BRIEFKASTENFIRMEN: DELAWARE LIEGT NICHT IN PANAMA
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BRIEFKASTENFIRMEN: DELAWARE LIEGT NICHT IN PANAMA
BRIEFKASTENFIRMEN: DELAWARE LIEGT NICHT IN PANAMA Im Zuge der Enthüllungen der sogenannten „Panama Papers“ ist eine recht aufgeregt geführte Diskussion entfacht, die sich nicht nur um die Bekämpfung von „Steueroasen“ dreht, sondern insbesondere auch die Dabei ist auch der US-Bundesstaat Delaware in den Fokus geraten. Die Diskussion hierzu wird jedoch oftmals zu undifferenziert geführt. In Verruf gebracht hat Delaware unter anderem ein eher unrepräsentatives Haus in der strukturschwachen Stadt Wilmington mit der Anschrift „1209 Orange Street“. Mit dieser Adresse sollen sich knapp 300.000 Firmen registriert haben, ohne dort eine reguläre Geschäftspräsenz zu haben. Für andere Adressen in Delaware gilt Ähnliches. Der Eindruck, dass es bei diesen Firmen nicht ganz mit rechten Dingen zugehen könne, wird dadurch verstärkt, dass es für interessierte Dritte schwierig bis unmöglich ist, die Eigentümer dieser Unternehmen zu ermitteln. Es fehlt in Delaware schlicht an einem öffentlich einsehbaren Handelsregister nach europäischem Vorbild. Vor diesem Hintergrund wird vermehrt die Forderung erhoben, die US-Regierung möge sich doch zunächst einmal um die Regulierung von Delaware-Gesellschaften kümmern, bevor sie Steueroasen wie Panama international anprangert. Ohne mit diesem Beitrag in die sicherlich wichtige Diskussion um den Umgang mit sogenannten „Steueroasen“ eintreten zu wollen, sollen im Folgenden einige Argumente aufgezeigt werden, die aus gesellschaftsrechlicher Sicht gegen die oftmals pauschale „Verunglimpfung“ von Delaware-Gesellschaften sprechen. Das Misstrauen gegen Delaware-Gesellschaften scheint nicht selten auch auf einem Missverständnis des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts zu beruhen. Es ist etwa nachvollziehbar, dass die Existenz tausender Firmen an einer einzigen unscheinbaren For more information, please contact: Timo Rehbock Partner [email protected] 312-214-4592 Dennis Schlottmann Business Transactions Advisor [email protected] 312-214-4598 Ganz anders wirkt dieser Umstand jedoch, wenn man sich vor Augen führt, dass jede in Agent“ anzugeben, der als zustellungsbevollmächtigte Person behördliche und gerichtliche sich hunderte, tausende oder – wie im Fall der Orange Street – sogar hunderttausende Firmen dieselbe Adresse teilen, ohne dort geschäftlich präsent zu sein. Ein unlauteres Vorgehen ist allein aus diesem Umstand daher nicht abzuleiten. With more than 600 attorneys and other legal professionals, Barnes & Thornburg is one Auch die mangelnde Transparenz im Hinblick auf die Eigentümer dieser Gesellschaften taugt jedenfalls nicht als Vorwurf gegen Delaware im Speziellen: Auch die übrigen 49 US-Bundestaaten verfügen über kein öffentlich einsehbares Handels- oder Gesellschafterregister. Ebenso verlangt kein Bundesstaat der USA für die Firmengründung Ausweispapiere oder andere behördliche Bescheinigungen. Man kann diesen Umstand clients worldwide from 13 Dallas, Delaware, Indiana, Los Angeles, Michigan, Minneapolis, Ohio, and Washington, D.C. For more information, visit us online at www.btlaw.com or on Twitter @BTLawNews. btlaw.com / 1 Wirtschaftswachstum möglichst nicht durch Formalitäten zu bremsen. Jedenfalls aber ist dies eine Diskussion, die sich nicht auf Delaware beschränkt. Zudem sollte man sich