Vor und nach Cancún. Die Bedeutung der

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Vor und nach Cancún. Die Bedeutung der
Susan Steiner
Vor und nach Cancún. Die Bedeutung der laufenden
WTO-Verhandlungsrunde für Afrika
Hamburg, Juli 2004
© Susan Steiner, Institut für Afrika-Kunde, Hamburg
Die fünfte Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO), die vom 10.14.9.2003 im mexikanischen Cancún stattfand, gilt als gescheitert. Sie sollte eine
Zwischenbilanz der laufenden Verhandlungsrunde, welche ausdrücklich den Belangen der Entwicklungsländer verpflichtet war, ziehen. Bis heute wird das Fehlschlagen dieser Konferenz eingehend debattiert, und mögliche Auswirkungen für
Entwicklungsländer, Industrieländer sowie das multilaterale Handelssystem werden dargelegt. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Bedeutung der
WTO, der aktuellen Verhandlungsrunde und der gescheiterten Ministerkonferenz
für den afrikanischen Kontinent. Er befasst sich sowohl mit der Rolle Afrikas in
der WTO als auch mit der Frage, welche Rolle die WTO für Afrika spielt. Bevor
diese beiden Aspekte näher beleuchtet werden, soll eine Einordnung der laufenden Verhandlungsrunde in das multilaterale Handelssystem den Leser mit der
nötigen Hintergrundinformation versorgen.
Die Doha-Runde
Die laufende Verhandlungsrunde ist die neunte ihrer Art im Rahmen des multilateralen Handelssystems, das mit dem Abschluss des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) im Zuge der Verhandlungen von Bretton Woods im
Jahre 1947 ins Leben gerufen wurde. Vorrangiges Ziel des GATT war der gegenseitige Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen, auf dessen
Umsetzung sich die ersten sieben Verhandlungsrunden konzentrierten. Hierbei
stellten die Europäische Gemeinschaft und die USA die maßgeblichen Akteure
dar; Entwicklungsländer spielten lange, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete
Rolle. Erst im Rahmen der achten Verhandlungsrunde, der Uruguay-Runde
(1986-1994), zogen sie ins Geschehen ein. Zum ersten Mal wurde die Liberalisierung des Agrar- und des Textilsektors thematisiert, welche bis dahin von den
Verhandlungen ausgeschlossen war. Außerdem wurde über so genannte neue
Themen verhandelt: über Fragen des internationalen Dienstleistungsverkehrs, des
Urheberrechts und von Investitionen. Dies führte dazu, dass neben dem GATT
zwei neue Abkommen, das General Agreement on Trade in Services (GATS)
sowie das Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights
(TRIPS), ausgearbeitet wurden.
Da der Agrarsektor in vielen Entwicklungsländern den wichtigsten Wirtschaftssektor darstellt, forderte eine Reihe von Ländern des Südens die rasche
1
Abschaffung des Agrarprotektionismus in Industriestaaten. Diese schützen seit
Jahren ihre eigene Landwirtschaft mit Hilfe von Zöllen und Quoten und fördern
durch Agrarexportsubventionen, Exportkredite, Nahrungsmittelhilfen und Exportmonopole die eigenen Exporte. Dadurch verhindern bzw. beschränken sie
den Import von billigeren landwirtschaftlichen Produkten aus Entwicklungsländern. Gleichzeitig traten Entwicklungsländer gegen eine Aufnahme der neuen
Themen in den formellen Verhandlungsprozess ein. Es schien, als ob sich die
vormalige implizite Abmachung der Verhandlungsgespräche "Ich öffne meinen
Markt, wenn du deinen öffnest" in einen Handel der Art "Biete Öffnung der OECD-Märkte für landwirtschaftliche und arbeitsintensive Güter gegen die Aufnahme von Verhandlungen über Dienstleistungen, geistige Eigentumsrechte und
Investitionen" umgewandelt hätte.
Um dem umfassenderen Charakter der Verhandlungen gerecht zu werden und
den weitreichenden Beschlüssen der Uruguay-Runde einen institutionellen Rahmen zu geben, wurde am 1.1.1995 die WTO ins Leben gerufen. GATT, GATS
und TRIPS gingen als gleichwertige integrale Bestandteile in die neu gegründete
Organisation ein. Diese stellt ein völkerrechtlich verbindliches Regelwerk mit
einem Mechanismus zur Streitschlichtung dar, wohingegen das GATT lediglich
auf dem Konsens der Mitglieder bzw. dem Sanktionspotenzial führender Handelsnationen basiert hatte. Dadurch kam der WTO von Beginn an ein deutlich
weiteres Mandat als vorher dem GATT zu. Unter anderem hat dies dazu geführt,
dass sich die Anzahl der Mitgliedsstaaten in den Folgejahren schnell vergrößerte.
Bei Gründung der WTO wies sie 81 Mitglieder auf; heute sind es 148. Etwa drei
Viertel davon sind Entwicklungsländer.
Das oberste Entscheidungsgremium der WTO bilden die Ministerkonferenzen,
die mindestens alle zwei Jahre abgehalten werden und an denen die Handelsminister sowie weitere Delegierte aller Mitgliedsstaaten teilnehmen. Bislang fanden
fünf solcher Konferenzen statt: Singapur (9.-13.12.1996), Genf (18.-20.5.1998),
Seattle (30.11.-3.12.1999), Doha (10.-14.11.2001) und Cancún (10.-14.9.2003).
