legasthenie_infos

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Legasthenie
Unter Legasthenie versteht man eine massive und lang andauernde Störung des Erwerbs der
Schriftsprache. Das Wort Legasthenie kommt aus dem Griechischen und bedeutet leg [Lesen],
a [nicht] und sthenie [Stärke]; ergo Leseschwäche. Die betroffenen Personen (Legastheniker)
haben häufig Probleme mit der Umsetzung der gesprochenen zur geschriebenen Sprache und
umgekehrt. Als Ursache werden Probleme der auditiven und visuellen
Wahrnehmungsverarbeitung, der Verarbeitung der Sprache und vor allem der Phonetik
angenommen. Ursprünglich war Legasthenie der nur in der Medizin und Psychologie benutzte
Begriff für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und der daraus resultierenden Probleme.
In der Pädagogik sprach und spricht man eher von einer „isolierten LeseRechtschreibstörung“ oder einer „Lernstörung bei normal begabten Kindern“, um die
Diskrepanz zwischen einer ausgesprochen niedrigen Lese- und Schreibleistung und normaler
oder sogar oft überdurchschnittlich hoher Intelligenz in Worte zu fassen. Als internationaler
Begriff wird in den meisten Ländern für die isolierte Lese-Rechtschreibstörung Dyslexie bzw.
Dyslexia benutzt. Die Abkürzung LRS wird im Schulsystem vor allem für andere Formen von
Lese-Rechtschreibschwierigkeiten angewendet, z. B. für alle nichtlegasthenen Leseschwächen
bedingt durch Erkrankung, Meningitis oder andere Behinderungen wie z.B. Down-Syndrom
oder auch durch mangelnde Deutschkenntnisse wegen Migration .
Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie geht davon aus, dass in Deutschland 4% der
Schüler von Legasthenie und 4% von Dyskalkulie betroffen sind. Nach den Schätzungen der
European Dyslexia Association sind 2% der Bevölkerung sehr schwer, 2% mittelschwer und
8% bis 10% leicht davon betroffen (Quelle: W1). Die Verantwortlichen des von der
Europäischen Union geförderten Forschungsprojekts NEURODYS (Quelle: W2) nennen die
Zahl von 2.500.000 legasthenen Schülern in der heutigen EU.
Inhaltsverzeichnis
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1 Verschiedene Theorien aufgrund unspezifischer
Vorgaben
2 Erscheinungsbild
3 Ursache
4 Diagnostik
5 Prävention und Therapie
6 Legasthenie, Gesellschaft und Schule
7 Aussagen und Stellungnahmen von Politik und von
Verbänden
o 7.1 Vom britischen Parlament akzeptierte
Legasthenie-Definition
o 7.2 Europäische Deligiertenkonferenz 1994 in
Brüssel
o 7.3 "Tools and Technologies" für legasthene
Schüler
o 7.4 Unterstützung für die Lehrer
8 Bekannte Legastheniker
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9 Eltern- und Lehrerratgeber
10 Literatur/Quellenangaben
11 Siehe auch
12 Weblinks
o 12.1 Informationen
o 12.2 Institutionen
o 12.3 Lernmittel
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Verschiedene Theorien aufgrund unspezifischer Vorgaben
Wissenschaftliche Angaben zur Prävalenz der Legasthenie können je nachdem, welche
Diagnosekriterien angewandt werden, sehr weit voneinander abweichen. So wird im
Extremfall nur ein Teil der Diskrepanzfälle (Diskrepanz-Legasthenien) berücksichtigt,
hingegen im anderen Extrem die ganze Bandbreite an Menschen mit Schwierigkeiten beim
Lesen und Schreiben einbezogen.
Der lukrative Markt hinter allen Lernstörungen erschwert eine objektive Sicht auf die
besonderen Bedürfnisse jedes einzelnen betroffenen Kindes zu einem gegebenen
Zeitpunkt. Schließlich ist es etwas anderes, ob man Legasthenie als ausgeprägte Lernstörung
in den Bereichen Lesen und Rechtschreiben bezeichnet, die nicht auf mangelnde Beschulung,
niedrige Intelligenz und fehlende Lernbereitschaft zurückzuführen ist, oder ob man die
Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrunde legt, in der vor allem
psychischen Störungen beschrieben werden und wo verschiedene Lernstörungen unter dem
Begriff "umschriebene Störungen schulischer Fertigkeit" zusammengefasst sind. Durch diese
unterschiedlichen Vorgaben müssen auch alle Erklärungsversuche für das Erscheinungsbild,
die Ursachen und für die entsprechenden Therapien voneinander abweichen. Unstrittig ist nur,
dass es sowohl Kinder als auch Erwachsene gibt, denen es trotz normaler oder
überdurchschnittlicher Intelligenz schwerer fällt als erwartet, das Lesen und Schreiben zu
lernen. Umgekehrt gibt es auch gute Lese- und Rechtschreiber, die für vieles andere eine
besondere Unterstützung benötigen.
