Algen auf Fassaden - Bundesanzeiger Verlag
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Algen auf Fassaden - Bundesanzeiger Verlag
BAUSCHÄDEN Algen auf Fassaden »Dämmwahn«, »Dick gedämmt ist halb veralgt«, »Schimmelfassaden«, »der Schwindel mit Wärmedämmung und Energiesparen« … an markigen Überschriften [1] fehlt es diesem Thema nun wirklich nicht. »Aber eine gewisse Differenzierung müsste doch in einer […] Debatte sein. Stattdessen steigt die Anfälligkeit für die schlichte Schwarz-Weiß-Rhetorik. Man will klare Verhältnisse, so unklar die Lage oft auch ist.« [2] Selbstverständlich äußert sich Kardinal Reinhard Marx, katholischer Erzbischof von München und Freising, nicht zum Thema Algen auf Fassaden. Das lediglich um ein Wort gekürzte und komplett aus dem ursprünglichen Zusammenhang heraus gelöste Zitat stellt die Situation jedoch sehr gut dar. Algen Das Thema Algenbefall an Fassaden wurde in den letzten Jahren sehr kontrovers diskutiert, nimmt doch die Besiedelung mit Mikroorganismen teilweise solche Ausmaße an, dass sogar von »Biokrusten« [3] gesprochen wird. Mit der erhöhten Aufmerksamkeit stieg auch das biologische Interesse an den grünen Überlebenskünstlern. So machte man sich nicht nur daran, die ökophysiologischen Eigenschaften dieser anpassungsfähigen Oberflächenbewohner genauer zu ergründen, sondern überprüfte mit modernen molekularbiologischen Methoden auch ihre verwandtschaftlichen Verhältnisse [4]. Unter dem Mikroskop betrachtet, glichen sich die meisten Algen in Organisation und Morphologie fast bis ins Detail. Wurden sie jedoch molekularbiologisch untersucht, zeigte sich, dass diese Vertreter teils völlig unterschiedlichen Familien zuzuordnen sind. So haben die meisten Algengruppen, die Steine, Bäume oder auch Bauteile besiedeln, unabhängig voneinander ähnliche Anpassungen entwickelt. Sie sind zumeist einzellig und verfügen über ausgeklügelte Mechanismen, um mit Wassermangel und UV-Belastung zurecht zu kommen. Viele Algen bilden bei anhaltender Trockenheit Sporen aus, welche problemlos auch die ungünstigsten Konditionen überdauern. menhänge, die einen Einblick in die Komplexität der Thematik geben. So wird die verbesserte Luftqualität, die hauptsächlich dem verminderten Anteil schwefelhaltiger Verbindungen geschuldet ist, vor allem in städtischen Bereichen den Algen zugute kommen. Auch werden das mildere und oft feuchtere Klima der letzten Jahre sowie der gestiegene CO2-Anteil der Atmosphäre für die zunehmende Vergrünung der Fassaden verantwortlich gemacht. Bei den regionalen Faktoren werden z. B. Pflanzenbewuchs in unmittelbarer Nähe (Abbildung 2) der Fassade, Gewässer oder Gegenden mit häufigem Nebel und viel Niederschlag als Ursachen für vermehrten Pflanzenbewuchs genannt [6]. Auch Hanglagen und schattige Standorte können sich positiv auf mikrobiellen Bewuchs auswirken. In Einzelfällen kann auch das Nutzungsverhalten der Bewohner eines Gebäudes als Ursache für mikrobiologischen Befall angesehen werden. So kann z. B. eine häufige Kipplüftung dazu führen, dass die feuchtwarme Raumluft an der Der Autor Dipl.-Ing. Norbert Rüther, Fraunhofer WKI Braunschweig Fassade hochsteigt und direkt über dem Fenster unschöne schwarze Stellen verursacht (Abbildung 3). Hierbei handelt es sich jedoch in der Regel um Schimmel und nicht um Algen, was jedoch an der Situation an sich nichts ändert. Während auf die globalen und regionalen Faktoren nur bedingt Einfluss genommen werden kann, sind die lokalen Faktoren auf der Seite des Bauwerks jedoch durch Bauherren, Planer und Verarbeiter beeinflussbar. Auf diese soll im Folgenden genauer eingegangen werden. Generell gilt: Was trocken bleibt, bleibt algenfrei. Schäden durch Algen? Algen auf Fassaden stellen vorrangig ein ästhetisches Problem dar (Abbildung 4) und sind nicht mit einem Gebäudeschaden gleichzustellen. Auch auf Vormauerziegeln sind Algenansiedlungen zu beobachten (Abbildung 5), jedoch wegen des dunklen Untergrundes wesentlich schlechter zu erkennen als auf weißen Putzfassaden. Gänzlich anders ist die Situation jedoch, wenn ein Algenbefall auf- Einflussfaktoren So vielfältig wie die Diskussionen, so vielfältig können auch die Ursachen für einen Algenbefall sein (Abbildung 1). Bei den Ursachen kann unterschieden werden in globale