erschwerter empfang für DXer - die tricks der Sendeanstalten

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erschwerter empfang für DXer - die tricks der Sendeanstalten
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Special Transmission Modes
Erschwerter Empfang
für DXer - die Tricks der
Sendeanstalten
Thomas Haring
Wer Informationen über Satellit überträgt
muss damit rechnen, dass diese im
gesamten Sendegebiet des Satelliten auch
empfangen werden können. Beim DTH
(Direct To Home) TV- und Radioempfang
ist das natürlich erwünscht, schließlich
wird hier ein für den Endverbraucher
aufbereitetes Programm übertragen, das
möglichst viele Zuseher erreichen soll.
Um dieses Programm aber zur Verfügung
stellen zu können, ist es oftmals nötig,
dass TV-Anstalten auch untereinander
Signale übertragen; in der Fachsprache
werden diese Sendungen Feeds genannt.
Ein Feed kann z.B. die Übertragung eines
Baseballspiels aus den USA nach Europa
sein, oder der Bericht eines Reporters live
vom Geschehen einer Naturkatastrophe.
■ Erst eine drehbare Satellitenantenne ermöglicht den Feedempfang
■ SCPC Empfang mit nur 1.6 Ms/s
■ Eine in Europa übliche Multifeed Empfangsanlage für die Satelliten ASTRA
19.2° Ost und HOTBIRD 13° Ost. Mit ihr können keine Feeds empfangen
werden
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■ Übersicht der Feedübertragungen des
heutigen Tages
In beiden Fällen sind die Fernsehanstalten wenig darin interessiert, dass
ihre Zuseher das Rohmaterial empfangen können, schließlich möchte man das
fertig produzierte Programm inklusive
Werbung an den Mann bringen. Nicht
ohne Grund bedient man sich deshalb
bei der Übertragung von Studio zu Studio
bzw. von TV-Anstalt zu TV-Anstalt oft
terrestrischer
Glasfaserverbindungen,
die nur dem gewünschten Verbindungspartner Zugriff auf das zu übertragende
Material gestatten.
Glücklicherweise, zumindest für uns
Satelliten-DXer, sind aber meist jene
Feeds am interessantesten, bei denen
vor Ort kein Glasfasernetzwerk zur
Verfügung steht und die Verbindung
zwischen Übertragungswagen und TVAnstalt daher über Satellit erfolgen
muss. Allerdings bedienen sich auch hier
die TV-Anstalten so manches technischen Kniffes, damit die Zahl der ungebetenen Zaungäste überschaubar bleibt.
Im folgenden möchten wir Ihnen die
wichtigsten Möglichkeiten nennen, mit
denen die Sendeanstalten ungewünschte
Zuschauer fernhalten wollen:
Verschlüsselung
Der effektivste Schutz, um eine Übertragung nicht öffentlich einsehbar zu
machen, ist die Verschlüsselung. Wenn
die Übertragung von Studio zu Studio
erfolgt, ist es auch kein Problem, diese
zu realisieren. Etwas schwieriger wird
es, wenn ein mobiler Übertragungswagen zum Einsatz kommt. Der hat zwar
je nach Ausstattung meist die notwendige Verschlüsselungshardware an Bord,
allerdings bedeutet das Einrichten der
Verschlüsselung einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand, der gerade
bei Live Berichterstattungen von unvorhergesehenen Ereignissen zum Zeitproblem werden kann. In der Regel kommen
bei Feedübertragungen direkt adressierbare Verschlüsselungssysteme wie z.B.
PowerVu oder BISS zum Einsatz. Gerade
letzteres zeichnet sich durch ein fixes
Codewort aus, das von Seiten des Senders festgelegt und dann dem Empfänger
z.B. telefonisch mitgeteilt wird. Selbst
wenn sich jemand größte Mühe gibt, das
■ Gleich geht‘s los und die Feedübertragung startet
■ MPEG 4:2:2 Feed aus dem deutschen Bundestag. Mit einem handelsüblichen Digitalreceiver wäre
dieser Feed nicht darstellbar. Erst der PC und eine entsprechende Software zaubern ein Signal auf
den Bildschirm.
