 ein sogenanntes
„Leitsätzegesetz“ erlassen, ein Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und
Preispolitik nach der Geldreform. Danach wurde die Bewirtschaftung im industriell
gewerblichen Bereich weitgehend aufgehoben (Kluge 1989). Ludwig Erhardt lehnte
aber im Widerspruch zu diesem Gesetz eine Liberalisierung des Agrar- und
Ernährungssektors von vornherein ab. Im Jahr 1949 wurden dann preis- und
marktwirtschaftliche Grundsatzentscheidungen gefällt, die die weitere Entwicklung der
Agrarpolitik in der Bundesrepublik grundlegend beeinflußten.
Bemerkenswert ist, daß in dem Ausschuß für landwirtschaftliche Marktordnung die
Gruppe der Agrarwissenschaftler (mit den Professoren Niehaus, von Dietze, Wöhrmann,
Hanau und dem Vertreter des deutschen Gewerkschaftsbundes Teichmann) erhebliche
Bedenken gegen den Vorschlag, die Märkte für Hauptnahrungsgüter zu organisieren,
äußerten. Dagegen setzten sich die Vertreter der staatlichen Ernährungsverwaltung und
der Wirtschaftsverbände (insbesondere auch der Präsident des Institutes für
Weltwirtschaft Bade sowie sein Stellvertreter Stisser) für eine intensive Regelung der
Agrarmärkte durch Agrarordnungen ein (Kluge 1989, 116). Die Regierung entschied
sich für den Vorschlag Marktordnungen; im Parlament wurden die Gesetze für
Marktordnungen 1950/51 verabschiedet.. Von besonderer Bedeutung war das
Getreidegesetz (Modest 1953, Plate, Fischer 1964). Hiernach hatte das
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten jährlich einen
Versorgungsplan aufzustellen; Bundesregierung und Parlament legten durch
Bundesgesetz die inländischen Erzeugerpreise fest. Die Preise für die anderen
Agrarprodukte wurden in Anlehnung an den Getreidepreis ebenfalls jährlich festgelegt.
Für die weitere Entwicklung der Agrarpolitik war von besonderer Bedeutung, daß
diese Marktordnungen einen jährlichen diskretionären Entscheidungsbedarf von
Regierung und Parlament vorsah. Hierdurch war es möglich, daß sich die
Interessenvertreter im politischen Raum stärker durchsetzen konnten. Die Entwicklung
16
hat gezeigt, daß die Marktordnungen im Zeitablauf sowohl im Umfang als auch in der
Regelungsintensität zugenommen haben.
Zu 2: Die Bedeutung des Landwirtschaftsgesetzes von 1955
Nach § 1 des Landwirtschaftsgesetzes vom September 1955 ist die Landwirtschaft
mit den Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik, insbesondere der
Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik in den Stand zu setzen, die für sie
bestehenden naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen
Wirtschaftsbereichen auszugleichen und ihre Produktivität zu steigern. Damit soll
gleichzeitig die soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die
vergleichbarer Berufsgruppen angeglichen werden.
Mit dem Landwirtschaftsgesetz wird demnach dem Agrarsektor eine Sonderrolle in
der Volkswirtschaft eingeräumt (Puvogel1957). Für keinen anderen Sektor gilt im
System der sozialen Marktwirtschaft, daß die Regierung für die soziale Lage der im
Sektor tätigen Menschen verantwortlich ist. Zwar wird im Landwirtschaftsgesetz noch
nicht präzisiert, wie die soziale Lage zu messen ist, doch wird in § 4 aufgeführt, daß die
Bundesregierung bis zum 15. Februar eines jeden Jahres dem Bundestag und dem
Bundesrat einen Bericht über die Lage der Landwirtschaft vorzulegen hat. Dieser
Bericht soll eine Stellungnahme dazu enthalten, inwieweit
a) ein den Löhnen vergleichbarer Berufs- und Tarifgruppen entsprechender Lohn für die
fremden und familieneigenen Arbeitskräfte - umgerechnet auf notwendige
Vollarbeitskräfte - ,
b) ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit des Betriebsleiters
(Betriebsleiterzuschlag) und
c) eine angemessene Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals
erzielt wird. Dabei soll im wesentlichen von Betrieben mit durchschnittlichen
Produktionsbedingungen ausgegangen werden, die bei ordnungsmäßiger Führung die
wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie gewährleisten.