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie hat 1993 eine
Stellungnahme (Quelle: W3) zur Diagnostik, schulischen Förderung und Therapie bei
Schülern mit Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) veröffentlicht. Die Leitlinien der
Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu diesem Thema stammen von
2003 sind unter Quellen: W5 & W6 zu finden. Sie sind für die psychiatrische Praxis gedacht
und können im Schulalltag nur eine begrenzte Anwendung finden. Hier geht es eher darum,
die für jedes Kind richtigen, auch finanziell und im schulischen Kontext vertretbaren
Fördermaßnahmen durchführen zu können.
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Erscheinungsbild
Gemäß der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10, der
Weltgesundheitsorganisation WHO) wird zwischen der Lese-Rechtschreibstörung (F81.0),
der isolierten Rechtschreibstörung (F81.1) und einer kombinierten Störung schulischer
Fertigkeiten (F81.3) unterschieden. Zu Beginn des Schriftspracherwerbs können Probleme
beim Aufsagen des Alphabets, der Benennung von Buchstaben oder dem Bilden von Reimen
auftreten. Später zeigen sich Leseprobleme, die folgende Formen annehmen können (vgl.
Quelle: W7 und Quelle: W8):
• Auslassen, Verdrehen oder
Hinzufügen von Wörtern
oder Wortteilen
• niedrige
Lesegeschwindigkeit;
• Ersetzen von Buchstaben,
Silben und Wörtern
• Startschwierigkeiten beim
Vorlesen, langes Zögern
oder Verlieren der Zeile
im Text
• Vertauschen von Wörtern
im Satz oder von
Buchstaben in den
Wörtern
Ebenso können Probleme im Leseverständnis auftreten, die sich folgendermaßen äußern:
• Unfähigkeit, Gelesenes
wiederzugeben, aus
Gelesenem Schlüsse zu
ziehen oder
Zusammenhänge zu
sehen
• Gebrauch allgemeinen
Wissens anstelle der
Textinformationen beim
Beantworten von Fragen
Diese Lese- und Rechtschreibfehler sind nicht typisch für Kinder mit Legasthenie, sondern
alle Kinder, die das Lesen und Schreiben erlernen, machen anfänglich die gleichen Fehler in
verschieden starkem Ausmaß. Bei den meisten Kindern nehmen die Probleme jedoch sehr
rasch ab und verschwinden schließlich weitgehend. Kinder mit Legasthenie machen die
Fehler wesentlich häufiger und die Probleme bleiben über lange Zeit stabil. Auffällig ist die
enorme Inkonstanz der Fehler: Weder ist es möglich, stabile Fehlerprofile zu ermitteln, noch
gibt es eine bestimmte Systematik der Fehler. Ein und dasselbe Wort wird immer wieder
unterschiedlich falsch geschrieben.
Auch wenn eine Legasthenie nicht anhand der Fehlertypen diagnostiziert werden kann, so hat
sich doch unter therapeutischen Gesichtspunkten eine Unterteilung der Fehler in die
folgenden Fehlerarten als hilfreich erwiesen (Quelle: W8):
• Phonemfehler als Verstöße
gegen die lautgetreue
Schreibung (Verstöße
gegen die BuchstabenLaut-Zuordnungsregeln,
Probleme bei der
Wortdurchgliederung:
Auslassungen,
Verdrehungen,
Hinzufügungen)
• Regelfehler als Verstöße
gegen die regelhaften
Abweichungen von der
lautgetreuen Schreibung
(Ableitungsfehler, Groß/Kleinschreibungsfehler)
• Speicherfehler oder
Merkfehler als Verstöße
gegen die regelhaften
Abweichungen
• Restfehler
Da es sich in der Praxis bewährt hat, eher auf den Stärken, als auf den Schwächen der Schüler
aufzubauen und vor allem auf ein positives Arbeitsklima wertzulegen, sollten
Fehlerbeobachtungen diskret und im Hintergrund durchgeführt werden.
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Ursache
Zur Entstehung einer Legasthenie können vielfältige Ursachen beitragen, wobei in aller Regel
verschiedene Faktoren zusammenwirken. Andererseits führen einzelne Einflüsse, wie z. B.
eine genetische Vulnerabilität nicht zwangsläufig zur Herausbildung einer
schicksalbestimmenden Lernstörung, sondern können durch präventive Maßnahmen im
Vorschulalter und weitere intensive Betreuung während der gesamten Schul- und
Ausbildungszeit kompensiert werden.
