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Legasthenie Unter Legasthenie versteht man eine massive und lang andauernde Störung des Erwerbs der Schriftsprache. Das Wort Legasthenie kommt aus dem Griechischen und bedeutet leg [Lesen], a [nicht] und sthenie [Stärke]; ergo Leseschwäche. Die betroffenen Personen (Legastheniker) haben häufig Probleme mit der Umsetzung der gesprochenen zur geschriebenen Sprache und umgekehrt. Als Ursache werden Probleme der auditiven und visuellen Wahrnehmungsverarbeitung, der Verarbeitung der Sprache und vor allem der Phonetik angenommen. Ursprünglich war Legasthenie der nur in der Medizin und Psychologie benutzte Begriff für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und der daraus resultierenden Probleme. In der Pädagogik sprach und spricht man eher von einer „isolierten LeseRechtschreibstörung“ oder einer „Lernstörung bei normal begabten Kindern“, um die Diskrepanz zwischen einer ausgesprochen niedrigen Lese- und Schreibleistung und normaler oder sogar oft überdurchschnittlich hoher Intelligenz in Worte zu fassen. Als internationaler Begriff wird in den meisten Ländern für die isolierte Lese-Rechtschreibstörung Dyslexie bzw. Dyslexia benutzt. Die Abkürzung LRS wird im Schulsystem vor allem für andere Formen von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten angewendet, z. B. für alle nichtlegasthenen Leseschwächen bedingt durch Erkrankung, Meningitis oder andere Behinderungen wie z.B. Down-Syndrom oder auch durch mangelnde Deutschkenntnisse wegen Migration . Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie geht davon aus, dass in Deutschland 4% der Schüler von Legasthenie und 4% von Dyskalkulie betroffen sind. Nach den Schätzungen der European Dyslexia Association sind 2% der Bevölkerung sehr schwer, 2% mittelschwer und 8% bis 10% leicht davon betroffen (Quelle: W1). Die Verantwortlichen des von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojekts NEURODYS (Quelle: W2) nennen die Zahl von 2.500.000 legasthenen Schülern in der heutigen EU. Inhaltsverzeichnis [Verbergen] • • • • • • • • 1 Verschiedene Theorien aufgrund unspezifischer Vorgaben 2 Erscheinungsbild 3 Ursache 4 Diagnostik 5 Prävention und Therapie 6 Legasthenie, Gesellschaft und Schule 7 Aussagen und Stellungnahmen von Politik und von Verbänden o 7.1 Vom britischen Parlament akzeptierte Legasthenie-Definition o 7.2 Europäische Deligiertenkonferenz 1994 in Brüssel o 7.3 "Tools and Technologies" für legasthene Schüler o 7.4 Unterstützung für die Lehrer 8 Bekannte Legastheniker • • • • 9 Eltern- und Lehrerratgeber 10 Literatur/Quellenangaben 11 Siehe auch 12 Weblinks o 12.1 Informationen o 12.2 Institutionen o 12.3 Lernmittel [Bearbeiten] Verschiedene Theorien aufgrund unspezifischer Vorgaben Wissenschaftliche Angaben zur Prävalenz der Legasthenie können je nachdem, welche Diagnosekriterien angewandt werden, sehr weit voneinander abweichen. So wird im Extremfall nur ein Teil der Diskrepanzfälle (Diskrepanz-Legasthenien) berücksichtigt, hingegen im anderen Extrem die ganze Bandbreite an Menschen mit Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben einbezogen. Der lukrative Markt hinter allen Lernstörungen erschwert eine objektive Sicht auf die besonderen Bedürfnisse jedes einzelnen betroffenen Kindes zu einem gegebenen Zeitpunkt. Schließlich ist es etwas anderes, ob man Legasthenie als ausgeprägte Lernstörung in den Bereichen Lesen und Rechtschreiben bezeichnet, die nicht auf mangelnde Beschulung, niedrige Intelligenz und fehlende Lernbereitschaft zurückzuführen ist, oder ob man die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrunde legt, in der vor allem psychischen Störungen beschrieben werden und wo verschiedene Lernstörungen unter dem Begriff "umschriebene Störungen schulischer Fertigkeit" zusammengefasst sind. Durch diese unterschiedlichen Vorgaben müssen auch alle Erklärungsversuche für das Erscheinungsbild, die Ursachen und für die entsprechenden Therapien voneinander abweichen. Unstrittig ist nur, dass es sowohl Kinder als auch Erwachsene gibt, denen es trotz normaler oder überdurchschnittlicher Intelligenz schwerer fällt als erwartet, das Lesen und Schreiben zu lernen. Umgekehrt gibt es auch gute Lese- und Rechtschreiber, die für vieles andere eine besondere Unterstützung benötigen. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie hat 1993 eine Stellungnahme (Quelle: W3) zur Diagnostik, schulischen Förderung und Therapie bei Schülern mit Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) veröffentlicht. Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu diesem Thema stammen von 2003 sind unter Quellen: W5 & W6 zu finden. Sie sind für die psychiatrische Praxis gedacht und können im Schulalltag nur eine begrenzte Anwendung finden. Hier geht es eher darum, die für jedes Kind richtigen, auch finanziell und im schulischen Kontext vertretbaren Fördermaßnahmen durchführen zu können. [Bearbeiten] Erscheinungsbild Gemäß der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10, der Weltgesundheitsorganisation WHO) wird zwischen der Lese-Rechtschreibstörung (F81.0), der isolierten Rechtschreibstörung (F81.1) und einer kombinierten Störung schulischer Fertigkeiten (F81.3) unterschieden. Zu Beginn des Schriftspracherwerbs können Probleme beim Aufsagen des Alphabets, der Benennung von Buchstaben oder dem Bilden von Reimen auftreten. Später zeigen sich Leseprobleme, die folgende Formen annehmen können (vgl. Quelle: W7 und Quelle: W8): • Auslassen, Verdrehen oder Hinzufügen von Wörtern oder Wortteilen • niedrige Lesegeschwindigkeit; • Ersetzen von Buchstaben, Silben und Wörtern • Startschwierigkeiten beim Vorlesen, langes Zögern oder Verlieren der Zeile im Text • Vertauschen von Wörtern im Satz oder von Buchstaben in den Wörtern Ebenso können Probleme im Leseverständnis auftreten, die sich folgendermaßen äußern: • Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben, aus Gelesenem Schlüsse zu ziehen oder Zusammenhänge zu sehen • Gebrauch allgemeinen Wissens anstelle der Textinformationen beim Beantworten von Fragen Diese Lese- und Rechtschreibfehler sind nicht typisch für Kinder mit Legasthenie, sondern alle Kinder, die das Lesen und Schreiben erlernen, machen anfänglich die gleichen Fehler in verschieden starkem Ausmaß. Bei den meisten Kindern nehmen die Probleme jedoch sehr rasch ab und verschwinden schließlich weitgehend. Kinder mit Legasthenie machen die Fehler wesentlich häufiger und die Probleme bleiben über lange Zeit stabil. Auffällig ist die enorme Inkonstanz der Fehler: Weder ist es möglich, stabile Fehlerprofile zu ermitteln, noch gibt es eine bestimmte Systematik der Fehler. Ein und dasselbe Wort wird immer wieder unterschiedlich falsch geschrieben. Auch wenn eine Legasthenie nicht anhand der Fehlertypen diagnostiziert werden kann, so hat sich doch unter therapeutischen Gesichtspunkten eine Unterteilung der Fehler in die folgenden Fehlerarten als hilfreich erwiesen (Quelle: W8): • Phonemfehler als Verstöße gegen die lautgetreue Schreibung (Verstöße gegen die BuchstabenLaut-Zuordnungsregeln, Probleme bei der Wortdurchgliederung: Auslassungen, Verdrehungen, Hinzufügungen) • Regelfehler als Verstöße gegen die regelhaften Abweichungen von der lautgetreuen Schreibung (Ableitungsfehler, Groß/Kleinschreibungsfehler) • Speicherfehler oder Merkfehler als Verstöße gegen die regelhaften Abweichungen • Restfehler Da es sich in der Praxis bewährt hat, eher auf den Stärken, als auf den Schwächen der Schüler aufzubauen und vor allem auf ein positives