■ Fashion TV über den ABS1 75° Ost mit einer FEC von 7/8.
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Bekannte
Feedhunter
aus aller
Welt
■ Applesat aus Beijing, China
Codewort mittels BruteForce zu erraten,
so reicht in den allermeisten Fällen die
relativ kurze Zeit einer Feedübertragung
nicht aus, um alle möglichen Kombinationen zu testen. Immerhin sprechen wir
hier von 16 hexadezimalen Zeichen.
Handelt es sich um eine medienrechtlich relevante Feedübertragung (z.B. von
einem Rockkonzert, dessen Rechteverwertung genau geklärt ist), so werden
sich die TV-Anstalten peinlichst genau
darum bemühen, für eine entsprechende
Verschlüsselung zu sorgen. Bei weniger
heiklen Inhalten genügen oft auch nicht
ganz so drastische Maßnahmen, die aber
zum Ausschluss einer breiten Masse an
Zusehern beinahe ebenso effektiv sind.
Wahl des Satelliten
■ Feedhunter Rini aus
Amsterdam, Niederlande
■ Roy Carman aus
London, England
Wenn ein TV-Anbieter einen populären DTH Satelliten zur Feedübertragung
wählt, so darf er sich nicht über jede
Menge Zaungäste wundern. Und warum
sollte er auch solch einen Satelliten
wählen? Die Preise für Übertragungskapazitäten z.B. auf den in Europa sehr
beliebten Positionen ASTRA 19.2° Ost
oder HOTBIRD 13° Ost sind exorbitant
hoch und es stehen Dutzende andere
Satelliten auf weniger bekannten Positionen bereit. Sie bieten nicht nur den
Vorteil, dass die Übertragungskosten
weitaus geringer sind, sondern sind auch
von 99% aller Besitzer einer Satellitenantenne überhaupt nicht empfangbar.
Beliebte und bekannte Feedpositionen
in Europa sind z.B. der EUTELSAT W2
auf 16° Ost, der EUTELSAT W3A auf 7°
Ost, der EUTELSAT W1 auf 10° Ost oder
in Richtung Nordamerika der TELSTAR
12 auf 15° West, der ATLANTIC BIRD 1
auf 12.5° West und ganz im Westen der
PAS3R auf 43° West. Wer nicht gerade
eine motorgesteuerte Antenne oder eine
Multifeedanlage sein eigen nennt, hat
keine Chance, diese Satellitenpositionen
zu empfangen.
MPEG 4:2:2
Mit Hilfe einer veränderten Farbunterabtastung versuchen die TV-Sender
schon seit vielen Jahren, ungebetene
Zuseher von ihren Übertragungen auszuschließen. Beim digitalen TV-Empfang über Satellit kommt gewöhnlich das
4:2:0 Verfahren zum Einsatz. Es weist in
beiden Raumrichtungen eine identische
Farbabtastung auf, so wie sie auch bei
komprimierten Bildern im Format JPEG
zum Einsatz kommt. Bei MPEG 4:2:2 hingegen ist diese Farbunterabtastung, die
ursprünglich aus den analogen Farbfernsehstandard NTSC entstanden ist und
im Rahmen der Norm ITU-R BT 601 für
digitale Videosignale verwendet wird,
anders, denn es wird zwischen horizontaler und vertikaler Farbunterabtastung
unterschieden. Die Abtastung in horizontaler Richtung ist nur halb so groß wie
die in vertikaler Richtung, doch durch
das bei der analogen Fernsehnorm NTSC
bzw. PAL übliche Zeilensprungverfahren
ist die Farbauflösung in beiden Raumrichtungen identisch. Um solche Signale
korrekt darstellen zu können, werden
eigens dafür gebaute Receiver benötigt.
Sie sind, da für den professionellen Markt
entwickelt, sehr teuer und damit für den
Normalverbraucher nicht erschwinglich.
