Rundbrief No 3Jan Hunsaenger
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Rundbrief No 3Jan Hunsaenger
Rundbrief No. 3 Einleitung Hallo meine Lieben, Jetzt sind des nur noch gute 3 Monate und schon bin ich wieder zu Hause. Unglaublich wie schnell die Zeit vergeht. Es kommt mir vor als wäre es erst gestern gewesen, dass ich in die Lufthansamaschiene Richtung Washington gestiegen bin, ohne einen genauen Plan, was ich das nächste Jahr über machen, oder wo ich leben werde. Ich deute dies allerdings als ein gutes Zeichen, ein Zeichen dafür, das es mir gut geht. Auch deswegen möchte ich mich wieder für eure anhaltende Unterstützung bedanken. Ohne euch wäre mein Dienst nicht möglich. Die vielen neue Erfahrungen und Erlebnisse bedeuten mir sehr viel und bringen mich in vielen Bereichen weiter. Ein riesiges Dankeschön. In diesem Rundbrief geht es besonders viel um Beobachtungen und kulturellen Besonderheiten. Mit dem Wissen, dass mir besonders die Probleme auffallen und mehr als die Stärken, beschreibe ich die sehr verschiedene Einstellung eines großen Teils der amerikanischen Bevölkerung zu Essen und dem Umgang mit Geld. Natürlich gibt es auch ein kleines Update über meine Arbeit und mein Privates Leben. Viel Spas beim lesen. Euer Jan Gliederung 1. What about sport? 1.1 Boot Camp 1.2 Yoga 2. Do It Yourself! 3. Into the wild,dessert. 4. Essen – Wie is(s)t der Amerikaner? 5. Leben auf Kredit oder Ich bezahle später. 6. Arbeit – Business as usual. 7. Am Rande Ein Blick auf Downtown Portland 1. What about sport? 1.1 Boot Camp Nach dem ich Anfangs diesen Jahres vergeblich nach einem Fußballteam Ausschau gehalten habe und mir das Angebot für Volleyball nicht wirklich gefallen hat, habe ich das “Boot Camp” für mich entdeckt. Montags, Mittwochs und Freitags um 6:30, stehe ich also im Community Center und mache, mit einer Gruppe von hauptsächlich Frauen über 30, verschiedene Übungen um in Form zu bleiben. Angeleitet werden wir von Sheryll, welche uns zu rhythmischer Musik verschieden Übungen machen lässt. Es ist nicht das Selbe wie Fußball, doch ich bin zufrieden damit, und immer wieder erstaunt, wie abwechslungsreich man so eine Stunde gestalten kann. Die sechs Monate zuvor bin ich sportlich nur sehr wenig aktiv gewesen, und habe dann, als ich mit dem Boot Camp anfing, gemerkt, wie gut mir der Sport doch tut. Man fühlt sich um einiges wacher, ausgeglichener und aktiver. Zusätzlich fahre ich jetzt im Frühling wieder öfter Fahrrad. Einen alten Peugot von dem ich ausgehe, das es mindestens fünf Jahre älter ist als ich. Das hat den Vorteil, dass ich die nähere Umgebung sehr gut kennen lerne und natürlich auch einen sportlichen Effekt erziele. 1.2 Yoga Diese Woche war ich auch zum ersten mal bei einem Yogakurs. Nachdem Charles gefragt hatte, ob ich denn nicht einmal Lust hätte, mit ihm hinzugehen. Und weil ich ja ein weltoffener und interessierter Mensch bin, und auch schon mal mit meinen Mitbewohnerinnen zum Zumba gegangen bin, habe ich mich am Dienstag auf gemacht und bin mit Charles zum Yoga. Und wer hätte es gedacht, es hat mir sogar Spaß gemacht. Es war zwar nicht anstrengend, dafür aber sehr entspannend. Ob ich das jetzt konsequent weitermache ist noch offen. Das werde ich euch dann im nächsten Rundbrief berichten. 2. Do it yourself! Habe ich euch eigentlich erzählt, dass ich das Brot für unser BVS Haus backe? Seit diesem Winter. Ich konnte dieses Gummibrot nicht mehr ausstehen und habe dann beschlossen, Brot einfach selber zu backen. Seit dem habe ich ein wenig herum experimentiert und bin mit meinen Ergebnissen meistens auch sehr zufrieden gewesen. Nach einer Weile wurde mir das Hefebrotbacken aber ein wenig langweilig und ich wollte sowieso immer schon “richtiges” Sauerteigbrot backen. Also habe ich diese Woche angefangen mir eine Sauersteigkultur zu züchten. Bis jetzt scheinen die Bakterien sich auch sehr wohl zu fühlen und alles läuft nach Plan. Bald gibt es hier das erste Sauerteigbrot. Beim Baguett backen. . 