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Johann Stangel: Literaturräume
Die Literatur zwischen 1945 und 1968
S. 324 – 358
Grundsätzliche didaktische Erwägungen
Zahlreiche Erweiterungsvorschläge zu wichtigen zeitgeschichtlichen und literatursoziologischen
Themen, etwa zur Interpretationsarbeit von Kaschnitz’ „Hiroshima“, zu Bachmanns „Freies Geleit“,
zum Thema der Rezeption von Literatur und Lösungsvorschläge zu den Arbeitsaufgaben bilden den
Schwerpunkt dieses Abschnitts von „Literaturräume online“.
S. 325 Zusatzinformation ad Max Frischs „Tagebuch 1946-1949“:
Empfehlenswert ist als Ergänzung zu Frischs Beobachtungen zumindest die Lektüre des berühmten
Abschnitts aus Max Frischs Tagebuch 1946-1949, in dem Frisch beschreibt, wie in Berlin ein Dutzend
verwahrloste Gefangene, geführt von einem russischen Soldaten, durch eine Straße gehen, einer
davon vom Wachsoldaten freigelassen wird, weil ihn seine Frau vom Straßenrand aus erkennt, der
Wachsoldat aber zwölf Gefangene abliefern muss ...
Der Abschnitt trägt den Titel „Café de la Terrasse“.
S. 333 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Borchert „Kirschen“
Formale/inhaltliche Charakteristika:
Personale Erzählhaltung (eingeschränkte Perspektive des kranken Jungen); Bericht aus der Distanz
ohne Parteinahme; keine oder nur sehr kurze Einleitung, sofortiger Einstieg in die Handlung,
Einführen der noch unbekannten Personen durch Pronomina;
Techniken der Verdichtung durch Aussparungen, Andeutungen, Verzicht auf Rahmen oder
Erklärungen als typisch für die Gattung Kurzgeschichte;
Chronologisches Erzählen im Präteritum, teilweise Simultaneität durch innere Monologe,
Einblendungen;
Erzählte Zeit beträgt wenige Minuten; fast zeitdeckendes Erzählen (Erzählzeit = erzählte Zeit),
Reduktion des Geschehens auf eine exemplarische Situation;
Lakonischer Sprachstil, Alltagssprache; Satzbau: reduziert auf kurze Hauptsätze, unvollständige
Sätze (z. B. Zeilen 19, 25); nur ganz wenige Satzgefüge (5!), davon drei Wiederholungen (…, damit
sie ganz kalt sind, Zeilen 3 f.; 31 f., 63 f.);
Mehrdeutigkeit: das geschilderte Alltagsereignis verweist auf komplexere Probleme (Not der
Nachkriegszeit schafft Misstrauen untereinander); hier eventuell über die oft wiederholte Metapher
„kalt“ erschließbar;
Der offene Schluss – der hier, didaktisch mit der Arbeitsaufgabe verbunden, einen anderen Schluss
zu schreiben, besonders bewusst gemacht wird –, lädt die Leser/innen förmlich ein, über das
Geschehen nachzudenken; es bleiben Fragen übrig ( z. B. die weitere Reaktion des Buben);
Vermeidung von Wertungen, Deutungen, Parteinahme.
Konfliktreiche Situation, geprägt von Emotionen.
Zwei (= wenige) Hauptpersonen stehen im Mittelpunkt; sie werden nur in Teilaspekten charakterisiert.
Ein Ort mit wenig Handlung (einsträngig), die ein Problem der Zeit beschreibt.
Die Leserposition ist zunächst dem Vater gegenüber eher negativ, da der Leser aus der Perspektive
des Jungen urteilt; Wahrnehmungsirrtum: Vater ist hingefallen, hat Tasse zerbrochen, in die er die
Kirschen geben wollte; der Junge hat das Blut der zerschnittenen Hand des Vaters für Kirschsaft
© Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2011 | www.oebv.at | Literaturräume | ISBN 978-3-209-07362-4
Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet.