Das Landwirtschaftsgesetz kann als ein großer Erfolg der landwirtschaftlichen
Interessengruppen angesehen werden. Durch dieses Gesetz wird die Regierung nicht
nur verpflichtet, über die Einkommenslage der Landwirte zu informieren. Sie wird
darüber hinaus auch veranlaßt, entsprechende Maßnahmen zur Angleichung der
17
sozialen Lage zu ergreifen. Mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft ist dieses
Gesetz nicht vereinbar. Einkommensunterschiede zwischen den Berufstätigen in
unterschiedlichen Sektoren wird es in marktwirtschaftlichen Systemen aus
unterschiedlichen Gründen geben. Die Berufstätigen orientieren sich nicht nur an dem
Einkommen, sondern auch an nichtmonetären Werten wie z.B. dem Wohnwert, dem
Freizeitwert, dem Prestige des Berufes und anderen Dingen. Hinzu kommt, daß die
Qualifikation der Berufstätigen in einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich ist. Weiterhin
können Einkommensunterschiede zwischen Sektoren notwendig sein, um bei
wirtschaftlichem Wachstum eine Wanderung von Arbeitskräften von einem Sektor zu
einem anderen zu bewirken.
Zu 3: Die Sonderstellung der Agrarpolitik im EWG-Vertrag von 1957
Bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft waren sich die sechs
Gründerstaaten einig, daß auch der Agrarsektor in den Integrationsprozeß einbezogen
werden sollte. Der EWG-Vertrag räumt daher dem Agrarsektor einen besonderen
Abschnitt mit den Artikeln 38 bis 47 ein. In Artikel 40 wurde darauf hingewiesen, daß
eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte geschaffen werden sollte. Man legte
sich jedoch noch nicht auf eine spezielle Organisationsform fest. Statt dessen wurde
explizit genannt, daß folgende Organisationsformen möglich sind:
a) Gemeinsame Wettbewerbsregeln,
b) eine bindende Koordinierung der verschiedenen einzelstaatlichen Marktordnungen
sowie
c) eine europäische Marktordnung.
Somit hatte man wiederum im EWG-Vertrag die Möglichkeit eröffnet, daß die
Interessenvertreter gezielt Einfluß auf die Gestaltung der Agrarpolitik nehmen konnten.
Zu 4: Die Einführung der Zuckermarktkontingentierung im Jahr 1958/59
Obwohl der EWG-Vertrag bereits unterzeichnet war und obwohl sich die
Bundesregierung im klaren darüber sein mußte, daß eine Vereinheitlichung der
nationalen Agrarpolitik bevorstand, führte man auf dem Zuckermarkt ein Instrument
ein, daß mit den Prinzipien der Marktwirtschaft nicht vereinbar ist. Der
18
Zuckerrübenanbau wurde auf einzelbetrieblicher Ebene quotiert. Hierdurch wurde es
möglich, den Landwirten höhere Zuckerrübenpreise zu garantieren. Besonders
bemerkenswert ist hierbei, daß es nicht die soziale Lage der Zuckerrübenproduzenten
war, die zu diesem marktfremden Instrument greifen ließ. Im Gegenteil, die Einkommen
der Zuckerrübenproduzenten waren zur damaligen Zeit - und sind es auch heute noch überdurchschnittlich hoch, verglichen mit den Produzenten anderer landwirtschaftlicher
Güter. Die Quotierung wurde eingeführt, weil es technisch relativ leicht möglich war.
Da die Zuckerrüben zur Verarbeitung an Zuckerfabriken geliefert werden, liegt quasi
ein Flaschenhalsprinzip im Vermarktungsprozeß vor und eine Erfassung der
Produktionsmengen ist daher verwaltungstechnisch relativ einfach möglich.
Mit der Quotierung der Zuckerrübenproduktion hat man einen eng begrenzten Kreis
von Begünstigten geschaffen, die darauf hinwirkten, daß die Quotierung der
Zuckerrübenproduktion bis zum heutigen Tag in der Bundesrepublik fortgeführt wurde.
Die Zuckerrübenproduktion ist überdurchschnittlich hoch protektioniert.
Zu 5: Die Schaffung von EWG-Agrarmarktordnungen mit den allgemeinen
Grundprinzipien ‘Solidarität’, ‘Gemeinschaftspräferenz für Agrarprodukte’ und
‘Einheit der Märkte’ im Jahr 1962
Auch wenn der EWG-Vertrag noch keine eindeutige Organisationsform der
Agrarmärkte vorsah, so konnte man erwarten, daß aufgrund des politischen Einflusses
der Interessengruppen eine der drei Alternativen durchgesetzt würden. So wurde im
Januar 1962 entschieden, daß man gemeinsame Agrarmarktordnungen schaffen wollte.
