vts_10009_15277 - OPARU

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vts_10009_15277 - OPARU
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau
Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. V. Bühren
Klassifikation der Tuberculum-majus-Fraktur
Retrospektive Analyse von 97 Patienten
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der
Medizinischen Fakultät der Universität Ulm
Ingrid Holzner
Rosenheim
2014
Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth
1. Berichterstatter: Prof. Dr. Harald Hempfling
2. Berichterstatter: Prof. Dr. Peter Augat
Tag der Promotion: 20.11.2015
Meinen Eltern
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
1
2. Material und Methoden
5
2.1 Patientenkollektiv
5
2.2 Ein- und Ausschlußkriterien
5
2.3 Untersuchungskollektiv
5
2.4 Diagnostische Methoden
6
2.5 Statistik
7
3. Ergebnisse
9
3.1 Überblick über die gesammelten Daten
9
3.2 Deskriptive Daten
9
3.3 Bivariate Auswertungen
13
3.4 Computertomographie
18
4. Diskussion
23
5. Zusammenfassung
41
6. Literaturverzeichnis
42
I Abkürzungsverzeichnis
A
=
Arteria
AO
=
Arbeitsgemeinschaft Osteosynthese
CT
=
Computertomographie
ICD
=
International Classification of Diseases
M
=
Musculus
MRT
=
Magnetresonanztomographie
N
=
Nervus
R
=
Ramus
V
=
Vena
II 1. Einleitung:
Der Oberarmkopf als wesentlicher Gelenkanteil des proximalen Oberarmes läßt
typische Strukturen mit bestimmter Funktionalität erkennen: die Kopfkalotte, das
Tuberculum majus und das Tuberculum minus mit dem dazwischenliegenden
Sulcus intertubercularis und nach distal den Oberarmschaft. Der anatomische
Hals trennt die Kopfkalotte vom Bereich der Tubercula, während der chirurgische
Hals infratuberculär den Übergang zum proximalen Schaft markiert.
Anatomische Studien (Ianotti et al 1992) zeigen, daß der höchste Punkt des
Gelenksegments am Humeruskopf 6 - 8 mm oberhalb des proximalsten Punkt des
Tuberculum majus lokalisiert ist.
Vier Muskeln bilden die Rotatorenmanschette: M. supraspinatus, M. infraspinatus,
M. subscapularis und M. teres minor. Das Tuberculum majus liegt lateroposterior
zur Metaphyse und bietet die Ansätze der Sehnen des M. supraspinatus, M.
infraspinatus und M. teres minor (Habermeyer 1997). Der M. subscapularis
inseriert am Tuberculum minus. Zwischen dem Oberrand der Subscapularis- und
Supraspinatussehne
Rotatorenintervall.
befindet
In
enger
sich
eine
Beziehung
anterokraniale
zum
ventralen
Lücke,
das
Anteil
der
Supraspinatussehne verläuft absteigend die lange Bizepssehne, die durch eine
trichterförmige Führungsstruktur unter Einbeziehung des medial einstrahlenden
superioren glenohumeralen Bandes verstärkt wird (Witt 2006). Anteile des
Ligamentum coracohumerale und des Ligamentum glenohumerale superius, des
Fasciculus
obliquus
und
des
M.
supraspinatus
bilden
die
sogenannte
Rotatorenintervallschlinge, das „Pulley-System“ (Clark u. Harryman 1992, Walch
et al 1994). Die lange Bizepssehne verläuft im Sulcus intertubercularis und wird
sowohl vom transversen humeralen Ligament als auch von Fasern des obersten
Anteils des M. subscapularis festgehalten (Gruson et al 2008). Diese komplexe
Geometrie des Tuberculum majus und der Rotatorenmanschette erlaubt sowohl
ein effektives Bewegungsausmaß als auch einen Spielraum subacromial (Ianotti et
al 1992).
1 Fünf
durch
Anastomosen
verbundene
arterielle
Gefäße
versorgen
den
Humeruskopf. Man unterscheidet am Oberarmkopf vier Gefäßversorgungsbezirke:
Kopfkalotte,
Tuberculum
majus,
Tuberculum
minus
und
das
mediale
Collumsegment (Habermeyer 1997).
Als hauptversorgende Arterie des proximalen Humerus fungiert die A. circumflexa
anterior, von der aus der R. ascendens abzweigt, welcher die lange Bizepssehne
unterkreuzt. Anschließend gibt dieser einige Äste an das Tuberculum minus ab
und verläuft dann entlang und lateral des Sulcus bicipitalis nach proximal. Danach
tritt er auf Höhe des Tuberculum majus als A. arcuata in den Humeruskopf ein und
versorgt nahezu zwei Drittel der Epiphyse. Nur einige Bereiche der dorsalen
Anteile des Tuberculum majus und des dorsalen Kopfanteils werden von der A.
circumflexa posterior versorgt (Szyszkowitz 1999). Die Äste der beiden
zirkumflexen Arterien sind die einzigen, die in den Kopf eintreten (Laing 1956).
Etwa 20% der proximalen Humerusfrakturen sind isolierte Tuberculum-majusFrakturen (Gruson et al 2008). Sie ereignen sich vor allem bei einfachen
Stolperstürzen und während sportlichen Aktivitäten, wobei der alpine Skisport eine
vorherrschende Rolle spielt (Court-Brown et al 2001, Ogawa et al 2003).
Die
Einteilung
der
Tuberculum-majus-Frakturen
erfolgt
innerhalb
der
Klassifikationen der proximalen Oberarmfrakturen, bevorzugt sind dabei die Neerund die AO-Klassifikation (Neer 1970, Müller et al 1990). Eine spezielle
Klassifizierung der isolierten Tuberculum-majus-Frakturen existiert nicht, in Kim
(2005)
wird
zwischen
proximalen
Humeruskopffrakturen
und
isolierten
Tuberculum-majus-Frakturen unterschieden.
Zu Mechanismen, die zu Tuberculum-majus-Frakturen führen, gibt es kontroverse
Ansichten (Bahrs et al 2006). Erörtert werden Anprall-, Abscher-, und
Abrissmechanismen.
Anprallverletzungen ereignen sich, wenn das Tuberculum majus gegen das
Acromion oder das obere Glenoid prallt, wie dies bei einem Sturz direkt auf die
Schulter möglich wird. Diese Verletzungen sind typischerweise als undislozierte
Trümmerbrüche beschrieben. Vor allem bei betagten Patienten können aufgrund
2 von
osteoporotischen
Knochen
Trümmerfrakturen
als
Insuffizienzfrakturen
auftreten (Dietz et al 2010).
Abscherverletzungen ereignen sich, wenn der proximale Humerus nach vorne
gezwungen wird, wie bei einer vorderen Schulterluxation. Die Kraft der
Rotatorenmanschette mag der nach anterior gerichteten Kraft auf den proximalen
Humerus entgegenwirken, was in einem Abriss des Tuberculum majus resultiert
und zu einer Fragmentverschiebung führt, wenn das Tuberculum majus vom
Humeruskopf abschert (George 2007).
Während eines Sturzes auf den ausgestreckten Arm kann es außerdem durch
einen reflektorischen Zug an den Rotatoren zu einer Tuberculum majus Fraktur
kommen (Green u. Izzi 2003).
Auch der alleinige Zug an den Rotatoren könne das Tuberculum majus abreissen.
(Gibbons 1909).
In einer neueren Untersuchung von Bahrs (2006) lag der Anteil der Tuberculummajus-Frakturen im Rahmen einer vorderen Schulterluxation bei über der Hälfte
der Patienten. Dabei hatte die Mehrheit keine oder eine Fragmentverschiebung
nach inferior, so daß ein Impingement des Tuberculum majus gegen das
Acromion für den wahrscheinlicheren Mechanismus gehalten wurde. Alternativ
könne das Tuberculum majus am anteroinferioren Glenoid anschlagen, was dann
entweder in einer Hill-Sachs-Läsion oder Tuberculum-majus-Fraktur enden könne
von unterschiedlicher Fragmentgröße sekundär nach dem Abscheren während der
Luxation.
Dabei
sei
das
genaue
Ausmaß
der
Fraktur
durch
die
Außenrotationsstellung des Humeruskopfes bestimmt. Im Gegensatz zu Jakob
(1988) wird dem Zug der Rotatoren keine wesentliche Rolle zugeschrieben,
aufgrund des Fehlens von posterioren und superioren Dislokationen der
Frakturfragmente in der Untersuchung (Bahrs et al 2006).
Diese Theorie ist unterstützt durch eine Untersuchung von Richards et al (1994),
der die Hill-Sachs-Läsion im lateralen Aspekt der intraartikulären Portion des
Humeruskopfes als hinteren Teil des Tuberculum majus interpretiert. Der
Rotationsgrad des Humeruskopfes während des Unfalls bestimmt die exakte
Position. Das Ausmaß der Hill-Sachs-Läsion variiere beträchtlich (Calandra et al
1989, Hermodsson 1934).
Im Rahmen der Abduktion und Außenrotation bei der Luxation entstehe eher eine
Tuberculum-majus-Fraktur als eine Hill-Sachs-Läsion, wenn der Zug der
3 Außenrotatoren eine Impressionsfraktur durch einen Abschermechanismus gegen
das Glenoid in eine Abrißfraktur verwandle (Jakob et al 1988).
Eine weitere Hypothese (Reinus u. Hatem 1998) besagt, daß die Verschiebung
des luxierten Humeruskopfes nach vorne die Rotatorensehnen, die am
Tuberculum majus ansetzen, ausreichend dehne, so daß es zu einem Abriß des
Tuberculum majus komme. Niedrigere Kräfte am Tuberculum, entweder durch
einen direkten Schlag auf das Tuberculum oder durch plötzliche Retraktion der
Rotatorenmanschette können eine kaum dislozierte Fraktur bedingen, die häufig
initial bildgebend übersehen werden. Dies zeigte eine Studie 1998 der oben
genannten Autoren mit MRT Befunden bei sechs Patienten mit persistierenden
Beschwerden und dann nachgewiesener Tuberculum-majus-Fraktur. Vermutet
wird dabei ein Zusammenhang zwischen Traumastärke und Vorhandensein eines
Rotatorenrisses.