Autor: Johann Stangel
Johann Stangel: Literaturräume
Die Literatur zwischen 1945 und 1968
S. 324 – 358
gehalten; „Aufklärung“ ab Zeile 53 f.
S. 333 f. Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Eich „Latrine“
Lyrische „Unvokabel“ für konventionelle Lyrik z. B.: Titel, Urin, stinkender Graben, versteinter Kot ;
„gewagtester“ Reim: Hölderlin / Urin.
S. 334 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Kaschnitz „Hiroshima“ plus
Zusatzinformationen
Analyse Strophe 1:
Stilmittel: insistierende Wiederholung „Der den Tod…“ (Anapher), die „Unauslöschlichkeit“ signalisiert;
„Vermutungen“, der Bombenabwerfer habe Buße geleistet (2) oder unauslöschliche Schuldgefühle
(4), oder quälendes Gewissen (6 f.)
Analyse Strophe 2:
Antithese zu diesen „Vermutungen“ in Vers 9;
Konsequenzen des Bombenabwerfers: ein möglichst „normales“ Leben zu führen;
Verstecken nicht total gelungen: Vers 12 ff. (Wald des Vergessens nicht hoch genug); und besonders
22 f.: verzerrtes Lachen des von dem Gewissen/der Welt Ertappten. Auch 19 f.: Zerstörung der
Schein-Idylle: die geschwungene Peitsche über dem Abwerfer; negative Verben: verbergen,
vergessen, verzerrt.
„Little Boy“ etc:. Euphemismen, Verschleierung, Verharmlosung (für Hersteller, den Abwerfer …
selbst)!
Zusatzinformationen:
Auf http://www.youtube.com/watch?v=x-zOf9yaqAo finden Sie das Gedicht, von Kaschnitz selbst
rezitiert und illustriert mit surrealistischen Bildern à la Salvadore Dali.
Besuchen Sie http://www.lehrer-online.de/440853.php. Dort finden Sie
Arbeitsvorschläge zu einer Analyse des Gedichts mit Informationen zum Atombombenabwurf –
diesen vorgängig zu „behandeln“ ist äußerst empfehlenswert – einen Paralleltext zu Kaschnitz von
der Gruppe „Wishful thinking“ („Hiroshima“, Musik z. T. downloadbar), Einsteins Verantwortung
(Empfehlung zum Abwurf der Bombe an Roosevelt), Graphiken zur Verzahnung von Politik und
Forschung (Links benützen).
Bei großem Zeitbudget anzuraten: Besuch der Hiroshima-Peace-Site:
http://www.pcf.city.hiroshima.jp/peacesite/ (auf Englisch).
Eine Verbindung zu Dürrenmatts Drama „Die Physiker“ oder zu Wolfgang Weyrauchs Hörspiel „Die
japanischen Fischer“ lässt sich im Unterricht leicht herstellen.
S. 336 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Nelly Sachs
Gegensätze der beiden Strophen:
Strophe 1: das gegenwärtige Grauen im KZ;
Strophe 2: vergangene behütete Kindheit (Vers 11 bis 17); zahlreiche Metaphern, welche die
„Behütung“ wiedergeben, wie z. B: Mutter zieht den weißen Schlaf heran, fortgeküsstes Wangenrot
der Puppe (innige Zuneigung);
Als Antithese dazu Vers 18 ff: wieder die leidhafte Gegenwart;
Eindringliche Metaphern für das Lagergrauen z. B.: Schlaf hat keinen Eingang (# Vers 12), Tod in
Handmuskel gespannt; Brüten in Nestern des Grauens; säugende Angst.
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Autor: Johann Stangel
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Die Literatur zwischen 1945 und 1968
S. 324 – 358
S. 341 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Grass: „Blechtrommel“
Oskars Kommentar ist zynisch, „herzlos“, ironisch; besonders hervorzuheben z. B.