Für die weitere Entwicklung der Agrarpolitik war hier von besonderer Bedeutung, daß
man als die Grundpfeiler der Agrarmarktordnungen die drei Grundprinzipien
‘finanzielle Solidarität’, ‘Gemeinschaftspräferenz für Agrarprodukte’ und ‘Einheit der
Märkte’ ansah. Besonders nachteilig war, daß die Gemeinschaftspräferenz durch ein
System von variablen Abschöpfungen durchgesetzt werden sollte. Der Agrarministerrat
konnte demnach jährlich die Protektionsrate für Agrarprodukte neu festlegen. Wenn
man unterstellt, daß die Mitglieder des Agrarministerrates in der Regel mehr am Wohl
der Landwirte als am Gesamtwohl interessiert sind, so ist es nicht verwunderlich, daß
der Agrarprotektionismus im Zeitablauf zugenommen hat. Hierzu hat allerdings auch
beigetragen, daß auf dem Weltmarkt die Preise im Zeitablauf tendenziell gesunken sind.
19
Grundlegende Weichen wurden zu Beginn der gemeinsamen Marktordnungen mit
der Festlegung des Getreidepreises gestellt. Da die Getreidepreise, wie auch die Preise
für andere landwirtschaftliche Produkte, in den Mitgliedsländern der EWG
unterschiedlich hoch waren, war es notwendig, sich auf ein gemeinsames Preisniveau zu
einigen. So belief sich z.B. die Differenz zwischen dem französischen und deutschen
Weizenpreis im Jahr 1958/59 auf etwa 45% (Scholz 1988, 117). Hätte man sich bei der
Festlegung des gemeinsamen Preisniveaus an den Regeln des GATT orientiert, hätte
das durchschnittliche Protektionsniveau hätte nicht aufgehoben werden dürfen. Auf
Druck der deutschen Landwirtschaft und gegen die Empfehlungen des
Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten einigte man sich jedoch auf einen Getreidepreis, der erheblich über dem
Durchschnitt lag. Hiermit wurde eine Ausgangssituation geschaffen, die zu weiteren
Produktionssteigerungen in der Gemeinschaft führte und eine Erweiterung des
Instrumentariums in den Folgejahren bewirkte.
Zu 6: Die Einführung des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms im Jahr 1971
Mit dem einzelbetrieblichen Förderungsprogramm wurde anerkannt, daß es einen
fortwährenden Strukturwandel in der Landwirtschaft geben würde. Der strukturelle
Anpassungsprozeß sollte gefördert werden, indem man entwicklungsfähigen Betrieben
durch zinsverbilligte Kredite Anpassungshilfen gab und nicht entwicklungsfähige
Betriebe zum Ausscheiden aus der Produktion anregte.
Mit diesem Programm wurde wiederum gegen den Geist des marktwirtschaftlichen
Systems verstoßen. Der Staat maßt sich an zu entscheiden, welche Betriebe als
entwicklungsfähig zu bezeichnen sind und welche nicht. Es ist nicht verwunderlich, daß
die Erfahrungen mit den einzelbetrieblichen Förderungsprogrammen aus
gesamtwirtschaftlicher Sicht negativ sind (siehe oben).
Zu 7: Die Einführung der Milchkontingentierung im Jahr 1984
Die Kontingentierung der Milchproduktion beinhaltete eine weitere Abkehr von
marktwirtschaftlichen Prinzipien für einen relativ großen Anteil des
landwirtschaftlichen Produktionswertes. So entfällt z.B. in der Bundesrepublik
20
Deutschland etwa 26% der Enderzeugung auf Milch. In der EU-15 sind es 18%. Da
aber die Milchkontingentierung einen großen Einfluß auf den Rindfleischmarkt hat, hat
man durch dieses Instrument in der Bundesrepublik zusätzlich 12.3% der Enderzeugung
nahezu direkt erfaßt. In der EU-15 sind es weitere 12,1% (1994). Zusammen mit der
Zuckerrübenproduktion sind damit in der Bundesrepublik Deutschland etwa 40% der
landwirtschaftlichen Enderzeugung durch Quotierung direkt beeinflußt. Das Jahr 1984
kann damit als ein Jahr mit besonderer Abkehrung von den Prinzipien der sozialen
Marktwirtschaft und für die Regulierung der Agrarmärkte bezeichnet werden.
