Käse, Alp und Aliens / Cheese, Alps and Aliens
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Käse, Alp und Aliens / Cheese, Alps and Aliens
D E S T I N A T I O N G E N E V A Käse, Alp und Aliens Das mittelalterliche Gruyères, auf Deutsch Greyerz, ist eine Stadt wie aus einem Schweizer Märchen, mit Alpenblick und berühmtem Käse – und wie in jedem guten Märchen kann man sich dort auch ordentlich gruseln T E X T G I G E R — M A R C F O T O S — E N G E L H A R D T B R U N O V I G N E R O N GW—85 esucher von Greyerz reisen vom Flughafen aus meistens mit dem Zug an. Die Bahnstrecke, die sich von Genf aus am Genfer See entlangschlängelt, quer durch die Weinberge des Lavaux und schließlich hoch in das Alpenstädtchen, gehört zu den schönsten der Schweiz. Wer mit dem Auto kommt, muss es unten am Fuß des Berges stehen lassen, denn Greyerz ist autofrei. Die letzten paar 100 Meter vom Bahnhof oder Parkplatz aus kann man bequem zu Fuß laufen, den Abhang hoch, auf dessen Spitze das Château de Gruyères und die dazugehörige mittelalterliche Stadt thront. Um 1270 wurde das Schloss der Grafen von Greyerz errichtet. Seitdem hat sich auf den ersten Blick nicht viel verändert: Schiefe, historische Häuschen umgeben den gepflasterten Marktplatz mit dem Dorbrunnen in der Mitte und dahinter die winzige Kirche. Es ist ein Ort, in dem Märchen Wirklichkeit werden könnten. In der Umgebung heißen die Berge auf Französisch dent, Zahn, weil sie sich wie die schiefen Zähne eines Riesen B Diese Seite: Greyerz ist ein Wintermärchen. Nächste Seite: Die Alien-Bar (großes Bild), Skulpturen aus HR Gigers Sammlung und zwei kleine Kobolde This page: Christmas card Gruyères. Opposite: the Alien Bar (main picture) and some sculptures from HR Giger’s collection plus two unattributed little green gnomes 86—GW schrof, nackt und grau aus dem grünen Hügelland erheben. Es gibt allerlei märchenhafter Schweizer Spezialitäten: Lammkeule mit heimischen Büschelibirnen und Cuchaule, ein safrangefärbtes Zopfbrot, zu dem der heimische Käse und der süßsaure Bénichon-Senf gereicht werden. Zum Nachtisch werden aus feinem Biskuitteig hergestellte Keksröllchen, sogenannte Bricelets , Bretzeli, angeboten, aber auch Baisers oder die schlichten und doch üppigen Blaubeeren mit dem in der ganzen Schweiz berühmten Greyerzer Doppelrahm. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der regionalen Spezialitäten, die in den zünftigen Schänken von Gruyères serviert werden. Vom Wein aus den Bergen, die das mittelalterliche Städtchen umgeben, ganz zu schweigen. Wie man gut lebt, das wusste man in diesem Teil der Schweiz immer schon. Der Name Gruyères rührt vom französischen la grue, dem Kranich, her, das Wappentier, das weiß auf rotem Grund auf Gebäuden und Fahnen abgebildet ist. G E N E V A Die Milch der hiesigen Kühe gilt als besonders fett und reichhaltig. Kein Wunder, dass der Gruyère Hartkäse inzwischen fast berühmter ist als die Stadt – selbst im Käseland Frankreich, wo man den würzigen hellgelben Gruyère für den eigentlichen Schweizer Käse hält, auch wenn er keine Löcher hat. Lokal wird er auch Greyerzer Käse genannt, auf Französisch Gruyère, immer ohne -s. Bis zurück ins 10. Jahrhundert ist der Greyerzer Käse urkundlich nachgewiesen. Er trägt, genau wie Wein, das Siegel einer kontrollierten Herkunftsbezeichnung, das AOC. In der Käserei Maison de Gruyère, einem Familienbetrieb, können Besucher beobachten, wie die Greyerzer Milch von den Käsemeistern Jaques und Nicolas Ecofey in riesigen Bottichen erhitzt und dann weiterverarbeitet wird. Die fertig gepressten Käselaibe kommen dann in den Reifekeller, der laut Vorschrift “höhlenähnliches” Klima haben muss, und in dem 7.000 Laibe gelagert sind. Nach frühestens fünf Monaten ist der Gruyèrekäse ausgereift, manche lagern ein ganzes Jahr. Von der Schaukäserei sind mehrere Wanderwege ausgeschildert, die traditionellen