vergegenwärtigen, dass auch ein Handelsregister europäischer Art kein Allheilmittel gegen Verschleierung der wahren Eigentümer ist, wie beispielsweise die in der Praxis beliebten Treuhandstrukturen zeigen. Zudem tritt ein anderes, vollkommen legitimes Motiv für die Wahl des Staates Delaware in der aktuellen Diskussion in den Hintergrund: Das Gesellschaftsrecht Delawares gilt unbestritten als das fortschrittlichste und flexibelste in den USA. Auch stellt das Unternehmensrecht in Delaware eine Insel der Stabilität dar, auf welcher Änderungen nur sehr zurückhaltend eingebracht werden. Abgerundet werden diese Vorteile durch Delawares effizientes und professionelles Gerichtssystem, welches insbesondere im Wirtschaftsrecht einen hervorragenden Ruf genießt. Für viele erfahrene Anwälte auf der ganzen Welt sind die ausschlaggebenden Gründe für eine Empfehlung zu einer Unternehmensgründung in Delaware die Gerichte in Delaware und der Unterbau an Präzedenzentscheidungen, der von diesen Gerichten (insbesondere dem Court of Chancery) geschaffen wurde. Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass sich Unternehmen jeder Größe dem Gesellschaftsrecht Delawares unterstellen – unabhängig davon, wo sie ihren Hauptsitz haben. So sind mehr als die Hälfte der börsennotierten Unternehmen in den USA Delaware-Gesellschaften, darunter auch sehr namhafte und große Weltfirmen wie zum Beispiel Coca-Cola, General Motors, Google, Walt Disney, McDonald’s oder Goldman Sachs. Von den sogenannten Fortune 500 – den 500 umsatzstärksten US-amerikanischen Unternehmen – haben über 60 % ihren Rechtssitz in Delaware. Auch viele bekannte europäische Unternehmen haben ihre US-Niederlassung in Delaware. Daneben entscheiden sich – oft erst nach entsprechender juristischer Beratung – auch viele mittlere und kleinere Unternehmen für Delaware. All diese Unternehmen als Briefkastenfirmen zu diskreditieren, entspricht daher nicht den Tatsachen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass ein Großteil der in Delaware angesiedelten Unternehmen diese Entscheidung (zumindest auch) aus den zuvor genannten Motiven getroffen haben. Hieran lässt sich auch ein wesentlicher Unterschied zu den angeprangerten Steuerparadiesen etwa in Panama verdeutlichen. Denn Letztere zeichnen sich tatsächlich dadurch aus, dass sich ein Großteil der dort registrierten Unternehmen der rechtlichen und steuerlichen Vorteile des Sitzstaates bedient, ohne dort in irgendeiner Form geschäftliche Verknüpfungen aufzuweisen. Die Entscheidung für das Recht des Staates Delaware beruht hingegen häufig auf dem Wunsch, mit möglichst hoher Flexibiltät und Rechtssicherheit in den USA – also in dem föderalen Staat, dem Delaware angehört – unternehmerisch tätig werden zu können. Viele der dort registrierten Unternehmen siedeln sich daher gerade nicht ohne jegliche geschäftliche Verknüpfung an, sondern wählen Delaware aufgrund der Vorteile gegenüber den Rechtssystemen anderer US-Bundesstaaten. Mögen die Enthüllungen der „Panama Papers“ daher auch berechtigter Anlass sein, diskussionswürdige Kritik im Hinblick auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten und Transparenzregeln (auch in den USA) vorzubringen, sollte in der aktuellen Diskussion nicht außer Betracht geraten, dass es eine Vielzahl legitimer und sogar gesamtwirtschaftlich erwünschter Motive gibt, eine Gesellschaft in Delaware zu gründen. Briefkastenfirmen: Delaware liegt nicht in Panama btlaw.com / 2