Zu 8: Einführung von Flächenstillegungen 1988 auf freiwilliger Basis und quasiobligatorisch mit der Agrarreform im Mai 1992
Während der Amtszeit des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten Kiechle (1983 bis 1993) kam es zu einer besonders starken Zunahme der
Regelungsintensität im Agrarsektor. Nach Vorstellungen Kiechles bestand das
Hauptproblem in der Agrarpolitik zum einen in den Überschüssen bei den gestützten
Preisen und zum anderen in den zu niedrigen Einkommen der Landwirte. Er strebte
daher an, durch angebotsbeschränkende Maßnahmen Überschußprobleme zu beseitigen,
um dadurch einen vergrößerten Spielraum für Preisanhebungen zu erhalten. Nachdem
bereits zu Beginn seiner Amtszeit die Milchkontingentierung zumindest das weitere
Wachsen der Überschüsse auf dem Milchmarkt verhindern konnte, versuchte er durch
die freiwillige Flächenstillegung 1988, die Überschüsse bei Ackerbauprodukten zu
reduzieren. Er setzte auf EU-Ebene durch, daß alle Mitgliedsländer verpflichtet wurden,
ein Flächenstillegungsprogramm anzubieten. Allerdings waren die Mitgliedsländer
weitgehend frei in der Festlegung der Prämie für die stillgelegten Flächen. Lediglich die
Bundesrepublik Deutschland machte das Programm für die Landwirte so attraktiv, daß
z.B. in 1990/91 der Umfang der stillgelegten Flächen in der Bundesrepublik größer war
als in allen übrigen Mitgliedsländern insgesamt. Das Programm war insbesondere für
die neuen Bundesländer sehr attraktiv. Es wurden z.B. in Brandenburg 18,9% der
Getreidefläche stillgelegt.
Da das freiwillige Flächenstillegungsprogramm nach Meinung der Agrarminister
nicht zu einer genügenden Marktentlastung führte, wurde es mit der Agrarreform von
1992 zu einem quasi-obligatorischen Flächenstillegungsprogramm ausgeweitet. Für die
21
freiwillige Flächenstillegung wurde den Landwirten das entgangene Einkommen durch
die Nichtbewirtschaftung der Flächen vom Staat erstattet. Für die quasi-obligatorische
Flächenstillegung gilt, daß Landwirte nur dann in den Genuß von direkten Zahlungen
als Ersatz für Preissenkungen, die auch mit der Agrarreform 1992 beschlossen wurden,
gelangen, wenn sie einen bestimmten Prozentsatz ihrer Flächen stillegen.
Bei dem freiwilligen Flächenstillegungsprogramm war eine Überkompensation des
Einkommensverlustes durch die Prämienzahlungen implizit eingebaut. Es kann davon
ausgegangen werden, daß die Landwirte nur dann Flächen stillgelegt haben, wenn die
Prämienzahlung zumindest den Einkommensausfall kompensierten. Für einen Teil der
Landwirte erfolgte damit mit Sicherheit eine Überkompensation.
Flächenstillegungsprogramme sind aus ordnungspolitischer Sicht besonders
bedenklich. Es wird quasi per Verordnung auf die Nutzung eines produktiven Faktors
verzichtet. Hinzu kommt, das aufgrund der Komplementarität des Faktoreinsatzes auch
Arbeit und Kapital weniger genutzt werden. Hiermit wird also die versteckte
Arbeitslosigkeit auf den landwirtschaftlichen Betrieben erhöht.
Zu 9: Die Einführung von einzelbetrieblichen Kontrollen bezüglich der Flächennutzung
seit dem Wirtschaftsjahr 1993/94
Mit der Agrarreform von 1992 wurde ab dem Wirtschaftsjahr 1993/94 eine
Quotierung der nationalen und regionalen Anbauflächen für Getreide, Ölsaaten und
Eiweißprodukte explizit eingeführt. Kompensationszahlungen als Ersatz für
Preissenkungen wurde nur für eine Grundfläche gezahlt. Bei Überschreiten der
Grundfläche auf regionaler Ebene wurde die Kompensationszahlung für die Landwirte
in dieser Region gesenkt und der Flächenstillegungssatz erhöht. Somit hat man den
Anbau in den einzelnen Regionen quasi kontingentiert. Eine Wanderung der Produktion
an die Standorte mit komparativen Vorteilen wird damit unterbunden.
Da die Kompensationszahlungen an die Flächennutzung gebunden sind, benötigt die
Administration Informationen über die einzelbetriebliche Flächennutzung. Mit der
Agrarreform von 1992 hat man damit die Regelungsintensität von den Produktmärkten
auf die Faktormärkte und die einzelnen Betriebe erheblich ausgeweitet. Diese
Maßnahme widerspricht sowohl marktwirtschaftlichen Prinzipien als auch der
Sozialstaatlichkeit.
22
Zu 10: Zeitlich unbegrenzte Einführung von Kompensationszahlungen mit der
Agrarreform von 1992
Mit der Agrarreform von 1992 wurden unter anderem die Interventionspreise für
Getreide um etwa 30% gesenkt. Der Außenschutz wurde dementsprechend reduziert.