Bei
den
vorderen
Schulterluxationen
ist
ein
posterosuperiorer
Schädigungsmechanismus beschrieben. Dieser bedeutet, daß es bei maximaler
Abduktion, Extension und Außenrotation des Armes zu einem Anschlagphänomen
zwischen hinterem oberen Pfannenrand und Rotatorenmanschettenansatz am
Tuberculum majus kommt, was zu Frakturen führen kann (Craig 1984).
Fragestellung:
Kann anhand CT morphologischer Kriterien eine Klassifikation der Tuberculummajus-Frakturen mit Rückschluß auf den Unfallmechanismus geschaffen werden?
4 2. Material und Methoden:
2.1 Patientenkollektiv:
Das Patientenkollektiv umfasste ambulante und stationäre Patienten der
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau und aus anderen Kliniken
zugewiesene Patienten mit der Diagnose: Fraktur des Tuberculum majus.
Die vorliegende Arbeit wurde als retrospektive Studie durchgeführt. Bezüglich
Unfallhergang, Alter, Geschlecht, Begleitverletzungen am Körperstamm und
anderen Extremitäten gab es keine Ausschlusskriterien.
2.2 Ein- und Ausschlusskriterien:
Voraussetzung für eine Aufnahme in die Studie war die Diagnose einer isolierten
Tuberculum-majus-Fraktur
mit
oder
ohne
begleitende
Schulterluxation,
entsprechend Typ IV der Neer-Klassifikation bzw. Typ A1 der AO-Klassifikation.
Ausgeschlossen wurden Patienten mit singulären oder mehrfragmentären
proximalen Oberarmfrakturen, die unter anderem auch eine Fraktur des
Tuberculum majus beinhalteten.
2.3 Untersuchungskollektiv:
Gesichtet wurden 219 Krankengeschichten aus dem Zeitraum vom 06.01.2003 bis
zum 28.12.2011 anhand der ICD 10 Diagnose S 42.24 (Frakturen des proximalen
Humerus: Tuberculum-majus-Fraktur). Zur statistischen Auswertung kamen alle
Patienten, bei denen während der Akutdiagnostik computertomographische
Aufnahmen entstanden. Diese Voraussetzung war letztlich bei 97 Patienten erfüllt.
Angaben
zum
Geschlecht,
Alter
zum
Unfallzeitpunkt,
betroffene
Seite,
Vorhandensein einer Schulterluxation, Richtung der Luxation und Unfallursache
fanden in der Datenerhebung Berücksichtigung.
5 2.4 Diagnostische Methoden:
Bedingung für die Erhebung der morphologischen Daten waren vorhandene
Computertomographieaufnahmen im Rahmen der Akutdiagnostik. In den Fällen
mit Schulterluxation erfolgte die Diagnostik im Spiral-CT nach erfolgreicher
Reposition und Kontrolle im Röntgenbild in zwei Ebenen. Die Erhebung der Daten
fand an einem GE Medical Systems Lightspeed Plus 4-Zeilen Multislice-CT statt.
Nativaufnahmen in axialer Schichtung bei einer Schichtdicke von 0,625 mm waren
Voraussetzung zur primären Akquisitation.
Die Rekonstruktion im Knochenfenster erfolgte triplanar longitudinal (parallel des
Humerusschaftes) entlang des Tuberculum majus dünnschichtig mit einer
Schichtdicke von 1 mm. Zur Befundung diente das Impax EE R 20 XII SU 2
System/ Update 2013 von Agfa Healthcare.
Die Beschreibung der Frakturmorphologie des Tuberculum majus beinhaltete
folgende Kriterien:
-
Superiore Facette der Tuberculum majus intakt/nicht intakt
-
Beteiligung des Tuberculum majus (komplett/inkomplett)
-
Anzahl der Fragmente: 1, 2, 3 und mehr
-
Länge des größten Tuberculum majus Fragment in kraniokaudaler
Ausdehnung in mm
-
Dislokationsrichtung (kranial, kaudal, lateral, medial, ventral, dorsal)
-
Dislokation in mm, bei mehr Fragmenten anhand des stärksten Ausmaßes
Eine Fragmentgröße von mindestens zwei Millimetern war Voraussetzung zur
Unterscheidung zwischen ein, zwei , drei oder mehr Fragmenten.
Die Richtung entsprach dem Schultergelenk in den Richtungen des Raumes, d.h.
kranial, kaudal, medial und lateral. Zusätzlich gab es noch ventral und dorsal, um
die
Richtung
der
dazwischenliegenden
Dislokation
Befunden
zusätzlich
die
zu
beschreiben
Verbindung
aus
und
bei
beiden
Dislokationsrichtungen bestimmen zu können.
Die erhobenen Werte hinsichtlich der genannten Kriterien gingen in die statistische
Auswertung ein.
6 2.5 Statistik:
Von Interesse war zu sehen, ob es bzgl. der einzelnen Merkmale des Datensatzes
Zusammenhänge gab. Die meisten Merkmale waren kategorial, d.h. es gab eine
beschränkte Anzahl von Ausprägungen. Das Ausmaß der Dislokation war stetig in
Millimetern erfasst worden und wurde für diese Auswertungen in Intervallen
kategorisiert.
Um zu testen, ob ein Zusammenhang zwischen den Merkmalen besteht, diente
der Chi-Quadrat Test, für Zusammenhänge zwischen den kategorialen Variablen
mit zwei Ausprägungen und einer stetigen Variablen der t-Test. Dieser wurde als
zweiseitiger Test unter der Annahme ungleicher Varianzen in beiden Gruppen
durchgeführt.
Eine Kreuztabelle zeigte als Vorbereitung für den Chi-Quadrat Test die beiden zu
testenden Variablen, beispielsweise Luxation (ja/nein) in den Zeilen und
Fragmentanzahl in den Spalten. Die im Datensatz beobachteten Häufigkeiten
füllten die Tabelle (Tab. 1 für ein Beispiel, in dem beide Variablen jeweils zwei
Ausprägungen: ja/nein haben).
Tab. 1: Beobachtete Häufigkeiten für den Chi - Quadrat Test
Merkmal 1
Ja
Nein
Summe
Ja
a
c
a+c
Merkmal 2
Nein
b
d
b+d
Summe
a+b
c+d
a+b+c+d=N
Die Nullhypothese H0 besagt, dass beide Merkmale statistisch gesehen
voneinander unabhängig sind.
Die Alternative H1 bedeutet, dass es einen statistischen Zusammenhang zwischen
den Merkmalen gibt. Dieser Zusammenhang darf jedoch nicht mit Kausalität
verwechselt werden. Anhand der Randhäufigkeiten in der beobachteten Tabelle
werden unter der Unabhängigkeitshypothese erwartete Häufigkeiten berechnet,
was Tabelle 2 exemplarisch demonstriert.
7 Tab. 2: Unter der Unabhängigkeitshypothese erwartete
Häufigkeiten für den Chi - Quadrat Test
Merkmal 1
Ja
Nein
Summe
Merkmal 2
Ja
(a+b) x (a+c)/N
(c+d) x (a+c)/N
Nein
(a+b) x (b+d)/N
(c+d) x (b+d)/N
Summe
a+b+c+d=N
Die Teststatistik des Chi-Quadrat Test ist die Summe aller für jede einzelne
Tabellenzelle folgendermaßen berechneten Differenzen zwischen beobachteten
und erwarteten Häufigkeiten:
Χ! =
(𝑏𝑒𝑜𝑏𝑎𝑐ℎ𝑡𝑒𝑡 − 𝑒𝑟𝑤𝑎𝑟𝑡𝑒𝑡)!
𝑒𝑟𝑤𝑎𝑟𝑡𝑒𝑡
Sei n die Anzahl der Zeilen in der zu betrachtenden Tabelle und m die Anzahl der
Spalten, dann ist diese Teststatistik Chi-Quadrat verteilt mit (n-1) x (m-1)
Freiheitsgraden. Im oben beschriebenen Beispiel einer Vierfeldertafel liegt somit
ein Freiheitsgrad vor. Das Signifikanzniveau der Tests lag bei 0,05.
8 3. Ergebnisse:
3.1 Überblick über die gesammelten Daten:
Der vorliegende Datensatz umfasst Daten zu Unfällen und Verletzungen von 97
Patienten, die sich zwischen 01. Januar 2003 und 31. Dezember 2011 ereigneten.
Voraussetzung war, daß ausgehend von der Computertomographie eine Fraktur
des Tuberculum majus mit oder ohne Schulterluxation vorlag.
Folgende Variablen gingen in den Datensatz ein (die jeweiligen Ausprägungen
finden sich in Klammern hinter den Variablennamen):
•
Geschlecht (männlich/weiblich)
•
Geburtsdatum, daraus abgeleitet Alter zum Unfallzeitpunkt (Datum)
•
Unfalldatum (Datum)
•
Seite (rechts/links)
•
Luxation (ja/nein)
•
Unfallursache (Fahrrad/Motorrad/Pkw, Ski, Sonstiges)
•
Dislokation des Fragmentes (ja/nein)
•
Richtung der Dislokation
•
Ausmaß der Dislokation (in Millimetern)
•
Fragmentanzahl (1/2/3/größer 3)
•
Betroffener Anteil des Tuberculum majus (komplett/inkomplett)
•
Superiore Facette des Tuberculum majus (intakt/nicht intakt)
•
Kraniokaudale Länge des längsten Fragmentes
3.2 Deskriptive Daten:
Das Patientenkollektiv bestand aus 63 Männern (64,9%) und 34 Frauen (35,1%).
In 52 Fällen (53,6%) trat die Fraktur rechts, in 45 Fällen (46,4%) links auf.
64 Patienten (66,0%) erlitten eine Fraktur durch eine Schulterluxation, die
verbleibenden 33 (34,0%) waren ohne Verrenkung.
9 Das
durchschnittliche
Alter
zum
Unfallzeitpunkt
betrug
51,5
Jahre
(Standardabweichung 16,98). Der Median des Alters war 50,5 Jahre (Abb. 1).
30
Anzahl Patienten
25
20
15
10
5
0
<40
<50
<60
<70
>/=70
Alter in Jahren
Abb. 1: Altersverteilung der Patienten (N = 97) mit Tuberculum-majus-Frakturen
(BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
Bezüglich
der
Unfallursache
lagen
variierende
Gründe
vor.
Führende
Sportverletzungen waren die Skiunfälle mit 35 Patienten, gefolgt von 9
Fahrradunfällen, 6 Motorradstürzen und 3 Pkw Unfällen. Die verbleibenden 44
Fälle beinhalteten andere Sportunfälle und Stolperstürze.