Älplerwege, auf denen seit jeher Milch und Käse von der Alp ins Tal gebracht wurden. Im Winter legt man die Strecke, die den Greyerzer Hausberg Moléson herauf ührt, am bequemsten auf Schneeschuhen zurück, die man im Dorf leihen kann. Auch sonst bietet der 2002 Meter hohe Berg alles, was das Wintersportlerherz begehrt. Dreißig Kilometer Piste für alle Niveaus, erschlossen mit Stand- und Luftseilbahn, die bis auf den Gipfel führt. Auf Anfänger warten sanfte Hänge im Dorf Moléson-surGruyères und selbst dort gibt es einen kleinen Skilift (Benutzung gratis). Für Snowboarder gibt es dort auch einen separaten Snowpark. Nicht nur mit Skiern, auch mit Schlitten kann man am Moléson eine rasante Abfahrt wagen: Vier Kilometer ist die Schlittenpiste lang, und sie führt quer durch die Natur bis ins Dorf. Der Greyerzer Hartkäse ist inzwischen fast berühmter ist als die Stadt GW—87 Das Château de Gruyères überragt die Kleinstadt. Mit seinen Türmchen und soliden Festungsmauern sieht es von Weitem aus wie aus dem Märchenbuch. Wenn man näher kommt, merkt man jedoch schnell, dass dieses Schloss einer ganz besonderen Fantasiewelt gewidmet ist. Denn schon am Burgtor steht eine ungewöhnliche Skulptur, die halb Mensch, halb Maschine zu sein scheint. Und auch über dem Eingang zum Seitenflügel ist eine Skulptur angebracht, die an ein Fabelwesen erinnert. Sie stammen von HR Giger, dem Schweizer Surrealisten, der als Schöpfer des Aliens im gleichnamigen Film von Regisseur Ridley Scott berühmt wurde. Er hat einen Teil des Châteaus in ein Museum für die Modelle, die er für Alien erschuf, verwandelt. Aber es sind auch andere seiner skurrilen Skulpturen und Zeichnungen ausgestellt. Sie zeigen die außerirdisch wirkende Welt seiner Fantasie. Auch das Original-Alien ist Teil der Ausstellung. Es hat Reißzäh- Eindrücke aus dem HR Giger Museum, der richtige Ort für alle, die das berühmte Alien aus Ridley Scotts Film schon immer mal hautnah sehen wollten (Hauptbild) The HR Giger museum, the perfect place to see the Alien alongside many more of the artist’s beautiful nightmares 88—GW ne aus blitzendem Metall in einem lang gezogenen Schädel und wirkt wie eine Verschmelzung von Lebewesen und Maschine. Auf ähnliche Weise hat der 1940 im bündnerischen Chur als Hans Rudolf Giger geborene Künstler die Burg und sein Museum verschmolzen. Das jahrhundertealte Parkett ist bedeckt mit futuristischen Schaltplänen aus Latex. An Wänden aus massiven Granitblöcken hängen Bilder, auf denen Giger traumähnliche Szenen festgehalten hat: endlose Schluchten einer menschenfeindlichen Welt und bizarre Wesen, die von Salvador Dalí oder Hieronymus Bosch inspiriert sein könnten. Wie Fotos aus einer anderen Wirklichkeit wirken die riesigen Gemälde und allein durch ihre schiere Größe – viele bedecken ganze Wände – ziehen sie den Besucher geradezu in diese parallele Welt hinein. Als Giger 1996 erstmals mit seinen Museumsplänen an den Stadtrat von Gruyères herantrat, plante er noch eine Schlossbahn: eine futuristische Geisterbahn, die den Besucher auf G E N E V A verschlungenen Pfaden durch den Horror im Gemäuer führen sollte. Daraus wurde aus baulichen Gründen nichts. Doch verschlungen sind die Pfade heute dennoch. Dunkle Treppenaufgänge, labyrinthartige Sackgassen und versteckte Gänge machen den Rundgang zum Abenteuer. Zwischen den Bildern stehen Skulpturen, lebensgroß und bedrohlich wirkend. Giger erhielt 1980 für den Film Alien den Oscar Filmpreis, der auch zu sehen ist. Im Obergeschoss ist eine Art stählerne Schleuse zu einer anderen Welt montiert, daneben prangen auf der gekalkten Wand noch Intarsien aus dem Mittelalter. Wenn Aliens auf der Erde landen und ein Schloss übernehmen würden, so sähe es vermutlich aus. Zum Absacker geht man vom Museum direkt in die Alien-Bar auf der anderen Seite des Burgtors. Seinen Kafee genießt man dort mitten in der Kulisse des