Als Ersatz für die Preissenkung erhalten die Landwirte seit dem Wirtschaftsjahr
1993/94 Kompensationszahlungen, die im Durchschnitt die Einkommensminderung
kompensieren soll. Wie oben bereits ausgeführt, sind diese Kompensationszahlungen
aber an die Flächennutzung gebunden.
Die Transferwirkungen der Ausgleichszahlungen stehen im Widerspruch zu
sonstigen Verteilungszielen im System der sozialen Marktwirtschaft (Schrader 1993).
Es werden vornehmlich die Eigentümer von Boden begünstigt, ohne daß deren soziale
Bedürftigkeit belegt wird. Auch ist eine zeitliche Befristung der Zahlung explizit nicht
vorgesehen. Hier wird implizit zugestanden, daß die Landwirte einen Anspruch darauf
haben, daß der Status quo, der durch einen hohen Protektionsgrad in der Vergangenheit
gekennzeichnet war, auch zukünftig aufrechterhalten bleibt. Offensichtlich widerspricht
dieses den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Solche Zahlungen wären nur dann
zu rechtfertigen, wenn dadurch die sozialen Härten des Anpassungsprozesses an das
niedrigere Preisniveau gemindert und/oder der Anpassungsprozeß beschleunigt werden
würde. Es wäre daher zumindest eine zeitliche Begrenzung der gegenwärtigen
Transferzahlungen zu fordern.
Die Entwicklung der Agrarpolitik in der Bundesrepublik und in der Europäischen
Gemeinschaft belegt, wie sich der Protektionismus allmählich ausweiten kann. Doch
natürlich gibt es keine Zwangsläufigkeit, daß auf einzelne protektionistische
Maßnahmen andere folgen müssen. Die Agrarpolitik scheint hier eine Sonderstellung
einzunehmen. Im folgenden ist daher zu begründen, warum sich diese Entwicklung
einstellen konnte.
2.2 Die Bedeutung von Organisationen und Institutionen für das Ergebnis der
Agrarpolitik
23
Oben wurde bereits darauf hingewiesen, daß mit dem Ansatz der politischen
Ökonomie versucht wird, das Ergebnis der Politik zu erklären, indem man die Spieler
(die Akteure der Politik) identifiziert und die Regeln, denen sie unterworfen sind, im
Hinblick auf ihre Relevanz untersucht. In Abbildung 2 sind die wichtigsten Akteure der
EU-Agrarpolitik sowie die Bestimmungsfaktoren ihrer Entscheidungen und die
wichtigsten Institutionen aufgeführt.
Eine ausführliche Beschreibung des Entscheidungsprozesses ist leider aus
Platzgründen nicht möglich. Es soll daher an dieser Stelle lediglich auf einige
herausragende Besonderheiten in der Agrarpolitik hingewiesen werden. Bezüglich der
Akteure der Politik ist von Bedeutung, daß der EU-Agrarministerrat für die
Gesetzgebung im EG-Bereich zuständig ist. Verordnungen, die die Grundlage der
landwirtschaftlichen Marktordnungen darstellen, sind EU-Gesetze. Der
Agrarministerrat ist von seiner Zusammensetzung her erwartungsgemäß mehr an den
Interessen der Landwirte als an den Interessen der Gesamtheit interessiert. Dies zeigt
sich unter anderem daran, daß die Landwirtschaftsminister in der Bundesrepublik vor
ihrer Tätigkeit als Minister teilweise herausragende Positionen im Bauernverband
innehatten (so war z.B. Minister Borchert vor seine seiner Tätigkeit als Bundesminister
Vizepräsident des Landesverbandes von Nordrhein-Westfalen). Es ist nicht
nachweisbar, daß sich der Agrarministerrat bei seinen Entscheidungen vornehmlich an
gesamtwirtschaftlichen Kriterien orientiert. Statt dessen wird immer wieder betont, daß
die Hauptkriterien für die Entscheidungen die Einkommen der Landwirte, die Wirkung
auf die Staatsausgaben und die Überschüsse oder Lagerbestände sind. Diese Variablen
sind aber mit gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtseffekten nicht eindeutig korreliert.
Eingeschränkt wird der Agrarministerrat bei seinem Bestreben, die Einkommen der
Landwirte zu erhöhen - vornehmlich durch die Wirkung auf die Staatsausgaben, die
Überschüsse und die internationalen Abkommen. So hat z.B. die letzte GATT-Runde
mit den Beschlüssen bezüglich des internationalen Agrarhandels die Kompetenz des
Agrarministerrates wesentlich eingeschränkt. Der Ministerrat kann nun nicht mehr wie
vor 1993/94 jährlich über den externen Protektionsgrad für Agrarprodukte entscheiden.
