Kein Sakrament ohne ihre Kerzen
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Kein Sakrament ohne ihre Kerzen
MITTELBADISCHE PRESSE www.bo.de Donnerstag, 28. März 2013 ORTENAU-REPORTAGE Kein Sakrament ohne ihre Kerzen Geht es auf die Ostertage zu, kehrt in die Werkstatt der Gengenbacher Franziskanerinnen emsige Geschäftigkeit ein: In liebevoller Kleinarbeit fertigen die Schwestern Osterkerzen – mal farbenfroh, mal »klassisch«, aber immer mit viel Herzblut. Natürlich darf auch das alltägliche Geschäft nicht zu kurz kommen: Kerzen werden für viele Glaubens-Anlässe gebraucht. Von B et t i na K ü h n e (T ext) und U l r ich M a r x (F otos) D ie Tage vor Ostern gibt ne neue Optik mit bekannten oder Und dann »ist es wie ein Zauber, es reichlich zu tun. Die auch seltener genutzten christli- wenn das Motiv herauskommt«. großen Altarkerzen, die chen Symbolen. Ihr Entwurf mit ei- Am meisten begeistert sie aber, dass Kerzen für die Taufe in nem Kreuz und einer üppigen Rose Menschen später an der Kerze Freuder Osternacht und na- davor ist bereits auf Pergamentpa- de haben und Stärkung für sich und türlich die Kerzen für die Erstkom- pier gezeichnet. Schwester Ermelin- ihren Glauben finden: »Wir legen munion müssen fertig werden. Die dis überträgt entsprechend Franziskanerinnen vom Göttlichen ihn auf die unsere Liebe Herzen Jesu in Gengenbach haben Kerze: Punkt hinein.« Das Gestalten der Kerzen ist sich darauf spezialisiert. Seit 1886 für Punkt Auch die für Schwester Margareta besteht die Kerzenwerkstatt, da- sticht sie ErdOsterkerzen meditativ. Und dann »ist es mals fertigte sie fast ausschließ- farbenpulver sind längst lich Osterkerzen und Kirchenker- ins Wachs – nicht nur Stanwie ein Zauber, wenn das zen. Im Wandel der Zeit gewann die immer den Lidard. »Das roMotiv herauskommt.« individuelle Gestaltung der Kerzen nien entlang. te Kreuz steht immer mehr an Bedeutung, die Er- Danach greift für das Blut fahrung im Umgang mit den Kerzen sie nach einem kleinen Beitel, um und die Liebe Jesu Christi«, erklärt kommt den Schwestern dabei nun der Markierung entlang das Wachs sie. Auch die helle Sonne des Aufzugute. herauszuritzen. erstandenen oder ein Lebensbaum Doch momentan sind die SchwesSeit Jahrzehnten arbeitet sie in kann darauf sein. Brot und Wein tern natürlich vorwiegend damit der Kerzenwerkstatt, sie führt ihr oder die Dreieinigkeit sind ebenbeschäftigt, Osterkerzen zu gestal- Werkzeug mit sicherer Hand über falls gern gewählte Motive. Schwesten. Durch die Seelsorgeeinheiten die Rundungund kann schon bald ter Roswitha: »Meist passen die hat sich das Format der Osterker- mit einer Rolle aus Gewebe Ölfar- Pfarrer die Gestaltung dem Stil der zen wesentlich verändert, berichtet be auf die Kerze tupfen. Die dunk- Pfarrkirche an. Oder dem Motto des Schwester Roswitha von der Anpas- le Farbe setzt sich in den Rillen fest Kirchenjahres; dafür steht aktuell sung der wichtigsten Kerze an die und bildet die Kontur des Motivs ab. das Jesusmonogramm.« Es ist zumodernen Gegebenheiten. Der Rest der Farbe wird abgewischt gleich das Jesuitenzeichen, also der Bis zu 1,50 Meter misst sie, denn und mit Waschbenzin gesäubert. Bruderschaft, der der neue Papst beim Abbrennen soll jeweils die un- Schwester Roswitha erklärt: »Je- Franziskus angehört. Diese Übertere Hälfte mit dem Motiv erhalten de Kerze wird mehrfach gereinigt.