Arbeitsklima wertzulegen, sollten Fehlerbeobachtungen diskret und im Hintergrund durchgeführt werden. [Bearbeiten] Ursache Zur Entstehung einer Legasthenie können vielfältige Ursachen beitragen, wobei in aller Regel verschiedene Faktoren zusammenwirken. Andererseits führen einzelne Einflüsse, wie z. B. eine genetische Vulnerabilität nicht zwangsläufig zur Herausbildung einer schicksalbestimmenden Lernstörung, sondern können durch präventive Maßnahmen im Vorschulalter und weitere intensive Betreuung während der gesamten Schul- und Ausbildungszeit kompensiert werden. Derzeit werden unter anderem die folgenden Ursachen diskutiert: 1. Genetik: Da Legasthenie in Familien gehäuft auftritt, wird in jüngerer Zeit verstärkt eine genetische Komponente diskutiert. Da die Konkordanz für Legasthenie bei eineiigen Zwillingen 68%, bei zweieiigen Zwilligen hingegen nur 38% beträgt, ist ein substantieller genetischer Einfluss nicht von der Hand zu weisen (Quelle: L5). Man vermutet eine polygenetische Ursache mit Bezug zu den Chromosomen 2, 3, 6, 18 und vor allem 15. Die ursächliche Verantwortung eines einzelnen Genes ist hingegen sehr fraglich. 2. Neurologie: Bereits Neugeborene aus Risikofamilien zeigen veränderte Hirnstrommuster bei der Darbietung sprachlicher und nicht-sprachlicher akustischer Stimuli (Quellen: L14; L8). Auch bei Schülern und Erwachsenen mit Legasthenie konnten mit Hilfe von bildgebenden Verfahren beim Lesen Veränderungen der Aktivierungsmuster in der Großhirnrinde nachgewiesen werden (Quelle: W9). Diese betreffen vorwiegend die sprachverarbeitenden Zentren im Schläfen- und Stirnlappen der linken Hirnhälfte, in der im Vergleich zu nichtlegasthenen Personen unterschiedliche Aktivierungszentren und -lokalisationen zu finden sind, bzw. dass die zuständigen Hirnzentren nicht ausreichend synchron arbeiten oder nicht ausreichend vernetzt sind. Weiterhin liegen Hinweise auf ein Defizit in der Verarbeitung schneller Folgen von Stimuli vor, die auf eine weniger effiziente Erregungsweiterleitung in der Seh- und Hörbahn zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang wurde auch eine Deregulierung der Blicksteuerung beobachtet: Die Blicksprünge (Sakkaden) von Kindern mit Legasthenie sind unpräziser als diejenigen gleichaltriger Kinder (Quelle: L22). 3. Risikofaktor Sprachentwicklungsverzö gerung: Kinder durchschreiten mit ca. 18 Monaten die 50-WortGrenze und beginnen, Zwei-Wortsätze zu verwenden (Quelle: L6). 13 bis 20% der Kinder verfügen jedoch auch im Alter von 24 Monaten noch nicht über 50 Wörter. Diese Kinder bezeichnet man als „late talkers“ (Quelle: L7). Etwa die Hälfte der late talkers holt den Entwicklungsrückstand bis zu einem Alter von drei bis vier Jahren wieder auf, bei der anderen Hälfte manifestiert sich eine Sprachentwicklungsstöru ng. Bei etwa 50% der Kinder mit einer Sprachentwicklungsverzö gerung tritt wiederum in der Folge eine Legasthenie auf (Quelle: L13). Man kann also sagen, dass ca. 1/4 der Kinder, die im Alter von 24 Monaten noch keine 50 Wörter verwenden können und noch nicht in Zweiwortsätzen sprechen, später eine Legasthenie entwickeln. 4. phonologische Informationsverarbeitung : Die phonologische Bewusstheit ist der wichtigste Einzelprädiktor (= Merkmal mit Vorhersagekraft) der Leseentwicklung (Quelle: L3) und es konnte ein enger Zusammenhang zwischen ihr und der Rechtschreibleistung nachgewiesen werden (Quellen: L16, L3, L18). Etwa zwei Drittel der Kinder, die später eine LeseRechtschreibstörung entwickeln, können bereits im Vorschulalter oder zum Zeitpunkt der Einschulung anhand von Schwächen der phonologischen Bewusstheit erkannt werden (Quellen: L1,L19). 