Neben der letzten war auch die Konferenz in Seattle gescheitert. Dort war ein
Streit um prozedurale Angelegenheiten entfacht, als zahlreiche Schwellen- und
Entwicklungsländer mehr Transparenz und Inklusion in den Verhandlungen und
in der Entscheidungsfindung forderten. Starke Kontroversen gab es auch in der
Diskussion um den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Textilien sowie um das Ansinnen der Industrieländer, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz
und den Marktzugang für genmanipulierte Nahrungsmittel aus Industrieländern
auf die Verhandlungsagenda zu setzen. Im Vorfeld der Konferenz war Kritik aus
Kreisen zahlreicher Nichtregierungsorganisationen und Globalisierungsgegner an
WTO-internen Prozessen immer lauter geworden. Sie unterstützten die Entwicklungsländer in ihren Forderungen nach mehr Beachtung und Einfluss und reisten
nach Seattle, um dort gegen die Vorrangstellung der Industrieländer innerhalb
der Organisation zu protestieren.
Die Schärfe dieser Proteste sowie das Fehlschlagen der Konferenz machten
deutlich, dass die Belange der Entwicklungsländer stärker in den Mittelpunkt
2
gerückt werden mussten. Die folgende WTO-Ministerkonferenz in Doha fand
unter den Auswirkungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 statt. Beeinflusst von der sich durchsetzenden Erkenntnis, dass der Kampf gegen den Terror auch ein Kampf gegen die Armut sein müsse, wurde daher beschlossen, dass
die nächste Verhandlungsrunde eine "Entwicklungsrunde" sein sollte. Vorrangiges Ziel war, die armen Länder besser in das Welthandelssystem einzubinden,
um ihnen wirtschaftliche Vorteile aus der fortschreitenden Globalisierung zu ermöglichen. Das Arbeitsprogramm der Doha-Runde, die von November 2001 bis
Dezember 2004 laufen sollte, erhielt den symbolischen Namen "Doha Development Agenda". Es umfasst eine Vielzahl an zu verhandelnden Themengebieten,
die von Landwirtschaft und Umweltfragen über Dienstleistungen und geistiges
Eigentum hin zu Investitionen und Wettbewerb reichen.
Mit ihrer großen Zahl an Themengebieten sowie ihrem Anspruch, eine Entwicklungsrunde zu sein, barg die Doha-Runde von vornherein ein großes Konfliktpotenzial in sich. Wie schon in der Uruguay-Runde stellte die Liberalisierung
des Agrarsektors eines der umstrittensten Themen dar. Industrieländer waren
aufgefordert, ihren Agrarprotektionismus auf ein für Entwicklungs- und Schwellenländer erträgliches Maß zu senken, zeigten jedoch wenig Interesse an Zugeständnissen. Bereits vor Beginn der Ministerkonferenz von Cancún, die gewissermaßen die Halbzeit der Doha-Runde darstellte, deutete sich an, dass eine Verständigung in dieser Frage kaum möglich schien. Bis zum März 2003 sollten
Vorentscheidungen hinsichtlich des Endergebnisses für die Handelsgespräche
getroffen werden; jedoch verstrich die Frist ohne Einigung.
Auch während der Konferenz zeigten sich die Industrieländer nicht bereit, ihre
Subventionen für landwirtschaftliche Produkte schnell und umfassend abzubauen. Stattdessen drängten sie darauf, ein Verhandlungsmandat für die so genannten Singapur-Themen (Investitionen, Wettbewerb, Transparenz im öffentlichen
Beschaffungswesen, Handelserleichterungen) zu gewähren. Diese Themen waren
zwar durchaus Teil des Arbeitsprogramms; doch lehnten die Entwicklungsländer
berechtigterweise eine Aufnahme neuer Themen ab, solange alte nicht abschließend verhandelt waren. Sie befürchteten, zur Unterzeichnung komplizierter Abkommen verpflichtet zu werden, ohne die Folgen richtig abschätzen zu können.
Da sich die Industrieländer selbst am letzten Konferenztag wenig kompromissbereit zeigten, erklärte Botswana im Namen der afrikanischen Staaten, dass diese
zu keinerlei Verhandlungen über die Singapur-Themen bereit seien. Daraufhin
verließen zahlreiche afrikanische und karibische Vertreter die Gespräche, und der
Verhandlungsführer, der mexikanische Außenminister Luís Ernesto Derbez, erklärte die Konferenz offiziell für beendet. Damit war die Ministerkonferenz fehlgeschlagen. Welche Implikationen damit für die Staaten südlich der Sahara verbunden sind, wird am Ende dieses Artikels erörtert. Zunächst wird näher auf die
Position Afrikas in der WTO und in der laufenden Verhandlungsrunde eingegangen.
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Die Rolle Afrikas in der WTO
Bis Ende der 1990er Jahre spielten afrikanische Länder keine augenscheinliche
Rolle in der WTO; in der jüngsten Zeit sind sie jedoch stärker in die Prozesse der
Organisation eingebunden. Dies beginnt schon damit, dass heute 38 der 48 afrikanischen Staaten Mitglieder der WTO sind (Tabelle 1). Vier weitere Länder
(Äthiopien, Kap Verde, Seychellen und Sudan) befinden sich im Beitrittsstatus,
und Äquatorial-Guinea sowie São Tomé und Príncipe haben Beobachterstatus.