Alien-Filmsets: Stühle, deren Struktur ebenso an monströse Rippenbögen erinnert wie die grottenartige Decke und Tische, deren Beine aus Totenschädeln geschnitzt zu sein scheinen. Zum Alien-Kafee werden Baisers gereicht und ein Glas Grande Gruyère, der örtliche Likör. Damit kann man die Gänsehaut vertreiben, und dann geht es wieder hinaus, zurück ins verschneite Winterwunderland. In den anderen Flügeln des Châteaus warten Kobolde, Ritterrüstungen und eine beeindruckende hölzerne Tafel, an der schon Artus mit seiner Runde gesessen haben könnte. Das Märchen ist noch nicht vorbei. INFOS HR Giger Museum; Di-Fr 13-17 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr; hrgigermuseum.com La Maison du Gruyère (Schaukäserei): lamaisondugruyere.ch GERMANWINGS FLIEGT VON Berlin-Tegel, Düsseldorf und Hamburg nach Genf Dort beginnt das dunkle Reich von HR Giger, der Schöpfer des Aliens im gleichnamigen Film GW—89 G E N E V A CHEESE, ALPS AND ALIENS Medieval Gruyères is a fairy tale Swiss village. But as in every good fairy tale, there are monsters lurking ars are not allowed in this Alpine spot. Visitors usually arrive via the train that winds along Lake Geneva, through the Lavaux vineyards and upwards into the Alps. And with good reason, since it’s one of Switzerland’s most beautiful rail routes. The last leg of the journey is a short walk up to the medieval small town with the castle of Gruyères towering above. The Count of Gruyères finished it in 1282 – and time seems to have stood still ever since. Historic houses stand aslant around the market square. A fountain stands in the centre with a tiny church behind it. The jagged mountains rise out of the surrounding green hillside, the ultimate Heidi idyll – if it weren’t for the side wing of the castle. Fairy tale Switzerland quickly enchants visitors. Regional specialities served in the town’s comfortable taverns include leg of lamb with local Büschelibirne (caramelised pears) and cuchaule, a saf roncoloured brioche topped with local cheese and sweet-sour Bénichon mustard. Delicate bricelets (thin, crisp wales) of finely rolled pastry are for dessert along with mouthwatering meringues and simple yet luxurious blueberries served with the celebrated Gruyères double cream. As well as the local wine, of course. Farmers have always C In Gigers Museum gibt es jede Menge Zeichnungen von allen möglichen gruseligen Gestalten zu sehen HR Giger’s Alien and its cousins feature in many of the images in Gruyères Castle Gruyères is the ultimate Heidi idyll – if it weren’t for the side wing of the castle enjoyed the good life in this part of Switzerland, in the Alpine foothills of Freiburg canton. The name Gruyères comes from the French la grue, meaning ‘crane’. The white bird symbol against a red background can be spotted on buildings and flags. Gruyère cheese is almost more famous than the town itself thanks to the creamy, locally produced milk used to make it. Even French cheeselovers consider this the quintessential Swiss cheese, despite its lack of holes. Gruyère cheese was fi rst documented back in the 10th century. Like wine, it bears the ‘controlled place of origin’ stamp. Experts at La Maison du Gruyère give daily demonstrations of the art of making their tasty product. Milk delivered twice daily by local farmers is heated up in huge vats and processed before visitors’ eyes. The finished cheeses are taken to the cellar where they ripen in the cavelike atmosphere. It takes at least five months and sometimes an entire year for Gruyère cheese to mature. This visitor-friendly dairy is close to numerous Alpine walking routes that were traditionally used for carrying milk and cheese down to the valley. In winter, the walk along the path leading up the nearby Moléson mountain is best attempted GW—91 G E N E V A wearing snowshoes. which can be hired in the village. Standing 2,002m high, the