5. häusliche Lesesozialisation: Kinder aus schwächeren sozialen Schichten haben ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer LeseRechtschreibschwäche (Quelle: L10). Ungünstige sozioökonomische Verhältnisse führen aber nicht zwangsläufig zu Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben. Wichtig ist auch der häusliche Fernsehkonsum (Quelle: L4). Während „Normalseher“ (ca. eine Stunde täglich) sich von „Wenigsehern“ hinsichtlich LeseRechtschreibleistung und Leseverständnis nicht unterscheiden, schneiden „Vielseher“ (ca. zwei Stunden täglich und mehr) in allen Bereichen gravierend schlechter ab. Dabei spielt vor allem die Qualität des Fernsehprogramms und weniger die Dauer eine Rolle. Diese Unterschiede zwischen Viel- und Wenig-Sehern verstärken sich im Laufe der Schulzeit. [Bearbeiten] Diagnostik Besteht ein Verdacht auf Legasthenie, so müssen zunächst organische Ursachen wie das Vorliegen einer Schwerhörigkeit oder Fehlsichtigkeit ausgeschlossen werden. Hierzu muss das Kind von einem Facharzt untersucht werden. Mit den Eltern sollten ungünstige Rahmenbedingungen abgeklärt werden, wie das Vorliegen seelischer und psychischer Belastungen beispielsweise aufgrund der Trennung der Eltern, unangemessener Leistungsdruck, die häusliche Arbeits- und Wohnsituation, der Fernsehkonsum etc. Unter Umständen können bereits an dieser Stelle Ursachen für die Leistungsproblematik identifiziert und behoben werden. Kann keine Ursache der Schwierigkeiten gefunden werden, sollte als nächstes sowohl der Leistungsstand des Kindes, als auch das Leistungsprofil erfasst werden. Hierzu gibt es eine ganze Reihe standardisierter Verfahren, mit denen die Leistung des Kindes sehr genau beurteilt werden kann (vgl. Quelle: L11). Zur Abgrenzung zwischen allgemeinen Problemen im schriftsprachlichen Bereich und der Teilleistungsstörung Legasthenie wird neben der Leistung in Lese- und Rechtschreibtests außerdem die Leistung in einem Intelligenztest herangezogen. Eine Legasthenie wird dann diagnostiziert, wenn bei schwacher schriftsprachlicher Leistung eine deutlich höhere Intelligenzleistung vorliegt. Dieses Diskrepanzkriterium ist Gegenstand kontroverser Debatten, und bislang konnte kein Konsens erzielt werden. [Bearbeiten] Prävention und Therapie Legasthenie kann sehr effektiv behandelt werden, wenn sie frühzeitig erkannt wird. Am erfolgreichsten sind präventive Maßnahmen vor dem eigentlichen Schriftspracherwerb, oder innerhalb der ersten Schulklasse. Diese präventiven Maßnahmen basieren auf der Diagnose und Förderung der phonologischen Bewusstheit. Idealerweise sollten potentielle Schwierigkeiten erkannt und angegangen werden, bevor Probleme im Schriftspracherwerb überhaupt in Erscheinung treten. Bleiben bei einem Kind dauerhafte Probleme in der Schriftsprache bestehen, so empfiehlt es sich, so frühzeitig wie möglich mit der Förderung zu beginnen. Interventionsmaßnahmen entfalten ihre größte Wirkung in den beiden ersten Grundschulklassen, danach chronifizieren die Probleme sehr rasch (Quelle: L12). Im deutschen Sprachraum sind die folgenden Trainingsprogramme anerkannt und z. T. wissenschaftlich überprüft: 1. „Lautgetreue Rechtschreibförderung“ nach Reuter-Liehr (Quelle: W13) 2. „Marburger Rechtschreibtraining“ nach Schulte-Körne & Mathwig (Quelle: W20) 3. „Kieler Leseaufbau“ nach Dummer-Smoch & Hacketal (Quelle: W19) 4. „Lautwortoperationsverfa hren“ nach Kossow (Quelle: W14) 5. „Pädagogische LRSTherapie“ (Quelle: L24,L25,W16) Diese Verfahren führen je nach Alter des Kindes und der individuellen Symptomatik zu Verbesserungen der Lese- und/oder Rechtschreibleistung. Meist wird aber kein durchschnittliches Schriftsprachniveau erreicht und bei einem Teil der Kinder bestehen die Probleme trotz intensiver, langjähriger Förderung fort. In diesen Fällen hat die Entlastung des betroffenen Schülers / der Schülerin vom schulischen