a-t 12 [1996], 124 - Arznei
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a-t 12 [1996], 124 - Arznei
124 arznei-telegramm 12 /96 Leukämie. Die seit über 20 Jahren bekannte ausgeprägte Kardiotoxizität setzt ihrer Anwendung jedoch Grenzen. Neben frühen Herzschäden nach einzelnen Injektionen oder Behandlungszyklen und einer im Jahr nach der Therapie auftretenden Herzinsuffizienz durch dosisabhängige Anthrazyklin-induzierte Kardiomyopathie gewinnt – wegen der verbesserten Langzeitprognose – die spät einsetzende Kardiotoxizität Bedeutung. Zuvor symptomfreie Personen erkranken Jahre bis Jahrzehnte nach der Chemotherapie an Herzschwäche und Rhythmusstörungen oder sterben plötzlich. Ein bis zehn Jahre nach Anwendung von Anthrazyklinen leiden über 4% an Herzinsuffizienz. Viel häufiger und mit der Dauer der Nachsorge zunehmend lassen sich echokardiographisch fortschreitende Einschränkungen der Kammerfunktion nachweisen, die ein Ansteigen auch klinischer Dekompensationen erwarten lassen. Belastungen wie Virusinfektionen oder Schwangerschaft triggern möglicherweise die Manifestation. Histologisch fällt ein Untergang von Myofibrillen mit späterer Fibrosierung auf, der u.a. auf freie Radikale oder toxische Metaboliten zurückgeführt wird. Versuche der Vorbeugung mit dem bisher nur bei Frauen mit metastasiertem Brustkrebs klinisch geprüften Chelatbildner Dexrazoxan (z. B. Italien: CARDIOXANE) oder mit verlangsamter Infusion von Doxorubicin über 48 bis 96 Stunden stehen in Verdacht, die antineoplastische Wirkung abzuschwächen. Ob Anthrazyklin-Zubereitungen mit Liposomen weniger kardiotoxisch sind, bleibt abzuwarten. Vor allem bei Risikofaktoren wie hoher Gesamtdosis und Bestrahlung der Herzregion ist die Kammerfunktion regelmäßig echokardiographisch zu überwachen. Abgeleitet von den allgemeinen Empfehlungen bei Herzinsuffizienz wird bereits für Patienten im subklinischen Stadium die vorbeugende Einnahme eines ACE-Hemmers empfohlen. In Einzelbeobachtungen wirkt der Betablocker Metoprolol (BELOC u.a.) günstig bei Anthrazyklin-bedingter Kardiomyopathie. FAZIT: Krebskranke, die mit Anthrazyklinen wie Doxorubicin (ADRIBLASTIN u.a.) erfolgreich behandelt wurden, sind Jahre bis Jahrzehnte später durch Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen und plötzlichen Tod gefährdet. Patienten mit Risikofaktoren wie hoher Gesamtdosis oder Bestrahlung der Herzregion sind regelmäßig echokardiographisch zu überwachen. Analog dem Vorgehen bei Herzinsuffizienz wird die frühzeitige vorbeugende Einnahme eines ACE-Hemers empfohlen. SHAN, K. et al.: Ann. Intern. Med. 125 (1996), 47/ati d BLUTHOCHDRUCK UNTER MAO-HEMMER MOCLOBEMID (AURORIX) #40 „Die Gefahr einer hypertonen Krise ist auf ein Minimum reduziert”, war bei Markteinführung des reversiblen MAO-A-Hemmers Moclobemid (AURORIX) auf einem Firmensymposium zu hören.1 Inzwischen liegen dem Erfassungszentrum der WHO 31 Meldungen zu Hypertonie unter Moclobemid vor,2 und nationale Behörden veröffentlichen die ersten Warnhinweise. Die neuseeländische Arzneimittelbehörde hat sechs Berichte über Anstieg des systolischen Blutdrucks bis über 200 mmHg. Zwei der Patienten nahmen gleichzeitig das serotonerge trizyklische Antidepressivum Clomipramin (ANAFRANIL u.a.) ein. Unter dieser Kombination besteht Gefahr potentiell lebensbedrohlicher serotonerger Überstimulation (a-t 5 [1995], 55). Gehirn- und Netzhautblutungen einer 35jährigen Frau nach einem tyraminreichen Essen werden als Folgen einer hypertensiven Krise angesehen. Nach Absetzen von Moclobemid normalisiert sich der Blutdruck zumeist. 3 Das australische Arzneimittelüberwachungskomitee überblickt vier Jahre nach Markteinführung des MAO-Hemmers 12 Ereignisse.4 Meist wird Moclobemid allein für die Hypertonie verantwortlich gemacht. Bei einem 30jährigen steigt der Blutdruck zweimal nach Verzehr von Käse.5 Bereits vor vier Jahren veröffentlichten wir zwei NETZWERKBerichte über hypertensive Krisen unter Moclobemid (Berichte 5356, 5825; a-t 9 [1992], 93). In der Roten Liste findet sich immer noch kein entsprechender Eintrag. Wir bitten um Ihren Erfahrungsbericht an das NETZWERK mit Angabe der Blutdruckwerte vor und unter der Therapie mit Moclobemid. 