Moléson has everything a winter sports enthusiast could desire. All abilities are catered for with 30km of pistes plus ski lifts and a cable car. The village of Moléson-surGruyères has gentle beginners’ slopes as well as a free mini ski lift. Toboggans are another speedy mode of descending the Moléson. A 4km toboggan run slides down to the village past forests and wildlife. This is a family-friendly spot where teenagers can also get their adrenalin kicks. The snow park is a snowboarders’ paradise. When the cold starts to bite after a couple of hours on the piste or park, it’s time for an alfresco hot cheese fondue. Small wooden huts serve ‘moitié-moitié’ fondues of half Gruyère, half Vacherin cheese. Delicious. Yet the narrow alleyways from Gruyères market square to the castle gate seem to lead into another, darker world. Here the nightmare begins. A half-human, half-machine steel monster with daggerlike spikes guards the castle’s side entrance. And a sharpclawed dragon looms overhead, poised to strike from the skies. These sculptures sound an initial warning. For behind the castle gate lies the dark domain of Swiss Surrealist HR Giger, who created the Alien in Ridley Scott’s film of the same name. There’s not much of the Heidi idyll here. Gleaming metal fangs protrude from an inhuman, elongated skull of solidified quicksilver. This is the extraterrestrial predator that quickly finished of a spaceship crew in the fi rst Alien fi lm. It’s a terrifying sight, a 92—GW Giger calls his unsettling mix of organic and machine forms ‘biomechanics’ fusion of creature and machine. It was created by Hans Rudolf Giger, who was born in the Swiss city of Chur in 1940. The artist had a similar act of fusion in mind for the mountain and his museum. Centuries-old flooring creaks under the weight of futuristic latex concoctions. Depictions of Giger’s nightmares adorn the solid granite walls. His misanthropic world and its bizarre creatures inhabit a reality somewhere between Salvador Dalí and Hieronymus Bosch. The pictures look like photos from another dimension, transporting visitors to an alternative reality by their sheer scale. Many of them cover entire walls. When Giger approached Gruyères town council with his museum plans in 1996 he also envisaged a castle train. It was to be a futuristic ghost train to carry visitors along the concealed pathways through the ruins’ hidden horrors. The train was vetoed on practical grounds but the pathways remain. Dark staircases, hidden hallways and labyrinthine corridors turn a visit into an adventure. Life-sized sculptures threaten from between the pictures. The original Alien is on show alongside the Oscar that Giger won in 1980 for creating it. The castle’s top floor harbours what looks like a steel gateway to another world. It stands in stark contrast to the centuries-old wall decor nearby. This is how it would look if aliens landed on Earth and took over a castle. The castle’s Alien Bar is a suitably spooky spot for refreshments. Cofee is served among Alien fi lm set paraphernalia. Chairs resembling monsters’ ribs stand next to table legs seemingly carved from skulls under a cave-like ceiling. An ‘Alien Cofee’ includes meringues and a glass of the local Grande Gruyère liqueur. There’s time for one last shudder before heading back out to the snow-covered winter wonderland. The castle is also home to tapestries and knightly armour, together with an impressive wooden table where Arthur and his knights could well have sat. This fairy tale at least has a happy ending. INFORMATION HR Giger Museum Open Tues-Fri 1pm to 5pm; Sat/Sun 10am to 6pm www.hrgigermuseum.com Chateau de Gruyères Open daily 10am to 4.30pm www.chateau-gruyeres.ch La Maison du Gruyère (visitors’ dairy) Open daily 9am to 6pm, cheese demonstrations from 9am to 11am and from 12.30 to 2.30pm www.lamaisondugruyere.ch