In der Mehrzahl der Fälle (65 Patienten, 67,0%) lag keine Fragmentdislokation vor,
bei 32 Patienten (33,0%) waren die Fragmente disloziert.
Die Dislokationsrichtung war dabei überwiegend lateral mit 12 Patienten (37,5%),
gefolgt von kranial mit 8 Patienten (25,0%). Bei den restlichen waren die
Fragmente nach dorsal, dorsokranial, dorsolateral oder kaudal disloziert (Abb. 2).
10 14
Anzahl Patienten
12
10
8
6
4
2
0
kranial
kaudal
lateral
dorsal
dorsokranial dorsolateral
Dislokationsrichtungen
Abb. 2: Dislokationsrichtungen der verschobenen Tuberculum-majus-Frakturen bei
32 betroffenen Patienten mit Tuberculum-majus-Frakturen
(BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
Das mittlere Ausmaß der Dislokation in diesem Kollektiv betrug 5,31 mm, bei einer
Standardabweichung von 3,16 mm, mit einem Median von 4 mm (Abb. 3)
100%
Kumulative % Patienten
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
Dislokation in mm
Abb. 3: Ausmaß der Dislokation bei 32 betroffenen Patienten mit verschobenen
Tuberculum-majus-Frakturen (BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
11 Die meisten Frakturen bestanden aus einem Fragment (34 Patienten, 35,1%), 2
Fragmente lagen bei 24 Patienten (24,7%), 3 Fragmente bei 21 Patienten (21,6%)
und über 3 Fragmente bei 18 Patienten (18,6%) vor (Abb. 4).
40
Anzahl Patienten
35
30
25
20
15
10
5
0
1
2
3
>3
Fragmentanzahl
Abb. 4: Anzahl der Fragmente bei Patienten (N = 97) mit Tuberculum-majus-Frakturen
(BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
Bei 63 Patienten (64,9%) war das komplette Tuberculum majus in die Fraktur
involviert, bei 34 Patienten (35,1%) nur ein Anteil davon.
Bei 29 Patienten (29,9%) war die superiore Facette des Tuberculum majus intakt,
bei 68 Patienten (70,1%) nicht.
Der Mittelwert der kraniokaudalen Ausdehnung des Fragments im Gesamtkollektiv
lag bei 26,08 mm bei einer Standardabweichung von 10,26 mm, mit einem Median
von 25,0 mm (Abb. 5).
12 100%
90%
Kumulative % Patienten
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
10
20
30
40
50
60
kraniokaudal in mm
Abb. 5: Kraniokaudale Ausdehnung des Fragmentes im Gesamtkollektiv (N = 97) der
Patienten mit Tuberculum-majus-Frakturen (BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
3.3 Bivariate Auswertungen:
Zwischen dem Merkmal Luxation und den Variablen Geschlecht, Alter und
Frakturseite konnte kein signifikanter Zusammenhang gezeigt werden.
Es bestanden jedoch signifikante Zusammenhänge zwischen dem Merkmal
Luxation und Dislokation (p-Wert = 0,026). Dies bedeutet, daß im Rahmen von
Schulterluxationen häufiger dislozierte Frakturen auftraten (Abb. 6). Umgekehrt
waren Tuberculum majus-Frakturen ohne Luxation signifkant seltener disloziert.
13 40
Anzahl Patieten
35
30
25
20
mit Luxation
15
ohne Luxation
10
5
0
ja
nein
Dislokation
Abb. 6: Anzahl der Patienten mit und ohne Luxation in Abhängigkeit von der Dislokation
bei Patienten (N = 97) mit Tuberculum-majus-Frakturen
(BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
Das mittlere Ausmaß der Dislokation lag bei den Frakturen nach einer
Schulterluxation bei 2,36 mm, bei den anderen Frakturen bei 0,58 mm.
Wenn nur Patienten mit einer Dislokation einbezogen werden, lag die mittlere
Dislokation bei 5,81 mm (mit Luxation) und bei 3,17 mm (ohne Luxation). Dies
zeigt, daß einerseits mehr Patienten mit Luxation eine Dislokation hatten und daß
diese dann auch signifikant weiter war als bei den Patienten ohne Luxation (pWerte < 0,01).
Es bestand im Weiteren ein signifikanter Zusammenhang zwischen vorhandener
Luxation und Intaktheit der superioren Facette des Tuberculum majus (p-Wert <
0,001). Die superiore Facette war bei Frakturen mit Schulterluxation signifikant
häufiger nicht intakt (Abb. 7). Isolierte Tuberculum-majus-Frakturen waren
signifikant häufiger mit intakter Kontur anzutreffen.
14 60
Anzahl Patienten
50
40
30
mit Luxation
20
ohne Luxation
10
0
intakt
nicht intakt
superiore Facette
Abb. 7: Anzahl der Patienten mit und ohne Luxation in Abhängigkeit von der superioren
Facette des Tuberculum majus bei Patienten (N = 97) mit Tuberculum-majus-Frakturen
(BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
Ein weiterer signifkanter Zusammenhang ließ sich für die Variablen vorhandene
Luxation und Anzahl der Fragmente errechnen (p-Wert < 0,001). Frakturen durch
Schulterluxationen waren signifikant häufiger mehrfragmentär (Abb. 8), isolierte
Tuberculum-majus-Frakturen einfragmentär.
Anzahl Patienten
25
20
15
mit Luxation
10
ohne Luxation
5
0
1
2
3
>3
Fragmentanzahl
Abb. 8: Anzahl der Patienten mit und ohne Luxation in Abhängigkeit von der
Fragmentanzahl bei Patienten (N = 97) mit Tuberculum-majus-Frakturen
(BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
15 Zwischen Vorhandensein einer Luxation und betroffenem Anteil des Tuberculum
majus bestand kein signifikanter Zusammenhang (p-Wert = 0,2745).
Die mittlere kraniokaudale Ausdehnung des größten Fragments lag bei Frakturen
im Rahmen einer Schulterluxation bei 23,36 mm, bei Frakturen ohne
Schulterluxation deutlich höher bei 31,36 mm (Abb. 9). Auch dies war signifikant
(p-Wert < 0,001).
100%
Kumulative % Patienten
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
10
20
30
40
50
60
kraniokaudal in mm
Luxation = ja
Luxation = nein
Abb. 9: Kraniokaudale Ausdehnung des Fragments bei Frakturen mit und ohne Luxation
im Gesamtkollektiv (N = 97) der Patienten mit Tuberculum-majus-Frakturen
(BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
Zwischen dem Merkmal Dislokation und Intaktheit der superioren Facette des
Tuberculum majus bestand ein signifikanter Zusammenhang (p-Wert = 0,009).
Dislozierte Frakturen waren signifikant häufiger mit einer nicht intakten Kontur der
superioren Facette des Tuberculum majus auftretend (Abb. 10).
16 45
Anzahl Patienten
40
35
30
25
20
mit Dislokation
15
ohne Dislokation
10
5
0
intakt
nicht intakt
superiore Facette des Tuberculum majus
Abb. 10: Beurteilung der superioren Tuberclum-majus-Facette (intakt versus nicht intakt)
bei Patienten (N = 97) mit dislozierten und nicht dislozierten Tuberculum-majus-Frakturen
(BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
Dislozierte Frakturen waren signifikant (p-Wert = 0,008) häufiger mehrfragmentär
(Abb. 11).
35
Anzahl Patienten
30
25
20
mit Dislokation
15
ohne Dislokation
10
5
0
1
2
3
>3
Fragmentanzahl
Abb. 11: Fragmentanzahl bei dislozierten und nicht dislozierten Tuberculum-majusFrakturen bei den Patienten (N = 97) der BG Unfallklinik Murnau (2003 - 2011)
Zwischen den Merkmalen Dislokation und betroffenem Anteil des Tuberculum
majus bestand kein signifikanter Zusammenhang.
17 Es bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen Kontur der superioren
Facette des Tuberculum majus (Abb. 12) und Fragmentanzahl (p-Wert < 0,001)
sowie
betroffenem
Anteil
des
Tuberculum
majus
(p-Wert
=
0,025).
Mehrfragmentäre Frakturen waren signifikant häufiger mit einer nicht intakten
Kontur der superioren Facette verbunden. Die superiore Facette des Tuberculum
majus war außerdem signifikant häufiger bei den Frakturen nicht intakt, die das
komplette Tuberculum betrafen.
Anzahl Patienten
25
20
15
intakt
10
nicht intakt
5
0
1
2
3
>3
Fragmentanzahl
Abb. 12: Fragmentanzahl bei Patienten (N = 97) mit einer Tuberculum-majus-Fraktur in
Abhängigkeit vom Zustand (intakt versus nicht intakt) der superioren Tuberculum-majusFacette (BG Unfallklinik Murnau 2003 - 2011)
3.4 Computertomographie:
Anhand der statistischen Auswertung der morphologischen CT Kriterien ließen
sich zwei vorherrschende Frakturtypen ermitteln, die wie folgt exemplarisch
dargestellt sind:
Typ I (Abb. 13 bis Abb. 15):
Charakterisiert durch eine nicht intakte superiore Facette, geringere kraniokaudale
Fragmentgröße sowie signifikant häufigerem Auftreten von mehreren Fragmenten:
18 Abb. 13: Typ I
(superiore Facette nicht intakt, mehrfragmentär, kleine Fragmente, undisloziert)
Abb. 14: Typ I
(superiore Facette nicht intakt, kleines Fragment, einfragmentär, undisloziert)
19 Abb. 15: Typ I
(superiore Facette nicht intakt, kleine Fragmente, mehrfragmentär, gering disloziert)
Typ II (Abb. 16 bis Abb. 18):
Charakterisiert durch eine intakte superiore Facette, größere kraniokaudale
Fragmentgröße und bevorzugt Auftreten nur eines einzigen Fragmentes
Abb. 16: Typ II
(superiore Facette intakt, großes Fragment, einfragmentär, undisloziert)
20 Abb. 17: Typ II
(superiore Facette intakt, großes Fragment, einfragmentär, disloziert)
Abb. 18: Typ II
(superiore Facette intakt, großes Fragment, einfragmentär, disloziert)
21 Schematisch stellen sich die beiden vorherrschenden Frakturtypen wie folgt dar
(Abb. 19):
Abb. 19: Typisierung der Tuberculum-majus-Frakturen
(links: Typ I Abrissfraktur, rechts: Typ II Abscherfraktur)
22 4. Diskussion:
Proximale
Humerusfrakturen
umfassen
annähernd
5%
aller
knöchernen
Verletzungen (Buhr et Cooke 1959) und etwa 45% aller Frakturen am Humerus
(Rose et al 1982). Zwischen 13 und 21% der proximalen Humerusfrakturen sind
isolierte Tuberculum-majus-Frakturen (Chun et al 1994, Court-Brown et al 2001,
de Palma et al 1961, Gruson et al 2008, Kim et al 2005, Kristiansen et al 1987,
Lind et al 1989). In einer großen Studie mit 596 Humerusfrakturen waren 33% der
proximalen Humerusfrakturen mit Beteiligung des Tuberculum majus (Rose et al
1982). Laut AO Statistik besteht ein Anteil von weniger als 5% aller operativ
behandelter proximaler Humerusfrakturen aus isolierten, gering bis mäßig
dislozierten Frakturen des Tuberculum majus (Jakob et al 1988). Tuberculummajus-Frakturen treten isoliert, im Rahmen von Trümmerfrakturen des proximalen
Humerus und gemeinsam mit Schulterluxationen auf (Olivier et al 1976).