3. Into the wild, dessert. Eine tolle neue Erfahrung haben Rebekka und ich vor kurzem an einem Sonntag nach der Kirche gemacht. Lou, Peggi, Charles und Natascha haben uns mit auf einen Roadtrip in die inneren Gebiete von Oregon genommen. Es ist wirklich beeindruckend, denn im Gegensatz du dem regenwaldaehnlichen Zuständen in unserer Umgebung, verändert sich die Landschaft in Landesinneren sehr schnell und radikal in eine Wüste. Die Bäume werden immer kleiner und weniger, bis es gar keine mehr gibt und man nur noch die nackten Berge und Wiesenlandschaften sieht. Der Grund für diesen radikalen Wechsel sind die hohen Vulkane, welche als Wolkenbarrikade funktionieren. Sie sorgen also dafür, dass sich die ganzen Wolken vor den Bergen ausregnen und das Land davor, sehr sehr gut bewässern. Es ist nur logisch, das deswegen nur sehr wenig Regen auf die Erde hinter den Vulkanen fällt. Diese Struktur kann man auch sehr anschaulich bei Google earth oder maps begutachten . Links an der Küste sieht man einen ca. 200 km langen sehr grünen Streifen, und ab da wird es, ins Landesinnere gehend, sehr grau und braun. Der Osten Oregons 4.Essen - Wie is(s)t der Amerikaner? Das Verhältnis vieler Amerikaner zu essen ist ein ganz anders als ich es von Deutschland gewohnt bin. Das weit verbreitete Vorurteil, dass Amerikaner sehr viel Fast Food essen, kann ich leider nur bestätigen. Meine Mitarbeiter sind da besonders extreme. Manchmal kommen sie auf die Arbeit und haben noch nicht gefrühstückt, was dann regelmäßig zu Heißhungerattacken in der Pause führt. Nicht selten werden diese dann genutzt, um schnell mal bei “Carls Junior”, einer lokalen Fast Food Kette vorbeizuschauen und sich zwei Fruehstuecksburger zu kaufen. Auch wenn wir nach der Kirche Sonntags zum Essen eingeladen werden, kann es schon mal vorkommen, dass wir in eine gehobene Fast Food Kette gehen. Was mich immer wieder verwundert ist, dass die Menschen hier gar nicht wissen, dass das Essen was sie sehr oft essen von einer minderen Qualität, oder gar ungesund ist. Es ist einfach normal Burger mit Buttersauce zu essen und nebenbei eine große Cola zu trinken. Manche Menschen trinken Cola oder Limo als wäre es Wasser als tägliche Flüssigkeitszufuhr. Gewöhnungsbedürftig ist manchmal auch die Größe von Portionen. Als ich letztens eine Nacht bei einer Familie verbracht habe und wir abends nach dem Essen noch Eis gegessen haben, da hat man mir Portion vorgesetzt, die auch zweimal gereicht hätte, von alle anderen aber ohne Mühe verspeist wurde. Sehr Bizarr kommt es mir auch vor, wenn sich ältere Menschen für Fast Food begeistern wie bei uns die 14 Jährigen. Als ich zum ersten mal zwei Damen über 60 sah, wie sie über die Unterschiede und Qualitäten von ”Burgerking” sprachen und sich über die tollen Rabattcoupons, die mit der Post kamen freuten, da habe ich mich schon ein wenig gewundert und wieder einmal gemerkt, dass ich hier mit einem anderen Kulturkreis in Berührung bin. Auf der anderen Seite gibt es hier in Portland auch ein wachsendes Bewusstsein für gesunde Ernährung und qualitative hochwertiges Essen. Wer weiß wo er sucht, kann hier tolle Restaurants mit den höchsten Ansprüchen und hervorragenden Köchen finden. 