Dies impliziert, dass sie innerhalb von fünf Jahren Beitrittsverhandlungen aufnehmen müssen. Somit bleiben nur Eritrea, Komoren, Liberia und Somalia, die
bislang noch in keiner formalen Beziehung zur WTO stehen.
Das Auftreten der afrikanischen Mitgliedsstaaten zeichnet sich zunehmend
durch eine bestimmte und gemeinsame Positionsbeziehung aus. Dies kann auf
verschiedene Entwicklungen zurückgeführt werden, darunter die fortschreitende
Globalisierung und damit einhergehend ein größeres Bewusstsein für Handelsfragen in vielen Ländern, bessere Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten durch Ausbreitung des Internet und die Unterstützung der Interessen von
Entwicklungsländern durch eine steigende Zahl an Nichtregierungsorganisationen. Als möglicherweise erste "sichtbare" Aktion der afrikanischen Länder könnte ihr Protest während der Ministerkonferenz in Seattle gelten. Wie viele andere
Entwicklungsländer kritisierten sie die intransparente Verhandlungsführung und
Entscheidungsfindung in der WTO und bemängelten, dass Debatten häufig in
ausgewählten Kreisen ("green rooms") stattfanden und die wichtigen Fäden hinter verschlossenen Türen gesponnen wurden. Um ihrem Unmut Platz zu machen,
einigten sich die afrikanischen Delegierten genauso wie andere Vertreter aus
Entwicklungsländern darauf, der Abschlusserklärung nicht zuzustimmen. Damit
ist die Konferenz letztendlich am Widerstand der Entwicklungsländer gescheitert.
Ähnlich verhielt es sich während der Konferenz in Cancún. Auch hier zeigten
sich die afrikanischen Staaten nicht bereit, Kompromisse einzugehen, solange die
Industrieländer keine Zugeständnisse machten. In verschiedenen Gruppierungen
organisiert vertraten sie vehement ihre Interessen und Forderungen. Der für die
Konferenz bedeutendsten und dort erstmals in dieser Formation zusammengeschlossenen Initiative von mehr als 20 Schwellen- und Entwicklungsländern, der
G20+, gehörte zwar Südafrika an; diese wurde von einigen anderen afrikanischen
Staaten aber weitgehend unterstützt. Der Großteil des Kontinents war jedoch
durch die G90, einer Allianz aus 90 Ländern der Afrikanischen Union (AU), der
Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) und der Least Developed
Countries (LDC), repräsentiert. Diese Gruppe trat für die Anliegen der ärmsten
Länder ein, die sich in einigen Punkten doch von denen der wirtschaftlich bedeutenderen Staaten der G20+ unterschieden.
In der G20+ waren vor allem große Agrarexportländer repräsentiert, die von
den Industrieländern einen schnellen Abbau ihrer Agrarsubventionen forderten.
Wie oben bereits erwähnt, drücken diese Zuwendungen die Preise für landwirtschaftliche Produkte auf dem Weltmarkt und verhindern den Import aus Ent-
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wicklungsländern. Diesen gehen dadurch Einkommen und Exporterlöse in beachtlicher Höhe verloren, auf die sie für eine nachhaltige Entwicklung und die
Bekämpfung der Armut angewiesen wären. Nach neuesten Berechnungen des
International Food Policy Research Institute (IFPRI) verliert Afrika auf Grund
der Agrarsubventionen in Industrieländern jährlich potenzielle landwirtschaftliche Einkommen in Höhe von $ 2 Mrd. bzw. 3,4% des gesamten Einkommens in
diesem Sektor. Im Vergleich dazu unterstützten die OECD-Länder im Jahr 2001
ihre Landwirtschaft mit $ 311 Mrd. oder $ 850 Mio. pro Tag. Wenn Handelsbarrieren weltweit ausgeräumt würden, könnten Länder mit einem großen Exportpotenzial stark profitieren. Nach Aussage Oxfams würde ein einprozentiger Anstieg
des Anteils der afrikanischen Exporte an den weltweiten Exporten $ 70 Mrd. generieren, was fünfmal so hoch ist wie die Entwicklungshilfe an die Region und
die Ersparnisse aus der Entschuldung zusammen.
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Tabelle 1: WTO-Mitgliedsstaaten und Vertretungen in Genf
Bevölkerung (Mio.) Permanente Vertretung
(2001)
in Genf
Nigeria
129,9
X
52,4
X
DR Kongo
Südafrika
43,2
X
34,4
X
Tanzania
Kenya
30,7
X
22,8
X
Uganda
Ghana
19,7
X
18,1
X
Mosambik
Côte d'Ivoire
16,4
X
16,0
X
Madagaskar
Kamerun
15,2
X
13,5
X
Angola
Zimbabwe
12,8
X
11,6
Burkina Faso
11,2
(X)
Niger
11,1
X
Mali
10,5
Malawi
10,3
X
Zambia
9,8
X
Senegal
8,7
X
Rwanda
7,9
Tschad
7,6
X
Guinea
6,9
X
Burundi
6,4
X
Benin
5,1
Sierra Leone
4,7
(X)
Togo
3,8
X
Zentralafrikanische Republik
Kongo
3,1
X
2,7
X
Mauretanien
2,1
X
Lesotho
Namibia
1,8
Botswana
1,7
X
Gabun
1,3
X
1,3
X
Gambia
1,2
(X)
Guinea-Bissau
Mauritius
1,2
X
Swaziland
1,1
0,6
Djibouti
Hinweis: Kursiv geschriebene Länder sind Least Developed Countries nach Definition der UN.