40–42: Ironie: wenigstens die Zucker schleckenden Ameisen sind durch das Eindringen der Russen
nicht beunruhigt;
45–53: Die Vergewaltigung der Witwe Greff wird von Oskar als deren Vergnügen nach „langer
Fastenzeit“ gewertet;
54 f.: Oskar spricht von„friedlicher und familiärer Stimmung“, während Greff reihum geschändet wird;
76–78: Oskar schiebt die Verantwortung, Matzerath das schließlich „tödliche“ Parteiabzeichen in die
Hand gedrückt zu haben, auf Matzerath ab („hätte ja nicht zugreifen müssen“);
100 ff.: Oskar misst dem Tod Matzeraths nicht mehr Bedeutung zu als dem gleichzeitigen Zerdrücken
einer Laus.
S. 343 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Böll: „Clown“
Beschreibung des Vaters durch Schnier: 2–5, 7: Hervorhebung des Alters und Verfalls, der geistigen
Leere, Hilflosigkeit ( 9–11), der Teilnahmslosigkeit und des Niveaus der „Herrenwitze“ (11–14) und
der Weinerlichkeit des Vaters (41);
Gegensatz zwischen diesen Attributen der Hilflosigkeit und der Weigerung, Schnier Geld zu schicken,
seinen Sonntagsreden und dem realen Verhalten des Vaters (53–60; z. B. Verantwortung für den Tod
Henriettes);
unbewusstes Handeln/Schuldgefühle: 50–52 (Kritzeln von Henriettes Namen als Hinweis der ins
Unterbewusste verdrängten Mitschuld an Henriettes Tod);
abstraktes Geld: Geld auf Bankkonto in Form bloßer Zahlen; konkretes Geld: Geld, das für den Kauf
von Gütern (materiellen, kulturellen…) verwendet wird.
S. 343 ff. Zusatzinformation: eine mögliche Erweiterung ad Thema
„Große Romane ohne Publikum“ unter dem Aspekt der Literaturrezeption
Zwei weitere Autoren, die in der „breiteren“ Öffentlichkeit kaum rezipiert werden, deren
Bekanntheitsgrad weit unter ihrem Wert liegt und die in ihren Romanen auf eindringliche Weise KZGrauen bzw. Kriegsgräuel zum Thema machen, sind Edgar Hilsenrath und der aus dem Ausseerland
stammende Herbert Zand. Während Hilsenrath zumindest 2006 anlässlich seines Achtzigers ein
wenig Aufmerksamkeit erhielt, hält das Schweigen um den 1970 an den Kriegsfolgen verstorbenen
Zand weiter an. Hier ein Abschnitt zu beiden, der abseits von Gewohntem zu neuen
Leseentdeckungen führen könnte.
Hilsenrath ist möglicherweise „zu provokant“; für Herbert Zand mag gelten, dass sein früher Tod in
den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts sowie seine kleinbäuerliche Herkunft, weitab von den
literarischen Zentren, eine größere Bekanntheit verhinderten.
Edgar Hilsenrath: der Provozierende
In seinem autobiographischen Roman „Nacht“ schildert Hilsenrath, 1941 ins jüdische Getto der
ukrainischen Stadt Mogilev-Podelsk deportiert und 1944 von russischen Truppen befreit, das Leben
im Getto, der Vorstufe der Vernichtungslager. Nicht gezielter Massenmord wurde dort verübt, sondern
die Menschen sollten dem Hungertod ausgeliefert werden. Weltweit in Übersetzungen verbreitet, ist
der Roman im deutschen Sprachraum bis heute ein Zankapfel, speziell für die Literaturkritik. Eine
Geschichte im herkömmlichen Sinn erzählt Hilsenrath nicht, er reiht Details aus einem kannibalischen
Lebenskampf aneinander, verknüpft lediglich durch die Figur seines Protagonisten Ranek. An dessen
Beispiel zeigt der Autor die Eskalation des Grauens und den zwangsläufigen Egoismus der um ihr
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Autor: Johann Stangel
Johann Stangel: Literaturräume
Die Literatur zwischen 1945 und 1968
S. 324 – 358
Leben Kämpfenden. Als Raneks Bruder verhungert, meißelt dieser ihm den Goldzahn aus dem Mund,
um eine Frist für sein eigenes Überleben zu gewinnen:
Ranek starrte seinen Bruder nicht lange an. […] Ranek wusste, dass es nicht leicht sein würde, Fred den Zahn
herauszuziehen; der Mund war so steif wie ein Stück Altholz, und die Lippen waren so fest zusammengepresst,
als hätte er noch in den letzten Zügen daran gedacht, dass man ihn bestehlen würde […]. Freds aufgeplatzte
Lippen wurden unter seinen Schlägen allmählich zu einem blutigen Brei.
