Netzwerküberwachung in der Fernwärmeversorgung für
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Netzwerküberwachung in der Fernwärmeversorgung für
EnergieForum In der Anlage Aubrugg wird mit zwei fossil befeuerten Heizkesseln die Spitzenlastenergie für das Fernwärmenetz der Stadt Zürich erzeugt. Höhere Anlagenverfügbarkeit im Heizkraftwerk durch effektive Netzwerk-Management-Software Netzwerküberwachung in der Fernwärmeversorgung für Zürich INDUSTRIELLE KOMMUNIKATION | Die Erweiterung des Heizkraftwerks Aubrugg mit einem modernen Holzheizkraftwerk ist für die Stadt Zürich ein Schritt in der Umsetzung ihres ökologisch-nachhaltigen Energiekonzepts. Zur Verbesserung der Verfügbarkeit der Anlage und damit der Versorgungssicherheit des Fernwärmenetzes hat sich die Betriebsgesellschaft ERZ für eine automatische Überwachung des Kommunikationsnetzwerks entschieden. I m Jahr 2010 ging das Holzheizkraftwerk Aubrugg in Betrieb. Es wurde in die bestehende Anlage integriert, die seit 1977 mit zwei fossil befeuerten Heizkesseln die Spitzenlastenergie für das Fernwärmenetz der Stadt Zürich liefert. Die energetische Nutzung von einheimischem Holz leistet einen Beitrag zur Produktion von nachhaltiger CO2-neutraler Wärmeenergie. Das Holzheizkraftwerk produziert jährlich 104 GWh Wärme und ersetzt damit einen großen Teil der fossilen Energieträger Öl und Gas. Zusätzlich werden mit einer 11-MW-Dampfturbine rund 38 GWh Strom erzeugt, der unter dem ÖkostromLabel vermarktet wird. Durch die Nutzung der Abdampfwärme nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung wird die Energieausnutzung der Anlage zusätzlich gesteigert. BWK Bd. 67 (2015) Nr. 3 Das Heizkraftwerk Aubrugg produziert Spitzenlastenergie für das Fernwärmesystem „Zürich Wärme“. Die Grundlast wird durch die Kehrichtverbrennungsanlage Hagenholz geliefert. Das 150 km lange Fernwärmenetz versorgt in den Regionen Zürich Nord, im Hochschulquartier sowie in Teilen der Gemeinden Wallisellen und Opfikon rund 20 000 Wohnungen, Geschäftsliegenschaften und öffentliche Gebäude mit Heizwärme und Energie für die Warmwasseraufbereitung. Versorgungssicherheit an erster Stelle Für die Fernwärmeabnehmer stehen die ökologische Energieproduktion und vor allem die Versorgungssicherheit im Vordergrund. Niemand wünscht sich einen Ausfall der Heizung in der kältesten Win- terzeit. Durch die Redundanzen der Wärmeproduktion und die verschiedenen zur Verfügung stehenden Primärenergiequellen wird ein Teil dieses Risikos vermindert. Was aber, wenn das „Nervensystem“, also das Kommunikations-Netzwerk der Anlage, streikt? Im Zuge der Modernisierung des Heizkraftwerks im Jahr 2010 wurden die verschiedenen Steuerungen der Anlage und die Gebäudeleittechnik sowie dezentrale Feldgeräte in ein Industrial Ethernet eingebunden. Die Basis dafür besteht aus einem Glasfasernetz in Ringtopologie. Die Anbindung erfolgte mit verschiedenen Industrial-Ethernet-Switches Scalance X (siehe auch Textkasten „Netzwerktechnik“). Durch die Ausdehnung und die Komplexität der gesamten Anlage entstand ein Netzwerk von insgesamt 14 km Länge mit mehr als 100 Switches. Um die Sicherheit und Zuverlässigkeit dieses Netzwerks zu erhöhen, entschieden sich die Verantwortlichen der Betriebsgesellschaft ERZ im Jahr 2013 für eine Netzwerk-Management-Software. Dass die Wahl hierbei auf Sinema Server von Siemens fiel, war für Sasa Stevanovic, Betriebselektriker und Projektverantwortli- 41 EnergieForum Nach einer Einführung durch Siemens hat Sasa Stevanovic, Betriebselektriker und Projektverantwortlicher bei ERZ, die Konfigurierung der Netzwerküberwachung mit Sinema Server praktisch im Alleingang durchgeführt. cher bei ERZ, ein logischer Schritt: „Da wir mehrheitlich Siemens-Steuerungen in unserer Anlage einsetzen, ist somit die Durchgängigkeit von den Switches über die Steuerung bis zu den angesteuerten Komponenten garantiert.“ Einfache Konfiguration umfangreicher Netzwerktopologien Zu Beginn musste die Software für das bestehende Netzwerk konfiguriert und Die Netzwerk-Management-Software Sinema Server von Siemens erkennt nicht nur die Geräte von Siemens, sondern auch die von Fremdherstellern und unterstützt die industrieüblichen Kommunikationsprotokolle. die Netzwerktopologie mit allen vorhandenen Switches, Steuerungen und Feldgeräten abgebildet werden. Bei mehr als 100 Switches klingt das nach viel Aufwand und einem Engineering, das sehr viel Fachwissen erfordert. Stevanovic winkt ab: „Nach einer Einführung vor Ort konnte ich – ohne besondere Vorkenntnisse – die ganze Konfigurierung der Netzwerküberwachung mit einem Zeitaufwand von rund zwei Wochen selbstständig realisieren.