Per Breitband in den Datenhimmel
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Per Breitband in den Datenhimmel
56 Fokus Publisher 3 · 2006 Leonardo vs. FTP Per Breitband in den Datenhimmel Mit der breiten Einführung von Breitbandtechnologien wird der Begriff Datenübermittlung neu definiert. Hat Hermstedts Leonardo immer noch die Nase vorne? Leonardo im Vergleich zu anderen FTP-Clients. DAVID UHLMANN Datenüber- tragung ist seit Beginn des DTP ein Thema. Einfache, schnelle und sichere Übertragungswege waren und sind wichtige Eckpunkte. Seit Breitbandtechnologien wie ADSL und Cable grosse Verbreitung finden, fragen sich viele Unternehmen, ob der Einsatz von Leonardo überhaupt noch Sinn macht. In diesem Artikel sollen die Vor- und Nachteile der beiden Technologien beschrieben werden, sodass die Grundlage für die Entscheidung, welche Technologie eingesetzt werden soll, besteht. Beginnen wir mit dem weit verbreiteten Leonardo von Hermstedt. Ab 1000 Franken erhältlich Das von Hermstedt Deutschland entwickelte Protokoll ist für die Datenübertragung von Punkt zu Punkt bestimmt. Das heisst, Sender und Empfänger müssen über geeignete Hard- und Software verfügen, um Daten austauschen zu können. Die Investition ist nicht sehr gross, bereits ab etwa 1000 Franken ist man dabei. Die Vorteile von Leonardo sind folgende: n Hohe Sicherheit: Es ist nicht möglich, via Leonardo in ein fremdes Netzwerk zu gelangen. Mit dem Protokoll werden keine rechnerspezifischen Befehle, wie sie beispielsweise über SSH (Secure Shell) möglich sind, gesendet. Es gibt eine Telefonleitung, und über diese können nur Geräte mit einer LeonardoKarte Daten senden. n Einfache Anwendung: Mit Leonardo kann jeder Daten übermitteln. Sie müssen nicht einmal komprimiert werden, einfach die Nummer wählen und ab geht die Post. Je nach Konfi- Der Autor David Uhlmann ist Inhaber der «Werkflow GmbH» mit Sitz in Wynau BE. Die Firma bietet Support und Schulung für Grafik, PrePress und Architektur in der ganzen Schweiz an. Für den Publisher hat er schon viele Artikel zum Thema «Mac OS X und Publishing» geschrieben. Auf der Internetseite www.werkflow. ch gibt es Infos zur Firma sowie Dokumentationen und ProjektBeispiele. www.werkflow.ch Der Zugang via FTP-Client (im Beispiel der kostenlose Cyberduck) ist wesentlich komfortabler, erfordert aber das Wissen, wo was eingegeben werden muss. Ohne Anleitung steht hier der Benutzer oft hilflos da. guration ist es möglich, verschiedene Benutzer zu eröffnen, so dass Dateneingänge automatisch an die richtigen Empfangsstellen gehen. Das Personal muss nicht speziell geschult werden. Nachteile von Leonardo Relativ hohe Übermittlungskosten. Proprietäres Protokoll: Leonardo ist ausserhalb der Druckvorstufe so gut wie gar nicht verbreitet. Gerade im Datenaustausch mit grossen Firmen wie Swisscom oder der Post bleibt als Alternative nur der E-Mail-Verkehr, der bekanntermassen zum Teil stark limitiert wird. n Langsame Übertragungsrate: Bei ADSL sind Upload-Raten von 256 KBit und mehr üblich. Mit Leonardo können zwar Kanäle gebündelt werden, was aber immer Mehrkosten verursacht. Ein Kanal hat dabei die Übertragungsrate von ISDN, also 64 KBit. n n FTP: kein Zugriff aus sicheren Firmenumgebungen Das Protokoll wurde von Anfang an im Internet nur für die Übermittlung von Dateien eingesetzt, also nicht, wie beispielsweise HTTP, um Bilder oder den bekannten HTML-Code auf den lokalen Rechner zu übermitteln. Entsprechend holprig kann auch der Einsatz von FTP Alles, was man braucht. Up- und Download