Hilsenrath verzichtet darauf, dem Grauen einen religiösen oder metaphysischen Sinn zu geben, jede
Hoffnungsperspektive für die Gettobewohner fehlt. Innerhalb jener Literatur, die vom Leiden und
Sterben in den Gettos und Vernichtungslagern erzählt, provoziert Hilsenraths Roman durch die
scheinbare Unbeteiligtheit, mit der die Alltäglichkeit dieser Welt geschildert wird: „Vor einem Haustor
spielte ein Kind. Es spielte mit dem aufgelösten, weichen, welligen Haar einer Frauenleiche, die am Vormittag
aus dem Fenster geworfen worden war. Die Leiche war nicht geplatzt, denn es war ein niedriges Fenster.“
Heinrich Böll sprach beim Erscheinen des Romans von einer „Ekelschwelle“, die bei der Lektüre zu
überwinden sei. Als das Buch 1964 herauskam, sah sich der Verlag gezwungen, es bald wieder vom
Markt zu nehmen. Zu fragwürdig schien es in dieser Zeit noch, Juden zu schildern, die nicht nur Opfer
sind, sondern Mitbewohner einer Hölle, in der auch sie nicht der Entmenschlichung entkommen, die
sich schlagen für eine verfaulte Kartoffel und die brutal um einen elenden Schlafplatz kämpfen. Dabei
lässt der Autor keinen Zweifel, wer die Juden in diese ausweglose Situation Mensch gegen Mensch
gebracht hat: das NS-Regime und deren Helfer.
Herbert Zand: Der Krieg als Metapher für die menschliche Existenz
Der bekannteste Roman des im steirischen Salzkammergut geborenen Herbert Zand, „Letzte
Ausfahrt“, trägt den gleichnishaften Untertitel „Roman der Eingekesselten“. Es geht darin nicht nur um
den mörderischen Rückzug der Armeen von der Ostfront, den Zand als 18-Jähriger schwer
verwundet miterleben musste, sondern um die Darstellung der existenziellen Situation des Menschen.
Eingekesselt, das ist der Mensch immer:
Wir sind alle eingekreist, nicht nur jetzt, immer. Niemand ist vollkommen, jeder funktioniert fehlerhaft, und
seine Fehler schließen sich um ihn eines Tages – oder in einer Nacht – zu einem undurchbrechbaren Ring. Die
einzige Institution, die fehlerlos arbeitet, ist die innere Registratur, das Schicksal mit seinen tausend Zufällen.
Noch nie hat ein Zufall versagt. Jeder bringt sich selbst zu Fall.
Zands Roman erschien zuerst in einem kleinen österreichischen Verlag, der bald schließen musste.
Der Verbreitung von „Letzte Ausfahrt“ war damit ein schnelles Ende gesetzt. Erst in den 90er-Jahren
erfolgte eine kurze Wiederentdeckung Zands. Elias Canetti, der mit Zand befreundet war, schrieb
nach Zands Tod 1970:
„Herbert Zands Fragmente gehören zu den kostbarsten Vermächtnissen der österreichischen Literatur. […]
Seine Worte sind vom Schweigen genährt: es wird den Lärm, der uns mit Taubheit schlägt, überdauern.“
Romane, die sich mit dem Grauen der Kriege als Betroffene und Zeugen befassen, ihn weder zu
deuten, noch zu heroisieren, zu „bewältigen“ oder gar ihm einen Sinn zu geben versuchen, werden
allerdings auch in Zukunft vermutlich nur schwer Aufnahme in den gängigen Literaturkanon finden.