(X) impliziert eine permanente Vertretung, die im Heimatland basiert ist.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Blackhurst, Lyakurwa und Oyejide (2001). Bevölkerungszahlen wurden den African Development Indicators 2003 der Weltbank entnommen,
Information über Vertretungen in Genf der Welcome Centre-Geneva International Website
http://www.cagi.ch/en/missions.htm.
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Zahlreiche afrikanische Länder importieren allerdings mehr landwirtschaftliche
Produkte, insbesondere Nahrungsmittel, als sie exportieren. Solche NettoImporteure profitieren von künstlich niedrig gehaltenen Agrarpreisen und sind an
einem Abbau der Subventionen nicht vordergründig interessiert. Eine Liberalisierung der Landwirtschaft würde steigende Preise für ihre Importprodukte mit sich
bringen, die von den vergleichsweise geringeren Exporterlösen nicht ausgeglichen werden könnten. Die G90 vertrat vornehmlich die Interessen dieser Länder,
die für den Fall eines Subventionsabbaus Unterstützungsmaßnahmen einforderten. Aus Tabelle 2 geht hervor, welche afrikanischen WTO-Mitgliedsstaaten zu
den Netto-Importeuren bzw. Netto-Exporteuren von landwirtschaftlichen
Produkten und Nahrungsmitteln gezählt werden können.
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Tabelle 2: Export und Import landwirtschaftlicher Produkte und Nahrungsmittel
afrikanischer WTO-Mitgliedsstaaten, 2000 (in US$ 100.000)
Landwirtschaftliche Produkte
Nahrungsmittel (ohne Fisch)
(inkl. Nahrungsmittel ohne Fisch)
Export
Import
Anteil
Export
Import
Anteil
Exp./Imp.
Exp./Imp.
Angola
24
3.995
0,6
k.A.
2.948
k.A.
Benin
1.131
1.490
75,9
289
1.313
22,0
Botswana
877
3.578
24,5
785
2.842
27,6
Burkina Faso
1.250
1.153
108,4
414
859
48,2
Burundi
364
232
156,9
21
214
9,8
Côte d’Ivoire
19.104
3.838
497,8
13.473
3.311
406,9
Djibouti
219
1.338
16,4
214
713
30,0
Gabun
65
1.408
4,6
43
1.004
4,3
Gambia
303
1.107
27,4
284
1.009
28,1
Ghana
5.602
3.108
180,2
5.220
2.572
203,0
Guinea
179
1.481
12,1
47
1.198
3,9
Guinea-Bissau
713
316
225,6
701
264
265,5
Kamerun
4.710
1.644
286,5
2.494
1.291
193,2
Kenya
10.215
5.004
204,1
2.305
4.463
51,6
DR Kongo
404
1.921
21,0
104
1.207
8,6
Kongo
109
1.283
8,5
135
1.098
12,3
Lesotho
71
1.551
4,6
26
1.304
2,0
Madagaskar
1.165
1.272
91,6
953
1.176
81,0
Malawi
3.645
366
995,9
354
289
122,5
Mali
2.644
1.101
240,1
1.342
822
163,3
Mauretanien
339
1.367
24,8
333
1.107
30,1
Mauritius
2.469
2.855
86,5
2.333
2.288
102,0
Mozambik
580
2.035
28,5
474
1.722
27,5
Namibia
1.876
1.880
99,8
1.866
1.880
99,3
Niger
883
1.109
79,6
728
931
78,2
Nigeria
3.565
12.765
27,9
2.640
10.896
24,2
Rwanda
418
649
64,4
2
587
0,3
Senegal
1.648
3.692
44,6
822
3.164
26,0
Sierra Leone
69
1.298
5,3
21
1.152
1,8
Südafrika
22.111
14.315
154,5
14.940
8.489
176,0
Swaziland
3.035
2.075
146,3
2.905
1.512
192,1
Tanzania
2.904
2.148
135,2
1.326
1.910
69,4
Togo
779
461
169,0
189
356
53,1
Tschad
1.078
561
192,2
441
315
140,0
Uganda
2.613
1.332
196,2
214
1.112
19,2
ZAR
206
303
68,0
24
207
11,6
Zambia
565
700
80,7
258
487
53,0
Zimbabwe
10.940
1.528
716,0
2.459
991
248,1
Hinweis: Ein Anteil des Exports am Import von über 100 entspricht einem Netto-Exporteur;
äquivalent dazu entspricht ein Anteil von unter 100 einem Netto-Importeur.
Quelle: Daten aus FAO Trade Yearbook, Vol. 54.