Die Häufigkeit des Auftretens der Fraktur bewegt sich laut Literatur zwischen 10
und 30% der Schulterluxationen (Hoelen et al 1990, Kohfahl et al 1984, Kreitner
et al 1992, Lill et al 1998, Robinson et al 2012, Rowe 1956, Rowe u. Sakellarides
1961, Runkel et al 1993, Ryf u. Matter 1993, Sonnabend 1994, te Slaa et al 2004,
Wan Hazmy u. Parwathi 2005, Weishaupt et al 1997, Wissing u. Obertacke 1986).
Die Schulterluxation besitzt grundsätzlich eine Inzidenz von bis zu 2%, davon
95% vordere Luxationen (Lichtenberg et al 2005). Dabei ist das männliche
Geschlecht deutlich häufiger betroffen als das weibliche (Hovelius 1987, Hovelius
1996). Schulterluxationen treten generell vermehrt bei Männern zwischen 21 und
40 Jahren, die aktiv Sport treiben und bei Frauen über 40 Jahren, v.a. durch
Stürze ausgelöst, auf (Wan Hazmy u. Parwathi 2005). Mit zunehmendem Alter
nimmt die Inzidenzrate deutlich ab (Norlin 1993).
In den vorliegenden Studien (Bahrs et al 2006, Flatow et al 1991, Ji et al 2010,
Kim et al 2000, Mattyasovszky et al 2011, Platzer et al 2008, Wolf u. Schauwecker
1987, Yin et al 2012), welche sich primär mit Tuberculum-majus-Frakturen
beschäftigten,
sind
sehr
unterschiedliche
Häufigkeiten
der
Luxationen
dokumentiert, von 6,9%, 17%, 20%, 30% bis hin zu 60%.
Bezüglich der Alters- und der Geschlechtsverteilung besteht ein Unterschied
bei den Tuberculum-majus-Frakturen zu der Gruppe der übrigen proximalen
23 Humerusfrakturen. Letztere ereignen sich laut verschiedener Untersuchungen mit
einer höheren Häufigkeit bei älteren weiblichen Patienten (De Palma et al 1961,
Horak u. Nilsson 1975). Die höchste altersspezifische Inzidenz liegt bei Frauen
zwischen dem 80 und 89. Lebensjahr vor (Court-Brown et al 2001), wobei die
osteoporotischen Veränderungen im Knochen im Sinne einer Insuffizienzfraktur
eine Rolle spielen sollen (Kristiansen et al 1987). Dabei besteht eine direkte
Evidenz, bewiesen durch Arbeiten zur Knochendichte, mit altersgebundenem
Verlust an Knochenmasse, der verstärkt bei Frauen auftritt und sowohl den
Humeruskopf als auch den Humerusschaft betrifft (Meema u. Meema 1963,
Newton-John u. Morgan 1970). Die Inzidenzmuster bei Frakturen am oberen Ende
des Femurs und des Humerus sind ähnlich (Buhr u. Cooke 1959). Tuberculummajus-Frakturen treten hingegen vermehrt bei Männern in einem mittleren Alter
bis etwa 59 Jahren auf, später dann bevorzugt bei Frauen über 80 Jahren (Chun
et al 1994, Dimakopoulos et al 2007, Flatow et al 1991, Kim et al 2005, Rose et al
1982).
Die verschiedenen im Verlauf der Zeit entwickelten Klassifizierungssysteme der
Humerusfrakturen tendieren dazu, die Tuberculum-majus-Frakturen in die Gruppe
der proximalen Humerusfrakturen zu integrieren. Dabei sollten die Schwerpunkte
nicht nur in morphologischen Kriterien liegen, sondern auch Aussagen über
therapeutische Konsequenzen und Prognose beinhalten (Hempfling 1991). Kocher
(1896)
veröffentlichte
eine
Einteilung
der
Frakturen
nach
Höhe
des
Bruchlinienverlaufs durch das Collum chirurgicum, das Collum anatomicum oder
durch beide Tubercula (Kocher 1896).
Böhler (1977) erweiterte diese Einteilung mit Hilfe der Röntgendiagnostik um die
Abrißfrakturen des Tuberculum majus und Tuberculum minus sowie um die
epiphysären Frakturen. Codman (1934) erkannte, daß sich die meisten proximalen
Humerusfrakturen entlang der physiologischen Linien des proximalen Humerus
ereignen und teilte die Frakturen nach dem Bruchlinienverlauf zwischen den vier
Segmenten Kopffragment, Tuberculum majus, Tuberculum minus und ein
Schaftfragment ein. Bis auf die subkapitalen Frakturen und einen Facettenabriß
des Tuberculum majus wurden alle Frakturen als subkapsulär betrachtet.
Eine Weiterentwicklung stellte die Neer-4-Segment Klassifikation dar, bestehend
aus chirurgischem Hals, anatomischen Hals, Tuberculum majus und Tuberculum
minus. Neer (1970) definierte sechs verschiedene Varianten von dislozierten
24 proximalen Humerusfrakturen und etablierte das Ausmaß der Dislokation, um eine
Fraktur als disloziert zu bezeichnen. Dies war der Fall, wenn eines der Fragmente
um mehr als 1 cm disloziert oder um mehr als 45° verdreht war.
Gruppe IV schloss unter den 2- und 3-Segmentfrakturen die Tuberculum-majusFrakturen ein.
1990 präsentierte die AO-Gruppe ihre Klassifikation (Müller et al 1990). Diese
Klassifikation basierte auf der Frakturkonfiguration und gab mehr Information
bezüglich der Behandlung. Die Einteilung erfolgte in drei Hauptgruppen und drei
zusätzliche Untergruppen.
Eine Synthese aus Neer (1970) und AO Klassifikation (Müller 1990) stellt die
Einteilung nach Habermeyer dar, in der das 4-Segment-Konzept von Neer als
auch
die
AO-Klassifikation
entsprechend
der
Höhe
des
Frakturverlaufs
berücksichtigt werden (Brunner u. Schweiberer 1995).
Eine noch aktuellere Einteilung der proximalen Humerusfrakturen stammt von
Hertel (2004), in der nach einem Lego Modell zwischen zwölf Basisfrakturen
unterschieden
werden
kann.
Die
Legosteine
stellen
Tuberculum
majus,
Tuberculum minus, Humeruskopf und Humerusschaft dar (Hertel et al 2004).
Anatomische Einteilungen speziell des Tuberculum majus und dessen Frakturen
liegen nicht vor. Wenn Katthagen (2014) auf eine Klassifikation der Tuberculummajus-Frakturen hinweist, so kann die das Tuberculum majus betreffende
Einteilung im Originaltext nicht erkannt werden, denn nach Kim (2005) liegt eine
Einteilung zwischen proximalen Humeruskopffrakturen und isolierten Tuberculummajus-Frakturen vor.
Verschiedene
Verletzungsmechanismen
können
eine
Tuberculum-majus-
Fraktur zur Folge haben. Dazu zählen Stürze in Abduktion und Außenrotation des
Arms (Hepp et al 2008, Kaspar u. Mandel 2004), Stürze auf den gestreckten Arm
(Flatow et al 1991), ein direkter Schlag auf den seitlichen Anteil der Schulter
(Bigliani 1980) sowie Zug an den Rotatoren (Gibbons 1909).
Die häufig gemeinsam beobachtete traumatische Schulterluxation ist definiert als
repositionspflichtiges Ereignis bei komplettem und permanenten Kontaktverlust
zwischen
den
artikulierenden
Gelenkflächen
(Habermeyer
et
al
2000).
Mechanismen, die typischerweise zu Schulterluxationen führen, sind ebenfalls
kombinierte Abduktions-Außenrotations-Bewegungen, die dem Patienten von
außen zugefügt werden (Lichtenberg et al 2005). Es kann eine direkte
25 Krafteinwirkung auf den Humeruskopf oder indirekt, wie z.B. durch Sturz auf den
ausgestreckten Arm oder durch Zug des Körpergewichts beim Fallen mit fixiertem
Arm passieren (Habermeyer et al 1998, Matter et al 1979).
Als Begleitverletzungen treten bei proximalen Humerusfrakturen am häufigsten
periphere Nervenverletzungen auf. Dazu kommt es in mehr als einem Drittel der
Fälle und zunehmend bei älteren Patienten (Garg et al 1999, Leffert u. Seddon
1965, Toolanen et al 1993). Nach dem 50. Lebensjahr ist die Inzidenz von
Nervenverletzungen bei dislozierten proximalen Humerusfrakturen größer als 50%
(de Laat et al 1994, Rowe et al 1961). Der am meisten betroffene Nerv ist der N.
axillaris, häufig in Kombination mit anderen peripheren Nervenverletzungen (Blom
u. Dahlbäck 1998, de Laat et al 1994). Diese beinhalten Schädigungen des
infraklavikulären Armplexus. Die Rate von Nervenverletzungen liegt bei Frakturen,
die mit einer Schulterluxation einhergehen, höher. Sie kann bis zu 50% bei
Patienten über 40 Jahren betreffen (Toolanen et al 1993).