Wenn zukünftig die Agrarpolitik sich mehr an gesamtwirtschaftlichen Kriterien
orientieren sollte, wird dieses vermutlich eher das Ergebnis der internationalen
Abkommen sein, als die Folge der gestiegenen Einsicht des Agrarministerrates.
24
Quelle: Koester, U., Die europäische Agrarpolitik - Eine Reform ohne Ende? In: Aus
Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B33-34/1995
vom 11. August 1995, 26.
III. Zur zukünftigen Entwicklung der europäischen Agrarpolitik
Die europäische Agrarpolitik hat sich im Zeitablauf gewandelt, weil sich die
Rahmenbedingungen für die Agrarpolitik geändert haben. Es kann davon ausgegangen
werden, daß sich in naher Zukunft die Rahmenbedingungen grundlegend für die
Agrarpolitik ändern und daher auch grundlegende Änderungen der Politik eintreten
Abbildung 2:
Akteure und Bestimmungsfaktoren agrarpolitischer Entscheidungen
E
t-n
Bestimmungsfaktoren
Akteure der Agrarpolitik
EU-Kommission
Internationale
Abkommen
EU-Ministerrat
EU-Parlament
Einkommen
der Landwirte
EU-Gerichtshof
E
Staatsausgaben
t
Nationale Regierungen
Interessenverbände
Überschüsse,
Lagerbestände
Handelspartner
Wohlfahrtseffekte
Institutionelle Rahmenbedingungen
Kompetenzverteilung
Außenschutz mit hohem
Entscheidungsbedarf
Finanzierungssystem
E
E
t
t-n
= Entscheidung in Periode t
= Entscheidung in Vorperiode
werden. Anpassungszwänge wird es vor allen Dingen geben, weil die letzten GATTVereinbarungen den Entscheidungsspielraum für die Gestaltung der Politik eingeengt
haben. Es wird zukünftig nicht mehr möglich sein, im Inland steigende
Produktionsmengen mit Exporterstattungen in unbegrenzter Menge auf den Weltmarkt
25
zu verkaufen. In der Uruguay-Runde wurde vereinbart, daß die subventionierten
Exportmengen ausgehend von der Basisperiode 1986/90 um 21% zu reduzieren sind.
Weiterhin sind die Zahlungen für Exporterstattungen insgesamt wiederum ausgehend
von der gleichen Basisperiode um 36% zu verringern. Es werden diese beiden
Restriktionen sein, die zu einer Änderung der Politik als Folge der internationalen
Vereinbarung führen werden. Hinzu kommt, daß eine Osterweiterung der EU in naher
Zukunft zusätzliche agrarpolitische Probleme bereiten wird (Tangermann 1997).
Weiterhin ist zu erwarten, daß die nächste Welthandelsrunde, die mit den
Vorverhandlungen im Jahr 1999 beginnen wird, den Handlungsspielraum der EUAgrarpolitik weiter einengen wird. Es scheint wahrscheinlich, daß die nächste
Welthandelsrunde zu dem Ergebnis kommen wird, daß eine Subventionierung von
Agrarexporten nicht mehr erlaubt sein wird und Transferzahlungen nur noch
produktionsneutral bezahlt werden dürfen. Die EU-Kommission ist mit ihren
agrarpolitischen Vorschlägen in der Agenda 2000 zum Teil bereits in eine Richtung
gegangen, die den zusätzlichen Anpassungszwängen Rechnung trägt. So wurde bereits
eine Entkopplung der Preisausgleichszahlungen von der Nutzung der
landwirtschaftlichen Flächen vorgeschlagen. Allerdings hat die Kommission die
Quotensysteme auf dem Milch- und Zuckermarkt noch nicht in Frage gestellt.
Die Anpassungszwänge werden nicht zwangsläufig zu einer Liberalisierung der Politik
führen. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß Agrarpolitiker durch eine Zunahme der
Regelungsintensität auf Änderung der Rahmenbedingungen reagieren können. Auch
zukünftig wird diese Möglichkeit offen sein. Das kann aber nur bedeuten, daß die
Agrarpolitik noch mehr als bisher und vor allen Dingen in den neuen Beitrittsländern
ein Fremdkörper im System der sozialen Marktwirtschaft bleiben wird. Eine Alternative
wäre, den Agrarmarkt wie andere Sektoren auch zu regulieren und während einer
Übergangszeit den Landwirten personengebundene direkte Einkommensübertragungen
zu gewähren (Koester und Tangermann 1976, EU Commission 1994 EU,
Wissenschaftlicher
Beirat
1997).