5. Leben auf Kredit oder Ich bezahle spaeter. Es gibt vieles was wir im alltäglichen Leben mit den Amerikanern gemeinsam haben, es gibt aber auch einiges, was sich doch stark unterscheidet. Einer, der mir immer wieder auffällt, ist das Leben auf Kredit. Spätestens seit der Finanzkrise wissen wir auch in Deutschland, dass es in Amerika normal ist, sich Dinge zu kaufen, die man sich eigentlich nicht leisten kann. Das bekannteste Beispiel ist wohl der Wohnungsmarkt. Die Idee hinter dem ganzen System ist wohl, dass es sich grundsätzlich jeder leisten können soll, möglichst jederzeit, ohne große Probleme, ein Haus zu kaufen. Wenn man sich also entschließt ein Haus zu kaufen oder zu bauen, dann kann man hier eine Menge Geld von der Bank geliehen bekommen, ohne alles sofort zurückzahlen zu müssen. Meinem Eindruck nach achten viele Kreditgeber auch wenig auf finanzielle Sicherheiten oder bestehendes Finanzvermögen. Mit dem aufgenommen Kredit geht man einen oft 30 Jährigen Vertrag ein, in dem man sich zu monatlichen Raten verpflichtet. . Sollte man sich innerhalb dieser Zeit dann dazu entscheiden umzuziehen, muss man das Haus verkaufen, möglichst zu dem Preis den man noch in Raten zu zahlen hat, um dann an anderer Stelle einen neuen Kredit für das neue Haus aufzunehmen. Eine ähnliche Mentalität findet man auch auf dem Automarkt. Erst kürzlich habe ich im Radio eine neue Werbung für Nissan gehört, welche mit dem Spruch warb,” Alles was sie brauchen um dieses Auto zu fahren ist ein Stift”. Ein anderer Hersteller wirbt mit “Sign and drive” (Unterschreibe und fahre). Für Handys gibt es ein ähnliches Prinzip. Die meisten Menschen haben hier ein sehr aktuelles Smartphone. Auch hier ist es einfach, ohne großes Vermögen, ein modernes teures Handy zu besitzen. Wie auch in Deutschland möglich, schließt man einen 2 Jahresvertrag ab und bekommt das Handy praktisch umsonst oder sehr stark vergünstigt und nach zwei Jahren kann man sein altes Handy dann gegen ein neues eintauschen. Diese Geschäftsmodelle gibt es so oder ähnlich auch in Deutschland. Das Problem was ich hier sehe ist, dass diese Kredite nicht aus Notwendigkeit aufgenommen werden sondern aus Bequemlichkeit. Die Menshcen lernen hier selten, wie sie Verantwortungsvoll mit Geld umgehen. Und es gibt eine riesige Industrie, die nur damit arbeitet. Von Seiten der Firmen aus scheint es auch keinerlei Bedenken zu geben, dass sich Leute über ihre Mittel hinaus verschulden. Im Gegenteil, durch sehr aggressiven und polarisierenden Werbungen entsteht bei mir das Gefühl, dass es gerne in Kauf genommen wird, solange man am Ende irgendwie das Geld bekommt, oder zu Not die Ware zurück. Mann bekommt einen hoeheren Kredit, wenn man viele Schulden und Raten zu zahlen hat, dies aber immer puenktlich macht, als wenn man noch nie einen Kredit aufgenommen hat. 6. Arbeit - Business as usual. An meinem, Arbeitsablauf hat sich nichts wesentliches geändert. Wir öffnen die Türen um 8 für Menschen, deren Strom abgeschaltet wurde. Das ganze geht nach dem System “First come, first serve”, bis Zwölf Uhr und Nachmittags haben wir dann geplante Termine. Zwischendurch werden Anrufe getätigt um neue Termine festzusetzen und ab und zu sortieren wir unsere ganzen Akten oder haben ein Meeting. Das Interessante sind immer wieder die verschieden Geschichten von den Klienten. Vor kurzem kam ein etwas älterer Herr in unser Office, ihm war am Morgen der Strom abgestellt worden. Er war unter großem Stress und es fehlte ihm an den nötigen Dokumenten, so dass wir in weg schicken mussten um seinen Ausweis zu besorgen. Es dauerte auch nicht lange und er war wieder da, hatte seinen Ausweis dabei und wurde auf meinen Kalender gesetzt. Als ich ihn kurz darauf aufrief und fragte wie es ihm ginge, sagte er gut, da er ja nun einen Termin hätte. Man merkte ihm an, dass diese Tatsache eine große Spannung von ihm nahm und er sichtlich ruhiger wurde. Dann fing er an zu erzählen. Er habe eine schwer kranke Mutter, welche so gut wie im Sterben liegt, er sei vor fünf Jahren bei ihr eingezogen um für sie zu sorgen. Beide wohnen zusammen in einem Wohnwagen, haben nur die Pension der alten Dame zum leben und konnten