Notendruck Priorität (siehe „Legasthenie, Gesellschaft und Schule“). Da eine Legasthenie häufig von einer massiven Sekundärproblematik wie z. B. Schulangst begleitet wird, ist oftmals eine Ergänzung durch zusätzliche psychologische Interventionen nötig. Die Behandlung von Begleitstörungen beinhaltet unter anderem: • Abbau von leistungsbezogenen Ängsten und Aufbau von Lernmotivation, Übungen zur Konzentration und Entspannung, die Erarbeitung von Selbsthilfemethoden, Techniken der Fehlerkontrolle und Selbstbestätigung • Einübung von Bewältigungsstrategien: Verarbeiten von Fehlererfahrung und Versagenserlebnissen • Behandlung spezifischer psychopathologischer Symptome wie z. B. Schulangst, Einnässen oder dissoziale Entwicklung. Folgende Verfahren sind gemäß den Empfehlungen des BVL (Quelle: W10) und von Suchodoletz (Quelle: L17) eher kritisch zu betrachten: • Funktionstrainings (Tomatis, Fred Warnke, Frostig, Blickkonstanztraining, ...) • Alternativverfahren (z. B. Kinesiologie, Bachblüten, ...) • Trainings zur Verbesserung der Raum-Lage-Labilität • Training der visomotorischen Koordination • Training der Koordination der Hemisphären (EduKinestetik) • Psychomotorisches Training • Kybernetische Methode • Taktil-kinästhetische Methode • Davis-Methode • Neurolinguistisches Programmieren (NLP) • Kennedy-Methode [Bearbeiten] Legasthenie, Gesellschaft und Schule Vom ersten Zeugnis deutscher Schriftsprache im 8. Jahrhundert bis zur Schaffung eines verbindlichen Regelwerkes der deutschen Orthographie 1901 vergingen elf Jahrhunderte. So scheint z. B. auch Goethe von einer einheitlichen Schreibweise nicht viel gehalten zu haben: „Ein Wort schreibe ich mit dreierlei Orthographie, und was die Unarten alle sein mögen, deren ich mir sehr wohl bewusst bin und gegen die ich auch nur im äußersten Notfall zu kämpfen mich überwinde“. Konrad Duden selbst stufte die deutsche Orthographie „als regelrecht verdummend ein, da sie Verstand und Gedächtnis in einen dauerhaften gegenseitigen Kampf zwingt“ (Quelle: L21, S. 330). Duden warnte davor, dass durch nutzlose Gedächtnisbelastung dem Kind jegliche Lernfreude geraubt werde. Demgegenüber gilt die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben in heutiger Gesellschaft fälschlicherweise als Inbegriff von Bildung und Intelligenz. Das ist vermutlich der Grund, weswegen Kindern und Jugendlichen mit Legasthenie lange Zeit eine höhere Schulbildung versagt, und diese als dumm oder faul stigmatisiert wurden. 1999 erließ Bayern als erstes Bundesland den sog. Legasthenieerlass, in welchem Schülern und Schülerinnen mit diagnostizierter Lese-Rechtschreibstörung weitreichende Rechte eingeräumt wurden, darunter Zeitzuschläge von bis zu 50% und Notenschutz bei schriftlichen Arbeiten. Mittlerweile hat jedes Bundesland einen eigenen Erlass herausgegeben (Quelle: W11), und auch die deutsche Kultusministerkonferenz (Quelle: W12) nahm sich 2003 dieser Thematik an. Die Vorschriften der Erlasse variieren von Bundesland zu Bundesland sehr stark, sodass es notwendig ist, sich in den betreffenden Erlass gezielt einzuarbeiten. Generell ist die grundsätzliche Gewährung folgender Nachteilsausgleiche sinnvoll: • Verzicht auf Bewertung der Lese- und/oder Rechtschreibleistung • vorwiegendes mündliches Abprüfen • Zeitzuschläge bei schriftlichen Leistungen • Gewährung zusätzlicher Hilfen wie z. B. das Erstellen schriftlicher Arbeiten mithilfe eines Computers Daneben sollte eine gezielte, individualisierte Förderung in Kleingruppen als Ergänzung zum normalen Unterricht angeboten werden. Das Förderangebot sollte sich am individuellen Entwicklungsstand und Leistungsprofil des jeweiligen Schülers orientieren. Ist die Schule außerstande, das betroffene Kind adäquat zu fördern, kann beim zuständigen Jugendamt