S. 346 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Lebert: „Die Wolfshaut“
Parallelen Wetter, Landschaft, Habergeiers Charakter:
Lebert hat laut literarischer Forschung Wetter- und Landschaftsbeschreibungen bis ins kleinste Detail
präzise überlegt. Lehm, Regen, Jauche und Novembernebel spiegeln die Atmosphäre des
entlegenen Dorfs „Schweigen", das, angeführt von Habergeier, eingetaucht ist ins Vergessenwollen
der NS-Vergangenheit.
Auch der gewählte Abschnitt spiegelt in der dumpfen Schwere des schwülen Abends (z. B. 38 ff.)
dem Zwielicht und Nebel (5 ff.), den Baumstümpfen der Landschaft und Habergeiers brutaler Sprache
(z. B. 46 f.), seinem Denken und seinen unbewussten Handlungen (53 ff.) das undurchdringliche
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Autor: Johann Stangel
Johann Stangel: Literaturräume
Die Literatur zwischen 1945 und 1968
S. 324 – 358
Böse. Die Handlung dauert übrigens 99 Tage, genauso wie der Regen, der das Schweigen aufweicht.
Spannungsaufbau und -lösung besonders 47 bis 56: Anlegen des schussbereiten Gewehres und das
schließliche Senken des Laufs.
Ein Tipp: „Die Wolfshaut“ wurde vom ORF als Hörspiel produziert und erhielt den Hörspielpreis 2005.
Autor: der Wiener Helmut Peschina; beim ORF erhältlich; Dauer 3 Stunden.
S. 346 f. Zusatzinformation (youtube plus Unterrichtsmodell) und
Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Bachmann: „Freies Geleit“
Die Erstveröffentlichung des Gedichts „Freies Geleit” war eine Hörfunk-Aufnahme des SDR Stuttgart
am 19. Juni 1957. Als „Aria II” ist es Bestandteil der „Nachtstücke und Arien” des Komponisten Hans
Werner Henze, mit dem die Autorin damals eng befreundet war. Da das Gedicht also ursprünglich als
„Musikstück“ geplant war, empfiehlt sich zumindest ein lauter Vortrag des Gedichts eventuell vor der
Analyse. Noch eindrucksvoller ist eine vorgängige akustische und visuelle Präsentation mit
Präsentationsvergleichen, z. B. auf youtube unter http://www.youtube.com/watch?v=3D7xDwTEJyA
im Vergleich mit http://www.youtube.com/watch?v=z-PfV-b6R88
Vorschläge zur ausführlichen Analyse finden Sie z. B. unter
http://home.bn-ulm.de/%7Eulschrey/literatur/bachmann/bachmann_freiesgeleit.html.
Die Erde will keine Zerstörung (Strophe 3), sondern die Bewahrung der Natur (Strophen 1, 2, 4, 5)
und ihre eigene Freiheit auch in der Zukunft (Strophe 6).
Die Elemente Wasser/Luft sind nicht trennbar: z. B.: Strophe 1: Luft 1 und 2 f.; Wasser 3 f.; Strophe 2
Wasser 5, Luft 7; umschlossen von beiden ist das Land (6 ); das vierte Element Feuer kommt nur als
Negativum vor: als Rauchpilz (9) und Asche (20); Eindrücke der Atombombenversuche der Zeit
spiegeln sich vermutlich darin.
Tiere als „Brüdern und Schwestern“, denen wir zur Solidarität verpflichtet sind, die aber überdies
(König Fisch, Hoheit Nachtigall etc. 13 f.) mythische Bedeutung haben; die Erde ist dem Menschen
freundlich gesinnt (explizit Strophe 4 (mit uns…) und 5 (für uns).