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Neben G20+ und G90 sei zudem die Baumwoll-Initiative der vier westafrikanischen Staaten Benin, Burkina Faso, Mali und Tschad erwähnt, die ihre Abhängigkeit von Baumwolle als wichtigster Einkommens- und Devisenquelle verbindet. Zusammen beziehen die vier Länder 60% ihrer Deviseneinnahmen und 10%
ihres Bruttosozialprodukts aus dem Baumwollanbau. In der ersten Hälfte 2003
haben sie einen Appell formuliert, der ein Ende der Baumwollsubventionen in
den Industrieländern fordert. Dieser war vor allem an die USA gerichtet, die ihre
25.000 Baumwollbauern mit jährlich $ 3,7 Mrd. unterstützen, aber auch an die
EU, in der griechische und spanische Bauern von € 700 Mio. Subventionen pro
Jahr profitieren. Aufgrund dieser Marktverzerrung war der Weltmarktpreis für
Baumwolle zwischen 1997 und 2002 um 39% gefallen. Den Westafrikanern gingen und gehen dadurch hohe Exporterlöse verloren, welche die Vorteile aus der
HIPC-Entschuldungsinitiative weit übertreffen. Wegen des Widerstands der
USA, die eine Verhandlung über Baumwollsubventionen erst nach Erstellung
einer Untersuchung der globalen Textilindustrie führen wollten, wurde in Cancún
kein Fortschritt in dieser Frage erzielt.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass weitgehend alle afrikanischen
Staaten eine Plattform gefunden haben, um ihre Forderungen zu stellen und ihre
Zweifel anzubringen. Es wurde deutlich, dass ein gemeinsames und selbstbewusstes Auftreten der bislang eher Unscheinbaren, wenn auch keine Umkehr der
Machtgefüge, so doch zumindest Aufmerksamkeit verschafft. Allerdings fügten
sich nicht alle afrikanischen Länder der neuen vereinten Unternehmung, so zum
Beispiel Uganda. Da sich der ugandische Präsident Yoweri Museveni weder von
der G20+ noch von der G90 vertreten fühlte, wies er seine Verhandlungsdelegation dazu an, in allen aufkommenden Fragen die Position der USA zu unterstützen. Er rechtfertigte seine Anweisung damit, dass Uganda besser beraten sei,
wenn es sich auf die Seite der westlichen Länder als auf die der großen asiatischen oder lateinamerikanischen stellte. Diese würden die Interessen der armen
afrikanischen Staaten noch viel weniger unterstützen, und deshalb müsse man
ihnen entgegentreten. Damit mag Museveni recht haben oder nicht, jedenfalls
war seine Reaktion als eher kurzsichtig anzusehen. Statt sich auf die Seite der
USA zu schlagen - was er mit großer Wahrscheinlichkeit getan hat, um Ugandas
Entwicklungshilfe der nächsten Jahre zu sichern - hätte er sich besser unter Gleichen engagiert.
Neben den Initiativen der hier erwähnten mehr oder weniger spontanen Gruppierungen findet auch verstärkt eine Positionierung auf institutionalisierter Ebene
statt. Im Vorfeld der Konferenzen von Doha und Cancún hielten beispielsweise
die AU, der Common Market for Eastern and Southern Africa (COMESA) und
die Gruppe der LDC Vorbereitungstreffen ab, um gemeinsame Standpunkte der
jeweiligen Mitgliedsstaaten zu diskutieren. Die AU verfasste verschiedene Erklärungen, so die Abuja Ministerial Declaration vor der Konferenz von Doha, die
Mauritius Ministerial Declaration und die African Common Position vor der
Konferenz von Cancún, in denen sie Stellung zu den Themen der jeweiligen Ministerkonferenz bezog. Darin führte sie die Rolle Afrikas in der WTO und ihre
9
Forderungen an diese klar und deutlich aus. Die nachfolgenden Punkte stellen
eine Synthese dieser Erklärungen dar:
1. Grundsätzlich unterstützen die afrikanischen Staaten die Ausweitung des
weltweiten Handels mit Gütern und Dienstleistungen. Dies machen sie auch
im von der AU verabschiedeten Programm der New Partnership for African
Development (NEPAD) deutlich, welches in der Stärkung des Handels afrikanischer Länder untereinander und mit Industrieländern eine Priorität sieht,
um die Oberziele Armutsbekämpfung, Wirtschaftswachstum, nachhaltige
Entwicklung und ein Aufhalten der Marginalisierung des Kontinents zu erreichen. Wie die AU betont, ist sie dem multilateralen Handelssystem verpflichtet, verweist aber immer wieder auf die Notwendigkeit, die Belange der weniger entwickelten Länder auf die Tagesordnung der WTO-Verhandlungen zu
setzen.
2. Die AU fordert einen verbesserten Marktzugang in Industrieländern für afrikanische Exportprodukte und auch Dienstleistungen. Durch den hohen Anteil
des Agrarsektors am Bruttosozialprodukt und die relativ geringen Produktionskosten in den meisten afrikanischen Ländern wird der komparative Vorteil
des Kontinents vor allem in der Landwirtschaft gesehen.
