Text deutsch - KICKEN BERLIN
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Text deutsch - KICKEN BERLIN
M A N R A Y u n d C H R I ST E R ST R ÖMH OLM Kicken Berlin eröffnet die Ausstellungssaison 2013 mit einer Präsentation von Werken Man Rays und Christer Strömholms. Avantgarde der 1920er Jahre mit kameralosen Photographien, den Rayogrammen, und Objektkunst als mixed media sind die Stichworte zu Man Ray. Im Zentrum der Ausstellung stehen zwei besondere Werke: eine originale Rayographie der 1920er Jahre und ihre monumentale Vergrößerung als Vorlage einer Tapisserie aus den 1930er Jahren. Man Ray hat an den wichtigsten Kunstströmungen im 20. Jahrhundert, Dada und Surrealismus, aktiv partizipiert und sie entscheidend geprägt. Im New York der 1910er Jahre beschäftigte er sich mit Malerei, Collagen und Plastik. Früh war er auch mit dem Medium Photographie und dessen kreativem Potential vertraut. Seit 1921 in Paris nahm die Photographie immer breiteren Raum in Man Rays Werk ein. Aufträge wie Künstlerdokumentationen, Modeund Portraitaufnahmen wurden zum einträglichen Geschäft und Experimentierfeld zugleich. Parallel gewann das Experiment in Form kameraloser Photographien wesentliche Bedeutung: die Rayogramme. Man Ray ist mit Christian Schad und László Moholy-Nagy um 1920 einer der Pioniere der Kunst des Photogramms. Die Dinge des täglichen Lebens boten Man Ray mannigfaltigen Anlaß zur künstlerischen Transformation, ja Metamorphose. Das Beispiel Marcel Duchamps’ und seiner Readymades ließ Man Ray Objekte diversester Funktionen zu überraschenden, neuen Kombinationen zusammenführen. Eines der berühmtesten Beispiele ist das Werk Cadeau, das mit einer gezackten Zahnreihe versehene Bügeleisen von 1921. Wie in vielen seiner Werke nahm Man Ray den ursprünglichen Gedanken eines Werks in einer späteren Auflage als Edition wieder auf. In der Photographie sind die Photogramme Man Rays Versuch, „Reviere außerhalb der empirischen Welt“ zu erkunden. Der Kurator Klaus Honnef resümiert: „Seine photographischen Bilder halten jenen prekären Moment fest, wo die Substanz der Dinge in ihre Erscheinung übergeht, sie vermitteln noch die Ahnung von Körperhaftigkeit und sind tatsächlich ephemere Gebilde aus Licht und fixierten Schatten.“ Die Photogramme bezeugen Man Rays unermüdliche Begeisterung am Experiment und der Verwandlung, die ihn auch andere experimentellen Techniken wie die Solarisation, z.b. in den Calla Lillies von 1930, oder in Collagen wie ‘White the black and white room‘ (1954) praktizieren ließ. Zudem unternahm es Man Ray zu verschiedenen Zeiten, seine Werke immer neu zu dokumentieren und zu diesem Zweck neu zu organisieren, z.b in Photographien. So plante er 1944 die Publikation eines Buchs seiner Lieblingsstücke – „Objects of my affection“ – die in einer Liste von kommentierten Bildern zusammengefaßt wurden. Zu diesen Lieblingsobjekten gehörte auch „White the black and white room“ von 1954, eine Collage mit Photomontage und cut-outs, die er für das Projekt abphotographierte. Neben den meisterhaft verfremdeten Portraits seiner Musen und Modelle wie Kiki de Montparnasse, Lee Miller oder Meret Oppenheim zählen die Rayogramme zu Man Rays populärsten Arbeiten. Eine Auswahl dieser Bilder wurde zu Beginn der 1960er Jahre neu aufgelegt. Der Schwede Christer Strömholm repräsentiert die Abstraktion der Jahrhundertmitte und der europäischen Bewegung der subjektiven fotografie. Christer Strömholm ist einer der wichtigsten schwedischen Photographen im 20. Jahrhundert. Er schloß sich Anfang der 1950er Jahre – damals noch unter dem Namen Christer Christian - der deutschen Gruppe fotoform an. Die Gruppe hatte sich 1948 mit den Mitgliedern Peter Keetman, Siegfried Lauterwasser, Toni Schneiders, Wolfgang Reisewitz, Ludwig Windstosser und Otto Steinert in einem losen Zusammenschluß formiert. Die Mitglieder vereinte die Ablehnung einer konventionellen, ja rückwärts gewandten Auffassung der Photographie, wie sie in den Berufsverbänden gepflegt wurde. Sie propagierten dagegen eine „freie“ Photographie, die sich des Experiments genauso bediente wie sie alle photographischen Mittel zu einem Blick auf das Wesen des Dargestellten in individuellen Bildideen bündeln wollte. Der Einzelgänger Strömholm ging bald wieder eigene Wege, aber er blieb in seinem ganzen Werk den in dieser Verbindung gründenden formalen Grundsätzen der subjektiven Perspektive und experimentellen Bildsprache verbunden. Starke Kontraste, tiefes Schwarz und klare graphische Strukturen bestimmen Strömholms Bilder. Zentrale Themen Strömholms sind die Welt als Reich der Zeichen, verrätselte Bildnisse, die Randbereiche der Gesellschaft wie Prostitution, Travestie, oder die Anziehungskraft des Todes. In seinen Strassenszenen, Portraits oder Landschaften herrscht oft eine melancholische, verstörende Stimmung, deren Wurzeln im Existenzialismus der Nachkriegszeit liegen. Spuren der Vergänglichkeit ziehen sich durch die Motive – Strömholm fixiert diese Zeichen einer dunklen Welt in einer strengen Bildsprache, die die Realität nicht bloß abbildet, sondern über die naturalistische Erscheinung hinaus interpretiert und nach den Grenzen und Erweiterungsmöglichkeiten des Mediums Photographie fragt. Paris war lange Strömholms Lebensmittelpunkt und Ausgangsort für zahlreiche Reisen in die ganze Welt, nach Spanien, Italien, Japan, Indien oder die USA, die auch seine Bilder prägten. In seiner Stockholmer Schule Fotoskolan unterrichtete er Studenten wie Anders Petersen oder Penti Sammalahti. In unserer Präsentation stehen die abstrakteren Arbeiten im Fokus der Aufmerksamkeit. Sie zeigen Graffiti in den verschiedensten Variationen als Farb- oder Ritzspuren, Licht- und Schattenlinien oder organischen Lineaturen von Pflanzen und Bäumen.