sowie Informationen zu bereits getätig ten Transfers. Das Interface von Rumpus lässt sich individuell anpassen. sein. In grossen Firmen wird der Einsatz von Port 21 (das ist das «Standardfens ter» des Dienstes, über den FTP läuft) deaktiviert. Das heisst, Benutzer können gar nicht via File Transfer Protocol auf externe Server zugreifen. Weiter ist die Eingabe von Benutzername und Kennwort oft sehr umständlich. Bei einigen Browsern muss dies bereits in der URL erfolgen: ftp://user1@ftp. werfkflow.ch heisst: Mit dem Protokoll «ftp» wird mit dem Benutzeraccount «user» auf die Subdomain «ftp.werkflow.ch» zugegriffen. Wenn eine der Eingaben nicht stimmt, funktioniert der Zugriff nicht. Fokus Ob Dateien auch gesendet werden können, hängt ebenfalls vom eingesetzten Browser ab. Auch hier gilt, dass in grösseren Umgebungen oft gar kein FTP-Client eingesetzt wird. So wird es den Benutzern unmöglich gemacht, Dateien auf einen solchen Server zu übermitteln. Dabei ist die Datenübertragung gerade in Marketingabteilungen sehr wichtig. Rumpus machts komfortabler Es gibt aber für die Einschränkungen, wie sie oben genannt wurden, Abhilfe. Verschiedene Hersteller von FTP-ServerLösungen bieten komfortabel den Zugang via Webbrowser an. Eines dieser Produkte ist Rumpus, das auf Mac OS X läuft und eine eigene Benutzerdatenbank aufbaut. Das ist hinsichtlich der Sicherheit ein wichtiges Argument. So haben Benutzer, die Zugang bekommen, nicht die Möglichkeit, das System zu kompromitieren. Benutzeraccounts Was ebenfalls oft vergessen geht, ist, dass der Einsatz eines FTP-Servers zwingend die Auseinanderhaltung der Zugänge erfordert. So darf es nicht vorkommen, dass ein einziger Benutzer für alle Kunden und Lieferanten eingesetzt wird. Kunde A soll schliesslich nicht den Geschäftsbericht von Kunde B einsehen können. Es muss also jemand diese Konten betreuen, ein Systemintegrator macht dies in der Regel via Fernzugriff. Moderne Server-Lösungen sind jedoch einfach zu bedienen. So kann diese Arbeit auch von internen Personen ohne grosse Einarbeitungszeit erledigt werden. Achtung Bandbreite Auch die Bandbreite spielt eine Rolle. Entscheidend ist die Upload-Rate, also die Geschwindigkeit, mit der Daten von mir zum Ziel übermittelt werden können. Die günstigen ADSL-Abos haben oft eine grosse Download-Rate, der Upload ist jedoch meist sehr eingeschränkt (das «A» in ADSL steht für asynchron, und das bedeutet, dass die Up- und die Download-Rate unterschiedlich hoch sind). Ein Upgrade des bestehenden Abos muss also mit eingerechnet werden. Ansonsten gibt es ein böses Erwachen, nämlich dann, wenn von aussen so viel Daten «gesaugt» werden, dass für die eigentliche Produktion keine Reserve mehr bleibt. Oft ist der Einsatz einer zweiten Linie günstiger als eine symmetrische Datenleitung. Fazit FTP bietet viele Vorteile gegenüber Leonardo. Nicht nur die Kompatibili- Publisher 3 · 2006 tät ist grundsätzlich besser, auch die Kosten lassen sich mit Flatrate-Abos einfach berechnen. Allerdings sollte auch die Benutzerfreundlichkeit nicht aussen vor bleiben: Out-of-the-Box liefert Leonardo die bessere Benutzerfreundlichkeit. Mit etwas Nachhilfe lässt sich aber auch ein FTP-Server zu mehr Komfort überreden – via HTTP versteht sich. Auch das Thema Sicherheit will mit Bedacht und professionell angegangen sein. Eine Firewall ist für Unternehmen aus Sicherheitsgründen Pflicht, damit unzulässige Anforderungen von aussen früh erkannt und geblockt werden können. Ach ja, fast vergessen: Mac-Ressourcen werden unter FTP nicht