3. Vor dem Hintergrund der Aids-Problematik in Afrika drängt die AU darauf,
eine Lösung für Mitgliedsstaaten ohne ausreichende Produktionskapazitäten
im Pharmaziebereich zu finden. Unter dem TRIPS-Abkommen ist es Entwicklungsländern zwar erlaubt, im Notfall patentgeschützte Medikamente als
preiswerte Varianten für den Eigenbedarf zu produzieren, wenn sie der Bekämpfung von Epidemien dienen und patentgeschützte Alternativen zu teuer
sind. Generika durften bisher aber nicht in andere bedürftige Länder exportiert werden. Für viele afrikanische Länder, die keine ausgereifte Pharmaindustrie aufweisen können, bedeutete dies eine Katastrophe für den öffentlichen Gesundheitssektor und den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung. Kurz vor Beginn der Konferenz von Cancún wurde in diesem Punkt
jedoch eine Einigung erzielt und Länder, die zu den LDC zählen, dürfen nach
Erfüllung bestimmter Kriterien in Zukunft Generika importieren.
4. Den so genannten neueren Themen wird keine Priorität eingeräumt. So weist
die AU ausdrücklich darauf hin, dass sie die Singapur-Themen, Fragen des
Umweltschutzes und des e-commerce zwar durchaus für relevant ansieht, sie
aber den vorrangigen Verhandlungen im Agrarbereich hintanstellen möchte.
Dass sie diese Einstellung mit allem Nachdruck vertritt, hat sie auf der Konferenz von Cancún bewiesen.
5. Stattdessen wird offenen Fragen der Implementierung von WTO-Beschlüssen
Vorrang eingeräumt. Diese beziehen sich auf alle Arten von Schwierigkeiten,
mit denen Entwicklungsländer bei der Anwendung von WTO-Regeln und
Prozessen konfrontiert sind. Ein Beispiel hierfür liefert eine Erklärung des
Agricultural Committee der WTO vom September 2001, die den Bedenken
der Netto-Importeure von Nahrungsmitteln entsprach. Steigenden Nahrungsmittelpreisen in Folge der anstehenden Liberalisierung des Agrarmarktes soll
10
durch Maßnahmen zur Importfinanzierung, Nahrungsmittelhilfen sowie technischer und finanzieller Unterstützung zur Verbesserung der Produktivität
und der Infrastruktur in diesen Ländern entgegengewirkt werden. Wie oben
gesehen, könnte diese Entscheidung für viele afrikanische Länder von hoher
Relevanz sein, allerdings kann sie bislang bei keiner WTO-internen oder externen Instanz rechtlich durchgesetzt werden.
6. Daneben kommt der Problematik geringer technischer Kapazitäten der afrikanischen Länder im Bezug auf die WTO-Materie eine große Dringlichkeit zu.
Seit der Uruguay-Runde ist die Zahl der Verhandlungsthemen sowie ihre
technische und legale Komplexität stark angestiegen, gleichzeitig aber auch
die Zahl der Entwicklungsländer in der WTO. Da insbesondere die afrikanischen Staaten über ein sehr geringes Kapazitätsniveau verfügen und oftmals
Probleme haben, qualifiziertes Personal für die Analyse und Einschätzung
von Handelsfragen zu finden, sind sie im Vergleich zu Industrieländern und
anderen Entwicklungsländern stark benachteiligt. Wie Tabelle 1 zeigt, haben
nicht einmal alle Mitgliedsstaaten eine ständige Vertretung in Genf, dem
Hauptsitz der WTO. Viele Delegierte derjenigen Länder, die permanent vertreten sind (in der Tabelle mit X markiert), repräsentieren ihre Staaten auch in
der UN und anderen internationalen Organisationen, so dass sie sich nur begrenzt mit den zunehmend anspruchsvollen WTO-Belangen beschäftigen
können. Wenig Unterstützung erhalten sie von Regierungsvertretern aus dem
Heimatland, die nur selten an den Verhandlungen in Genf teilnehmen. Deshalb fordert die AU eine verstärkte technische Unterstützung und Kapazitätsbildung. Die WTO sieht eine solche für weniger entwickelte Länder vor, die
Hilfe in der Anpassung an WTO-Regeln und Prozesse, in der Implementierung von Auflagen und in der Anwendung der Mitgliedschaftsrechte benötigen. Trotz zunehmender Mitgliedszahlen hat sie ihr Budget hierfür in den
letzten Jahren aber de facto nicht erhöht.
7. Weiterhin tritt die AU dafür ein, die Bestimmungen der Vorzugs- und Sonderbehandlung für Entwicklungsländer legal verbindlich zu regeln. Diese Bestimmungen sprechen weniger entwickelten Ländern besondere Rechte zu
und geben Industriestaaten die Möglichkeit, diese vorteilhafter als andere
WTO-Mitglieder zu behandeln. Damit widersprechen sie dem Prinzip der
Meistbegünstigungsklausel, wonach Staaten nicht zwischen ihren Handelspartnern diskriminieren dürfen. Entwicklungsländern können somit beispielsweise längere Übergangszeiten zur Implementierung bestimmter Maßnahmen gewährt werden. Problematisch ist jedoch, dass nicht alle Bestimmungen zur Vorzugs- und Sonderbehandlung legal verpflichtend sind und
somit umgangen werden können. Auf großen Druck der afrikanischen und
anderer Entwicklungsländer ist diese Frage Teil der Doha Development Agenda.