Zeitlich
begrenzte
und
personengebundene
Einkommensübertragungen als Kompensation für Preissenkungen könnten auch aus
ordnungspolitischer Sicht zu rechtfertigen sein, weil die Landwirte sich möglicherweise
in der Vergangenheit auf die Konstanz der Agrar- und Wirtschaftspolitik verlassen
haben und daher möglicherweise einen Vertrauensschutz beanspruchen könnten.
Politökonomisch könnten direkte Einkommensübertragungen sinnvoll sein, um sich die
26
Zustimmung der von der Rücknahme der Protektion betroffenen Landwirte zu erkaufen.
Eine weitere zeitlich begrenzte Einkommensstützung der Landwirte könnte akzeptiert
werden, wenn für zukünftig anstehende Berufs- und Investitionsentscheidungen die
Rahmenbedingungen liberaler Märkte gelten würden. Dies könnte bereits dann erreicht
werden, wenn man eindeutige Liberalisierungsschritte ankündigt und überzeugend auch
verfolgt. Hierdurch würden die Erwartungen der Betroffenen so verändert, daß sich
Neuinvestitionen vornehmlich an der Situation liberaler Märkte orientieren. Vor allem
hätte die Ankündigung und glaubhafte Vertretung der Liberalisierungsstrategie einen
sofortigen Einfluß auf die Preise landwirtschaftlich genutzten Bodens. Damit würde
unmittelbar, selbst bei relativ kleinen Liberalisierungschritten, der Strukturwandel in die
gewünschte Richtung gelenkt.
Es wird gelegentlich angezweifelt, ob die deutsche und europäische Landwirtschaft bei
Weltmarktpreisen überleben könnte. Ein Brachliegen von gegenwärtigen Kulturflächen
und eine Verarmung des Landschaftsbildes werden als zu hohe Kosten einer
Liberalisierung dargestellt. Das Beispiel Neuseeland zeigt, daß für Landwirte - selbst in
unveränderter Zahl - ein Leben nach der Liberalisierung möglich ist. Die gegenwärtige
Protektion kommt vornehmlich den Eigentümern von Land und Quoten zugute und
zunehmend weniger den wirtschaftenden Landwirten, die auf Zupacht angewiesen sind.
Natürlich wird sich die Agrarstruktur und auch das Landschaftsbild verändern. Sollte
sich herausstellen, daß die Konsumenten bereit wären, für ein anderes Landschaftsbild
oder sonstige externe Effekte ein Entgelt zu zahlen, so wäre ein spezieller Mitteleinsatz
notwendig. Durch diese möglichen externen Effekte kann aber nicht der gegenwärtige
Agrarprotektionismus, der Betriebe und Regionen weitgehend unabhängig vom
möglichen Beitrag zur Erstellung externer Effekte fördert, begründet werden.
Eine Liberalisierung der Agrarpolitik dürfte aber bei den gegenwärtigen
Entscheidungsstrukturen auf EU-Ebene kaum zu erwarten sein. Vor der eigentlichen
Reform, d.h. vor der Liberalisierung der Politik, ist daher eine Reform der
Organisationen und Institutionen auf EU-Ebene vorzunehmen (Koester 1996).
Literatur
European Commission (1994), EC Agricultural Policy for the 21 Century. European
Economy. Reports and Studies, No. 4.
27
Hayek, Friedrich A. von (1971), Der Weg zur Knechtschaft.. Erlenbach-Zürich.
Kluge, Ulrich (1989), 40 Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1
und Bd. 2, Hamburg und Berlin .
Koester, U. (1995), Die europäische Agrarpolitik. Eine Reform ohne Ende. Aus Politik
und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. S. 25-33.
Koester, Ulrich (1996), Gemeinsame Agrarmarktordnungen, in: Renate Ohr, (Hrsg.),
Europäische Integration. Stuttgart, S. 141-172.
Koester, Ulrich (1995), Die europäische Agrarpolitik - Eine Reform ohne Ende? Aus
Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B33-34/1995
vom 11. August 1995, S. 25-33.
Koester, Ulrich (1992), Grundzüge der Landwirtschaftlichen Marktlehre. 2. Auflage,
München.
Koester, Ulrich und Stefan Tangermann (1976), Alternativen der Agrarpolitik. Eine
Kosten-Nutzen-Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten., Münster-Hiltrup.
Modest, Fritz (1953), Kommentar zum Getreidegesetz. Heidelberg
Schmitt, Günther (1972), Landwirtschaft in der Marktwirtschaft: Das Dilemma der
Agrarpolitik, in: D. Cassel, G. Gutmann und H. J. Thieme (Hrsg.), 25 Jahre
Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Konzeption und Wirklichkeit.