“ Netzwerktechnik > Industrial Ethernet Switches Scalance X: Im Heizkraftwerk Aubrugg werden industrietaugliche Switches der Typen Scalance X204 im Feld, X308 in den Schränken und X324 im Relaisraum (19"-Format) verwendet. Sie haben eine redundante Spannungsversorgung und eignen sich für den lüfterlosen Einsatz bei hohen und tiefen Temperaturen sowie bei Vibrationen. Es handelt sich um so genannte Managed-Switches. Der Zugriff erfolgt über eine IP-Adresse. Sie sind zudem „ringtauglich“, das heißt, der Ausfall eines Switches hat keine Auswirkung auf andere Switches im Netzwerk. > Netzwerk-Management-Software Sinema Server: Sinema steht für Simatic-NetworkManager. Mit der Version 12 der Netzwerk-Management-Software lassen sich maximal 500 Geräte pro Sinema-Server-Station überwachen. Jeder Sinema-Server kann zudem den Status von bis zu 100 anderen Sinema-Servern im Netzwerk anzeigen. Insgesamt erlaubt dies ein Monitoring von bis zu 50 000 Netzwerkteilnehmern. Die angeschlossenen Komponenten werden per SNMP (Simple Network Management Protocol) oder ProfinetGeräte per DCP (Device Control Protocol) automatisch erkannt. Für Scalance-Netzwerkkomponenten steht eine erweiterte Detaildiagnose zur Verfügung. Die Report-Funktion informiert die Produktionsleitung über Performanz und Kapazitäten des Netzwerks und schafft damit die Grundlage für eine gezielte Steuerung und Planung der Netzwerkinfrastruktur. i www.siemens.de/switches, www.siemens.de/sinema 42 Die Installation und Inbetriebnahme von Sinema Server verläuft nach dem Plug&Play-Prinzip schnell und selbsterklärend. Die Bedienung der Software wurde besonders einfach und benutzerfreundlich gestaltet. Mehrere Anwender können gleichzeitig mit einem WebBrowser von überall auf die Sinema-Server-Daten zugreifen. Dabei ist die Topologie von industriellen Netzwerken in der Regel komplizierter und heterogener als beispielsweise im Bürobereich. Es gibt viele Spezialanwendungen auf PC, Embedded-Systeme für die Bedienung und Überwachung, speicherprogrammierbare Steuerungen, Peripheriegeräte, Antriebstechnik und Sensorik. Trotz mehrheitlicher Verwendung von Siemens-Steuerungen sind auch bei der Anlage Aubrugg spezielle Komponenten unterschiedlicher Hersteller im Einsatz. Die Software erkennt mittels „Autodiscovery“ unter anderem auch Geräte von Fremdherstellern und unterstützt die industrieüblichen Kommunikationsprotokolle. Überwachung und Dokumentation des Netzwerks Sinema Server wurde speziell für die kontinuierliche Überwachung von industriellen Kommunikationsnetzwerken wie Industrial Ethernet, etwa Profinet, die die Anlagenbediener sowie Wartungs- und Service-Personal effizient unterstützt, entwickelt. In vorgegebenen Intervallen wird das gesamte Netzwerk gescannt und BWK Bd. 67 (2015) Nr. 3 EnergieForum © Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf 2015 Das Heizkraftwerk Aubrugg steht mitten im Autobahnkreuz Zürich-Ost und ist mit seinem markanten Kamin von weit her sichtbar. Drei Partner auf Öko-Kurs Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ) ist die Betriebsgesellschaft des Fernwärmenetzes „Zürich Wärme“ mit dem Heizkraftwerk Aubrugg, der Kehrichtverbrennungsanlage Hagenholz und weiterer Wärmelieferanten. Das neue integrierte Holzheizkraftwerk Aubrugg wird durch die drei Partnerfirmen ERZ, Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) sowie ZürichHolz AG gemeinschaftlich betrieben. i www.erz.ch, www.ekz.ch, www.zuerichholz.ch BWK Bd. 67 (2015) Nr. 3 jede Veränderung im Netzwerk und den darin enthaltenen Komponenten identifiziert. Dadurch können Netzwerkprobleme schnell erkannt und Stillstände oder Fehlfunktionen innerhalb der Anlage behoben werden. Neben der Überwachungsaufgabe lässt sich die NetzwerkManagement-Software für die Dokumentation des Geräteinventars und der Netzwerkverfügbarkeit einsetzen. Daraus resultieren letztendlich weniger netzwerkbedingte Stillstandzeiten und eine höhere Verfügbarkeit der Produktionsanlagen des Heizkraftwerks. Sasa Stevanovic denkt bereits über eine Erweiterung der Überwachungsfunktionen nach: „Wir möchten das System künftig auch im Bereich der Arbeitssicherheit einsetzen. Unser Instandhaltungspersonal könnte dann bei einem Unfall oder anderen Problemen in den weitläufigen Rohrkanälen des Fernwärmenetzes schneller geortet werden.“ Andreas Gebhart, Product Manager Automation Systems, Siemens Schweiz AG, Zürich i www.siemens.ch/industry 43