Derzeit werden unter anderem die folgenden Ursachen diskutiert:
1. Genetik: Da Legasthenie
in Familien gehäuft
auftritt, wird in jüngerer
Zeit verstärkt eine
genetische Komponente
diskutiert. Da die
Konkordanz für
Legasthenie bei eineiigen
Zwillingen 68%, bei
zweieiigen Zwilligen
hingegen nur 38%
beträgt, ist ein
substantieller genetischer
Einfluss nicht von der
Hand zu weisen (Quelle:
L5). Man vermutet eine
polygenetische Ursache
mit Bezug zu den
Chromosomen 2, 3, 6, 18
und vor allem 15. Die
ursächliche
Verantwortung eines
einzelnen Genes ist
hingegen sehr fraglich.
2. Neurologie: Bereits
Neugeborene aus
Risikofamilien zeigen
veränderte
Hirnstrommuster bei der
Darbietung sprachlicher
und nicht-sprachlicher
akustischer Stimuli
(Quellen: L14; L8). Auch
bei Schülern und
Erwachsenen mit
Legasthenie konnten mit
Hilfe von bildgebenden
Verfahren beim Lesen
Veränderungen der
Aktivierungsmuster in
der Großhirnrinde
nachgewiesen werden
(Quelle: W9). Diese
betreffen vorwiegend die
sprachverarbeitenden
Zentren im Schläfen- und
Stirnlappen der linken
Hirnhälfte, in der im
Vergleich zu nichtlegasthenen Personen
unterschiedliche
Aktivierungszentren und
-lokalisationen zu finden
sind, bzw. dass die
zuständigen Hirnzentren
nicht ausreichend
synchron arbeiten oder
nicht ausreichend
vernetzt sind. Weiterhin
liegen Hinweise auf ein
Defizit in der
Verarbeitung schneller
Folgen von Stimuli vor,
die auf eine weniger
effiziente
Erregungsweiterleitung
in der Seh- und Hörbahn
zurückzuführen ist. In
diesem Zusammenhang
wurde auch eine
Deregulierung der
Blicksteuerung
beobachtet: Die
Blicksprünge (Sakkaden)
von Kindern mit
Legasthenie sind
unpräziser als diejenigen
gleichaltriger Kinder
(Quelle: L22).
3. Risikofaktor
Sprachentwicklungsverzö
gerung: Kinder
durchschreiten mit ca. 18
Monaten die 50-WortGrenze und beginnen,
Zwei-Wortsätze zu
verwenden (Quelle: L6).
13 bis 20% der Kinder
verfügen jedoch auch im
Alter von 24 Monaten
noch nicht über 50
Wörter. Diese Kinder
bezeichnet man als „late
talkers“ (Quelle: L7).
Etwa die Hälfte der late
talkers holt den
Entwicklungsrückstand
bis zu einem Alter von
drei bis vier Jahren
wieder auf, bei der
anderen Hälfte
manifestiert sich eine
Sprachentwicklungsstöru
ng. Bei etwa 50% der
Kinder mit einer
Sprachentwicklungsverzö
gerung tritt wiederum in
der Folge eine
Legasthenie auf (Quelle:
L13). Man kann also
sagen, dass ca. 1/4 der
Kinder, die im Alter von
24 Monaten noch keine
50 Wörter verwenden
können und noch nicht in
Zweiwortsätzen
sprechen, später eine
Legasthenie entwickeln.
4. phonologische
Informationsverarbeitung
: Die phonologische
Bewusstheit ist der
wichtigste
Einzelprädiktor (=
Merkmal mit
Vorhersagekraft) der
Leseentwicklung (Quelle:
L3) und es konnte ein
enger Zusammenhang
zwischen ihr und der
Rechtschreibleistung
nachgewiesen werden
(Quellen: L16, L3, L18).
Etwa zwei Drittel der
Kinder, die später eine
LeseRechtschreibstörung
entwickeln, können
bereits im Vorschulalter
oder zum Zeitpunkt der
Einschulung anhand von
Schwächen der
phonologischen
Bewusstheit erkannt
werden (Quellen:
L1,L19).
5. häusliche
Lesesozialisation: Kinder
aus schwächeren sozialen
Schichten haben ein
erhöhtes Risiko für das
Auftreten einer LeseRechtschreibschwäche
(Quelle: L10).