Besondere Stilmittel in Strophe 2: Dominanz des l – mit einigen Alliterationen/Stabreimen – und
Assonanzen (Luft/Mund/Blumen). Strophe 3 und 6 beginnen mit Anaphern (Die Erde will …);
Bachmanns literarisches Anliegen kann man der Klasse noch näher bringen durch abschnittsweise
Lektüre ihrer Frankfurter Poetikvorlesungen. Hier kurze „Anleseausschnitte“:
Über veraltete Literatur:„Die Literatur hinter uns, was ist denn das: Brachfelder von zerredeten Worten
und Tümpel von stinkendem, feigen Schweigen“.
Zur Funktion von Gedichten: „Gedichte sollen nicht genießbar, aber erkenntnishaltig sein.“
Zur Wirkung von Gedichten: „Und das Gedicht selbst? Was bewirkt es? Ist es nicht vielleicht so, dass,
[gerade] weil uns ein Gedicht unglücklich macht, weil ihm dies gelingt, und weil es neue Dichter gibt,
die uns unglücklich machen können, [es] auch in uns einen Ruck gibt, einen erkenntnishaften […]“.
Bachmann bezieht sich dabei auf die berühmte Forderung Kafkas an die Literatur: „Wenn das Buch,
das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das
Buch? Damit es uns glücklich macht... ? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine
Bücher hätten, und solche Bücher, die uns glücklich machen, könnten wir zur Not selber schreiben...
Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Das glaube ich."
Zusatzinformationen zur Autorin und ihrem Werk finden Sie z. B. auch auf http://www.ingeborgbachmann.cc/.
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Autor: Johann Stangel
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S. 324 – 358
S. 348 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Enzensberger: „middle
class blues“ und „das ende der eulen“
Welche der Aussagen treffen für welches Gedicht zu?
… enthält Kritik an der Gefährdung des Menschen durch gesellschaftliche Zwänge: middle class
blues
… könnte als ‚ökologischer’ Text gelesen werden: ende der eulen
… zeigt die Oberflächlichkeit auf, mit der das Leben von manchen gelebt wird: middle class blues
… enthält viele Metaphern und sprachliche Bilder: ende der eulen
… bedient sich des Stilmittels der Wiederholung und Anapher: middle class blues
… behauptet, die beste aller möglichen Lösungen zu kennen: keines
… ist eindeutig parteipolitisch: keines
S. 351 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Dürrenmatt „Besuch der
alten Dame“
Besonders groteske Elemente: 26 ff. (Beinprothese); 51 ff. (Ill schlägt mit der Hand auf das Scharnier
der Prothese); 69 ff. (Die von Ill so gepriesenene „weiße Hand“ ist ebenfalls eine Prothese).
Explizit tragische Elemente fehlen gemäß Dürrenmatts Dramentheorie; Der Autor erzeugt eher
Distanz zum Geschehen auf der Bühne. Mittel dazu sind tragisch-groteske Elemente, also eine
Verbindung von scheinbar Unvereinbarem. Eine Tragödie setzt nach Dürrenmatt „Schuld, Not, Maß,
Übersicht, Verantwortung“ voraus, um ihr Ziel, die Läuterung des Einzelnen, zu erreichen. In der
Unübersichtlichkeit der modernen Welt, so Dürrenmatt, ist Schuld verwischt und nicht eindeutig
zuordenbar. Nur das Groteske kann dieser Verworrenheit und Unübersichtlichkeit beikommen. So ist
auch der Tod Ills nicht tragisch präsentiert, sondern mit grotesken Elementen versehen: rührseliger
Bürgermeister, hilfloser Pfarrer, Ill, der selbst in die „Todesgasse“ schreitet, die Interpretation des
Bürgermeisters und des Pressemanns, die Ills Tod als Tod durch Freude qualifizieren (130 f.).