die Bezahlung einer außerschulischen Legasthenietherapie gemäß §35a des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (§ 35a SGB VIII) beantragt werden. [Bearbeiten] Aussagen und Stellungnahmen von Politik und von Verbänden [Bearbeiten] Vom britischen Parlament akzeptierte Legasthenie-Definition In der Öffentlichkeit tauchen immer wieder entwürdigende Bemerkungen über Legasthenie auf und auch einige Fachleute stellen ganz offiziell die Frage, ob man nicht ohne den angeblich stigmatisierenden Begriff auskommen kann, da dieser nun doch im Laufe der Zeit überwunden sei und durch „nicht–richtig-lesen-und-schreiben-können“ ersetzt werden könnte. Diese Anti-Legasthenie-Haltung gipfelte in Großbritannien in einem Fernsehprogramm mit dem Titel „Der Mythos Legasthenie“, das von vielen erwachsenen Legasthenikern und von der Britischen Dyslexia Association scharf kritisiert wurde. Am 7. Dezember 2005 fand daraufhin eine ausführliche Debatte im House of Lords statt, in der Lord Adonis als Vertreter des Parlaments und Minister für Bildung und Erziehung gebeten wurde, eine eindeutige Stellung zu den Problemen legasthener Menschen zu beziehen. Lord Adonis betonte schließlich, dass das britische Parlament Legasthenie als komplexe neurologische Lerngegebenheit versteht und dass Menschen mit Legasthenie besonders unterstützt werden müssen, um Lesen und Schreiben zu lernen und um das für den schulischen und weiteren Erfolg so wichtige Textverständnis entwickeln zu können. Er berief sich auf eine von der Britischen Psychologischen Gesellschaft 1999 zusammengestellte und vom Parlament akzeptierte Definition, auf die Fachkräfte aufbauen können, ohne sich weiter mit unproduktiven Argumenten zu belasten: "Eine Legasthenie liegt offensichtlich dann vor, wenn akkurates flüssiges Wortlesen bzw. – schreiben sich nicht vollständig oder nur mit großen Schwierigkeiten entwickelt. Im Brennpunkt steht dabei ein schweres und anhaltendes Problem mit dem Lesen– und Schreibenlernen auf der Wortebene trotz angemessener Beschulung. Dies ist die Ausgangsbasis für einen stufenweise sehr genau zu überwachenden Lernprozess." Bei dieser Debatte war darauf hingewiesen worden, dass ein großer Teil von Schulversagern und leider auch von Gefängnisinsassen legasthene Veranlagungen hat, auf die man nicht früh und adäquat genug reagiert hat und dass es den Staat viel mehr Geld kostet, nachträglich irgendwelche Sozialprogramme zu entwickeln, als direkt auf diese Lernstörungen einzugehen. Es wurde aber auch gesagt, dass die entstehenden Therapiekosten oft sehr hoch sind und kaum von allen Eltern getragen werden können. Den ganzen englischen Text dieser Debatte findet man unter: http://www.bdaweb.co.uk/bda/downloads/Lords.pdf [Bearbeiten] Europäische Deligiertenkonferenz 1994 in Brüssel "Legasthenie bedeutet Schwierigkeiten mit der Sprache - mit Buchstaben oder Wörtern - so dass die auffälligsten und hartnäckigsten Probleme beim Lesen und Schreiben auftreten; dazu kommen scheinbar unüberwindliche Rechtschreibschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme. Besonders an Sequenzen, wie die Wochentage und die Monate des Jahres, erinnern sich Betroffene schlecht. Die persönliche Organisationsfähigkeit lässt in fast allen Bereichen zu wünschen übrig."' [Bearbeiten] "Tools and Technologies" für legasthene Schüler So wie jeder, hat auch ein legasthener Schüler verschiedene Stärken und Schwächen, auf die man heutzutage mit besonderen Hilfsmitteln und Technologien reagieren kann. Dabei gibt es natürlich keine 0-8-15-Lösung für alle Probleme, aber eine behutsame Auswahl der richtigen Ausrüstung und passender Softwareprogramme wird es jedem Betroffenen leichter machen, Kompensationsstrategien zu entwickeln, um dadurch auf die Dauer selbständig arbeiten zu können. Was braucht der legasthene Schüler? 