8. Die Erosion von so genannten Präferenzabkommen wird beklagt. Diese Abkommen beziehen sich auf spezielle Zollkonzessionen, die Industrieländer für
ausgewählte Importgüter aus Entwicklungsländern gewähren. Dazu zählen
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beispielsweise der African Growth and Opportunity Act (AGOA) zwischen
den USA und Subsahara-Afrika, das Generalised System of Preferences
(GSP) zwischen den USA und Entwicklungsländern im Allgemeinen, die Everything but Arms-Initiative zwischen der EU und den LDC sowie das Cotonou-Abkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten. Da diese Art der
Sonderbehandlung bilateral beschlossen und in den meisten Fällen (mit Ausnahme des Cotonou-Abkommens) nicht bindend ist, kann sie einfach abgeändert bzw. gestrichen werden. Dazu kommt, dass sie im Zuge genereller Zollkürzungen zunehmend irrelevant wird.
9. Die AU fordert die WTO ausdrücklich zu mehr Transparenz und Inklusion
aller Mitgliedsstaaten in den Entscheidungsprozessen auf.
10. Daneben erhebt sie den Anspruch, Beobachterstatus in der WTO zu erlangen.
Die AU verfügt über ein Büro in Genf und unterstützt dort die afrikanischen
Vertretungen in der Erarbeitung gemeinsamer Positionen. Da sie bislang jedoch keinen Beobachterstatus hat, kann sie nicht an den WTO-Sitzungen teilnehmen und somit keine dauerhafte und aktuelle Beratung ihrer Mitgliedsstaaten sicherstellen. Verschiedene internationale Organisationen haben im
Gegensatz dazu den Status einer beobachtenden Institution inne, so die UN,
die UN Conference on Trade and Development (UNCTAD), der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank, die Food and Agriculture Organization der UN (FAO), die World Intellectual Property Organization (WIPO)
und die Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD).
Die Rolle der WTO für Afrika
Aus dem bisher Ausgeführten ergibt sich die Frage, warum die afrikanischen
Staaten, wenn sie in der WTO nicht als gleichberechtigte Mitglieder gelten oder
sich zumindest nicht so fühlen, überhaupt am multilateralen Handelssystem festhalten sollten. Die Antwort hierauf liefert die besondere Stellung Afrikas in der
Weltwirtschaft selbst. Wie schon vielerorts ausgeführt wurde, fällt die fortschreitende Globalisierung im Sinne einer verstärkten Integration der Weltwirtschaft
mit einer zunehmenden Marginalisierung Afrikas zusammen. In den vergangenen
20 Jahren ist der Anteil des Kontinents an den weltweit getätigten Exporten von
sechs auf zwei Prozent gefallen, der Anteil an den Importen von fünf auf zwei
Prozent. Dieses Phänomen ist sowohl auf die Struktur des internationalen Handels und die Exportabhängigkeit Afrikas von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten zurückzuführen, als auch auf die Handelspolitik der afrikanischen und die der Industrieländer.
In naher Zukunft könnte sich die dramatische Vernachlässigung Afrikas noch
weiter verschlimmern, da es nämlich durch die Globalisierung immer einfacher
wird, Länder mit nachteiligen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und schlechter Regierungsführung abzustrafen. Die inhärenten Probleme des Kontinents,
wozu eine weithin unsichere politische Situation, eine mangelhafte Infrastruktur,
weit verbreitete Korruption, ungesicherte Eigentumsrechte und relativ niedrige
Kapazitäten zählen, könnten ausländische Investoren und Importeure noch mehr
als bislang davon abhalten, sich in Afrika zu engagieren. Warum sollte ein deut-
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sches Handelsunternehmen auch seinen Kaffee aus Uganda beziehen, wenn die
Lieferzuverlässigkeit dort deutlich geringer ist als beispielsweise in Vietnam? So
groß der Nachteil für Uganda sein mag, solange die strukturellen Gegebenheiten
im Land nicht verbessert werden, wird sich an dieser ungleichgewichtigen Situation nicht viel ändern.
Dass die afrikanischen Staaten die Situation gern verändern würden, machen
sie durch die Priorisierung von Handelsfragen im NEPAD-Programm, aber gerade auch durch ihr stärkeres Engagement in der WTO deutlich. Es ist ganz bestimmt nicht so, dass sie vom Welthandel abgeschnitten sein möchten. Im Gegenteil, Afrika fordert von den Industrieländern, dass diese ihren Protektionismus
zurückfahren und ihre Märkte für Produkte aus dem Süden öffnen. Sie streben
also danach, ihre Exportgüter und teilweise auch Dienstleistungen weltweit absetzen zu können. Insofern schaden das Scheitern der Konferenz von Cancún und
das nach wie vor ungelöste Problem der Agrarsubventionen vor allem dem afrikanischen Kontinent. Gleichzeitig sind die Länder jedoch besorgt über die potenziellen Nachteile, die ihnen aus ihrer eigenen Marktöffnung entstehen können.
Deshalb stellen sie, wie oben näher erläutert, Forderungen, dass bestimmte Regeln und Maßnahmen unterschiedlich auf Entwicklungs- und Industrieländer
anzuwenden sind.