die Rechnung einfach nicht bezahlen, weswegen sie nun ohne Strom dastehen und die Beatmungsmaschine für die kranke Mutter nicht mehr arbeitet. Seit vier Uhr morgens habe er deswegen vor unserem Büro gewartet, um auch sicher einen Platz zu bekommen und er könne gar nicht sagen wie dankbar er für all das hier sei, es würde ihm stark helfen. Und dann sprudelte es nur so aus ihm heraus. Er erzählte mir eine Geschichte aus seiner Kindheit, wie seine Mutter ihm immer sein Lieblingsgericht gekocht habe oder wie sie immer für ihn da war wenn es im schlecht ging oder er in der Klemme steckte. Als ich ihm dann sagte, dass wir die komplette Rechnung bezahlen würden und den Wiederanschluss veranlasst hätte, brach er in Tränen aus und brauchte ein paar Minuten um sich zu beruhigen. Solche Erfahrungen zeigen einem immer wieder, wie wichtig unsere Arbeit sein kann, und das wir manchmal einen größeren Effekt auf Menschen haben, als wir denken. Dennoch gibt es auch die andere Seite und die Fälle, bei denen ich mich frage, ob unser Tun das Richtige ist und eine wirkliche Hilfe darstellt. Immer wieder schwer für mich nachvollziehbar ist, wie viele Klienten mit ihrem Geld wirtschaften. Sehr oft habe ich Klienten mit einer hohem Energieverbrauch und einem sehr geringen Einkommen. Soweit so gut. In so einer so schwierigen Situation ist es auch nicht verwunderlich, dass, vor allem wenn in dem Haushalt noch mehrere Kleinkinder leben oder Strom für ein Beatmungsgerät o. ä. gebraucht wird, die Stromrechnung eine untragbare Bürde werden kann. In einer solchen Situation bedarf es keiner weiteren Erklärung und für Notwendigkeit von finanziellen Hilfeleistungen. Doch schon oft habe ich erlebt, das viele dieser Menschen während unseres Termins das neue Iphone oder Samsung Galaxy aus ihrer Hosentasche ziehen um eine SMS zu beantworten oder die Uhrzeit abzulesen. Das wirft in mir dann immer die Frage auf, ob diese Leute nicht andere Hilfe notwendiger haben. Denn ich kann jemandem der mit Geld nicht umgehen kann nicht dadurch helfen, ihm Geld zu geben, was wir im Prinzip ja indirekt machen. Oft habe ich den Eindruck, dass wir nur sehr kurzfristig helfen und die Krise nur ein wenig nach hinten verschieben. Und es gibt nicht wenige, die kommen nach zwei oder drei Monaten wieder, erneut mit einer unterbrochenen Stromverbindung. Auf dem Weg in den Osten Oregons. 7. Am Rande - Benzin ist billiger als Diesel An der Tankstelle gibt es oft Angestellte welche einem die ganze Arbeit, bis zum bezahlen abnehmen. Man muss lediglich das Fenster runter fahren und die Kreditkarte raus reichen.(Nur in Oregon und New Jersey) - Im Supermarkt kann ich für 0.75 Dollar (0.58 Euro cts), zwölf Eier kaufen. - Trinkwasser ist im Prinzip kostenlos, überall gibt es öffentliche Trinkwasserfontänen. Der Bundesstaat Mississippi hat im Februar 2013 den Prozess der Ratifizierung des “Thirteenth Amendment to the United States Constitution” abgeschlossen, welches 1864 den durch den Senat ging und die Sklaverei illegal machte. - Radiowerbung ist sehr lange. Manchmal auch sehr primitiv. - In manchen Supermärkten oder Thriftshops kann ich Schusswaffen kaufen. Man kann die Hippivergangenheit der Stadt sehen. (Friedenssymbole, VWbusse, Esoterikkultur,…) - Viele Medien berichten nicht neutral. - In Seattle verkauf Amanzone.com Lebensmittel. So das war es dann auch schon, ich hoffe ihr hattet viel Spas beim Lesen. Da mein nächster Rundbrief auch der letzte sein wird, möchte ich euch die Gelegenheit geben, Wünsche zu äußern oder auch Fragen zu stellen. Wenn ihr also irgendwas wissen wollt, oder euch ein Thema besonders interessiert, dann schreibt mir einfach eine Mail und ich werde im nächsten Rundbrief darauf eingehen. Mit ganz vielen lieben lieben Grüßen, Jan Rebekka und Ich in Seattle