Eine seltene Komplikation der Tuberculum-majus-Frakturen sind vaskuläre
Verletzungen (Zuckerman et al 1984). Dabei ist in der Regel die A. axillaris, ihre
Äste oder die V. axillaris betroffen. Risikofaktor dafür sind bereits arteriosklerotisch
veränderte Blutgefäße (Green u. Izzi 2003).
Die Diagnostik beinhaltet die Erhebung einer detaillierten Anamnese, die
vorbestehende Schulterprobleme und den Verletzungsmechanismus einbezieht.
Eine vorsichtige und genaue körperliche Untersuchung dient dazu, assoziierte
neurologische Ausfälle zu zeigen.
Bildgebend sind Röntgenbilder mit anterior-posteriorer Aufnahme, Scapula-YAnsicht und axilläre Aufnahmen (Norris u. Green 1998) üblich. Zusätzliche
anterior-posteriore Aufnahmen in Innen- und Außenrotation zeigen mehr
Einzelheiten über eine Fraktur des Tuberculum majus oder eine verborgene, nicht
dislozierte Fraktur des chirurgischen Halses. Bei den Röntgenaufnahmen ist auf
eine exakte freie Projektion des Gelenkspaltes zum Ausschluß insbesondere einer
hinteren Luxation zu achten. Ein ergänzende Aufnahme nach Velpeau kann
Aufschluß über etwaige knöcherne Absprengungen am Glenoidrand bieten
(Lorenz u. Lenich 2012). Zu berücksichtigen ist, daß vor allem undislozierte
Frakturen des Tuberculum majus leicht übersehen werden können (Gumina et al
2009, Ogawa et al 2003), bedingt durch nur geringe Fragmentdislokation oder ein
unbeträchtliches
Frakturausmaß.
Zudem
kann
die
Fraktur
bei
den
26 Standardprojektionen in der Röntgenuntersuchung der traumatisierten Schulter
übersehen werden durch Überlagerung des Humeruskopfes oder durch kleine
Fragmentgröße (De Smet 1980, Patten et al 1992, Phemister 1912, Zanetti et al
1999). Eine Fehlinterpretation der Tuberculum-majus-Fraktur als Tendinosis
calcarea ist ebenfalls beschrieben (Flatow 1991).
Computertomographien
sollten
durchgeführt
werden,
wenn
die
Röntgenaufnahmen nicht ausreichend das Ausmaß der Frakturform zeigen und
eine operative Intervention zur Diskussion steht. Axiale Aufnahmen sind nützlich,
um eine hintere Dislokation nachzuweisen. Koronare und dreidimensionale
Schichten können genutzt werden, um das Ausmaß einer vorhandenen oberen
Dislokation zu erkennen (Bernstein et al 1996, Castagno et al 1987, Jurik u.
Albrechtsen 1994).
Kernspintomographien sind in der Routinediagnostik nicht erforderlich. Dennoch
können, wenn die Röntgenaufnahmen keine Fraktur zeigen und eine klinische
Besserung ausbleibt, Kernspintomographieaufnahmen verborgene undislozierte
Tuberculum-majus-Frakturen oder andere Pathologien nachweisen (Mason et al
1999, Patten et al 1992). Die Frakturdetails sind dabei am besten auf den T1gewichteten Spin-Echo-Sequenzen in koronarer Ebene dargestellt. Weichteil- und
Knochenödeme sind in den T2-Wichtungen, v.a. bei den fettsupprimierten
Sequenzen am besten präsentiert (Mason et al 1999).
Diese vorliegende Untersuchung sollte zeigen, ob anhand CT morphologischer
Eigenschaften
eine
Klassifizierung
der
Tuberculum-majus-Frakturen
mit
Rückschluß auf den Unfallmechanismus anhand dieser Befunde möglich ist.
Dabei waren unter 97 ausgewerteten Patienten mit Tuberculum-majus-Fraktur
mehr als zwei Drittel der Fälle in Kombination mit einer vorderen Schulterluxation,
eine deutlich höhere Anzahl als in den vergleichbaren Studien. Erhoben wurden
bezüglich der epidemiologischen Daten das Geschlecht sowie Alter bei
Unfallereignis.
Das
Vorhandensein
einer
Schulterluxation,
Anzahl
der
Frakturfragmente sowie Ausmaß einer Fragmentdislokation einschließlich deren
Richtung
fanden
zudem
Berücksichtigung.
Im
Weiteren
erfolgte
eine
Differenzierung, ob nur ein Teil oder das gesamte Tuberculum majus betroffen
war, außerdem die kraniokaudale Ausdehnung des Frakturfragmentes.
27 Ein besonderer Augenmerk galt der knöchernen Kontur der superioren Facette
des Tuberculum majus, mit der Frage, ob diese intakt oder nicht intakt war.
Die Unfälle ereigneten sich vor allem bei Stolperstürzen, Verkehrs-
und
Sportunfällen. Bei fast einem Drittel der Fälle handelte es sich um Skiunfälle, was
sich mit den Angaben der Literatur ( Kocher et al 1998, Weaver 1987) deckt, daß
die
minimal
dislozierte
Tuberculum-majus-Fraktur
zu
den
häufigsten
Schulterfrakturen beim Skifahren zählt.
Das Durchschnittsalter des Gesamtkollektivs lag bei 51,5 Jahren. Knapp 65
Prozent der Patienten waren männlich, was sich ebenfalls mit den genannten
Studien zur Epidemiologie deckt.
Der Anteil der anterior inferioren Schulterluxationen bezifferte sich auf 64
Patienten, entsprechend zwei Drittel des Gesamtkollektives. Bei 65 Patienten lag
keine Dislokation des Fragments vor. Bei den dislozierten 32 Fällen führte die
laterale Dislokation mit 12 Patienten, gefolgt von kranial mit 8 Patienten. In der
Literatur werden die Tuberculum-majus-Frakturen bevorzugt als nach oben durch
den Zug des M. supraspinatus oder nach unten disloziert nach zusätzlichem
Anprallmechanismus oder assoziierten Rotatorendefekten beschrieben (Mutch J
et al 2014). Eine kaudale bzw. inferiore Dislokation war nur in zwei Fällen
vorhanden.
Knapp ein Drittel der betroffenen Patienten hatten einfragmentäre Frakturen,
Frakturen mit mehr als drei Fragmenten betrafen 18 Patienten. Bei 63 Patienten
war das gesamte Tuberculum majus involviert. Die superiore Facette des
Tuberculum war bei 70% nicht intakt. Der Mittelwert der kraniokaudalen
Ausdehnung des Frakturfragmentes lag bei 26,08 mm.
Die statistische Auswertung der gesammelten Daten ergab folgende Ergebnisse:
Das Vorhandensein einer Schulterluxation war unabhängig von Patientenalter,
Geschlecht und Frakturseite.
Signifikant war, daß Tuberculum-majus-Frakturen bei der Schulterluxation häufiger
disloziert waren, entsprechend isolierte Tuberculum-majus-Frakturen undisloziert.
Auffällig war weiterhin, daß das Dislokationsausmaß bei denjenigen im Rahmen
der Schulterluxation auch von größerem Ausmaß war bei einem mittleren Wert
von 5,81 mm im Vergleich zu 3,17 mm.
28 Außerdem zeigte sich signifikant häufiger eine nicht intakte Kontur der superioren
Facette des Tuberculum majus bei den betroffenen Patienten mit Schulterluxation,
während die isolierten Frakturen eine intakte Kontur boten.
Im Weiteren existierten signifikant häufiger mehrfragmentäre Frakturen im
Rahmen der Schulterluxationen, mehr als drei Fragmente waren nur bei einem
Patienten ohne Luxation zu beobachten.
Ob das Tuberculum majus komplett oder inkomplett betroffen war, spielte keine
Rolle hinsichtlich vorhandener Schulterluxation.
Das kraniokaudale Ausmaß des Fragmentes bei Frakturen im Rahmen der
Schulterluxation besaß einen grundsätzlich geringeren Wert
mit einem
Durchschnitt von 23,36 mm im Gegensatz zu den isolierten Frakturen mit 31,36
mm.
Merkmale wie Geschlecht, Alter und Frakturseite im Hinblick auf dislozierte
Frakturen und Kontur der superioren Facette des Tuberculum majus waren nicht
relevant.
Dislozierte Frakturen traten aber signifikant häufiger mit einer nicht intakten Kontur
der superioren Facette des Tuberculum majus auf und waren signifikant häufiger
mehrfragmentär.
Bezüglich der superioren Facette des Tuberculum majus bestand ein signifikanter
Zusammenhang zu den Merkmalen Fragmentanzahl und betroffenem Anteil des
Tuberculum majus. Mehrfragmentäre Frakturen waren häufiger mit einer nicht
intakten Facette verbunden. Eine nicht intakte superiore Facette konnte man
häufiger bei den Frakturen feststellen, die das komplette Tuberculum majus
involvierten.
Letztlich
waren
nach
statistischer
Auswertung
zwei
vorherrschende
morphologische Typen anhand der erhobenen CT Befunde zu beobachten mit
dem Hauptunterscheidungskriterium der Intaktheit der superioren Facette des
Tuberculum majus:
Typ I:
CT morphologisch charakterisiert durch eine nicht intakte Kontur der superioren
Facette des Tuberculum majus und meist geringer Fragmentgröße. Eine weitere
Differenzierung kann in ein und mehrfragmentäre Frakturen mit und ohne
Dislokation erfolgen.
29 Typ II:
CT morphologisch charakterisiert durch eine intakte glatte Struktur der superioren
Facette des Tuberculum majus und ein größeres Fragment. Auch hier kann eine
Unterteilung in ein- und mehrfragmentäre Frakturen mit und ohne Dislokation
erfolgen.
Diese Typen sind im Gesamtkollektiv in den genannten Varianten vorhanden,
wobei Typ I mit Ausprägung der mehrfragmentären Variante bei den Frakturen mit
Schulterluxation und Typ II als einfragmentäre Variante bei den isolierten
Tuberculum-majus-Frakturen signifikant im Vordergrund steht.
Zur Interpretation der Ergebnisse ist erst ein genauerer Blick auf die Anatomie des
Tuberculum majus und die ansetzenden Sehnen der Rotatorenmanschette
erforderlich.
Das Tuberculum majus besteht aus drei verschiedenen Facetten (Jacobson 2011)
oder auch Impressionen genannt, von anterior nach posterior gesehen: die
superiore, mittlere und inferiore Facette.