Genau hier zeigt sich, dass Afrika nicht weniger, sondern eher mehr WTO
braucht. Um ihre Interessen durchzusetzen, sollten die afrikanischen Staaten auf
die multilateralen Verhandlungen setzen, weil sie in regionalen oder bilateralen
Verhandlungen noch viel mehr verlieren können, vor allem an Einfluss. Unmittelbar nach dem Scheitern der Konferenz in Cancún kündigten die USA an, "alternative" Wege zu suchen, um weltweit Märkte zu öffnen. Dabei bezogen sie
sich augenscheinlich auf die Möglichkeit regionaler und bilateraler Abkommen,
die sie theoretisch mit allen Ländern der Erde abschließen können. So verhandeln
die USA derzeit zum Beispiel intensiv mit der SACU über die Schließung einer
Freihandelszone. Die EU kündigte zwar an, dass sie nicht vornehmlich an der
Schließung neuer Abkommen interessiert sei, sondern die schnelle Wiederaufnahme multilateraler Verhandlungen unterstütze; allerdings steht sie im Rahmen
des Cotonou-Abkommens seit Oktober 2003 mit den Ländern der Economic
Community of West African States (ECOWAS) und der Communauté Èconomique et Monétaire de l'Afrique Centrale (CEMAC) und seit Februar 2004 mit 16
Ländern Ost- und Südafrikas im Gespräch über den Abschluss von Economic
Partnership Agreements (EPAs). Ziel der EPAs ist es, bis zum Jahr 2008 WTOgerechte wechselseitige Freihandelszonen zwischen der EU und den jeweiligen
Verhandlungspartnern zu begründen.
Solche regionalen Abkommen sind keinesfalls von Grund auf nachteilig für
die beteiligten afrikanischen Länder. Sie können aber zu einem Problem werden,
da die Macht der Verhandlungspartner sehr ungleich verteilt ist und die Fülle der
Themen die afrikanische Seite zum Teil überfordert. So will die EU in den EPAs
Themen wie Investitionsschutz oder Wettbewerbsrecht regeln, obwohl oder gerade weil sich diese auf WTO-Ebene bisher nicht durchsetzen ließen. Für die
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wirtschaftlich mächtigere EU ist es hier im Vergleich zu WTO-Verhandlungen,
bei denen nach dem Prinzip des Single Undertaking jedes Land theoretisch ein
Vetorecht bei Paketbeschlüssen hat, viel einfacher, den afrikanischen Staaten die
Bedingungen zu diktieren. Welche Wahl haben diese dann, um nicht noch weiter
an den Rand des Welthandels gedrängt zu werden?
Bedeutung der gescheiterten Konferenz für Afrika
Es folgt also, dass die WTO die einzige Institution zu sein scheint, die ein "gerechtes" globales Handelssystem schaffen kann. Viele Globalisierungskritiker
mögen dies anders sehen; allerdings sollten sie bedenken, dass die WTO nicht an
sich eine unfaire Organisation darstellt, sondern die Art und Weise, wie in der
Vergangenheit Regeln gemacht und Entscheidungen getroffen wurden, zuweilen
unsauber war. Dies haben die Benachteiligten, darunter die afrikanischen Staaten, trotz ihrer Heterogenität verstanden und klagen ihre Gleichberechtigung ein.
Es ist in ihrem Interesse, diese wohl wichtigste Botschaft von Cancún in die Zukunft zu tragen und auch weiterhin Bündnisse mit Gleichgesinnten einzugehen.
In diesem Sinne unterstrichen Brasilien, Indien und Südafrika Anfang März 2004
ihre Entschlossenheit, gemeinsam den bisher mächtigeren Industrieländern gegenüberzutreten und sicherten einander politische Zusammenarbeit in Handelsfragen mit Hilfe eines Rahmenabkommen zu.
Es ist allerdings unklar, ob ihnen diese Entschlossenheit noch im Rahmen der
Doha-Runde dienen wird, denn ein Abschluss wie geplant bis zum Jahresende
2004 scheint mittlerweile zweifelhaft. Trotz zahlreicher informeller Treffen von
Mitgliedsstaaten auf diplomatischer Ebene und Bekundungen zur Gesprächsbereitschaft waren die Verhandlungen bis zum März des Jahres noch nicht wieder
in Gang gekommen. Eine Bearbeitung aller Themen des Doha-Arbeitsprogramms ist somit kaum mehr möglich. Bislang ist unsicher, wie damit umgegangen werden soll. Es ist zum einen denkbar, dass die Runde einen Aufschub
um beispielsweise ein Jahr erhält. Zum anderen kann es aber auch sein, dass die
WTO-Verhandlungen bis auf weiteres ausgesetzt werden, was in der Konsequenz
den Abschluss von bilateralen und regionalen Abkommen vorantreiben wird. Für
den afrikanischen Kontinent wäre jedenfalls die erste Alternative, wenn auch
nicht die optimale, die eindeutig bessere.
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Literatur:
Blackhurst, Richard/Lyakurwa, Bill/ Oyejide, Ademola (2001): Options for improving Africa's participation in the WTO. In: Bernard Hoekman und Will Martin (Hrsg.): Developing countries and the WTO. A pro-active agenda. Oxford,
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does it hurt? The impact of agricultural trade policies on developing countries.
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Trade Organisation. Prepared for COMESA, Lusaka
Ostry, Sylvia (2001): Why has "globalization" become a bad word? Vorgestellt
als Alcoa-Intalco Works Distinguished Lecture. Western Washington University,
25.10.2001
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Oxfam (2004): Dumping on the world. How EU sugar policies hurt poor countries
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commodity dependence. New York und Genf
UNCTAD (2004): The least Developed Countries Report 2004. Linking International Trade with Poverty Reduction. New York und Genf
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