1 2 3 4 5 ANGST, J., zit. nach Ärzte Ztg. vom 20. März 1991 COULTER, D., P. PILLANS: Lancet 346 (1995), 1032 COULTER, D., P. PILLANS: Prescr. Update, Ministry of Health, New Zealand, 11 (1996), 4 Austral. Adv. Drug React. Bull. 15 (1996), 15 BOYD, I. W.: Lancet 346 (1995), 1498 SCHWERE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN DURCH ANABOLIKA-MISSBRAUCH Längst helfen nicht mehr nur Spitzensportler nach, wenn die Leistungsfähigkeit an Grenzen stößt. Seit Mitte der 70er Jahre greifen zunehmend auch Freizeitsportler, vor allem Bodybuilder, zu Dopingmitteln. Bis zu 45% der Besucher englischer Sportstudios versuchen, ihren Muskelaufbau mit gängigen anabolen Steroiden wie Nandrolon (DECA-DURABOLIN) zu steigern.1 Sie gebrauchen aber auch in der Tierzucht verwendete Mittel wie Trenbolon oder hierzulande nicht handelsübliche, über den Schwarzmarkt bezogene Abkömmlinge.2 Über Risiken wie Hodenatrophie, Infertilität, Lebererkrankungen und -tumoren, Gelbsucht, Herzschäden, Gynäkomastie und Prostatakarzinom (a-t 1 [1989], 7) wissen die Anwender meist kaum etwas.1,3 Hauterscheinungen wie schwerer Akne kommt eine Signalwirkung für Anabolikamißbrauch zu. Auch psychische Auswirkungen geben zu Besorgnis Anlaß: Südafrikanische Sportmediziner stellen bei 10 von 12 Bodybuildern (83%), die regelmäßig bis zu 18 Monate lang verschiedene Anabolika in wechselnder Zusammensetzung und teilweise exzessiver Dosierung anwenden (z.B. 150 mg Nandrolon/Woche statt 25 bis 50 mg alle drei Wochen), mindestens eine Auffälligkeit in der Persönlichkeitsstruktur fest, bei mehr als der Hälfte sogar mehrere. Im Vergleich zu 12 nicht gedopten Sportlern fallen paranoide, schizophrene, aggressive, asoziale, narzistische und theatralische Wesensänderungen sowie Borderline-Symptome auf. Soweit rückblickende Befragungen der Bodybuilder eine Einschätzung erlauben, unterschieden sich die Charaktere vor Beginn des Mißbrauchs nicht wesentlich von denen der Kontrollgruppe.4 #41 #42 #43 #44 FAZIT: Mißbrauch anaboler Steroide wie Nandrolon (DECA-DURABOLIN) oder Metenolon (PRIMOBOLAN DEPOT) verändert häufig die Psyche und ruft schwere paranoide, schizophrene und andere Persönlichkeitsstörungen hervor. 1 2 3 4 KORKIA, P.: Brit. Med. J. 313 (1996), 1009 NIESCHLAG, E.: Dtsch. Ärztebl. 89 (1992), C-1663 LLOYD, F. H. et al.: Brit. Med. J. 313 (1996), 100 COOPER, C. J. et al.: Br. J. Sports Med. 30 (1996), 246 Bitte beachten Sie unsere neue Anschrift und FAX-Nummer: arznei-telegramm (Institut für Arzneimittelinformation), Bismarckstr. 63, D-12169 Berlin, Telefax: 0 30-79 49 02 20, Email a.t.i. @ inx.de Herausgeber: A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH & Co. KG Redaktion: W. BECKER-BRÜSER, Arzt und Apotheker (verantw.), Prof. Dr. med. H. GLOSSMANN, J. HALBEKATH, Ärztin, Prof. Dr. med. M. M. KOCHEN, Dr. A. v. MAXEN, Priv. Doz. Dr. med. P. T. SAWICKI, S. SCHENK, Ärztin, Prof. Dr. med. P. S. SCHÖNHÖFER, Dr. med. H. WILLE Das arznei-telegramm erscheint monatlich. Bezug im Jahresabonnement. Jahresbezugspreis für Ärzte, Apotheker und andere Angehörige der Heilberufe 86,- DM, für Studenten 60,- DM (Nachweis jährlich erforderlich). Für Firmen, Behörden und andere Institutionen mit Mehrfachlesern 172,- DM. Ausland bei Zahlung mit EC-Scheck Zusatzkosten 10,- DM, sonst 25,- DM. Kündigung des Abonnements jeweils drei Monate zum Jahresende. Die im arznei-telegramm gewählten Produktbezeichnungen sagen nichts über die Schutzrechte der Warenzeichen aus. 1996, A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH & Co. KG Einem Teil der Auflage liegt eine Verlagsbeilage bei. Warenzeichen in Österreich und Schweiz (Beispiele) Clomipramin: ANAFRANIL (A, CH) Metenolon: PRIMOBOLAN (A, CH) Metoprolol: LOPRESOR (A, CH) Moclobemid: AURORIX (A, CH) Nandrolon: ANADUR (A, CH)