Faktoren, regionale Faktoren und lokale Faktoren auf Seiten des Gebäudes: Auf der Suche nach Ursachen für den zunehmenden Befall von Fassaden durch Mikroorganismen stießen Rostocker Forscher [5] auf interessante globale Zusam- 14 Abb. 1: Vereinfachte grafische Darstellung des multifaktoriellen Problems des Algenbewuchses auf Putzen Der Bausachverständige 3 · 2012 BAUSCHÄDEN Abb. 3: Mikrobiologischer Bewuchs direkt über einem Fenster auf der Ostseite eines Gebäudes Abb. 2: Algenbewuchs auf der Nordseite eines ungedämmten Gebäudes mit hohem Pflanzenbewuchs in unmittelbarer Nähe der Fassade Abb. 4: Algenbewuchs an der Nordseite eines mit einem Wärmedämmverbundsystem versehenen Gebäudes grund permanenter Durchfeuchtung entsteht. Solche Situationen treten häufig im Spritzwasserbereich, bei undichten Regenrohren oder aufsteigender Bodenfeuchtigkeit auf. Hier stellt dann jedoch nicht der Algenbefall den Schaden dar, sondern die Durchfeuchtung. Lösungsansätze Zukunftsfähige Ansätze zur Lösung des vorrangig ästhetischen Problems sollten sich vom Standpunkt der aktuellen Energieeffizienzbemühungen her ableiten. Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre gibt es Lösungen für sogenannte Passivhäuser. Während die ersten Gebäude mehr oder weniger für Idealisten geschaffen waren, sind die Techniken heute ausgereift und flächendeckend anwendbar. Zukünftige Ansätze zielen dahin, dass Gebäude sogar mehr Energie erzeugen, als sie selber verbrauchen. Ein zentraler Aspekt ist jeweils neben der Däm- 3 · 2012 Der Bausachverständige Abb. 5: Vormauerziegel mit Algenbewuchs in den Fugen mung der Gebäudehülle, eine ganzheitliche Betrachtung der Gesamtsituation. Selbstverständlich ist es nicht effektiv, die Außenwände möglichst dick zu dämmen, Fenster und Dach jedoch unberücksichtigt zu belassen. Ebenso selbstverständlich führt die Dämmung der Außenwände dazu, dass die Oberflächentemperatur der Fassade, im Vergleich zur ungedämmten Fassade, abgesenkt wird. Durch die thermische Entkopplung der Fassadenoberfläche von der Hauswand und die langwellige Abstrahlung zum klaren Himmel fällt nachts die Oberflächentemperatur unter die Lufttemperatur, was eine vermehrte Kondensation an der Fassade zur Folge hat. Die Bauteiloberfläche gleicht thermisch somit natürlichen Oberflächen wie Steinen oder Baumrinden und öffnet Mikroorganismen ein Besiedelungsfenster. Dabei entsteht oft der Eindruck, dass das WDVS mehr oder weniger direkt für den vermehrten mikrobiel- len Fassadenbefall verantwortlich sei. Umweltschutz- und Energiesparbemühungen sind jedoch untrennbar miteinander verbunden. Die wirtschaftliche Relevanz und das öffentliche Interesse an beiden Themen werden in den nächsten Jahren absehbar zunehmen. WDVS ermöglichen bei fachgerechter Ausführung hervorragende Energiebilanzen. Ausschließlich eine differenzierte Betrachtung der Gesamtsituation führt zum Ziel. Die Verwendung von hoch hydrophoben Fassadenoberflächen mit dem sogenannten Lotus-Effekt ist weitestgehend wirkungslos an Stellen, die nicht regelmäßig durch z. B. Niederschlag sauber gewaschen werden. Die Wirksamkeit von Bioziden ist von nur geringer Dauer, wenn die Stellen regelmäßig durch Niederschlag und Sonneneinstrahlung belastet werden. Stark hydrophile Systeme bedürfen auf der Schlagregenseite zumindest einer genaueren Betrachtung. 15 MEINUNG So wird kein Bausachverständiger angemessen vergütet werden! Kritische Bemerkungen zum Referentenentwurf zur Novellierung des JVEG 1. »Überalterung« des JVEG Als das JVEG im Jahre 2004 zeitgleich mit dem GKG und dem RVG zur Welt kam, nahm die damalige Bundesjustizministerin sogleich für sich eine Art »Position der persönlichen Patentante« in Beschlag; ihre Verlautbarung war diese: Sollte sich Korrekturbedarf beim JVEG ergeben, werde sie, die Justizministerin, höchstpersönlich und zeitnah – sie soll sogar von einer Zwei-Jahres-Frist gesprochen haben – für die Anpassung sorgen. Indes tat sich – von der Korrektur sogleich offenbar gewordener handwerklicher Unzulänglichkeiten mal abgesehen – zugunsten der gerichtlichen Sachverständigen jedenfalls bis Ende 2008, also mehr als vier Jahre lang, erst mal gar nichts. Und das obwohl jeder Insider schon gleich beim ersten Durchlesen dieses per Nacht-und-Nebelaktion herausgehauenen JVEG-Konstrukts ohne Weiteres gesetzgeberische Fehlleistungen in Form von Überregulierungen und einer so gar nicht benötigten Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe hatte erkennen können. 