S. 353 Zusatzangebot ad Dürrenmatt
Der Schlusschor der reichen Güllener lässt sich gut vergleichen mit dem Chor aus der „Antigone“ des
Sophokles.
Aufschlüsselungsfragen z. B.: Welche Beispiele führt Dürrenmatt für das „Ungeheuerliche“ der Menschen an,
welche Sophokles? Welche Beispiele Dürrenmatts halten Sie für sarkastisch-ironisch? An welcher Stelle
vollzieht sich bei Dürrenmatt der Wechsel von der tristen Vergangenheit in die reiche Gegenwart?
Hier der Text des Sophokles:
Sophokles: „Antigone“ (441 v. Chr.) – Chorlied
Ungeheuer ist viel, doch nichts ungeheuerer als der Mensch. Durch die grauliche Meeresflut, bei dem tobenden
Sturm von Süd, umtost von brechenden Wogen, so fährt er seinen Weg. Der Götter Ursprung, Mutter Erde,
schwindet, ermüdet nicht. Er mit den pflügenden, schollenaufwerfenden Rossen die Jahre durch bearbeitet sie,
das Feld bestellend.
Sorgloser Vögel Schwarm umstellt er mit garngesponnenem Netz. Und das Wild in all seiner Art, wie des
salzigen Meeres Brut, er fängt's, der Listge, sich ein, der überkluge Mann. Beherrscht durch Scharfsinn auch der
Wildnis schweifendes Tier und er zähmt auch die mähnigen Rosse mit nackenumschließendem Jochholz, auch
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Autor: Johann Stangel
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S. 324 – 358
den unbezwungnen Bergstier.
Das Wort wie den windschnellen Sinn, das Gesetz, das die Staaten lenkt, solches brachte er alles sich bei und
lernt auch, dem Frost da drauß zu entgehn, sowie des Sturms Regenpfeil. Rat für alles weiß er sich, und ratlos
trifft ihn nichts, was kommt. Nur vorm Tod fand er keine Flucht. Doch sonst gegen heillos Leiden hat er sich
Heil ersonnen.
S. 351 Lösungen zu den Arbeitsaufgaben ad Bauer „Caligula“
Unterschiede zwischen Bauers „Caligula“ und klassischen historischen Dramen:
Die historischen Dramen aus Sturm und Drang und Klassik sehen dass Individuum in der Spannung
zwischen Selbstbestimmung, Verantwortung und staatlicher Macht, diesen Konstellationen
ausgeliefert, kraft ihres Ethos oft meisternd (Tell) oder ihnen unterliegend (Götz, Maria Stuart). Die
Geschichte selbst wird in den klassischen Dramen optimistisch als auf politischen Fortschritt zur
Freiheit und Autonomie angelegt gesehen.
Bauers Theater ist keine „moralische Anstalt“ mehr; die Absurdität des Realen kann nur in Groteske
und Übertreibung dargestellt werden.
Tod des Caligula: Nach nur vier Jahren der Herrschaft fand Caligula 41 den Tod durch die Hand der
Prätorianergarde, seiner Leibwächter. Antike Todesdarstellungen sind oft stark stilisiert: Laut den
antiken Berichten (Sueton) erfolgte das Attentat im unterirdischen Korridor eines Theaters, wobei
Caligula in Art einer rituellen Opferung abgeschlachtet wurde, um so den von ihm ins Extreme
getriebenen Kult um seine Person in einer symbolischen Rollenumkehrung zu vergelten.
Seite 356 Zusatzangebot zu den kreativen Arbeitsaufgaben (Fokus)
Eine weitere mögliche Arbeitsaufgabe: Setzen Sie – auf Englisch oder auf Deutsch – Hemingways
Text ein paar Zeilen fort! Machen Sie dasselbe – auf Deutsch – beim Text von Jens. Skizzieren Sie
zu den Texten einen Handlungsfortgang Ihrer Wahl!