Ungünstige
sozioökonomische
Verhältnisse führen aber
nicht zwangsläufig zu
Schwierigkeiten im
Lesen und Schreiben.
Wichtig ist auch der
häusliche Fernsehkonsum
(Quelle: L4). Während
„Normalseher“ (ca. eine
Stunde täglich) sich von
„Wenigsehern“
hinsichtlich LeseRechtschreibleistung und
Leseverständnis nicht
unterscheiden, schneiden
„Vielseher“ (ca. zwei
Stunden täglich und
mehr) in allen Bereichen
gravierend schlechter ab.
Dabei spielt vor allem die
Qualität des
Fernsehprogramms und
weniger die Dauer eine
Rolle. Diese
Unterschiede zwischen
Viel- und Wenig-Sehern
verstärken sich im Laufe
der Schulzeit.
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Diagnostik
Besteht ein Verdacht auf Legasthenie, so müssen zunächst organische Ursachen wie das
Vorliegen einer Schwerhörigkeit oder Fehlsichtigkeit ausgeschlossen werden. Hierzu muss
das Kind von einem Facharzt untersucht werden. Mit den Eltern sollten ungünstige
Rahmenbedingungen abgeklärt werden, wie das Vorliegen seelischer und psychischer
Belastungen beispielsweise aufgrund der Trennung der Eltern, unangemessener
Leistungsdruck, die häusliche Arbeits- und Wohnsituation, der Fernsehkonsum etc. Unter
Umständen können bereits an dieser Stelle Ursachen für die Leistungsproblematik
identifiziert und behoben werden.
Kann keine Ursache der Schwierigkeiten gefunden werden, sollte als nächstes sowohl der
Leistungsstand des Kindes, als auch das Leistungsprofil erfasst werden. Hierzu gibt es eine
ganze Reihe standardisierter Verfahren, mit denen die Leistung des Kindes sehr genau
beurteilt werden kann (vgl. Quelle: L11).
Zur Abgrenzung zwischen allgemeinen Problemen im schriftsprachlichen Bereich und der
Teilleistungsstörung Legasthenie wird neben der Leistung in Lese- und Rechtschreibtests
außerdem die Leistung in einem Intelligenztest herangezogen. Eine Legasthenie wird dann
diagnostiziert, wenn bei schwacher schriftsprachlicher Leistung eine deutlich höhere
Intelligenzleistung vorliegt. Dieses Diskrepanzkriterium ist Gegenstand kontroverser
Debatten, und bislang konnte kein Konsens erzielt werden.
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Prävention und Therapie
Legasthenie kann sehr effektiv behandelt werden, wenn sie frühzeitig erkannt wird. Am
erfolgreichsten sind präventive Maßnahmen vor dem eigentlichen Schriftspracherwerb, oder
innerhalb der ersten Schulklasse. Diese präventiven Maßnahmen basieren auf der Diagnose
und Förderung der phonologischen Bewusstheit. Idealerweise sollten potentielle
Schwierigkeiten erkannt und angegangen werden, bevor Probleme im Schriftspracherwerb
überhaupt in Erscheinung treten.
Bleiben bei einem Kind dauerhafte Probleme in der Schriftsprache bestehen, so empfiehlt es
sich, so frühzeitig wie möglich mit der Förderung zu beginnen. Interventionsmaßnahmen
entfalten ihre größte Wirkung in den beiden ersten Grundschulklassen, danach chronifizieren
die Probleme sehr rasch (Quelle: L12). Im deutschen Sprachraum sind die folgenden
Trainingsprogramme anerkannt und z. T. wissenschaftlich überprüft:
1. „Lautgetreue
Rechtschreibförderung“
nach Reuter-Liehr
(Quelle: W13)
2. „Marburger
Rechtschreibtraining“
nach Schulte-Körne &
Mathwig (Quelle: W20)
3. „Kieler Leseaufbau“
nach Dummer-Smoch &
Hacketal (Quelle: W19)
4. „Lautwortoperationsverfa
hren“ nach Kossow
(Quelle: W14)
5. „Pädagogische LRSTherapie“ (Quelle:
L24,L25,W16)
Diese Verfahren führen je nach Alter des Kindes und der individuellen Symptomatik zu
Verbesserungen der Lese- und/oder Rechtschreibleistung. Meist wird aber kein
durchschnittliches Schriftsprachniveau erreicht und bei einem Teil der Kinder bestehen die
Probleme trotz intensiver, langjähriger Förderung fort. In diesen Fällen hat die Entlastung des
betroffenen Schülers / der Schülerin vom schulischen Notendruck Priorität (siehe
„Legasthenie, Gesellschaft und Schule“). Da eine Legasthenie häufig von einer massiven
Sekundärproblematik wie z. B. Schulangst begleitet wird, ist oftmals eine Ergänzung durch
zusätzliche psychologische Interventionen nötig. Die Behandlung von Begleitstörungen
beinhaltet unter anderem:
• Abbau von
leistungsbezogenen
Ängsten und Aufbau von
Lernmotivation, Übungen
zur Konzentration und
Entspannung, die
Erarbeitung von
Selbsthilfemethoden,
Techniken der
Fehlerkontrolle und
Selbstbestätigung
• Einübung von
Bewältigungsstrategien:
Verarbeiten von
Fehlererfahrung und
Versagenserlebnissen
• Behandlung spezifischer
psychopathologischer
Symptome wie z. B.