Allerdings verfügen die meisten modernen Linux Receiver über die Möglichkeit,
TV Signale per Netzwerkanschluss live
auf den PC zu streamen. Dort können
dann Softwaredecoder, die kostenlos
oder gegen geringe Gebühr im Internet
erhältlich sind, die Darstellung von MPEG
4:2:2 Signalen übernehmen und ermöglichen somit dem geübten DXer, in den
Genuss dieser Signale zu kommen.
Niedrige Symbolrate
Ein weiterer sehr beliebter Kniff, um
TV Programme nicht für jedermann empfangbar zu machen, ist die Verwendung
einer geringen Symbolrate. Fast alle
am Markt befindlichen DVB-S Digitalreceiver sind für Symbolraten zwischen 2
und 45 MS/s ausgelegt. Die Symbolrate
gibt die Anzahl der Zustandsänderungen
des Trägersignals pro Sekunde an, hat
aber nichts mit der Bitrate zu tun, die
die Menge der zu übertragenden Bits pro
Sekunde angibt und die somit ein Maßstab für die Bildqualität eines Senders
ist. Sehr wohl hängen aber beide Werte
in gewisser Weise zusammen, denn je
geringer die Symbolrate, desto weniger Informationen können übertragen
werden und dementsprechend geringer
muss auch die verwendete Bitrate sein.
Für die TV-Sender ist die Verwendung
einer geringen Symbolrate zur Feedübertragung also quasi ein Spagat. Auf
der einen Seite zwischen niedriger Symbolrate, um unerwünschte Zuseher auszusperren, aber auf der anderen Seite
darf diese nicht zu gering sein, da sonst
die Bildqualität darunter leiden würde.
In der Regel kommen daher Symbolraten zwischen 5000 und 6000 Ks/s zum
Einsatz. Dies schließt bereits eine große
Anzahl an DTH Satellitenempfänger aus,
ermöglicht aber andererseits noch die
Übertragung eines TV Signals in sehr
guter Qualität.
Natürlich gibt es in diesem Bereich aber
auch Extrembeispiele, so z.B. die Signalzuführungen einiger italienischer Sender
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■ Juan Carlos Duarte aus Santiago, Chile
■ Ingo Salomon aus Johannesburg, Südafrika
auf dem NSS7 22° West oder einiger
internationaler Sender auf dem EUTELSAT SEASAT 36° Ost. Diese verwenden
Symbolraten weit unter 2000 KS/s und
sind daher mit den meisten Receivern
kaum zu empfangen. Natürlich stellt sich
jetzt die Frage, weshalb etliche Receiver
ein Problem mit geringen Symbolraten
haben und andere wiederum nicht? Das
liegt hauptsächlich an der Qualität des
Tuners und der Feinabstimmung in der
Software. Beim Empfang eines Transponders mit extrem niedriger Symbolrate muss die Bandbreite entsprechend
der Symbolrate exakt reduziert werden,
um einen geringeren Rauschpegel und
dadurch ein optimales C/N (Carrier to
Noise Ratio) zu erhalten, während die
Frequenz immer exakter eingehalten
werden sollte, um ein stabiles Signal
erzeugen zu können. Viele Hersteller
sparen in diesem Bereich sowohl an
der Hardware als auch am Feintuning
der Software. Vorwurf kann man ihnen
daraus jedoch keinen machen, immerhin
weisen fast alle in den technischen Spezifikationen darauf hin, dass der Empfang erst ab mindestens 2 MS/s oder
mehr möglich ist.