Seite 356 Lösung zur Arbeitsaufgabe ad Stilvergleich
Kleists Stilmittel der verschachtelten und langen Sätze, die mithilfe von Einschüben oder
(willkürlichen) Beistrichen in die Länge gezogen werden, vermittelt „atemlose“ Spannung und
überdies die für Kleist typische Anschauung von der Komplexheit (und „Kompliziertheit“) allen
Geschehens. Die fiktiven kurzen Sätze des Beispiels ergeben nur spannungslose
Aneinanderreihungen.
Zusatzinformation: Ideen für Portfolio, mündliche Matura,
vorwissenschaftliche Arbeit
Thema 1: Literarisch-fächerübergreifendes Thema (mit Geschichte): „Die Verantwortung der
Wissenschaft“: Eine Verbindung der Gedichte von Marie Luise Kaschnitz („Hiroshima“) und Ingeborg
Bachmann („Freies Geleit“) zu Dürrenmatts Drama „Die Physiker“ , Heinar Kipphardts Drama „In der
Sache J. Robert Oppenheimer“ oder zu Wolfgang Weyrauchs Hörspiel „Die japanischen Fischer“
lässt sich ebenso leicht herstellen wie Recherchen zu den Bedingungen der Konstruktion der
Atombombe und den militärischen und humanitären Überlegungen und Folgen der
Atombombenabwürfe auf Japan.
Thema 2: Literarisches Thema: „Das Grazer Forum Stadtpark“: Ausgehend von einer Analyse von
Wolfgang Bauers Minidramen, kann sich eine Präsentation von Autoren/Autorinnen der „Grazer“
ergeben, von deren ästhetischen und literarischen Vorstellungen und Auseinandersetzungen – siehe
auch den Kasten auf S. 364 der „Literaturräume“.
Thema 3: Literarisch-fächerübergreifendes Thema: „Das österreichische Kabarett“: Mit dem
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Autor: Johann Stangel
Johann Stangel: Literaturräume
Die Literatur zwischen 1945 und 1968
S. 324 – 358
Ausgangspunkt von Qualtingers „Herr Karl“ ließen sch die Geschichte, die Themen und die
gesellschaftlichen und politischen „Anstoßpunkte“ des österreichischen Kabaretts der Nachkriegszeit
von Farkas, Bronner, Waldbrunn über Maxi Böhm bis zu Haderer, Düringer, Dorfer, Palfrader…
darstellen.
Test-Vorschlag zur Sicherung des Unterrichtsertrages
Fragen
Was bezeichnet der Begriff „Trümmerliteratur“?
Nennen Sie dazu mindestens drei Autoren mit ihren Werken.
Welche epische Gattung tritt in die deutsche Literatur der Nachrkriegszeit?
Welche neue (Kriegs)bedrohung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird
Thema der Literatur?
Welches Gedicht von Marie Luise Kaschnitz nimmt darauf direkt Bezug?
Welche Fragen erheben sich, betreffend die Rolle und Funktion der Literatur,
nach Katastrophen wie Auschwitz?
Welche unterschiedlichen Stellungnahmen gibt es dazu?
Welches Verfahren wendet Heimrad Bäcker in „nachschrift“ an, um die Gräuel
der Lager zur Sprache zu bringen?
Welche Romane attackieren beispielhaft die „Wirtschaftswunderpolitik“ der
Nachkriegszeit in Deutschland?
Was ist das Thema von Max Frischs Drama „Andorra“?
Um welches Thema „geht es“ in Dürrenmatts Komödie „Der Besuch der alten Dame“?
Welchen zeitkritischen Lyrikern ordnen Sie folgende Gedichttitel zu:
„middle class blues“ und „Anpassung“?
Beschreiben Sie die Besonderheiten des „Haupthelden“ in der „Blechtrommel“.
Beschreiben Sie das Anliegen des Gedichtes „Freies Geleit“ von Ingeborg Bachmann.
Punkte
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Bewertungsvorschlag: 40-36: sehr gut; 35-31: gut; 30-25: befriedigend; 24-20: genügend
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