Schulangst, Einnässen
oder dissoziale
Entwicklung.
Folgende Verfahren sind gemäß den Empfehlungen des BVL (Quelle: W10) und von
Suchodoletz (Quelle: L17) eher kritisch zu betrachten:
• Funktionstrainings
(Tomatis, Fred Warnke,
Frostig,
Blickkonstanztraining,
...)
• Alternativverfahren (z. B.
Kinesiologie,
Bachblüten, ...)
• Trainings zur Verbesserung
der Raum-Lage-Labilität
• Training der
visomotorischen
Koordination
• Training der Koordination
der Hemisphären (EduKinestetik)
• Psychomotorisches
Training
• Kybernetische Methode
• Taktil-kinästhetische
Methode
• Davis-Methode
• Neurolinguistisches
Programmieren (NLP)
• Kennedy-Methode
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Legasthenie, Gesellschaft und Schule
Vom ersten Zeugnis deutscher Schriftsprache im 8. Jahrhundert bis zur Schaffung eines
verbindlichen Regelwerkes der deutschen Orthographie 1901 vergingen elf Jahrhunderte. So
scheint z. B. auch Goethe von einer einheitlichen Schreibweise nicht viel gehalten zu haben:
„Ein Wort schreibe ich mit dreierlei Orthographie, und was die Unarten alle sein mögen,
deren ich mir sehr wohl bewusst bin und gegen die ich auch nur im äußersten Notfall zu
kämpfen mich überwinde“. Konrad Duden selbst stufte die deutsche Orthographie „als
regelrecht verdummend ein, da sie Verstand und Gedächtnis in einen dauerhaften
gegenseitigen Kampf zwingt“ (Quelle: L21, S. 330). Duden warnte davor, dass durch
nutzlose Gedächtnisbelastung dem Kind jegliche Lernfreude geraubt werde.
Demgegenüber gilt die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben in heutiger Gesellschaft
fälschlicherweise als Inbegriff von Bildung und Intelligenz. Das ist vermutlich der Grund,
weswegen Kindern und Jugendlichen mit Legasthenie lange Zeit eine höhere Schulbildung
versagt, und diese als dumm oder faul stigmatisiert wurden. 1999 erließ Bayern als erstes
Bundesland den sog. Legasthenieerlass, in welchem Schülern und Schülerinnen mit
diagnostizierter Lese-Rechtschreibstörung weitreichende Rechte eingeräumt wurden, darunter
Zeitzuschläge von bis zu 50% und Notenschutz bei schriftlichen Arbeiten. Mittlerweile hat
jedes Bundesland einen eigenen Erlass herausgegeben (Quelle: W11), und auch die deutsche
Kultusministerkonferenz (Quelle: W12) nahm sich 2003 dieser Thematik an. Die Vorschriften
der Erlasse variieren von Bundesland zu Bundesland sehr stark, sodass es notwendig ist, sich
in den betreffenden Erlass gezielt einzuarbeiten. Generell ist die grundsätzliche Gewährung
folgender Nachteilsausgleiche sinnvoll:
• Verzicht auf Bewertung der
Lese- und/oder
Rechtschreibleistung
• vorwiegendes mündliches
Abprüfen
• Zeitzuschläge bei
schriftlichen Leistungen
• Gewährung zusätzlicher
Hilfen wie z. B. das
Erstellen schriftlicher
Arbeiten mithilfe eines
Computers
Daneben sollte eine gezielte, individualisierte Förderung in Kleingruppen als Ergänzung zum
normalen Unterricht angeboten werden. Das Förderangebot sollte sich am individuellen
Entwicklungsstand und Leistungsprofil des jeweiligen Schülers orientieren. Ist die Schule
außerstande, das betroffene Kind adäquat zu fördern, kann beim zuständigen Jugendamt die
Bezahlung einer außerschulischen Legasthenietherapie gemäß §35a des Kinder- und
Jugendhilfegesetzes (§ 35a SGB VIII) beantragt werden.