« einstimmung berührt die Schwesbleiben. Wie rasch sie abbrennt, be- Anschließend kommt die Kerze zum ter zutiefst. stimmt die Zusammensetzung: »Bis Bemalen bei Gabi Litterst auf den Auf dem Tisch von Schwester Pfingsten soll sie täglich beim Got- Tisch. Rosw itha liegt eine Liste mit Stritesdienst rund drei Stunden brenchen. Eigentlich wollte sie zählen, nen«, sagt Schwester Roswitha. och bevor Gabi Litterst da- wie viele Kerzen in der VorosterMeist besteht der Kern aus zehnprozu kommt, wird sie noch zeit gefertigt wurden. Aber irgendzentigem, der Mantel aus 100-proKommunionkerzen bema- wann kam sie nicht mehr dazu, egal zentigen Bienenwachs. Der Ef- len. Sie mischt nur winzige Men- – es waren »sehr viele«. Wie unterfekt: Durch die unterschiedliche gen von Farbe, die sie dann mit ei- schiedlich sie sein können, zeigt ein Schmelztempenem Pinsel auf Fotoalbum. Fertige Kerzen werden ratur wird eine eine ganze Rei- oftmals fotografiert – eine Dokugleichmäßige he von Kerzen mentation über die Schaffenskraft Im Wandel der Zeit gewann Verbrennung aufträgt. Die und Impuls für andere Auftraggedie individuelle Gestaltung erreicht. »So ersten Exem- ber zugleich. der Kerzen immer bleibt kein plare sind beRand zurück«, reits fertig. Sie esucher sind für die Schwesmehr an Bedeutung. erklärt die baumeln an eitern keine Seltenheit. SchwesSchwester. nem Gestänge, ter Roswitha empfängt häu16 0 00 bis eine Million Wachsplätt- das die Schwestern selbst entwi- fig ganze Gruppen, die sich ansehen chen werden benötigt, um ein Kilo- ckelt haben. Am Docht wurden sie dürfen, wie die Kerzen verziert und gramm echtes Wachs herzustellen, aufgehängt, damit die Farbe prob- gefertigt werden. »Oft besucht uns sensibilisiert Schwester Roswitha lemlos trocknet – und sich die Kerze die gesamte Schar der Kommunifür den Aufwand, der hinter dem nicht durch ungünstige Einwirkun- onkinder«, freut sie sich. Ihr ist es Naturprodukt steckt. Für die Op- gen verbiegt. wichtig, dass die künftigen Besitzer tik sorgt dann das Team mit drei Auch Schwester Margareta sorgt etwas über die christliche Symbolik Schwestern und einer Dame aus für Nachschub für die Malerin. Sie wissen, die die Schwestern den gedem Ort: Gabi Litterst. sitzt direkt am Fenster, um mög- weihten Kerzen mitgeben. Schwester Roswitha, die frü- lichst viel Tageslicht für ihre Arbeit Nach Ostern, vermutet die Leiteher als Kunstlehrerin arbeitete, ist zu haben. Sie liebt diese Tätigkeit, rin der Werkstatt, wird es nur ein für das Design der Motive zustän- die sie vor sieben Jahren aufgenom- bisschen ruhiger. Denn auch Kerdig. Sie kreiert immer wieder ei- men hat. Es sei meditativ, sagt sie. zen für andere Sakramentanlässe sind ausgesprochen beliebt. Wieviel Kraft sie schenken und wie sie Menschen auch in schwierigen Situationen unterstützen können, bekommt Schwester Roswitha oftmals zurückgemeldet. Manchmal berichten beispielsweise Paare, wie sie ihre Hochzeitskerze begleitet. Auch Trauernde finden Trost, wenn sie eine Trauerkerze entzünden. Individualisierte Kerzen werden für Jubiläumsfeiern gefertigt, etwa mit Zunft- oder Ständezeichen. Ein religiöses Medium seien die Kerzen, sagt die Schwester. Und zugleich hätten sie viel mit dem Wesen des Menschen zu tun: »Wachs kann starr sein oder weich und modellierbar.« D B ◼ Nächste Woche: Großer Andrang bei der Briefmarken-Versteigerung im Oberkircher Auktionshaus Götz – Volontär Stefan Angele war dabei. Bunt, schlicht, dick, dünn, groß und klein: Die Kunst der Gengenbacher Franziskanerinnen ist vielfältig. Eine Bildergalerie zu dieser Reportage finden Sie unter : w w w . b o . d e / B i l d e r g a l e r i e n Schwester Ermelindis macht das Motiv auf der Kerze sichtbar: Sie füllt die eingeritzten Konturen mit Farbe. Danach wird das Motiv, das von Schwester Roswitha stammt, ausgemalt. Jesusmonogramm, Lebensbaum und Rose werden gerne als Motive für Hochzeitsjubiläen gewählt.