1. Eine Bestimmung des eigenen Lernstils. 2. Lernstrategien, die die Schwächen auf der einen Seite durch Stärken auf der anderen Seite ausgleichen. 3. Ein multisensorisches Umfeld, in dem Lesen, Schreiben, Zuhören, Anfassen, Anleitung und passive Musik so zusammenwirken, dass aktives Lernen möglich ist. Mit einer einfachen Computerausrüstung kann man schon viel erreichen, da die Buchstaben dort sauber vorliegen und Fehler mit etwas Hilfe schnell zu korrigieren sind. Es gibt aber auch kleine Hörbücher, bei denen man den Text gut verfolgen kann und besondere Lernprogramme, die das Buchstaben- und Silbenlesen oder die Basis-Rechenfertigkeiten geduldig trainieren. Leichte Hintergrundmusik wird oft als angenehm empfunden, weil das Gehirn dadurch in das Alphastadium versetzt wird, in dem Lernen besonders gut funktioniert. 4. Später kann man größere Programme mit automatischer Fehlerkorrektur einsetzen, oder sogar ein Vorlese-Programm benutzen, bei dem der Computer das Lesen übernimmt. Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie arbeitet auf seiner Website zum Beispiel mit dem „ReadSpeaker“ und es gibt einen „Reading Pen“, der auch für die Fremdsprachen interessant ist. Zu den meisten Schulbüchern gibt es heute passende Softwareprogramme, die für legasthene Schüler eine ganz besondere Hilfe darstellen. Manchmal reicht auch eine mit dem Scanner erstellte Textvergrößerung oder eine bestimmte „Farbfolie für Legastheniker“, die das Lesen viel angenehmer macht. 5. Die wichtigste Aufgabe der Betreuer ist es, die jeweils notwendigen Technologien bereitzustellen und den Schüler damit vertraut zu machen. Natürlich wird es auch weiterhin wichtig sein, die Schulen und Lehrer um Unterstützung zu bitten, damit Legastheniker ihre besonderen Hilfsmittel, wie z. B. einen Laptop, besondere Arbeitsanleitungen oder ein Aufnahmegerät, auch im Klassenraum benutzen können. Quelle: Judith Stansfield – Using technologies to support the dyslexic learner [Bearbeiten] Unterstützung für die Lehrer Auf nur zwei Seiten zusammengefasste Anregungen und Strategievorschläge für Pädagogen sind unter dem Titel "Schüler die "anders" lernen - Unterstützung für die Lehrer" nach einer weltweiten Befragung internationaler Experten entstanden, um sicherzustellen, dass Schüler mit besonderen - durch Legasthenie, Dyskalkulie oder andere spezielle Lernbehinderungen verursachte – Erziehungsbedürfnissen auch außerhalb ihres Heimatlandes die notwendige Hilfe bekommen. Man findet darin die wichtigsten Tipps für den Umgang mit Lernstörungen und der heute immer wieder propagierten Integration, damit alle Kinder so gut wie möglich gefördert werden können, aber auch schon früh lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Das Projekt „Students who learn differently“ wurde 2001 in Belgien gestartet und vom Bildungsausschuss der Vereinigung der Amerikanischen Frauenvereine Übersee (FAWCO) weltweit vorgestellt, in viele Sprachen übersetzt und immer wieder verbessert. Die aktuelle Deutsche Version kann unter http://www.studentswholearn.fawco.org/german.doc abgerufen werden. Die Britische Dyslexia Association (BDA) und die Manchester Metropoliten University machen auf eine professionell entwickelte Lehrerfortbildung aufmerksam, mit der auf Legasthenie hingewiesen, aber auf keinen Fall eine Konkurrenz zu Experten hergestellt werden soll. Vielmehr sollen normale Lehrer damit den Wert von speziellem Training erkennen und mehr Verständnis dafür aufbringen, damit Schüler auch im Klassenraum ihre neu erlernten Fähigkeiten anwenden können. Diese Fortbildung für legasthenie-freundliche Schulen ist in englischer Sprache unter http://www.did.stu.mmu.ac.uk/DyslexiaFriendly zu finden. [Bearbeiten] Bekannte