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Aussagen und Stellungnahmen von Politik und von
Verbänden
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Vom britischen Parlament akzeptierte Legasthenie-Definition
In der Öffentlichkeit tauchen immer wieder entwürdigende Bemerkungen über Legasthenie
auf und auch einige Fachleute stellen ganz offiziell die Frage, ob man nicht ohne den
angeblich stigmatisierenden Begriff auskommen kann, da dieser nun doch im Laufe der Zeit
überwunden sei und durch „nicht–richtig-lesen-und-schreiben-können“ ersetzt werden
könnte. Diese Anti-Legasthenie-Haltung gipfelte in Großbritannien in einem
Fernsehprogramm mit dem Titel „Der Mythos Legasthenie“, das von vielen erwachsenen
Legasthenikern und von der Britischen Dyslexia Association scharf kritisiert wurde. Am 7.
Dezember 2005 fand daraufhin eine ausführliche Debatte im House of Lords statt, in der Lord
Adonis als Vertreter des Parlaments und Minister für Bildung und Erziehung gebeten wurde,
eine eindeutige Stellung zu den Problemen legasthener Menschen zu beziehen.
Lord Adonis betonte schließlich, dass das britische Parlament Legasthenie als komplexe
neurologische Lerngegebenheit versteht und dass Menschen mit Legasthenie besonders
unterstützt werden müssen, um Lesen und Schreiben zu lernen und um das für den
schulischen und weiteren Erfolg so wichtige Textverständnis entwickeln zu können. Er berief
sich auf eine von der Britischen Psychologischen Gesellschaft 1999 zusammengestellte und
vom Parlament akzeptierte Definition, auf die Fachkräfte aufbauen können, ohne sich weiter
mit unproduktiven Argumenten zu belasten:
"Eine Legasthenie liegt offensichtlich dann vor, wenn akkurates flüssiges Wortlesen bzw. –
schreiben sich nicht vollständig oder nur mit großen Schwierigkeiten entwickelt. Im
Brennpunkt steht dabei ein schweres und anhaltendes Problem mit dem Lesen– und
Schreibenlernen auf der Wortebene trotz angemessener Beschulung. Dies ist die
Ausgangsbasis für einen stufenweise sehr genau zu überwachenden Lernprozess."
Bei dieser Debatte war darauf hingewiesen worden, dass ein großer Teil von Schulversagern
und leider auch von Gefängnisinsassen legasthene Veranlagungen hat, auf die man nicht früh
und adäquat genug reagiert hat und dass es den Staat viel mehr Geld kostet, nachträglich
irgendwelche Sozialprogramme zu entwickeln, als direkt auf diese Lernstörungen einzugehen.
Es wurde aber auch gesagt, dass die entstehenden Therapiekosten oft sehr hoch sind und
kaum von allen Eltern getragen werden können.
Den ganzen englischen Text dieser Debatte findet man unter:
http://www.bdaweb.co.uk/bda/downloads/Lords.pdf
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Europäische Deligiertenkonferenz 1994 in Brüssel
"Legasthenie bedeutet Schwierigkeiten mit der Sprache - mit Buchstaben oder Wörtern - so
dass die auffälligsten und hartnäckigsten Probleme beim Lesen und Schreiben auftreten; dazu
kommen scheinbar unüberwindliche Rechtschreibschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme.
Besonders an Sequenzen, wie die Wochentage und die Monate des Jahres, erinnern sich
Betroffene schlecht. Die persönliche Organisationsfähigkeit lässt in fast allen Bereichen zu
wünschen übrig."'
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"Tools and Technologies" für legasthene Schüler
So wie jeder, hat auch ein legasthener Schüler verschiedene Stärken und Schwächen, auf die
man heutzutage mit besonderen Hilfsmitteln und Technologien reagieren kann. Dabei gibt es
natürlich keine 0-8-15-Lösung für alle Probleme, aber eine behutsame Auswahl der richtigen
Ausrüstung und passender Softwareprogramme wird es jedem Betroffenen leichter machen,
Kompensationsstrategien zu entwickeln, um dadurch auf die Dauer selbständig arbeiten zu
können.
Was braucht der legasthene Schüler?
1. Eine Bestimmung des eigenen Lernstils.
2. Lernstrategien, die die Schwächen auf der einen Seite durch Stärken auf der anderen Seite
ausgleichen.