Ursprünglich bestand die Annahme, daß der M. supraspinatus in die superiore
Facette und der M. infraspinatus in die mittlere Facette des Tuberculum majus
inseriert. (Clemente 1985, Johnson u. Ellis 2005).
Verschiedene Autoren befaßten sich im Verlauf damit, die Ansatzflächen,
„footprints“ dieser Muskeln zu erforschen. Schwierigkeit bei den anatomischen
Studien sei die Trennung der Sehnen aufgrund überlappender Fasern (Clark u.
Harryman 1992).
Clark und Harryman (1992) waren die ersten, die sorgfältige Untersuchungen zum
Charakter, Dicke und mikroskopischen Struktur der Rotatorenmanschette
durchführten. Ergebnis war die Definition von fünf verschiedenen Schichten und
die Aussage, daß sich die Fasern der Supra- und Infraspinatussehne überlappen.
Minagawa (1998) dokumentierte die Ansätze des M. supraspinatus und M.
infraspinatus am Tuberculum majus. Der M. supraspinatus setzt an der Fossa
suprascapularis an und inseriert am Tuberculum majus. Der M. subscapularis hat
seinen Ursprung anterior der Scapula und inseriert am Tuberculum minus. Der M.
infraspinatus entspringt posterior der Scapula unterhalb der Spina scapulae und
30 inseriert am posterioren Anteil des Tuberculum majus. Der M. teres minor ist
unterhalb des M. infraspinatus und inseriert auch am Tuberculum majus.
Der M. supraspinatus ist annähernd 23 mm breit (gemessen von anterior nach
posterior), wovon der Anteil der anterioren 13 mm an der oberen und die
posterioren 10 mm am vorderen Anteil der mittleren Facette inserieren.
Der M. infraspinatus hat annähernd 22 mm Breite (ebenfalls gemessen von vorne
nach hinten) und inseriert an der mittleren Facette des Tuberculum majus,
oberflächlich überlappend mit der Supraspinatussehne über etwa 10 mm
(Minagawa et al 1998). Der M. teres minor ist an der inferioren Facette des
Tuberculum majus angeheftet, hinten lokalisiert. Die Sehnenansätze am
Tuberculum majus sind knorpelähnlich (Erickson 1997).
Verschiedene weitere anatomische Studien stellten die Ansatzfläche, „footprints“,
der Supraspinatus- und Infraspinatussehne individuell dar und beschrieben
Zahlenwerte bzgl. deren maximaler Länge von medial nach lateral und Weite von
anterior nach posterior ( Curtis et al 2006, Dugas et al 2002, Ruotolo et al 2004).
Dugas (2002) fand heraus, daß die Ansatzfläche des M. supraspinatus kleiner sei
als die des M. infraspinatus.
Die Ansatzfläche des M. supraspinatus endet an einem Sulkus zwischen
Humeruskopf und Tuberculum majus, wenn man dem Gelenkknorpel von medial
nach lateral folgt. Genau neben dem Ende des hyalinen Knorpels ist eine 1,5 bis
1,9 mm nackte Stelle ohne Knorpel und direkt daneben sieht man die
Rotatorenfasern am Tuberculum majus ansetzen. Jenseits des Sulkus ergibt sich
über eine Distanz von nahezu 12 mm von medial nach lateral des Tuberculum
majus die Ansatzfläche des M. supraspinatus (Ruotolo et al 2004).
Curtis (2006) veröffentlichte Ergebnisse zu den „footprints“ der Rotatorensehnen
anhand anatomischer Präparationen und ergänzender elektronenmikroskopischer
Untersuchungen. Dabei zeigte sich die Infraspinatussehne verflochten und um den
posterioren Anteil der Supraspinatussehne gewickelt mit einem trapezartigen
Ansatz am Tuberculum majus mit einer Durchschnittslänge von 29 mm und Breite
von 19 mm. Der Ansatz zeigte sich an der Gelenkfäche zugespitzt, von 0 mm
superior bis 16 mm inferior. Die Lücke zwischen Gelenkfläche und inferiorem
Anteil
bildete
dabei
die
sogenannte
„bare
area“.
Der
„footprint“
der
Supraspinatussehne füllte die Rille zwischen Bizepssulkus und der „bare area“ in
einer trapezartigen Form mit einer maximalen Durchschnittslänge von 23 mm und
31 Breite von 16 mm. Der Ansatz endete dabei ca. 0,9 mm vom Rand der
Gelenkfläche. Die posteriore Grenze des Ansatzes war dabei überlappt von der
anterioren Grenze der Infraspinatussehne. Der M. teres minor bot die kleinste
Fläche mit maximaler Durchschnittslänge von 29 mm und Breite von 21 mm
(Curtis et al 2006).
Eine ähnliche anatomische Charakteristik existiert beim M. infraspinatus. Dennoch
ist der Sulkus zwischen Ende des hyalinen Knorpels und der mittleren Facette des
Tuberculum majus breiter, etwa 13,9 mm, und ist eine Stelle von corticaler
Irregularität mit Zysten, was als Normvariante interpretiert wird. (Dugas et al 2002,
Jin et al 2005).
Der M. subscapularis ist am Tuberculum minus angeheftet, mit oberflächlichen
Fasern, die über den Sulcus bicipitalis reichen als transverses humerales
Ligament.Eine aktuellere anatomische Studie (Mochizuki et al 2008) aufgrund von
Beobachtungen, daß bei Rotatorenmanschettenrissen auch häufig eine Atrophie
des
M.
infraspinatus
zu
beobachten
sei,
revidierte
die
Angaben
der
Sehnenansatzflächen zum Teil und begründete die neuen Ergebnisse durch eine
andere Präparationstechnik im Vergleich zu vorangegangenen anatomischen
Untersuchungen.
Demnach besitzt der M. supraspinatus einen langen sehnigen Anteil in der
anterioren Hälfte des Muskels, der immer im vorderen anterioren Areal der
höchsten Facette lokalisiert ist und der im superiorsten Bereich des Tuberculum
minus bei 21% der untersuchten Präparate ansetzte. Die Ansatzfläche des M.
supraspinatus besitzt eine dreieckige Form, mit einer durchschnittlichen
Maximallänge
von 6,9 mm medial nach lateral und einer durchschnittlichen
Maximalbreite anteriorposterior von 12,6 mm. Der M. infraspinatus hat einen
langen sehnigen Anteil in der superioren Hälfte des Muskels, der sich nach vorne
wölbt und bis zum anterolateralen Bereich der höchsten Impression des
Tuberculum majus ausdehnt. Die Ansatzfläche dabei ist trapezartig, mit einem
Durchschnittsmaximum
von
10,2
mm
medial
zu
lateral
und
einem
Durchschnittsmaximum der Breite von 32,7 mm. Die Ansatzfläche des M.
infraspinatus besetzt ungefähr die Hälfte der superioren und die ganze mittlere
impression des Tuberculum majus. Folglich ist der „footprint“ des M. supraspinatus
viel kleiner als ursprünglich vermutet.
32 Zu berücksichtigen ist eine gewisse Variabilität des distalen Ansatzes der
Rotatoren mit einer anterioren Ausdehnung der Infraspinatussehne über die
superiore Facette hinaus und eine anteriore Ausdehnung der Supraspinatussehne
zum Tuberculum minus (Mochizuki et al 2009).
Histologische Analysen der Supraspinatus- und Infraspinatus Sehnen und
anhängender Strukturen zeigen einen Komplex, der aus fünf verschiedenen Lagen
besteht. Die oberflächlichste 1. Schicht besteht aus oberflächlichen Fasern des
coracohumeralen Ligaments. Schicht 2 besteht aus eng gepackten, parallelen
Sehnenbündeln des M. supraspinatus und M. infraspinatus. Schicht 3 wird
gebildet aus kleineren Sehnenbündeln, die sich kreuzen bei einem Winkel von
etwa 45°. Schicht 4 ist aus vorherrschend extrakapsulären losen Bindegewebe
zusammengesetzt, das sich vorne mit dem tieferen Aspekt des coracohumeralen
Ligaments verbindet. Schicht 5 besteht aus der Kapsel, die, tief zu den Supra- und
Infraspinatussehnen verdickt ist durch einen Gewebsstreifen, der senkrecht zur
Längsachse der Sehnenfasern steht. Diese Region wird weitergeleitet zum
sogenannten Rotatorenkabel, während das dünnere Rotatorengewebe seitlich zu
diesem Gebiet „Rotatorencrescent“ (Rotatorenhalbmond) genannt wird (Seibold et
al 1999).
Die Sehnen des M. supraspinatus und M. infraspinatus bilden an ihrem Ansatz am
Tuberculum majus den Rotatorenhalbmond. Dieser umfaßt die avaskuläre Zone
dieser beiden Sehnen. Der Rotatorenhalbmond wird vom Rotatorenkabel
begrenzt, welches aus dicken Faserbündeln besteht, die mehr als die doppelte
Dicke des Rotatorenhalbmonds besitzen. Dies ist anterior im Bereich der
Subscapularissehne und posterior im Bereich der inferioren Infraspinatussehne
am Humerus befestigt und verteilt so die Kraft der Rotatorenmanschette analog
einer Hängebrücke (Burkhart 1992). Kritisch ist die Kraft, die auf diese Punkte
einwirkt und ob diese Kraft ausreicht, das Ausmaß des Risses auszudehnen.
Die
Sehnen,
fibrokartilaginäre
die
Anhänge
Anhänge
an
den
Apophysen
charakterisiert.
Die
besitzen,
medialen
sind
Fasern
durch
der
Supraspinatussehne gehen nahezu senkrecht zum Tuberculum majus, in dicken
Bindegewebsknorpel inserierend. Die lateralen Fasern nehmen spitzere Winkel bis
zum extrem lateralen Ende, sind nahezu parallel liegend zu ihrer Ansatzseite. Hier
ist der Bindegewebsknorpel relativ dünn. Man vermutet, daß dieses Gewebe die
33 Sehnen schützen soll vorm „Ausfransen“ an knöchernen Anhängen (Benjamin et
al 1986).
Aufgrund
dieser
anatomischen
Voraussetzungen
unterscheiden
wir
zwei
Mechanismen, die zu den vorherrschenden Tuberculum-majus-Fraktur-Typen
führen.
Hauptunterscheidungskriterium ist dabei die Intaktheit der superioren Facette.
Bei Typ I mit nicht intakter superiorer Facette ist am ehesten von einem
Abrissmechanismus
auszugehen,
bedingt
durch
die
Struktur
der
Rotatorenmanschette und deren Ansatzpunkte wie oben dargestellt.