2. Hommerich-Befragung Erst im Jahre 2008 tat sich dann was. Da wurde die Aufteilungsliste der Anlage 1 zu § 9 JVEG seitens des Bundesministeriums der Justiz in Zusammenarbeit mit den Landesjustizverwaltungen, den Bestellungskörperschaften und den Verbänden überdacht. Danach startete die sog. »Hommerich-Befragung«: Es begann damit, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juli 2009 das Unternehmen »Hommerich-Forschung«, Bergisch-Gladbach, an rund 13.000 Sachverständige mehr als 25.000 Fragebögen betreffend der Klärung der zu dieser Zeit bei den privaten Begutachtungen marktüblichen Preise verschickte. Bis Ende 2009 äußerten sich leider nur etwa 4.000 Sachverständige per Rücksendung 30 der ausgefüllten Fragebögen. Im Mai 2010 – ursprünglich angekündigt für Februar 2010 – wurden die seitens des Befragungsunternehmens sortierten Ergebnisse dann veröffentlicht. Heraus kam, dass zum Zeitpunkt der Befragung die Stundensätze des JVEG durchweg deutlich unter denjenigen lagen, die zu diesem Zeitpunkt für vergleichbare Gutachten im außergerichtlichen Bereich gezahlt wurden. 3. Referentenentwurf vom 11. November 2011 Dann dauerte es weitere 18 Monate bis eine neue Reaktion aus Berlin kam: Veröffentlicht wurde der Referentenentwurf des Bundeministeriums der Justiz »Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts« vom 11. November 2011, der in seinem Artikel 7 das JVEG erfasst und jetzt u.a. diese Regelungen des Vergütungsrechts der gerichtlichen Sachverständigen ankündigt: a) Änderungen Anstelle der 10 bisherigen Stundensätze des § 9 Abs. 1 JVEG für technische Sachverständige (50 bis 95 Euro) sind nun 13 vorgesehen, die mit Fünf-Euro-Schritten von 65 bis 125 Euro gehen. Die Anlage 1 zu § 9 JVEG nennt jetzt 43 Sachgebiete, von denen einige, darunter auch das Gebiet »Bauwesen … einschließlich technische Gebäudeausrüstung«, untergliedert sind. Betreffend gerichtlich eingesetzter Bausachverständiger finden sich diese Unterregelungen: Das Gebiet »4.1 Planung« wird der Honorargruppe 4 (= 80 Euro pro Stunde), das Gebiet »4.2 Handwerklich-technische Ausführung« wird der Honorargruppe 2 (= 70 Euro), das Gebiet »4.3 Schadensfeststellung, -ursachenermittlung und -bewertung – soweit nicht Sachgebiet 4.1 oder 4.2 –, Baubetrieb und Abrechnung von Bauleis- Der Autor Vorsitzender Richter am Landgericht Prof. Jürgen Ulrich, Schwerte tungen« wird der Honorargruppe 5 (= 85 Euro) und das Gebiet »4.4. Baustoffe« wird der Honorargruppe 6 (= 90 Euro) zugewiesen. Die auf die Praxis bezogene Bewertung dieser Einstufungen ergibt indes wohl keine nennenswerte Mehrbezahlung der gerichtlichen Bausachverständigen. aa) Details zu den Honorargruppen betreffend Bausachverständige Sieht man einmal von dem Sonderfall des § 13 JVEG (»Besondere Vergütung«) ab, bewegen sich bautechnische Gerichtssachverständige gemäß der aktuellen Fassung des JVEG durchweg im Stundensatz von 70 Euro; bei der – in der rechtlichen Einstufung bisweilen diffusen – Begutachtung von »Schäden an Gebäuden« sind 75 Euro kraft Gesetzes drin. Es ist nun so, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle gerichtliche Sachverständige von dem Richter dazu befragt werden, ob ein vorhandener Zustand gemäß den insoweit geltenden anerkannten Regeln der Technik erstellt worden ist; das lässt sich bei Berücksichtigung der Differenzierung dieses Referentenentwurfes ohne Weiteres der Sparte »4.2 Handwerklichtechnische Ausführung« = 70 Euro pro Stunde dieses Referentenentwurfes zuordnen, sodass sich »bei Licht« da doch gar keine Steigerung ergibt. Allenfalls bei weiteren Hintergrundfragen im richterlichen Auftrag kann auch die Nr. 4.3 dieses Referentenentwurfes mit 85 Euro einschlägig sein. Dann stellt sich aber wieder die – nach dem bisherigen Recht durchweg nicht leicht zu beantwortende – Frage nach der Konkurrenz dieser beiden unterschiedlicher Stundensätze, konkret: Was muss gegeben sein, damit für die gesamte Tätigkeit der höhere Stundensatz zu bezahlen ist? Sollte dieser Entwurf tatsächlich Realität werden, können hefti- Der Bausachverständige 3 · 2012