Legastheniker • Agatha Christie (britische Schriftstellerin) • Albert Einstein (deutscher Physiker) • Auguste Rodin (französischer Bildhauer) • Benjamin Zephaniah (Dichter, Musiker, Schriftsteller) • Christopher Richard Stringini (Sänger von Us5) • Daniel Powter (kanadischer Musiker) • Dominic O'Brien (Autor, Unternehmenstrainer, Gedächtniskünstler) • Ferdinand Piëch (Ingenieur, Manager) • George S. Patton (USGeneral im 2. Weltkrieg) • Hans Christian Andersen (dänischer Dichter) • Hugues Aufray (französischer Sänger) • Ingvar Kamprad (IkeaGründer) • Jackie Stewart (Formel-1Rennfahrer) • Jan de Bouvrie (MöbelDesigner) • John Irving (USamerikanischer Romanautor) • Michael Köhlmeier (Schriftsteller) • John F. Kennedy (USPräsident) • Jürgen Fliege (evangelischer Pfarrer, Autor, TV- und Radiomoderator) • Carl XVI. Gustaf (König von Schweden) • Keira Knightley (britische Schauspielerin) • Liv Tyler (amerikanische Schauspielerin) • Lord Richard Rogers (Architekt Centre Georges Pompidou, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg) • Nigel Kennedy (Violinist) • Niels Bohr (dänischer Physiker) • Sir Steven Redgrave (Olympia-Ruderer) • Tom Cruise (amerikanischer Schauspieler) • Tommy Hilfiger (Modedesigner) • Brigitte Blobel (Autorin) • Walt Disney (Erfinder der Micky Maus) • Whoopi Goldberg (Schauspielerin) • Bill Hewlett (Mitgründer von Hewlett-Packard) • Rudolf Steiner (Begründer der Waldorf-Pädagogik) • Kerry Packer (australischer Medienunternehmer) • Patrick Björn Kugel (Gründer einer Supermarktkette für behinderte Menschen) [Bearbeiten] Eltern- und Lehrerratgeber • Dummer-Smoch, L. (2000). Duden Ratgeber Legasthenie • Dummer-Smoch, L. (2002). Mit Phantasie und Fehlerpflaster: Hilfen für Eltern und Lehrer legasthenischer Kinder. München: Reinhardt. • Firnhaber, Mechthild Legasthenie und andere Wahrnehmungsstörungen : Wie Eltern und Lehrer helfen können - Fischer Taschenbuch • Küspert, P. (2003). Wie Kinder leicht lesen und schreiben lernen. Ratingen-Lintorf: Oberstebrink Verlag. • Möckel, A., Breitenbach, E., Drave, W., Ebert, H. (2004). LeseSchreibschwäche: Vorbeugen, Erkennen, Helfen. Würzburg: Edition Bentheim. • Suchodoletz, W. (2003). Therapie der LeseRechtschreib-Störung (LRS): Traditionelle und alternative Behandlungsmethoden im Überblick. Stuttgart: Kohlhammer. • Schulte-Körne, G. (2004). Elternratgeber Legasthenie. München: Knaur Ratgeber Verlage. • Warnke, A., Hemminger, U., & Plume, E. (2004). Ratgeber Lese- Rechtschreibstörung. Göttingen: Hogrefe. [Bearbeiten] Literatur/Quellenangaben Siehe: Legasthenie/Quellenangaben [Bearbeiten] Siehe auch • • • • Dyskalkulie Alexie Lesbarkeit Dyslexie [Bearbeiten] Weblinks [Bearbeiten] Informationen Wiktionary: Legasthenie – Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen • AWMF Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie: Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F81) • Was bedeutet „Legasthenie“? Definition der Europäischen Delegiertenkonferenz (Dyslexia International – Tools and Technologies ASBL) • Das Geheimnis der verlorenen Buchstaben von Dyslexia International - Tools and Technologies ASBL • LegaKids Hilfe für Kinder, Informationen für Eltern, Lehrer und Therapeuten • Aktuelle Nachrichten Informationen für Therapeuten. • SHG Legasthenie Selbsthilfegruppe für Erwachsene mit Legasthenie • Legasthenie Eltern Treff "Legasthenie Eltern Treff" - Austausch für Eltern mit betroffenen Kindern. [Bearbeiten] Institutionen • BVL - Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. • DVLD - Dachverband Legasthenie Deutschland • BALT - Berufsverband akademischer LRSTherapeutInnen • EÖDL - Erster Österreichischer Dachverband Legasthenie • DITT - Dyslexia International - Tools and Technologies ASBL [Bearbeiten] Lernmittel