3. Ein multisensorisches Umfeld, in dem Lesen, Schreiben, Zuhören, Anfassen, Anleitung
und passive Musik so zusammenwirken, dass aktives Lernen möglich ist. Mit einer einfachen
Computerausrüstung kann man schon viel erreichen, da die Buchstaben dort sauber vorliegen
und Fehler mit etwas Hilfe schnell zu korrigieren sind. Es gibt aber auch kleine Hörbücher,
bei denen man den Text gut verfolgen kann und besondere Lernprogramme, die das
Buchstaben- und Silbenlesen oder die Basis-Rechenfertigkeiten geduldig trainieren. Leichte
Hintergrundmusik wird oft als angenehm empfunden, weil das Gehirn dadurch in das
Alphastadium versetzt wird, in dem Lernen besonders gut funktioniert.
4. Später kann man größere Programme mit automatischer Fehlerkorrektur einsetzen, oder
sogar ein Vorlese-Programm benutzen, bei dem der Computer das Lesen übernimmt. Der
Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie arbeitet auf seiner Website zum Beispiel mit
dem „ReadSpeaker“ und es gibt einen „Reading Pen“, der auch für die Fremdsprachen
interessant ist. Zu den meisten Schulbüchern gibt es heute passende Softwareprogramme, die
für legasthene Schüler eine ganz besondere Hilfe darstellen. Manchmal reicht auch eine mit
dem Scanner erstellte Textvergrößerung oder eine bestimmte „Farbfolie für Legastheniker“,
die das Lesen viel angenehmer macht.
5. Die wichtigste Aufgabe der Betreuer ist es, die jeweils notwendigen Technologien
bereitzustellen und den Schüler damit vertraut zu machen. Natürlich wird es auch weiterhin
wichtig sein, die Schulen und Lehrer um Unterstützung zu bitten, damit Legastheniker ihre
besonderen Hilfsmittel, wie z. B. einen Laptop, besondere Arbeitsanleitungen oder ein
Aufnahmegerät, auch im Klassenraum benutzen können.
Quelle: Judith Stansfield – Using technologies to support the dyslexic learner
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Unterstützung für die Lehrer
Auf nur zwei Seiten zusammengefasste Anregungen und Strategievorschläge für Pädagogen
sind unter dem Titel "Schüler die "anders" lernen - Unterstützung für die Lehrer" nach einer
weltweiten Befragung internationaler Experten entstanden, um sicherzustellen, dass Schüler
mit besonderen - durch Legasthenie, Dyskalkulie oder andere spezielle Lernbehinderungen
verursachte – Erziehungsbedürfnissen auch außerhalb ihres Heimatlandes die notwendige
Hilfe bekommen. Man findet darin die wichtigsten Tipps für den Umgang mit Lernstörungen
und der heute immer wieder propagierten Integration, damit alle Kinder so gut wie möglich
gefördert werden können, aber auch schon früh lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Das
Projekt „Students who learn differently“ wurde 2001 in Belgien gestartet und vom
Bildungsausschuss der Vereinigung der Amerikanischen Frauenvereine Übersee (FAWCO)
weltweit vorgestellt, in viele Sprachen übersetzt und immer wieder verbessert. Die aktuelle
Deutsche Version kann unter http://www.studentswholearn.fawco.org/german.doc abgerufen
werden.
Die Britische Dyslexia Association (BDA) und die Manchester Metropoliten University
machen auf eine professionell entwickelte Lehrerfortbildung aufmerksam, mit der auf
Legasthenie hingewiesen, aber auf keinen Fall eine Konkurrenz zu Experten hergestellt
werden soll. Vielmehr sollen normale Lehrer damit den Wert von speziellem Training
erkennen und mehr Verständnis dafür aufbringen, damit Schüler auch im Klassenraum ihre
neu erlernten Fähigkeiten anwenden können. Diese Fortbildung für legasthenie-freundliche
Schulen ist in englischer Sprache unter http://www.did.stu.mmu.ac.uk/DyslexiaFriendly zu
finden.