unterstützt. Die meisten Programme im grafischen Umfeld arbeiten auch ohne. Zur höheren Sicherheit und der Datenmenge zuliebe sind Dateien mit Vorteil zu komprimieren. n Datentransfer: viele Wege für unterschiedliche Bedürfnisse (msc) Wenn es darum geht, eine Datei von Computer A auf Computer B zu übertragen, hat man als Anwender die Qual der Wahl. Eine Reihe von Datenübertragungsmöglichkeiten steht offen – welche man wählt, hängt von den Umständen ab. Neben FTP, das im Beitrag näher vorgestellt wird, stehen folgende Wege offen: n Stingray ist eine Appliance (also eine fertig konfigurierte «Box») für den Datentransfer. Der Server kommt wie Leonardo, die in der Druckvorstufe nach wie vor verbreiteste ISDN-Lösung, aus dem Hause Hermstedt. Das Produkt eignet sich für Unternehmen mit viel Datenverkehr und konsolidiert die Datenübertragung, indem es Jobs auf dem vorgegebenen Weg übermittelt oder empfängt – per ISDN oder über das Netz per FTP oder Leonardo-over-IP. n Transfer-Tool heisst die Dienstleis tung eines professionellen Schweizer «Datenschiebers». Sie eignet sich auch für grössere Datenmengen. Als Anwender braucht man keine zusätzliche Hardware. Die Software zum Hochladen der Daten ist optional, nutzen lässt sich der Dienst auch über den Webbrowser. Das Transfer-Tool eignet sich für kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene Hardware betreiben möchten. Ausführliche Informationen zum Transfertool finden Sie unter http://www.publisher. ch/transfertool. n WebDav (Web-based Distributed Authoring and Versioning) ist ein offener Standard zur Bereitstellung von Dateien im Internet. Ein WebDav-Laufwerk lässt sich wie eine Festplatte verwenden und ist daher in der Verwen- dung so unkompliziert wie ein lokales Speichermedium (wobei die Zugriffsgeschwindigkeit übers Internet natürlich nicht der eines lokalen Laufwerks entspricht). WebDav ist eine Erweiterung des HTTP-Protokolls: Daher funktioniert der Zugriff in aller Regel auch in Unternehmensnetzwerken und trotz restriktiver Firewall. In Windows XP kann man über die Netzwerkumgebung ohne Zusatzsoftware auf WebDavLaufwerke zugreifen, ein praktisches Zusatzprogramm ist Novell NetDrive, das das Online-Speichermedium im Explorer mit Laufwerksbuchstaben einbindet. Der Finder von Mac OS X unterstützt unverschlüsselte Verbindungen. Mit Goliath sind auch sichere Verbindungen möglich. Goliath und NetDrive sind im PublisherDownloadbereich verfügbar. WebDav eignet sich für Anwender, die Wert auf Flexibilität legen. Wer selbst einen Webserver betreibt, kann diesen mit WebDavFunktionalität aufrüsten; sowohl Apache als auch Microsofts IIS bieten entsprechende Funktionen bzw. Erweiterungen. Dienste wie iDisk von Apple oder das GMX MediaCenter (beide verwenden übrigens den erwähnten WebDav-Standard): Diese sind einfach zu handhaben, verhältnismässig günstig oder (wie GMX im Standardangebot) sogar gratis. Sie eignen sich für gelegentlichen Datenaustausch, indem Daten per Browser oder WebDav-Client hochgeladen und für den Empfänger freigegeben werden. Bei GMX ist beispielsweise eine zeitlich limitierte Freigabe möglich. Sieht aus, wie eine Stereoanlage, ist aber ein Transferserver: Stingray by Hermstedt. Per Transfertool übermittelt man Daten aus dem Browser an die Empfänger – per Breitbandinternet und ohne zusätzliche Hardware. n Ein WebDav-Online-Ordner klinkt sich in den Windows-Explorer oder den Finder ein und lässt sich wie ein Verzeichnis auf der lokalen Festplatte nutzen – sogar wenn eine restriktive Firewall im Spiel ist. 57