Durch den nicht flächigen Ansatz kommt es zu zwei Kraftpunkten, an denen Zug
und Druckkräfte wirken und so zum Ausriss führen und bevorzugt zu
mehrfragmentären Frakturen führen. Dabei können, wie im Hängebrückenmodell
beschrieben, einzelne Fragmente abgerissen werden, vergleichbar mit den
Aufhängekabeln der Hängebrücke. Daraus resultiert, daß einzelne Fragmente
aufgrund der Zweipunktaufhängung entstehen.
Zu vergleichen sind diese Ausrisse mit der von Bhatia (2006) genannten „bony
PASTA“ Läsion („partial articular surface tendon avulsion“) eines knöchernen
Teilausrisses von gelenkseitigen Sehnenanteilen, allerdings in größerem Ausmaß
(Bhatia et al 2006).
Eine biomechanische Untersuchung (Clark u. Harryman 1992, Nakajima et al
1994) befaßte sich mit der Reißfestigkeit der Supraspinatussehne. Dabei wurde
ein
knöchernes
Versagen
von
einem
rein
weichteilbedingten
Versagen
unterschieden. In 68 Prozent der untersuchten Fällen trat ein knöchernes
Versagen ein. Das Durchschnittsalter bei den entsprechenden Präparaten lag bei
58,4 Jahren. Eine Versagen der Supraspinatussehne ohne knöcherne Beteiligung
war in 32 Prozent zu verzeichnen. Dabei lag das Durchschnittsalter bei 64,1
Jahren. Von den 17 Fällen mit knöchernen Versagen waren 14 knöcherne
Ausrisse im ventralen Teil der Sehne zu finden, wo sich die meisten
Kollagenfaserbündel befinden, so daß vermutet wurde, daß dieser Teil der Sehne
den Hauptanteil der Zugkräfte des M. supraspinatus überträgt. Eine signifikante
Korrelation bestand zwischen der maximalen Zugbelastbarkeit und dem Alter der
Präparate, was bedeutet, daß die Sehne in jungen Jahren stärker belastbar ist als
in fortgeschrittenem Alter. Eine ähnliche Beziehung wurde zwischen Steifigkeit der
34 Sehne und dem Alter der Präparate festgestellt, so daß von Veränderungen im
Sehnengewebe
ausgegangen
werden
kann,
die
sich
in
Abnahme
der
Zugbelastbarkeit und Steifigkeit in zunehmendem Lebensalter äußern (Rickert et
al 1998, Woo u. Young 1991). Eine Abhängigkeit zur Altersstruktur konnte in
unserer Untersuchung nicht gezeigt werden.
Die meisten Texturstörungen involvieren die Supraspinatussehne, gefolgt von der
Subscapularis oder Infraspinatussehne (De Palma 1983).
Es ist die bereits genannte Theorie zu befürworten, daß es durch den starken Zug
auf die Rotatoren durch eine reflektorische Anspannung als Schutzmechanismus
oder alternativ durch Überdehnung der Rotatorensehnen aufgrund des gewaltsam
nach vorne gezogenen Humerus zum Abriss des Tuberculum majus kommt,
entsprechend
einem
mehrfragmentären
knöchernen
Ausriss
an
den
Sehnenansätzen und dann entsprechender Dislokation der Fragmente, die sich
ähnlich einer Rotatorenmanschettenruptur verhalten (Thür u. Biedermann 1992).
Komplette Rotatorenmanschettenrisse in Zusammenhang mit Tuberculum majus
Frakturen sind in Arbeiten zu Tuberculum majus Frakturen und Rotatorendefekten
nicht beschrieben. Es wird angenommen, daß ein kompletter Rotatorenabriss eine
Fraktur ausschließt (Mason et al 1999, Reinus u. Hatem 1998). Bei Patienten
unter 40 Jahren scheinen die Sehnen stärker als der Knochen zu sein. Mit
zunehmendem Alter degeneriert die Sehnenstruktur, was zu einer höheren
Prävalenz von Sehnenrissen führt (Zanetti et al 1999).
Typ II ist als Abscherfraktur zu werten. Charakteristische Eigenschaften sind die
glatte Kontur an der superioren Facette des Tuberculum majus sowie die
vorherrschende
Form
der
Einfragmentfrakturen
und
insgesamt
größeren
Fragmente. Die intakten Sehnenansatzflächen, insbesondere an der superioren
Facette sprechen in diesem Fall gegen einen Abriss. Die Rotatorenmanschette hat
dabei keinen Einfluß. Ein Vorherrschen dieser Frakturform war bei uns vor allem
bei den isolierten Frakturen ohne Schulterluxation zu beobachten. Insofern
erscheint der häufig beschriebene Mechanismus eines Abscheren am Glenoids
während der Luxation nicht die einzige Variante zu sein. Zu diskutieren sind auch
ein schräger Anprall am Acromion beim hyperabduzierten Arm oder ein Anprall
direkt auf die Schulter.
35 Aus dieser Überlegung ergibt sich somit folgende Klassifikation mit Rückschluß
auf
den
Unfallmechanismus
für
Tuberculum-majus-Frakturen
anhand
CT
morphologischer Kriterien:
Typ I : Abrissfraktur mit nicht intakter superiorer Facette
Typ I a: einfragmentär
Typ Ia1: undisloziert
Typ Ia2: disloziert
Typ I b: mehrfragmentär (signifikant häufiger mit Luxation)
Typ Ib1: undisloziert
Typ Ib2: disloziert
Typ II : Abscherfraktur mit intakter superiorer Facette
Typ II a: einfragmentär (signifikant häufiger ohne Luxation)
Typ IIa1: undisloziert
Typ IIa2: disloziert
Typ II b: mehrfragmentär
Typ IIb1: undisloziert
Typ IIb2: disloziert
Zur Entstehung ein- und mehrfragmentärer Frakturen gibt es folgende
Vermutungen:
Theorie ist, daß ein einzelnes größeres Fragment durch eine vordere Luxation
entstehen könne, aber auch als Abscherfraktur oder in Kombination mit einer
subkapitalen
Mehrfragmentfraktur
und
immer
eine
Mitverletzung
der
Rotatorenmanschette bedeute, meist im Sinne einer Längsverletzung, selten einer
Querruptur. Diese seien häufig kaum disloziert (Olivier et al 1976).
36 Bei einem bröckeligen Ausriss hingegen handelt es sich um eine Abscher-AusrissFraktur des knöchernen Ansatzes der Supra- und Infraspinatussehne und diese
verhalte sich ähnlich einer Rotatorenmanschettenruptur (Thür u. Biedermann
1992). Dabei würden mehrfragmentäre Brüche knöchernen Sehnenausrissen
entsprechen, meist der Sehne des M. supraspinatus betreffend, was zu einer
Fragmentverschiebung nach oben führe. Ein Betroffensein der M. infraspinatus
Sehne sei ungewöhnlich.
Möglich bei kleineren Fragmenten sei auch ein Schermechanismus, Anspannung
von tiefen Supraspinatusfasern und bei guter Sehnenstruktur entsprechendem
Teilabrissen des Tuberculum majus, wie es in einem Fallbericht eines jungen
Patienten beschrieben wird (Bhatia et al 2007).
Eine
Verschiebung
des
Frakturfragments
spielt
insbesondere
in
der
Therapieplanung eine entscheidende Rolle. Das Fragment ist in der Regel nach
kranial in den subacromialen Raum verschoben, wenn der M. supraspinatus
involviert ist und nach dorsal bei Betroffensein des M. infraspinatus und M. teres
minor (Resch u. Thöni 1992). In einer Untersuchung mit 144 Fällen wurde die
Frakturausdehnung anhand der Ansatzpunkte der jeweiligen Muskeln bestimmt.
Dabei betrafen 53% den M. supraspinatus und M. infraspinatus und 26% nur die
Supraspinatussehne (Ogawa et al 2003). Insbesondere die Dislokation in den
subacromialen Raum spielt eine Rolle aufgrund der Gefahr der Entwicklung eines
ossären Impingementsyndroms. Ein Ausmaß zwischen bereits 3 mm und 1 cm
Fragmentverschiebung bedingt laut verschiedener Autoren eine notwendige
operative Intervention (Jakob et al 1988, Mc Laughlin 1963, Paavolainen et al
1983, Park et al 1997).
Eine aktuelle Studie (Mutch et al 2014) aus Kanada unterscheidet nach
Röntgenbefunden drei verschiedene Typen. Eine Abrissfraktur involviert demnach
kleine
knöcherne
Fragmente
mit
einer
horizontalen
Frakturlinie.
Dieser
Mechanismus sei ähnlich einem knöchernen Rotatorenmanschettenabriss.
Eine „Spaltfraktur“ bestehe aus einem großen Fragment mit einer horizontalen
Frakturlinie. Diese entstehe durch Anprall gegen das vordere Glenoid während
einer Schulterluxation oder Subluxation. Eine imprimierte Fraktur beinhalte ein
nach unten disloziertes Fragment, entstanden wahrscheinlich bei Anprall am
unteren Glenoid während einer Luxation oder am Acromion während extremer
Abduktion (Tab. 3).
37 Tab. 3: Vergleich der eigenen Ergebnisse mit denen von Mutch 2014
Eigene Ergebnisse
Mutch 2014
Computertomographie
Röntgen
superiore Facette nicht intakt,
kleine Fragmente,
Typ I vs.
signifikant häufiger
horizontale Frakturlinie,
Abrissfraktur (Mutch)
mehrfragmentär,
ähnlich
knöcherner Ausriss der
Rotatorenmanschettenabriss
Diagnostik
Rotatorensehnen,
signifikant häufiger bei Luxation,
meist kleinere Fragmente
superiore Facette intakt,
großes Fragment,
Typ II vs.
meist größeres Fragment,
vertikale Frakturlinie,
Spaltfraktur (Mutch)
signifikant häufiger
Anprall gegen vorderes Glenoid
einfragmentär,
bei Luxation
signifikant häufiger bei Frakturen
ohne Luxation
Nicht klassifiziert
Fragment nach inferior disloziert,
Impressionsfraktur
Anprall gegen unteres Glenoid
(Mutch)
bei Luxation oder gegen
Acromion bei extremer
Abduktion
Unsere Ergebnisse decken sich nur zum Teil mit der Untersuchung aus Kanada.