Stuttgart S. 339-350.
Schrader, Jörg-Volker (1993), EG-Agrarreform und GATT-Vereinbarungen. Vom
Leistungseinkommen zur Quasi-Rente. Kieler Diskussionsbeiträge Nr. 217. Institut für
Weltwirtschaft Kiel.
Scholz, Helmut (1988), 30 Jahre Vorschläge der Wissenschaft zur Agrarpolitik. Bericht
über Landwirtschaft - Zeitschrift für Agrarpolitik und Landwirtschaft, Bd. 66, S.116124.
Plate, Roderich und Walter Fischer (1964), Landwirtschaftliche Marktkunde. Hiltrup.
Puvogel, Curt (1957), Der Weg zum Landwirtschaftsgesetz. Bonn, München, Wien
Striewe, Ludwig, Jens-Peter Loy und U. Koester (1996), Analyse und Beurteilung der
einzelbetrieblichen Investitionsförderung in Schleswig-Holstein. Agrarwirtschaft, Jg.
45, Nr. 12, S. 423-434.
Sandrey, Ron und Russel Reynolds, (Hrsg. 1990) Farming without subsidies. New
Zealand’s Recentz Experience. Upper Hutt, New Zealand
28
Tangermann, S. (1997), Reforming the CAP: A Prerequisite for an Eastern
Enlargement. In: H. Siebert (Hrs.), Quo Vadis Europe? Tübingen.
Weber, Adolf und Henning Ehlers (1988), Untersuchungen zur historischen und
künftigen Entwicklung der Getreideerträge in verschiedenen Weltteilen. Institut für
Agrarpolitik und Marktlehre. Universität Kiel. Diskussionsbeiträge Nr. 61
Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten (1997), Zur Weiterentwicklung der EU-Agrarreform. Schriftenreihe des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Angewandte
Wissenschaft. Heft 459. Hiltrup
Zusammenfassung
Die deutsche und europäische Agrarpolitik hat in den vergangenen fünfzig Jahren eine
ordnungspolitische Sonderrolle eingenommen. Bereits bei der Einführung der sozialen
Marktwirtschaft nach der Währungsreform 1948 wurden für den Agrar- und
Ernährungssektor preis- und marktwirtschaftliche Grundsatzentscheidungen gefällt, die
den Übergang von der Planwirtschaft der Kriegs- und Nachkriegszeit in die
Marktwirtschaft nicht nur vorrübergehend zurückstellten, sondern eine Ausweitung
planwirtschaftlicher Elemente im Zeitablauf unterstützten. Die weitere Entwicklung im
Zeitablauf kann nicht durch ökonomische Besonderheiten der Agrarmärkte erklärt
werden, sondern vornehmlich durch politökonomische Einflußfaktoren. Es zeigt sich,
daß im Zeitablauf immer wieder grundlegende Weichenstellungen durch politische
Entscheidungen vorgenommen wurden, die zu einer weiteren Abkehr von den
Ordnungsprinzipien der sozialen Marktwirtschaft führten. Eine Einordnung der
Agrarpolitik in das System der sozialen Marktwirtschaft ist bei den gegenwärtigen
Organisationen und Institutionen in der EU-Agrarpolitik wenig wahrscheinlich, aber
aufgrund äußerer Anpassungszwänge durch WTO und anstehende Osterweiterung
zunehmend notwendig. Abschließend wird im Beitrag aufgezeigt, wie dem Agrarsektor
der Übergang von der hohen Regelungsintensität zur marktwirtschaftlichen Ordnung
ermöglicht werden kann.
Summary
Agricultural Policy still in conflict with the principles of the ‘soziale
Marktwirtschaft’
29
The German and European Agricultural Policy has not been guided by the principles of
the „Soziale Marktwirtschaft“ for the last fifty years. The first exception was already
made at the inception of the „Soziale Marktwirtschaft“ in 1948 when main decisions
were made to rely on instruments of a planned economy for the agriculture and food
sector. The evolution of the agricultural policy supports the hypothesis of path
dependencies of policies. The introduction of one regulation demands the
implementation of further regulations. External pressure to change the policies due to
changes in general economic conditions and due to the acceptance of international
agreements may demand reforms, but will not necessarily lead to liberalization. What
happens can hardly be explained on the hypothesis that a rational economic policy will
be pursued. Instead, it seems more realistic that a political economy approach is more
adequate to explain ‘why the policy is as it is’. Therefore, it is argued that a major shift
in agricultural policies will only happen if organizations and institutions of the
agricultural policies are changed.
30