Niedrige FEC
■ Vincent Witjhun aus Pontianak, Indonesien
Wenn für eine Feedübertragung ein
Transponder mit entsprechend großer
Kapazität benötigt wird und ein Reduzieren der Symbolrate daher nicht in
Betracht kommt, so besteht für die
Sendeanstalten die Möglichkeit, ungebetene Zaungäste mit einer niedrigen
FEC zu ärgern. Die FEC (Forward Error
Correction) ist ein mathematisches Korrekturverfahren, mit dessen Hilfe Verluste bei der Signalübertragung über
Satellit ausgeglichen werden. Gäbe es
dieses Verfahren nicht, wäre kaum ein
stabiler Signalempfang über Satellit
möglich und wenn, dann nur mit sehr
großen Antennendurchmessern. Die
FEC N/M gibt an, für wie viele N NettoBits M Brutto-Bits aufgewendet werden
müssen. Bei einer FEC von 1/2 bedeutet das also, dass zur Übertragung eines
Bits zwei Bits notwendig sind, bei 3/4
sind es für 3 Bits 4 Bits usw. Je höher
die Werte, desto geringer sind die Möglichkeiten, das Signal mathematisch zu
korrigieren. Sendet man also mit einer
FEC von 7/8, so sind die Korrekturmöglichkeiten schon derart gering, dass nur
mehr Benutzer mit entsprechend großer
Antenne das Signal störungsfrei empfangen können. Auf diese Weise lässt sich
anhand der FEC bestimmen, wie groß
der Antennendurchmesser zum Empfang
sein muss. Auf einem Transponder kann
so mittels der FEC gesteuert werden, ob
der Empfang leicht z.B. mit einer FEC
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■ Diego Rosende aus Tenerife, Spanien
von 1/2 oder schwer z.B. mit einer FEC
von 7/8 möglich ist. Mit dem neuen DVBS2 Standard wurden übrigens weitere
FEC Modi wie z.B. 2/3, 3/5, 4/5, 8/9 oder
9/10 eingeführt.
Nahe nebeneinander
liegende Transponder
■ Satheesan Puzhakkara aus Thiruvananthapuram, Indien
Die vom Endverbraucher im Receiver
eingegebenen Empfangsparameter stellen einen Mittelwert dar. So ist z.B. ein
Transponder mit der Frequenz 12600
MHz in aller Regel nicht genau auf dieser
Frequenz zu empfangen, sondern bedingt
durch die Verkabelung und vor allem die
Frequenzumsetzung des LNBs liegt der
optimale Werte bei z.B. 12598 MHz.
Digitale Satellitenreceiver sind daher
so gebaut, dass sie den optimalen Wert
erkennen und sich entsprechend darauf
einstellen. Bei leistungsstarken Transpondern, die in entsprechend großem
Abstand zueinander senden, ist das nicht
weiter problematisch, doch wenn SCPC
Transponder mit identischer oder ähnlicher Symbolrate sehr nahe nebeneinander liegen und einer von beiden zudem
ein deutlich stärkeres Signal überträgt,
so sind die allermeisten Receiver versucht, diesen Transponder zu locken und
den schwächeren Transponder zu ignorieren.
Dazu kommt, dass die allerwenigsten Receiver im Privatanwenderbereich
heute noch die Möglichkeit bieten, die
Empfangsbandbreite
einzuschränken
und daher den Receiver zu zwingen, nur
aus einem ganz engen Bereich um die
eigene Frequenz zu wählen. Die Folge
ist, dass sich auf diese Weise einzelne
Transponder relativ leicht hinter anderen
„verstecken“ lassen. Wer möchte, kann
die diesbezüglichen Fähigkeiten seines
Receivers testen und versuchen, die
Sender zwischen 11619 MHz und 11645
MHz in horizontaler Polarisation auf dem
NSS7 22° West zu empfangen. Gleiches
gilt für die Sender im Bereich 12507
MHz bis 12655 MHz auf dem EUTELSAT
SEASAT 36° Ost. Auch dort beisst sich so
mancher Receiver die Zähne aus.
■ Ron Roessl aus New York, USA
Sie sehen also, dass es eine Menge
Tricks gibt, mit denen die TV-Anstalten
auch ganz ohne Verschlüsselung den
Normalverbraucher am Feedempfang
hindern können. Wer aber die Tricks
kennt, der kann sich darauf einstellen
und entsprechend geeignete Hardware
verwenden. Wir von der TELE-Satellit
weisen in allen Testberichten darauf hin,
wie gut oder schlecht ein Receiver für
den SCPC Empfang geeignet ist und wie
sensibel sein Tuner auf schwache Signale
reagiert.
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