Die dreidimensionale Diagnostik mittels Computertomographie ist deutlich
höherwertiger zum Frakturnachweis als native Röntgenaufnahmen.
Die verschiedenen computertomographisch erhobenen morphologischen Typen
treten sowohl bei isolierten Tuberculum-majus-Frakturen als auch bei Frakturen im
Rahmen von Schulterluxationen auf. Die Abrissfrakturen sind auch einfragmentär
auftretend, eine horizontale Frakturlinie ist nicht typisch.
Abscherfrakturen sind am ehesten mit den „Spaltfrakturen“ zu vergleichen, bei uns
jedoch nicht nur bei Luxationen, sondern signifikant häufiger bei den isoliert
aufgetretenen Tuberculum-majus-Frakturen zu sehen. Auch mehrfragmentäre
Abscherverletzungen kommen vor.
38 Bestätigung finden die eigenen Ergebnisse durch die von Kim (2005), der
ebenfalls
solitäre/monofragmentäre
von
mehrfragmentären
Frakturen
des
Tuberculum majus unterscheidet.
Relevant sind diese Ergebnisse insbesondere hinsichtlich der weiteren Diagnostik
und geplanten operativen Versorgung der Frakturen.
Bezüglich
der
Therapieoptionen
bei
Tuberculum-majus-Frakturen
gibt
es
kontroverse Diskussionen.
Undislozierte Tuberculum-majus-Frakturen werden gewöhnlich konservativ mit
guten Resultaten behandelt (Neer et al 1970). Die konservative Therapie bedeutet
eine Immobilisierung für ein bis drei Wochen, gefolgt von Physiotherapie mit
passiven
Bewegungsübungen
Außenrotation.
Wiederholte
und
Vermeidung
Röntgenaufnahmen
aktiver
zur
Abduktion
Kontrolle
sind
und
dabei
notwendig, um eine sekundäre Dislokation des Fragments rechtzeitig zu erkennen
und um die Frakturheilung zu beobachten. Aktive Außenrotation und Abduktion ist
nach annähernd sechs Wochen möglich. Die Schultersteife kompliziert oft den
Heilungsverlauf, wenn passive Übungen aufgeschoben werden (Kim u. Ha 2000).
Bezüglich des tolerablen Dislokationsausmaß gibt es unterschiedliche Aussagen.
Fragmentdislokationen unter 3 mm führen zu keinem verändertem Ergebnis im
Vergleich zu undislozierten Frakturen (Rath et al 2013). Die meisten Frakturen mit
einer Dislokation des Fragmentes unter 10 mm heilen gut unter konservativen
Maßnahmen (Jellad et al 2012, Platzer et al 2005, Young u. Wallace 1985).
Andere Untersucher wiederum folgerten, daß Dislokationen bereits ab 5 mm
Verschiebung zu unbefriedigenden Ergebnissen führen (Mc Laughlin 1963). Aus
dieser Tatsache entstand die Konsequenz, bereits bei 5 mm Dislokation
chirurgisch vorzugehen, bei über Kopf arbeitenden Betroffenen sogar schon bei
einem Ausmaß von 3 mm (Park et al 1997).
Die operative Versorgung erfolgt meist in offener Reposition und interner Fixierung
in Beach-Chair-Position. Dabei sind zwei verschiedene Techniken gängig,
entweder die Verschraubung oder Nahtfixierung. Nach Kim (2005) eignet sich die
Schraubenosteosynthese lediglich bei der monofragmentären Form, wobei die
mehrfragmentäre Form der Doppelreihennaht mit Fadenanker zugeführt werden
sollte. Die isolierte Schraubenfixierung wird gewöhnlich vermieden, da der
Knochen des Tuberculum majus brüchig ist und zur weiteren Zertrümmerung neigt
39 (Green u. Norris 1996). Mittlerweile gewinnen zunehmend arthroskopische
Verfahren an Popularität, wie neuere Studien und Fallberichte demonstrieren
(Carrera et al 2004, Gartsman et al 1999, Gartsman u. Taverna 1996, George
2007, Kim u. Ha 2000, Lee et al 2012, Wang et al 2012).
So sollte bei Typ I, der Abrissfraktur, vor einer weiteren Planung eine
kernspintomographische Untersuchung erfolgen mit der Fragestellung der
Ausdehnung des Sehnenausrisses sowie zusätzlicher Weichteilverletzungen.
Hinsichtlich der operativen Versorgung ist entsprechend eine Rekonstruktion der
Rotatorenmanschette indiziert.
Tuberculum-majus-Frakturen mit einem großen Frakturfragment sind für die
arthroskopisch gestützte kanülierte Schraubenosteosynthese geeignet, während
multiple kleine Fragmente mit arthroskopischer Suture-bridging-Technik zur
Rotatorenmanschettenrekonstruktion versorgt werden können (Lill et al 2013,
Katthagen et al 2014).
Weitere Untersuchungen zur Klärung der Frage des Unfallmechanismus sind
notwendig, insbesondere mit genauer Dokumentation des Hergangs, außerdem
vor allem zur weiteren Klärung der Abrissfrakturen kernspintomographische
Untersuchungen zum Zeitpunkt des Ereignisses zur Evaluation des Zustandes der
Sehnen und Ausmaß der sonstigen Weichteilverletzungen.
Insbesondere
könnte
eine
sofortige
bildgebende
Diagnostik
mittels
Kernspintomographie zeigen, inwiefern Rotatorendefekte vorhanden waren und
neu hinzugetreten sind und ob durch den Nachweis eines Knochenödems im
Tuberculum majus, wie bereits in einigen Untersuchungen (Mason et al 1999, Mc
Cauley et al 2000, Zanetti et al 1999) beschrieben oder durch Demonstration einer
Retraktion
der
Supraspinatussehne
(Butler
et
al
2004)
vor
allem
der
Abrißmechanismus nochmalig bestätigt werden kann.
Eine exakte Dokumentation des Unfallhergangs wäre notwendig, um die
Abscherfrakturen noch genauer klären zu können.
40 5. Zusammenfassung:
Ziel dieser Arbeit war, herauszufinden, ob anhand computertomographisch
dargestellter morphologischer Eigenschaften eine Klassifikation der Tuberculummajus-Frakturen mit Rückschluß auf den Unfallmechanismus erstellt werden kann.
Dazu wurden bei letztlich 97 Patienten die computertomographischen Befunde
hinsichtlich
Tuberculum-majus-Fraktur
Schulterluxation,
Frakturseite,
isoliert
oder
Fragmentanzahl,
im
Rahmen
einer
Dislokationsausmaß
und
Dislokationsrichtung, kraniokaudalem Ausmaß des Frakturfragments, betroffener
Anteil sowie die Kontur der oberen Facette des Tuberculum majus untersucht.
Nach statistischer Auswertung waren letztlich zwei vorherrschende Typen zu
beobachten
mit
dem
Hauptunterscheidungskriterium
des
Zustandes
der
superioren Facette des Tuberculum majus:
Typ I
Abrissmechanismus: In der Computertomographie morphologisch
charakterisiert durch eine nicht intakte Kontur der superioren Facette des
Tuberculum majus.
Typ II
Abschermechanismus: In der Computertomographie morphologisch
charakterisiert durch eine intakte glatte Struktur der superioren Facette des
Tuberculum majus und ein größeres Fragment.
Typ I war dabei signifkant häufiger bei den Frakturen, bedingt durch
Schulterluxationen, Typ II häufiger bei den isolierten Tuberculum-majus-Frakturen.
Bei Typ I spielt die Rotatorenmanschette durch ihre Struktur und Ansatz am
Tuberculum
majus
die
entscheidende
Rolle
mit
Ausbildung
einer
mehrfragmentären Form, bei Typ II als rein knöcherne monofragmentäre
Abscherverletzung ist die Rotatorenmanschette ohne Einfluß.
Relevant ist die Einteilung hinsichtlich der weiteren Versorgung, da die Typ I
Frakturen letztlich wie Rotatorenmanschettenausrisse behandelt werden müssen,
während Typ II wie eine rein knöcherne Fraktur therapiert werden kann.
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56 Danksagung
An erster Stelle bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. H. Hempfling für die
Überlassung des Themas, seine Unterstützung, konstruktiven Vorschläge und
seine außerordentliche Geduld.
Im Weiteren danke ich Herrn G. Paschold und seinem Team vom Medizinischen
Archiv der BG Unfallklinik Murnau.
Ein besonderes Dankeschön geht an Herrn Dr. R. Brill, Herrn Dr. P. Brill und Frau
U. Becker für ihre immer motivierte und hilfreiche Unterstützung.
Lebenslauf
Persönliche Daten:
Name:
Holzner
Vorname:
Ingrid Maria
Geburtsdatum:
17.03.1970
Geburtsort:
Rosenheim
Schulbildung:
1976 - 1980
Grundschule Brannenburg
1980 - 1989
Ignaz-Günther-Gymnasium Rosenheim
24.06.1989
Abitur
Studium:
1989 - 1991
Studium der Volkswirtschaftslehre,
LMU München
1993 - 1999
Studium der Humanmedizin,
LMU und TU München
01.07.2001
Approbation
Berufserfahrung:
1996 - 1997
Famulatur in den Fachgebieten Chirurgie,
Innere Medizin, Radiologie, Pathologie
1998 - 1999
Praktisches Jahr,
Klinikum rechts der Isar München,
Innere Medizin, Chirurgie, Neurologie
01.07.1999 - 15.08.2004
Weiterbildung Neurologie,
Neurologische Klinik Bad Aibling
16.08.2004 - 30.06.2006
Weiterbildung Psychiatrie,
Bezirksklinikum Gabersee
26.01.2006
Facharztanerkennung Neurologie
seit 01.07.2006
Facharzttätigkeit, BG Unfallklinik Murnau
Auslandsaufenthalte:
01.08.1989 - 31.08.1989
Ferienarbeit in Argentan, Frankreich
15.09.1997 - 19.10.1997
Famulatur Chirurgie,
Royal Infirmary Bradford, Großbritannien
Sonstige Erfahrungen und Kenntnisse:
01.11.1991 - 31.08.1992
Freiwilliges Soziales Jahr
1995 - 1997
Studentische Hilfskraft,
Chirurgische Tumorambulanz,
Klinikum rechts der Isar, München
2000 - 2005
Akupunkturausbildung
Diplom A und Zusatzbezeichnung