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Bekannte Legastheniker
• Agatha Christie (britische
Schriftstellerin)
• Albert Einstein (deutscher
Physiker)
• Auguste Rodin
(französischer Bildhauer)
• Benjamin Zephaniah
(Dichter, Musiker,
Schriftsteller)
• Christopher Richard
Stringini (Sänger von
Us5)
• Daniel Powter (kanadischer
Musiker)
• Dominic O'Brien (Autor,
Unternehmenstrainer,
Gedächtniskünstler)
• Ferdinand Piëch (Ingenieur,
Manager)
• George S. Patton (USGeneral im 2. Weltkrieg)
• Hans Christian Andersen
(dänischer Dichter)
• Hugues Aufray
(französischer Sänger)
• Ingvar Kamprad (IkeaGründer)
• Jackie Stewart (Formel-1Rennfahrer)
• Jan de Bouvrie (MöbelDesigner)
• John Irving (USamerikanischer
Romanautor)
• Michael Köhlmeier
(Schriftsteller)
• John F. Kennedy (USPräsident)
• Jürgen Fliege
(evangelischer Pfarrer,
Autor, TV- und
Radiomoderator)
• Carl XVI. Gustaf (König
von Schweden)
• Keira Knightley (britische
Schauspielerin)
• Liv Tyler (amerikanische
Schauspielerin)
• Lord Richard Rogers
(Architekt Centre
Georges Pompidou,
Europäischer Gerichtshof
für Menschenrechte in
Straßburg)
• Nigel Kennedy (Violinist)
• Niels Bohr (dänischer
Physiker)
• Sir Steven Redgrave
(Olympia-Ruderer)
• Tom Cruise
(amerikanischer
Schauspieler)
• Tommy Hilfiger
(Modedesigner)
• Brigitte Blobel (Autorin)
• Walt Disney (Erfinder der
Micky Maus)
• Whoopi Goldberg
(Schauspielerin)
• Bill Hewlett (Mitgründer
von Hewlett-Packard)
• Rudolf Steiner (Begründer
der Waldorf-Pädagogik)
• Kerry Packer (australischer
Medienunternehmer)
• Patrick Björn Kugel
(Gründer einer
Supermarktkette für
behinderte Menschen)
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Eltern- und Lehrerratgeber
• Dummer-Smoch, L. (2000).
Duden Ratgeber
Legasthenie
• Dummer-Smoch, L. (2002).
Mit Phantasie und
Fehlerpflaster: Hilfen für
Eltern und Lehrer
legasthenischer Kinder.
München: Reinhardt.
• Firnhaber, Mechthild Legasthenie und andere
Wahrnehmungsstörungen
: Wie Eltern und Lehrer
helfen können - Fischer
Taschenbuch
• Küspert, P. (2003). Wie
Kinder leicht lesen und
schreiben lernen.
Ratingen-Lintorf:
Oberstebrink Verlag.
• Möckel, A., Breitenbach,
E., Drave, W., Ebert, H.
(2004). LeseSchreibschwäche:
Vorbeugen, Erkennen,
Helfen. Würzburg:
Edition Bentheim.
• Suchodoletz, W. (2003).
Therapie der LeseRechtschreib-Störung
(LRS): Traditionelle und
alternative
Behandlungsmethoden
im Überblick. Stuttgart:
Kohlhammer.
• Schulte-Körne, G. (2004).
Elternratgeber
Legasthenie. München:
Knaur Ratgeber Verlage.
• Warnke, A., Hemminger,
U., & Plume, E. (2004).
Ratgeber Lese-
Rechtschreibstörung.
Göttingen: Hogrefe.
[Bearbeiten]
Literatur/Quellenangaben
Siehe: Legasthenie/Quellenangaben
[Bearbeiten]
Siehe auch
•
•
•
•
Dyskalkulie
Alexie
Lesbarkeit
Dyslexie
[Bearbeiten]
Weblinks
[Bearbeiten]
Informationen
Wiktionary: Legasthenie – Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen
• AWMF Leitlinien der
Deutschen Gesellschaft
für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und psychotherapie:
Umschriebene
Entwicklungsstörungen
schulischer Fertigkeiten
(F81)
• Was bedeutet
„Legasthenie“?
Definition der
Europäischen
Delegiertenkonferenz
(Dyslexia International –
Tools and Technologies
ASBL)
• Das Geheimnis der
verlorenen Buchstaben
von Dyslexia
International - Tools and
Technologies ASBL
• LegaKids Hilfe für Kinder,
Informationen für Eltern,
Lehrer und Therapeuten
• Aktuelle Nachrichten
Informationen für
Therapeuten.
• SHG Legasthenie
Selbsthilfegruppe für
Erwachsene mit
Legasthenie
• Legasthenie Eltern Treff
"Legasthenie Eltern
Treff" - Austausch für
Eltern mit betroffenen
Kindern.
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Institutionen
• BVL - Bundesverband
Legasthenie und
Dyskalkulie e.V.
• DVLD - Dachverband
Legasthenie Deutschland
• BALT - Berufsverband
akademischer LRSTherapeutInnen
• EÖDL - Erster
Österreichischer
Dachverband
Legasthenie
• DITT - Dyslexia
International - Tools and
Technologies ASBL
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Lernmittel